Die solonische
Verfassung in
Aristoteles
Verfassungs...
Athens
(
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Die
olonische Verfassung
-
in
Aristoteles
Verfassungsgeschichte Athens
von
Bruno Keil
* •
Berlin 1892
R. Gaertners Verlagsbuchhandlung
Hermann Heyfelder
SW. Schönebergerstrafse 26
13*2 7
SPRECKELS
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Georg Kaibel
und
Adolf Kiessling
in Dankbarkeit
11081
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Die Altertumswissenschaft hat sich . bei der Be-
trachtung und Beurteilung des neuen aristotelischen
Buches über das Staatswesen der Athener im grofsen
und ganzen sofort der sogenannten höheren Kritik zu-
gewendet^ für das Einzelverständnis des Buches ist seit
Kenyons erster Ausgabe wenig geschehen ; nur die besseren
Ubersetzungen haben nach dieser Richtung hin ge-
fördert. Und doch kann das Urteil in weiteren Fragen
nur dann mit dem Anspruch auf innere Begründung auf-
treten, wenn das erreichbar höchste Mafs des Einzel-
Verständnisses alle für die höhere Kritik in Betracht
kommenden Kriterien geliefert und geklärt hat. Aber
die Wissenschaft schuldet eine eingehende Erklärung
nicht allein ihrer Methode, sie schuldet sie auch dem
Buche selbst. Wie jedes andere Litter aturdenJcmal will
es zunächst aus sich selbst begriffen und erklärt werden.
Die Einzelerklärung erfordert Zeit; ein einzelner wird
sie in nahen Tagen nicht geben können , es müssen
von verschiedenen Seiten Vorarbeiten dazu in Angriff
genommen werden, welche das Material bereiten helfen.
Zu ihnen wollen die folgenden Ausführungen gerechnet
werden. Sie umfassen zunächst nur einen kleinen Ab-
schnitt des Buches. Aber die Einzelerklärung kann
nicht ohne steten Bückblick auf das Ganze bestehen;
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- VI -
namentlich der hier behandelte Abschnitt zwang durch
seine dominierende Stellung in der aristotelischen Ver-
fassungsgeschichte Athens, anhaltend den Blick auf das
ganze Buch gerichtet zu halten. So bin ich wider
Willen durch den Stoff von der Erklärung aus zu den
Fragen der höheren Kritik gedrängt worden. Das Ge-
fühl und Bewufstsein von der notwendigen Unzulänglich-
keit meiner Beobachtungen ist mir dabei ein wenig lieber
Weggenosse gewesen.
Die Erklärung mufste sich mit Anzahl
von Fragen abfinden, welche in alle Kapitel des hier
behandelten Abschnittes eingreifen. Es wäre für mich
bequemer und manch anderem vielleicht genehmer ge-
wesen, hätte ich jedesmal bei der ersten Stelle, an welcher
die betreffende Frage eingriff, sogleich die ganze Frage
in Angriff genommen und zu Ende geführt Allein dann
hätte ich keine Erklärung, sondern eine Beihe von
Einzeluntersuchungen geliefert. Es gehört mir aber die
Form der Erklärung mit zum Zwecke des Buches. So
ist es mehrfach geschehen, dafs dieselbe Frage an ver-
schiedenen Orten behandelt werden mufste; man tvird
aber finden, dafs sie an den einzelnen Stellen stets bis zu
einem Abschlufs mit bestimmtem Ergebnisse geführt ist,
auf welchem an der späteren Stelle weiter gebaut wird.
Es sind verschiedene Fäden zugleich aufgenommen, sie
laufen durch die ganze Erklärung, um am Schlüsse ge-
schürzt zu werden.
Die Niederschrift der folgenden Darlegungen habe
ich nicht mit der Absicht begonnen, ein selbständiges
Buch zu liefern : einen oder zwei Aufsätze in einer wissen-
schaftlichen Zeitschrift gedachte ich zu schreiben; allein
das fertig Ausgearbeitete erzwang sich durch seinen Um-
fang die Selbständigkeit. Dadurch mufste manches neue
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- VII -
Form erhalten: an die ältere Form mag doch wohl noch
dieses oder jenes gemahnen.
Die Arbeit ist in den letzten Tagen des April ab-
geschlossen norden ; wie weit bei einer nachträglichen
Überarbeitung und Erweiterung der seit dem Abschlufs
des Manuskriptes erschienenen Liiteraiur Einflufs auf
meine Darstellung gewährt werden konnte, ergeben die
Anmerkungen und der Excurs zum achten Kapitel. Eine
beschleunigte Drucklegung machte es unmöglich, die nach
der Mitte des Juni erschienene Litteratur auch nur noch
bei der Korrektur zu berücksichtigen.
Zur Bequemlichkeit der Leser ist der Text des hier
behandelten Abschnittes an erster Stelle abgedruckt. Ich
habe ihn mit dem Faksimile kollationiert; für einzelne
Stellen unterstützten mich freundliche Mitteilungen des
Herrn Prof. Diels und Herrn Kenyon. Ich habe Grund,
dem Herrn Verleger für sein Entgegenkommen in mehr
als einer Hinsicht auch an dieser Stelle meinen Dank
auszusprechen.
Strafsburg i. E., 12. Juli 1892.
B. K.
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ARISTOTELES
ÜOAITEIA A<?>HNAK2N
Kapitel 5—13.
Keil, Aristotoles.
1
L Londoner Papyrus.
B Berliner Papyrus.
B 2 Lesarten aus einer erneuten Prüfung von B; ich ver-
danke sie der Güte des Herrn Prof. Dr. Diels.
K 1 *A(h\valQ}v nohzefa. Aristotle on the Constitution of
Athens edited by F. 6. Kenyon. London 1891.
K 3 dasselbe, Third edition 1892.
K-W Aristotelis noktrtta A^vaitov Herum ediderunt
G. Kaibel et U. de Wilamowitz-Moellendorff. Berlin
1891.
H-L De republica Atheniensium. Aristotelis qui fertur Uber
'A&rjvaiatv noltT£(a. Post Kenyonem ediderunt
H. van Herwerden et J. van Leeuwen J. F. Leyden
1891.
[ ] ergänzte Worte. Wo nichts bemerkt ist, sind die Er-
gänzungen von Kenyon.
< > eingeschobene Worte.
Die Zeilenzahlen am Rande nach K-W.
Citate aus aristotelischen Schriften nur nach den Seitenzahlen
der Akademieausgabe.
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2. Columne L.
v. Toiavz^g de zrg zdt-ewg ovarjg ev z% noXiztiq
xai Ttuv tzoXX&v dovXevovzwv tdig oXiyoig, dvzeazr] zoig
yvwQi^ioig 6 dij/iog. ia%VQag de vijg ozdoecag ovoyg xai
noXvv xqovov dvzixa&rjuevtjv aXXrjXoig e r iXovzo xoivf t
diaXXaxzrjv xai aQxovza ~6Xu)va xai [zr t v 7toXt]zsiav ene- 20
ZQeiJjav aluo 7toiyoavzi zr^v eXeyeiav yg eoiiv ctQxq
yivty[o]x(o, xai juot qpQevbg evdo&ev dXyea xelzai,
nQeaßvzdzrjv eaoQwv yaiav 'Iaoviag.
xat yag f eiceXavvev xai TCQog exazeQOvg vneq ixazegwv
ftaxerat xai dia^wßrjzel xal iieza zavza xoivf t nagai- 25
vel [xaza]naveivzijv iveozwoav qpiXovixiav. rp> d' 6 2oXojv
tjj fiev [qw]aei xai zf d6£y z(äv 7igwza)v f zf t 6* olaiq
xai * zoig ngdy^iaai ztov neowv , aig ex ze zwv aXXcjv p. 5.
OfioXoyelzat, xai [entzog] ev zotade zoig noi^aaiv fxagzv-
gel, nagaivwv zoig nXovoioig pi] nXeovexzelv '
v/nelg d' r^avxdaavzeg ivi qpgeoi xagzegbv fjtog,
0% noXXäv dya&wv ig xogov \rj\Xaoaze, 5
4, M ytvtoi . xto L. 84 xal yaQ Ineluvvtt xal K; x.y. no-
lt[uxu>MTa\ K-W; x. y. ttTiaXldira J. B. Mayor, Richards.
26 ytlovixtav, darüber vtxi L. 27 [yu]<Tf* *the fragment . . .
containing the first letters of this word hasbeen lost in mounting' ;
ergänzt von verschiedenen Seiten. 5, 6 [rjl]aattTe K s ; mehr-
fach ergänzt nach Tyrt, 10, 11.
1*
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— 4 — [Kap. 5. 6
p. 6 ev uezgioiöi t[oi(peo]9e fiiyav voov' oike yctQ ypeig
Tieioonetf, ov& vfäv agria za[vr] i'oerai.
Kai oXwg alei dyv aixiav rr t g ovaoewg ava7t%u zolg
nXovoioig' öib Kai iv agxf, Tr$ eXeyeiag dedoixevai (prjoi
io *irjv %e cp aiav vrp> te v7Z£orjq)aviav\ d>g diu tavta
tijg ex$Qag iveatcoa^g.
vi. Kvqiog de yevofjtevog twv 7iqayfia\xwi\v (6) 2oXwv
%6v te drjiiov i t Xev&egwoe, Kai ev t(fi naqovti Kai eig tb
15 fii ).'/.! >r. KwXvaag ö[ave]iLeiv ini tolg owfxaoi Kai y^ccDv
dnoKonag €7toit]ae Kai twv iöiwv Kai twv drjfiooiwv,
ag aeiaax^eiav KaXovotv t wg dnoaeiaa\ievwv tb ßdqog.
iv olg Tceiqwvrai tiv[eg] diaßdXXeiv avtov ovveßt] yctQ
T(fi 2oXwvi peXXovtt, noietv trjv ouoax&eiav nQoeinelv
20 tioi twv [yvw]gifiwv , entiS' , wg piv Ol drjf^otixoi Xe-
yovoi, 7taQaoTQazi]yr]&Tjvai öia twv (piXwv, wg ö' Ol
[ßovX~]6fievoi ßXaoqjrjpeTv , Kai aitbv koivwvbiv. öavet-
ad^evoi yccQ ovtoi ovvenqiavto noXk^v xuQ<*v, [peva d']
ov tzqXv trjg twv xqswv dnoKOTtr^ yevofievrjg inlottow
o&ev qpaoi yeveottai tovg voteqov öoKOvvtag elvai na-
26 XaionXovtovg. ov fir\v dXXa 7tid\avw]teqog 6 twv dt]-
HOtiKWv Xoyog. ov ydq e[t]>c[6]g iv fiev tolg aXXoig ovtw
fihoiov yeveo&at sccrl koivo[v, wo]t i£bv avt$ [t]ovg
7 r«[i>r'] H-L.; Trafvr'] K.-W., welchen na und t« gleich
möglich erscheint. 10 Das habe ich gelesen im Facsimile; q
scheint mir vor iav ausgeschlossen; vgl. z. d. St. (f[ilaQyvg]iav
K. K-W. H-L. 12 <6> ergänzen K-W. " Nach owpaoiv fugt
L xttl vojuovg t&t)X€ ein; von K-W getilgt. 16 aaeioaxüia,
mit Hinzufügung eines a über dem ersten a L\ korrigiert
von K. anooioaptvoi L ; korrigiert von J. B. Mayor und K-W.
20 <fc« L: inb K-W. «but the MS is clear> K 8 . " [ßovlftut-
| vot von vielen ergänzt. 88 ytvo/utvrjs L y gebessert bei
, \ K-W. H-L. 88 [<*«>( K 8 , t[ixo S ] K-W. « [£ a y K 8 ; vtoa
sind in einem Loch der Hs. ausgefallen; von v und a nur
Ansatzspuren. [r]ovg [vou]ovg K 8 , Tovg [v]6povs K-W 2 . tovs
[tr£(?]ovs Blass nach p. 11, 8; vgl. unten (Register u. Ari-
stides). Herr Kenyon hat die Stelle freundlichst noch einmal
im Original für mich eingesehen, aber ohne Ergebnis.
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Kap. 6. 7]
- 5 -
[v6iao]uq* vn07toir]ad^evov zvQaweivzi)g nöXeio^ ctuqioze- p. 6
qoiq anexlp^eo&ai xai neoi nXeiovog [noi]yoao&cu zb
[xa]Äov xai rtjv zrjg noXetag ovmaiav ij zi]v avzov nle-
ovet-iav, ev ovzto de fiixgoig xai dv[a^io]ig xazagqvnai-
veiv tavzov. ozi de zavzrjv eaxe zrjv ei-ovoiav, zd ze 5
itgay^iaza vooovvza pagzi get ...zo xai ev zöig noi^aaiv
avzog TtolXaxov fii^vrjzai xai 01 aXXoi ovvoftoXoyovoi
rtdi\zeg]. zavzrjv fiiv ovv xq*1 vopiLeiv ipevdr] zrjv ai-
ziav eivai.
vn. üoXizeiav de xazeazrjae xai vofiovg e&qxev
aXXovg f zöig de dgdxovzog &eouoig Inavaavzo XQioftevoi 10
rtXyv zwv cpovixcHv. dvaygdxpavzeg de zovg vofiovg eig
zovg xvgßeig eozrjoav ev zfj ozoq zf t ßaaiXely xai wuo-
oav xQyosoü'** 1 ndvzeg. 01 d* iwea agxovzeg bpvvvzeg
TtQog z$ XL&ty xazecpdzitov dva&i t oeiv dvdgidvza XQ V ~
oovv, edv ziva 7taga߀»oi ztuv vofiütv' o&ev ezi xai vvv 15
ovzwg ofivvovai. xazenvgtaoev de zovg voftovg eig exazov
[e]zrj xai dieza$~e zr t v noXizeiav zovde {zbv) zg6n:o[v).
zi^ii\fAaza duTXev eig zezzaga zeXy, xaSdneg
diyqrjzo xai ngozegov, eig 7tevzaxoowft[e]di^v[o]v [xai
innea] Aal Levyizrjv xat &ijza. zag p eg dgxdg 20
anevetf.iev jj < o/m ex Trevzaxoaiofiedifivtüv xai innewv*™
xai Cevytziüv, zovg iwea dgxovzag xai zovg zapiag xai
zovg maXrfilag] xai zovg tvdexa xai zovg xwXaxgezag^
exdazotg dvdXoyov zqt fieye&et zov zifiv\piaz[6\g dnodi-
dovg z\i]v dg]xr l v. zoig de zb d-rjztxbv zeXovoiv exxXrj- 25
6, 8 nuktios über der Linie hinzugefugt L. ovrw L, der
Rest der Vertikalhaste des t und die rechte Sehleife des cd ist
zu erkennen; [oi>t]w K s . 4 Qvntttrttv über qv hinzugefügt xaxa L.
* fjaQTVQo, darüber et L. von Wessely und Blass (K 8 ) gelesen;
. . . to: ToCro Sandys, K-W*, « tdoaro Wessely (K 8 ). 17 <xov>
von mehreren Seiten ergänzt. 18 Lücke vor nurjuaa nach
K-W; 'velut <ro nüv nXri&os ix) T^ijuwreav'; vgl. z. d. St.
80 So habe ich im Facs. gelesen; vgl. unten (Register u. d.
St.); ^[^v oi>)v K 8 ; vl[v o]vv K-W; plv ovv H-L. ' a * rr,v war
mit Compendium geschrieben, man sieht nur noch das x.
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- 6 -
[Kap. 7. 8
p. 7 aiag xal öf/.aan t guov fieitdw/.e * fiovov. e'dei de xeXeiv
TtevxaxooiOfJiedifivov fxev og av ex xrjg olxeiag noifj nev-
xaxooia fiexga xd mväuqio ^]qu xal vygd, inndda de
xovg xgiaxooia Ttoiovvxag, tag d' evioi cpaoi xovg itctco-
s xgo<peiv dvva^evovc (orj/neiov de qtegovoi to xe ovoua
xov xeXovg, wg av ano xov 7igdypiaxog xei^ievov, xal xd
dva$r)iiaxa xwv agxaiwv dvdxeixai yag iv dxqoTioXei,
elxwv JupiXov, e[(p 3 r; i7t]iyeyga7txai xdde'
JiyiXov läv&euiwv xyvd* dve&fjxe &eoig,
&rpixov dvxl xeXovg inndd* d^ieixpd^evog.
10 xal Ttageoxrjxev *iit7tog f ex\iagxvgwv , wg ttjv \ixndda
xovxo or}fta[i\vovoav)' ov fiijv aXX* evXoyioxegov xoig
fttiQoig dir)grjo&ai xa&dneg toig nevxaxooiOfiedif.ivovg'
tevyiaiov de xeXeiv xovg diaxoaia xd ovvdfucpcü tzoiovv-
xag' xovg d* dXXovg &rjxixov, ovdeuiag fiexexovxag dg-
i5 xys> dtb eneiddv egrjxat tov fAeXXovxa xXt)-
govo&ai xiv dgxyv, noTov xeXog xeXel, otd' av elg eXnoi
&rjxixov.
viu. xdg d' agxdg inoitjOe xXi]gwxdg ex jtgoxgixwv,
[o]vg ex\do]xr] ngoxgLveie xwv q>vXwv. ngovxgivev d'
elg xovg ewea dgxovxag exdoxq dexa, xal {ix} xov-
20 [xiov exX]rjgovv ' o&ev exi dia/sevei xaig qyvXaig xb dexa
xXrjgovv exdoxrjv, elx ex xovxwv xvafxeve\iv\. arutiov
d' oxi xXrjgioxdg enoirpev ex xwv xifjtijfidxwv o negl
xwv xafAituv vonog, $ XQ^^oi [diaxeXo]voiv exi xai
7,{^<uf av — xiffxtvov tilgen H-L. als Glossem; av ver-
langt der Sinn. 7 dnp(lov tilgen K-W., vgl. z. d. St. 10 txpag-
ivguiv L; ich finde kein Zeichen dafür, dafs iv getilgt worden
seien (K-W); K 8 bemerkt nichts. Der Raum in L scheint jnir
etwas zu grofs für die Buchstaben <pijte7i der Ergänzung.
/l 11 fi(rgoig K.: furgioie L. 17 t«s <T K.: r* J ttQXW
18 7tQOxg£vii€ Gertz: nQoxgtvti L. 19 ivvlaQxovrtts so L. <*x>
tov[t(ov ixi]riQovv K-W 2 fragend, xal tov[tok] $[ntx\Xrigovv
K 8 : l there is only room for one letter bctween tov and *, but
something has been written above the line and it looks as
if the scribe had written xovs and corrected in tovtois.'
i
/
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Kap. 8]
- 7 -
vvv ' yceXevei ydq nXr]QOvv tovg tapiag ex nevtaxoGio- p. 7
fiedtftvü)[v. 2oX\u)v /ifiV ovv ovttog svofio&hrjoev iu/i 25
tiov ewea agxovtwv. to yag aQxaiov rj evl4(>[eiqt Ttaytp
ßov]Xr avaxalsaafiivT} xat xgt-vaoa xaif avt7\v tov eni-
jtjdeiov eqj exdoty twv ctQ%6)v In [iv]ia[vr]bv [xa#i-
atä]aa mteateXXev. qyvXai * d* roav xaSaneQ 7iQ0- p 8
teqov xat qwXoßaaiXelg tevcaoe[g. h. de tijg] (pv[Xijg
fx)dotT}g yoav vevefiytievai tqitrveq pev tgetg , vavxqa-
giai de dcjdena xa#* txaatr-v. [rjv d* enl tuni\ vavy.ga-
giwv ctQXij xa&eOTfjxvia vavxgagoi , terayfxevrj ngog %e 5
tag eiocpogag xat tag dan[dvag] tag yivofiivag ' Öto xat
ev toig voftoig toig 2oX(avog oig ovxeti x^wrrat rtoXXa-
[xov] yeygantai l tovg vavxgagovg elangatteiv xat 1 ava-
Xioxeiv fix tov vavxgagixov dgyvg[iov. ßovX]rjv d'
i7toLr t ae tergaxoaiovgy exatbv fif exaatyg qyvXrjg, tty de 10
tutv 'Aqeonayitüv eta&v e\ni to] vofioqjvXaxeiv, wo teg
vrtTjQxev xat ngategov enioxonog ovaa t% noXvteiag'
xat td te aXXa td nXelata xat td fieyiata tCov 7C0X1-
t(ix)wv dutrjgei xat toig dfiagtdvovtag rjvdvvev xvgi[a]
ovaa [tov £,r)](u[ovv] xat xoXdteiv, xat tag extiaeig
28 [£r*]a[i/r]6v [<Ftard£«]aa K*. 8, 1 TiooaQt. L. * (x ö*h
[rfjs <f>v\]Lqe L nach K 8 . 3 vavxgtugai L. [ijv o*' inl t«Sv] K-W.
H-L. [ijv <J£ iwr] K s , welcher gegen die im Texte stehende Les-
art bemerkt: <it is doubtful whether there is room for this
Supplement'. Die Nachmessung ergiebt Raum für die 7 Buch-
staben rpf J' fsrt r\ 4 vavxoatgoi L. • (VTotaoXiovofiOioroiO-
aoltovos L, das erste oX über andere Buchstaben geschrieben.
' nolXax[ov] vgl. p. 6, 6 h tois rtoUaxoö ft^ri)Tai. nokla-
x\ov] K* nach Wessely, doch seien namentlich 0/ sehr un-
sicher. irolX[uxi]g K-W. 9 Tfrp«xoo/o[ff] K 1 - B , aber r€-
TQaxooi* L. 11 o[v]aa K*. »» nokt{ rt )x<uv K-W. H-L. K» mit
und nach Anderen. M t[o0 iri\fit[ovv\ K 1 . K-W. [xal Cij]/it[oOv]
K s nach Blass mit dem Bemerken gegen die erste Lesung:
«but a mark of abbreviation seems visible in the MS.' Für
x' ist aber der Raum zwischen ovaa und [^]|M*[oi/v] zu grofs,
er reicht für mindestens 2 Buchstaben; der Bruch scheint
durch das f von (ijfitovv zu gehen.
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— 8 -
[Kap. 8. 9
p.-* avicpBQev eig nokiv ovk eftiygdq?ovaa xrp> 7tgog>aai[v xov
16 ~\ea&ai, Kai xovg eni KaxaXvoei xov dr]fxov avv[t,y
axauevovg exQivev, 2oXo)vog &ev[xog] vofiov eiaa[yy]e-
X[tag] negi avxwv. bgwv de xr)v fiev tzoUv noXXaxig
oxaoidZovoav , xwv de nohxcjv hiovg d[ia] x%v $q$v-
ao n\Lct]v [dya7t]wvxag xb avxofÄcexov, v6(jlov e&T}X£ ngog
avxovg idtov, og dv oxaoiatovorjg xijg 7t6X[e](og /u[iy
zij&rjxai xd otekcf ptjdi fi6&' exegtov, axifxov elvai Kai
xijg noXecog pr) pierexeiv.
ix. xa fiev ovv [negi xd]g agyag x[ovx]ov ei%e
xov xgoitov. doxel de xijg SoXwvog noXixeiag xgia xavx*
«5 elvat xd drutoxiKumaxa * ngurzov fiev Kai neyiaxov xb fiy
daveiteiv eni zoig Oü>fAaoiv y erteixa xb e^elvai x$ ßovXo-
utvuj [xifji\u)[geT\v V7ceq xwv ddiKovfxevtov , xqLxov de,
p. 9 ((py * fidXiaxd (paaiv ia%VKevai xb 7xX?j&og, r eig xb di-
K[aoxtjgiov] eq>[eoig]' Kvgiog yag wv 6 drjpog xrjg
iptjfpov Kvgiog yivexai xijg ixoXixeiag. exi de Kai dia
xb fii) yey[qa]q>d\ai xo]vg vofiovg dnXbjg prjde oaywg,
s dl% woneg b Tteoi xiov Klrjgwv Kai emxlrjQwv, dvd[y]xi]
[ixoX]lag ct^q)iaßrjir]aeig yivea&ai Kai ixdvxa ßgaßeveiv
xai xa Koiva Kai xa "dia xb diKao\x\y)g[iov\ oiovxai
fiev olv xivsg enixqdeg daaqpetg avxbv ixoir)oai xovg
18 «vclut elonnäntaVca" K-W. [ft> &vv]e oftai K 3 im Text
nach Blass; H-L haben &uv€<t& gelesen; K 8 nur sa&- Ich
lese n . oif ttat ae . . eo 9 , das q an zweiter Stelle ist
nicht zu lesen, weil es im Bruche ausgefallen ist. 17 itoa[yy]e-
l[(as] K 8 nach Wcssely. 19 [ayan]divTas K-W. Kontos; [ttcqio-
0]tSvTas Bury (K 8 ) ansprechend, nach Thuk. IV. 71, 1 ap(po-
rtoois ifioxei jjffi /äaaai to utttov ntQuöiiv. 80 Über 7iqos avtovg
die Buchstaben nQoaav wiederholt in L. 28 tlyt Lesung von
K». « <?>> H-L <r£ x«i> K-W. 9, 7 r6 ^ar^ov] *the
MS. is rather doubtful 1 K 8 . t« tfixaarijQia lasen K-W und
emendieren to dixaax^Qtov. ra dtxao\i\ri{)[ia] H-L. Das o in
to kann als o und « gelesen werden ; aber der Raum zwischen
tjg und olovrai ist für ia zu grofs, so dafs tov gestanden haben
mufs, wonach sich die Lesung des Artikels reguliert.
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Kap. 9-11J
— 9 -
vofdovg, onwg 7TBoi xrjg XQioe[iog 6 d]rj[nog fj x]vQtog. p. 9
ov ftrp> er/.og, aXXa dia xb /u^ dvvao&ai xa&6Xov tzbqi- io
Xaßelv xb ßeXxiaxov ov yag [d]ix[aiov] ix xojv vvv
yivofiivwv aXX* ex xrjg äXXrjg nolixeiag &E(oqbiv xrv
exeivov ßovXrjaiv.
x. ev \jä£v ovv x\oig vofioig xavxa doxei &eivai dtj^o-
xixd, ttqo de xijg vofAO&eoiag noiijoa[i] xrjv xutv ^[^]cw[y is
ct7io]K07crp> *ai (jiexa xavxa xrp xb xwv u/zgiov xai oxa-
xfuu>y xai xrp> xov vofiiopaxog av^iqoiv. in ixeivov yag
eyevexo v.ai xa tu iou iabiCw xiov ®eidü)vei(üv, xai »; fxva
7ZQ0XBQ0V [eXxo]vaa Ttag b\Xi\yov eßdo^xovxa dgay^dg
avB7tXrjQiü&rj xaig exaxov. f T}v d* 6 ctQxalog xagcr/iijQ 4 " 9 o1 *
didgayuov. e/iolrjoe Si xai ara'hta TVQog [xo] voutcfua 20
x[^]€tg xai .... e^xovxa fnväg xb xaXavxov ctyovoag,
xai imöiBVBurjd-rjoav [ai] pval x(Jj axatrjgi xaixoig dXXoig
oxa&fioig.
xi. Jtaxd^ag de xijv TXoXixtiav ovtcbq etgr/icu xqo~
7iov, eneiöri ugoaiOi'XBg ovrrp fteoi xcov vopaov ivwxXovv
xa fuev eTzixifAwvteg xa de dvaxgivovxeg, ßovX6,uevog pips 25
8 ontag y tr^g xgiattog\o tf]( t [fioe x]vgtog K 8 . ontog ri rijg
xg(atto\g 6 i.h)u os >/ yv\ot<>;. 'aut r* delendum aut ontug 1) rijg
xg. 6 <f. xvgtog* K-W s . 07i tog rijg xgiaetog o ö^fiog y xvgtog <post
ontog videtur rt scriptum esse' H-L. Ich lese ontug 1; dieser
Rest des Wortes nach ontog kann auf t«, 17 und n fuhren; ich
fasse ihn als n = ntgl; vgl. zu der Stelle. Bei der Lesung j
stört das Fehlen des stummen *. 10 Vor xtt»6lov stand schon
einmal negUaßeiv; durchgestrichen L. 14 notrjoat xr\v ttov ;pp<cür
Lesung von K 8 . 18 nag« \jiixg]6v K-W. [rgttg xat] H-L. naga-
[nirjojiov K 8 <the n (= naga) seems clear, also the o ahove
the line for the termination, which is preceded by what may
be an t; but there is hardly room in the inten'al for the letters
required'. Das t ist ein y\ den Rest eines o glaube ich nach
n zu erkennen; was nag' o[jUy]or ergab. 20 tfitfgti/fiov: 61-
dgaxfiov L und die Hgb.; vgl. z. d. St. 21 Über die Lücke
vgl. z. d. St.
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— 10 -
[Kap. 11. 12
p. 9 xavxa "Mvelv prp a7tex&<xv€0&at, 7iagiav aTzodr^iav
86 tTzoirfictto "/.ar i^7rogia[v] dfia %ai deugiav eig A*iyv-
nxov [eln]ü)v wg ov[x] ^[f]«* dh.a ixdiv ov ydg ol'eo&at,
dUcuov eivai x[o]vg vdfiovg i^rjyeia&ai rcagiov, dl%
p. 10 l'xaoxov xd * yeygafifieva noieiv. apa di /.ai ovveßaiv[ev]
avttp xCtv xe yvwgifiwv ötatpogovg yeyevijo&ai nollovg
öid rag xutv xQ*uv cmo*ona[g\ , /ai tag oxdoetg cturfo-
xigag f.teza&io&ai öid xb nagd dog~av avxoig yeveo&ai
5 xrp> xdg~tv. 6 piv ydg öfjftog $ero ndvx dvdöaoxa
TiOLTjGUv avrov, oi de yvtoQifAoi [7i]dliv rj xr ( v avxtjv
xd^iv duoÖLoaBiv ij a 7tagaXX[ .... o di a\uq?oxt-
QOtg TjvavTiu>9r} y '/ai s^bv avz(p jue#' bnoxigwv rjßovXezo
ovoxd[vxi~\ xvgatveiv eiXexo ngbg dficpoxegovg dnix&io-
10 &ai oiuoag xrjv Traxgiöa %ai xd ße[Xxi]oxa voito&ezijoag.
xii. xavxa ort xovxov ( xbv} xgditov elxev o% x
aXXot, ovfiq)tovovoi Ttdvxeg '/.ai avxbg iv xfj notrjoei pit-
Hvrpai Ttegi avx(Zv iv xolode (fr. 5 B) 1
drifty fiiv ydg l'dw/a xooov yegag baaov i/tag('/ei),
i5 xif.ir t g ovx dyeXtov ovx f.7togt^d(.ievog'
d' elxov Svvaf.uv xai ■/gi j uaoir r { aav dyt;Xo[i] y
** xivttv] xttvtiv L. 18 Zuerst richtig gelesen bei H-L.
praef. p. X, von Blass und Wessely (K 8 ); tlnair von Wessely,
Xfytuv ll-Lt. Blass; ich habe die Buchstaben im Texte gegeben,
wie ich sie nach diesen erkenne. 10 1 noinv wie K-W.: noirjoai
H-L. K 8 . 10, 4 xataarttow Tip ovaav ra^tv L nach K 8 : ich lese
nur wie K-W. x . . . orttaiv und tijv I Cavra$iv wie K-W., das
C könnte auch die untere Hälfte eines e sein; xaraotaoiv
Emendation zu dem korrupten Texte. Stand vielleicht rijv
rtav Tafrv ursprünglich? es hatte einen passenden Gegensatz
in Tijfr avrrjv t«|iv. 6 eis L: y K-W a ; etwa ntcXtv noXi-
t«i'«v) eis rrjv xt£.? afiixQov 7iaQttXl(it[(iv K 8 . H-L., der An-
laut stilwidrig; ij fnxqiv naQttXXu&iv K-W., $ o[%£dov «]/!«(►-
alltt[xrov? 9 ttntx&iO&t)vcti L. "<r6y>K. f?/«y K-W: ta-
X*v L. 14 yiQtts L: xqutos Plut. Sol. 14. tnagxei Plut; und
so auch i? Das erste Zeichen ist undeutlich, hat aber unten
eine Spitze und nicht eine von links beginnende Schleife,
wie sonst ein nicht legiertes «. 15 «nogcta/jevoe L, in. Plut.
M o'i Plut.: offot L.
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Kap. 12]
11 -
xcu zolg ifpQctoaprjV fiydiv a[u]xig l'xetv. p. 10
l'ozrjv d' ufdfpißaXwv xqcczbqov aaxog apqjozeooioi,
v[i]näv ö 1 olk Biao ovdezeoovg adUwg.
ndXiv 6* ano<paiv6pevo$ 7ceqI zoi 7tXrj&ovg, wg a[vz]q/ 20
Set xorja&at (Sol. fr. 6. 8, vgl. Theogn. 153)'
drpog 6* wd* av üoioza avv ryenoveaaiv enoizo,
Urpe Xiav av[e]&Big pr t ze ßia'Copevog.
zUzet yaQ xoQog vßoiv, bzav noXvg oXßog l'7nfz\cu]
av&Qüinoiaiv baoig iirj voog aoziog r t . 25
xcrt ndXiv d 1 [ezig]io^i tzov Xeyei neoi zwv ötavei-
fiao&cu zrjv yrjv ßovXo^ievwv
*oV d' eqJ ctQTcayaiatv yX&ov, ehrtifö el]xov acfveav, p. 11
%döo%ovv huxazog avzwv oXßov evoyaeiv ttoXvv,
-Aal fie xwziXXovza Xeiwg zqüxvv exqjaveiv voov.
Xccvva fxiv zov eqjQaoavzo, vvvdt fAOi xoXovfiBvot (fr. 34)
A[o£6]i' bcpS[aXfji\ola OQwai navvBg wozb dr t iov' 5
ov xqcwv . a ftiv yaQ elna avv fooiaiv r}wo[ct) t (fr. 35)
[ixXXa ov itd]zt]v teod[o)v, ovöe uoi zvgawiöog
avdavei ßia zi [QiQeiv, ovde f€u[iqa\g x^ovbg
nazQidog naxoioiv eo&Xovg tont toi 01 av e'xBiv.
[naXiv] de xcu neqi zf t g an[oy,]o7t^g t% zwv xqewv xat 10
zwv öovXevovzwv fiiv tzqozeqov iXev&eoio&ivztov de ö[ia]
zyv oeioax&eilav] (fr. 36)'
iyw de zwv pev ovvex f ct&vrjXazov
w ßtaCofitvoe L: nttCo/uivos Plut. compar. Sol. et Popl. 2.
96 xoi tilgen K-W. ir(Q<o9t lasen K-W., andere ergänzen
anderes. 11, 1 «velut oV J* i<p* ttQnaymoiv ilrrfd' ijli»* tlxov*
K-W. 5 Ergänzt aus Plut. Sol. 16. • « piv yaQ alle mir be-
kannten Hschr. des Aristides II. 536 D. 7 alltt] apn Aristid.
Die Spuren in X scheinen nicht ganz zu Aristid. zu stimmen.
icgöov] Iqöov Aristid., erst von jüngeren Händen die Korrektur
fydor. 10 Lesung von Wessely (K 8 ); rijs <x7i[oQ(ag] Ttjg tiöv
[v7io X Qt](ov K-W 2 . " <MS. is doubtful; the l might be read
as a or y' K 8 . tl'vex' «lovijAorwy K-W*. ovvtxa Swriyayov
Blass, Platt; andere anders. Ich verstehe Z. 18. 14 nicht.
2? a , wo dem Räume nach afrvrjXaTov zu erwarten ist,
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- 12 -
[Kap. 12
p. 11 örjfiov xt xoixiuv nglv xvx[ei]v inavaafiriv.
15 ovfifia(pvQ[oi]i} xavx av iv dv/.t] xgovov (fr. 36)
firjxriQ peyiorr] daifi6va)[v 'OXv^iiniwv
ägtoxa, rij fieXaiva, xrjg eyca nvte
ogovg ccveiXov noXXaxf, 7te7triy(yxa[g\
[nQoo]d-ev de öovXevovaa, vvv eXev&ega.
so noXXovg ö' l4&yvag, Ttaxgid' eig &emtiT[ov],
[aviqjyayov 7xgai>ivxag y aXXov fadUatg,
aXXov dixalcag, xovg d' avayxairjg V7tb
Xgeiovg <pvy6vxag, yXtoooav ovxex Idxxixrjv
ievzag, (og av noXXaxfi itXav[iofiivovg\,
26 xovg d* ev&dd' avxov öovXitjv deixia
[e]xovxag, y&rj deonoxiov xgo^ev^tev[ovg\
[eX]ev&egovg e&ijxa. xavxa uev xgaxei
fojuov, ßiav xe %ai Sixrjv ovvagfxooag,
p. 12 * [fcjpeftt] xai StfjX&ov ibg wreoxourjv.
&eouoig ö' ouoitog t$ xax$ xe xctya&(p,
ev&eiav elg txaoxov agfiooag dixv t v,
eygaxl'a. xevxgov <T aXXog wg eyw Xaßwv,
5 [xax]oq>gaör'jg ze xai (pu /i m n avfe,
ovx, av /xtxeaxe df^iov' ei yag y[&e]Xov (fr. 37)
14 [i7rav\od t uav -B 2 . 80 &soxtiot . . L., ebenso im Aristid.
EL 536 D der Laur. 60, 3 (Arethas-r), in geringeren Hschr.
öfter korrigiert; Laur. 60, 7 und seine Klasse »toxrirov. 21 tx-
<f/xwff auch Aristid. Laur. 60, 3. 25 Sövliip L. Flut. Sol. 15 :
6ovlt(i\s Aristid. p. 537. 24 ijtfij LB: ^tfij Aristid. dtanonüv
Aristid. Laur. 60, 3 und andere noch nicht nach dem Fehler
ijÖT} interpolierte (dHrnoittg) Hschr. 27 xntatt vopov K. H-L. : xga-
THtvofiov L., also entweder xgnriftv 6/jov oder xqcct&i vo/liov',
ich fasse ßfttv — <rvvtto{i6o«{ als Apposition zu xgnret. vöuov.
x$ . ttjouov B, xQttTr] 6fio0 Aristid. Laur. 60, 7: xonret 6f/ov
Aristid. Laur. 60, 3 (jüngere Hschr. der gleichen Klasse öfter
xQttTt) aus xgdrei korrigiert) Plut. Sol. 15. K-W, 12, 9 <f*
Aristid.: rt L. 6/joftos L und eine oft interpolierte Hand-
schriftenklasse des Aristid.
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Kap. 12. 13] — 13 —
a xoig ivavrio[iai]v rpdavev tote, p. 12
av&tg d* a töiaiv ovregoi (pgaoaiaro,
7toXXiav av möowv »jä* ixrjgw&t] noXig.
Tutv &vs% aXxrjv navrod-ev rvoiovfievog 10
wg iv TLvalv 7toXXa\aiv iorgdqnqv Xvxog.
xal TZaXiv ovetdittov 7tgbg Tag vütegov av[tf]wv [lEpixpi-
HOigiag dfMpoTigtov'
dritup n&v ei XQ*] SiaqxxÖTjv oveidioai,
a vvv k'xovaiv OVftor 6<p&aXf*oioiv av 15
evdovteg elöov.
baot Si nutovg xai ßiav dfieivoveg
alvolev av %ai (fLXov noioiaxo'
ei ydg tig aXXog, yrfii, ravrtjg tr^g tifiijg hvxev (fr. 36,
20. 21), ^ ^ 20
OVX av xaveox* ör t nov ovd % inavaaxo,
ngiv dvzagd^ag nlag ej-iXjj ydXa.
iyib de tovtwv woneg ev neraixpiy 5 ° o1
ogog xareoTTjv.
xin. Trp fiiv ovv anodyniav inoiyoctto öia zaviag 25
altiag.
7 S roh B. Aristid.: avioig L. 8 ayrig B*: rf' S roiaiv
Aristid. p. 538, Si itj..aiv B 9 : dt avrotaiv L. ovitgoi K-W.
Platt: ovregeu oder -goi (K 8 ) L. : arfqots Aristid. (pgaoaiaro
in allen Arist.-Hschr. in dgäoat <f«i korrumpiert. 10 £lV«x' K-
W.: o£y«x' L. Aristid. dXxqv L.: agxr)v Aristid., eine Hschr.
mit yg. agx*}' nouvfitvot Platt K-W. H-L.: xvxtv/utvos Aristid.
14 &uxtfadrjv K-W. Kontos: öiatfgudfjv L. 88 ngiv avtagafas
woraus K 8 nach Adam nglv avragaSas : nglv rj ragä£as
K-W*:tiqIv uv ragaZas Plut. Sol. 16. mag Plut.: nvag L.
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Fünftes Kapitel.
Mit dem fünften Kapitel beginnt äufserlich be-
trachtet die Darstellung der solonischen Verfassung in
der aristotelischen Schrift vom Staatswesen der Athener;
allein genaueres Zusehen lehrt, dass die drei zunächst
vorhergehenden Kapitel, weiche die sociale Lage des
athenischen Staates und seine Verfassungsgeschichte
vor Solon vorfuhren, eigentlich auch schon zu der Dar-
stellung der solonischen Verfassung gehören. Zunächst
bilden sie nach der Absicht des Schriftstellers für den
Leser die Folie,' auf der sich die Schilderung der
Thätigkeit Solons abhebt. Aristoteles hat selbst im
zweiten Kapitel mit den Worten xott yag defdejjueVfot]
tdig d[av£i]oaoiv €7ci TÖig aonictmv rioav ut/Qi SoXwvog '
ovtoq di 7CQuj%og tyevero tov d^piov TTQOOTarrjg einen
Fingerzeig dafür gegeben, dafs von hier ab die Dar-
stellung auf die solonische Verfassung hinstrebe, und
nicht ohne Absicht des Schriftstellers weisen die Worte
des dritten Kapitels eni de Zokcovog anaweg eig tb
&eotio&£teiov avv^l&ov auf das Eintreten der natur-
gemäßen Vereinigung der. höchsten Behörde gerade
unter Solon hin. Die in Kapitel 2—4 geschilderten
Zustände sind im ganzen für oligarchische Ver-
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— 15 —
fassungen charakteristisch, und dem Leser wird im 5. Kap.
Beginn des 2. Kapitels ihre richtige Auffassung mit
deutlichem Worte an die Hand gegeben: yao tot«
y noXiteia xolg tc aXXotg 6XiyaQxi*y naoi xcei
6rj y.ai edovXevov ol Ttdvtjieg toig 7tXovaioig\ der Schlufs
knüpft an diesen Gedanken wieder an : ^aXtnurtatov ....
7jv %oig noXXöig %wv xarcr ttjv noXixuctv to dovXeveiv.
ov fity aXXa mi sni toig aXXoig idvox&Qctivov' ovdevog
yag, etymv, hvyxavov fiezixovreg. Dieser oligarchi-
schen Wirtschaft wird nun in der solonischen Ord-
nung die noXvtüa entgegengesetzt. Um den Gegen-
satz zwischen dem vorsolonischen Zustande und der
solonischen Reformation des ganzen inneren Staats-
lebens scharf zu markieren, wird der Inhalt jener
Kapitel im Beginne des fünften rekapituliert; die Re-
kapitulation erfolgt in umgekehrter Reihenfolge, um
an das zunächst Vorhergehende anzuknüpfen 1 ), zu-
gleich aber mit fast wörtlicher Wiederholung der in
den früheren Kapiteln gebrauchten Ausdrücke, um
eine gröfsere Straffheit der Bindung zwischen den auf
die solonische Partie vorbereitenden Kapiteln und dieser
selbst zu erzielen: 7ti%qoxaxov r\v xoig noXXoig . . . %b
dovXeveiv 2 ) (Kap. 2) twv noXXwv dovXevovrwv %oig
1 ) Ich gebe Citate ohne die Klammern der Ergänzungen, wo
nichts darauf ankommt. Oben und in der folgenden Anmerkung
habe ich die Herstellung von K-W. xal yug dtötutvoi faute de
mieux angenommen. Dafs ich sie nicht für richtig halte, deute
ich an in der Ree. von H-L., Berl. phil. Wochenschr. 1892, mit
der Lesung xal yaQ . . 6a . die zu der Ergänzung von K-W.
nicht stimmt; aber auch Blafs 1 xal yaQ ol davuafnol näaiv inl
xri. will mich nicht ganz befriedigen (Litt. Centralbl. 1891, 1834).
2 ) Ich halte nach wie vor die Schlufsworte von Kap. 4
inl rfi roff tnöuacsir rjoav dtdavtt-Ofxivoiy xad-dn€Q ffyjjrat, xal
ij /töou 6*i oKyatv r\v für ein Glossem. Dafür, dafs man die
Kap. 2 geschilderten socialen Zustände auch während der dra-
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- 10 -
5. Kap. 710'Aköig. — \v ö* fj tag ig zrjg agyaiag TioXitdag %r$
tiqo jQdxovTOg toidöe (Kap. 3) <-« xoiawifc de i%
za!;eiog ovoqg ev tf; Ttolweiq; und ebenso von der
drakonischen Verfassung de io?t§ avrtj %6v6e tov
iqotiov Eixe, wobei für die Genauigkeit der Über-
einstimmung zu beachten ist, dafs das Wort rd^tg in
Verbindung mit nokixeia in dem ganzen Buche aufser
an diesen Stellen nur noch bei der theseischen Verfassung
in dem rekapitulierenden 41. Kapitel gebraucht ist 1 ).
kontisehen Periode weiter bestehend denke, ist eben dort mit
den Worten xal yaQ öeötpfvoi toi? öavtlaaotv inl rotg omuk-
otv fjaav (xiy,Qt ZoXtovog hinreichend gesorgt; sie wären
schon deswegen überflüssig. Sie sind es zweitens wegen der
gerade acht Worte darauf folgenden Rekapitulation xal t<ov
tioXXüv tlovXevovrojv roig 6X(yot( noch einmal. Sie sind aber
durch die Nähe der Wiederholung an der letzteren Stelle
nicht blofs lästig, sondern auch unschön; unschön ist ihre
Anklecksung an die Darstellung der drakonischen Verfassung
in hohem Mafse. Vor allem aber trifft der Ausdruck dieses
Satze« nicht den Kern der Sache. Ein Zustand soll geschildert
werden. Der Zustand ist das JovXevetv; deshalb setzt Aristoteles
dieses Wort in den Anfang von Kap. 2 und wieder an das Ende.
Das <T«yf/fcM' ini roig oatpaoi ist der Grund für diesen Zu-
stand ; so wird es im 2. Kapitel gefafst, und im 6. Kapitel sagt
Aristoteles nicht ixtoXvae iSavt(&iv ini rotg otouttaiv, sondern
im Gegensatz zu dem Zustand des öovXevetv ganz konsequent
rii6v&£{Hoae, wofür als Grund xtoXvaag <jcive(&tv tnl roig otu/uaoiv
hinzugefügt wird. Die Rekapitulation Kap. 5 SovXtvovttav t£v
noXXäiv entspricht also genau der Auffassung im 2. und 6. Ka-
pitel. Der Satz am Schiufs des 4. Kapitels giebt den Grund
für einen Zustand an, wo der sociale Zustand selbst im An-
schlufs an einen politischen Zustand gebracht werden mufste.
Der Satz ist ein aus Kap. 2 entlehntes Glossem zu den Worten
rtuv noXXüiv dovXtvovxtov, das eine Zeile zu hoch in den Text
geraten ist
*) Im übrigen heifst es von Solon selbst (p. 6, 9) noXirt(av
xaTtoiqoe ; der innere Ausbau der Verfassung wird mit öUraj-e
(p. 6, 16) und SittruSas (p. 9, 23) bezeichnet; mit Bedeutungs-
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- 17 -
Die Rekapitulation abgerechnet, zerfällt das fünfte 5. Kap.
Kapitel in zwei leicht zu scheidende Teile; der erste penod,i
erzählt die Wahl Solons und die Begründung dazu;
der zweite bestimmt die politische Stellung Solons.
Die Teile sind vollkommen symmetrisch gebaut: in
beiden bildet ein Citat aus Solons Gedichten die Mitte ;
je ein Satz fuhrt zu ihr hinauf, je eine Periode führt
von ihr herab. Die letzteren sind an Umfang an-
nähernd gleich, der erste Satz ist auch in sich völlig
symmetrisch gebaut : lo%vQag ^> ovorjg (a), %ai ^ orÄAij-
)mv (b) eXXowo ^ Solwva (c) xea ^ avTip (b), noir^
oavtt iXeyelav (a), also fünf Kola mit Changement der
Korrespondenz (a b, c, b a). Dafs kunstvolle Periodik
in unserem Buche sich findet, fällt ja jedem Leser auf;
nur um auf ein paar Beispiele zu verweisen, nenne ich
die Sätze p. 19, 4 ff. 26 ff.; 28, 18 ff.; einzelnes
kommt noch später zur Besprechung. Rhetorischen
Satzbau darf man natürlich in einem Buche, wie dem
vorliegenden, nicht erwarten; es gehört nicht der
rhetorischen Litteratur an. Der Satzbau entspricht
im allgemeinen jedoch der Forderung des Aristoteles
(Rhet. 1409 a 34) an die etQOfitvr) Xi^tg xateotQa^fÄtv^
iv TieQioöoig: Xiyu de neQioöov Xi%tv l'xovaav ccqx^v
■
nuance p. 8, 10 vom Areopag fra{tv inl to vouoyvlaxuv.
xftTttOrrjaat tt}v inl xüiv itr^(txoa(<av noltrtlav p. 82, 11 und i)
6)iyttQX ln x«t£otij p. 36, 10, vom inneren Ausbau ditoatav
p. 33, 13. Vom Lysander xaTaoirjotti tovc TQidxovra p. 38, 4
und bei der Neuordnung der Hule durch Kleisthenes, der
Einführung einer neuen Form, ttjv ßovlqv xitT^orrjafv p. 23, 3,
wofür bei Solon tnoftjoe (p. 8, 9), weil nur eine geringe Um-
gestaltung des drakon tischen Rates vorgenommen wurde, reerre tv
rfjv noXtTfiav heifst es nie. In der nok. % A&t]V. ist also die Aus-
drucksweise dieser Gedankensphfire geregelt nach der aristo-
telischen Definition (Polit. 1274 b 38) n TroXirefa raiv r^r
noXiv olxovvxiav fori r«fi? rig\ vgl. 1289a 15.
Keil, Aristoteles. 2
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— 18 —
5. K»p. xai teXsvxrp avzrjv xa#* avtr^v xat i*tye9og evavvonzov.
Periodik ^ € - a ^ ^ Toiavtt] xat evfxa&jg. Es werden wohl
manchmal lästige Parenthesen eingeschoben , wie p. 2,
27; 7, 6 ff.; 30, 4 f., allein die Deutlichkeit leidet
nicht darunter. Dagegen ist der Satzbau ungleich-
mäfsig ; trefflich periodisierte Stellen, wie die eben an-
geführten, stehen neben solchen mit rein agglutinieren-
der Satzfügung. Der Grund daftir ist der unfertige
Zustand des Buches; der letzten Feilung, welche die
noX. l4&i}v. eben nie erhalten hat, war die Durch-
führung der Gleichmäfsigkeit des Satzbaues vorbehalten.
Rhythmik Aristoteles behandelt die Periodik im Anschlufs an
die Rhythmik. Steht diese in der 7tol. ld&7]v. ebenso
mit seiner Theorie im Einklänge? Eine Untersuchung
der Rhythmik der nok. Id&qv. kann m. E. sich nicht
auf das ganze Buch erstrecken. Im zweiten Teile
muf8ten die vielen technischen Ausdrücke die Ab-
sicht, rhythmisch zu schreiben, oft unmöglich machen.
Im ersten fallen für eine solche Untersuchung die
Kapitel fort, welche Aktenmaterial reproduzieren.
Das fast im Rohmaterial vorliegende 22. Kapitel kann
auch kaum in Betracht kommen. Dagegen gehört
zum Beobachtungsmaterial das Anfangskapitel des
zweiten Teiles über die Ephebie, welches vielleicht
das bestausgearbeitete des Buches ist und nur in den
Partieen über Solon, die Peisistratiden und die Dema-
gogen (Kap. 28) annähernd gleich gute Parallelen hat.
Auch der Beginn des 45. Kapitels darf herangezogen wer-
den. Es ist nicht meine Absicht, aus diesen Abschnitten
eine vollständige Sammlung der Klauseln und Satz-
oder Kolenanfange zu geben ; ich habe soviel Material
gesammelt, wie mir zur Charakteristik nötig schien.
Im einzelnen wird man rechten können, weshalb diese
oder jene Stelle auch aus dem ersten Teile nicht heran-
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19 -
gezogen ist. Ich halte aber dafür, dafs bei einer Unter- s. ka P .
suchung über ein künstlerisches Stilelement der Rhythmlk
Untersuchende in einem Buche wie dem vorliegenden
sich bei jeder Stelle fragen mufs, ob ihr Charakter
derart ist, dafs man in ihr beabsichtigtes Hineintragen
künstlerischer Elemente seitens des Schriftstellers vor-
aussetzen darf. Über diese Vorfrage mufs man sich also
zuerst entscheiden ; aber ihre Entscheidung hängt so sehr
von subjektivem Urteil und Empfinden ab, dafs man
in vielen Fällen immer wird rechten können und
müssen. Vor allem aber ist, und zwar mehr als bei
jeder anderen Untersuchung, hier im Auge zu be-
halten, dass die nok. die letzte Feile nicht mehr
erhalten hat. — Für die Quantitätsmessungen bemerke
ich, dafs ich geschlossene kurze Silben vor der Pause
als lang rechne, dagegen offene als kurze behandle. Die
Pause, welche Hiate entschuldigt, längt durch ihre
Mora auch die konsonantisch auslautende kurzvoka-
lische Endung. Im übrigen werden bei den Zusammen-
stellungen die Fälle, in denen nicht vokal- oder po-
sitionslanger Schlufs vorliegt, durch Einklammerung
der Zahlen des Citates angezeigt.
1) Die Klauseln von Kola und Perioden. Klauseln
16 = 7 (-h 9): wv aUfjloig 4, 19. 27; (5,
17-18); 5, 21.22. (27); (9, 12); 10,2. (5); (15, 4.
24); 16, 5; (19, 20); 28, 6; (46, 11: 47, 12).
u 20 = 17 (+ 3): faetfHo&ai 10, 9; 4, 16;
6, 8; 9, 3; 10, 7 (?); (13, 1); 15, 4. (8.) 16;
28, 4. Das Metrum wiederholt 1, 16 Tcov-dov-
Xeveiv) — 5, 10 (wg-iveaitoatjg) In w t> o — w
steht der Päon im Kontrast zum Epitrit iyivero
tj TtoXizeia 23, 27; päonisch ebenfalls ovvei-
dozag ifi^wev 19, 26; (2, 21). Die Verbindung
- v w j wie choriambisch mit schwerer
2*
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- 20 -
5. Kap. Klausel, zijg otdoewg ovorjg 4, 18; 8, 18-9;
Klauseln 15 . anapä8tisch -qwv 0^0-
oavteg agi(nlvdr]v 1, 1, vgl. iveßißaoev eig tag
vavg 25, 25.
_ ^ — 25—15 (H- 10): tarlv agxr) 4, 21; (6, 4); 9,
5; 10, 7. (12); 31, 10; 47, 7. Mit päonischem
Motiv (^) w w w - w — yevopfoqg inlovrow
5, 23; (6, 7). Das epitritische Metrum ganz
deutlich in der Wiederholung (ßil)lovra xAij-
QOvo\&ai %iv aQxiv 7, 15; (19, 12); andere
Epitrite vorher (13, 23; 20, 2). Der Rhyth-
mus setzt sich über den Periodenschlufs im
Eingang des nächsten Kolons fort SZ> ^ |
- w — ! - ^> E7ti[iEXeio&ai i&v &q>rß<ov. ht
di tovtwv 46, 16. Bei vorhergehendem Tro-
chäus wirkt der Schlufs trochäisch tcüv vofiwv
bwlovv 9, 24; (1, 17-8; 4, 11; 9, 1); 31, 18-
9; 19, 24-5, wo der Rhythmus durch das vor-
hergehende rovg avaiziovg besonders hervor-
tritt; noch mehr 6, 9 xai vonovg i'fhjxev ällovg.
Rein logaödisch wirkt - ^ ^ - ^ (a&d-
vat* *Aq>Qodita): -av irrhQeipav avrqj 4, 20;
ebenso 5, 20; (xai avveß.) 10, 1; (26, 18-9).
_ _ w _ 21 mm 16 (+ 5): e^ovaiav 6, 5; 1, 15; 3, 11;
9, 29; 12, 26; 22, 26; 28, 27-8; das Vers-
mafs wiederholt avrbv noirj \ oat, vovg vopovg
9, 8. (23 -av . . . iQonov.) Der zweite Epitrit
geht vorher - w — | — ^ - ol 7ttvijieg tolg
nlovoioig 1, 8; 5, 8-9; (7, 16); derselbe zwei-
mal vorher -ovoa navtag \ rotg dnoa^ovv\xag
xvqi(OQ 3, 13, so dals die Schwere des Rhyth-
mus sehr fühlbar ist. Erleichtert bei dieser
Klausel erscheint er, indem er kretisches Ge-
präge durch voraufgehenden Trochäus erhält
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- 21 -
[drjuog g xv]qioq 9, 8-9. -cx&äveofrai Ttaqwv 5. Kap.
9, 26; 5, 2. Mit päonischem Rhythmus ^ KUu9elr
^ ^ w — w - TcDy 7taQavofiovvTwv xqioiv (2,
22 ; 9, 7). Logaödisch in der Verbindung - u u
_ _ u _ 5, 19, also wie der Vers bei Hephä-
stion Scr. metr. c. 9 (p. 80, 13 W.) \o%oti6voi
ueigaxeg: -elv %iai %£>v yvcaQi^iDv, ebenso
(8, 26) ; noch stärker das logaödische Element
in - w w - w w — - ct(.tqxn£Qovg £ne(pvY.£i
y.alojg 17, 20-1, vgl. den Eingang dr}fA(n ixah-
tcaog eivat doxtuv 13, 25.
^ ^ — 30 = 21 (+ 9). Diese Klausel giebt, je nachdem
ihr eine Kürze oder Länge vorhergeht, der
Diction päonisches oder logaödisches Gepräge,
(o) u w — Tot 7tQog tavxovg 13, 9; (1, 12); 2,
7; 15, 18-9 (19, 21-2; 31, 21); doppelter Päon:
ötcaeloiaiv tti xai vvv 7, 23. (w) w ^ l ^ ^
- - 10, 10; 8, 3; (31, 13). Übrigens ist zu be-
rücksichtigen, dafs Theophrast (s. u. S. 31) diese
Klauseln als päonisch fafste, wie sein Beispiel
<piXooocpovv\Tit}v zeigt (vgl. Jacoby, der orator.
Numerus bei lsokr. und Demosth. Diss. Zürich
1887. S. 39 f.) — Der logaödische Ausgang
ist sehr häufig. Veranlasst durch Wieder-
holung des Metrums 10, 8 -eio avoxav\xi tvgav-
vetv. Weiteres firj nXiovexteiv 5, 3; 15, 22; 50,
3; 55, 3 und (27, 18, vorhergeht ^ ^ ^ ^ ^ J).
Rein pherekrateisch ist der Schlufs - - - ^ ^
- — (i)tvy%avov ^Etixo%iBg (1, 18; 10, 11;
27, 26); 15, 13; 30, 16; 32, 2. 4; 42, 3.
Der logaödische Charakter verstärkt -c^-w^
- (€ia)ayyeliag tc€qi avTwv 8, 17; 7, 21;
9, 6; 9, 29-10, 1. Noch ein Daktylus davor:
atofiaaiv . . . 2oku>vog (1, 14); vgl. 4, 20; so-
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- 22 —
5. K»p^. g ar em Hexameter, wenn auch von der Art,
welche des Horaz non qnivis videt in\tnodula(a
poemata iudex persifliert, ist herausgekommen :
wg V7io Ttov avri\<naouinü>v xavta TiBnov^wg
14, 1-2.
w - u _ 17 = 11 (+6) Uav anlüg 14, 24; (1, 6; 31,
16-7; 46, 8.). Der Jambische Rhythmus
ungewöhnlich stark uJ3u-u-u-v - fyi-
vero nXeiov rj (i)viavatog (2, 23). Ein richtiges
peTQOv EvQiTcideiov, wie Hephaistion und andere
es nennen, bildet die katalektische trochäische
Tetrapodie: pällov r tvQawixug 14, 17; doch
ist zu beobachten, dafs dem Schriftsteller der
Rhythmus so stark klang, dafs er 16, 9 die-
selben Worte umstellte: pällov TroAirtxwg
TVQctvvixwg. — Wieder logaödischen Versaus-
gang giebt (-w^-)-v^l^-w - {nana
dioi)y.eiv xara tovg vopovg 17, 13, fast wie
aus einem choriambisch-logaödi sehen System;
(5, 25-6) ; 13, 13. Tritt ein Spondäus oder Tro-
chäus davor, so ist der Glykoneus fertig: xou xoig
7tQay(.iaoi tutv fitotav 5, 1. (-d-rjv 1 vno) 20; 4,
26; 6, 3; diese Klausel ist nicht selten. Noch
verstärkt ist das daktylische Element in - ^ ^
- w ^ - — trjg noXewg tEjaqayiiivyg 12, 26.
Endlich auch in Verbindung mit den logaödisch
wirkenden Choriamben Kgr}$ Ini jovzoig ixa-
9rfge xr\v noliv (1, 4); nur um einen Choriamb
länger ist Anakreons vv\tiXvxov eY\lvf4a xcrxTjg
aoniöog agfionuUaiv (frg. 21, 6 B 4 ). Päo-
nischer Rhythmus uu u u | ^ _ w _ yeyove xorra
tovg vofiovg 46, 4.
_ u w _ 22 = 18 (-f- 4): a/nyoTtQiov 12, 13; 5, 12
(mit <6>, K-W.). 16; 6, 1 ; 10, 27; (17, 15-16);
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- 23 -
22, 6. 11 ; 25, 9 (28, 12). Das Versmafs wieder- s. Kap.
holt tr t g TtSXewg \ ftrj iivti%eiv 8, 22, ebenso 8, 20, Klau8elr
s. unten S. 37 f. Bei vorhergehenden drei
Kürzen gewinnt der Rhythmus päonische Wir-
kung: nQog MeyctQtag 7toX((A(p 13, 26, wozu man
1, 3 i'tpvyev ustqyvyiav vergleiche; treten nur
zwei Kürzen davor, ist der anapästische Rhyth-
mus fertig anb zov \ xvnavov 50, 5; noch
stärker | - ww- ccnoaei oaptviop \
To ßaQog (5, 17), vgl. 5, 15-6 ; (rag) danafag | tag
yiyo^iivag 8, 5; falls richtig ergänzt [aya-
7t\ajv\tag Kxv\%6fA.ctzov (8, 20). Infolge der ana-
pästischen letzten drei Silben ist auch der
Rhythmus in (-)---- ^ ^ - (dov)Xev6vzu)v
toig oXiyoig 4, 17 anapästisch; ebenso wg Ov%
7j£« dt% itwv 9, 28, falls richtig ergänzt ist;
ix tcov | vvv yi\vo[ieva)v 9, 11.
^ yj sj - 18 = 7 (-f- 11) avfrvoiitvt] 25, 19; 3, 16-7;
10, 3; 21, 4; 33, 21 (16, 2; 24, 14; 28, 22;
31, 15-6; 32, 6; 37, 12; 41, 6-7; 45, 27). Ganz
stark, vielleicht am stärksten im ganzen Buche
tritt der päonische Rhythmus 13, 12 in drei
aufeinander folgenden Päonen auf, und das
Hastige ist noch durch zwei dem ersten Päon
voraufgehende Kürzen verstärkt dia\zb /.teyd-
Irjv yeyovivai\netaßoXr}v. Häufungen von Kür-
zen vor päonischem Ausgang öfter: roxe na~
. gaxaXwv 14, 16; (30, 13); (16, 2
Xoyov in.). Wie (30, 13) ist (22, 20) gebaut,
nur dafs hier der päonische Eindruck bis zur
Häfslichkeit dadurch verstärkt wird, dafs die
Jagd über die mit nicht naturlanger Klausel
schliefsende Periode hinaus und in der nächsten
Periode weitergeht (noX)Xu öieitXeoctv. l'ti de
TTQOteiQOV TWV).
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- 24 -
5. Kap. Die Klauseln gehen also in den angeführten
Klauseln Fallen auf eine lange Silbe aus, und zwar 112
davon auf vokalisch lange Silben, 57 auf geschlossene
kurzvokalische. Das Verhältnis ist wie 2:1.
Bei der Behandlung der auf einen offenen kurzen
Vokal ausgehenden Klauseln scheide ich diejenigen
Fälle aus, wo der Sinn ergiebt, dafs der Schrift-
steller das Deutlichkeitsprincip und kein ästhetisches
Interesse verfolgt hat, d. h. in Fällen wie tovde xoiade
u. s. w., z. B. 1, 20; 7, 7; 10, 13; 32, 17; 34, 1;
35, 10; 38, 4; 42, IL Fort fallen natürlich die
Fälle, welche den Dekreten von Kap. 29 ab an-
gehören. Auch die Fälle setze ich nicht in Anrechnung,
in welchen durch Anfügung des euphonischen v der
volle Schlufs herbeigefürht wird; denn ich meine, dafs
gegen die Autorität der Handschrift von diesem Mittel
Gebrauch zu machen ist, wenn dadurch ein kurz-
vokalischer ungedeckter Auslaut an Kolon- und Perio-
denschlufs vermieden werden kann; also z. B. näaiv 1,
7; 26, 22; elxsv 3, 19, b^vvovaiv 6, 15, el'xooiv 18, 2,
dedwxev 19, 30, TtQayiAaoiv 25, 23, iattv 32, 1, ^etaöi-
öoaoiv 39, 28, \7tnev01v 41, 16; vgl. ferner 25, 25;
26, 23. 24; 31, 10; 39, 27; 43, 20; 47, 2. Endlich rechne
ich nicht den durch Supplierung geschaffenen Fall
eniti&ftievov tvqav[vidi\ 14, 10; imTi&ifAevov xvgav-
[veiv] vermeidet den offenen kurzen Klauselschlufs.
Ich habe nun die Fälle von vokalisch kurz-
schliefsenden Klauseln nicht wie jene obigen 167 Fälle
in einer nur für die Charakteristik genügenden Anzahl
ausgelesen, sondern habe, sobald ich das Verhältnis über-
schaute, den ersten Teil und die oben bezeichneten Ab-
schnitte des zweiten ganz auf diese Art der Klauseln
an den Schlüssen der Kola durchgesehen. Ich habe im
Ganzen 47 Fälle offenen kurzvokalischen Ausganges
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- 25 —
konstatiert. Allein von ihnen kommen noch einige in 5. Kap.
Fortfall, an welchen der Verfasser ein Wort zu dessen Klau9e,t
besonderer Hervorhebung mit Hintenansetzung der
ästhetischen Stilgesetze an den Schlufs stellt; dieser
Fall ist wesensähnlich mit dem vorher bezeichneten bei
tovös u. s. w. Er liegt vor bei &■'/«, 7, 19; 13, 4 und
23, 25; ebenso bei den Zahlen 21, 19. 20; 24, 8; 38,
22. 23 und bei aatv 23, 10. In der Aufzählung des
athenischen Beamtenheeres steht nevr^ovca am Schlufs,
parallel mit den anderen Zahlwörtern; dieser ganze
Abschnitt kommt nicht in Betracht. So bleiben im
Ganzen 37 Fälle. Von ihnen fallen innerhalb der
Periode an K o 1 e n Schlüsse, also nicht an die markantere
Stelle des Satz Schlusses SoXwva 4 , 20 , vyQa 7, 3,
vüuioua 9, 20, on'Ka 15, 18, eleyero 17, 7, 7tQoor]yeto
17, 20, &vyaztQct 18, 3, ovxa 19, 2, dieoyaXXovxo
20, 15, eni&exa 27, 4, neguiXero 29, 15, /ahmet 29, 29 T
rpnäzo 30, 6; iXoidoQtjoccxo 31, 9, TQiaxorxa 40, 14,
. iav.EÖdUiova 40, 26, cupeiXero 50, 1, e&exo 50, 6.
Ferner zwei Fälle, wo ich den Grund der Wortstellung
noch zu erkennen glaube. 28, 21 die Worte 7XQ0Q ttjv
7x6Xtv oxpe rtQOoel&ovia ' TtQog de xovtovq hätten nur
zu oxpi 7t q o oel&ovza 7tg6g ttjv nokiv itqoq de %.
umgestellt werden können ; man sieht, der Schriftsteller
vermied die Traufe und ging in den Hegen. 36, 7
Qagyrjliwvog enl dexa zur Vermeidung der Identität
mit dem Ausgange des nächsten Kolons, in welchem
OagyijXioivog am Satzschlufs hervorgehoben ist, weil
es im Gegensatz zu —AtQoq>OQituvog (36, 10) steht.
Es bleiben vor den stärkeren Pausen folgende
17 Fälle [Die S. 24 aufgeführten vor schwächeren
Pausen in Klammern] :
^ [av!-r]]9eioa 2, 19. (£evyi)zf]v xai &rjxa 6, 20
[15, 18; 20, 15; 30, 6].
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- 26 -
5. Kap. u — w ueüio'iavTO 24, 29; xa&i<riavTO 3, 14, jucre-
Kiausei« ne^iiparro 22, 17, nava&yvaia 47, 18 [28, 21;
40, 14].
- ^ - ^ y«e ra Xoma 18, 3 ; TCQaorrjti 24, 20.
- ^ w elorjyyoaTO 27, 2.
^ - v> [OcrA)ax6y oW 19, 2. 4, 24 ; 9, 20].
w - ^ u iyiveto 27, 15; wgavvida 20, 4; 6rjfÄ0Tiy.wTaia
8, 25 [17, 20; 29, 15; 81, 9; 40, 26; 50, l\
- ^ v ^ ÖtlpOTlMC 9, 14.
u w w ^ [fiTT^era 2, 18 (?); *a Trar^a 23, 23; €>'-
vero 44, 25; {tiva di)eöldoio 31, 13. [7, 3;
17, 7; 18, 13; 27, 24; 29, 29; 36, 7; 50, 6].
Diese 37 Fälle verteilen sich so auf die acht
Metra, dafs von einer Vorliebe für eine bestimmte
Klausel nicht die Rede sein kann; die letzte ist am
stärksten mit 11 Fällen vertreten. Mir hat nun eine
Zählung der Periodenanfänge ergeben, dafs in dem
ganzen ersten Teil des Buches mit Ausnahme der
Dekrete und in den herangezogenen Partieen des
zweiten Teiles rund — es sind einige mehr — 370 Pe-
rioden oder einfachere selbständige Satzgebilde enthalten
sind. Vorher stellten wir als das Verhältnis zwischen
langvokalischer und kurzvokalisch-geschlossener Klausel
fest 2:1. Auf ca. 370 Fälle gehen, da wir hier nur
von den selbständigen Sätzen sprechen, 17 Fälle offenen
kurzvokalischen Schlusses ab, es bleiben ca. 355.
Das Verhältnis zwischen langvokalischer Klausel,
kurzvokalischer geschlossener Klausel und kurzvoka-
lischer offener gestaltet sich also rund wie c. 240 j
120:15 = 16:8:1 oder in Prozenten 64 °/o, 32 °/o
und 4 °/o. Was sich aus diesen Zahlen ergiebt, be-
stätigt eine genauere Betrachtung der Schrift. Man be-
merke, dafs von den in einer historischen Schrift
notwendigerweise zahlreichen medialen Präterital-
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- 27 -
endungen auf -to nur sechs am Periodenschlufs stehen, 5. K»p.
im gesamt nur 15 vor der Pause ihren Platz haben, Iüau8eh
und das auf ca. 1200 Druckzeilen. Darin liegt doch
eine Absicht ausgesprochen. Dies tritt noch klarer in
einzelnen Fällen hervor. 19, 12 zrjv d* olrjv ilvft^vavzo
nQähv ist so gestellt, um TtQctfyv iXvfitjvavzo zu ver-
meiden, ebenso 12, 25 inoijoazo dia zavzag zag alziag;
besonders lehrreich ist 15, 3 löi%ovzo &avfidtovi9g i wo
der kurzvokalisch geschlossene Auslaut vorgezogen ist,
um den nicht geschlossenen zu vermeiden, trotzdem doch
$avfta£6vzeg EÖi%ovzo einen päonischen Rhythmus (s. u.)
zum Schlüsse gebracht haben würde. In einem ähn-
lichen Falle hat der Schriftsteller mit der Entfernung
einer Form auf -to die Einführung päonischer
Klausel wirklich verbunden: statt zrjv izokizüav 6 drj-
twg ta%i(x}g dyeilezo 37, 11 heifst es ayeiXezo zrjv
noXizuav 6 drjfjog öia zdxovg y wobei zu bemerken,
dafs Aristoteles nach Bonitz Ind. Arist. p. 749 a sonst
zaxtwg, nicht öia zd%ovg gebraucht; das letztere ist
mehr rhetorisch, darum auch nicht in den rein philo-
sophischen Schriften. Vgl. hierfür noch die Wortstellun-
gen 18, 29-30 und 20, 13. Im übrigen beweist diese Beob-
achtung, dafs das vermutete zov a^ttüfiazog 25, 26 auch
aus rhythmischem Grunde besser ist als das nicht zu
konstruierende zq> a^itoficezt. Ich sehe in dem Prozent-
satz von 4 °/o gegenüber dem von 32 °/o und 6*4 °/o zu-
gleich den Beweis für die Richtigkeit meiner Annahme,
dafs geschlossene kurz vo kaiische Endsilben vor der
Pause für das Gehör als lang zu rechnen seien; das
Beispiel idt%ovzo &avfidtovz€g ist die Illustration dazu.
Wenn die Beispiele, welche Aristoteles und Theophrast
in ihren Lehrbüchern anführten, nicht dazu stimmen,
indem sie vokalisch langen Ausgang bieten, so ist da-
gegen zu halten, dafs man zu Musterbeispielen eben
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- 28 -
5. Kap. nur das absolut Regelrechte verwendet, und dafs die
Kh>thmus Antike, wie übrigens selbst Theo phrasts Beispiel, ferner
Dionysios' rhythmische Erörterungen und was der
Verfasser jieql vtyovg in dieser Hinsicht anmerkt, deut-
lich beweisen, den Rhythmus nicht mit dem Mafsstab
des metrischen Lang-kurz ausrechnete; das beruht
darauf, dafs man hörte und nicht las, dafs die Sprache
mit dem, wofür sie da ist, gemessen wurde, mit dem
Ohr und nicht mit dem Auge. Und das Ohr hört in
der Pause, was das Auge den stummen Buchstaben
nicht absehen kann.
Perioden- 2) Der Eingang bestimmt den Rhythmus weniger
eingunge a j g ^ Klausel ; die folgenden Beispiele sollen zunächst
nur die verschiedenen Arten des Eingangsrhythmus
charakterisieren.
nqmov (asv xai 8, 25; 9, 11; 10, 12; 15, 8.
23; 31, 17.
u noirpavxi 4, 21. 16. 18; 5, 25; 7, 17; 9, 7.
9; 10, 9; 15, 16.
— u _ xcrt zrp 7ioXi(tsiav) 4, 20. 27 ; 5, 1 ; 6, 8 ; 9,
10; 14, 18; 10, 3 Kai zag ozaoeig af4<poziQOvg
HETaÜio(&aC) — ^--^w-^w - wie 31, 16
zovzcov fiiv ovv aiuf oitQüJv &avazbv, logaödisch.
Das Metrum wiederholt 13, 24, wo der ganze
Satz logaödisch klingt, und mit fühlbarer Kata-
lexe — — vy — - -U-UU-U-U-UU" —
elxov d' huxozoi zag i7i(ovvf.uag anb zwv zonwv
iv olg iyecjgyovv. Iambisch wirkt der Ein-
gang 5, 27 iüot il-bv air$ [zoig v6(j]ovg.
_ w _ _ &avnaoävTcov 28, 8; 5, 2; 10, 7-8. 12; 15,
4. 14; 31, 13; 32, 2. 3; 46, 16. 18; 55, 2.
Trochäische Dipodie ov yaQ ouo&ai dUaiov
9, 28.
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- 29 -
- - u u ot> XQ^adfieivoi) 37, 24; 9, 4; 17, 5; 23, 26. 5. Kap.
Dieser Eingang gehört zu den selteneren.
- w ^ - ^OTtxw(iraTog) 13, 25; 6, 10; 9, 25; 27, 28;
46, 9; 50, 3. — Bei folgender Kürze logaö-
discher Klang - ^ ^ - | ^ 4, 25; 5, 10. Doppel-
ter Choriamb toiv de noXi twv eviovg 8, 19;
über die ganze Stelle unten (S. 37 f.).
- v - sj ov yctQ eIaoq 5, 26; 9, 6; 10, 1-2. 6; 36, 3.
Der trochäische Rhythmus stark fühlbar 9, 2
KVQiog yag wv 6 dfinog', parallel steht 35, 10
ev de T(p ncLQQYii v.(tiQU) x^v de ; 5, 12 xvgiog
de yevopevog tojv TrQayftccnov ist ein regel-
rechter trochäischer katalektischer Trimeter.
ti-diaffi'hiod'reooi yag ( oi^bXLyoi 45, 15 ist nicht
sicher. Der Eingang 12, 25 tjjv fxev ovv cmo-
<h >!<■:■> bildet einen Glykoneus, ebenso 39, 21.
- ^ w w eilezo TiQog 10, 9. 11; 12, 12; 15, 21; 27, 18;
31, 11; 42, 3; doppelt wate avveßaivev fati{yn)-
Qiü&ewtov) mit kontrastierendem Dispondeus
40, 20. - v w u v 41, 7. — w w w w w , ebenso
30, 10 47, 9.
u iv olg 7ieiQutv(xcu) 5, 17; 6, 9; 10, 5; 22, 17;
32, 1.
^ - - ^ knei& wg piv 5, 19. 24; 6, 3-4; 9, 24 ; 12, 26;
45, 27 ; 46, 4.
w - oqwv de typ 8, 18; 11, 10; 19, 15. 22. Der
jambische Rhythmus stark dov.el de zr t g 26-
Xwvog 8, 24. 26 (tö ££.); 46, 8.
„ „ - - dicrtctgag 9, 23 ; 5, 9Tl8; 7, 14-5; 14, 25; 45, 25.
»-w idei de te{Ulv) 7, 1 ; 13, 8; 15, 20; 19, 2;
46, 12.
w w - w %ttke7zi!yia.%ov 1, 15 ; 6, 5 (rd %e tcq.) ; 16, 1 ; 28, 4.
Natürlich ergiebt sich bei folgendem Iambus
anapästischer Rhythmus : mtaTQav\ixca:iaag
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W v-/ W W
KJ W W ^ W
<s> V_/ W W W
ü V U O ü u u
- 30 -
5. Kap. 14, 1 ; 5, 22; 14, 7. - 6 de drjßog aq>ei\Xero rijg\
ßovlfjg 50, 5, wo vor der Pause schon der-
selbe Rhythmus (s. oben S. 23).
WV /v - ort de xavfyrp) 6, 4; 8, 20; 10, 1; 13, 1. 19;
21, 21 ; 23, 22; 41, 28; 43, 10; 44, 8. Zweimal
das Metrum Ire de xai \ dia *i furj 9, 3 und
46,. 9, sogar dreimal ^uera de Tav\ra avveßr/
azaaidoai 1, 5.
hü ftev l'(rr ; ) 12, 27; 3, 6; 25, 19-20.
tri de 7iQaie{Q0v twv) 22, 20; 4, 6.
anededovo f*iv(rj) 3, 20,
o#ev m dia[Ae(vei) 7, 20; 23, 6.
Die Betrachtung der Eingänge hat den Haupt-
accent nicht sowohl auf die einzelnen Metra, als viel-
mehr auf die ersten zwei Silben zu legen; sie geben
dem Eingange das Gepräge des fallenden oder steigen-
den Rhythmus. Mir hat eine Nachzählung der selb-
ständigen Satzgebilde ergeben, dafs von den schon
erwähnten 370 in Betracht kommenden Sätzen rund
200 mit langer, 170 mit. kurzer Silbe anlauten, und
von diesen rund 70 mit einer, 100 mit zwei kurzen
Silben. Nun kann man ja bei einer historischen Dar-
stellung wie der vorliegenden diejenigen Fälle milder
beurteilen, welche durch den sprachlichen Ausdruck
für die einfache Anreihung der Thatsachen aneinander
gleichsam bedingt sind; dazu rechne ich eneixa, ezei,
oti de, exi, [tera de ravra und bei Aristoteles* Dar-
stellungsart dtb und b'tev; aber auch so bleiben noch
ca. 120 kurzsilbige Eingänge, d. h. 60 auf 100 mit
langem Einsatz. Doch wenn man die Häufigkeit des
steigenden Rhythmus auf diese Weise auch begreiflich
machen kann, wegzubringen sind jene 50 aus der
Litte raturgattung des Buches verständlichen Eingänge
{enetia u. s.w.) für den rhythmischen Eindruck nicht.
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Es bleibt bei den Zahlen 200 und 170; der lange Ein- 5. Kap.
satz und der fallende Rhythmus verhalten sich also Rhyt mi
zu dem kurzen Einsatz und steigenden Rhythmus wie
54 : 46.
Es ist ja bekannt, dafs Aristoteles (Rhet. 1409 a 3)
den ersten Päon für den Eingang, den vierten für
den Schlufs der Perioden empfiehlt mit der Bemerkung,
dafs die Praxis der Beredsamkeit jene wenigstens
theilwefse richtig verwende. Man sieht auf den ersten
Blick, dafs der Rhythmus der Periodeneingänge und
-Schlüsse in der noX. lAfrrp. dieser stilistischen Regel
stracks zuwiderläuft. — Theophrasts Theorie, der auch
am Eingang und Schluss den Päon verlangt, liegt bei
Demetr. iz. § 41 (p. 24 Walz) vor; er stellte als
Beispiel auf — \, w ^ - ^ ^ - w w v_, ^ ^ rwv fjev
tceql ra urfievog a^ia tyiXoooffovvitüv. Man erkennt,
dafs Demetrios recht hat, wenn er Theophrasts Theorie
dahin erläutert, dafs nach ihr nicht direkt Päon,
sondern nur langer Einsatz und lange Schlufssilbe
des Kolons gefordert werde; ov yciQ ex Ttaiwvuv
ay.QißcüQ aXXa 7iaitüviy.6v %i eart' jtctQCtXaßcoiuv toi tov
naim'ct elg tovq Xoyovg, irtEidi] f.tr/,Tog zig ian v.ai
aoq)a?Joz€Qog, to peyaXonQenfg fiiv «c Trjg fxcrtQccg Xafi-
ßavtov, to Xoyinbv de ex twi' ßoayeiwv. Quinctilian
(instit. IX. 4, 87 ff.) ziehe ich hier nicht gerne heran,
da seine Darstellung, wie die darin enthaltene Polemik
beweist, nicht auf blofser Wiedergabe älterer grie-
chischer Techniker beruht, sondern eigenes Urteil,
d. h. das eines Römers, in den Vordergrund drängt.
Aber auch er sagt optime incipitur a longis, rede aliquando
a brevibus (§ 92). Allein alle diese Regeln gelten für
rhetorische Litteraturdenkmäler ; auf ein Buch wie die
itoX. l4dr]v. können sie ohne weiteres nicht Anwendung
finden. Gleichwohl stimmt der Gebrauch wenigstens
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5. Kap. in den Klauseln durchaus mit der von Theophrast
Rhythm,k aufgestellten Forderung überein, sie sollten mit einer
Länge schliefsen: die Klauseln gehen bis auf einen
sehr geringen Prozentsatz auf langvokalische oder ge-
schlossene kurzvokalische Silben aus; aber läfst man
auch die letzteren aufser Rechnung, so genügen doch
selbst strengster Anforderung immer noch die fast vollen
zwei Drittel der Klauseln langvokalischer Endsilbe.
Und das ist der Thatbestand in einem noch nicht ge-
feilten Werke. Er beweist, dafs unser Buch in seiner
Vollendung zur kunstmäfsigen Litteratur gehören sollte
und gehört haben würde. Mit diesen vollen Ab-
schlüssen und der zum Satzende, wie oben aufgezeigt,
vielfach deutlich auftretenden Rhythmik genügt es
schon in seinem unfertigen Zustande im grofsen und
ganzen der Anforderung, welche Aristoteles im all-
gemeinen, nicht blofs für rhetorische Stücke, aufstellt
(Rhet 1409 a 19): del de %fj f.iax.Qa ano-Konieo^ai
xcri öylrjv elvai Tf]v ieXevTrp> fii) dia xbv ygaq>ea fttjös
öia vtjv 7taQayQaq>yv, aXla öia f>v&f*6v.
nicht im Von den Klauseln und Periodenanfangen ist die
atzinneru Untersuchung ausgegangen; denn an diesen Stellen der
Rede zeigt sich der Rhythmus am deutlichsten, und
für sie hat Aristoteles ausdrücklich das Hervortreten
eines Rhythmus nicht blos anerkannt, sondern gefordert.
Anders steht es mit dem Satzinnern. Aristo-
teles sagt, die Rede solle weder tf.i^ie%Qog noch cxQQvd--
jtiog sein (Rhet. 1418 b 21); seine Ausführung dieses
Satzes ist zwar nicht ganz klar, aber es hat den An-
schein, als ob er Rhythmik im wesentlichen nur gegen
das Satzende hin gelten lassen will. Es galt also eine
Probe. Ergab sie, dafs das Satzinnere rhythmisch ge-
gliedert war, so war damit zugleich eine Illustration
der Worte der Rhetorik gegeben ; im entgegengesetzten
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Falle blieb die Mittelstrafse zwischen tintt.ioo: und r ». Kap.
ctQQv&fÄog so klar oder unklar wie vordem, aber fii r 8 *y thmla
den rhythmischen Charakter der nol. 'ASr^. war das
Resultat von Wichtigkeit. Die Untersuchung der Klau-
seln ist deshalb mit Absicht vielfach auch auf das
Satzinnere ausgedehnt worden. Dabei stellte sich her-
aus, dafs das Metrum der Worte zum Kolenschlufs
hin sich mehrfach dem metrischen Gepräge der Klau-
seln annähert. Das ist nur natürlich. Das musika-
lische Prinzip kann nicht unvermittelt in den letzten
vier bis fünf Silben zum Durchbruch kommen, ein
allmählicher Ubergang ist nötig. Aus diesem That-
bestande ergab sich also kein Beweis für das Vor-
handensein einer das Satzinnere mehr oder minder be-
herrschenden Rhythmik. Auch auf anderem Wege
kommt man zu dem gleichen negativen Resultate.
Das Tempo der Sprache unseres Buches ist im
ganzen ein schnelles. Die Häufigkeit der Ein-
gänge mit steigendem Rhythmus — fast die Hälfte
aller gröfseren Perioden leiten sie ein — trägt viel
dazu bei. Im Innern herrscht dieselbe Lebhaftigkeit,
denn auch das Innere ist vielfach rhythmisch ge-
gliedert. Es finden sich viele päonische Stellen:
p. 1 0, 26 Z. B. — WWW - W \J WWW — | W — — W W W — '•)
19, 13 — ~ W W W — WWW — W _ W W - — WWW - WWW - '•)
19, 2 — w — — w w — www — www — w j 19, 17— w w —
w — www — ww~i 19, 18 — www — ww — , alle diese
Stellen auf einer Seite, auf welcher auch noch zahl-
reiche Daktylen, p. 28, 23. - w w www-www-;
p. 31, 19 w w www — w — — www — www— i 31 , 27
www-ww-www -, die ganze 31. Seite wim-
melt von Päonen und Daktylen, und sie gehört gerade
zu den selbständigsten Ausführungen des Aristoteles
in der tzqI. Idfhp. (über die Demagogen); vgl.
Keil, Aristoteles. 3
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5. Kap. auch p. 13, 8 ff. Dafs zahlreiche daktylische oder,
hythmua wenn man go w jjj^ anapästische Stellen, welche ebenfalls
Lebhaftigkeit geben, namentlich zum Periodenschlufs
hin sich finden, dafür sind oben bei den Klauseln
genügend Belege gegeben. Ein besonders starkes Bei-
spiel füge ich hier noch hinzu
-cb-cb^^oü^w - o ö* J 'loayoqag ETrilei/io/uevog
Tvj duvdf.i6i TtaXiv huKaleoanevog (zov) 22, 3. Doch
wird das Tempo auch oft durch eine Reihe langer
Silben gehemmt, p. 46, 5 rjywvrai ßelrlaTovg elvai,
8 Längen ; anderes ist oben ebenfalls angeführt worden.
Die Menge der schwer ausklingenden Klauseln wirkt
nicht zum wenigsten retardierend; endlich mischt sich
auch der ruhige Takt der Iamben und Trochäen ein,
nicht sehr oft, aber doch mehrfach und fühlbar; ich
führe noch an 46, 6 ol de dyuozai xctzr^yoQOvg aiqovv-
tcu; und wie dem Schriftsteller ein Hexameter ent-
schlüpft ist, so auch ein richtiger iambischer Trimeter
laßwv öi zovg '/.OQivrjcpogovg xalovpivovg 14, 4, wobei
für den Rhythmus des Buches der Anapaest im dritten
Fufse nach Art der Komiker bezeichnend ist. Die
Daktylen, welche selbst für die Rhetorik als ae/ava
y.ai lextixifc agtioviag deofieva von Aristoteles ver-
worfen werden, sind durch die Vermischung mit
Pausen und schweren Satzschlüssen in ihrer Wirkung
auf den Gesamtcharakter der Art gemildert, dafs ihr
IxeyaXonQBfcig nicht empfunden wird. Retardierende
Elemente sind eben überall in schnelles Tempo ge-
mischt. Der Schlufs des Abschnittes über die De-
magogen, der so viele Kürzen enthält, kann als be-
sonders charakteristisch hierfür sowie für den Rhyth-
mus des Buches überhaupt gelten : - ^^^-^-www
— — — — — v_yv_/ — — ! üj"uuu-ü"ü-v/|yuu-
u _ w ^ w Wir erhalten beim Lesen des
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— 85 —
Buches im ganzen den Eindruck einer lebhaften, vor- 5. Kap.
schreitenden Rede. Aber diese Bezeichnung ist eine Rhythmi
äufserliche. Die Untersuchung des Rhythmus sucht
den Eindruck innerlich zu erklären ; sie thut es, indem
sie nachweist, dafs dieser Eindruck zunächst auf dem
musikalischen Gepräge der einzelnen Redeteile beruht;
sie hat zur Bezeichnung dieses die feststehenden musi-
kalischen Bezeichnungen der Metra. Aber die einzelnen
Redeteile wirken nicht allein und nicht zumeist, ihre
Komposition ist für das musikalische Gepräge des
Ganzen entscheidend ; man hat also für die Bezeichnung
des Charakters der Rede eine musikalische Benennung
zu wählen, damit diese Benennung auch die Begrün-
dung des Eindruckes enthält, welcher sich äufserlich
einfach als ein lebhafter darstellt. Die Benennung
würde naturgemäfs von dem Metrum zu entlehnen sein,
welches besonders vorwiegt. Allein welches thut dies?
Die zahlreichen Epitriten der Klauseln nicht, nicht
Iamben und Trochäen, aber auch nicht die Päone und
Daktylen; keines von allen. Von einem einzelnen
Metrum kann man die Benennung nicht hernehmen.
Wie soll man den Rhythmus bezeichnen? Bei der Be-
trachtung der Klauseln habe ich das Urteil, das aus
dem Ganzen sich ergiebt, schon am Einzelnen vor-
bereitet: den Rhythmus nenne ich — ich wcifs keine
andere Bezeichnung dafür — logaödisch. Mit diesem
Resultate ist die Existenz eines beabsichtigten Rhythmus
im Satzinnern unverträglich. Logaödische Reihen kann
man fast in allen Schriftstellern von Lysias bis Chori-
kios und noch weiter hinab nachweisen; sie sind das
natürliche rhythmische Gepräge jeder Kunstsprache 1 ).
1 ) Bei der Korrektur dieses Bogens konnte ich schon die
Blafs'sche Ausgabe der noL 'A&ijv. benutzen. Einer Polemik
3*
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— 86 -
s. Kap. Mich befriedigt das Resultat; es stimmt zu dem
thythmna Qj iara j ttep emes Buches, welches ein litterarisches Kunst-
werk und eine wissenschaftliche Arbeit sein soll. Der
zum Periodenschlufs nach künstlerischem Stilgefühl ge-
regelte Satzbau genügt dem Kunstwerke, die starke
Einschränkung des pathetisch-rhetorischen langsilbigen
Satzbeginnes, der bewegte Rhythmus im Innern steht
im Einklang zu der Einfachheit wissenschaftlicher Dik-
tion, aber auch mit der Lebhaftigkeit wissenschaftlicher
Reflexion : lafjßdvei zag ßQaxetag ex %ov loytyiov, um die
oben angeführten Worte des Demetrios umzukehren.
Mich befriedigt das Resultat auch nach einer anderen
Richtung hin ; es stimmt zu dem Eindruck, den andere
besser ausgearbeitete aristotelische Werke in rhyth-
mischer Hinsicht machen ; davon kann sich jeder leicht
beim Lesen z. B. der Ethik oder der Rhetorik über-
zeugen.
Wenn man die Existenz eines bestimmten, beab-
sichtigten Rhythmus einzelner Perioden in der nol,
*4(hp. leugnen mufs, so kann man andererseits doch
gegen seine Aufstellungen über den Rhythmus unseres Buches r
jn der praef. p. XVI sqq., und gegen den Gebrauch, welchen er von
diesem für die Textkritik macht, überheben mich meine vor-
stehenden Ausführungen. Ich habe in ihnen mit Rücksicht auf
Blafs einzelnes nachträglich anders und schärfer gefafst, um
meinen gegensätzlichen Standpunkt deutlicher erkennen zu
lassen. Die Unfertigkeit des aristotelischen Buches läfst eine
Rhythmik in dem Umfange, wie Blafs sie annimmt, m.E. über-
haupt gar nicht suchen. Die Spuren von Rhythmik, welche
Blafs zu sehen glaubt, kann ich in vielen Fällen nicht an-
erkennen; doch ist hier nicht der Raum, die Qualität der zum
Beweise angeführten Einzelstellen zu prüfen. — Im übrigen
ist die sonst so verdienstvolle Ausgabe die letzte litterarische
Erscheinung, welche ich bei der Korrektur noch berücksichtigen
konnte.
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- 37 -
nicht verkennen , dafs gewisse Strecken ein gleich- 5. Kap.
artiges rhythmisches Gepräge haben. Dieses ist aber Rhythmu *
nicht als etwas Gewolltes zu betrachten, es ist vielmehr
4ie natürliche Wiederspiegelung der Stimmung, in
welcher sich der Schriftsteller bei der Niederschrift
jener Teile befand, oder in welche ihn sein Stoff ver-
setzte. Man kann auch bei unseren Klassikern be-
obachten, wie ein gewisser Tonfall seitenlang vor-
herrscht, um später einem anderen Platz zu machen
oder auch ohne Ersatz zu bleiben. Bei einem stil-
gewandten Schriftsteller wird die musikalische Gliede-
rung der Form, der Sprache, mit der logischen Gliede-
rung des Inhaltes, des Gedankens, harmonieren. Hier-
auf beruht das Wesen der Klausel, hierauf auch die
häufige Erscheinung, dafs inhaltlich parallelstehende
Sätze oder Satzglieder ähnlichen Umfang und ähn-
lichen Tonfall haben. Das ist nichts Erkünsteltes, son-
dern ergiebt sich dem Schriftsteller unmittelbar, mit
innerer Notwendigkeit aus seinem Schönheitsgefühl.
Man kann diese Erscheinung daher bei allen kunst-
mäfsig schreibenden Prosaikern linden, selbst bei
solchen, bei denen niemand daran denken wird, eine
durch gekünstelten Rhythmus gegliederte Periodik zu
suchen. Derartiger Periodenbau findet sich denn auch
in der nol. 'A&rjv. Ich wähle zwei Beispiele aus der
hier besprochenen Solonpartie.
p. 8, 18 ff.
a) gqlüv de Tfjv (iiv nokiv rcol- w - w - - v — ^ - ^ ^ - - er
Xay.ig axaoiaCovaav
zujv de nohxiov iviovg dia ii t v wo-^w <j,
t)qfrv(.tictv ayamorrag ravro- - ^ w
Hazov
vo\xov t#r ; *£ 7VQog avzovg 1 dtov, C^w-w^--^-
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- 38 -
s. K»p. b) og av azaaiatovarjg tr t g n6~ ^- ^ ^ w _
Bhythmu, ^
fir Ti&fpat zoj7ila ^di u£$ ^-C^w^-
(t4qwv
uti/uov elvai xtti rfg nohewg w - ^ ^ ^ -
Diese Zeilen sind aus Kretikern und besonders
Choriamben zusammengesetzt; von jenen zählt man
fünf reine Metra, von diesen neun. Das Tempo ist
auch in den nicht rein kretisch-choriambischen Par.
tieen gewahrt; denn für jenes ist w w — = _^^_
(2. Kolon) und ^ - ^ = - w — u — (6. Kolon) ;
die Längen sind so verteilt, dafs zwischen den vielen
Kürzen Ruhepunkte eintreten. Der Schlufs von a und
b ist ganz gleich gebaut - ^ ^ — ^ ^ -, so dafs das
rhythmische Leitmotiv klar zutage tritt.
Das zweite Beispiel bildet der Satz, von welchem
wir ausgingen:
a) iaxvQ&g Si trjg axctamg ^- w ^
ovarig
b) xcu TioViv xQOvov ctvci- -w-w^-w^-^
*a&r]nivo>v alXr t loig
c) eilovzo xoLvfj ÖLallaAz^v — ^ - - ^ v^^-w
xaijxQXOVTa 2oliova
b) xal Tr t v nohrelav ini- - - ^ ^^-w--
zgeifjav avrtp
a) Ttoiipavii %r t v sfayelav w-^o —
Die Schlufsworte yg iatlv oqx^j gehören nicht mehr
zur Periode , sie sind ein logisches Anhängsel. Läfst
man sie also fort, so erkennt man, dafs das erste und
fünfte Kolon völlig gleiche Messung haben und das
letztere dem ersteren gegenüber die Katalexe durch
Verkürzung um eine Silbe. Das 2. und 4. Kolon sehen
so aus, wenn man die Abweichungen voneinander ein-
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klammert (-) - u - os - ^ ^ - u - - (- -). Das spätere Kolon
wieder dem früheren gegenüber katalektisch. Der
Hauptgedanke des Satzes steht in dem längsten von
den vier korrespondierenden Kolen eingefafsten Kolon
eXXovto /.oivfj diallaxzijv xal agxovta Solwva, der
Name, auf den alles ankommt, ist an die significanteste
Stelle des durch seinen Inhalt wie durch seine Mittel-
stellung hervorgehobenen Kolons gesetzt. Der korre-
spondierende Satz r t v (T 6 —6X(ov — tiXeovextuv hat
ungeheuer schweren Rhythmus. Den Schlufs des
ersten Teiles der Periode (rjv ö $ 6 ^ utoiov) bildet die
logaödische Klausel - ^ w - w - 7tQayf.iaai nur (.davjv.
Der Rhythmus bleibt im zweiten Teil (wg in ^ nfaove-
-/.zelv) schwer; der Schlufs klingt aber wie beim ersten
logaödisch aus : - ^ ^ — /.tij Tiheovexzeiv , und be-
merkenswerterweise wieder katalektisch gegenüber
dem früheren Schlüsse.
Man wird in diesem Kapitel die Kunst des Schrift-
stellers im Periodenbau anerkennen; auch scheint mir
die Knappheit und Klarheit besonders rühmenswert,
mit welcher er in wenigen Worten den Inhalt der an
erster Stelle citierten Elegie skizziert 1 ). Um so befremd-
l ) Die Worte dieser Elegie nosaßviarr^v (ooq(ov yalav
*Iaov(tt( sind übrigens eine recht erhebliche Instanz gegen die
Annahme, dafs die Athener erst im 5. Jahrh. infolge des Bundes-
reiches die ionische Dodekapolis als anotxla Athens beansprucht
hätten (Busolt, Griech. Gesch. I. 213 f.). So alt wie die pr\-
iQonoXte kann keine anotxta sein; sie ist die TtQtaßvTUTr}. Die
Kodrosinschrift (CIA. IV 2 p. 66 n. 53 a) mufste das schon
lehren; denn die Stiftung des Kodros-Neleus-Basile-Heiligtums
ist alt, und Neleus hat nur als Führer des Kolonisationszuges
Platz in der athenischen Tradition erhalten. Der Schiedsspruch
über Salamis, das den Athenern zuerkannt wird, weil die
Pythia 'faovtav rr\v ZaXup.hu nQoarjyoQevae (Flut. Sol. 8), wird
jetzt historisch.
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— 40 -
5. Kap. Hcher wirkt der Lakonismus der Worte rr]v noXixeiav
B7ttTQBipav avttf) noirpavxi %rv ileyeiav; denn er ent-
hält etwas Schiefes und Unklares. Nicht weil Solon
so gedichtet hatte, sondern wegen seiner politischen
Stellung, welche in dieser Elegie beredten Ausdruck
gefunden und durch sie Beglaubigung gewonnen hatte,
wurde er gewählt. Selbst eine Ausdrucksweise wie TTjV
rtoXixiiav F.nixQetyav avt(^' d^cpozegoi yag eniaxBvov T<p
lu/ i >vi Totg äXkoig 7taaiv avxov ttjv jueigiorr-za ivösi-
£avTi xcrt ör t xat 7toirpctv%i jijviXeyeiav würde man sachlich
ohne Befremden hinnehmen. Dafs hier der Text nicht
in Ordnung sei , daran ist wegen der Responsion mit
dem ersten Satze des zweiten Teiles des Kapitels nicht
zu denken. Der Ausdruck ist schief, weil zu kurz.
Und diese Kürze selbst ist innerhalb einer vollent-
falteten Periodik wie an unserer Stelle eine Härte.
Es bleibt nichts anderes übrig, als die befremdliche
Thatsache zu registrieren, dafs inmitten eines sonst
kunstvoll gebauten Abschnittes ein solcher Anstofs
sich finden kann.
»luTsoi ^ Cn 8tcts zur Vergleichung mit Aristoteles' Dar-
14 Stellung heranzuziehenden Parallelbericht über die
solonische Verfassung bietet Plutarchs Leben des Solon.
Hauptquelle für Plutarch ist, wie allgemein anerkannt,
des Hermippo8 Bericht über Solon in dessen Bioi ge-
wesen 1 ). Mit dem Beginne der aristotelischen Dar-
stellung beginnt die Parallele und zugleich auch die
Differenz. Aristoteles berichtet kurz ei'Xowo xoivtj
diaXXaw€7\v xat ixQyovxa SoXiova xai xr^v Ttokireiav
^TttTQEil'av avrip; darauf folgt die Motivierung dieser
Wahl aus der politischen Stellung des Mannes (bis
') Die Resultate derQuellenuntersuchungen und die Litte-
ratur darüber zusammenfassend Busolt, Grieth. Gesch. I. 369 f.
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— 41 -
p. 4, 26 K.-W.), welche selbst wieder aus seiner s. Kap.
und Plut.
socialen Stellung erklärt wird. Kap. 6 nimmt mit xvgtog soi. u. ie.
Se yevofAevog tg> ftgayf.iduov unmittelbar das zr t v noh-
zelav inergeipav avTiT» auf, und die nun folgende Dar-
stellung von Solons Thätigkeit läfst keinen Zweifel
darüber, dafs Aristoteles sich den Solon sowohl in
Sachen der Seisachtheia wie der Verfassungsordnung
als aus ein und demselben Auftrag, eben aus dem,
für den er gewählt worden war, handelnd dachte. Bei
Plutarch heifst es c. 14 fjQe&in de ctQ%wv /.teia 0ik6fi-
ßgorov 6f.tov y.al oWÄAorxT^g xat vofÄO&ftrjg. Als solcher
führt Solon die Seisachtheia durch ; aber er erntet da-
mit zunächst nur Feindschaft; bald jedoch sieht man
den Nutzen der Mafsregel ein, tadelt ihn nicht mehr
y.al zov Zoltova tfjg rtoXiteiag diOQ&utv^v xai vopoiti-
T7]v a7tadEi£av, ov rot fliv, ta d' ovxh Tioivxa ö' b(.iaXug
i7iiTQeipavteg ctgxag exy.l^alag ör/.aott]Qia ßovlag xat
zlfttjfia zoitwv rtaoTOv ntk. (c. 16). Obwohl also in diesen
letzten Worten der Ausdruck sich mit Aristoteles be-
rührt und die ganze Stelle eigentlich nur eine Para-
phrase des knappen xrp 7coXizetav hitzQ^av avr$ ist f
liegt doch der fundamentale Unterschied gegen Aristo-
teles vor, dafs Solon bei Plutarch die Verfassungs-
ordnung nicht auf Grund desselben Auftrages wie die
Seisachtheia, sondern auf Grund eines zweiten, späteren
Auftrages durchführt. Diese Differenz hat ihre Folge
für einen späteren Teil der beiden Darstellungen.
Bei Aristoteles, Kap. 11, erscheint unter den Gründen,
welche den Solon zur Reise bewegen, auch die Un-
zufriedenheit über die einschneidende Mafsregel der
Seisachtheia; bei Plutarch Kap. 25 ist die Reise nur
durch die Unzufriedenheit über die Verfassungsordnung
veranlafst. Ich verfolge diesen Unterschied für jetzt nicht
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s.Kap. weiter; seine Erklärung erfolgt von anderer Seite aus.
Soi ^ ^ n zwe ' ter bietet sich noch in demselben 5. Kapitel.
Aristoteles fuhrt in ihm zwei Elegieen des Solon
an; die erste liefs in Solon den Mann, der über den
politischen Parteiungen steht, erkennen; die zweite
zeigte ihn als Gegner der Reichen 1 ): xai ofaog aui ttjv
alxlav xfjg oxdoewg avarcxu xoig nlovaLoig' dib /.al iv
ccQxfj xfig ileyelag dedomtvcti (pr^ai c xr f v xe q> oiav
xr t v xe vnegrjtpaviav' wg dia xavxa x% zx&Q a S iveaxwai]g.
Das Wort, welches in der Lücke gestanden hat, linde
icli nicht; sicher war es ein Synonym von q>iloxQr:/*axia.
Das verlangt die vorauszusetzende Übereinstimmung
mit der Anführung desselben Verses in der sogleich
heranzuziehenden Plutarchstelle und vor allem der Zu-
sammenhang bei Aristoteles selbst. Denn der Vers
konnte nur dann als Beleg dafür dienen, dafs Solon
den Reichen die Hauptschuld beimafs, wenn beide
Substantive sich auf die Reichen beziehen liefsen 2 ).
V) Es ist wohl die Vermutung erlaubt, dafs aus dieser
Elegie auch Solon Frg. 15 (PLG II* 46) stammt: noXkol yttp
Ttkovrevoi xaxoi, noXlol cf< nirovrai, akV rjftets avrots ov
$ittuwl>6fLtt&«, welches Plut. Sol. 3 als Beleg dafür angeführt
wird, dafs Solon sich eher zu den ntvrjTee als zu den nkovoiot
rechnete. Die Tendenz ist dieselbe und der Ton der gleiche:
ovze yag ripits neioontfta.
2 ) Blafs hat rrjv re a . . . . artav gelesen und darnach
jriv « K[xQt]ix\aT(nv hergestellt. Ich halte an dem q< im Ein-
gange fest; daher kann ich diese Herstellung, wenn ich auch
die Möglichkeit, aber nicht die Notwendigkeit, ticcv statt oiav
zu lesen, anerkenne, aus paläographischem Grunde nicht für
richtig halten. Mindestens bedenklich ist üyor t um (uv auch aus
metrischen Rücksichten. In den solonischen Versen, von denen
hier c. 130 in Frage kommen, verlängert die sog. posilio de-
bilis an unbe tont er Versstelle niemals den vorhergehenden
kurzen Vokal; diese Position wird so schwach gehört, dafs sie
nur unter dem Hochton des Verses die Verlängerung des
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- 43 -
Das thut (pikoxQWcrria und vneQr^avia. Ich halte den 5. Kap.
Sinn des fehlenden Wortes also mit dem ersteren für g^^y*
sicher gegeben. Plut. c. 14 sagt: 0aviag 6 Aiaßiog
ctvzov IozoqeI zbv SoXwva XQrfianevov a7iazrj Ttgbg
afiqtozegovg (d. h. nXovoiovg und nivrpag) tni awzr\-
Qiq zfjg rzoXetog V7zoo%ia&ai v^vcpa zolg piv anoQOig
zr t v vefirjaiv, zolg de xq^atrAOig ßeßamoiv zaiv avp-
ßoXatwv ctXX 1 avzog 6 SoXcov bwwv (pr^oi zb ttqwzov
ailHxo&at zyg noXizeiag Aal dedoixtjug zwv ju*v z\v
kurzen Vokals erwirkt. Bei den anderen hierher gehörigen
Dichtern ist es ebenso oder ähnlich. Tyrtaios hat nur ergebe
12, 21, Mimnermos nichts. Xenophanes hat ovy {ßgis 1, 17;
ggf} 6k TtgaiToVi im Versanfang 1, 13; die Fälle mit tfu und yfx
rechnen natürlich nicht. Bei dem theogonideischen Korpus ist
die bunte Zusammensetzung zu berücksichtigen. Auszuscheiden
ist die Position «fy*, und auch ßX (323); ferner längt »fi
stets orü&fios 543. 945; 805; 1250, 6v9fi6 s 964; ebenso die
epische Form Te9vr}6ros 1205. Der Eigenname JrjfAÖxXng 923
fallt aus mehr als einem Grunde fort, /ue xQ*i 806 ist Konjektur
Bergks. Durch pointierte Diktion ist die Langung des * in
frrpijf« und frfpija« 953. 954 veranlafst. Es bleiben auf fast
1400 Verse folgende 10 Fälle: älla %QTj 717, im Versanfang;
utTüor 498. 475, wo die Überlieferung aber unsicher ist; na-
loLotov 521. nfrgri 1361. /uaxQrjv 72; x - tuivu 681; rtxQtjuo-
ouvrjv 156. o«7tqov 1362. arX^r« 1029. Ich halte uns also
nicht für berechtigt, die Messung «xQ^artav au unbetonter
Versstelle durch Konjektur einzuführen. Gerade für Solon
hat die noX. 'A&rjv. die Probe gebracht. Er mifst fjirnov 13, 52;
16, 2 an betonter Stelle; noX. A&t\v. c. 5 an unbetonter Stelle
iv jutTQiotai. Es ist also an dieser Stelle ^tirgoiav (K-W.)
nicht möglich, «yu^uatv an betonter Stelle Sol. 13, 41. Völlig
unmöglich ist axQr\fiaita dem Sinne nach, wie oben im Texte
gezeigt. Hätte dieser Begriff in dem Verse gestanden, wäre
der letztere für Aristoteles' Beweisführung unbrauchbar ge-
wesen. Stünde nicht t« bei Aristoteles, würde ich, da ich, wie
gesagt, t auch für möglich halte, mit H-L. tjjv <piXoxqriuttx(«v
für das Richtige halten.
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5. Kap. g)tkoxQt]MCcriav, ziov de tr^v v7teQrj<paviap. Hier sind die
beiden Worte nicht auf ein und dieselbe Partei bezogen,
sondern cpiloxgr^aztav geht auf die Armen, v7teQi<-
qxxvlav auf die Reichen. Aus Aristoteles kann der
Schriftsteller, dem Plutarch folgte, Hermippos 1 ), hier
nicht geschöpft haben, denn die Worte jenes lassen
auf eine Deutung, wie die bei Plutarch vorliegende,
gar nicht kommen. Hinzu tritt, dafs Hermippos die
dem erhaltenen Pentameter vorangehenden Worte oder
Verse kannte, wie aus avtog 6 2oXcov bwiuv qtijoi %6
TtQwvov a\paa&ai tr^ 7toXite(ag '/.ai dedoiytwg yjie . folgt.
Sie waren nicht aus Aristoteles zu entnehmen. Nimmt
man hinzu, dafs Plut. Sol. 3 2 ) die zu der Partei der
nivrpzg hinneigende politische Stellung mit anderen
Versen belegt als Aristoteles, so mufs man schliefsen,
dafs Aristoteles weder von Hermippos noch von Plutarch
an dieser Stelle benutzt ist. Hermipp- Plutarch geben
in einem Falle mehr (bei %r\v ze (pilaQyvQiav xtc.), geben
in einem zweiten anderes (Plut. Sol. 3), und drittens
interpretieren sie im ersten anders als Aristoteles. Für
das Verhältnis von Hermippos zu Aristoteles folgt aus
diesem Thatbestande nichts.
Sechstes Kapitel.
Das sechste Kapitel ist das erste in der Dar-
stellung der solonischen Thätigkeit. Die ihrer Be-
') Begemann, Quaestiones Soloneae. Spccim. I (Dias. Göttin-
gen 1875) p. 15 f.
2 ) S. 42 Anm. 1.
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deutung (vgl. Kap. Ojf wie der Zeit nach (vgl, Kap. 10) e. Kap.
erste That, die Befreiung des Volkes aus dem Ab-"^ 1 ^
hängigkeitsverhältnis gegenüber den Reichen, wird an
erster Stelle behandelt. Die Befreiung ist das Ziel und
das Ergebnis der Mafsregeln Solons, wie er selbst es
rühmt (yf/) ngoo&ev (öi) dovlevovoa, vvv ikev&tQa und
tovg . . . öovkhjV aeiyida i'xovrag . . . iXev&tQOtg k'&rjy.a.
Aristoteles stellt im Einklänge damit das xov dqixov
ylev&tQwae in den Eingang. Plut. Sol. 15 berichtet:
xovco yciQ fnoirjoazo tzqwiov noXitevpia yQaxpag ta ^tv
V7iaQXovxa ttuv '/qewv aveio&cti , rzQog de to Xoittov
€7il Tolg owfiaoi fÄrjöiva daveiLeiv; dies ist die natur-
gemäfse Reihenfolge der solonischen Mafsregeln: erst
Tilgung der alten Schulden und dann zur Verhütung
neuer, unabtragbarer Schulden das Verbot des auf den
Leibborgens. Aristoteles löst die natürliche Reihenfolge
auf und stellt das, was eigentlich die sociale Frage
löste, jenes Verbot, voran; die Seisachtheia erscheint
bei ihm als Annex oder notwendige Konsequenz des
Verbotes, wie sie es ja auch nur ist. Der klar und
planvoll disponierende Schriftsteller tritt schon hier
hervor, mehr noch in den kurzen Worten über die Sei-
sachtheia. — Nachdem Plutarch die Seisachtheia ebenso Aristot.
wie Aristoteles bestimmt hat, fährt er mit den bekannten A n drotio U
Worten (Kap. 15) fort: 'Einige Schriftsteller jedoch —
und zu ihnen gehört Androtion — haben berichtet,
dafs die ärmeren Klassen sich zufrieden gegeben hätten
mit einer Erleichterung, welche nicht in der völligen
Schiüdauf hebung , sondern in einer Ermäfsigung der
Zinsen bestanden habe; Seisachtheia habe diese mil-
dernde Mafsregel sowie die damit zugleich vorgenommene
Vergröfserung der Mafse und Neuwertung des ge-
münzten Geldes geheifsen.' Aristoteles bekämpft mit
keinem Worte diese Auffassung, sagt nicht einmal,
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6. Kap. dafs er sie kennt, und doch polemisiert er gegen sie.
Unmittelbar nach den Worten xgetijv a7toy.o7iug snohjoe
x<u zwv iöUüv y.al zuiv ö*?;/uoatW fügt er, damit ein
anderer Gedanke überhaupt nicht erst aufkommt, die
Worte an ag oetodx&eiav xaloioi 'und das nennt man
Schuldenauf hebung\ Damit ferner die Mafs- und
Münzreform gar nicht in einem Zusammenhange mit
der Seisachtheia erscheine, wird sie von dieser durch
die Darstellung der ganzen Verfassungsordnung ge-
trennt und erst in einem Excurse, K. 10, behandelt; end-
lich wird auch hier im Gegensatz zu Androtion, der
die Münzreform als apa yevoftivrjv im Verhältnis zur
Seisachtheia bezeichnet hatte, gesagt 7iqb de zfjg vopo-
Öeoiag noiqoag ztjv tcov xqbwv anoy.<mip> xal fteza
zavza vqv ze zibv (.uzqlov y.al ozad-(.uov xrt., d. h. es
wird nicht blofs der innere Zusammenhang, sondern
auch die äufsere zeitliche Koincidenz geleugnet. Das
ist die Polemik, wie wir sie bei einem kunstgemäfs
schreibenden Schriftsteller des 4. Jahrhunderts erwarten
müssen. Denn ein solcher ist Aristoteles in dieser
Schrift; gerade an unserer Stelle beweist er es. Die
Holländer haben cog ä7tooeioa t uaviov zb ayßog gegeben ;
schon Hesychs Ttagd zb wtooeiaaottat, za ß&Qi] twv
öaveicüv hätte sie warnen können; warnen mufste sie
aber das Sprachgefühl, welchem ßaQog prosaisch und
a%frog poetisch ist. Der Stilist Aristoteles wählte das
prosaische Wort auch um den Preis, dafs anooeiaa-
i < >i zb ßugog nicht so klar die Etymologie erkennen
liefse wie das poetische a7zooei<Jap6viov zo ax^og.
<jueüe des Dem Berichte von der Seisachtheia ist bei Aristo-
Anatot. te j eg uQ( j pi^rch Geschichte angehängt, dafs
Solon aus der Seisachtheia gehässige Nachrede ent-
standen sei. Die Verschiedenheiten in den beiden Er-
zählungen sind sehr charakteristisch. Aristoteles be-
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richtet, Solon habe, als er die Seisachtheia ins Werk e. Ka P .
zu setzen sich eben anschicken wollte, einigen von den
Adligen (%toi taiv [yva)]Qifi(ov) seine Absicht mitgeteilt;
Plutarch dagegen sagt h.oivtLaaxo twv (filcov olg pid-
Xiotcc mOTSviov y,ai XQu^evog hvyyave, zotg Ttegi Kovwva
kgcI KleivLav /.ctVl7t7i6viy.ov i ort yrjv ^ev ov fiilXet xiveiv,
XQewv di TtOUiv a7iOY.onag tyvwxev. Aristoteles berich-
tet weiter von zwei Versionen, einer demokratischen,
nach welcher die Parteigenossen Solons ohne dessen
Vorwissen die Gelegenheit sich zu bereichern ergriffen
hätten, und einer aristokratischen *), nach welcher Solon
selbst diese Gelegenheit zu unlauterem Gewinn benutzt
hätte. Bei Plutarch ist von einer zwiefachen Version
nicht die Rede: jene (pilot borgen und kaufen mit
dem Geborgten, durch ihr Vorgehen kommt Solon
selbst in Verdacht. Es liegt also hier eine Vermischung
der beiden bei Aristoteles gesondert auftretenden Ver-
sionen vor; die Entstehung der aristokratischen Version
wird durch die demokratische zu erklären versucht:
weil die qiLlot Solons es gewesen waren, geriet er
selbst in Verdacht. Aber wer waren denn jene Freunde,
die auch Aristoteles in den Worten naQaaTQaTijyr^vai
dta twv (pilwv bezeichnet? Plutarch nannte Kleinias,
Hipponikos, Konon und ihre Kreise. Allein die Freunde
des Solon können doch nur (neaoi gewesen sein : Klei-
nias, Hipponikos, Konon gehören dagegen zu den
adligsten attischen Namen des 5. und 4. Jahrhunderts,
und ihnen gebührte vielmehr der Name yvajQif^oi,
welchen Aristoteles denen erteilt, denen Solon zuerst
von der Seisachtheia spricht. Hier ist also eine
l ) Teilweise Charakterisierung der Quellen auch in der
Harmodioserzähluug (p. 19, 22): ci? (tkv ol Jij^ortxo/ tpaatv —
<if d' evtoi Kyovoiv.
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6. Kap. Schwierigkeit. Aristoteles beantwortet die Frage nach
den (filoi mit den Worten o$ev tpaai yevio&ai tovg
votbqov doxovvrag elvai TtalaionXovzovg. Zu diesen
vaiEQOv doyiovvteg gehören aber wieder ohne jeden
Zweifel die Familien, in denen die Namen Hippias,
Hipponikos, Konon traditionell waren. 80 enthielte denn
diese Version eine Verleumdung jener adligen Familien.
Nun ist diese Version nicht etwa die demokratische,
sondern die aristokratische. Also wieder eine Schwierig-
keit; aber sie hilft auch die erste lösen. Wenn die
aristokratische Version die Familien des Hippias etc.
diskreditierte, so ist sie böswillig und im Parteiinteresse
erfunden von Aristokraten, welche gegen Mitglieder
dieser Familien kämpften, indem sie die Quelle des
Ansehens der Familien als unlauter darzustellen ver-
suchten. Die aristokratische Quelle, welcher Aristoteles
folgte, ist also eine Tendenzschrift aus den aristokra-
tischen Kreisen, welche um das Ende des 5. Jahr-
hunderts in politischer Opposition gegen die Familien-
mitglieder jener Geschlechter standen. Man denkt zu-
nächst an Alkibiades als den bekämpften, dann wären
ja die Gegner und Erfinder der aristokratischen Ver-
sion in den leitenden oligarchischen Kreisen leicht ge-
funden. Der oligarchische Charakter dieser Version
ergiebt sich ferner aus der ausdrücklichen Angabe des
Aristoteles ol ßovlopevoi ßXaoyrjfielv : sie ging auch
gegen den vermeintlichen Begründer der demokratischen
Verfassung Athens. Mehr läfst sich m. E. nicht
sagen. Denn so sicher die Tendenz der Version ist,
so unsicher bleiben alle mehr individualisierenden Ver-
mutungen. Nur einen charakteristischen Zug dieser
parteiischen Darstellung der solonischen Verfassung
können wir noch, glaube ich, wiedergewinnen. Dem
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Hermippos ] ) lag, wie die Nennung des Konon, Hippo- 6. Kap.
nikos, Kleinias beweist, welche bei Aristoteles fehlt,
die oligarchische Version noch rein oder ziemlich rein
vor; aus ihr mufs der Name XQiwxonidai für die Ahn-
herrn der voteqov doKOvvreg 7talat67clov%Oi eivai
stammen (zoig f.tev cpLXovg aixov %QE(x)Y.07zidag v.a-
Xovrreg duTtleoav), denn er ist ein Schimpfname, recht
maliziös mit der gentilicischen Endung -idcu gebildet
wie Kgwctdai , Key.Q07iiöai u. s. w. Der Witz ist
beifsend, dafs die EvTcargidcu, das Geschlecht des
Hippias und Hipponikos, einst %QWA.07zida.i im Volks-
munde geheifsen hätten, und pafst in eine politische
Tendenzschrift des ausgehenden 5. Jahrhunderts. Noch
mehr Satire würde in dem Namen liegen, wenn die
Tendenzschrift sicher auf Alkibiades zu beziehen wäre,
denn dann dürfte man auch an eine Anspielung auf
^Egnoxonidcu denken; doch ist das zu unsicher. Dafs
übrigens in den politischen Kämpfen des ausgehenden
5. Jahrhunderts auf die solonische Zeit zurückgegriffen
wurde, beweist des Aristoteles Zeugnis in der Rhe-
torik (1375 b 31), wonach Kleophon die aotlyeia im
Hause des Kritias mit Hinweis auf den solonischen
Vers eItveiv (hol KQiriqc 7ivqq6tqi%i TrcaQog olaovuv
(Frg. 16) als erblich zu erweisen suchte.
Fassen wir zusammen, was die Analyse des 6. Ka- Aristot.
pitels bisher ergeben hat. Aristoteles kennt und be- H erijppoa.
kämpft den Androtion, des weiteren verarbeitet er eine
oligarchische Darstellung der solonischen Verfassung
neben einer demokratischen. Hermippos kennt eben-
falls Androtion, und bekämpft ihn, wie es scheint,
gleichfalls ; wenigstens liegt kein Grund vor, die Worte
Plutarchs oi di Ttleloioi izdvriov Oftov (paal twv av/i-
J ) Begemann a. a. O. p. 16 f.
Keil, Aristoteles.
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6. Kap. ßoXcciwv avaigeon yevto&ai t/jv oeioax&eiav nicht auch
auf Hermippos zurückzufuhren. Hermippos kennt die
oligarchische und die demokratische Version des Ver-
haltens des Solon bei der Seisachtheia, denn er arbeitet,
wie gezeigt, beide ineinander. Ist nun Hermippos
abhängig von Aristoteles? nein. Sein Bericht über die
Seisachtheia nach Androtion ist, wie sich zeigen wird,
richtiger als der des Aristoteles, seine Angaben über
jene beiden Versionen enthalten nicht weniger, sondern
mehr als die des Aristoteles; in keinem von beiden
Fällen kann er also aus Aristoteles geschöpft haben.
Die Berichte beider Schriftsteller sind aber einander
doch sehr ähnlich. Haben also beide etwa dieselbe
Quelle oder dieselben Quellen benutzt? Dafs Aristoteles
den Androtion selbst zur Hand hatte, folgt nicht blofs
aus dieser Stelle der 110X. Id&rjv. und ist allgemein
anerkannt ; dafs für Hermippos das Gleiche gilt, liegt kein
Grund vor zu bezweifeln. Dafs aber Hermippos die
aristokratiseh-oligarchische Tendenzschrift noch selbst
einsah, ist so unwahrscheinlich, dafs man vielmehr ge-
neigt sein wird, ihn sich als aus einer Atthis schöpfend
zu denken, in welcher die beiden Versionen schon zu-
sammengetragen waren. Der Verfasser dieser Atthis,
der, weil er mehr gab als unsere noX. l4^r t v. y hier nicht
aus Aristoteles geschöpft haben kann, mufs dann in
ganz ähnlicher Weise wie Aristoteles gearbeitet haben.
Mir erscheint diese Ähnlichkeit so grofs, dafs ich nicht
umhin kann, wenigstens die Frage aufzuwerfen, ob
nicht Aristoteles schon dieselbe Atthis wie Hermippos
benutzte, d. h. selbst also aus zweiter Hand seine
Nachrichten hat.
»o*.V*frjp. Bei der Annahme, dafs Aristoteles hier nicht
unfertig, gelbständig zwei Quellen verarbeitet, sondern einer
einzigen folgt, erklärt sich mir auch ein stilistischer
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Mangel , den der betreffende Passus enthält. Man 6. Kap.
lese die Worte &v oig TreiQwvrai Tiveg diaßa).?.eiv
avrov avvtßij yag T(f) SoXtavt ueXkovn tzomIv ttjv asi-
<ja%d-eiap ngounelv tioi tiov yvüjgifjiov, tnei& tag fiiv
oi dquoTtxoi Xeyovai , 7iagaoigaTrjyt]&rjvai dia tiov
yiXiov, tog d 01 ßovX6f.tevoi ßXaoq?i i f.iEiv, xttt avzbv y.oi-
vioveiv : sind hierin die Worte nagaOTgazr^yt^fjmi und
y.oivioreiv etwa verständlich? Doch nur, wenn man vor-
her weifs, was bei Aristoteles nachhinkt öaveioa/.tevoi
yag oirtoi vctL Ich erkläre mir diesen Mangel ebenso
wie das Fehlen des Subjekts in Kapitel 20 (p. 22, 7) —
infolgedessen der betreffende Satz so unverständlich
wird, dafsK-W. jetzt das Fehlende ausHerodot in den
Text eingefügt haben — , ebenso auch die lückenhafte und
springende Darstellung vom Sturze des Areopag durch
Themistokles und Ephialtes (Kap. 25) : Aristoteles kürzte
seine Quelle; bei der Kürzerarbeit sind ihm solche
Versehen untergelaufen, die er bei einer Endredaktion
4es Buches zum Zwecke der Veröffentlichung beseitigt
haben würde. Ein Stück, wie das 22. Kapitel über
die Zeit zwischen Kleisthenes und Salamis, ist kaum
über das Stadium einer ziemlich primitiven Material-
sammlung hinausgediehen. So gering ist, was Aristo-
teles hier erst an Arbeit auf das ihm in den Atthiden
überlieferte Material verwendet hat, dafs in seinem
Buche noch die trockene, unkünstlerische, registrierende
Darstellungsweise dieser seiner Quellen greifbar vor
Augen liegt. Nissen (Rh. Mus. 1892, 202, 1) hat in
der verworrenen Chronologie der Peisistratidenzeit
einen Beweis für die Schnelligkeit gesehen, mit der
das Buch gearbeitet ist: Aristoteles habe die sich
widersprechenden Daten der von ihm benutzten Atthis
und des Herodot nicht miteinander ausgeglichen. Ich
kann mir diese Auffassung im ganzen aneignen; nur
4*
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«. K*p. trifft für mich der darin liegende Vorwurf nicht ein
fertige« Buch, sondern eine noch nicht zur Veröffent-
lichung bestimmte Bearbeitung, und für sie wird er
hinfällig. Eine letzte Feilung würde die Widersprüche
zweifelsohne beseitigt haben. Eine die Unfertigkeit
des Buches bezeugende Ungleichmäfsigkeit hat man
auch in der Nennung des Archestratos als Genossen
des Ephialtes beim Sturze des Areopags (p. 38, 27)
zu sehen; in der eigentlichen Darstellung dieses
Vorganges, Kap. 25, ist er nicht erwähnt. Un-
vorbereitet durch die vorhergehende Darstellung ist
auch die Nennung der Eetioneia p. 40, 17 sowie
manche andere geringfügigere Bemerkung. Eine
Endredaktion hätte diese Mängel nicht stehen lassen
können. Man betrachte ferner in Kap. 59 die von
K-W. athetierten Sätze xcrt InivXr^ovGi — tu 6r )t u6aiu
und Tovg öi drtaoTug — l'/.uOTog, welche durch Kap. 63
Uberflüssig werden, in diesem Zusammenhange, und
man wird geneigt sein, sie für echt zu halten. Bei
einer letzten Überarbeitung hätten die anstöfsigen
Wiederholungen bemerkt und beseitigt werden müssen.
Auch die Bemerkung über die Epicheirotonie der
Strategen in Kap. 61 liest man nach dem 43. Kapitel
nicht ohne Befremden. Die Worte in dem Abschnitte
über die Vierzigmänner nQog ovg Tug ukkug Ölung luy-
Xuvovoiv (p. 57, 10) sind an dieser Stelle irreführend^
ja falsch ; denn vorher sind nur die k'f.if47]voi dixui der
Eisagogeis und Apodekten genannt, während die ganzen
Privatprozesse, welche vor das Forum der Archonten
gehören, erst folgen. Eine letzte Durcharbeitung würde
mit einem nkeiotug oder oxedbv rcuoug statt aX'Kug
oder wie sonst den Anstofs beseitigt haben.
Bleibt jener stilistische Mangel, dessen Erklärung
die vorstehenden Erörterungen veranlafste, auch an sich
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- 53 —
bestehen, so übersieht man ihn doch gern, wenn man die i. Kap.
folgende Widerlegung der oligarchischen Version liest und
mit Hermippos vergleicht. Dieser operiert mit einer
elenden Fabelei 1 ), Aristoteles widerlegt den Klatsch
durch den Hinweis auf das ganze Thun und Wesen des
Solon ; so hoch steht der Meister über dem Nachfahren.
Die Widerlegung endigt mit p. 6, 4 TtazagguTtaiveiv
eavzov, woran Kap. 7 mit den Worten zavzrjv ftev ovv xq*]
vof^iteiv Wevörj zi)v alziav eivai sich unmittelbar an-
schliefst. Die dazwischen stehenden Worte ozi de zav-
zr^v taye zr { v eBovaiav — 7zdvzeg, würde ein Neuerer
in eine Anmerkung, welche die Belege für das im
Texte Behauptete enthält, setzen. Die Belege sind
dieselben wie c. 5 p. 5, 1 : Ix ze zwv älXcov bfiohoyei-
zai zct tc Tigay^taza vooovvza (vgl. p. 13, 9 dieze-
Xovv voaovvzeg za 7cgög eavzovg) (.uxQzvQei . . . zo —
xai oi aXkoi ovvopoloyovoi ndvzeg ; p. 5, 2 xcu aizbg h
zo7göe zeig 7ioir^xaoi ^laqzvqü ^ xat h zoig 7toir r
paoiv ctvzög Ttollayov f^i^vrjzai , nur dafs hier die
Verse selbst nicht folgen. Es wird sich später zeigen,
weshalb Aristoteles hier nicht citierte.
Siebentes Kapitel.
Das siebente, achte und neunte Kapitel enthalten
xlie Darstellung der solonischen Verfassung. Die Dis-
position — Einführung der Verfassung und Verteilung
des Bürgerrechtes (7), Ämterordnung (8), Volksgerichte
*) Plut. Sol. 15 a. E. ällä tovto ute tu&vs ilv&r] ro ey-
xkrjua ToTg n(vit raXcivroig Toaavxa yag svgt&r] SavtCfav, xat
t«öt« 7iq£tos utftjxe xaxtt tov vouov. "Evioi nevrexaiffexa
Ifyovoiv xx L vgl. Diog. La. I. 45 und Begemann p. 17.
Or THi
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7. Kap. (9) — ist klar und bedarf keiner Erörterung. Die Ein-
gangsworte iiokvzuav xazioTijoe xcu vo/uovg ed-rf/.ev
aXXovg werden bedeutsamer durch Heranziehung von
Polit. 1273 b 32 ot [asv eyivovxo dt^tovQyoi v6f4(ov y
oft de xat nofazeiag, olov xat uivxotQyog xat SoXwV
ovzoi yag xat vofiovg xai noXizüag naziaz^aav. —
Zu aXlovg bringt der Zusatz zolg öi Jqäy.ovzog $e-
OfiOtg enavaavzo xßwacj'oi 7ili)v xiov <povixwv die wich-
tige Erläuterung, dafs die drakonischen Gesetze annulliert
wurden. Dabei ist der stilistische Ausdruck benierkens-
»toloi wert * Colons Gesetze heifsen vc^oi, die älteren dra-
konischen 9eonoi ; aber Aristoteles gebraucht so auch
von den solonischen Gesetzen deofiioi, wo ihnen jüngere
Gesetze gegenübergestellt werden. Kap. 35: zovg z*
*E(pidXzov xcrt L4Q%e<JZQazov *) v6f.tovg tovg ttcqI züjv ^geo-
nctyiziZv /.a&eiXov i§ L4qeiov ndyov xat twv 2?6liovog
\teof.iu>v oaoi dia^iaßr^rfieig eixov. Das relative Alter
bestimmt den Ausdruck; im übrigen ist dieser nicht fest:
p. 3, 18 ^eofioi beim Drakon, bei demselben p. 4, 11
ro'^ot; v6(xog nennt Aristoteles p. 17, 24 das zur
Peisistratidenzeit geltende Gesetz über die Tyrannis,
das Gesetz selbst beginnt ^taixia zdöe Idffapw/m* . Für
die m. E. noch nicht abgeschlossene Kritik des Wort-
lautes dieses Gesetzes dürfte vielleicht der Wortlaut
Sollte dieser Archestratos, der dem Areopag die Gerichts-
barkeit mit Ephialtes zusammen entreifst und dem Volke giebt,
nicht derselbe sein wie der, welcher im chalkidischen Psephisma
das Schlufsamendemeut gestellt hat? Es heifst in diesem, CIA.
IV 1 p. 12 n. 27 a, 70 ff. l4Qx^9 aT °[i\ ra nh ÜU*
xtt&dneo fälvrixlrje • rag ev&uv«s Xakxtihv[o]i xut\« <r</wr
avrtuV (hat, tv Xalxidt xa9nniQ 'A&\rivr)Oiv l Ad^va(ots , nXr]v
(fvyrjs xal 9aväx\ov x al «rt/i/nj. k€qI <T£ rovttav itpeotv
tiva\ild&rjva£e ig ttjv fßtttictv rtSv & to u o&\tr tov xura xb
xpWtOfttt rov ärjjLtov. Die Tendenz dieses Antrages stimmt zu
der Politik des Bundesgenossen des Ephialtes.
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- 55 -
des Eisangeliegesetzes bei Hyper. Euxen. col. XXII. 7. k« p .
XXIII (p. 36. 37 Bl. 2 ) heranzuziehen sein.
Die Worte avaygdipavteg de zovg vopovg — bfxvvovav ^ u t ud g ^
haben bei Plut. Sol. 25 die Parallele. Den Schwur der
Archonten wiederholt Aristoteles Kap. 55 a. E. selbst
noch einmal. Ich stelle die drei Fassungen desselben
nebeneinander :
Aristot. c. 7 :
c s» » » a
01 0 evvea ag-
Xovzeg ofxvvvreg
7TQOQ Zip U9({)
xcnecpatiLov dva-
&yoeiv dvögidv-
za xQvoov*, *<*v
ziva nagaßwai
Ttowofitov' o&ev
XCU VVV OL'TWQ
6/.tvvovoi.
Plut. Sol. 25.
(wfiwev) Vnaazog
zdv &eopo&ezwv
ev dyogij 7igbg zip
Xifhp nazaqjazi-
tcovy ei ti naga-
ßairj Ttovd'eOfAWP,
dvSgidvza %Q V ~
aovv iao/nezgrjzov
dva9yoeiv evJel-
(poig.
Aristot. c. 55:
ßaSitovoi ngbg
zbv li&ov ixp y £
tu zoui Igt iv,
•» > z > «
eq> ov xcct 01
Statzrjzai 6f.w-
oaiteg dnoipai-
vovzai tag Siai-
zag xat 01 pag-
zvgeg e^of.ii'vvzai
zag fiagrvgiag.
avaßdvzeg S' erci
zovzov dfxvvovaiv
Sinai tag agj-eiv
xai /.aza zovg
vOfiOVQ, xai Sioga
ui) Xfy>eo&ai zijg
agxqg Vvfrw, xäv
zi Xdßcooi, ItvSgi-
dvza ava&rjoeiv
xgvaovv.
Die Fassung im 7. Kapitel ist die kürzeste; die
Worte ngbg zip M&q> sind so, wie sie dort ohne Er-
klärung stehen, unverständlich. Man sage nicht, dals
Aristoteles mit b$ev ezi *ai vlv nze. eben als auf etwas
Bekanntes hinweist; er schliefst diese Entschuldigung
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— 56 -
j. Kap. selbst durch seine lange nähere Bestimmung jenes Steines
?iut n< Li. m Kap. 55 aus. Auch Plutarch hat die Erklärung iv
25. ayogq für nötig befunden. Dafs hier eine durch Kürzer-
arbeit entstandene Undeutlichkeit vorliegt, schliefse ich
in Konsequenz zu dem S. 51 über Kap. 25 Bemerkten :
eine Kürzung hat hier, wie der Vergleich mit der Schwur-
formel in Kap. 55 und bei Plutarch ergiebt, statt-
gefunden. Aber diese Kürzung ist nicht an der zweiten
aristotelischen Fassung der Worte erfolgt," sondern, wie
der Wortlaut lehrt, an der Fassung bei Plutarch:
xazeqxxviLov *cactq)(XT;iZu)v\ edv xiva nagaßwai xujv
v6\Aiav ^ et tl 7cagaßait] zoiv d-eo/uiov. Nun ist es aus-
geschlossen, dafs Plutarch hier allein aus Aristoteles
schöpfte, weil er mehr hat. Was er mehr hat, ist gut :
Plat. Phaedr. 235 d luOTteg oi hvia ägxovreg, vmoyyov-
f.iai elxovcc laof.ieTQ7]TOv elg Jelyovg avadtjasiv; er
könnte also nur eine andere gute , zu Aristoteles
stimmende Quelle mit Aristoteles verquickt haben.
Aber die vorhergehenden Worte wivbv f^iv olv oj^vvev
oqaov r t ßovty zoig Solcovog voi.iovg iputBSwoatv, l'dtov
S' txaorog twv foonofrercov zeigen, dafs Plutarch
hier einer Quelle folgt, die mit Aristoteles in sach-
lichem Widerspruch steht: lupooctv xeyoeottai navTeg,
nicht blofs die B u 1 e ; weiter vindiciert der nicht zu
häufige Gebrauch von ^eafio^erat statt agxovveg, das
officielle e[*7tedüJO£iv (z. B. im Schwur des athenischen
Rates und der Richter des chalkidischen Psephisma
CIA. IV 1 p. 10 Z. 14 Tctvta dt. e^7C£Ö(üatü XaX-
•/.tötvaiv), das alte Y.axaqjaxiZuv und zwv tteofutüv (für
tüjv vofAiüv bei Aristoteles), der ganzen Stelle einen so
einheitlichen Charakter, dafs man den Gedanken an
eine Kompilation für ausgeschlossen erachten mufs.
Wenn die Stelle keine Kompilation ist, andererseits
aber von Aristoteles abweicht, so ist sie nicht aus dem
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letzteren abzuleiten. Dafs Plutarch hier mit fremdem i. Kap.
Kalbe pflügt, bedarf keines Beweises. Die Schlufs- ^JJ"^,
folgerungen gelten also für seine Quelle. Da nun die 25.
Quelle Pliitarchs hier den Aristoteles nicht benutzt
hat, ihr Wortlaut aber mit dem des letzteren so über-
einstimmt, dafs eine Verwandtschaft bestehen mufs, so
folgt, dafs Aristoteles hier von derselben Uberlieferung
abhängig ist, aus welcher auch die Quelle Plutarchs
schöpfte. Mit der Annahme, dafs Aristoteles hier einer
schriftlichen Quelle, deren Wortlaut er kürzte, gefolgt
ist, erklärt sich auch die nicht zu übersehende Differenz,
welche in der Wiedergabe des Archontcneides zwischen
Kap. 7 und 55 besteht. Bei der ersten Niederschrift des
Buches hielt Aristoteles sich zunächst an seine jedes-
malige Quelle ; wäre er über den ersten Entwurf hinaus-
gekommen, würde vermutlich sowohl die an sich be-
fremdliche Wiederholung des Schwures in dem kurzen
Büchlein wie auch die Differenz zwischen den beiden
Stellen verschwunden sein. Nach diesem Ergebnis wird
man nicht anstehen, auch die weiteren zwei Angaben,
welche bei Plutarch und Aristoteles sich decken xorrext-
Qcooev de tovq v6(.tovg elg r/.azbv ezr t ^ Plut. 25 ioyvv öe
tölg vofioig Ttäoiv elg ev.azbv eviavzoig tdume, und zoig
de jQay.owog ^ea/nolg v.ze. ^ Plut. 17 zoig JgävLOvzog
vofAovg avetle nXtp ziZv q>ovtv.(uv oijcanag auf dieselbe
gemeinsame Uberlieferung zurückzuführen.
Ich habe die Untersuchung ohne Rücksicht darauf
geführt, dafs Plutarch (25) unmittelbar vor dem Satz
über den Beamtenschwur für die Benennung der Ge-
setzestafeln als y.vgßeig unsere Aristotelesstelle citiert:
xeri Y.azeyQdyqoav eig gvXivovg aSovag ev nlaioioig
TzeQtexovoi ozQecpofttvoig , wv tzt Y.aü 3 r^ag ev ügiza-
veiqt leiipava fuxga dieowlezo' v.ai TTQOorflOQev&roav,
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I
- 58 -
7. Kap. wg IdQiOTorihfi (pfjüi y xvQßeig 1 ). xtxt Kgazivog 6 MOf.u-
xtiefiug- i) Die antike und moderne Litteratur über die xvttßai
ä$ovts un< j Z£ 0V(S ] m t Busolt Griech. Gesch. I. 539, 1 zusammengestellt.
Es ist festzuhalten, dafs die solonischen Gesetzestafeln in der
älteren Litteratur des 5. und 4. Jahrh. allein xvgßfig heifsen :
Kratin. Frg. 274 (I. 94 K.). Aristoph. Nub. 448. Av. 13.54. Lysias
XXX 17. 18. 20. Plat. Politikos 298 d. Aristotel. nok. *A&r}v. 7
und selbst noch beim Verfasser negi xoa t uov 400 b 28 vo/uog piv
yag laoxhvrjs c &ei>s ovdeplav tniäf^ofAivog (hogftiootv rj ueru-
9eaiv, XQt(rT(ov dt, olpai, xal ßißatoTegog rwr tv rtttg xi'o-
ßeaiv «vnyey(>a t u/u£va)v, archaisierend, wie nach Lysias twv tv
raig xvgßeoi ytyQttfjuivari'. Das Wort war in der Alexandriner-
zeit Glosse; deshalb gebrauchen es Apoll. Khod. IV 2*0 und
andere Spätere. Die alexandrinischcn Grammatiker haben schon
nichts mehr damit anzufangen gewufst. Wie aus dem
Kratinosfragment folgen soll, dafs die xvgßtig aus Holz waren,
ist mir unverständlich. Apollodors Erklärung (FHG. I 432 frg.
26, Suidas s. v.) dag ano rijg oraoftug ffrylag xttXetofrai, utto tii
rys tk vtyog naparaastag, öi« rb xtxoQv<f(oo9ai, xvgßdg' uantg
xai xvgßna(av Trjv tni rijg xfqalijg T(&tifjitvT)v beruht augen-
scheinlich auf spitzfindiger Erklärung von Stellen wie Lys.
XXX 17 t«? Svatag jus tx tw' xvgßttov xal rtüv OTijltov und
Plat. Politikos 298 d ygüxpavTttg tv xvgßtal rtai xal aryltttg , wo
xvgßeig auf die solonischen Gesetze, arrjkai auf andere Stein-
urkunden geht. Kvgßetg ist der ältere volkstümliche Nam e,
das officiclle, jüngere Wort ist (ifynv; deshalb ist dieses in
dem Gesetze CIA. I 61 gebraucht. Wir wissen jetzt durch
Kumanudis, wie die xvgßttg aussahen : '2fy. ap^atoA. 1885, 282;
der vorsichtige Kirchhoff hat ihm beigestimmt (CIA. IV 2
p. 125 n. 559). Die xvgßfig waren steinerne ag~ovtg. Die Worte
verhalten sich ähnlich zu einander wie dta/uog und vöuog. Das
Wort bedeutet etwas Drehbares. Hesych. xvgßidatov nnoaxig-
Ttuv (vgl. x v Qß l( * nttt ' ^xigrür) und Kvnßavrsg' Kogvßnvrtg, wel-
ches auch in dieser Form in dem bekannten Vertrag zwischen
Hierapytna und seinen Kleruchen vorkommt (CIG. II 2555,
14 = Cauer Delectu** 116); vgl. Schmidt zu Hesych. itno-
Xoigt'tintv (I p. 238). Zu Grunde liegt hier die Vorstellung der
wirbelnden Tanzdrehung. Kogvßavreg mit Metathesis und
Vokalentfaltuug gebildet. Dieselbe Wurzel im lat. cur-vus?
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-Aog Sigrid nov (frg. 274 K.) . . . l'vioi dl cpaaiv idiiog tv 7. Kap.
olg ieqcc ytai Svoiai 7ttQityoviai xLQßeig, ix^ovag de ^uum
tovg aXXovg covofiaod^ai ; denn das ist klar, dafs Plutarch 25.
hier eine Einlage macht : erstens aus persönlichem Wissen
und zweitens, wie längst erkannt ist, aus Didymos;
das Aristotelescitat stammt aus dem letzteren, nicht
etwa von Plutarch selbst.
Man hat aber auch noch die eben schon be-
sprochenen Worte ia%vv dt zoig vtpoig — i'dioy.e und
Kvpßtg gehört zu den alten attischen Worten, welche in der
durch die Litteratur nivellierten Sprache des 5. Jahrh. ver-
loren gingen. Als technischer Name und in Verbindung mit
den solonischen Gesetzen hat das Wort sich länger gehalten
als andere. Wie grofs der Unterschied zwischen der Sprache
des 6. Jahrh. und der des fünften war, können wir nicht be-
urteilen, allein, dafs er ein sehr grofser war, lehrt aufser
Aischylos' Sprache, welche noch im 6. Jahrh. wurzelt, Lysias'
10. Rede mit noäoxuxxt}, unClUtv, tignaxaCftv und was sonst an
authentischen Resten solonischer Gesetze existiert, endlich jetzt
urkundlich die Hekatompedosinschrift (CIA. IV 3 p. 138) mit
leQovQyovvrte, CdxoQog, ov9os, invevtaftai, dessen Bedeutung nicht
feststeht, und 9o)or, dem neuen Verb, zu welchem ein auf
älterer Vorlage bearbeitetes Gesetz, CIA. I 57 die Parallele
in dem dichterischen Umur {nißtlkkav neben tov tfifuoe rov
li&t)va(ü)v nXij&vovroi liefert, während die spätere Sprache den
Stamm nur in «#<poc festhielt. Hierher auch dc/ourirtn statt
rorut\v(n CIA. I 1, änona$ I 286. 288, oi/tf* Üntt ovtii tnyuj
IV 1, 27 a und tnimpaio, tnto(fMivtf (CIA. II 948 f., wozu
Koehler), welche, wie viele derartige Wörter, die Zähigkeit
religiöser Uberlieferung in jüngere und jüngste Zeit mit hin-
ü bernahm. xuoßfig gehört mit diesen Wörtern in dieselbe Sprach-
epoche; am Ende des 5. Jahrh. ist es in Athen schon obsolet.
Auf Amorgos hat es sich länger im Gebrauche gehalten : 'E*f .
ag/atoL 1862, 77 (= Recueil des inscr. jui id. gr. p. 116 n. 64)
oQoq xtoQttov . . . xai rßp tmx ugßftav htxvQQiv vnuxuu(von>\
das bisher übersehene Adj. bedeutet hier «auf einer Urkunde
verzeichnet 1 , so dafs xvQßtg auf Amorgos die spätere, weitere
Bedeutung gehabt zu haben scheint.
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7. Kap. vor allem voivbv fiiv olv oj/.ivvev oqxov fj ßovkrj — £v
PiuTsoi ^elcpolg für Didymos in Anspruch genommen und für
25. Didymos Aristoteles als Quelle in Ansatz gebracht. Dafs
Didymos' Bericht dem des Aristoteles folgen würde,
versteht sich. Da aber , wie wir jetzt sehen können,
diese dem Didymos vindizierten Worte in sachlichem
Widerspruche (ßovXr^ : nawe$) zu Aristoteles stehen,
und da überdies die Benutzung des letzteren durch den
Grammatiker nur unter der Annahme denkbar ist, dafs
Didymos die Worte des Aristoteles in einer Weise aus
anderen Quellen erweitert hätte, welche jede Spur der
Kompilation verwischte (s. o. S- 56), so kann keine Rede
mehr davon sein, dafs Didymos dem Aristoteles hier
folgte. Mufs man aber Aristoteles als Quelle für diese
Stelle fallen lassen, so fällt damit das Band, welches sie
an die sicher didymeischen Worte knüpfte. Da der
Satz y.oivbv piev olv ä/twsp y.ie. zu Aristoteles' Worten
genau in demselben Verhältnis steht, wie sonst sich
sicher hermippeisches Gut zur nol. 'A&rp. verhält, so
wird man auch hier Hermippos als Quelle Plutarchs
ansetzen. Der erste Satz y lo%vv fiiv olv — Ifance steht
bei Aristoteles mit dem Schwur zusammen; man wird
also auch ihn dem Parallelberichte des Hermippos vin-
dizieren. Übrigens scheinen Plutarchs Worte selbst
anzudeuten, dafs der Schriftsteller mit Koivbv jufv olv
zu einer neuen Quelle überging. Denn mit (xh olv
wird gegen das Vorhergehende abgeschlossen und die
Verbindung zum Folgenden ovvtdwv de hergestellt; das
Folgende ist aber sicher nicht aus Didymos.
p. 6, 18 Der Eingang der eigentlichen Darstellung der Ver-
fassung ist verstümmelt. K-W. , welche die Lücke
erkannten, beziehen die Hesychglosse ix, Tif.irifxavuiv
hierher und bemerken c velut (ro nav 7ilf]&og c>c) xtju^-
fiax(ov\ Ich möchte die Glosse, wenn sie wirklich, was
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mir nicht sicher scheint, auch mit ihrem Lemma auf 7. Kap.
unser Buch geht, lieber auf p. 7, 22 ex %W ziftijudziov p 6 " 1S
beziehen und erwarte mit Wahrung des überlieferten
ziur^aza zunächst etwa {y.azd}zifir t fiaza. Es mm
am nächsten, die Parallelstelle bei der Kleisthenischen
Verfassung heranzuziehen p. 22, 28 nqCozov pev ovv
{awevei/^e} ndvzag eig dexa qpvldg, aber sie pafst aus
zwei Gründen nicht. Die folgenden Singularia 7cevza-
Äoaiofiiöifivov bis &f(ca vertragen sich mit dem vor-
geschlagenen nav TtXrftog, aber schlecht mit ndvzeg. Fer-
ner ist das 7tQ&iov fiiv ovv für unsere Stelle nicht zu ge-
brauchen, denn es folgt kein enetza wie p. 23, 3. Die
Parallelstellen zu zovöe zbv zqonov und ähnliche sind
heranzuziehen: p. 1, 19 rp ö' i zd§ig . . . zoidöe. zag
fitv doyag-, 3, 19 ^ öi zeitig . . zovöe zbv zqonov eiye.
dneöeöozo juev ^ nokizeia\ p. 33, 13 öiexa^av zovöe
zbv zqonov ' zd /uev ygr^aza ; p. 45 , 24 l'yei . . . zovöe
zbv zqonov. ftezeyovaiv fiev zr^g 7ioXizeiag\ in allen
diesen Fällen entspricht dem fiev ein de; wo dieses
fehlt, wie an der Stelle p. 40, 12 öiaq?Üetqai zovöe
zov tqonov vofAOvg eiorpeyxav, fehlt auch das piev. An
unserer Stelle steht das de im Anfang des 8. Kapitels :
zag dqydg htoirpe. Aber ein (zb pev nav nlfftog
v.aza) zi/nr^iaza genügt weder im Ausdrucke noch dem
Gedanken nach. Es fehlt die Hauptsache in dem über-
lieferten Texte, dafs nämlich die nolizeia nicht nur
die bnla naqeyofievoi hatten. Es mufste erst gesagt
worden sein, dafs Solon allen Athenern das Bürger-
recht gab, und dann konnte konsequenterweise erst
von der Art gesprochen werden, wie dieses Bürgerrecht
nach den ziur^aza abgestuft war. Hierfür den even-
tuellen aristotelischen Ausdruck zu finden, ermöglicht
Kap. 29 zip öi* aXhrp noXizeiav enizgeipai naoav!A&i r
vatotg zolg övvazwzdzoig xze. Vielleicht darf man also,
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- 62 —
7. Kap. falls nicht nocli mehr ausgefallen ist, vermuten : {jtäoiv
abxuiv xcrra) xi^r^axa SieV^> eig xiixaqa teXtj. Der
von mehreren geforderte Artikel vor tifjyfiata ist durch
das folgende /.a&aneQ dif^to unnötig gemacht.
Mit prägnantem *) sprachlichem Ausdrucke wird die
Organisation des Bürgertums gegeben, wohei wir eine
') p. 6, 20 uTtfrtifitVy 2A d 7i o <f*<fot'f bei den Klassen,
denen für ihre Leistungen die betreffenden Rechte gebühren,
25 nti(iSü)xsr bei den Theten, die beim Mangel einer Gcgen-
p. 6, 20 leistung eigentlich kein Recht auf Recht haben. — In diesem
Satze läfst der oben gegebene Text eine Lücke p. 6, 20:
u fg. [Blafs hat fit .... ug gelesen und /ut[ytar]ag
ergänzt, zugleich aber dieses Wort als unpassend getilgt mit
der Bemerkung aut usyiarag (quod legi poase concedit K.) de-
Icndum, aut in sequentibus complura delenda. Au und für sich
wird man eine Ergänzung ablehnen müssen, welche sich so
wenig mit dem überlieferten Texte verträgt, dafs ihr Urheber
sie sogleich einklammei-n mufs. Ich kann aber auch nicht zu-
geben, dafs der Buchstabe vor dem Schlufs-rt ein « ist, und
halte am * fest] Nach dem p glaube ich in der Lücke ein t
zu sehen, darauf zwei Vertikalhasten, die oben verbunden sind,
also auf r*, n, yi, iy oder n führen. Das letztere erschien
mir beim Lesen das wahrscheinlichste. Darnach hatte ich
i/f/r . . (g. Das /u mufs als u' — uir gelesen werden, wie der
Gegensatz mit Z. 24 lehrt. Indem mir der Gegensatz, in
welchen dadurch die eigentlichen Ämter zu den ttixuarni und
txy.lr\am<jT(t( treten, bedeutsam erschien, fiel mir die Stelle Polit.
1275a ein: räiv 6* «^tüv «* piv etat Jiynriutvat xara xQ^ov,
war' iviag piv oltog dlg tov avrov oix tfrartv «p/fw, r) tfta
Ttvoir (üQiap(vmv xqovow o <f* acptorog, olov o 6tx(tarr)g xa\
ly.7.lr\<iut<sxT\<;\ vgl. b 14. Mit Rückblick hierauf suchte ich den
Ausdruck für einen ^poio^ tiffttautrog in den Resten tn . . tg.
Ich fand kein überliefertes Wort, aber fragen möchte ich, ob
nicht in '[h]£g gestanden haben könnte. Sollte man das nicht
ebensogut wie tnl tSitrfg und tni TQftrtg gesagt haben? Und
wenn man dem die Komposition entgegenhält, so halte ich
Trjrts (a^ng) dazu.
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Anzahl der damals in Athen existierenden Ämter Kap.
kennen lernen. Dafs die genannten fünf Beamten-
klassen, Archonten, Tamiai, Poleten, die Elfmänner
und Kolakreten, die einzigen damals dort existierenden
Beamten waren, sagt Aristoteles nicht, sondern hat nur
Reinach 1 ) behauptet; das Richtige hätte ihn Aristo-
teles' Polit. 1321b 1— 1322 a 30 incl. Ichren können.
Von der damaligen Amtsbefugnis derselben hat Ari-
stoteles vermutlich selbst nichts gewufst. Dafs sie
existierten, ist nicht zu bezweifeln. Für die xa^iat xauiai
haben wir jetzt das direkte Zeugnis aus der ersten
Hälfte des 6. Jahrh. CIA. IV 3 p. 199 n. 373 288 (!).
Wie viel ihrer waren, steht nicht fest; die Zehnzahl
kann erst seit Kleisthenes bestehen, die Inschrift hat
auch nicht Raum für soviel Namen. Übrigens, dafs
Aristoteles sie einfach zapiai nennt, braucht nicht eine
Folge laxen Ausdrucks zu sein; denn das Distinktiv
zijg Id&rpaq wird erst nötig, seit die Centralisation der
Schätze der übrigen Götter erfolgte. Damals mufs
überhaupt eine Umwandlung des Amtes vor sich ge-
gangen sein. Aus der Hekatompedosinschrift (CIA.
IV 3 p. 138) folgt, dafs sie vor 480 nicht so sehr Kassen-
beamte waren wie Verwaltungsbehörde, als welche sie
die Polizeiaufsicht auf der Burg hatten, und in dieser
Eigenschaft Polizeistrafen bis zu 3 Obolen verhängen
konnten. Als sie wesentlich Kassenbearate der be-
deutendsten Kasse des Landes wurden, mufsten sie für
diese Mehrbelastung nach anderer Seite hin Erleichte-
rung erfahren; man befreite sie, wenn auch nur teil-
weise, von ihrer Polizeipflicht: aus CIA. IV 3 p. 140
n. 26 a, welche Urkunde bald nach 447 fällt, erfahren wir,
dafs ein Wachtlokal für eine Polizeiwache von 3 Toxo-
') Revue des etud. Grecques 1891 p. 145, 2.
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- 64 -
7. Kap ten ') auf der Burg erbaut wurde ; den Abschlufs der
Wandlung des Amtes indiziert das erste Jahr der Publi-
kation der Übergabeurkunden, 434 3.
Der Bericht über die Normierung der verschie-
denen Schatzungsklassen bietet nichts Neues, teils hat
Pollux VIII 130 dasselbe, wenn auch aus anderer
Quelle und mit Fremdartigem fortlaufend durchsetzt 2 ),
') Hermes 1891, 51 ff.
Pollux und 2) x ur von e j n( . r s te n 0 fl ee historischen Teiles der noX.
* oX ' A9r ' v, j4&r}P. läfst sich vielleicht annehmen, dafs Pollux sie benutzt hat:
p. 7, 28 — 8,9 — Pollux VIII 108 vavxouof« — avalMfiara ; alle
anderen Ähnlichkeiten, wie z. J3. Pollux a. a. O. JrjfxttQ/oi — vav-
xquqüu ^> p. 28, 17 ff. können nicht als sicher gelten. Sämtliche
sonstigen Tcstimonia aus Pollux gehören dem systematischen
Teile an. Das hat zunächst seinen naturlichen Grund in der
Materie. Aber ganz reicht sie zur Erklärung dieser Erscheinung
nicht aus, denn es steht in dem ersten Teil doch manches, was
Pollux auch sonst berührt. Woher seine Zurücksetzung? Pollux
mufste für seine Art der Schriftstellerei natürlich die aus-
giebigsten Quellen benutzen. Für die athenische Verfassung
der vollendeten Demokratie gab es nichts Ausführlicheres als
Aristoteles' Uueh ; daher benutzt er es hier. Es war ihm meist
sogar zu ausführlich und mufste gekürzt werden. Die Anti-
quaria in dem ersten Teile sind dagegen so kurz gehalten,
dafs er sich nach vollständigeren Nachrichten umsah. So ist
Poll. VIII 111, über die erste Verfassung, sicher nicht aus
Aristoteles entnommen, denn der Eingang bis ßovxoXtiov
widerspricht dem p. 2, 25 Berichteten. Der Satz xal ol fitii-
Xoriif roO ytvovs yevvfjTttt xal ouoy aXuxreg' yivtt /ulv ov 7xqoo-
i]xovi&s, fx <F£ rijff avvodnv ovtü) 7TgoaayoQ€v6ju€vot. widerspricht
Aristoteles' Auffassung der 6poyaXccxTce in der Politik (1252 b 16)
toixe x«t« tfüatv t) xiout] änoixfrt otxtag tfvat. oft* xaXo0a( rivcg
o t uoyuXttxT «f, naiätig re xal natäuv naiöag, welche Apposition
zu streichen gar kein Grund vorliegt ; vgl. auch Töpffer, Attische
Genealog, p. 9 ff. Dazwischen steht der Satz ore ftivrot, — rgta-
x«<f*ff. Das könnte man für aristotelisch halten, wenn man er-
kannt hat, was in dem Lex. Patm. v. revvfjTat (Frg. 385 R 3 .,
K-W. p. 88) aristotelisch ist. Der Unsinn dieses Artikels geht
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teils ist unsere Stelle von dem Lexikographen des fünften 7. Kap,
Seguerianums fast wörtlich exccrpiert worden, was ich
schon mit Itywv ovrwg an. Diese Worte können doch nach
tog larogtl .... "AQiOTOT&ris nur bedeuten, dafs nach dem
vorhergehenden Excerpte aus dem »Schriftsteller nun dessen
eigene Worte zum Belege folgen. Aber der Unsinn des wört-
lichen Citates pafst auf den knappen, präeisen und verständigen
Bericht wie Ptolernaios Chennos zu Aristoteles, womit ich jedoch
jenen gar nicht hier in F.age bringen will'; diesen aber, denn
der erste Teil sieht genau so sehr nach Aristoteles aus, wie
es der zweite nicht thut. Und seit wann citiert denn, was ein
ordentlicher griechischer Lexikograph ist, so, dafs er erst einen
Auszug aus dem Citat giebt und dann das Citat wörtlich folgen
läfst, und noch dazu eines, das gar nicht pafst? Ich halte dafür,
dafs der erste Teil des Artikels aristotelisch ist und nach
stgtOTOTflris Worte fehlen, in welchen der Name des zweiten Autors
stand, der sich freuen mag, dafs ihm sein Unsinn nun nicht
mehr in Anrechnung gebracht werden kann. Für die Zu-
weisung des ersten Teiles an Aristoteles spricht auch, dafs in
ihm die Ifnwavvrti mit den Geschlechtern zusammen dargestellt
werden, wie das p. 23, 22 geschieht r« <M yivr\ xal rag ifoa-
rgtag xal rag hQtoavvctg tta<nr f/ftv ixaarovg xara ra nnrota.
Mit dem mir als aristotelisch geltenden deckt sich der Satz des
Poll. oi< — TQtaxttthg inhaltlich. Aber dieser Inhalt ist so wohl-
feil, dafs er nicht aus Aristoteles zu stammen braucht ; auch sind
die Worte « ixaXetro rgtaxadtg nicht aristotelisch. Die letzten
Worte tq(« . . . dr\uioi Qyo( sind ebenfalls wohlfeile Weisheit. Als
dritte Stelle bleibt nur noch Pollux VIII 130, die für Aristo-
teles Kap. 7 verhängnisvoll sein soll. An der eben besprochenen
Stelle hat Pollux einen anderen Autor herangezogen, da ihm
Aristoteles nicht genug gab; muPebenso hier. Aus Aristoteles
kann die Stelle gar nicht abgeleitet sein, weil in ihr über die
Benennung der InnsTg gerade das berichtet wird, | was Aristo-
teles bekämpft (fx uiv rov <Svvao9ai iQ(t(>etv tnnovg xexXrjo&at).
Das|Plus gegenüber "Aristoteles, d. h. hier der Unsinn, 'den
die Einschübe mit avaXioxov bringen, war das Empfehlende;
denn dafs Pollux selbst den Atthidenbericht, auf den sich
Aristoteles polemisch bezieht, und der in letzter Instanz ;bei
Pollux zu Grunde liegt, mit einem anderen kompiliert habe,
Keil. Aristoteles. 5
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— 06 -
i. k»p. allerdings nicht bemerkt finde. Zu p. 7, 2 : ßekk. An.
298, 20; p. 7, 3: ib. 267, 13; p. 7, 13: ib. 260, 33 und
261 , 15 , welche beide Stellen zusammengenommen
Frankel vor der Bemerkung zu Boeckh Staatsh. II
* 116 n. 805 hätten schützen müssen, dafs t€vyr ( oior die
richtige, weil richtig von levyog abgeleitete Form sei.
Wie vom Stamme Levyea- richtig L^vy^aiog abgeleitet
werden kann, ist mir nicht verständlich. Natürlich ist
das Adj. von Uvyivrjg abgeleitet und tsvyiaiog nicht
anders als rtlovoiog, eviavotog u. s. w. gebildet,
p. 7, 7: Die iititag veranlafst Aristoteles zu einer polemischen
knthenuon Anmerkung, welche einen schweren Überlieferungsfehler
enthält, vermutlich durch Ausfall von Worten entstanden,
wie der Vergleich mit Poll. a. a. O. lehrt. Einen zwei-
ten Fehler, entstanden durch Einschub, anzuerkennen,
verhindert mich folgendes. Kaibels Sammlung hat ge-
lehrt, dafs ein Distichon von Pentametern im 6. Jahrh.
v. Chr., in welches das betreffende, von Aristoteles
citierte Verspaar fallen müfste, eine epigrammatische
Unmöglichkeit ist. Entweder mufs man also den ersten
Vers ändern — dagegen spricht die übereinstimmende
Überlieferung bei Pollux und Aristoteles — , oder aber
man hat anzuerkennen, dafs Aristoteles, richtiger sein
Gewährsmann, den er hier nach seinen eigenen Worten
(tvioi cpaai — or^ulov de irticpigovoi) ausschreibt, aus
dem Dedikationsepigramm nur die für den Beweis
nötigen Verse ausschrieb; da die beweisenden Worte
gerade in den Pentametern standen, setzte er diese
beiden allein hin. Wie diese Annahme über eine
Änderung des ersten Verses forthilft, so auch über die
glaube ich nicht. Das hatte ihm gewifs schon Didymos be-
sorgt. Die Übereinstimmung zwischen Pollux und Aristoteles
beruht hier auf der Gleichartigkeit der Atthidentradition.
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Tilgung von Jiyilov nach elxtjv; deun wenn ein Hexa- 7. K»p.
meter vorausging — natürlich folgte ein zweiter — p * 7 ' 7
sind wir nicht mehr gezwungen zu verstehen Anthe-
mion, der Sohn des Diphiios 1 , welche Interpretation die
Tilgung nötig erscheinen läfst, sondern können über-
setzen: 'Anthemion weihte dieses Bild des Diphiios 1 ;
man denke sich, dafs Anthemion z. B. durch Antritt
der Erbschaft des Diphiios in die höhere Schatzungs-
klasse kam 1 ). Ich ziehe diese Interpretation deshalb
einer Textesänderung, wie sie die Streichung von
diyikov ist, vor, weil es mir der sicherere Weg er-
scheint, von den an sich nicht zu beanstandenden
Worten avaxeizai yaQ sv axgo7t6Xei eixwv 4t(piXov die
kritisch unsicheren Verse — mag diese Unsicherheit
nun auf Textesverderbnis oder auf der lückenhaften
Citierweise des Autors beruhen — zu erklären, statt
von der Stelle unsicheren Verständnisses aus eine andere
klaren Wortverstandes zu präjudizieren.
Im übrigen möchte ich darauf aufmerksam machen,
dafs wir von dem in Kede stehenden Bilde inschrift-
liche Nachricht haben. CIA. II 742 (Catalogi signo-
rum ex aere factorum) aus dem Anfang der zweiten
Hälfte des 4. Jahrh.: A. v. '12 avd&rjfia Idv^tfii-
o)v[og .... 13 xwijv t%u xcu Ad[y%jyy vel Ao[<jpoV-
Damit ist Rühls.av^'/utov (a. a. O. 682) gerichtet. Die
Inschrift stimmt zu unserer Erklärung: Anthemion
weiht ; dafs er seine eigene Statue weiht, ist nicht an-
zunehmen; er weiht die des Diphiios. Also avd&rjfia
Idv&efiUavog, eixior JiyLXov.
Die Schhifsworte des 7. Kapitels öio xai vvv Itzu-
l ) Litteratur über diesen Passus jetzt bei Rühl, Der Staat
der Athener und kein Ende (Jahrb. f. kl. Phü. Suppl. XVIII)
p. 681 f. Vgl. übrigens Böekh, Staatsh., I» 580 f. — Vgl. auch
Pregcr, Inscr. Graec. metr. n. 74.
5*
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- 68 -
7. Kap. dav fsqqrat zov ^eXkovza xlr^gova^ai ziv aQxfri ndiov
p. 7, 13 ff - T£ '; 0 £ Tt fo% t ovö' av elg el'noi &rpi*6v zusammen-
gehalten mit dem Passus über die za^tcti zrjg 'Atyrpctq
Kapitel 47 K?^Qovzai ö*' eJg ex zr t g qpvlrg, ex ne\Tct*oaio-
{ledi/uvcov xaza zov ZoXcovog vojaov {tzi yag 6 v6/.iog
y.vQtog eoztv), agyei d' 6 ka%cov y.av rcavv nevrjg r t ent-
halten eine Schwierigkeit für das Verständnis. Gehört
der ndvv 7tivr$ denn nicht in das &r;zix6v? kann ein
Pentakosiomedimne ein navv nev^g sein?
Der soion. \yi e Aristoteles berichtet und wie er, danach zu
Qeidconsusschhefsen, selbst es geglaubt hat, wären von Solon an
den Grundbesitz allein die staatsbürgerlichen Rechte
geknüpft worden ; denn die Klassen werden als nach
dem Bodenerträgnis normiert dargestellt. Nun aber
berichtet Aristoteles selbst Kap. 13 Bit e'öo^ev ccizoig
dia zo azaaidtetv agyovrccg eXiod-ai dexa, newe {.tev
ev7zatQid(dv, zgelg öe a[yg]oixtov, dvo de örjjniovgycüv ' xal
ovzoi zov ( afira dauaoiav r ( g^av eviavxov (581 80). Da
die Demiurgen, die nicht zu den grundbesitzenden
Klassen gehören, schon 12 Jahre nach Solon nicht
blols überhaupt Staatsrechte haben, sondern sogar das
höchste Amt erreichen können, eine Änderung der
Verfassung in dieser Richtung aber nicht blofs nicht
berichtet, sondern bei der Kürze der Frist an sich
auch unwahrscheinlich ist, so folgt, dafs die Klassen-
einteilung von Solon nicht nach dem Ertrag des Bodens
normiert worden ist, sondern dafs das ganze Vermögen
oder richtiger der Nutzwert des Vermögens der Ein-
teilung zu Grunde gelegt war. Das ging auch gar
nicht anders. In einem Lande, welches Kolonialpolitik
treibt, wie Athen es seit dem Ende des 7. Jahrh. that,
kann der Kaufmannsstand nicht der Rechte des Staats-
bürgers entbehren. Kolonialpolitik indiziert den Über-
gang von der Bodenwirtschaft zur Geld Wirtschaft. Und
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wenn erst in späterer Zeit die Umwandlung des Census- 7. Kap.
tarifcs aus Produkten- zu Geldsätzen erfolgt wäre, p " 7 ' 13
sollte die Überlieferung wirklich keine Spur von dieser
einschneidenden, demokratischen Mafsnahme bewahrt
haben? — Waren die solonischen Sätze für die ver- Dio ath6n -
schiedenen Klassen nun von vornherein nach dem Geld- j.^^ vo
wert bestimmt, so versteht man den Namen TzevcaKOGiOfAB- Solon
dipvoi nur, wenn dieser Name aus einer früheren Zeit
der Bodenwirtschaft stammte. Wenn ferner die erste
Klasse TtevtayLoaiofxiöifivoL hiefs, so war der Census
für sie nicht, wie Aristoteles für Solon berichtet, nach
den %r t Qa XOI vygcc, sondern allein nach den £i^a be-
rechnet, denn die flüssigen Mafse wurden nach Metreten
gemessen. Dieser Schlufs gewinnt dadurch an Sicher-
heit, dafs er einen Zug liefert, der durchaus in das
Bild der Latifundienwirtschaft der Oligarchie pafst;
der Census für die höchst berechtigte Klasse war, wenn
nur die Trockenfrucht in Rechnung kam, ein so hoher,
dafs die höchsten Ämter in der That nur in wenigen Fami-
lien umgehen konnten. Wie hier der Name für den Census
dieser Klasse zeugte, so auch der der Hippeis und Zeu-
giten; wir müssen aus diesen Benennungen schliefsen,
dafs zu der Zeit, als sie zu den Namen der Schatzungs-
klassen wurden, in der That für die zweite Klasse die
Stellung des Ritterpferdes, für die dritte der Besitz
eines Gespannes der Census war 1 ). Wenn der Ab-
') Ich berühre mich hier mit Gomperz, Die Schrift vom
Staatswesen der Athener und ihr neuester Beurteiler (Wien 1891)
p. 42 ff. und Busolt, Philotogus 1891 (L), 393 ff., welcher Aufsatz
mir erst nach Abschlufs meiner Arbeit bekannt wurde. Böckh,
Staatsh. I 8 579 sah den Zwiespalt, aber versuchte eine har-
monistische Lösung, statt die Konsequenzen aus der Discrepanz
zwischen der Sache und dem Namen zu ziehen. Die Polemik
des Aristoteles in der Anmerkung p. 7, 4 — 11 löst sich bei der
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7. Kap. stand zwischen der ersten Klasse und den beiden
7 * 18 ff folgenden als ein sehr hoher erscheint , so stimmt das
zu dem Charakter einer starren Oligarchie. Wann
diesem Zustande ein Ende gemacht wurde, ist natürlich
nicht zu sagen; aber vor Solon mufs es schon ge-
schehen sein. Denn da Solon, wie wir vorher aus
den Verhältnissen des Jahres 581/80 schliefsen mufsten,
schon die Klassen nach dem Geld- und nicht nach dem
Bodenertrage einteilte, so mufs zwischen dem ersten
Stadium, während dessen Pentakosiomedimnen, Hippeis
und Zeugiten noch ihren Namen mit Recht führten,
und dem durch Solon herbeigeführten Zustande eine
Epoche liegen, in welcher der Census nach dem Boden-
ertrage für alle drei Klassen normiert war. Dabei
bleibe die Frage offen, ob damals zugleich der Ertrag
der jp]Qa nai vyQa in Anrechnung gebracht wurde,
oder ob Solon diese Änderung vornahm, welche den
demokratischen Charakter an der Stirn trägt. Aber
wenn Solon diese Änderung auch nicht verdankt wird,
was er für die Entwicklung der Demokratie durch die
Umrechnung des Bodenertrages in Geld absichtlich,
und was er mit der Einführung des timokratischen
Principes unabsichtlich geleistet hat, ist doch von weit-
tragendster Bedeutung gewesen,
aionisohe mu f 8 hi er au f <ü e Münzreform kommen. Es
reform ist von U. Köhler und Head hervorgehoben, dafs die
Einführung des euböischen Fufses statt des äginäischen
zunächst dem Kaufmanne Solon verdankt wird, der
seiner Vaterstadt die Münze geben wollte, welche im
Osten und Westen am weitesten kursierte und der
geschichtlichen Betrachtung. Er wie sein Gegner haben recht,
jeder für seine Epoche, nur, dafs beide es nicht für die solo-
nische haben.
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— 71 —
Kolonialpolitik Athens förderlich sein mufste. Weiter 7. Kap.
war diese Mafsregel, wie bekannt, ein Schlag nach p - 7 ' 13 *
aufsen gegen Megara und den Peloponnes überhaupt;
man sollte sich von ihm emancipieren. Damit wurde
zugleich auch nach innen gewirkt, denn die Oligarchen
hielten den Blick immer noch über den saronischen
Golf hin gerichtet. Allein dies war vielleicht die ge-
ringste Bedeutung der Einführung des neuen Fufses
für die innere Politik ; wichtiger war, dafs sie zugleich
auch den ärmeren Klassen zu gute kam, welche die
Hochebene und Küste am östlichen Meere bebauten.
Sie mufsten den Ertrag des ihnen verpachteten Landes
. wesentlich nach den grofsen Emporien Euboias ab-
führen, denn noch benahmen Megara und Aigina Athen
die belebende Seeluft. Dort erhielten sie aber leichtes
euböisches Geld, welches überhaupt bei der dominie-
renden politischen und merkantilen Stellung von Chalkis
auf der gegenüber liegenden Festlandsktiste und auch
im Osten Attikas stark kursiert haben mui's. In Athen
aber mufsten die armen Pächter nach dem schweren
aginftischen Gelde zinsen. Nattirlich mufs eine Um-
rechnung stattgefunden haben; doch bei jedem solchen
Geldwechselgeschäft findet ein Verlust auf einer Seite
statt, und wer den Verlust hier zu tragen hatte, kann
nicht zweifelhaft sein. Von noch gröfserer Bedeutung
als nach dieser Seite hin war die Einführung des
euböischen Fufses für die Organisation des Bürgertums
durch Solon. Indem er die Censu ssätze nach dem
Bodenertrage in Geld umrechnete und bei der Um-
rechnung das um ein starkes Viertel leichtere neue
Geld in Ansatz brachte, wurden die C ensussätze sämt-
lich um ein Viertel niedriger, als sie es nach der alten
Währung geworden wären, d. h. eine bedeutende An-
zahl von Bürgern kam nun noch in die Zeugitenklasse,
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7. k»p. welche nach der Rechnung alten Stiles zu den Theten
p * 7 * 13 ff ' gehört haben würde; dasselbe Verhältnis trat bei den
Grenzen zwischen den Zeugiten und Hippeis und
Pentakosiomedimnen ein. Nur die Höchstbegüterten
hatten keinen Vorteil. So war die Einführung des
leichten Geldes in Anwendung auf die Normierung des
Ceii8iis nach Geldeinkommen ein wichtiger Hebel zur
Stärkung der Demokratie, und ich zweifele nicht, dafs
diese Mafsregeln von Solon mit dem vollen Bewufst-
sein ihrer Bedeutung getroffen worden sind. Die Be-
deutung der solonischen Reform auf diesem Gebiete
besteht nicht in der Schaffung eines neuen Steuer-
klassensystems, sondern in der Benutzung des bestehen-
den Klassen Steuersystems zur Abstufung der bürger-
lichen Rechte; die Oligarchie hatte wohl die Steuer-
klassen zum Zwecke der Besteuerung, aber der Ge-
nufs der bürgerlichen Rechte war nicht durch sie,
sondern durch das onhx ixctqiyßobai bedingt. Die de-
mokratische Tendenz der solonischen Mafsregel wurde
verstärkt durch die Umrechnung der früheren Census-
beträge aus Viktualien in Geld und weiter dadurch,
dafs die Umrechnung nicht in das alte schwere, sondern
in das neue leichte erfolgte.
Die solon. Die Einführung des timokratischen Princips in
y^""^ dieser Weise mag damals etwas Befreiendes gehabt
«paterer haben, aber es ist zum Fluch für die Entwicklung des
Zeit athenischen Staates geworden, allerdings nicht durch
Solons Schuld, denn er war kein Hellseher, so dafs er
die Unvernunft der Politiker des 5. und 4. Jahr-
hunderts hätte vorausschauen können. Es kam näm-
lich so. Durch die ruhige Arbeit der Peisistratiden-
herrschaft wuchs im 6. Jahrhundert das National-
vermögen; infolge der Centralisattonskraft des atheni-
schen Bundesstaates flofs im 5. Jahrhundert das Gold
aus den gehorchenden Staaten nach der regierenden
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Stelle zusammen ; zu der führenden Stadt im Reiche 7. Kn P .
der Künste und Wissensehaften strömten im 4. Jahr- 1
hundert die Fremden von allen Gegenden der grie-
chischen Welt und liefsen dort Reichtümer. Mit der
Menge der Ware sinkt der Preis. Grofse Vermögen
wurden erworben, das Geld verlor an Wert. Wie
die Lebensmittelpreise vom Ende des 5. bis zum Ende
des 4. Jahrhunderts stiegen, lehren die athenischen
Rechnungsurkunden ; noch stärker ist der Unterschied
zwischen den Preisen der aristotelischen Zeit und denen
des 6. Jahrhunderts, soviel davon bekannt ist. Solon
hatte denMedimnos Getreide auf eine Drachme normiert
(Plut. Sol. 23); also gehörte man mit 5 Minen Ein-
kommen zur begütertsten Klasse der Bürgerschaft.
Um das Jahr 400 war, wie Böckh (Staatsh. I 8 144)
nachgerechnet hat. ein Einkommen von 5 Minen ein
geringes, und zur Zeit Alexanders des Grofsen konnte
der Sprecher der Rede gegen Phainippos (§ 22) über
ein Einkommen von 5 Minen und 40 Dr. sagen: aq?
r t g tfjv ov fädtov iazi. Es hatte sich also der Geldwert
innerhalb eines Zeitraumes von zwei und einem halben
Jahrhundert so verringert, dafs man zu Solons Zeit zu
den Wohlhabendsten mit einem jährlichen Einkommen
von 5 Minen, mit 5 Minen jährlichen Einkommens zu
Demosthen es' Tagen zu den Unbemitteltsten in dem-
selben Staate gehörte.
Böckh (a. a. O. I 8 548, 542 ff.) hatte schon aus
den Schriftstellern erschlossen, dafs die alten Census-
klassen bis ins 4. Jahrhundert herab in Geltung ge-
blieben waren. Es traten dann die Urkunde über die
Kolonisierung von Brea (CIA. I 31 ; c. ol. 80) und
die Inschrift CIA. I 14 hinzu, in welchen die Zeu-
giten, Theten und Pentakosiomedimnen genannt waren.
Jetzt bezeugt Aristoteles das Bestehen der Klassen für
das Jahr 457/6 (p. 28, 29) und für seine eigene Zeit
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7. K* P . (p. 7, 16. 24; 61, 14). Es braucht für das Athen des
i, 7, 13 ff. ^ un( j ^ Jahrhunderts nicht bewiesen zu werden, dafs
diese Institution damals ohne Zusammenhang mit der
Besteuerung der Bürger weiter existierte; sie war da-
mals allein das Regulativ fiir die verschiedenen Stufen
des Staatsbürgerrechtes. Man darf nicht annehmen,
dafs zu diesem Zwecke von dem Staate oder der
Kommune (Demos) Listen über die Bürger geführt
wurden; vielmehr mufste jeder, der ein Amt antreten
wollte, bei der Prüfung nachweisen, dafs er ein Ein-
kommen hatte, welches ihn zur Führung dieses Amtes
qualificierte, daher in der Prüfung der Archonten auch
auf den Vermögensnachweis die Aufforderung geht:
xaXei toutcov toig fidgrtQag (p. 61, 16). Die Census-
sätze für die einzelnen Klassen waren im 4. Jahr-
hundert nach Ausweis des Gesetzes über die Erbtöchter
aus dem Thetenstande in der Macartatea (§ 54), deren
Urkunden Wachholz *) als echt erwiesen hat, die gleichen
wie in solonischer Zeit ; denn die Zahlen von 500 Dr.,
800 Dr., 150 Dr., welche für die 1., 2., 3. Klasse als
Aussteuer festgesetzt werden, stehen, wie man auch
die kleine Abweichung für die Zeugiten beurteilen mag,
in unverkennbarem Zusammenhange mit den Census-
summen.
Man erkennt, welches Mifsverhältnis sich daraus
ergeben mufste, dafs das Geld im Werte sank, die
alten Censussätze aber bestehen blieben. Die Preise
der Lebensmittel und der Arbeit stiegen, es mufste
mehr verdient werden; die Einkommen steigerten sich
von Jahr zu Jahr, und von Jahr zu Jahr traten , da
der Gens us nicht mit der Steigerung des Einkommens
in die Höhe ging, mehr Leute aus den Theten in die
') De litis instrumentis in Demosthenis quae fertur oratione
in Macartatum. Dias. Kiel 1878.
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Zeugitenklasse über. Seit 457/6 eröffnete schon der i. Kap.
Zeugitencensus den Zutritt zum höchsten Amte; den pT ' 1,1
bedenklichsten Elementen stand jetzt der Weg dahin
frei. Der Staat zahlte am Ende des 4. Jahrhunderts
als Invalidität«- und Armenunterstützung taglich
2 Obolen 1 ), d. h. im Jahre 1 M. 20 Dr.: also nur
x ) Aus Harpokr. s. v. «Vi»r«ro/, wo es heifst, ß' oßoloig irjg
Ixdarijs TijLtfQas rj oßoloVj tue tf tintv Aomroiikrig iv. *A. n. hat man
Bedenken gegen die Echtheit unserer Schrift, vgl. p. 54, 28, er-
hoben, das heifst doeh den Texteszustand dieses Lexikographen
verkennen und Bekk. An. 345. 15 und Harpokration ignorieren.
Zudem muffte die Epitome mit ol u(v yaoiv kxuar^g tjuiQag
oßoXovs Jro, ol <Jl o'ulov schon allein darauf führen, dafs
der ursprüngliche Harpokrationtcxt anders als der überlieferte
lautete. Die Angabe Bekk. An. 345, 21 o>c *PiX6xoQos n(rit
mufs verderbt sein, denn dann hätte die Unterstützung im
Jahre 3 Minen betragen, also den Census der Ritterklasse er-
reicht. Aber die von Boeckh (Staatsh. I 3 310 d) befürwortete
Vermutung, dafs n^vre aus e' doaxuus xara firjrrt entstanden sei,
ist auch unmöglich, da das die Unterstützung wieder auf 1 Obol
täglich reduzieren würde. Dagegen trägt Harpokrafions «w,-
<Püoxoq6c </ij<hv, ÖQ«xiutts xara jjfjm die Bedingungen der
Richtigkeit in sich. Da bei der Finanzlage des Staates gespart
werden mufste, so trat eine Reduktion ein, welche den ein-
zelnen nicht eben hart traf, für den Staat aber bei der Menge
der Unterstützungen sich als Erleichterung geltend machen
mufste. 9 Draeh. monatlich gegen 2 Ob. täglich ergeben eine
jährliche Ersparnis von 12 Dr. pro Kopf. Setzt man mit Boeckh
(a. a. O. 311) die Zahl der Unterstützungen auf rund 500 an,
so bedeutet das eine jährliche Ersparnis von einem Talente,
und die merkte die Finanzverwaltung damals. Aber die An-
gabe des Harpokr. mufs auf den ersten Blick doch befremden.
Er sagt xara /jfjva. Der Verwaltungsperioden des athenischen
Staates sind aber nicht Tage, Monate und .Jahre, sondern Tage,
Prytanien und Jahre, und alle Zahlungen wurden, wie die
Inschriften und die nol. A!>r\r. lehren, nach Prytanien geleistet.
Doch die Schwierigkeit löst sich, wenn man sich besinnt, dafs
es zu Philochoros' späterer Zeit 12 Prytanien gab, also die
Prytanien den Monaten gleich waren. Sein Ausdruck ist nur
ungenau.
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7. Kap. 80 Dr. mehr, als der Staat an Armengeld gewährte,
• 13 ff « brauchte ein legitimer Athener im Jahre zu verzehren
zu haben, um zur Bekleidung der höchsten Staats-
ämter berechtigt zu sein. Das ist in Wahrheit die
Demokratie iv l ndvz%g ndvzcov fierixovoiv. In diesen
Mifsverhältnissen liegt der Schlüssel zum Verständnis
der völligen Verwilderung der athenischen Demokratie.
So ist die solonische Verfassung ohne Wollen ihres
Urhebers in der That das Fundament, auf dem die
athenische Demokratie sich ausbaute, geworden; dafs
sie es wurde, ist die Folge der historischen Entwicklung
gewesen. Die Unvernunft oder, um mit Piaton zu reden,
die Lakaiennatur (xoÄcrxe/a) der führenden Politiker
des 5. und 4. Jahrhunderts, welche den veränderten
Verhältnissen nicht Rechnung tragen wollten oder
Rechnung zu tragen nicht wagten, trifft der feine Hohn
in Aristoteles' Worten, welche man jetzt verstehen wird :
xcrt clq%u 6 l<x%tov xav ndw 7tivr]Q f r Jetzt wird man
auch zugeben, dafs Aristoteles mit an den athenischen
Staat dachte, als er in der Politik schrieb (1308 a 35):
ngbg öi tijv dia xa zifurjfjaza yivofiivrjv fAeraßolyv ig
oliyagyjag xai noXiztiag, otccv av/ußaivi] tovzo fievov-
tvjv ftev tiuv avTaiv Ti^rj^dTcov ev7zogiag de
voiiiof.taTog yivoftivrjg, ovuq>£gei tov Ti^fLiaTog
imoxonelv tov '/.aivov to nX^og izgbg to rcagel&ov,
iv ooatg fiiv noXeai TifAwvrai %olt iviavzov, /.aza
zovzov tov xqovov, ev de xaig fjeltoai öid zgiez^gidog
rj nevzaerr.glöog, xaV r t nolXanXdoiov iq 7toXXoozi]f,i6giov
tov ngozegov, iv öi Tiftrjoeig ■x.aztozr i oav Tijg noXi-
Teiag, v6(jlov elvai xat tcc TifAr^ccTa emTeiveiv^ dvuvat t
iäv piv VTtegßdXXr}, iniTeivovTag xorrä zr t v noXXanXcL-
oiwoiv, iav d 3 fAÄctVr/?, dvuvzag xai iXdzzio noiovvrag
tt]v viftqoiv. iv pev yag Talg bXiyagyiaig xat Talg
noliTeiaig jUT} tzoiovvziov (.liv ovrwg i'vda piv oXiyag-
Xiccv l'v^cc de övvaazetav yiveo9ai ovpßaivei,
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- 77 -
ixeivwg de ex (.tev n oXiTeiag dypov-gaTiav, im 7. Kap.
d' bXtyagxlag Tcolixelav r\ dr^ov. Derselbe Gedanke p * 7 ' u 1
steht in derselben Schrift schon an früherer Stelle
(1306 b 9) 7ioXXav.ig . .xb Ta^f'v nguiTov viftrj^a
ngbg xolg nagorzag xaigoig (woze /.tezexetr ev uev rrj
ohyagxiy bXiyovg iv de zf t noXiceiq Tovg (.uoovg) eie-
xqgiag yivo^iev^g dl elgyvijVTjdi* ä X X q v xiva
evTv%ictv gv (.ißaivei (noXXoatbv yivea&ai
dict to) u o X Xct7t Xctoiov yiveo&ai ti {iij uazog
a£iag Tag avTag xz o e tg , löore Ttavztov tiez * -
Xß^v, bze pev £x ngoayioy^g v.al y.ctxa ftix.gbv yt-
vo(xevr t g zrjg n e z a ß o X /J g v.ai XavO-avoi a i t g y
bri de /.ai Öäzzov.
Achtes Kapitel.
Den Inhalt des achten Kapitels fassen die Eingangs-
worte des neunten in den Satz zusammen : za . . negi
zag agxog zovzov zbv Tgbnov. Es zerfällt in
zwei sehr verschieden lange Abschnitte. Den ersten
bildet der erste Satz, welcher die allgemeine Norm für
die Beamtenbestellung giebt : Tag 6* agxag i7Zolrjae xXy-
gci/zag ix 7zgoKgtT(ov oig r/.aOTr] 7tgoxgiveie tiuv qjvXwr,
Der zweite Abschnitt füllt das ganze übrige Kapitel;
er enthält die Einzelbesprechung folgender Amter:
a) der Archonten (bis p. 7, 28); b) der mit der Landes-
einteilung in Verbindung stehenden Phylobasileis und
Naukraren (bis p. 8,0); c) der beiden Körper-
schaften, der Bule und des Areopag. Dieses Grund-
schema ist erweitert oder ausgeführt ; in a) durch einen
doppelten Beleg (Indizienbeweis) für die Angabe, dafs
Solon für die Arehonten einen doppelten Wahlakt eiir
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8. Kap. führte, und durch die Anfügung einer Anmerkung über
die Ämterbesetzung in dem ersten Stadium der athe-
nischen Verfassungsgeschichte; in b) durch den Beleg
für die Verwaltungsthätigkeit der Naukraren; in
c) durch die Anführung eines Gesetzes, welches zugleich
mit der gesetzlichen Befugnis des Areopags tovq inl
vfj nunaXvaei tov irfftov üvviazaiAtvovg xoiveiv die Ver-
fassung zu stützen bestimmt war.
Der Wahlmodus war ein doppelter für die Archonten :
7TQOXQiveiv und xhfäovv. Das will Aristoteles beweisen.
Für den doppelten Wahlgang führt er die noch
bestehende doppelte Losung an ; dafür, dafs überhaupt
eine Erlösung der Amter aus den Schatzungsklassen
in der solonischen Verfassung vorgesehen war, was,
wie sich sogleich zeigen wird, in der Antike nicht all-
gemein so dargestellt wurde, wird das noch in Kraft
stehende Tamiaigesetz des Solon citiert. Damit hat
Aristoteles gesagt, was er über die Wahl der Archonten
nach Solons Satzungen sagen will: 2olwv ftiv olv ov-
uog ivono&tirjOev neoi ituv ctqyövtiav. Es schliefst sich
hieran nun der auf den ersten Blick befremdende Satz
to yaQ ctQxaiov r) tv Ifoetq) ncc/y ßovlij avaKaleaa^ivrj
Kai yiQivaaa xor#' ccvxrp tcv iniTrfieiov iq>' warnt] twv
ao%un> In \iv\a\yx\ov [xa&iotä]oa anioreXlev. Dieser
Satz ist gerichtet gegen diejenigen, welche die Erlösung
aus Schatzungsklassen nicht für eine solonische Insti-
tution hielten. Es gilt zu bestimmen, nach welcher Rich-
tung hin die aristotelische Polemik gewendet war.
nox. k^ijr. Isokrates stellt als Thema seines Areopagitikos *)
und Isokr. ^ 7
Areopag
r ) F. Dümmler, Chronologische Beiträge zu einigen plato-
nischen Dialogen aus den Beden des Isokrates (Basel 1890) fafst
Isokrates' Antidosis, Friedensrede (Symmachikos) und Areopa-
gitikos als eine Trilogie zusammen, deren drei Teile sämtlich
durch die Gegnerschaft der platonischen Schule und der
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hin (§ 16): Evgl<nuo yaq taiirp fi6vi t v ixv yspo^terrjv 8. Kap.
xert tü*v insXkoiviov mvdvvtw a7V0JQ07njv %ai tt»v naQOv-
scharfen, von Piaton an Isokrates' Wesen, Lehre nnd politischer
Stellung geübten Kritik hervorgerufen seien; ebenso sucht er
die kyprische Trilogie genetisch zu erklären. Ich bedauere,
eben weil ich viel von ihm gelernt habe, es lebhaft, ihm hierin
nicht folgen zu können. Die Antidosis ist für mich die Konse-
quenz des Areopagitikos und Symmachikos. In ihnen hatte
er an der demokratischen Verfassung eine Kritik geübt, die
sich durchaus in den Geleisen der von der Akademie geübten
hielt. Die Folge war, dafs man jetzt den Lobredner der De-
mokratie — obgleich er sich im Areopagitikos ausdrücklich gegen
ähnliche Unterstellungen verwahrt hatte (§ 57 f.) und nicht um-
sonst sowohl zu den Namen des Solon und Kleisthenes jene Zu-
sätze gemacht (s. den Text) hatte, wie er eben dieselben noch ein-
mal als JrjuortxuTaTot (§ 59) gelobt haben wollte — für einen
Überläufer m das feindliche Lager ansah. Er weist daher aus
seinen Reden nach, dafs er stets eine loyale Gesinnung gegen die
Demokratie in seinen Schriften bekundet habe , und zweitens
zieht er durch die polemisch gehaltene Darlegung seiner An-
sicht über Philosophie und philosophischen Unterricht eine
Scheidewand zwischen der Akademie und sich. Die demokra-
tisch gesinnten Väter brauchten also keine Sorge zu tragen,
ihm ihre Söhne zur Erziehung zu geben. Diesen rein persön-
lichen Charakter trägt m. E. nur die Antidosis. Areopagitikos
und Symmachikos sind für mich zunächst rein politische Flug-
schriften. Dafür, dafs Isokrates in ihnen eine Palinodie des
Panegyrikos anstimmt, sehe ich den Grund in der Lehre, die
ihm die Geschichte seiner Vaterstadt in den letzten zwanzig
Jahren gegeben hatte. Er wurde dadurch in die Bahnen der
akademischen Kritik getrieben und lernte jetzt beim Piaton.
Anleihen bei diesem sind daher jetzt natürlich und machen die
gleichzeitig geübte Polemik nicht zu einer illoyalen. Auf die
Bestreitung der Auffassung, dafs diese Schriften zunächst po-
litische Zweckpublikationen sein sollten und durch die politische
Misere hervorgerufen waren, mufs ich mit Aristoteles' Worten
antworten Mxtuov . . . ix Tifr Ullis nohte(as &*<o(>€iv ti)v ix€(-
vov ßovkijmr. Isokrates hat Zeit seines Lebens als Politiker
wirken wollen; das bezeugt er selbst des öfteren, und seine
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9. Kap. Tiov xcrxcur a.naXXayr\v, r\v e&eXfocojAev evMvrjv %ry dr^o-
%gaiiav avaXaßeiv y rv SoXfxiV fiiv 6 dr^oiixiorccTog yevo-
Lehre, deren Endzweck die Praxis ist, bestätigt seine Worte.
Wenn sich Schriften von ihm als politische Fluglittcratur
geben, so liegt kein Grund vor, den deutlichen Augenschein
für Maske zu halten. Die Polemik gegen Piaton ist für mich
ein Accedens, aber nicht das Regens in ihnen. Einer isokra-
tischen Rede, weil sie eine isokratische Rede war, im 4. Jahrh.
politischen Wert und Wirksamkeit in Athen oder aufser Athen
abzusprechen, verhindert mich die Bedeutung des Mannes,
welche für jene Zeit von keinem Schriftsteller mehr anerkannt
wird als von Piaton. Die Heftigkeit und teilweise Illoyalität
seiner Kritik findet ihre Erklärung in der bedeutenden Stellung
des Gegners. Die athenische Verfassung von damals zu be-
kämpfen hatte Piaton aufgegeben, dem bedeutendsten litterari-
schen Vertreter der demokratischen Rhetorik und ihrer ober-
flächlichen Bildung, dem Lobredner des athenischen Staates,
gilt der Kampf ebensosehr wie dem Quasi-Philosophen Isokrates.
Feig aber war es, dafs Isokrates in der Antidosis den Rückzug
wieder antrat; allein den Mut der Überzeugung habe ich ihm
nie zugetraut (Hermes 23, 373). Ich leugne auch nicht, dafs
Isokrates mit dem politischen Zwecke des Areopagitikos einen
persönlichen zu verbinden gesucht hat. Der Passus über die
Verwilderung der Jugend unter der bestehenden Demokratie
im Gegensatze zu der Erziehung, welche der Areopag in der
alten Verfassung den Bürgern angedeihen liefs, führt zu dem
Schlüsse: man soll dem Manne die Söhne zur Erziehung geben,
welcher diese gute alte Zeit befürwortet; denn bei ihm werden
die Jungen ja nach den Grundsätzen dieser Zeit erzogen werden.
Das Gefühl der Verwaisung klingt gewifs aus den Worten § 55
anr])Mt$tv (die alte Verfassung) . . . rot»? notaßiTttiovg reih'
tt&v,uudv Jftig Tiucug rttig 7ioXtTixtti<; xttt talg Ticcpa rwv viu)t£qu>v
&tQuni(aig. Aber kann man den Panegyrikos wegen seines
Einganges und Schlusses auch allein als eine Schrift für seine
Rhetorik halten? Er spricht darin, wenn auch nicht so viel,
so doch viel deutlicher pro domo als an irgend einem Punkte
des Areopagitikos. Wie er im Panegyrikos neben dem poli-
tischen Hauptzwecke seinem persönlichen Nebenzwecke nach-
ging, so, denke ich, auch im Areopagitikos.
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/luvoq ivofio^iztjaev , Kleia^evt^g ö* o Tovg Tvgdvvovg 8. Kap.
ixßaXwv mal iov öffiov '/.aTayaywv nctkiv e£ dgxrjg tceci- p ' 7 ' 26 1
oitjoev. Isokrates identifiziert also die solonische und
kleisthenische Verfassung und denkt sich diese bis
nach den Perserkriegen in Kraft bestehend. Das Bild
dieser Verfassung malt er von § 20 ab aus. Dafs er
hier die solonische Verfassung zumeist im Auge hat,
folgt nicht blofs aus der mitgeteilten Prothesis, sondern
auch aus seiner Darstellung selbst. Er suchte sich zu
dieser die Farben zunächst aus den historischen Be-
richten über die Zeit vor Solon und aus Solons Ge-
dichten selbst mehrfach so zusammen, dafs er die vor
Solon bestehenden und von diesem bekämpften Schäden
des athenischen Staates in die entgegengesetzten Vor-
züge umkehrte und diese der von ihm geschilderten,
nach Solons Gesetzen geleiteten Epoche zuschrieb.
Dazu nahm er auch noch Züge aus der Tradition über
die auf Solon zunächst folgende Zeit. Eine derartige
Technik ist roh, so roh, dafs man manchmal eine
Parodie zu lesen glaubt; aber sie ist nicht zu bezweifeln.
Man lese (§ 31): o'i xe y dg tt ev t ot ego l t wv n oki -
t wv t o a ovt ov an sl%ov t ov (p O-o v elv t olg JtXeiw
xBATTj/Aivoig, watf bfxoiwg hajdovto twv ol'/.wv twv
(Aeydliov waneg twv oyertgwv aiTwv . . . o% ig ydg olaiag
k"xovT£gov% onwg V7cegewgwv xovg -Aaxaö eiote-
gov ngdxx ovxag, cclti vjio).at.ißdvovieg aiaxvvr t v
avxoig elvat xrp twv nolixwv mcoqiav e7Ti i f.tvvov
Talg ivdeiaig, xöig (.dv yewgyiag ini nexgiatg
fit od-woeo i Ttagadiöovxeg^ xovg de kclx if.i7T.ogiav
8Y.7cifi7tovTeg y xolg ö' elg Tag allag igyaaiag
dcpogptjv Ttagexo VTeg ' ov ydg eöedieoav, fxr, dvoiv
&aTeoov 7zd9oiev, rj ndvTwv OTegr^elev j) 7tolld
ngdynctTCt o%6vieg utgog tl /.outüaivxo twv 7cgoed-ev-
twv. In der ersten Hälfte dieser Ausführungen kehrt
Keil, Aristoteles 6
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- 82 —
8. K»p. er also die vorsolonischen Zustände ins Gregenteil um,
• 7 ' 26 ff ' im Schlufs ebenso die Seisachtheia ; so vgl. xar' kfino-
giav zu Sol. frg. 4, 23 zojv de TievixQuiv iy.vovvzai noXXoi
yalav ig dXXodanrjv TtQaÜevzeg und aus den Iamben
noXXovg 6*' l4&r t vag . . . dvrjyayov 7TQa&evzag. Die
Worte dg rag dXXag egyaaiag nee. klingen direkt an
das an, was Aristoteles (p. 16, 11) von Peisistratos be-
richtet: zölg ajtoQOig TTQoeddvei^e XQ^paza 7TQog
rag igyaolag y coaze diazQeqpeo&ai yewgyovvzag.
Hierzu stelle man sogleich noch rfiiov eugeov zovg da-
vei^ofiivovg r t zovg dnodidovzag' d^qpozega ydq al-
zolg ovveß aivev .... apa ydg zovg ze ixoXizag
wqpeXovv (sind sie nicht selbst auch noXizai?) xai zd
oepezeg' avzüv evegyd v.a&Lozaoav. yieqpdXaiov de
zov xaXcüg aXXqXoig SfiiXelv al (xev ydg (a) xrtj-
oetg doqpaXeig ncrav olüTteg xaid zb dixaiov vnrigxov, al
(b) XQy a£l S xotvai ndüi zolg deo f.ievo ig
ziov noXiztov (§ 35). Wenn die zweite Hälfte dieses
Satzes nicht einfach die folgenden Worte des aristote-
lischen Berichtes über Peisistratos paraphrasisch auf
den Demos übertragen zeigt, dann weifs ich nicht, wie
das Verhältnifs zwischen den beiden Darstellungen zu
fassen ist: eßovXovzo yaQ (a) zert ziov yvwgifiwv (b) xai
zeuv dr)f.iozixwv noXXoi' zovg pev ydg zalg 6 piXiaig,
zovg de zalg eig zd idia ßorj&eiaig 7tgoor { yero y
xai ngbg d^q?ozegovg iTteqpvxei xolwg (p. 17, 18).
Und dasselbe Verhältnis besteht zwischen der ersten
Hälfte jenes Satzes und dem Berichte bei Aristoteles
über Peisistratos (p. 18, 13 ff.): zovzo d' iitoiei dvoiv
ydgiv iva(.iyz 3 iv z(p dazei dtazglßwaiv dXXa die-
a 7i a Qf.i ev o t xazd %wqav } xai onoig ev7Zogovvzeg zcüv
(.teiQUOv ("v) Isokr. zovg TtoXizag wqpeXovv) fivz eizi-
■ÜvfAüioi [irjze oxoXdtioo i e*7tifAe?.eiod-ai zwv
xoivwv' apa de ovveßaivev avzaj xal zag Tcoooodovg
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- 83 -
y8vio9m (ttitovQ £ geQyatofitsvrjg t^g %tüQCtg l ). 8. Kap.
Die Worte, welche hierin der Parallele aus jenem p ' 7 ' 26 i
Isokratessatze noch entbehren, linden sie § 25: ovrw
d* aneixovzo ocpöÖQCc twv t% nolewg, toove %aleni!neQOv
rp> h sxeivoig zoXg XQOvoig evQeiv tovg ßovlopevovg
agX eiv ? v ^ v toi'S prfiw 6eof.Uvovg. In der Darstellung
des Isokrates ist man oft im Unklaren, wen der Schrift-
steller sich eigentlich als Wohlthäter oder als 7to?Jtrjg
denkt, denn er redet von den ganzen Generationen,
von dem ganzen Volke, zu dem doch sowohl die Wohl-
thäter wie die Unterstützten gehören. Die Unklarheit
*) Was P. Meyer, Des Aristoteles Politik und die 'Aörjv. noX.
(Bonn 1891) S. 49 hier als Parallelsten en aus der Politik anführt
(1313 b 23, vgl. 1305 a 19), ist höehst problematischer Natur
Die wirklichen Parallelen sind 1318 b 11, <ft« . . to jjt] noXXrjv
oi-otav fxnv uo/oXog, cSoTf firj noXXdxtg ixxXrjoidCetv' tft« o7 ro
fytlV Tavayxaia npog Toig tpyoig i$iaTp(ßovoi xal Ttov dXXorpfiov
ovx (niOvjnovatVy dXX* fjöiov avroTg to tpyd£(0&at rot noXirtve-
o9ai xal oQxetv, onov dv pi) p XtjfjfiaTa ueyaXa dnb tcov dnywv
(vgl. Isoer. VII 25 ot'd'* . . . taxonovv . . . (t ti Xfjujja napa-
XtXotnaatv ol nttottQOV dp/ovrig) und 1319 a 28 äid to nepl rr\v
dyopdv xal to uotv xvXfeo&at (vgl. den Text oben) nuv ro
toioviov y(vog tog einiiv QaSiiog ?xxXr)Oia£ei' ol dt ytiopyoüvTtg
6td rö tf teon d q & ai xard ttv ytopav our* anavTwaiv ov&*
'poftog öforrat rrjg avvodov roiavrijg. Übrigens gehört 1305 a 7
Inl dt tö>v do^aitov, Sie ytvono 6 avrog 6 rjfnty toy 6g xal
or QdTriyog, tlg t vpavvlöa //fr 6 ßaXXov p. 24, 14 o yoo
Iltto(ai0aiog drjfittycjyog xal otqut t]yog inv r vpavvog
x (ct i oi 17, welches Meyer auch angeführt hat, mit zu den
charakteristischsten Partien für das Verhältnis unseres Buches
zur Politik. — Wichtig wäre die Anführung von 1304 b 8 xt-
vovot tfi Tag noXirtiag otI filv dta ßfag, ort oV «7iari;c, <f*a
ß(ag (xXv j? tv&vg t£ dp/jg rjvaTtpov dvayxd£ovTeg. xal yäg
q dnaTT] üiTTti gewesen, da sie die Richtigkeit der von ßlafs
zuerst gegebenen Herstellung p. 15, 12 hStxctrtp ndkv hei
tö\t() ngtoTOV avaxT\aaoftai ßlq tt\v «o/qr beweist ; zweimal
geschah es cr7r«r/j.
6*
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— 84 -
8. Kap. erklärt sich daraus , dafs der Sophist ftir seine Dar-
h 7, 26 ff. 8te u un g e i ner demokratischen Verwaltung die Züge
von der Tyrannis des Peisistratos nach einer ihm vor-
liegenden Quelle entnahm ; auf diesen pafst alles. Bei
einem so tollen Mi fsb rauch, wie ihn Isokrates hier mit
der Überlieferung treibt, mufste natürlich Schiefheit
und Unklarheit im einzelnen wie im ganzen eintreten;
und die Übertreibungen, von denen seine Darstellung
wimmelt, machen die Sache nur noch schlimmer. Doch
weiter (§ 33): ewgwv ydg zovg neqi züv oviißoXcdiüv
TLQtvowag oi) zatg imeiyMaig XQ (0 ^ V0V S aUa volg vo-
fiioig Tteid-o^iivovg: vgl. Sol. frg. 4, 14 ovds <f>v-
Xdaoovzai oeiivd Stfjie&Xct Ji%r t g und in den Iamben
^lOfiovg d' 6(.ioitog — eyQCtipa (p. 12, 2); von Peisi-
stratos heifst es: Tcqor^qeizo ndvza diortelv x,aza zovg
%>6(J.ovg, ovöefAiav eavz([) 7c?.eovE^iav dtdovg, worauf die
Geschichte von seinem Erscheinen vor dem Areopag
folgt (p. 17, 12). So auch Areop. § 24 (.te{.ia&r<y.6zeg
r t auv . . . jxr} tcüv ^iiv otxfitW dpeXelv, zolg d' dXXo-
zqioig ijzißovXeveiv^ firfi* $% naiv dr/ (xoo i iov zd oept-
zeg' avzwv diowelv .... ,uijd' axoißtozegov eldevai
zag «x twv ccqxsuov noooodoüg tj . . . ovzio d' aneixorio
ocfoöqu ztov r»]g noXewg xr*. , vgl. Sol. frg. 4, 11
nlovtovGt ö y adinoig tQypaoi 7cei#6(.ievoi, ov&
teQwv xzedvwv ovts %i d^fAoaiiov qeid6f.tevoL vXiuxov-
giv hp* aQ7cayfj dXXo&ev dXXog. Und bei dieser Art von
Arbeit kommt Isokrates sich noch fast wie der Dichter
der EvvoiiLa selbst vor. Solons: zavza didd^ai $Vftog
l4&r}vaiovg neXevei, wg xeexe* TzXeloza n6Xu dvavofiia
naotxzi, evvouia d 3 evytooiia xai dgzia ndvz' dnoyaivst,
xzk. würde man das Motto zum Areopagitikos nennen
können, wenn es nicht zu schade dafür wäre. Isokrates
stellt die ct>xoo></cr, weiche Solon durch die abschreckende
Schilderung der övovotiia erstrebte, als durch Solon wirk-
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- 85 -
lieh herbeigeführt dar; Selon hatte der dvovofiia eine 8. Kap.
kurze Schlufsschilderung der evvofiia entgegengesetzt, p ' 7> 26 *
Isokrates schiebt durch fortwährende Antithesen das Bild
der dvovofiia als Relief unter das der tvxooptia. Diese
(§ 82 vrtb ftiv exeivr t g zrg evzal-iag ovziog htatdev-
Srpav . . . nqbg dgez^v; 70 e^avzbv enidel^ai ßovXdftevog
Öixaiag xai xoo^iiag erti&V[.tovrza noXizeiag) sieht er in
der Zeit von Solon bis nach den Perserkriegen in Athen
herrschend. In dem Bilde dieser von Solon inaugu-
rierten und von Kleisthenes wieder aufgenommenen
Verfassung heifst es nun (§ 21): dvölv laoz^zoiv vo(.u-
Lo^evaiv elvaiy xai zijg fdiv zavzov anaoiv drtovefAOvarjg
zrjg de to 7tooorjxov exdozotg } ovx rjyvoovv zrjv %Qr t oi-
ptozegav (vgl. § 61), aXXa zi]v (niv zcov avzdov ett-tovoav
zovg XQTqoiovg xai zoig novrjQolg etnedoxi^atov wg ov
dixaiav ovoav, zrjv de xazd zi t v a£iav exaozov zipioaav
xai xoXdtovoav rrgorjgovvzo, xai did zavzrjg or/.ovv zrjv
nbkiv, ovx e| andvziov tag dgxccg xXqgovvzeg,
dXXd zovg ßeXzlozovg xai zovg txaviozdzovg
$(p' e'xaozov zwv l'gywv n goxg ivovzeg . . .
67teiza xai dr^ozixwzegav hofAiLov elvai zavrrjv zr t v
xazdotaoiv rj zrjv dia zov Xayxdveiv ytyvouevrp. iv [*ev
yag zf t xXr^gwoei zrjv rix*]* ßgctßevoeiv . . , iv de tq
ngoxgiveiv zovg iniEixeüzdzovg zov drjpiov i'oeo&ai xvgiov
eXeottai xze. Isokrates also sagt, dafs d i e A t h e n e r der
solonischen Verfassung gemafs die Amter nicht
durch das Xayxdveiv bestellt hätten, sondern durch das
frgoY.oivsiv zovg ßeXziozovg xai toig 'txaviozdzovg e<p
h'xaozov ztjv k'gycov. Aristoteles sagt, dafs die Athener
der solonischen Verfassung gemäfs die Ämter durch
das xXr t govv Ix zwv iiur>fuui(ov bestellt hätten; denn «</,-, , *
nur in der ganz alten Zeit sei e3 gewesen, wo die t {
areopagitische Bule avaxaXeaafnevrj xai xgivaoa . ,7» ... /.
iy exetozr) z(ov dgyßv ht enavzbv xaÖ-iorccoa drze- ,
- >.
, i* |> c i » * '
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- 86 -
. Kap. azeXXev. Es könnte hiernach den Anschein haben, als
p. 7, 26 ff. QD A r i s t 0 t e i e8 die hier von Isokrates vertretene Ansicht
bekämpfe, indem er den Berieht über eine Auswahl
der Beamten nach Befähigung auf Grund der solo-
ni sehen. Verfassung dahin richtig stellt, dafs eine
solche Auswahl einmal durch den Areopag und zwei-
tens in der ältesten Verfassungsperiode statt-
gefunden habe. Allein noch sind wir nicht am Ziele.
nox. 'Ad*}*. Aristoteles' Polemik enthält zwei Wörtchen, welche
U pL!atn J * n Isokrates' Areopagitikos einen direkten Gegensatz
lso ff. nicht haben : «x zifArj^dziov. Isokrates hatte nichts
Bestimmtes über die Modalität des 7tQoyigivetv gesagt.
Vielleicht gewinnen jene Worte auf folgendem Wege eine
klarere Beziehung. Es ist eine für jeden Leser not-
wendige Beobachtung, dafs Isokrates im Panathenaikos
die ältere athenische Geschichte fast im Gegensatz zu
seinen früheren Darstellungen behandelt (§ 123 ff.).
Thescus ist in der Helena (§ 35 ff.) der Monarch, der
auf Verlangen des Volkes die Herrschaft, die er nieder-
legen wollte, bis ans Lebensende führt, zfi zwv noXizwv
evvol<jc doQvepOQOvpevog, wie Peisistratos bei Aristoteles
zfj fuev i§ovai(f zvqccvvcuv, zaig d* evegysoiaig dfjpaywywv;
im Panathenaikos legt er die Herrschaft nieder, widmet
sich dem Heile der ganzen Menschheit. Euripides'
Herakliden sind hier fühlbar: § 170 von der Unter-
stützung der Herakliden sagt er 6 df^og Hjtqnpt
TiQEoßdav eig Qtjßag; das ist die sXev&iga jzofog' öf^og
ö' avdaaei. Isokrates wehrt § 127. 172 ein Vorrücken
der älteren Darstellung ausdrücklich ab. Der wichtigste
Unterschied ist der, dafs er die staatlichen und sozialen
Zustände, welche er im Areopagitikos der von Solon aus-
gehenden Verfassungsepoche zugeschrieben hatte, jetzt
der Zeit bis Solon vindiziert (§ 148): zavzt] . . %QWfiivog
ovy. iXdzztü xiXLwv h&v, all* ifjfieivag, olntQ i'Xaße,
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— 87 -
piXQi t% ZoXwvog fiiv TjliKiag, üeioiaigccTov de dwa- 8. Kap.
OTeiag. Klar ist der Ausdruck nicht ganz, aber die p ' 7 * 26 1
solonische Epoche wird noch zu der jetzt von ihm
flir gut erklärten Zeit gerechnet, welche genau mit
denselben Farben gezeichnet wird wie im Areopagiti-
kos die von Solon heraufgeführte Periode bis zu
den Perserkriegen, was nebenbei bemerkt eine un-
verächtliche Instanz für die Richtigkeit der oben ge-
gebenen Auffassung ist, dafs Isokrates die im Areo-
pagitikos geschilderten Verfassungszustände wirklich auf
Solon bezogen wissen wollte, und somit der Satz zb yag
agyratov xrf. bei Aristoteles zunächst richtig interpretiert
war. Woher nun diese andere Auffassung? § 145 negi
Toig avtovg xgovovg y.a&ioTaoav \ni tag ctQ%ag xolg
7rgoxgt&tvrag vtzo twv (pv"k£rwv xcrt dr^orwv. Man
sieht, eine Ketractation seiner Worte im Areopagitikos :
nicht von Solon eingerichtet, sondern schon vor Solon
bestehend und von ihm nur belassen ist die Institution
des ngov-gheiv; nicht mehr unklar bleibt, wer das 7tgo-
v.Qtveiv besorgt: vno twv (pvkerwv xo/ öi^iotwv heifst es
ausdrücklich; unklar bleibt aber auch hier zunächst, ob
die Wahl aus dem ganzen Volke erfolgte. Allein diese
Unklarheit wird durch die etwas später folgenden Worte
aufgehoben (§ 147): . . . ^ivfitTCOT av yevto&ai, drmo-
'AQcrtiav aXrfteoTegav /nröi ßeßai(rrigav p^di un /.).<> v t(p
nXr^u ovfjKfiqo vaav tfjg twv iuiv toio vtwv ngcty (xa-
tbiwv (d. h. Amterbekleidung) aze Xeiav r<p ö-i t ut<>
diöovor t g, zov öi tag aQX&S yictraoiijoai aal Xaßeiv oVxr^r
7tctQa twv i^a/nagTovrwv Avgtov rzoiovorjg, ansg inag-
%u xori twv Tvgawwv TÖig etdaifioveoTccToig. Also
die Wahlen linden nicht aus dem nl^og oder drjfjog
statt. Etwa aus den yvwgifioi, um mit Aristoteles zu
reden? oder aus den Tififj^ava? Die Antwort giebt
Isokrates wieder an einer anderen Stelle (§ 131): xöw-
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- 88 -
8. Kap. oxqoavxo . . örjfAOKQaxtav . . . ccQiotov.Qaxta (de) XQiofii-
'* 7 ' 26 ff * * ' 7]v oi ftev TtoXlol xQrjOtiuüTarrjV olaav wonEQ xtjv
oltto twv t if.irj ftdtiüv ev xaig itoXixeiaig agi&-
[uovoiv, ob öV ccpafriav ayvoovvxeg, alla öia xc ^rjdev
TTionoT avxolg ftelrjoai TlüV deovxiov. eyio de Q?rui rag
(i£p Ideag xwv rtoXixeuZv rosig etvai fiovag, oXiyagyJav
örjiioxocaiav ftovagylav, twv d' ev xavxaig oixovvrtuv
oooi f.iev eliü&aoiv ifti rag dgyag xa&ioxdvai
Kai Tag aXXag rrgduBig xovg LKavvjxdxovg xvjv ttoXi-
x(av . . . . , xovxovg fiev ev anaaaig xaig 7CoXixelaig
nahog or/.tfoetv. Wer aber, heilst es weiter, umgekehrt
für die Ämterbesetzung sorgt, dem geht es schlecht,
wie es uns jetzt eben schlecht geht (gegen Demo-
ßthenes u. s. w.). Das thaten die Alten nicht, sie
nahmen die ßeXxioxovg xori cpgovi^orxdxovg Kai agioxa
ßeßuoKOtag (§ 143). Das war die Zeit, — so wird
der Anschlufs nach oben gewonnen — wo sie
azaoav siri xdg dgxag xovg nqoKqi&evxag vtxo xtov
qpvXexwv nai dr t {.ioxvjv. Jetzt haben wir eine klare
Vorstellung. Isokrates berichtet: in der Zeit bis auf
Solon bestellte man die Ämter, indem man von den
Phylen und Demen die geeignetsten und besten Männer
dafür auswählen (TtgoKgLveiv) liefs; das Wählen oltzo
xi\ir^kdxo)v wird dabei ausdrücklich zurückgewiesen.
Die übrige Polemik, die ja an sich klar liegt, ist des
öfteren behandelt worden ; sie ist für uns hier dadurch
interessant, dafs sie sich gegen die Akademie richtet.
Die Darstellung im Panathenaikos ist im Vergleich
mit dem Areopagitikos ein Rückzug auf der ganzen
Linie, nicht blofs im einzelnen, was die Ämterbesetzung
betrifft. Denn Isokrates setzt jetzt, d. h. nach etwa
15 Jahren, vor Solon, was er früher nach Solon an-
gesetzt hatte. Gegenüber dem aristokratischen Zug,
der den Charakter der Darstellung im Areopagitikos
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- 89 -
bestimmt, ist die Tendenz im Panathenaikos eine 8. Kap.
demokratische a outrance : seit Theseus die Demokratie, p 7 ' 26 ff '
diese Demokratie kennt schon die Phylen- und Demen.
einteilung, Peisistratos der tyrannische Wüterich. Die
Opposition gegen die la^ayvitovreg der Akademie hat ihn
zu dieser Utrierung getrieben. Er thut mehrfach über-
legen, um zu verschleiern, dafs die Kritik dieser Schule
auf seine historische Darstellung von Einflute gewesen
ist ; sie hat die Ketractation im ganzen wie im einzelnen
veranlafst. Man kann noch erkennen, wie sauer dem
Isokrates der Rückzug geworden ist; auf drei Stellen
verteilt er seine Angaben über die Amterbesetzung,
um nicht auf einmal zuviel zurücknehmen zu müssen,
und an der ersten Stelle maskiert er den Rückzug
durch eine die Gegner meistern sollende Polemik über
die verschiedenen Staatsformen. Aus den Kreisen der
Akademie stammte die Kritik seines Areopagitikos;
Aristoteles gehörte damals auch nach dem Urteile
der Gegner Piatons noch zur Akademie, und ich
zweifle nicht, dafs er mit seiner überlegenen historischen
Kenntnis unter Hinweis auf widersprechende Indizien
die historischen Angaben im Areopagitikos für falsch
erklart hat. Doch ob Aristoteles der Kritiker war
oder nicht, ein Hinweis wie der angedeutete hat statt-
gefunden, denn Isokrates repliziert auf ihn in direktem
Zusammenhange mit seiner historischen Darstellung
(§ 149 f.): tax ovv dv Tiveg dronov eivai fje rprj-
oetav .... oti toX(.u7) Xeyetv ojg axQißwg etdiog negl
7tQCtyiJid%u)v, olg ov naQi t v TTQaxro^lvoig iyw d' oidtv
TovTiov aloyov olpcu nouiv el fiiv yag poyog tni-
otevov to ig t£ Xey of.it voi g Jtegi %wv naXanov
xot tolg ygapfiaoi tolg et; inelvov tov xqo-
vov naga dedo ptvoig rtfi!*, tixorwg av fnitttup-
Hrjv. vvv Ös iroXXoi /.ai vovv i'yovreg zavtov iuoi (pareiev
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- 90 —
8. Kap. av 7tenov&6zeg . . . dXXa yag ovr* äfteXeiv /.aXiog t%u
.7,2« -fßp xoiovtvjv t'Ttohqipetov, zvxov yag ftrßevbg dvzeinov-
zog Xvpifivaivz* av %r\v dXy&eiav xze. Isokrates beruft
sich gegenüber der akademischen Kritik auf die schrift-
liche und mündliche Tradition. — Also auf die von Iso-
krates im Jahre 339 so retractierte Darstellung : 'bis auf
Solon und unter Solon wurden die Ämter besetzt durch
ein ngoxgivetv, welches die (ftXtzai und ör^ozai aus den
ixaviuzazot für die einzelnen Amter vornahmen 1 ant-
wortet Aristoteles zwischen 329 — 325: zu dgxcuov f] ev
tdgeiqj 7cdyq/ ßovXi) avayLaXeoanevrj xot xgivaoa xa#'
avzi]v icp 1 fxaaxv; zwv agywv in 1 eviavzbv xa&iocäoa
dntozeXXev. Auf die Berufung des Isokrates auf die
Tradition antwortet er mit dem Indizien beweis :
b&ev tri öia^tvu zaig (fiXalg xrl. und ar^itTiov ö* bzi
•*.Xr i gu)zdg Inoir^aiv ex z if.tr] (.i dz wv xzh.
So ist der Satz ib yag dgxatov uze. die Richtig-
stellung eines gegnerischen Berichtes. Aristoteles fügt
ihn seiner eigenen Darstellung hintenan; wir würden
in diesem Falle eine Anmerkung daraus machen. Der
polemische Charakter dieses Satzes erklärt nun auch
die befremdliche Thatsache, dafs hier auf die drakon-
ische Ämterbesetzung gar nicht Rücksicht genommen
wird. Aristoteles sagt eben nur soviel, wie er zur Be-
richtigung der gerade hier widersprechenden Auf-
stellung des Isokrates ftir notwendig erachtete; auf
einen Gegensatz zwischen Solons Institution und den
früheren Modalitäten der Ämterbesetzung überhaupt
kam es an dieser Stelle gar nicht an.
Eine kleine Schwierigkeit bleibt noch, ehe die
Interpretation weiter gehen kann, zu erörtern. Die
Ähnlichkeit zwischen einzelnen Stellen in Isokrates'
Areopagitikos und Aristoteles' Darstellung der Herr-
schaft des Peisistratos ist so grofs, dafs ein Abhängig-
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— 91 -
keitsverhältnis auf Grund eines dritten Schriftstellers 8. Kap.
sicher ist; denn direkt können sie nicht voneinander p " 7 ' 28 J
abhängen. Man kann aber als gemeinsame Quelle doch
nur eine Atthis l ) ansetzen. Nun beruft sich Isokrates
für seine Darstellung im Panathenaikos auf die Tra-
dition, mündliche und schriftliche; diese kann doch
nur in einer Atthis enthalten gewesen sein. Aber die
Darstellung in der jüngeren Rede ist grundverschieden
von der in der älteren. Hat er also für jene eine
andere Atthis als ftir diese benutzt? Denkbar wäre es
ja, denn seines Schülers Androtion Atthis konnte in-
zwischen erschienen sein; allein betrachtet man die
beiden Darstellungen des Isokrates auf den Unterschied
an thatsächlichen Angaben, so sieht man bald, dafs
nur die Angaben über die Ämterbesetzung geändert
sind, was überhaupt fast das einzige Thatsächliche in
der ganzen Darstellung ist, alles andere ist mehr oder
weniger ein allgemeines Herumgerede; und um dieses
in ein demokratisches Licht zu setzen, dazu bedurfte es
keiner neuen Quelle ; für die Verlegung seiner Darstellung
in die ältere Zeit ebensowenig. Denn was er im Areopa-
gitikos auftischt von einem unveränderten Zustande von
Solon über Peisistratos und Kleisthenes bis zu Salamis,
kann so in keiner Chronik gestanden haben ; er brauchte
jetzt nur seine alte Quelle in anderer Weise verfälscht
wieder zu geben. Damals hat er gelogen, indem er
wissentlich die Geschichte fälschte, im grofsen durch
') Ich bemerke ein für allemal, dafs ich «Atthis» nicht in
dem von v. Wilamowitz gebrauchten Sinne der 'Stadtchronik
Athens» verwende, sondern auch da, wo ich von «der Atthis»
scheinbar allgemein spreche, immer eine bestimmte Atthis
welches Autors auch immer meine, nämlich die dem betreffen-
den Schriftsteller an der betreffenden Stelle gerade vorliegende
Atthis.
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- 92 -
8. Kap. die Ignorierung der Tyrannis und der kleisthenischen
p. 7, 26 ff. R e f orm> i m einzelnen bei dem Bericht Uber die Aniter-
besetzung und mit der Übertragung der Züge der
Tyrannis auf die Demokratie. Jetzt zwingt ihn die
Kritik der Akademie, die Wahrheit zu sagen; nur halb
thut er es und auch dabei noch sehr gewunden, und
nun beruft er sich stolz auf seine Quellen, die er da-
mals weislich verschwieg. Dafs er jetzt andere hatte
als damals, ist trotz seiner Versicherung dem Panathenai-
kos nicht zu entnehmen. Die Übereinstimmungen im
Areopagitikos und der noX. *A&r\v. auf eine gemein-
same dritte Quelle, die Atthis, zurückzuführen, hindert
also nichts. Die Akademie oder Aristoteles war ihm
ferner beim Areopagitikos schon auf seine Schliche ge-
kommen; dafs er die Übertragung der Thätigkeit des
Peisistratos auf die Demokratie vorgenommen hatte,
war ihm vorgerückt worden. Beweis: im Panathe-
naikos fehlen bei der Idealisierung der alten Verfassung
alle die Stellen, welche eigentlich auf Peisistratos gehen ;
nur um den Schein des Rechtens zu wahren, heifst es
vom Peisistratos: dr^ayioyog yevo^tevog xai noXla rrjv
ftoltv Ivurjvdpevog xoi zovg ßeltiatovg twv itoXixiav
wg oltyagxixovg övrag i%ßa)M)v (Lykurgos und Me-
gakles) Televriov zov ze dr^ov *at£\voe xcm tvqccwov
avzov xartozrjoe, womit er sagt: ich habe die Über-
tragung jener Züge nicht vorgenommen, denn solch
ein Mensch war der Peisistratos — woher bei ihm die
Züge, die ich an der alten Demokratie wieder fand?
Er lügt wieder, nachdem er den Ansatz gemacht hatte,
die Wahrheit zu sagen. Ein klägliches Bild, besonders
kläglich im Gegensatz zu der wissenschaftlichen Ruhe,
mit welcher Aristoteles in der 7toh 'ASy. die Antwort
giebt.
Polemik enthalten auch die nächstfolgenden Sätze ;
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ob sie gegen Isokrates direkt gerichtet ist, ist mir 8. Kap.
zweifelhaft, jedenfalls gegen die Überlieferung, die er p * 81 1 ff '
vertritt. Nach dieser bestand zu Solons Zeit schon
die Phylen- und Demeneinteilung (s. 0. S. 87). Aristo-
teles setzt dem sein cpvlai ö* qoav zazzageg xa&ct7reQ
7ZQozegov entgegen. Mit den 10 Phylen waren die
Demen verbunden, mit den vieren nicht; er wehrt mit den
Worten (pvXai zbzzaQeg die ganze andere Darstellung ab.
Der Zusatz Y.ai>antQ jzqoziqov wird für das Folgende
durch die Verbalformen rjoav veve/Atjuevat. und ?}v xa-*
xheazrjxvla im Bewufstsein des Lesers lebendig gehalten,
und besonders klar kommt es dem Leser zum Bewufst-
sein, dafs hier von Institutionen die Rede ist, welche
Solon nicht einsetzte, sondern reeipierte, wenn er nach
dieser unpersönlichen Darstellungsweiso zu den persön-
lich gehaltenen Worten ßovXrjv ö*' inotyoe kommt:
hier setzt Solons Thätigkeit ein. Die Demarchen hatten
die Kassenangelegenheiten unter sich ; hätten sie schon
zu Solons Zeit bestanden, wie die bei Isokrates zu
Grunde liegende Version annimmt, so müfsten sie in
den Gesetzen Solons vorkommen. Allein — wieder ein
Indizienbeweis — in den solonischen Gesetzen werden
für die späteren Demarchen die Naukraren oft genannt.
Die Überlieferung ist wieder gerichtet.
Aristoteles setzt also die Institution der Naukraren Naukraren
schon vor Solon. Dafs wir über die sonstige gewifs
nicht geringe Stellung der Naukraren — sie waren
Kassenbeamte — in dem Staatswesen im Unklaren
bleiben, schadet nicht soviel, wie es nützt, dafs
Aristoteles den Bericht des Herodot bestätigt, nach
welchem die Naukraren schon um 640 v. Chr. bestehen.
Bestand die Institution aber schon in der Mitte des
7. Jahrhunderts, dann sehe ich nicht, wie man sich
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8. k»p- bei der Meyer'schen Etymologie *) des Wortes vav-
P . 8, l ff. xQagog von va $g un( J dem Stamme xäp-, %Qä beruhigen
kann, wie es jetzt allgemein zu geschehen scheint. Ich
vermag wenigstens nicht einzusehen, wie ein Amt
seinen Namen von der Sorge für die Flotte tragen
soll in einem Staate, der zu der Zeit, wo dieses
Amt eine bedeutende Stelle in der Verwaltung ein-
nahm, gar keine Flotte hatte, noch auch eine haben
konnte. Ja, man kann nicht einmal auf eine Kolonial-
politik hinweisen, denn um 650 v. Chr. gab es eine
solche für Athen noch nicht. Es scheint mir, dafs
diese Ableitung aus demselben Grunde unmöglich ist
wie z. B. der ernstliche Baunacksehe Versuch, ^d^vrj
und ]Attiy.ti etymologisch zusammenzubringen; dieser
Grund ist die Geschichte. Athene wird erst durch Athen
Herrin von Attika, vorher herrschen andere Gott-
heiten; der Name s4t&ig — *^ivti-M[ ist älter als die
Herrschaft der Göttin über das Land, das seinen
Namen von ihr tragen soll. Der Name vavxgagog
soll von der Sorge für die Flotte, natürlich der des
Staates, da es sich um den Namen eines Staats-
beamten handelt, herkommen ; aber der Name ist älter
als die Epoche, da der athenische Kaufmann seine
Schiffe baute, und viel älter als der Zeitpunkt, da der
Staat selbst zum Bau einer Flotte kam. Ich mufs mich
mit diesem negativen Schlüsse vorläufig zufrieden geben.
Denn die Möglichkeit, dafs Name und Amt aus einer
anderen Zeit oder aus einem anderen Staate herüber-
genoramen seien, kann nicht in Betracht kommen. So
lange das Wort nur in Athen nachweisbar ist, mufs
es als in Athen für die Funktionen des Amtes, dessen
Wesen es bezeichnete, geprägt gelten; wer aber in
') Curtius Stud. Vit 175 ff.
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Athen nach einer Periode suchen will, da ein solches 8. K»p.
Seeamt eingesetzt worden wäre, der müfste sich die
Frage gefallen lassen: ag' ijörj y.ai ta i'rv/Aa ovy. avev
ye Grjaetug 1 );
Wenig sagt Aristoteles über die Neuordnung der Bule, p. 8, 9
aber gerade soviel, wie genügt, um den Fortschritt gegen
Drakon zu markieren. Nach dieses Verfassung wird
die Bule, wie andere Ämter, aus der ganzen mit Staats-
rechten bedachten Bürgerschaft zusammengesetzt ohne
Rücksicht auf die Phyleneinteilung. Solon läfst das
demokratische l'oov eintreten; jede Phyle stellt gleich-
viel Buleuten; damit hängt die Veränderung der Zahl
zusammen: ßovXr t v d* snot^ae T£iQcr/.ooiovg, htccröv ef;
hnaavqg q>vlyg. Zugleich enthält die Darstellung dieses
Kapitels im Zusammenhang mit dem dritten und vierten
eine Ablehnung der herodoteischen Angabe, dafs zur
*) In einer Anmerkung will ich wenigstens die Über-
zeugung aussprechen, dafs mir die sprachliche Gegeninstanz
gegen die Ableitung des Wortes von vttFos nicht soviel be-
weist wie die historische Thatsache, dafs die Naukraren in der
solonischen Verfassung Distriktsverwalter waren. Wie die
Tttpttti aus Tempelbeamten in späterer Zeit zu Kassenbeamten
wurden, so könnte es auch mit den vavxQttQoi ergangen sein;
sie erscheinen wesentlich als solche. Im Heiligtum ruhte die
Kasse am sichersten, und der gentilicische Charakter der alten
Verfassung macht die Entwicklung der Naukraren aus Kult-
beamten besonders erklärlich. Die Hauptheiligtümer der von
den verschiedenen grofsen Geschlechtsgemeinschaften verehrten
Gottheiten waren natürliche Mittelpunkte für gröfsere Distrikte.
Für diese mufsten die Tempelbehörden besonders auch in
finanzieller Hinsicht eine administrative Thätigkeit entwickeln.
Der Staat hatte nur in feste Form zu fassen, was der Kult
historisch hatte werden lassen, und das war leicht, da Staat
und Kirche nicht auseinander fielen. — Die Bemerkungen von
A. Schäfer, Jahrb. f. Jd. Phil 1*71 (CHI). 54 beweisen nichts für
Athen.
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8. K»p. Zeit des Kylonischen Frevels die Prytanen der Nau-
kraren die Hauptverwaltungsbehörde in Athen waren
(V 71). Der Areopag war dies für Aristoteles in der
Prytauen Zeit vor Drakon. Prytanen hängen für Aristoteles in
Athen mit der Bule zusammen, daher treten sie in der
Verfassung zuerst auf, welche die Bule zuerst bringt,
in der drakonischen. Dafs sie eine bedeutende Stelle
im Staate hatten, ergiebt der Zusammenhang des 4. Ka-
pitels, aber bedeutender ist der Areopag. An der
von Drakon bestimmten Stellung der Bule ändert Solon
nichts; also bleibt die Stellung der Prytanen dieselbe
wie unter Drakon, die des Areopags wird noch ge-
steigert. Hätte Aristoteles unter Prytanen im 4. Kapitel
andere als die der Bule verstanden, d. h. bei der
Darstellung einer Zeit, wo die Bule schon existierte,
wo also jeder bei Prytanen an die Bule denken mufs,
so hätte er das gesagt. Die Naukraren blieben nach
Solon, was sie vor ihm waren, wie er es ausdrücklich
sagt, im wesentlichen Dktriktsverwalter. So ergiebt
des Aristoteles Darstellung, dafs von Drakon ab die
Prytanen nicht die der Naukraren, sondern die der
Bule waren. In der Zeit vor Drakon sind für ihn die
9 Archonten und der Rat auf dem Areopag, nament-
lich der letztere, die leitenden Behörden, was die Ar-
chonten betrifft ganz in Übereinstimmung mit Thuky-
dides (I 123). Die Prytanen der Naukraren werden
auch hier abgelehnt. — Im übrigen ist der Lakonismus
in der Angabe über die solonische Ordnung der Bule
für mich allein schon genügender Beweis für die Echt-
heit des 4. Kapitels. Mag der Darstellung der dra-
konischen Verfassung welche Parteischrift auch immer
zu Grunde liegen, sie enthält viele sehr alte Züge.
Dazu gehört die Zahl 401 für die Bule ; sie stellt sich
zu den ungeraden Zahlen 9 der Archonten, 51 der
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Epheten, 11 der t'vöexa, geht also in älteste Zeiten 8. Kap.
hinauf. Ebenso ist der Satz 6lg ibv atzbv ftr} oq%elv
hqo tov 7tdvxag dieX&elv *) ein Zeugnis für das Alter,
denn er setzt einen kleinen Staat voraus. Ebenso be-
weisen die Echtheit die hohen Strafsummen für Fehlen
in der Volksversammlung : das ist eben drakontisch 2 ).
Mit dem xXtjqovv und alg8ia&ai ist nicht viel zu machen,
denn vor ikaTTOvg p. 3, 23 ist eine Lücke, deren Um-
fang ungewife ist, und deren richtige Supplierung die
Schwierigkeiten heben könnte. Warum hat man nicht
auch an nctldag «x ya^ierr^g yvrjotovg Anstois genommen?
Für den nun folgenden Bericht über die solonische P . 8, 10 ff.
Organisation des Areopags bedient sich Aristoteles fast
derselben Ausdrücke, welche er in den beiden früheren
Abschnitten über diese Körperschaft gebraucht hatte.
») Kenyon 8 bemerkt, dafs für [tfie]£fi#efr KW« nicht
Kaum ist; vgl. Pol. 1300 a 26 äoj uv Jt^*jj Jt« navxmv rwr
TtoXirüiv vom Verlosen der Amter; aber auch ?wc av ÖK&X&rj
<Ft« nuvrbtv 1298 a 17 von dem Umgehen der Amter; hier
sehwankt jedoch die Überlieferung zwischen tFt<{-, öi- und
*) Die Ochsengeldstrafe aus Drakons Gesetzen bei Pollux
(IX 61) hat man für einen Beweis der Unechtheit des 4. Kap.
nur ansehen können, weil man nach dem Syllogismus sehlofs:
Cäsar hatte eine Habichtsnase, alle grofsen Männer haben eine
Habichtsnase, Lucius hat eine Stumpfhase, also ist Lucius kein
grofser Mann. — Die Parallelstellen Pol. 1297 a 14 ff. 1298 b 17
vgl. 1294 a 37, welche schon mehrfach in die Diskussion ge-
zogen wurden, sind doch ziemlich irrelevant für die Echtheits-
frage ; sie beweisen nur, dafs die drakontische Verfassung nach
Aristoteles' Ansicht eine oligarchische war, was nol. Lj&rjv.
p. 1, 7 ausdrücklich steht Bei dem ausgesprochenen Charakter
dieser Verfassung, die nie anders hat beurteilt werden können,
beweist aber die Gleichheit der Beurteilung wenig mehr als
nichts. Im übrigen habe ich absichtlich oben die Stelle Pol.
1274a 1 über die Bule, obgleich ich sie für echt halte, nicht
herangezogen; die Worte des 8. Kap. beweisen ja an sich.
Keil, Aristoteles. 7
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8. k»i». Kapp. 3.
p - 8 « 10 ff >} di zto>> Uqio-
nayizwv ßovXtj
Typ i*iv zdj-iv
elxe zov öiaz^geiv
zovg vopovg, dup-
"AEl di TO nXsi-
oza xal zu pi-
yioza zaiv iv zjj
noXei, xai xold-
Lovaa mal £17/11-
ovoa jtdvzag zoig
cc/.oouovvzag XI-
rj di ßovXrj ^ If
'Aotioi ndyov
qwXa^ r t v t&v vc-
{iiüv xai diezrjgei
zag aQxdg t ontog
xorra roi>g vopovg
8.
r^v de zalv 'Aqeo-
7cayiziuv (sc. /?ov-
Xrp) k'za&v i[yzi
zb] vopocpvXa-
xetv t tJ07reQ V7irjg-
XBv xai 71QOZBQOV
agxwoiv. iniaxonog ovoa
zijgnoXizeiag, xai
zd ze aXXa xai za
[Jtyioza zCjv no
Xiz(ixüvy dte-
zriQU) xai zovg
duagzdvovzag
rjv&vvev xvQia
ovoa [xai tr^i-
[ovv] xai xoXaCuv
xze.
Die Ähnlichkeit aller drei Stellen ist bedacht, aber
ebenso bedacht sind die Differenzen , deren Bedeut-
samkeit man über der sonstigen Ähnlichkeit nur zu
leicht übersieht. Die Interpretation geht wieder aus
') Auf die Athetesen des 4. Kap. nehme ich keine Rück-
sicht. Sie sachlich zu widerlegen, wäre in den meisten Punk-
ten nicht schwer, die Methode in ihnen, namentlich in Reinachs
Kritik, zu charakterisieren, unterlasse ich: difficäe est scUiram
non scrtbere. Die im Text gegebenen Ausführungen zeigen,
dafs die Angaben des 4. Kapitels sich nicht nur vertragen mit
der Anschauung, die Aristoteles von der Entwicklung der Ver-
fassung bis auf Solon hat, sondern dafs ohne sie sich Lücken
in der aristotelischen Darstellung finden würden. — Neben-
bei die Parallele: iyyvTjTas <f* rov avrov xiXovg öexopfrove
(p. 3, 28 f.X im Buleuteneid ovdk Ji}o<o W^va/W oöfcva, os
uv (yyvTjrcti tqvs xctfoorfi to avro rilos Tekoövrtts Demosth.
XXIV 144.
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von dem Parallelbericht des Plutarch (c. 10): 2tOTq- « Kap.
odpevog de tty iv Idgeiy ndytp ßovXqv ex twv „JJ" pJ u J
hiavzbv ciqxovtiov %r t v öi avu) ßovXfjv inioxO' Sol. 19.
jtov ndvuov Kai fpvhtm tiüv vofiiov ixd&toev . . . Ol
ftiv ovv Ttketazoi tt}v 'Agüov ndyov ßovhqv, worteg
ei'grjrai, loXwva ovatyoaoitai q>aoi ' xai ^agrvgelv av-
rolg doMti ndXiota 10 ^rjöauov %6v JgdxovTa Xkyuv
jur/d* ovoud^leiv Idgeonayixag , dXXd xoig frphmg det
diaXiyeottat 7tegi tiov qpoviKtüv. Im Folgenden führt er
dann selbst den 13. Axon des Solon für das frühere
Bestehen des Areopags an. Es ist an sich klar und
wird ausdrücklich durch das waneg eigijtai bestätigt
dafs Plutarch mit 01 fniv ovv TtXeiovoi ein eigenes Rai-
sonnement beginnt, und dafs nur die vorhergehenden
Worte seiner Quelle entstammen. Diese Quelle behaup-
tete nun gerade das Gegenteil von dem, was Aristoteles
sagt, kann also nicht aus diesem geschöpft haben.
Plutarch sucht selbst erst das, was bei Aristoteles schon
stand, zu beweisen; hätte er die tzqX. 'Athjv. bei der
Niederschrift dieses Kapitels zur Hand gehabt, würde er
die Autorität des Aristoteles anzuführen nicht unterlassen
haben. Dies ist nur ein Schlufs ex silentio, aber die
Autorität des Aristoteles macht ihn in diesem Falle
beweisend. So hat also Plutarch hier den Aristoteles
nicht benutzt; nicht einmal indirekt kann das Kapitel
aus Aristoteles geflossen sein 1 ). Nun decken sich
*) Das konnte natürlich Begemann a. a. 0. p. 20 noch
behaupten ; als Mittclquelle nimmt er Didymos an. Auch dies
erledigt sich im folgenden. Dafs Plutarch das Amnestiegesetz
aus Didymos hat, bezweifle ich nicht; aber gerade, dafs er
dieses in einer selbständigen Beweisführung verarbeitet, beweist,
dafs Didymos nicht für den ganzen Rest des Kapitels zu
Grunde liegt. Die Selbständigkeit der Beweisführung ist durch
7*
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8. K»p. aber die Ausdrücke eniamnov naviwv xai (pv'Aaxa
' 8t 10 ff tiov vofiwv in einer solchen Weise mit Aristoteles'
Worten, dafs hier ein Zusammenhang existieren mufs.
Da Plutarch Aristoteles hier nicht zur Hand hatte, die
Worte also schon aus seiner Quelle stammen müssen,
und da andererseits auch diese hier dem Aristoteles
nicht folgt, so bleibt nur die Annahme übrig, dafs
Aristoteles und diese Quelle auf ein gleichartiges
Quellenmaterial zurückgehen. Dieses Quellenmaterial
enthielt aber, wie aus Plutarchs Bericht folgt, diejenige
Überlieferung, welche von Aristoteles bestritten wird,
nämlich dafs erst Solon den Areopag eingesetzt habe.
>OC 37 ViI Isokrates im Areopagitikos sagt von der solonischen
Verfassung: ovza) yag t\fjiujv oi ngoyovoi atjodoa neql
%rp otofpQOOvvTjv eonovdatov, wate trjv e£ 'siqeiov rcct-
yov ßovXr\v en eazrjaav en i fuelelo&ai tr t g ev-
/.oa^iiag (§ 37) .... mal tovg axoo f.iovvzag
ccvrjov eig ttp ßovkijv' ij de tovg fiiv ivov&izei, zotg d*
yneilet, tovg <T wg ngoarj"/.ev exoXaLev (§ 46).
Uber die Bedeutung von eniaxrßctv kann man streiten ;
es kann darin liegen, dafs der Areopag damals erst ein-
gesetzt wurde, es braucht dies aber nicht damit gesagt
zu sein. Dafs dennoch jenes eneoxrpav die Bedeutung
von 'sie setzten ein' hat, beweist der Vergleich der
beiden Darstellungen der älteren athenischen Geschichte
im Areopagitikos und Panathenaikos. Dort, wo er die
Zeit von Solon ab behandelt, ist der Areopag die Seele
des Staates, hier, wo er die frühere Zeit bis Solon
schildert, fehlt jede Erwähnung dieser Körperschaft.
Isokrates denkt sich also den Areopag erst durch
Solon eingesetzt, d. h. am Schlüsse der Epoche, welche
das non liquet des Schlusses (ravrn fxtv oiv xai «trog tnioxona)
sicher indiziert.
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er im Panathenaikos schildert ; es ist ganz folgerichtig, dafs 8. Kap.
er von dem Wirken jener Körperschaft in der späteren p 8 ' 10 fl
Darstellung nichts sagt. Seine Auffassung stimmt also
mit der von Plutarch berichteten im Princip überein,
und auch im Ausdruck finden sich Gleichheiten (axo-
a^toivras;, ixokalev). Isokrates folgte aber einer Atthis ;
eine solche liegt auch Plutarchs Bericht zu Grunde. War
dies die Darstellung der Atthiden, dann ist Plutarchs
Angabe, dafs die meisten Autoren Solon die Einsetzung
des Areopags zuschrieben, besonders erklärlich. Und
dafs die Atthis dem Solon diese wichtige Institution
gegen die Wahrheit zuschrieb, liegt in der ganzen
solonfreundlichen Färbung dieser demokratischen Über-
lieferung begründet. Der Vergleich — um dies hier
gleich zu sagen — mit den früher behandelten Stellen,
an welchen dasselbe Verhältnis wie hier zwischen der
Quelle Plutarchs und der nol. l4$r}v. vorlag, ergiebt,
dafs, wenn an jenen Stellen Hermippos die Quelle
Plutarchs war, dieser auch hier dessen Berichte zu
Grunde liegt.
Aristoteles bekämpft die Überlieferung der Atthis, Areo P »g
deshalb setzt er an unserer Stelle ausdrücklich hinzu
wOTiCQ vnr^QXEv %ai nQOteQOv, gerade wie er oben in
der Polemik gegen die Hinaufrückung der Demen-
verfassung in die Zeit vor Kleisthenes '/.a^artSQ ttqo-
jcqov gesagt hatte, und wie er mit xa&antQ dii'.oiio
xcti Ttgotegoy (p. 6, 18) ausdrücklich den Atthisbericht
bestritt, welcher Solon die erstmalige Volksteilung nach
vier tiXi] zuschrieb. Dieses woneg vnfjgxev xai ngoregov
rechtfertigt zugleich die fast häfslich typische Ausdrucks-
weise an den drei auf den Areopag bezüglichen Stellen
einigerin afsen. Im übrigen liegt gerade in der drei-
fachen Wiederholung derselben Termini ein gutes Stück
Polemik; so schärft man seine Ansicht ein. Aber bei
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8. Xap. aller Gleichheit treten doch die Verschiedenheiten
• 8 ' 10 ff " deutlich hervor. Sie kommen am klarsten zum Be-
wufstsein, wenn man hintereinander erzählt, was Aristo-
teles zerreifst. In ältester Zeit gab es drei Beamte,
den Basileus, Polemarchos und Archon; sie walteten
zuerst auf Lebenszeit, dann auf 10 Jahre, endlich nur
ein Jahr. Zur Zeit, da sie auf ein Jahr bestellt
wurden, hatte der Areopag die Bestellung, indem
er nach eigenem Ermessen die Männer für die Ämter
aussuchte (p. 7, 26). Dann kommt die Periode, wo
die Beamten gewählt wurden; in sie fällt die Ein-
setzung der Thesmotheten : sie wurden immer nur fiir
ein Jahr gewählt (p. 2, 19 f.). Die Beamten hatten
die Privatprozesse (vag dixag) zu endgültiger Entschei-
dung abzuurteilen. Zu dieser Zeit hatte der Areopag
nach der verfassungsmäfsigen Ordnung (r^v
ftiv ra^iv el%e) nur die Stellung eines Aufsichtsrates
für die gesetzliche Ordnung im Staatswesen ; in Wirk-
lichkeit < rW/H de) leitete er fast alles und das Be-
deutendste, was die Staatsverwaltung brachte, und dazu
hatte er die Machtbefugnis, als einzige Instanz (xvquoq)
Korrektions- und Pönalstrafen l ) über alle zu ver-
hängen, welche sich gegen die bestehende Ordnung 2 )
•
*) Die Definition von xolct&iv und itfiiaQttv bei Aristot.
Rhet. 1369 b 12 {StatptoH 3k Tiucxna xa\ xolaaif fj /jkv yag xo-
Xaote tov nua^ovrof Hvexa Am»», ^ 3h TifJtoQftt roO noioCvrog^
Xva «7io7iXt t>«>;h \ giebt für xoldCftv die Definition, welche wir
auch hier gebrauchen. ClfnoOv wird ja meist von Geldstrafen
gebraucht; dafs es auch einen weiteren Begriff hatte, versteht
sich, und lehrt Pollux VIII 2 zudem ausdrücklich: ov %Qh «**
uyvotiv ort Cvf iitxv °*> T h v XQW ai(t f*wov ixnlovv, «JU« xttt
tt)v ttg to mZutt. Diese Bedeutung mufs es hier haben. Die
gewöhnliche hat (tifuovv und tjnfaftttoois p. 50, 7. 8; eine Zeile
vorher scharf: xqwuvi CtifiioOv.
2 ) to ig axoauoenag: so auch vom Areopag Isokr. Areop. 46
rovs axoafxodvTtts ävqytv tls ir} v ßov).r\v, und wie Aristot. p. 8, 13
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vergingen. Die Archonten wurden damals gewählt, aus 8. Kap.
dem Geburts- und Geldadel, und aus ihnen setzte der p ' 8 ' 10 f
Areopag sieh zusammen. Drakon: die Archonten
werden nach einem bestimmten Census gewählt; die
Zahl der Beamten wächst; die Gesetze sind jetzt kodi-
fiziert (p. 44, 23), nach ihnen haben die Beamten zu
walten. Es ist natürlich, dafs der Rat, welcher (pvXa§ tuv
vofnov war, jetzt die Aufsicht über die Beamten er-
tovs ifafinoTavovTtts ^agt an Stelle des in der früheren Parallel-
stelle sich findenden äxoafjoDvTtts, so verbindet Isokr. a. a. 0. 42 in
einer Antithese: od tovro notuTov taxonow. ö*i u>v xoXuaovat
TO Uff d x u a f.i o i vt a g . cli.i. cur 7 aoxcaxf vüoot at /jrj^kv «ürot'ff
afrov Cf}fiias itafiaoTuveiv. Beim Areopag wird mit Recht
von einem xoXu&tv rovs axoa/uovvrai gesprochen, weil er die
noXiit(a wahren soll; diese ist aber ein xiafiog. So setzt
Aristoteles Polit. 1307b 4 ff. xoopoe einfach für noXirtla ein:
(tos av TTRVTtt xivr)atooi tov xoapov und Isokr. a. a. O. § 37 sagt
rrjv iS *^Q((ov ndyov ßovXriv (nforijoav fniueleiaßat tijs tvxo-
Ofifaq. Der xCafxog wird durch das xoXdCnv und Ztj/luoOv er-
halten; vgl. Plat. Gorg. 508 a to oXov tovro (Das Weltall) . .
x<> au ov xaXovoiv . . . ovx axoOfj(ar ov<H axoXaafav. Da xonuoq
und für die staatliche Ordnung identisch sind, w ist, wo
ttxoXaota, auch ata&tt : daher Piaton , Kriton53d, txti (Thessalien)
nXitorri dttt^fa xal dxoXao/a verbindet; vgl. in der Inschrift
CIA. II 809 b 10 ff. tr)v tf* ßovXiiv rovs nivtttxoalovs fniftf-
X{lo9m tov anooroXov xoXa£ovam rovg ataxtovvtas ttav toitjodo-
Xtov xatu tobe vofjovg. axoo/uttv und dtaxtttv unterscheiden
sich von naoavopeiv. Nach Mommsen, Rom. Staatsrecht I*
140 kann man so definieren: dxoautiv und draxrttv sind die
etwas unbestimmten Bezeichnungen einer sittlich -politischen
Kontravention ; naoarofitiv bezeichnet eine bestimmte, definierte,
gesetzwidrige Handlung. Mommsen stellt a. a. O. Anm. 6 Cic.
de leg. III 3, 6 nec oboedientem et ttoxium civem in Parallele
zu Dionys. A. R. X 50 rovs dxoOfAovvttte % 7ragavofjovvrae tfg
ri)v iavrüiv (Beamten) tfriotav. Das dxooptlv untersteht einer
censorischen Co&rcition, das nttoavopciv einer magistratlichen
oder richterlichen Judikation. Man erkennt, wie falsch die
Hollander p. 2, 22 tijv töiv [(txoaj4ov]vttov xqioiv ergänzt haben.
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8. Kap. hielt, damit diese nach den Gesetzen walteten; eine
'" 8 ' 10 * Konsequenz dieser Stellung des Areopags ist es , dafs
gegen einen Beamten die Meldeklage bei der Aufsichts-
behörde eingereicht werden konnte, unter Angabe des
Gesetzes, gegen welches von dem Beamten ein Verstofs
begangen sein sollte. Die erhöhte Stellung des Areo-
pags gegenüber den Beamten ist also die Folge der
Gesetzeskodification und der Vermehrung der Beamten.
Auch der Bürger weifs jetzt, was Rechtens ist, nicht
allein der Beamte ; gegen den Beamten, der seine jetzt
gesetzlich festgestellten Befugnisse überschreitet, mufs
es eine Instanz geben, die in der 'Wächterin des Ge-
setzes' sich von selbst ergab. In Solons Verfassung
wäre eine Beschränkung der Machtbefugnisse des Areo-
pags natürlich gewesen, allein Solon wies ihm die
Stellung im Staate wieder an, die er vor ihm hatte;
das vouoqwXaxBtv behält die areopagitische Bule,
okotios oloa i% nohteiag. Es wird in den Ausdrücken
auf die Zeit vor Solon zurückgegriffen : sie leitete fast
alles und das Bedeutendste, was die Staatsverwaltung
brachte ; sie hatte die Machtbefugnis, Korrektions- und
Pönalstrafen Uber die zu verhängen, welche sich gegen
die Staatsordnung — denn diese untersteht der Auf-
sicht der areopagi tischen Bule — vergingen. Ihre ab-
solut unverantwortliche Stellung als richtende Behörde
in ihrem Kreise geht besonders daraus hervor, dafs
sie die eingetriebenen Strafgelder, ohne ihre Provenienz
nachzuweisen, also in unkontrolierbarer Weise, an die
Staatskasse abführte. So hatte der Areopag das ro^uo-
fpvXcr/.eiv , (öaneQ 7iqotiqov\ die Sätze xert vd te aXXa
— diettjQti und xori tovg auaQzdvovvag — [ei07iQatT\e-
o&ai sind die Ausführung zu der vorhergehenden all-
gemeinen Angabe. Aber der Areopag behielt unter
Solon nicht nur seine alte Stellung, seine Kompetenz
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wurde sogar von Solon erweitert: ihm wurden s. Kap.
entsprechend seiner Stellung als bzioxonog trjg noli - p " 8 " 10 f
-ceiag die Meldeklagen über Versuche auf Umsturz
der demokratischen itoKixda zur Aburteilung über-
wiesen. So suchte Solon die Verfassung gegen
oligarehisch-tyrannische Revolutionen zu schützen; um
aber auch im Falle neuer politischer Konflikte die
Zeit des Zwistes abzukürzen und somit das Übel
wenigstens zu beschränken, gab er das bekannte
Gesetz gegen den politischen Indifferentismus 1 ). Die
fLttooi sind die Indifferenten im Staate, um mit
Aristoteles zu reden; sie geben den Ausschlag in der
azdaig 2 ). Man erkennt, dafs Aristoteles mit Bedacht
diese beiden Gesetze an das Ende seiner Darstellung
der solonischen Verfassung stellte: er will angeben,
wodurch Solon seiner Verfassung die Zukunft zu sichern
gedachte.
•
») P. 8, 18. Bei Plut. Sol. 20 kürzer aupov thai tov fr
otttaet undirtoas uhh'Jos yevofttvov. Gell. II 12, breit und,
wie die einleitenden Worte beweisen, nicht aus Aristoteles selbst :
In legibus Soloni* Ulis antiquissimis, quae Athenis axibus ligneis
incisae sunt quasque Iotas ab eo Athenienses, ut sempitemae ma-
nerent, poenis et religionibus sanxerunt, legem esse Aristoteles re-
fert 8criptam ad hanc senientiam : Si ob discordiam q. s. Ein-
leitung sowohl wie Fassung des Gesetzes bei Gellius mit ihrem
rhetorischen Charakter zeigen, dafs dieser hier aus einem
Redner schöpft. Übrigens vgl. Herodot I 29 oQxioiat yao
H f y «' Xotot xartf/ovro <JYxn erfa xQn ata9at vofjoiai, rovq nr aq *
2:6 luv fHjTttt.
2 ) Die utaoi sind an den extremen Interessen von reich
und arm nicht beteiligt, Polit. 1295 b 1 ff., also zum Indiffe-
rentismus geneigt; ebenda 36: die Städte wurden am besten
verwaltet, Iv als «f<7 nolv ro pioov xal XQthrov pitUora /uiv
auq-oiv, it fjLti, SttrtQOv ufoove' nooartdtytvov yao noitr
$o7zt]V xal xtokva yivta&ai rag havtfat intoßolaq und
1296 a 7 ff.
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- 106 -
8. Kap. Der Zusatz, dafs Solon dem Areopag die Eisangelien
p 8 16 t" i_ »t • •
p ' ' ' über Verfassungsumsturz zur Aburteilung überwies, ist
bedeutsamer, als er in seiner Einfachheit aussieht. Die
politischen Prozesse gehörten vor Solon vor ein
anderes Forum, vor die Richter am Prytaneion. Das
lehrt das solon ische Amnestiegesetz (Plut. Sol. 19),
über das viel geschrieben ist. Ich lasse mich auf eine
Polemik nicht ein, sondern will nur darstellen ; wo und
was ich von andern dabei gelernt habe, wird, wer die
Litteratur kennt, leicht sehen; es hatte für meinen
Zweck keinen Sinn, die Unzahl von Citaten aus der
modernen Litteratur zu geben 1 ). — Was man unter
Epheten Epheten mindestens bis zum Jahre 409/8 sich zu denken
hat, kann nicht fraglich sein. Der Stein CIA. I 61 und
die in ihrem Ursprünge vorzügliche Glosse eines alten
Lexikographen, welche in mehreren Brechungen bei
Photios, Suidas und im Etym. Mag. vorliegt 2 ), lassen
keinen Zweifel, dafs es ein Richterkollegium war von
51 Mitgliedern, welche über 50 Jahre alt und unbe-
scholtenen Lebenswandels sein mufsten. Auslsokrates
(XVIII, 54) 8 ) lernen wir, dafs in einem Epheten prozefs,
r ) Litteratur, moderne und antike, bei Philippi, Der Areo-
pag und die Epheten, S. 217 ff. Busolt, Gr. Gesch., I 407 ff.
2 ) Phot. ((ff-rai 2. Suid. t(f (rm 2. Et. Mag. 402, 1 : av-
vti(q v' ert] ytyovoreg xal aQtOia ßfßnax^rttt inolritytv *x ov ~
T*f, o'i xal rag (fovixng Jixag (xqivov. fxaXeiro J' ftvtüv rv
(fix«ffrij'()t« tqtrtov. Die Güte dieser Glosse besteht in dem
negativen Vorzug, dafs der Unsinn über das Richten der
Epheten an 5 Gerichtsstätten fehlt, und in dem positiven, d. h.
der Angabe vbcq v «tij; über diese Altersangabe vgl. Krech,
de Craieri tyrmia/uartov ovraytoyfj (Diss. Berol., Greifs wald 1888)
p. 36 ann. 48, doch läfst sich das Material noch vermehren.
3 ) (kayxuvovotv avjot tfovov titxriv fall riaklatiftp § 52)....
(7rTttxoaf(ov filv tSixitZCvurn-, rerTtigtov <J£ xnl <Jrf*« /jttQTVQijaav-
Ttov nntQ ovtosi ouötfifav \pf\(fOV (titilußtP*
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— 107 -
der nicht lange vor 399 gefallen sein wird, 700 Richter s. Kap.
am Palladion urteilten ; mithin war hier die alte Zähl p 8 ' 16 f '
zwischen 409/8 und 399 aufgegeben ; die Mitglieder des
Gerichtshofes am Pallad ion hiefsen weiter Epheten, aber
die Richter wurden nach Analogie der heliastischen
Richterabteilungen bestimmt. Aus demosthenischer Zeit
ist ein bestätigendes Zeugnis erhalten 1 ). Aristoteles
belehrt uns nun, dafs zu seiner Zeit am Palladion,
Delphinion und beim Phreatos erloste Richter richteten.
Der Name der Richter ist leider gerade nicht erhalten :
P« 65, 13
aber Harp. v. ini IlaXkadiq) 2 ) , wo unser Buch aus-
drücklich genannt ist, ergiebt, dafs schon vom ersten
Herausgeber die Lücke richtig mit ktptxai ausgefüllt
ist. Diese Stelle darf nur unverwendbar finden, wer
selbst die Worte eines Schriftstellers, wo er diesen mit
Namen nennt, stets wörtlich citiert; wer das nicht thut
und leugnet die Verwendbarkeit der Harpokration-
stelle für die Textesrekonstruktion, verlangt von den
alten Lexikographen, was er von sich selbst nicht ver-
langt; im übrigen enthält ein bisher nicht herange-
zogenes Aischinesscholion 8 ) ein wörtlich zu nennendes
Citat, wenn auch ohne Berufung auf die noX. *A§r\v.,
l ) [Demerath.] in Neaer. 10. Diese Stellen zuerst bei
Forchhammer, De Areopago, p. 85 (Kiliae 1828) und Schümann,
Antiquitt. iur. puM.Att. p. 29, 5 gewürdigt; daraus die anderen.
*) inl IIaXXaö*(t{) dnfioa&(vt\g Ip tö> x«r' AgtaroxQarovs
(§ 71)' StxaotriQtov ioitv oVrti xaXovfuvov, tos xal 'AQtaroriXr^s
iv A&r\va(tov noXtrtfq, (v y öixa(ov<nv axovaiov tporov xal
ßovXevottog ol i<f'£rtu.
•) Schol. Aeschin. II 87 inl naXXattftp' inl rourp (xqIvoyxo) /, p J, ,
ol axovaiot yovoi. ol ö*k fr touto) Tfp dixaarriQUp dixafavxtsi I'
'xaXovvro (ifijM' tdtxatov dk oxorofov qovov xal ßovXt uotios,
xttl oixirijv % jufrctxov ^ {A-or änoxTctravn; wozu Aristot.
7t oX. A&tjv. p. 65, 4 rtov <f uxovoltov xal ßovXevoetos, av otx(xr\v
uTtoxTitvrj Tis fi fiftotxov rj {/joi-, ol i[n\] JTa[XX]adfto.
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— 108 -
8. Kap. und die iq>£tai erscheinen auch hier. Es war an
p. 8, )6 f. a jj en ^ re j Richtbeilen die Besetzung nach heliastischem
Muster durchgeführt, aber von einer Verdrängung
des Namens der Epheten durch den der Heliasten kann
nicht die Rede sein. Diese Gerichtshöfe waren mit der
Religion verbunden ; ihr Name konnte nicht ohne Asebie
aufgehoben werden *). Durch Aristoteles sind wir jetzt
auch ganz sicher, dafs die alten Formalitäten gewahrt
waren: unter freiem Himmel, im Temenos also, drei
Tage 8 ) hintereinander richtete man, und der Basileus
nimmt den Beamtenkranz ab. Äufserlich ist an der
Institution der Epheten in Namen und Formalitäten
nichts geändert worden, aber man hat sie innerlich
nach dem Muster der demokratischen Heliastengerichte
umgeformt; wahrscheinlich doch um das Epochenjahr
404*3.
Gericht »m A m Prytaneion haben nie Epheten gerichtet.
Aus dem solonischen Amnestiegesetz 3 ) ergiebt sich
mit Sicherheit, dafs am Prytaneion in vorsolonischer
Zeit Epheten nicht gerichtet haben. Wer richtete,
erfahren wir nicht. Nun lernen wir aus der noX.
l4&ip., dafs um das Jahr 330 dort die Phylobasileis
richteten 4 ). Diese Beamten sind als zu dieser Zeit
1 ) Der Name hängt an der Gerichtsstätte; dem Wesen
nach waren die späteren Epheten gewöhnliche Richter.
2 ) So nach J. Lipsius' mir sehr plausibler Supplierung
(Berichte der k. sächs. Gesellsch. d. W. 1891, 52): dixdCovai[v
rp*r]«f[o]t xal vnaM<uoi. K 8 giebt nach dem v ausdrücklich
eine Lücke von 4 Buchstaben.
8 ) iHlptnv oooi art/Lioi yoav, ngiv r\ Zitltovn up;at, im-
xlfjiovi elvni 7zli)v ooot "AQtiov nayou 17 Caot (x rtuv itferdüv
*j ix 7tQvrttvt(ov xtatcJixaoütrTts vnb Twv ßnatUtüv in\ q-ovtp
ff o<fayatotv T t tn\ tvoawidt iytvyov, Sie 6 ötauoi tyaVij oSt
Plut. Sol. 19.
*) IJoX. 'A&tjv. p. 65, 20 ötxd&t tf* 6 ßnoiXevg x«l of tfvXo-
ßaoiteie. Der Archon König präsidierte, diePhylenkönige bildeten
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existierend inschriftlich bezeugt 1 ); ihnen lag, wie s. Kap.
die betreffende Inschrift lehrt und zu erwarten p - 8 ' 16 f -
war, der Kult der Phyleneponyme ob. Sonst ist das
Amt in der Zeit der Demokratie völlig aus der Ver-
waltung des Staates verdrängt, eine Erinnerung an
eine frühere Verfassungsperiode. Wenn nun dieses
Amt um das Jahr 330 trotz seiner staatsrechtlichen
•-* > w
Nullität noch wchterliche Funktionen ausübt, so kann
man diese Kompetenz nur historisch erklären; sie ist
den Phylobasileis aus älterer Zeit geblieben. Die
Demokratie überträgt successive alle Gerichtsbarkeit
dem Demos. Die wichtigere Gerichtsbarkeit der Kpheten
hat sie in ihrem Sinne umgestaltet oder in Beschlag
genommen. Die Gerichtsbarkeit am Prytaneion hat
sie sich auch angeeignet; aber hier führte sie nicht
neue Kollegien ein, sondern nahm dem Gerichtshofe
alle wichtigen Kompetenzen, so dafs nur das Schein-
gericht übrig blieb. Dieses mochten die Phylobasileis
unbeschadet der Souveränität des Demos weiterfuhren.
Die Destruction der alten Gerichtsbehörden beginnt
mit der Einführung der Volksgerichte ; sie ist etwa mit
dem Jahre 404/3, wo die Ephetengerichte umgestaltet
wurden, vollendet; jetzt beginnt der Abbau der Ge-
richtsbarkeit der Ekklesie und Bule. In diese Ent-
wicklung ist auch das Gericht am Prytaneion mit ver-
wickelt. Wenn denn also die Scheingerichtsbarkeit der
Phylobasileis am Prytaneion nur der traurige Rest
früherer gröfserer Machtstellung ist, und wenn wir aus
das Kollegium; #ix«(hv wie in dem ganzen Kapitel in weiterem
Sinne. Pollux VIII 120 nQoeiOTyxeattv dk jovtov rov ötxaair\'
q(ov <fvXoßaoiXite, ovg &ffi to ifineoöv ai/zr/or vntnoiu'nai ist
konfus.
J ) CIA. II 844 fx T(öv tfvloßaaUixtov (f[v]lo[ßa]atX[€0aiv]',
vgl. H. Droysen, Hermes XIV 587.
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- 110 -
8. Kap. dem Amnestiegesetz Richter kennen lernen, welche eine
p. s. 16 f. g rö f g e r e Gerichtsbarkeit am Pry taneion hatten , so
sehe ich es als die natürlichste Annahme an, dafs
diese Richter am Prytaneion die Phylobasileis waren;
sie richteten, wie das ihrer Stellung im Staate be-
sonders entspricht, über Fälle von Verfassungsumsturz.
Solon hätte in Anlehnung an die bestehende Ver-
teilung der Gerichtsbarkeit seine Eisangelie litl
xaialvaet tov dfjpov dem Gerichte am Prytaneion
übertragen müssen; er giebt sie dem Areopag.
Nicht dem aus so wenigen Mitgliedern bestehenden
Gerichtshofe, wo oligarchische Einflüsse sich leicht
geltend machen konnten, wollte er den Schutz der
Verfassung anvertrauen. Es ist dies eine mittelbare
Beschränkung der Kompetenzen des Gerichtes am
Prytaneion. Genommen hat er diesem die Fälle ini
ivQavvidt, nicht, denn noch in der ersten Hälfte von
ol. 93, 4 (405) ist ihre Gerichtsbarkeit durch das Pse-
Andok. phisma des Patrokleides (Andok. I, 77 ff.) 1 ) bezeugt.
Die Worte, welche darin dem solonischen Amnestie-
gesetz entlehnt sind, haben sich viel gefallen lassen
müssen: r] igldgeiov jtayov r) tojv iyeiwv rj ix. IIqv-
zaveiov rj JeXyiviov idix-aad-t] r] vno riuv ßaotletov.
Dafs das letzte rj falsch ist, ergiebt die genaue An-
lehnung an die Wortstellung des älteren Gesetzes
xazaör/.aa&6VT€g vno xwv ßaotXdxov' es ist zu tilgen,
wie schon seit langer Zeit erkannt ist 2 ). Zu erklären
bleibt JeXyiviov. Zur Zeit des Atimiegesetzes war
1 ) 7tXr)v onooa iv oryltttg yfyoanrtti rcäv f*r) iv&adt fAii-
vavrtov, r) t$ Itofi'ov ndyou rj tiuv iqfTtov fj ix Uovrccvetov fj
sftl<f ivlov ttiixäa&r] rj vno ifäv ßaaikfav, rj inl <povfp ttq iou
ifvyr) fj &ararog xttTCyvtoo&r), r) atfttytOatv fj rvgavvoig.
2 ) Vgl. Sluiteri Lectt. Andoc. ed. Schiller (Leipzig 1834)
p. 86 sqq.
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- 111 —
das Gericht am Delphinion noch wesensgleich mit den 8. Kap.
anderen Ephetengerichten , darum fallt es mit unter p * 9 ' 16 ]
Tidv iq>eTidv. Wenn es jetzt besonders genannt wird, so
hat eine Veränderung stattgefunden, welche es von den
Epheten am Palladion und beim Phreatos unterscheidet ;
welche das war, kann nicht zweifelhaft sein. Die
lysianische Rede über Eratosthenes' Tötung hat schon
längst den Verdacht erregt, dafs sie nicht vor den alten
Epheten, sondern vor heliastischen Richtern gesprochen
sei 1 ). Ich sehe daher in jener Sonderung des Delphi-
nion das erste Zeugnis für die Besetzung des Epheten-
gerichtshofes nach heliastischem Muster. Wer über das
vor JeXytviov fehlende ix nicht hinfortkommt, mufs
schon vor twv iqiercov, wo die Präposition auch fehlt,
stehen bleiben. Wenn der Antragsteller hier das demo-
kratisch reformierte Gericht am Delphinion nicht mit
unter den Namen der Epheten begreift, so beweist das
nicht gegen meine vorher aufgestellte Ansicht, dafs die
Epheten den alten Namen unter verändertem Wesen bei-
behalten hätten. Der Antragsteller scheidet nach der Be-
setzung der Gerichtshöfe ; da konnte er den Namen, dessen
Weiterleben Demosthenes (Aristokr. 88) und Aristoteles
bezeugen, nicht gebrauchen, denn unter fxpitai begriff
man schon zwei verschiedene Arten von Gerichtshöfen.
So sondert das Psephisma Areopagiten, 51 Epheten,
Phylobasileis am Prytaneion, heliastische Richter am
Delphinion. Im folgenden ist aufser in der verständ-
lichen Zweiteilung r] Inl <f6r<<> zig iori (fvyij ij &d-
vaxog AatByvioadr h welche dem einzigen eni (povy im
Amnestiegesetz entsprechen, trotz des vorhergehenden
Zusatzes von § JeXyiviov — oqxxyeioiv und xvqavvoig
haben ihr Korrelat — nichts hinzugesetzt. Damit ist keine
') Meier-Schömann-Lipsius, Att. Proc, S. 174 f. Blafs,
AU. Bends., I a 572, 3. Philippi, Der Areopag etc., S. 318 ff.
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8. Kap. Responsion aufgegeben, denn auch das Amnestiegesetz
' 8 ' 16 - f enthält keine , wenigstens nicht eine solche , wie man
sie gefordert hat. Dort sind auch die Gerichtshöfe
nach der Verschiedenheit der Besetzung aufgeführt,
aber die Vergehen nicht nach den Gerichtshöfen, son-
dern nach ihrer Qualität. qtovog und oyayaL ge-
hören dem Kriminalprozefs, die xvQavvig dem Staats-
prozels an; daher hcl r/>öVr t o ocpayaioiv rj etil
tvQQvviöi, nicht ini (povtt) rj Ini orpay. ij Ini xvq. Die
sachliche Einteilung entspricht hier der Abfolge der
Gerichtshöfe; dafs man so <povog y oipayai, tvQctvviq
ordnete, wo es ging, ist verständlich, aber es ist ein
Zufall, dafs es möglich war; denn sonst zerreifst die
athenische Gerichtsbarkeit die rechtlich gleichartige
Materie doch nur zu oft. Wenn also Patrokleides
f] Jeltpiviov anflickt, 80 erwuchs für ihn daraus keine
Nötigung, auch im Folgenden zu ändern. Um zusammen-
zufassen: die Phylobasileis hatten am Prytaneion poli-
tische Gerichtsbarkeit vor Solon ; Solon läfst sie ihnen,
soweit wie sie sie haben, aber er giebt dem Areopag,
was ihnen nach alter Ordnung gebührt hätte, die Eis-
angelie ini marakioei töv dfytov. Noch im Jahre 405
sind sie im Besitze dieser Gerichtsbarkeit, während
am Delphinion schon eine demokratische Umgestaltung
vorgenommen ist. Unmittelbar darauf haben auch die
Gerichtshöfe am Palladion (vor 399) und beim Phreatos
sich zu quasi-ephetischen umwandeln lassen müssen.
Vielleicht zu gleicher Zeit wird den Phylobasileis ihre
Gerichtsbarkeit bis auf ein Scheingericht beschränkt.
Im 4. Jahrhundert ist die Klage ini Tvgawidi in das
Eisangel iegesetz aufgenommen , gehört also vor die
Ekklesie und in zweiter Linie nach dem gewöhnlichen
Geschäftsgange vor die Heliasten unter dem Präsidium
der Thesmotheten.
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— 113 —
Die Mafsregel Solons gewinnt in diesem Zusammen- ß. Kap.
hange Bedeutung. Solon wahrt nach Aristoteles, wie p ' 8,10 *"-
gezeigt, nicht blofs die Rechte des Areopags, er er-
weitert ihm auch bedeutsam die Kompetenz, indem er
ihm einen Prozefs überträgt, der eigentlich einem älteren
Forum hätte zufallen sollen, der aber mit der Stellung
des Areopags als enioxonog zqg Ttoliteiag im Einklang
steht. Die Angaben des Aristoteles über den Areopag
bis zur solonischen Gesetzgebung sind also nicht iden-
tisch, sondern geben eine den Verfassungsperioden ent-
sprechende Entwicklung seiner Kompetenzen zu er-
kennen. Wenn in den mit epischer Formelhaftigkeit
wiederkehrenden Angaben Polemik lag, so liegt in der
Andeutung einer Entwicklung der Gerechtsame dieser
Körperschaft ein Beweis für die Richtigkeit der contro-
versen Behauptung, dafs die areopagitische Bule vor
Solon existierte. Denn nur an Bestehendem ist Ent-
wicklung möglich.
Allein wir können unseren Satz noch nicht ver- Beamten-
lassen. Ich habe die Untersuchung absichtlich bisher Boai ^J
über einen Punkt hinweg gleiten lassen, welcher der
gegebenen Auffassung, dafs Solon die Kompetenzen des
Areopags nach Aristoteles nicht blofs wahrt, sondern
sogar vermehrt, zu widersprechen scheinen könnte.
Drakon gab dem Areopag die ev&vva: liefs sie ihm
Solon nach Aristoteles ? gab er sie nicht vielmehr dem
Volke? Aristoteles erzählt, dafs es eine Periode der
athenischen Verfassung gab, in welcher der Areopag
die Ämter auf ein Jahr ccQiOTivdrjv aal nlovtivdrjv b e -
8 teilte (Kap. 5) 1 ); das war die Periode, welche un-
*) Das ttQiat(vdr\v xal 7tIovt{v#t}v schliefst natürlich das
xqtvtiv . . . tov tniTTiÖHov i(p' kxäoTy rtov «^wv xri. c. 5
nicht aus.
Keil, Aristoteles. 8
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— 114 -
8. Kap. mittelbar auf die 10j ährige Amtsbefristung folgte. Nun
>. 8, 10 ff. k ommt Epoche, wo der Areopag nicht mehr be-
steilt, sondern wo die Amter durch Wahl aQiozivdijv
xai 7zXovztvörjv besetzt wurden. Wer wählte? Wer
hatte die Beamtenkontrolle? Es folgt die drakontische
Verfassungsperiode : die Ämter werden nicht mehr
durch eine Wahl aQiazivdrjv xal TrXovzivdyv besetzt,
sondern durch eine Wahl oder Erlösung aus der no-
fazeia, welche durch einen bestimmten Census ab-
gegrenzt war (zo onla nccQexeo&ai) ; für höhere Ämter
gehörte innerhalb der 7iolizela ein bestimmter Census
zur Qualifikation. Wer wählt? Wer nimmt die evdwa
ab? Die letztere Frage findet eine Antwort; der
Areopag achtet darauf, dafs die Beamten xaza zovg
vdfiovg walten, also wird man sich die bei den Hippar-
chen genannten ev&vvat vor dieser Körperschaft denken.
Solon vereinigt die beiden bei Drakon nebeneinander
stehenden Principe der Ämterbesetzung, das oligar-
chische Wählen und das demokratische Losen : zag ö'
ccqxgS enoirioev xXrjQiazag ex nqoxqlziov. Wer wählt
oder vielmehr nQOxgivei ? Die (pvXerai. Wer nimmt die
ev&vva ab? Schweigen? Zunächst liegt es auf der
Hand, dafs der Ämterbesetzung eine natürliche oder
richtiger vielleicht eine logische Weiterentwicklung
gegeben ist: xa&iozdvai agiazlvörjv xai 7zlovzivdrjr y
aiQeiOxhxi aqioztvdrjv xai nXovzlvdrp , aigeio&ai und
xXrjgovv ex zwv mcXa TraQexofiiivwr, ngoxgiveiv und xXy-
govv ix zijg TtoXizeiag. Mit dieser Entwicklung steht
im Einklang die aristotelische Theorie: zb de zivag h.
xivwv {aigeaei} oXiyagxixov, xal zb zivag ex zivwv
xXtfgy, f.ii) yei>6i.tevov d* bfAOtwg 1 ), xai zo zivag ev. zivwv
*) Diese Worte sind beanstandet worden; sie erhalten
aber durch das Kapitel über Drakon ihre Bestätigung; die
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afipolv to de tivag anavtwv %6 ts «x xivwv atQeoei 8. Kap.
p. 8, 10 ff.
rtvks der Oligarchie sind nicht gleichmäfsig vom Gesetz ge-
stellt; es existiert noch eine timokratische Bestimmung für das
Losen, welche nur Wohlhabenderen gewisse Amter eröflhet.
Allerdings steht das nicht so handgreiflich im Texte des
4. Kapitels. Es ist klar, dafs die Worte xXr}ooöo&ai M xal p. 3, 23
rttvrrjv xal ras aXXac ttQxag tovs xtI. im Widerspruch mit dem
ersten Teile des Kapitels stehen, wo nur vom alftefafrai die
Rede ist. Weiter müssen die aXlai «/>/«<' doch zu den gerin-
geren gehören, da die bedeutenden schon genannt sind. Sie
können also nur mit den allat «Qxal . . • tlarrovs identisch
sein. In diesem Falle fehlt also ein dem ijqovvto p. 3, 20
entgegenstehendes ixlfoow im Texte. Wo es einzufügen ist,
kann nicht zweifelhaft sein. Die einfache Wortkritik hat schon
p. 8, 23 einen Wortausfall konstatieren müssen; er ist durch
den Übergang von der ersten zur zweiten Kolumne verursacht.
Ich vermute, dafs aufser dem vermifsten Artikel dabei noch
zwei Worte verloren gingen, und möchte so schreiben : ijqovvto
<f* Tovg fih tw(a Sqxoiv«s xal rove rapfae ovatav xfXTtj/jdvovs
ovx flarrov r\ <f/x« fivtöv tktv&toar, ruf <f alias agx«S I (ixlj-
(jovvj rag fihv) Harrove tx rtov onla näq^ofiivotv, tiTQar^yovs
ö*k xal tnnaQxovs oialav anotfalvovrag ovx flarrov »j xri. So
ist der Widerspruch mit p. 4, 3 f. gehoben. Mir ist mündlich
gegen diese Supplierung eingewendet worden, sie bringe eine
sachliche Unmöglichkeit hinein: die Strategen seien nie erlost
worden. Ich glaube, der Gregengrund hält nicht Stich. Zunächst
waren Strategen und llipparchen damals sicher untere Beamte,
denn der Polemarch führt noch um das Jahr 490 das Heer,
und 501/0 wurden zum erstenmale 10 Strategen aus jeder
Phyle gewählt; hier beginnt erst die Entwicklung der Strategie;
noch im 5. Jahrh. hat ja der Polemarch mehr Bedeutung als
im 4. Jahrh. Wir haben also nicht das Recht, einen Wahl-
modus, der einem Amte zur Zeit seiner höchsten Bedeutung
zukommt, für dieses Amt zu fordern zu einer Zeit, wo es noch
keine solche Bedeutung hatte. Und dafs die Strategie und die
Hipparchie zu den niederen Ämtern in der drakonischen Ver-
fassung des Aristoteles gehörten, ist nicht zu leugnen; die Ab-
folge der Angaben des Aristoteles rubriziert sie unter die
tlunovf. Aber man leugne immerhin: wer giebt uns das
8*
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— 116 —
8. Kap. Ttdvtag agioioxQctTixov (Polit. 1300 b 1 ff.) J ) und eav ö*
• 8. io ff. i v ' l{av atgetoi ivuov de xXrjQünoi, y.al xXrjQWTol
ri anlag q £X 7tQO%Qit(x)v y rj noivfj atgeroi Kai xlrjQiOToi,
ra fiiv TtoltTeiag ctQiGToytQctTiTiijg eovi tovtcov, za de
TioXituag avtfjg (Polit. 1298 b 8 ff.). Diese Ent-
wicklung der Modalitäten der Stellenbesetzung und
ihre Übereinstimmung mit der Theorie läfst zweierlei
erschliefsen : einmal, dafs das vierte Kapitel echt ist,
da es ein notwendiges Glied in der Darstellung jener
Entwicklung bildet, und zweitens, dafs Aristoteles die
vorher anscheinend teilweise unbeantwortet gebliebenen
Fragen nach dem Wahlmodus und der Rechenschafts-
legung in Wirklichkeit beantwortet haben will; denn
wer eine solche Entwicklung statuiert, kann über Fak-
toren, welche die einzelnen Glieder der Entwickelung
sehr wesentlich bestimmen, nicht in Unklarheit ge-
wesen sein und seine Leser nicht haben im Unklaren
lassen wollen. In der drakontischen Verfassung giebt
es eine Bule und eine Ekklesie, und für jene giebt es
Prytanen 2 )} es kommt schon das Losen zur Anwen-
Recht, den Maßstab der historischen Notwendigkeit an einen
Bericht zu legen, der in seinen Einzelheiten auf seine histo-
rische Glaubwürdigkeit nicht mehr kontrollierbar ist? Aristo-
teles hat den Hericht übernommen, weil er ihn für den rich-
tigen hielt. Aicht der Name des Aristoteles jede Angabe in
der nol. Hflijv.? weshalb ich das nicht denke, führe ich weiter
unten aus. Wenn die Supplierung den Widerspruch mit der
zweiten Hälfte des Kapitels beseitigt, die Satzfügung nicht
blofs nicht stört, sondern noch schärfer gliedert, wenn sie
einen aus dem Gesamtcharakter des ganzen Kapitels nicht zu
beanstandenden Sinn bringt, wie können äufsere Gründe ein
Veto einlegen?
») Polit. 1300 a 37 ro dl «atpmV Myat rag filv xlfay rag
<T alQfatt.
2 ) Die Darstellung der drakontischen Verfassung, welche
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düng. Die Bule wird aus der ganzen noltzeia erlost; 8. Kap.
die Antwort, wer wählt, kann also nicht zweifelhaft p ' 8 * 10 1
sein. Die Männer, welche an der nolizeia Anteil
haben, die onla naqEyionEvoi, wählen ihre Beamten.
Hier ist die anscheinend fehlende Antwort in der
ganzen Darstellung der Verfassung gegeben. Aber
diese Verfassung gewährt nicht den Wählern der Be-
amten auch die ev&vva, weil man dies erwarten mtifste,
wird das Gegenteil ausdrücklich angegeben. Das
Wählen ist eine Ausübung eines verfassungsmäfsigen
Aristoteles giebt, enthält die wesentlichen Elemente der spä-
teren demokratischen Staatsordnung. Wenn in ihr neben
Ekklesie und Bule Prytanen ohne jeden weiteren Zusatz ge-
nannt werden, so ist diese Behörde nach Art der späteren
Prytanen zu erklären als Ausschufs der Bule (s. o.). Die Prytanen
der Naukraren des Herodot mit diesen Prytanen zusammen-
zubringen, hat man nicht blofs nicht die Pflicht, sondern nicht
einmal das Recht. Sie sind, falls die Angabe des Herodot
richtig ist (V 71 ol nQvräntf tw vavXfMQW % ol'ntQ tvefjov tot*
ine*A&nraf)j eine vordrakontische Behörde ; die arist. Darstellung
der drakontischen Verfassung zeigt aber einen solchen Abstand
gegen die der vordrakontischen, dafs wir kein Recht haben,
etwaige Institutionen dieser Verfassung auf die jüngere zu
übertragen, selbst wenn diese Institutionen beim Aristoteles
selbst berichte- 1 würden. Aber Aristoteles sagt nichts vom
Naukrarenrat, nichts von ihren Prytanen; die Prytanen treten
erst mit der Bule und der sonstigen halbdemokratisch aus-
gestatteten Verfassung auf. — Ebensowenig wie die Prytanen
der Naukraren mit den Prytanen der drakontischen Ver-
fassung nach Aristoteles zusammenzuhalten sind, sind sie es
auch mit dem Gerichtshof der Phylobasileis. Die Naukraren
und ihre Prytanen könnten nur eine Verwaltungsbehörde unter
elem Vorsitze eles Basileus gewesen sein, die Phylobasileis
bildeten einen Gerichtshof unter dem Vorsitze des Basileus.
Die Institutionen werden ihrer Thätigkeit und ihrer Zusammen-
setzung nach verschiedene gewesen sein; sie hatten nur den
Vorsitzenden und vielleicht das Sitzungslokal gemeinsam.
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8. Kap Rechtes; nur wer an der noXixeia einer Verfassung teil
> 8, 10 ff. nat ^ k ann wählen. Wo von einem Wählen in einer
Verfassung gesprochen wird, wählen also die ^tezixov-
teg trjg noXiteiag. Wenn vom Wählen in der vor-
drakontischen Periode die Rede ist, so wählen, wie
auch ohne einen besonderen Zusatz verständlich ist,
die Mitglieder der Geburts- und Geldaristokratie; sie
wählen aus ihren Kreisen, denn nur diese haben die
Ttolireia. Das wäre an sich schon sicher zu erschliefsen ;
aber Aristoteles giebt es auch selbst ausdrücklich an:
V *y**Q <*?££<7<S v&v ciqxovtcüv ctQioiivdqv vcai tiXov-
tlvöi]v tjv. Er giebt nur die Kreise an, aus denen ge-
wählt wurde ; da diese aber allein die tzoXiiucl in der
Aristokratie hatten, so tiberläfst er dem denkenden
Leser den notwendigen Schlüte auf die Wähler. Man
kann eine sv&vva in solcher Verfassung gar nicht er-
warten ; fragt jemand aber doch danach, so ist in den
Worten über den Areopag die Antwort gegeben.
Also Aristoteles lehrt: die Wahl der Beamten war
ein Princip, welches schon die izoXixüa der ältesten
Zeit kannte ; Drakon übernahm es und fügte das *Xr r
qovv hinzu. Was hat Solon also Neues gegeben?
Wählen kann jeder, der an der noXizeia Anteil hat.
Mit der Ausdehnung der staatsbürgerlichen Rechte auf
die onXa 7tag£x6f.t€voi ging das aktive Wahlrecht auf
alle, die diesen Census hatten, über ; mit der Ausdehnung
dieser Rechte auf alle Athener erhalten das aktive
Wahlrecht eben alle Athener. Solon hat, indem er
dem Volke die Wahl der Beamten gab, nichts anderes
gethan, als was in der veränderten Verfassung lag.
Das ist keine besondere Fürsorge für das Volk ge-
wesen: es war die Konsequenz der neuen itoXixüct.
So lehrt Aristoteles im Gegensatz zu der Tradition der
Atthis, welche Aufhebens davon machte, dafs Solon
dem Volke das aktive Wahlrecht gegeben habe. Und
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die ev&vva? Es galt als Grundsatz der demokratischen 8 '***' g
Staatsauffassung, dafs wer wählt auch Rechenschaft P '
von dem Gewählten zu verlangen hat. In ältester Zeit
wählte der Geld- und Geburtsadel: wenn die ev&vva
abgenommen wurde, so geschah dies, nach Aristoteles,
nicht von den damaligen Wählern, sondern vom Areo-
pag. Unter der drakontischen Verfassung wählten
die OTtXa nctQexoiievoi, aber die ev&vvct wurde vor dem
Areopag abgelegt. Also es galt nicht immer in Athen
jener Grundsatz ov to aigelo&ai, tovtov xat to evdv-
vblv, Solon gab dem Volke die noliteia und damit
das aktive Wahlrecht: gab er ihm auch die ev&vva?
Antwort: tt\v de twv 'AqsoTtayixiav (ßovXrjv) tzaHv
inl to vopocpvlaxelv , loantQ vnijQX €v TtgoreQOv
E7ilo%07ioQ ovaa rijg noXiTÜag, xcrt ta te aXla za
TcXeiOfcc %al tcc fxeyiara twv tcoXitikwv dierygei x<u zovg
afÄCCQTccvovTag rjv&vvev nvgia ovaa tov Irjfiiovv yuxi
y.oXd&iv. Das soll an (pvhx% rjv twv vöfiwv in der dra-
kontischen Verfassung, soll an das dienst, de xa nleiota
y.ai ra peyiOTa twv ev Trj itoXei xai toXaCovaa nett {Jy-
f.uovo~a ndvrag Tovg ccKOOfiovvrag xvgiwg schon im Wort-
laut erinnern. Und in Drakons Verfassung hatte der
Areopag die Beamtencensur, in der ältesten Verfassung,
falls die ev&vva bestand, auch. Was soll man anderes
schliefsen, als dafs der Areopag die evdvva auch nach
Solons Satzungen gehabt habe? Und nun fällt das p- 8, is
Wort evdvveiv selbst. Das kann ja weitere Bedeutung . .... ^ in
haben, aber in diesem Zusammenhange, der auf die
ev&vva nach Drakon schon hinweist, wie kann man es ♦ v. I }
anders fassen als auch im technischen Sinne der ev&vva ?
Ich kann nicht anders, ich mufs schliefsen, dafs Aristo-
teles dem Areopag und nicht dem Volke die ev&vva
in der solonischen Verfassung vindicierte. Mit der- X^i
selben Absichtlichkeit, mit der in der drakontischen
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8. Kap. Verfassung die Beamtenkontrolle durch den Areopa
p " 8 ' 13 berichtet wurde, wird hier das technische ev&tvetv ge-
setzt; also gerade der Mann, welcher die Volks-
gerichte einsetzte, gab ihnen die ev&vva nicht. Wieder
steht Aristoteles im Gegensatz zur Atthis. Aber nicht
nur zu dieser; was viel bedeutsamer und bedenklicher
ist, er widerspricht sich selbst 1 ).
Arütoi. j£ g 8 j n( j zwe j 0 ft. c itierte Steilen der Politik, die
Polit. und , '
nox. 'a&ijv. der Darstellung in der nol. A&iqv. Gegenpart halten :
etcbi JoAeuv ye eome %r\v avayxaioraTrjV anodiöovai T(p
(5tJ/i^> dvvafAtv, zb Tag aQ%ag algeiofrai xat ei&vvetv
') Zwischen den Berichten über den Sturz des Areopags
in der Politik 1274 a 7 und noX. Aörjv. besteht kein Wider-
spruch. In dieser ist Ephialtes derjenige, der ihn stürzt,
Themistokles nur avraitiog, Kap. 25: cnQu^e öl tccOra ('E<ptttX-
rtjg) avvttirt'ov ytvofitvov Oe/AiaroxXtoug. Kap. 27 (IT(gi.xlfjg) ttSv
'AQtonaytTÜv tlvia ntqulktTo . . . (noii^as xcct t« Stxaar^Qia
fAio&o<i6oa fhnixXtjg nQÜTog. Dem entspricht genau in der
Politik: ttiv ylv ip *A(?e(qj ndyqi ßovkr\v 'E<fidkrt)g txökovae xa)
lleQixXijg, 7« #t Sixttarrioia /uia&otf opa x«rtfjrr/<y« ITfQixk^g. The-
mistokles hat als owafriog keinen Platz, wo nur die Männer
der Initiative genannt werden. Im übrigen ist es m. E. nicht
richtig, aus der bedenklichen Hereinziehung des Themistokles
in diese Affaire die ganze Darstellung des Aristoteles zu ver-
dächtigen. An sich ist es wahrscheinlich, dafs die Beschrän-
kung der Kompetenzen des Areopags nicht durch einen Akt
vollzogen wurde, sondern im Laufe eines längeren politischen
Kampfes erfolgte. Wenn Perikles zu wirklicher Bedeutung
erst zu der Zeit gelangte, welche Aristoteles andeutet — und
ich sehe keinen Grund gegen die Richtigkeit dieser Chronologie,
nur manchen dafür — , dann ist es sehr wahrscheinlich , dafs
er nicht mit, sondern nach Ephialtes gegen den Areopag
gekämpft hat. Ich glaube, dafs Aristoteles recht hat, wenn
er Ephialtes' und Perikles' Thätigkeit in dieser Beziehung
zeitlich sondert, und dafs die Reecpta, verleitet durch die Gleich-
heit der Tendenz und der Erfolge beider Männer, hier fälsch-
licherweise eine Coincidenz geschaffen hat.
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(1274 a 15) und zd f.tiv ydg uezexei*' avzovg (d. h. die 6. Kap.
Menge) zwv dgxwv zcov fteytarwv ovx. daqpaleg . . . to p ' 8 ' 13
de f.ir} pezadidovai pijdi (jezex €lv avzovg . . . dioneg xa*
2ok(ov xcrt zwv dXXiov ziveg vofÄO&eziuv zazzovoiv eni ze
tag CLQ%aiQeaiag v*ai rag ev&vvag zwv dgxovzcav, dgxeiv
de "Actta fiovag otx iwaiv (1281 b 25 ff.). Nun könnte
ich mir die Sache mit der ersten Stelle sehr leicht
machen ; ich brauchte mich nur denen anzuschliefsen,
welche das ganze Kapitel, dem sie angehört, athetieren.
Allein dieses Kapitel enthält so viele handgreifliche
Übereinstimmungen im einzelnen wie im ganzen Ge-
dankeninhalt mit der nol. If&rjv., deckt sich an unserer
Stelle so vollkommen mit dem zweiten Zeugnis aus
der Politik, dafs ich mit dem Pater Hardouin zu riva-
lisieren glauben würde, wollte ich an seiner Echtheit
zweifeln. Ich könnte mir auch bei der zweiten Stelle
helfen, nachdem ich die erste athetiert hätte, aber
nicht durch Athetese, sondern durch Interpretation.
Die Worte Polit. 1319 b 19 l'zt de xort zd zoiavza xara-
oxevdo/uaza XQ^ot^ia ngbg zrjv dtj^o'^gaziav . . . olg Klei-
o&evyg ze l4\hqvi]Oiv eyg^oazo . . xca reegi Kvgr^vrjv o\
zbv drjfiov Ka&iozdvzeg. (pvlai ze ydg l'zegai noirjziai
nleiovg Kai qpgazgiai, Kai zd zuh> idiwv iegiov ovva-
y.z&ov eig bliya %ai Koivd, xca ndvza ao(piazeov, ortiog
dv ozl tidliaza dva/.iix&d>oi dllijloig ndvzeg (p. 23, 8
dvctfiioyeo&cu zb nlij&og) hat man bisher so verstanden,
dafs auch das von den Heiligtümern Gesagte auf Klei-
sthenes zu beziehen sei; jetzt ersehen wir aus der
nol. *4i>rjv. (23, 24 zag iegcoovvag el'aoev tyeiv eKaazovg
xazd zd ndzQia), dafs die Beziehung zu weit war.
Könnten nicht ebenso oben p. 1281 b 25 die dgxaigeatat
nur auf Solon, die evfrvvai auf ztuv dllcov zivtg vof.io-
9ezcov gehen? Die erste Stelle athetieren, die zweite
durch eine gar nicht zu beanstandende Interpretation
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B. Kap. erledigen, und der Widerspruch mit der Ttol. Lf&rjv.
P " ' ' existierte nicht mehr. Allein ich halte beide Stellen
für aristotelisch , ich halte auch die nol. lA&rp. für
aristotelisch und nehme einen Widerspruch zwischen der
Politik und der Politeia hin. Er ist zu erklären, aber
nicht er allein. Es existieren ja noch andere Diffe-
renzen zwischen den beiden Werken des Aristoteles,
so die Berechnung der Regierungszeit der Peisistra-
tiden {nol. li^v. p. 18, 1 f., 21, 19 f. Polit. 1315 b
30 ff.) und das vollständige Ignorieren des Kritias neben
Charikles in der Politik (1305 b 25) gegenüber der
Bedeutung, welche Kritias in der tzoX. 'A^v. ein-
geräumt wird.
Ab- Aristoteles hat an der Politik noch nach dem Sommer
zeiTder **36 gearbeitet, denn die Ermordung Philipps wird er-
Poiitik wähnt (Polit. 1311 b 2) 1 ). Susemihl hält für möglich,
dafs die Schrift selbst im Jahre 333 noch nicht ab-
geschlossen war 2 ) , denn die Worte 1272 b 20 vewotl
(ze) nötefiog. gevinbg dtaßeßrjxev eig t^v vijoov (Kreta), og
7ie7toirjxe qxxveQav ztjv ao&iveiav tüv k*JÜ vopwv könnten
sowohl auf den Abzug des Phalaikos mit seinen Söld-
nern nach Kreta im Jahre 346 wie auf den Feldzug
des Agis mit einem Söldnerheere gegen Kreta im
Jahre 333 gehen. Allein die letztere Beziehung ver-
bietet sich durch den Ausdruck der aristotelischen
Worte von selbst. Erstens war der Feldzug des Agis
kein t;evty.bg nolepog, denn ein König führte ihn;
zweitens besagt diaßeßqxev, dafs der Söldnerkrieg aus
einem anderen Lande nach Kreta hinübergetragen
wurde, drittens rechtfertigt, was wir über die Erfolge
des Agis wissen, in keiner Weise den Inhalt des
*) Oncken, Staatslehre des Aristoteles II 241.
2 ) Susemihl, Aristoteles' Politik, griech. und deutsch (Leip-
zig 1879) II 94 Anm. 375.
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aristotelischen Schlulswortes 1 ). Die Worte gehen allein 8. Kap.
auf den Söldnerführer Phalaikos, der von Phokis nach p " 8 ' 18
Kreta abzog und dort an den inneren Wirren teilnahm.
Man hat bisher keinen terminus ante quem für die
Politik gefunden; ich glaube aber, es giebt einen.
Aristoteles sagt (1321 a 26) ttjv de fiexddooiv yiveoitai
T(£ nhqd'et tov noltzevficetog rßot , Aa&anEQ eigrjrai
TTQOTtQOV, ZÖig TO TlfATj^a 'A.TÜ)f.ttVOtg , 7j TMX&OL71EQ Gt)-
ßaioig, anoaxot-iivoig xqovov tivcc %iov ßavctvciov tgyojv,
n '/.a&aneQ iv lUaooa'/.ta xtf. So kann von Theben,
namentlich neben dem noch bestehenden Massalia, ohne
Restringierung nur gesprochen werden vor dem Sommer
des Jahres 335 ; nach dieser Zeit mufs es heifsen &r r
ßaioig TToxe, denn es gab kein Theben mehr; die In-
stitution wird aber als eine noch bestehende dargestellt.
Ich halte also dafür, dafs zwischen den Sommern von
336 und 335 der Abschlufs der Politik oder vielmehr
der verschiedenen Entwürfe und Überarbeitungen der
Politik erfolgt ist; mich bestärkt darin die Beobach-
tung, dafs vom Perserreich immer so gesprochen ist,
dafs nirgends ein Zweifel an seinem Bestehen auf-
steigen kann. Es fuhrt nichts über das Jahr 385 hin-
*) Hauptbericht bei Curtius IV 1, 39: magnitudo belli . . .
Graeciae quoque et Cretae arma commoverat. Agis Lacedaemonio-
rum rex, octo tnüibus Graecorum, qui ex Cüicia pro fugt domos
repetierant, contractis bellum Antipatro Macedoniae praefecto moli-
ebatur. Creterues has aut iUas partes secuti nunc Spartanorum
nunc Muctdonum praesidiis occupdbantur. Sed hviora inter
illos fuere discrimina, unum certamen, ex quo cetera pende-
bant, intuente fortuna. — Arrian. Anab. II 13, 6 hat nicht»
und verwechselt Agis mit Agesilaos. — Schäfer, Demosthenes
und seine Zeit* II 362, 1 und Droysen, Hellenismus 3 I 1, 389, 1,
letzterer in ausgesprochenem Gegensatz gegen Niebuhr, Vor-
lesungen II 474, halten die Beziehung der aristotelischen Worte
auf Phalaikos auch für allein zulässig.
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8. Kap. aus. Umgekehrt führen fast alle sonstigen datierbaren
p " 8> 13 Anspielungen in frühere Zeit, vor die Mitte der vier-
ziger Jahre. Phalaikos' Zug ist oben besprochen.
Hinzu kommt 1312b 10 ff.: (y&eigezai de Tvgavvtg
Vva fxev xgonov . . .) eva d' ig avvijg, orav oi /uete-
Xovteg ozaoidtioaiv , waneg t) xwv Ttegi riltova xai
vvv r} tüjv negi Jiovvatov .... Jtovvaiov de Jtwv
orgatevoag . . . evLtlvov exßaXwv diecp&dgr). Die Ver-
treibung des jüngeren Dionysios fällt in die zweite
Hälfte des Jahres 356; Dion stirbt im Anfang 353.
Das vvv rückt die Zeit der Niederschrift dieses Teiles
der Politik in die Nähe des letzten Datums. Am
Schlüsse der Ethik spielt Aristoteles deutlich auf die
Politik als auf ein demnächst von ihm zu erwartendes
Werk an. Die Arbeitsart des Aristoteles läist mit
Sicherheit annehmen, dafs er damals schon das Buch in
Angriff genommen hatte. Nun enthält dieser Schlufs der
Ethik zugleich eine Polemik gegen Isokrates' Antidosis
(s. u. S. 146) von solcher Heftigkeit, dafs die isokrateische
Schrift vor nicht allzu langer Zeit erst erschienen sein
kann. Die Antidosis ist aber 353 herausgekommen;
der Schlufs der Ethik, welcher den Beginn der Arbeit
an der Politik bezeugt, ist also in derselben Zeit ge-
schrieben wie jener Passus über Dionysios. Mithin
arbeitet Aristoteles um 350 an diesem Buche; der ter-
minus ante quem war 335. Fünfzehn Jahre sind eine
so lange Arbeitszeit, dafs kein innerer Grund vorliegt,
die Herausgabe noch weiter hinauszuschieben, wenn
ein äufserer sie vor die Mitte des Jahres 335 verweist.
Die Politik ist nicht in Athen vollendet, sondern in
Kleinasien und Makedonien wesentlich wol auf Grund
der Materialien, welche Aristoteles bis zum Jahre 347
in Athen gesammelt hatte. Die itoX. Id&yv. ist zwischen
H29 und 325, also in Athen geschrieben. Es ist nicht
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zu bezweifeln , dafs Aristoteles von den athenischen 8. Kap.
litterarischen Erscheinungen auch während seiner Ab- p * 8t 18
Wesenheit von Athen Kenntnis nahm ; dafs er aber so
folgen konnte, wie wenn er in Athen gewesen wäre,
ist unwahrscheinlich. Konnten die zwanzig Jahre,
von 350 bis c. 330, nicht Darstellungen der solonischen
Verfassung gebracht haben mit einem Material, welches
ihm bei der Niederschrift der Politik nicht bekannt
war? Doch wir brauchen diese Möglichkeit gar nicht.
Zwischen c. 335 und c. 329 liegt schon Zeit genug für das
Auftauchen neuen Materials ; und wenn es andere dem
Aristoteles nicht geliefert hatten, konnte er es nicht
selbst sich verschafft haben ? In dem Frühjahr nach dem
zweiten Frieden desDemades, als das Meer wieder offen
war, wird Aristoteles nach Athen, in das Quellgebiet
für die 7coX.l4dr J v. i zurückgekehrt sein. Sollte der fer-
tige Mann mit 50 Jahren nicht anders haben sehen und
suchen können als der junge Akademiker im Anfang
der dreifsiger? Ieh denke, der Zeitunterschied erklärt
die Differenz. Seine wissenschaftlichen Ansichten zu
ändern, sei es durch eine andere Auffassung älterer
Kenntnisse, sei es durch Hinzugewinnen neuen Wissens,
kann dem Aristoteles so wenig zum Vorwurf ange-
rechnet werden, wie es heutzutage jemandem vorgerückt
werden sollte. Leider ist einem heutigen Gelehrten in
der neuesten Litteratur über die nol. ^ASiqv. die
Tugend des Umlernens vom Gegner ironisiert worden ;
wir aber wollen Menschen sein und am Aristoteles die
Wahrheit des alten solonischen Spruches vom Altern
und Zulernen nicht zum Gespötte machen. Der Chrono-
logie der Peisistratiden hat Aristoteles in der noK.
Idt&rjV. eine andere Bearbeitung der Atthis zu Grunde
gelegt als der in der Politik gegebenen, sei es, weil
diese Bearbeitung während der Niederschrift der Politik
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8. k»p. noch nicht existierte , sei es , weil der Forscher im
p * *• 18 Jahre 327 eine andere Chronologie für richtiger hielt
als im Jahre 347. Ebenso erklärt sich die Differenz
in der Auffassung der Geschichte der Dreifsig und die
Differenz betreffs der Zuteilung der w&vva in der
solonischen Verfassung. Was er von der solonischen
Verfassung wufste, und wie er über sie dachte, als
er die Politik schrieb, kann nicht zum Mafsstab ge-
nommen werden für spätere Schriften. Wie steht's doch
mit dem Staat und den Gesetzen des Piaton? und sie
liegen doch auch höchstens fünfzehn Jahre auseinander.
Aber die erwähnten Unterschiede zwischen der nok.
'A^v. und der Politik sind Einzelheiten ; die Gesamt-
auffassung der solonischen Verfassung ist in beiden
Werken genau dieselbe. Nur fügen sich die Angaben
des jüngeren Werkes dem Gesamtbilde von Solons
Thätigkeit als der eines iuüoq besser als die des älteren :
die Änderung ist mit Absicht vorgenommen. Doch
davon später im Zusammenhange mit anderen Beob-
achtungen. Ich kehre zum Texte des Kapitels zurück,
p. 8, 18 ff. Der letzte Satz ist hinsichtlich seiner inneren Zu-
gehörigkeit zum Vorhergehenden schon erörtert (S. 105).
Das in ihm enthaltene Gesetz gegen den politischen In-
differentismus wird auch von Plutarch (c. 20) citiert
mit einer Bemerkung, die äufserlich merkwürdig im Aus-
druck an Aristoteles' voftov e'&rpu nqbg avrovg i'diov
erinnert: rtuv <f alltav aitov vofiwv tdtog fih jua-
liaxa -Kai naQado^og^ allein die Übereinstimmung be-
weist nichts, da Ydiog bei Aristoteles peculiaris, bei
Plutarch singularis bedeutet. Plutarch erwähnt das
Gesetz im Zusammenhange mit anderen Gesetzen des
Solon *), welche bei ihm fünf Kapitel füllen (20—25),
*) Begemann a. a. 0. p. 20 macht darauf aufmerksam,
dafs das in T6iog und nnga^o^og enthaltene Urteil auch bei
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Aristoteles erwähnt sonst kein solonisches Gesetz aus 8. Kap.
den Axones. Das stimmt zu der von ihm in der p ' 8 ' 18 1
Politik ausgesprochenen Grundanschauung, welche
R. Schöll so glänzend als echt griechisch illustriert
hat: noltreia jUfV yag toxi ra|ic talg noleaiv x\
fTiql tag aQxdg, tiva tqonov vevifi^vtai Kai ti tb kv~
qiov trjg noXiteiag Kai ti tb teXog fKaatoig x% xotwu-
viag iaviv vopoi de Kexcogia pe * Ol tt5v ör]-
Xovvttov T7)v 7t oXitelav, ovg Sei tovg aq-
%ovtag ayyuv xol (pvXdtteiv tovg 7tagaßaivovtag avtovg l ).
Darum fehlen die Nomoi des Solon in der noX. li&rjv.
Eine einzige solche Übereinstimmung wiegt mehr als
ein ganzer Haufe vermeintlicher Differenzen in den
Citaten zwei- bis dreimal verwässerter Lexikographen-
artikel.
*
-
Excurs.
Ein Teil der Darlegungen des vorstehenden Ka-
pitels (S. 124 f.) steht im Widerspruche mit der von
Nissen im Rhein. Mus. 1892, 161 ff. vorgetragenen
Hypothese, dafs die aristotelischen TtoXiteiai als eine
Vorarbeit zu einer Reichsgesetzgebung für die Alexander-
monarchie und weiterhin als eine Sammlung von Hand-
büchern für den praktischen Gebrauch der makedoni-
schen Diplomaten zu betrachten seien. Eine Polemik
anderen Gesetzen des Solon von Plutarch gefällt wird: tdiui
auch Kap. 24, aronoi 20. 23, ydoioi 20. Ob diese Urteile
schon auf Didvmos zurückgehen, wie Begemann will, ist mir
aber fraglich.
*) Es liegt hier der Ansatz zu einer Teilung nach Rechts-
materien vor; das Staatsrecht ist geschieden. Weiter haben
es die Griechen nicht gebracht; Inder und Germanen ja auch
nicht oder noch nicht einmal soweit.
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Excur* meinen Ausführungen selbst einzufügen, war ich aus
äufseren Gründen nicht mehr imstande; andererseits
schien es mir bei der Autorität, welche dieser Hypo-
these aus dem Namen ihres Urhebers erwächst, und
bei der glänzenden Art, mit der sie vorgetragen ist,
in Rücksicht auf meine eigene hier vorzutragende
völlig abweichende Ansicht über das aristotelische Buch
unerläfslich, zu begründen, weshalb ich mir die Nissen-
schen Ausführungen weder im ganzen noch im ein-
zelnen aneignen kann. Ich habe daher die Form eines
Excurses wählen müssen. Nur Nissens Aufsatz habe
ich begegnen zu müssen geglaubt; über Rühls Hypo-
these (Der Staat der Athener und kein Ende, Jahrb. f. kl.
Ph. XVIII 701 ff.), die TtoX. !4&rjv. gehöre dem Hera-
kleides, wird man erst verhandeln können, wenn sie
mit Gründen begründet sein wird.
Pa.-Ari.tot. Nissen geht bei dem eigentlichen Beweise aus von
ß a a!xliuc ^ em durch Lippert l ) jüngst publizierten arabisch erhalte-
nen Briefe 7te(>i ßaat?<.eiag y welchen die Uberlieferung
dem Aristoteles zuschreibt. Der Herausgeber hat das
Schriftstück durch den Titel als unecht erklärt; Nissen
hält es für echt. Beweist er die Echtheit? Ich finde
nichts, womit er es thäte; denn dafs sich einige Pa-
rallelstellen aus der Politik zu einer Schrift 7tegi ßa-
aikeiag auftreiben lassen, ist durchaus natürlich. Solche
Parallelstellen in geringer Anzahl beweisen nach keiner
Seite hin — das ist eine alte Lehre der wissenschaft-
lichen Forschung — , und herzlich wenig sind nur vor-
gebracht. Die beweisendste hat schon Lippert an-
geführt § 10 regnum autem in liberos homines prae-
stantius est regno in servos — Polit. 1254 a 25 aei ßel-
*) De epistula pseudaristotelica nepl ßnailt(ag commentatio.
Diss. Hall. Sax. 1891.
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viiov y agxri y %(av ßelnovwv agxofievwv *) ; nur schade, Excurs
dafs Lippert und auch Nissen das griechische Citat
hier endigen lassen : hätten sie die vier nächsten Worte
olov av&Qa.7tov rj &rjgiov hinzugezogen, würde
ihnen nicht entgangen sein, dafs der nächste Satz des
Briefes eine Paraphrase dieser aristotelischen Worte
bildet: talis igitur tyrannus eiustnodi est, ut malit pe-
cora pascere quam regere ho min es. Glaubt man, dafs
Aristoteles sich selbst so paraphrasiere? und in welches
Licht rückt damit jene fast wörtliche Entlehnung? —
Das Eingangsmotiv, dafs für den Frieden Gesetze not-
wendiger seien als für Kriegszeiten (§ 2. 3), wird aller-
dings auch von Aristoteles Pol. 1333 a 30 ff. ausgeführt;
man vergleiche aber selbst das Gerede in dem Briefe
mit der philosophischen Darlegung der sicher echten
Schrift. Im übrigen ist der Grundgedanke nicht blofs
aristotelisch — das allein wäre doch nur wirklich be-
weisend — , schon Thuk. III 39, 4 sagt xat xaxoTr^a-
yiav iug unelv §(jiov amj)&ovviai § evdaifioviav
diaOtytovxoLi 2 ). — 'Dafs der König Gesetzgeber sein
müsse', lesen wir allerdings in der Politik 1286 a 8 ff.,
aber nicht in dem Sinne wie in der Briefstelle, zu der
Nissen diesen Passus der Politik citiert. Die Stelle
ist, wie der erste Blick lehrt, in Anlehnung an Piatons
*) Vgl. auch 1333 b 27 tov yitQ Jfanorixüis «'^«ty r\ rtuv
iXtvÜf'oMv ttQxh xaXX(tav xal fxäXXov /u£T* UQ€Trjg.
s ) Mir fallt gerade eine Anwendung dieses Gedankens in der
Praxis in die Hände. Cod. Gregor. XIV 4 De maleficis etMani-
chaeis (p. 44Hänel) : Impp. Maximianus Dioeletianus et Maximinus
Nobilissimi A. A. A. Juliano Proconsuli Africae. Otia rnaxima
interdum homines in communionem (? in communi omnetn Hänel)
condüionis naturae humanae modum excedere hortantur et quae-
dam gener a inanissima ac turpissima doctrinae superstitionis
inducere suadent, ut sui erroris arbitrio pertrahere et cüios videan-
tur q. s. Undatiert, nach Hänel vermutlich aus dem J. 287.
Keil, Aristoteles. 9
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Exeu« Politikos geschrieben — selbst die ägyptischen Ärzte
stehen da — , also der Briefschreiber mufs nicht
Aristoteles sein. Aber wie fafst doch Aristoteles an
der herangezogenen Stelle den König als Gesetzgeber?
Er will ihn für richtendes Entscheiden über die Sachen,
welche das Gesetz nicht bestimmen kann, haben; also
so allgemein ist das vo/uo#*V?;g nicht gefafst, wie es
für eine Parallelisierung mit dem Briefe notwendig
wäre. Doch Aristoteles fährt in seiner Deduktion fort :
oaa dt fiii) dwazbv zbv vofxov viqLvuv fj okcog rj eVj ito-
zegov t'va zbv aqiazov öei aQxeiv 1} navzag; die Ant-
wort ist ja bekannt: xolvei äfteivov oyXog no).?.a r) sig
bozioovv. Die aristotelische Stelle behandelt eben das
oft traktierte Problem der äyoaqioi vofioi.. Nur wenn
man die Worte ozi fxev zoLwv avdyxr} vofto&ezrjv avzbv
elvai dijXov aus ihrem Zusammenhange reifst und die
drei Wörtchen, welche zu demselben Satze gehören,
xott xeio&ai vopovg, übersieht, kann man sie für den
Brief vergleichen, der sagt, Alexander solle 'vacare
contemplationi . . . imprimis ferendampi legum\ Es
ist hier von einem ganz anderen vo^io^ezr^g die Rede.
— 'Das entsprechende Urteil über Lykurg VII 13
(14), 1 f. 1 kann ich nicht finden, verstehe überhaupt
nicht, weshalb Nissen hier Lykurg betont; denn die
Worte c nam haud ignoras quid sit assecutus Lycurgus
institutione legum suae civitatis* begründen den Satz,
dafs man durch gesetzgeberische Thätigkei t berühmt wird.
Es trifft sich recht unglücklich für die Heranziehung
dieser Aristotelesstelle zu dem Paragraphen des Briefes,
welcher unmittelbar auf das Lob des Lykurgos folgt, dafs
sie dem Anfange eines Abschnittes mit den folgenden
Eingangsworten angehört: 01 da vvv aoioza 6oY.ovvzeg
nolizeveo&ai zwv 'EXlyviov v.ai zwv rofio^sruiv ol zav-
zag xazaozijoavzeg zag nokizuag ovze 7TQog zb ßilziozov
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- 131
telog (paivovxai ovvxd^avieg ta negl rag noh.%uag ovrs Excur*
nqbg ndoag zag dgetag tovg vopovg xcri tt\v 7taiöeiav
xtL, woran sich eine recht abfällige Kritik der Ten-
denz der spartanischen Verfassung schliefst. Mit dieser
Parallele ist es also nichts. § 5 ferner, der besagt, dafs
das Königtum sich auf Liebe und Bewunderung der
Unterthanen stützen müsse, wird durch Hinweis auf
Pol. III 9 (14), 7; 10, 7 nicht als aristotelisch er-
wiesen ; das könnte ebensogut aus der kyprischen Tri-
logie des Isokrates stammen. — Lehrreich ist für die
Beweisführung durch Parallelen, was zu § 4 bemerkt
wird. Ich gehe von der dazu citierten Stelle Polit.
VII 6 (7) aus. Aristoteles setzt 1327 b 23 ff. auseinander,
dafs die Bewohner des nördlichen, aufsergriechischen j
Europa — EvQtonri in dem besonders im 5. Jahrh. ge-
bräuchlichen Sinne — wohl Energie, aber nicht ge- <
nügende geistige Fähigkeiten besäfsen, um zu herr- C J,.
sehen ; umgekehrt bei den Asiaten ; sie besäfsen diese,
es fehle aber j ene. 'Das Volk des eigentlichen Griechen-
land dagegen (to Si xwv 'EXXtjvwv yevog) hat, wie es ört-
lich zwischen beiden angesessen ist, so an beider Eigen-
schaften Anteil. Denn es besitzt Energie und geistige
Fähigkeiten. Daher hat es sich bis auf den heutigen
Tag seine Freiheit bewahrt, seine vorzüglichen Staats-
verfassungen und die Fähigkeit, über alle zu herrschen,
wenn es zur Bildung eines (Gesamt-)Staates gelangte. 1
Nissen zu § 4: „nach Nöldeke ganz wörtlich: l so ist
unentbehrlich ein zusammenfassender Leiter, der die
Regierung (oder l die Sache') des Volkes, das wie
diese (hf) ist, zusammenfafst, besonders in Hellas und
dessen Staaten (noletg); denn sie sind (jetzt) alle zu
einem Staate (nohg) verbunden'; vgl. Pol. VII 6 (7)
to de zutv'Ellyvwv ytvog . . . uiäg xvyydvov rtoliveiag"
Wer diese acht citierten griechischen Worte in ihrem Zu-
9*
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132 -
Exeu™ sammenhange verstanden hat, mufs sich fragen, ob
man in unglücklicherer Weise parallelisieren kann. Die
Politik spricht von der einheitlichen Ordnung des
Griechenvolkes als der Bedingung, unter welcher es
herrschen könne, der Schreiber des Briefes will eine
einheitliche Ordnung, damit es nicht im weichlichen
Frieden unter der Herrschaft Alexanders verkomme.
Welcher Gedanke aristotelisch ist, wird sich jeder
selbst beantworten. — Aus § 3 wird ausgehoben : c der
Fürst darf nicht Tyrann sein, sondern vermag nur
durch gute Gesetze und Zucht seiner Herrschaft Dauer
zu verleihen, vgl. Pol. V 8 (10).' Im Zusammenhange
stellt sich die Sache so. Der Verfasser geht § 3 davon
aus, dafs die Menschen nach Gesetzen nur leben, wenn
sie ein legitimer' *) Herrscher, d. h. ein Herrscher,
'der solcher nicht durch Bürgerzwist oder durch Ty-
rannis wurde' , dazu hinführt. Der Verfasser fällt
danach sofort in den Gedanken von § 2 zurück, dafs
für den Frieden Gesetze weit notwendiger seien als
für Kriegszeit. Zum Schlüsse heifst es: ohne Gesetze
geben die Menschen sich vanis rebus hin, und das re-
gnum zerfallt; also mufs es zunächst gute Gesetze und
zweitens einen Herrscher geben, der die schlechten
Elemente per timorem, die guten per pudorem zu guten
Sitten führt (ad bonos mores adducat). Mit welchem
Nutzen man hierzu jenes Kapitel aus der Politik
vergleichen soll, ist nicht abzusehen. Ich komme so-
gleich noch einmal darauf zurück. Es sind alle Par-
allelstellen geprüft, die Nissen anführt, bis auf eine. Die
Worte des Schlufsparagraphen 'sciasque in eas civitates
*) is cuius principatus est legitimus, non discordia civilis vel
iniusta tyrannis. Vgl. § 4 opus est principe legitime Wie un-
klar die Vorstellungen des Verfassers sind, folgt aus § 5 legi-
time occupat imperium, worüber u. S. 140.
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- 133 —
quas intraverit fragilitas et corruptio, hasce pervenisse Exeu™
prineipum et redorum pravitate, quippe qui arreptionem
commodorum praetulerint curae reipublicae et ordinationi
legum civitatum et curas converterint in accelerandis
vohptatibus libidinibusque et civitatis regimen negle-
xerint, cuius vestigia manent in terra per omne aevwm"
sollen dem Gedanken, welcher in dem historischen Teil
des Staates der Athener ausgesprochen wird, ent-
sprechen. Die Sache sieht im Zusammenhange so aus.
Die Worte des Schlusses greifen zurück auf § 4, in
welchem das Thema gestellt wird. Neque venit civita-
tum bona conditio nisi a bona conditione prineipum et
redorum , sicut vidimus in urbibus Lacedaemone et
Athenis. Begnabant enim in altera reges (tyranni) et
instituebant leges, praetores (aQxovteg) in altera. Ita
aedificatae hae urbes amplamque famam nactae sunt.
Ex altera vero parte discordia quoque et nequitia et
corruptio , quae in civitates ingruerunt, prineipum et
redorum pravo regimine orta sunt, cum ei in vanis libi-
dinibus curas consumpserint neglexerintque civitatis
gubernationem, ex qua gloria paritur , quae manet in
terra usque in aeternitatem. Ich denke, die Identität
der in § 4 und § 13 gekennzeichneten prineipes und
rectores ist klar; sie ruinieren den Staat. Den Gegen-
satz hilden Athen und Sparta, welche durch die guten
Leiter zu hohem Ruhme gelangt sind. Es ist nicht
von Gesetzgebern die Rede, sondern von aoyovteq,
also leitenden Staatsmännern; was gesagt ist, bezieht
sich auf die athenische Geschichte überhaupt. Athen
wird hier gerade von dem Grundgedanken des histo-
rischen Teiles der noX. 14&tjv. ausgenommen. Und
das soll Aristoteles geschrieben haben ; die Stelle beweist
gerade das Gegenteil von dem, was sie beweisen sollte.
Es ist merkwürdig, dafs Nissens Parallelen so un-
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- 134 -
Excurt glücklich gewählt sind, während es doch viel treffendere
Aristöt S*^* Warum ist zu § 1 cum institutio legum sit
n. -tuaix. salus populi (et perpetuitas incolumitatis et concordia
Artetot subditorum) nicht citiert Rhet. 1360 a 19 elg 6*' ctocpd-
Xeiav anavza ftev zavza dvayxalov övvaad-ac ^ecoQelv,
ovx eldxiozov de negi vopio&eaiag inateiv' evyag
zolg vofiot-g eaziv % owzrjQca zr t g noXetog? Ich
denke, diese Parallele ist nicht schlechter als die einzig
treffende, welche bisher angeführt ist. Warum fehlt
zu den Worten § 4 Oportet vero Jiunc virum esse in-
telligentem et probum, qui non solum strenuitate et
iusHtia et virtutibus excellat, verum et tarn potentia
et belli apparatu, ut coercere populum et ad
leg es adducere possit der Hinweis auf die Stelle
der Polit. 1286 b 27 ff., wo erörtert wird, nozeqov e'xeiv
del zbv fueXkovza ßaoiXeveiv lo%vv ziva tcbqI cttzov, g
dvvrjoezai ßidtead-ai zovg ( u?j ßovXopievovg Ttei&aQxeiv,
t) 71 wg evdexezai zr t v ccqx*] v dioixelv; und der Schlufs
lautet äva ytaiov vizctQ%ei,v avzqi dvva^iiv f t
(pv lochet, zovg vofiovg? Eine Hauptstelle haben
ferner Lippert und Nissen übersehen: Ethik VIII
p. 1160 b 1 — 1161 b 10. Daraus folgende Coinci-
denzen: r /uev yag Tiargog ngbg vielg xoivcovia ßaai-
lelag i%u OXW 01 ( • • • 7tazQiY.ii ydg ctQX*} ßovle-
zai y ßaaileia elvai)' iv TleQOaig ö' r t zov
TtazQog z v q avv iy.ti (xqwvtcci yag cog dovloig
zolg vieoi), xvQavwY.il de xai rj deüTtozov
Ttgog dovXovg = cA0 Nihil enim a regimine {— ßaoi -
leLa) remotius est quam tyrannis, quia tyrannus in con-
ditione domini est, rex vero in conditione patris. Sic rex
Persarum unumquemque appellabat servum et incipiebat
a filiis. Auch in diesem Passus der Ethik der in der
Politik sich ja ebenfalls findende Gedanke: 6 >uev yaQ
zvQavvog zb kavza) ovfÄopeQOv (Mottet, 6 de ßaotlevg zb
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— 135 -
zwv aQXOfiiviov , . . y öi zvgavvlg . . . zb yao eavztfi Excutb
aya&ov ditoxet, wozu : § 5 incidunt . . in magnum odium
et contemptionem, quippe qui velint ut sibi solis vindi-
cent commoda solique utantur bona vitae condüione q. s.
§ 10 Pleriqtie . . qui ante hoc tempus regnabant, id
tantum agebant, ut commodis principatus et imperii
frucrentur. § 13 qui arreptionem commodorum q. s.
(8. S. 183). § 11 ist ganz aus dem Gedankenkreise
des zweiten Teiles der angeführten Ethikpartie (Kap. 11)
geschrieben; er steht in dem Abschnitte, in welchem
der Verfasser über die Liebe der Unterthanen handelt
und Gerechtigkeit und Nachsicht (iustus et Clemens
d.h. öixaiog xai £7ri£i'/.rjg) vom Fürsten verlangt: xa&'
';/.6.oi)v öe zwv nokizeiwv (piXia (faireren, eq> boov
"Kai tb dtxaiov. Vgl. ferner: Non vero decet prineipem
viros claros et obscuros uno eodemque modo tractare, sed
r edder e quod cuique conveniat mit den Worten, welche
auf die ßaatXi'Kf] — naioixrj gehen: xat zb öixaiov örj
ev zovzoig ov zavzo alXa zb xaz' cc&av. Der Gedanke
der Ethik iv de zaig rzaoeytßdoeoiv, looneQ xal zb öi-
Aaiov hei nixgov eaztv, ovzio y.ai rj (pilia iozi> xett
rpioza ev zfj xeigiaziß • ev zvgavviöi yag olöiv r t (äiaqov
(piXiag kehrt in konkreterer Fassung so wieder: rex
enim si non iustus est, non rex est immo invisus (d. h.
avev (filiag) iyrannus. Der Abschnitt des § 11 über
die dementia ist eine nicht ganz klare Reminiscenz an
die Ausführung in der Ethik V 1137 a 81, wo von der
£7iieh.eia und dem emer/Jg im Verhältnis zu der dixaio-
ovvrj und dem öUaiov gehandelt wird; schon die Zu-
sammenstellung des dixaiov und tnieiKeg in dem Briefe
ist aristotelisch (Eth. 1137b 10 ff.; vgl. Rhet. 1374 a
26 zo yctQ imeiyteg öoxel öincaiov elvat, tozi de emei-
xeg zo Tiaga zbv yeygait(.ievov vouov dixaiov). In diesem
Sinne wird das horazische iacentem lenis in hostem } das
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- 136 -
Exours enteixeg, hier im Anschlufs an das dixaiov behandelt
(contra si rebellionem repressisti .... violentiae loco
misericordem, asperitatis loco dementem adversus eos te
praebeas).
Grflnde Ich stelle diese Parallelen, welche wohl etwas be-
gegen die .
Echtheit weisender als die bisher angebrachten wären, denen für
ihre Beweisführung zur Verfügung, welche den Brief
für echt halten: echt ist er darum doch nicht. Um
mit einer Einzelheit anzufangen: § 11 Saas porro nobiles
digniiatis iniuriam aegrius ferre quam opum et cor-
porum iacturam; libenter enim et bona sua et corpora
largiuntur, dummodo digniiatis et auctoritatis iniuria ne
afßciantur. Aristoteles sagt Polit. 1312a 30 von den
dia wiXoTiiuiav gegen die Tyrannis Vorgehenden: oi
fx%v , iXa%iGToi ye tov ctQtd'fiOv eloiv oi öia Tctvrrjv tt}v
alzlav oofAtovreg' VTtoy.eio&ai yaQ Sei to tov awd-rjvai
[trjdiv q>QOVTi£etv } iav (iij ixiXXr^ ytaracx^oeiv ttjv 7tQäg~tv
und etwas später, 1315 a 14, tTi de ndot]g fiiv vßgewg
el'gyeo&ai, naget ndoag de dveiv, Trjg %e elg to o tifict
[xoldoewg] aal zrjg elg Ttjv ylixiav. fxdXiova de zavzrjv
Ttoirpiov tijv eildßetav negi Tovg <pilozi/biovg' zip fiev
ydg eig tol XQypctTa ohytugiav oi (pilo%g^aTOL cpegovoi
ßagecog , t^v ö*' [elg] dti uiav o V xe yiXoTifioi
y.ai oi In iei%elg twv ccv&gwntjv.
Doch was will solche Einzelheit? Man mutet
dem Aristoteles den Gedanken zu: lustitia enim est
laudata et magni aestimata non solum apud sapientes
universos verum etiam apud stultos (§ 12). Man
glaubt, dafs Aristoteles habe schreiben können, dafs die
Staaten von Hellas l jetzt alle zu einem Staat ver-
bunden seien, und das in dem Augenblicke, wo er
über hundert hellenischer Politieen monographisch be-
handelt. Aristoteles konnte die thörichte Auffassung
der späteren Zeit gar nicht teilen, dafs Philipps und
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- 137 -
Alexanders Regierung einen Einschnitt in der inneren Excuw
Entwicklung der hellenischen Politieen gemacht habe,
denn er lebte in ihnen. Die Diadochen und Römer
haben gethan, was athenische und hellenistische Rhetorik
den Folgen von Chaironeia in späterer Zeit zuschrieb. —
Aristoteles, dem die Menschheit immer in Hellenen und
Barbaren zerfiel, soll ein einheitliches Recht verlangt
haben für die Völker von der Donau und dem Kau-
kasus bis zu den Nilkatarakten, vom Ambrakischen
Golfe und den Syrten bis Alexandreia eschate und den
Indusmündungen ? Aristoteles, der die agiarr] rcoliteia
in der Politik geschildert hat, soll den Satz haben
schreiben können : Sed sicut nullo modo fieri potesU ut
tradant (patres) bona sua pueris, ita fieri minime po-
lest, ut tradatur civitatis regimen populo, cum sint po-
puli mores similes puerorum moribus, quorum utrumque
genus desiderat custodes et rectores (§ 3)?
Doch betrachten wir einmal den Brief als Ganzes. Disposition
Was soll er? Der Verfasser geht von der ihm zu- Ps "
Arist.
gekommenen Nachricht aus, dafs Alexander nach den n . (i«aa.
Kriegszügen anderen wichtigen Reichsangelegenheiten
sich widmen wolle. Wenn er das wolle, solle er vor
allem der Gesetzgebung seine Aufmerksamkeit zu-
wenden; denn das bringe Ruhm, wie das Beispiel des
Lykurgos beweise (§ 1). Gerade nach dem Kriege
sei eine Gesetzgebung nötig, denn der Frieden berge
Gefahren für die innere Wohlfahrt (§ 2). Aber Ge-
setz sei Gesetz nur dadurch, dafs danach gelebt werde ;
es werde danach gelebt, wenn ein Fürst, dessen prin-
cipatus ein legitimus ist, die Völker wie Kinder dazu
anhalte (§ 3). Dieser Fürst mufs Macht haben, die
Widerstrebenden zum Gehorsam zu bringen, er selbst
mufs aber ein Mann unsträflicher Gesinnung sein;
denn wie der Fürst, so das Volk. Die Blüte Athens
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— 138 —
Excura und Spartas resultiere aus der Trefflichkeit der Leiter;
schlechte Leiter haben dagegen ihre Staaten zu Grunde
gerichtet (§ 4). Der Fürst soll sich die Bewunderung
und die Liebe der Unterthanen durch seine Eigen-
schaften erwerben. Der Verfasser führt nun zunächst
aus, wie der Fürst sich benehmen müsse, damit er die
Bewunderung gewinne: § 5-7. In § 8 erfolgt schein-
bar ein Excurs, in welchem Alexander wegen seines
energischen Vorgehens gegen die rebellischen Perser (?)
belobt wird; innerer Friede sei notwendig, er werde
aber nur erreicht durch längere Gewöhnung an Zucht
und Ordnung, pulchra ävitatum conditione instituenda.
Dadurch werde erreicht, worauf alles Staatswohl (salus
et recta conditio civitatum) beruhe: die pulchritudo
status et integritas vitae (= eita^ia %ai ctoyakeia ßiov).
Man sieht , der erste Eindruck, welchen § 8 macht,
täuscht. Wir haben keinen Excurs in ihm, sondern
eine Ausführung, welche sich an § 1 anschliefst: die
Gesetzgebung wird verlangt. Auch § 9 gehört in
diesen Zusammenhang ; der Verfasser erklärt, Alexander
habe nun genug erworben, jetzt solle er das Erworbene
geniefsen und ordnen (comparatio — usurpatio : xtijoig
— XQrjoig): liestat ergo tibi altera , usurpatio rerum
earum quas consecutus es rectaque earum institutio. —
Mit § 10 setzt der Teil ein, welcher die Eigenschaften
vom Alexander verlangt, durch welche er sich die
Liebe der Unterthanen erwerben könne: er solle ein
König, kein Tyrann sein, über Freie und Gute, nicht
über Sklaven herrschen wollen (§ 10); dazu müsse er
gerecht und milde sein (§ 11) und auf falsche Rat-
geber nicht hören, welche ihn seinem Volke entfrem-
deten und bei ihren Beratungen nicht die Billigkeit,
sondern den eigenen Vorteil im Auge hätten (qui mi-
scent apud te negotia teque adversus populum incitant.
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139 -
Non enim aequitatem effenmt interhancremq.s.) Schlufs ejcutb
§ 12: Darum erwirb dir Bewunderung (id quod homines
admirantur) und Liebe (ne igitur abstinueris ab
amore populi, ut tibi ipsti amor ei honor ab iis con-
tingat)', denke daran, dafs, wie der Fürst ist, so das
Volk. Strebe danach, dafs dein Name durch die
Liebe des Volkes unsterblich und deine Regierung
segensreich werde.
So dispositionslos also, wie er auf den ersten Blick
erscheint, ist der Brief nicht; es lassen "sich gröfsere
unter sich zusammenhängende Teile nachweisen; in
diesen Teilen selbst könnte ja manches geordneter sein,
im ganzen bildet aber auch in ihnen der jedesmalige
Grundgedanke das leitende Motiv. Der Inhalt der
grosseren Teile lehrt nun, dafs dem Verfasser zwei
Themata durcheinander gingen: *Gieb Gesetze, denn
sie sind ftir den Staat notwendig' und 'Sei selbst ein
guter Fürst'. Es ist wohl ein Ansatz dazu vorhanden,
die beiden Gedanken in inneren Zusammenhang zu
setzen, aber es ist bei dem Ansätze geblieben. Der
Brief beginnt mit dem Satze : 'gieb Gesetze, damit du
unsterblich wirst', und endigt mit der Aufforderung:
'erwirb dir die Liebe deiner Unterthanen, damit du
unsterblich wirst'. Die beiden Motive zu dem Ge-
danken zu vereinigen : 'erwirb dir die Liebe der Unter-
thanen durch eine weise Gesetzgebung und persönliche
Trefflichkeit, damit du unsterblich wirst', war doch
wahrlich nicht schwer; und ein Aristoteles wäre nicht
imstande gewesen, eine derartige inhaltliche Einheit
zu schaffen? Diese Unfähigkeit wetteifert nur mit der
Exilitat des Hirnes, welchem es unmöglich war, über
die trivialsten Gedanken — denn andere enthält der
Brief nicht — hinauszukommen. — Weiter : Aristoteles
soll dem Alexander des Jahres 324 in dieser Weise
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- 140 -
Excurs zu raten gewagt haben, 7t(og Sei ßaaiXeveiv ? Es heifst
§ 5: hisce (Liebe und Bewunderung) legitime occupat
et Imperium et eius dignitatem, ut regi se ab eo patiatur
populus et libenter oboediat . . . spero autem tibi praesto
esse hasce ambas virtutes q. s. Das dem Despoten in
Babylon, der kraft seines Schwertes herrschte? soll
man denn den Philosophen absolut für unzurechnungs-
fähig halten? Gedacht mag Aristoteles sich manches bei
dem haben, was er vom Hofe hörte, aber wie er sich zur
Praxis stellte, beweist seine Kritik des Verhaltens des
Kallisthenes. Und was soll Alexander dazu antreiben,
die Gesetze zu geben und recht brav zu sein? Die
Hoffnung auf Unsterblichkeit; in §§ 1. 4. 8. 10. 13
ist sie das Stimulans; daneben tritt durch die Art der
Betonung ein anderes, die diutumitas regni, welche die
Gesetzgebung gewährleiste, zurück: §§ 2. 3. 7. 11,
entsprechend dem Verhältnisse, in welchem die beiden
Themata des Schriftstückes zu einander stehen. Das
Hervortreten der aeternitas gloriae erinnert nun an die
oft citierte Stelle aus Cic. ad Att. XIII 28 quae sunt ad
Alexandrum hotninum eloquentium et doctorum suasiones
(d. h. avfÄßovXevtiKoi) vides quibus in rebus versentur: ado-
lescentem incensum cupiditate verissimae gloriae cupientem
sibi aliquid consilii dari, quod ad lau dem sempiter-
nam valeret f cohortantur. Unser Brief ist, wenn er
auch nicht die Form der Rede hat, im Grunde solch
eine suasio. Die Fiktion der Verhältnisse, unter denen
er geschrieben ist, läfst natürlich den adolescens nicht
zu; der Kriegsheld hat schon Ruhm: den schöneren,
unsterblichen soll der Friedensfürst Alexander er-
werben.
Wir haben in dem Briefe ein Rhetorenstück vor
uns, welches das seit Isokrates übliche Thema von den
Eigenschaften des guten, für die Unterthanen vor-
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— 141
bildlichen Herrschers in der gleichfalls überkommenen Excurs
Form des beratenden Briefes behandelt. Dies alte
Thema ist zu variieren versucht durch Einführung eines
neuen Motivs, der Aufforderung zur Gesetzgebung; aber
mit Ungeschick. Im einzelnen sind Gedanken und
Wendungen in Gestalt von Reminiscenzen, Anregungen
und direkten Entlehnungen aus der aristotelischen
Politik und Ethik geflossen. — Wann das Machwerk
entstanden ist, weifs ich nicht; ich möchte aber darauf
aufmerksam machen, dafs seine früheste Erwähnung,
was Lippert nicht angemerkt hat, im Fihrist des Mu-
hammed ibn Ishäq, um 1000 n. Chr., sich findet, und
zwar in dem 'Berichte über Aristoteles' des von
A. Müller 1 ) herausgegebenen Abschnittes über die
griechischen Philosophen. Es werden hierin zwei Stellen
aus dem erhaltenen Briefe citiert, welche dann auch
Ibn Abi Oseibia (c. 1300) hat (Lippert p. 27). — Dieser
'Bericht über Aristoteles 1 zerfallt in Vita und Schriften-
katalog. Die Vita ist aus Ptolemaeus 'dem Fremden', d. i.
Ptolemaios Chennos 2 ), geflossen. Zwar wird er gerade
vor und nach den Citaten aus unserem Briefe genannt ;
es wäre also denkbar, dafs auch die Citate selbst aus
ihm entlehnt seien, womit wir den terminus ante quem
hätten. Allein aufser den zwei Citaten, weichein unserem
Texte enthalten sind, findet sich daselbst ein drittes,
welches seiner Diktion nach nie griechisch gewesen
sein kann (Müller a. a. O. p. 46 n. 20 ; Lippert p. 26).
Wenn dieses Citat nicht aus Ptolemaios stammen kann,
*) Die griechischen Philosophen in der ardbischen Über-
lieferung (Halle 1873) S. 9 ff.
*) Littig, Andronikos von Rhodos (München 1890) S. 19
A. 4 nach Christs Vermutung, die von keinem von beiden mit
inneren Gründen bewiesen ist, obwohl es sehr leicht und kurz
hätte geschehen können.
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- 142 -
Excurs wird man über die zunächst zu vermutende Provenienz
der beiden anderen wieder zweifelhaft. — Dafs der tiber-
lieferte Brief selbst aus dem Griechischen (direkt oder
indirekt über das Syrische) übersetzt ist, beweisen die
aristotelischen Entlehnungen und Anlehnungen, und
wird niemand bezweifeln, der einmal die übrigens
recht schwierige und aussichts- wie zwecklose Rück-
übersetzung versucht hat.
Den Brief kann man also nicht zum Ausgangs-
punkte und zum ersten Beweisgliede in der Begründung
einer Hypothese über den Zweck einer echten aristo-
telischen Schrift nehmen. Aber gesetzt auch, der Brief
wäre echt, was bewiese er weiter, als dafs Aristoteles
zu einer Reichsgesetzgebung riet? Ist denn das Wollen
Alexanders identisch mit dem Rat des Aristoteles?
Also selbst der echter Brief bewiese die thatsächlich
intendierte Reichsgesetzgebung nicht. — Es folgen nun
historische Erörterungen bei Nissen, welche darthuD,
dafs ein Reichsgesetz in Rücksicht auf die Admini-
stration und Rechtspflege des grofsen Reiches nützlich
gewesen wäre. Wie nützlich den Athenern der Friedens-
schluf8 nach der Arginusenschlacht gewesen wäre, mag
man mit schönen Erörterungen darthun, dazu entschlossen
haben sich die Athener darum doch damals nicht. Aber
Nissen zieht nun (S. 183) den Schlufs der Ethik heran, um
aus einem Passus desselben zu folgern — und so seine
Hypothese durch das Zeugnis des Aristoteles selbst zu
belegen — , dafs Aristoteles in ihm wie in jenem Briefe
den Alexander beschwöre, ein Reichsgesetz zu geben,
und zugleich erkläre, 'dafs die Politik die allgemeinen
Principien für die Reichsgesetzgebung entwickelt, wäh-
rend die Sammlung der Gesetze und Verfassungen für
die Behandlung der einzelnen Fälle dienen sollen 1 . Da
der Schlufs der Ethik von Nissen an einer späteren
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- 143 -
Stelle noch einmal herangezogen wird, verspare ich ein Excum
Eingehen auf die Nissensche Interpretation der Worte
der Ethik auf nachher (u. S. 146, vgl. o. S. 124). — Weiter :
obwohl die ovvaywyij nwv v6[i(ov unter Theophrasts Namen
geht, ist sie, wie von Usener schon bemerkt, auf Initiative
und unter Mitwirkung des Aristoteles entstanden. Da
Aristoteles also an der avvaytoyrj jwv vofdcov Anteil hat,
so sind wir zu der Annahme 'genötigt 1 , dafs diese
ovvaytoytj die Sammlung der 158 noXixum zur Vor-
aussetzung habe. Wo ist auch nur eine Spur von
einer solchen 'Nötigung* vorhanden ? — 'Ferner ist klar,
dafs Aristoteles die Veröffentlichung der Politieen erlebt
hat, aber vor der Herausgabe der Gesetze gestorben
ist 5 ; die gemeinsame Arbeit trage den Namen des
wirklichen Herausgebers. Ich kann in diesen letzten
Sätzen nur eine Kette von Behauptungen ohne jeden
Beweis sehen, wie ich bis zu diesem Punkte der Aus-
führungen Nissens überhaupt keinen wirklichen Beweis
für seine Hypothese gefunden habe. Aber mit Ver-
mutungen und Behauptungen allein wird doch nicht
argumentiert.
Ein neues Argument haben wir in der Ver-
mutung zu sehen, dafs Aristoteles das Material zu
den noXtTÜai sich nicht habe selbst beschaffen können,
namentlich nicht für die fast 100 zählenden 'Duodezstaa-
ten', für die es schwerlich Aufzeichnungen gegeben habe.
Das makedonische Archiv sei hier helfend eingetreten,
und wo dieses im Stiche liefs, würden die makedoni-
schen Agenten oder die Stadtregierungen selbst an-
gehalten worden sein, die nötigen Angaben zu liefern.
Kann die genialste Vermutung ohne die Stütze anderer
sicherer, zuerst beweisender Argumente für sich allein
beweisen ? Was rechtfertigt die Annahme, dafs Aristo-
teles sich das Material nicht habe selbst beschaffen
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144 -
Excur» können ? Können wir auch nur annähernd bestimmen,
welches Material für die TioXixüai damals die xTioeig,
lOTOQtai, 7i£QtT]yrjoetg , TZGQinXöi , neQiodoi 1 ), die Ge-
schichtswerke und die eigentliche politische Litteratur
boten? Haben wir auch nur eine Vorstellung von der
bei dieser Frage nicht belanglosen Masse der in Be-
tracht kommenden Werke ? Und wer sagt uns, dafs in
den anderen Politieen dasselbe Verhältnis zwischen dem
historischen und systematischen Teil bestanden habe,
wie es die noX. Id&rp. zeigt ? Der von Nissen belbst
angeführte Thatbestand, dafs von den 118 von Rose
den übrigen 7ioXiteicu zugewiesenen Fragmenten 99
den historischen Teilen der Bücher angehört haben
müssen, giebt doch, wenn er überhaupt etwas in dieser
Richtung zu folgern erlaubt, zunächst den Schlufs an
die Hand, dafs eben in diesen Politieen je der histo-
rische Teil den systematischen überwog. Die von
Nissen herangezogene Plutarchstelle 2 ), in welcher wtloeig
y.ai nohxücti idQtOTorelovg genannt werden, wird man
schwerlich geneigt sein, mit ihm dahin zu erklären,
dafs Plutarch mit diesen beiden Worten die beiden
Teile der 7toliTÜtu y den historischen und systemati-
») Vgl. Rhet, 1360 a 33 . . JijXov Sri nobs plv xr\v vofio-
#to(av at rijff yije ntQfodoi xtfoipoi- tvrsv&iv yuQ Xa߀iv taxiv
tovs Tiüv t&v(uv vofiovsy nobs tfi rag noXittxag ovfxßovXag rag
twv ntQi rag noag'tig ygatpovteav taroofag' anavxa dt xavra no-
Xiuxijg äXX' ov $t}TOQixrjs iqyov toriv; gegen Isokr. vgl. u. S. 146.
a ) Plut. Non posse suaviter vivi c. 10 orav $1 ur\3lv txovoa
Xvnr\gbv % ßXttßtobv iorogta xttl dtrjyrioig inl ngaSeai, xaXaig xal
fJtydXaig 7lQOOXdßrj Xoyov f/orra üvvapiv xal //(Qiv. «og TOV
y 'Hqoöotov rot 'EXXijvixä xal <ra?) ritooixu top ScvotfäiVTOg,
oaaa ö*k "Ofirjoog t&(amO€ &iaxeXa «/doiff, rj yijg mqiodovg Ev6o-
fof, r\ xrioug xal noXirttag UgioroTfXrig, »* ßCovg dvdgäiv *Aqi-
oroffyo» iyQatyWy ov ftovov [xiya xal noXv ib Ei>(pQaivov aXXä
xal xa9aobv xal a^eTa^iXrjTov iartv.
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— 145 —
sehen, habe bezeichnen wollen. Plutarch führt doch Excur»
hier nur ganze Buchtitel an. Wenn beide Worte auf
die noKixüai gehen, was ich für nichts weniger als
sicher halte, so folgte daraus, dafs in einigen Politieen
der historische Teil so sehr überwog, dafs sie Plutarch
mit den Namen y.iiuug bezeichnen konnte. Das würde
zu dem Verhältnis von 118 : 99 stimmen. Aber für
Nissens Hypothese müssen die zweiten Teile be-
deutend gewesen sein. Da die aus den Fragmenten
zu entnehmende Beobachtung diesem Erfordernis ent-
gegensteht, behauptet Nissen, von diesen Politieen seien
im Altertum nur die historischen Teile gelesen worden.
Wie man sich das zu denken hat bei 157 noteräuu, d. h.
157 povoßißloi, wird bei dieser Behauptung nicht gesagt.
Näher lag m. E. der Gedanke, dafs die Verfassung
von solchen 'Duodezstaaten' natürlicherweise später kein
Interesse mehr fand, die sie darstellenden Teile also weni-
ger excerpiert wurden, während jenes den historischen
Teilen begreiflicherweise länger bewahrt blieb. — Und
nun das Hauptargument über den Zweck der TtoXixücti \ Artotot.
es steht an jener Stelle der Ethik (X 1181 a 13 — b 12; schiuss
s. o. S. 142) : Xatog ovv xai %&v vofxoyv y.al twv 7coXltsiwv
al ovvaywyai tölg fxev dwa^evoig xtewQrjoai xat yLQivai
%L "AaXwg tj Tovvavriov 17 noia tzqioiq agfuovcei evxQt]<n*
av iir t ' toig d' avev ^etag %a roiavza die^iovaiv xb fxiv
/.olvuv xaAwg ot*x av vnaqxoi, ei furj aga avrofxcnnov,
evovveittheQOi ö* eig zavxa tax' ov yivoivto. Nissen:
'Also dient die Sammlung zum Gebrauch praktischer
Staatsmänner, weiterhin zur Heranbildung solcher.
Wie willkommen, wie notwendig mufste ein derartiges
Handbuch für die von allen hellenischen Parteien be-
stürmte Reichsregierung sein.' 'Also? 1 Ich begreife
das 'Also 1 nicht, nicht wenn ich die Worte hier aufser
Zusammenhang betrachte, nicht wenn ich sie in ihrem
Keil, Aristoteles. 10
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— 146 -
Excuw Zusammenhange nachlese. Aristoteles sagt am Schlufs
der Ethik : Die Ethik mufs ins Praktische umgesetzt wer-
den. Die Menschen bestehen aber nicht blofs aus Geist,
sondern auch aus Fleisch und Bein; diejenigen werden
also die Menschen nie zur Tugend bringen, welche
glauben, man solle sie auffordern, zov y,akov %^Q lv nach
den Gesetzen der Moral zu leben, anderenfalls sie be-
strafen oder Landes verweisen. Die Menschen müssen
zur Tugend erzogen werden ; der Staat erzieht durch
Gesetze, Gesetze giebt der TtoXiTinog. Wie wird man
nun ein 7ioXiTt'Aog? Durch ifi7teioia. twv de ooq>t-
oxCjv ot enayyeXKonevoL Xiav cpaivowai tioqqu) Ana
rov dtdai-ai' oXwg yag ovde noTov %i eaziv r t niQi
Tzoia l'oaaiv ov ytxQ av trjv avzrjv xfi (>r}TOQi'x.f l
ovde %eLqo) etL&eoav, ovd* av ojovto Qqdtov
elvai to votio&errjocu avvay ayovxi voig elioti-
fiovvvag züv vofuov' exXegao&ai yaq eivai tobg
aoiowvg, 0JO7teg ovde zrp exXoyr/v ovaav ovveaewg xat
to y.Qlvai ooöcdg neyioxov y woneg Iv zolg xara fiovoi-
Ayv. Nissen S. 183 : 'Scharfe Worte werden hier gegen
die unwissenden Sophisten, d. h. gegen die
Nebenbuhler um die königliche Gunst ge-
schleudert, welche die Kunst der Gesetzgebung wie
die Rhetorik zu lehren versprechen.' Ich war sehr
erstaunt, diese Interpretation der Worte der Ethik zu
lesen, wo schon vor mehr als 50 Jahren die Aristoteles-
stelle von Spengel als Replik auf Isokrates' Antidosis
81 ff. erkannt war (Gomment. ad Arist. art. rhet. p. 48)
und oft in Sachen der litterarischen Fehden des
4. Jahrhunderts citiert ist; mir sind gerade Blafs,
AU. Bereds. II 61, 1 [ 2 65, 3], Dümmler, Rh. Mus.
1887, 179 und Chronolog. Beiträge p. 15 zur Hand.
Isokrates sagt a. a. O., es sei schwerer, Redner als
Gesetzgeber zu sein (§ 83): xoig pev tovg vofiovg tl-
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- 147 —
&£vcu TTQoaioovuivoig 7tQovQyov yeyove %b nlfi&og raiv Excura
Keifitvwv, ovöiv yoiQ ccvtovq Sei trpelv heQOvg, allci
tovq 7Taqa xolg alloig evöoxtfdovvtag neiga-
&qvai avvayayeiVy o $qdiwg ootig av ovv ßovXrj&eig
noitjaeu. Man sieht, die unwissenden Sophisten, die
Nebenbuhler in der königlichen Gunst, entpuppen sich
als Isokrates, der 338 im August gestorben ist. Auch
die Worte ov yag av zi)V avtr ( v tq ^r/coQiy.rj %EiQto sind
gegen Isokrates* Antidosis gerichtet; denn sie treffen
den Kern der §§ 254 f. und 256 ff. Die Beziehung von
§§ 79 — 83 auf den platonischen Staat ist ja ohne wei-
teres klar; da Aristoteles die IIoXitivlol schreiben wollte,
ist es leicht begreiflich, warum er die Gelegenheit er-
greift, die Bemerkung, welche man dann auch gegen
ihn wenden konnte, abzufertigen. 'Wie wird man ein
noXitixog? Durch e^7ieigia. Aber die Sophisten, wie
Isokrates, glauben ja die votio&euwij durch das UyUv
lehren zu können. Sie können das nicht. Sie wissen
ja nicht einmal, was die votiodeiixrj ist, und halten
■Gesetzgeben für leichte Auslesearbeit aus anerkannt
guten Verfassungen. Aber zu diesem Auslesen gehört
Urteil, welches auch wieder nur die huiuulu geben
kann. Und selbst die Benutzung von ovvayioyai tojv
vofitav %ai noXitudv erfordert Urteil; wer dies hat,
für den mögen sie nützlich sein, wem es fehlt, der
kann bei der Benutzung der Sammlungen ein richtiges
Urteil nicht — oder höchstens durch Zufall — haben ;
nur an Verständnis für diese Fragen könnte er viel-
leicht gewinnen.' In diesem Abschnitte , in diesem
Zusammenhange hat Nissen die Hauptbeweisstellen für
seine Hypothesen zu finden gewufst, dafs die aristote-
lischen TtoXixüai im Zusammenhange mit den Vorarbeiten
zu einer Reichsgesetzgebung stünden und als 'eine
10 *
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excum Sammlung zum Gebrauch praktischer Staatsmänner,
weiterhin zur Heranbildung solcher 1 dienten.
Ich will nicht davon reden, dafs im Handumdrehen
aus der Vorarbeit für die Politik und weiterhin für
die Reichsgesetzgebung eine Sammlung mit selb-
ständigem Zwecke wird; nur bemerken möchte ich,
dafs die noXixiia If&rjvaicjv jedenfalls nur zum Ge-
brauche unpraktischer Staatsmänner bestimmt gewesen
sein kann. Wer konnte sich denn aus diesem Buche
über athenische Verhältnisse, wie sie die Diplomatie
zu behandeln hat, orientieren ? Gerade was ein Staats-
mann der Alexanderzeit darin zunächst suchen mufste,
fehlt: die äufseren politischen Beziehungen Athens, und
zwar die des 4. Jahrhunderts. Nur die innere Ge-
schichte ist behandelt und das 4. Jahrhundert gänz-
lich ausgeschlossen. Und für welchen praktischen
Staatsmann waren denn die wissenschaftlichen Aus-
einandersetzungen des Verfassers mit Herodot, Thuky-
dides, Androtion bestimmt?
Datierung Endlich hat Nissen auch die Schrift anders, als
der
iiox. ks»;i. bisher geschehen, zu datieren versucht (S. 197 f.);
er setzt sie in die Zeit vom Oktober 324 bis Juli 323.
Er statuiert: die Athener haben nur probeweise im
Jahre 325/4 sieben Penteren hergestellt (CIA. II 2,
809 d 90), denn dafs die Herstellung nicht fortgesetzt
wurde, weil das Kaliber keinen dauernden Beifall ge-
funden habe, beweise Diod. XVIII 10. Die Stelle wird
nicht ausgeschrieben ; es ist aber gut zu wissen, dafs
Diodor hier nicht eine Angabe über den Bestand des
athenischen Marinearsenals im Jahre 323/2 macht,
sondern erzählt, dafs die Athener in den letzten See-
krieg 40 Tetreren und 200 Trieren hinausschickten.
Dürfte ein Historiker der Zukunft schliefsen: zum
Armeebestand Preufsens gehörten nach amtlicher Quelle
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1 868 die Gardes du Corps ; in keiner Schlacht des deutsch- Exeu«
französischen Feldzuges wird die Truppe erwähnt, also
ist sie 1870 abgeschafft gewesen? — Es 'wird die
Paralia und zwar als Tetrere erwähnt 826/5, 323 2;
die Salaminia dagegen ist als Triere vor 325 4 zu
Grunde gegangen und begegnet 822/1 wie ihr Schwester-
schiff als Tetrere 1 . Zunächst liegt hier ein Versehen
vor, wodurch die ganze Schlufsfolgerung hinfällig wird.
Das Staatsschiff heifst nicht Paralia, sondern Paralos;
so bei Thukydides, Aristophanes , Aristoteles, Philo-
choros; zweitens ist das Schiff eine Triere. Also ist
die Identifikation der Tetrere Paralia mit der Triere
Paralos eine methodische Unmöglichkeit. Die Sala-
minia heifst bei Aristoteles um das Jahr 325 Ammonias,
Ammonias heifst sie um 805 bei Philochoros. Wie
kann man nun diese Überlieferung folgendermafsen ver-
werten ? Aristoteles und Philochoros geben allerdings den
Manien der Ammonias statt den der Salaminia, auch war
das Schiff sonst eine Triere, aber in den Seeurkunden
kommt 322/1 eine Tetrere Salaminia vor: diese Tetrere
Salaminia ist mit der sonst in diesem Zeitraum Ammo-
nias genannten Triere identisch. Das ist eine blofse
Behauptung. Und welche anderen Behauptungen sind
für sie notwendig? Erstens der Name des Schiffes hat
zwischen 325 und 305 wieder gewechselt, und zweitens
das Schiff ist als Triere untergegangen und taucht als
Tetrere wieder auf, zwei Behauptungen, die nicht blofs
nicht bewiesen, sondern auch unwahrscheinlich sind.
Die erste Identifikation, die der Paralos, ist unbeweis-
bar, die zweite unbewiesen, die Diodorstelle nicht be-
weisend. Thatsächlichen Halt hat Nissens Datierung
nicht Denn in dem Syllogismus, welcher die Datie-
rung schliefst, dafs nämlich die Salaminia erst nach
dem Aufrücken des Amnion zum Vater Alexanders den
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- 150 -
Excurs Namen Ammonias hätte empfangen können, in Wirk-
lichkeit diese Umtaufe wegen des Verhältnisses der
Athener zu Alexander nicht vor der Zeit möglich war
und nur während der Zeit Bestand hatte, wo die
Athener dem Könige göttliche Ehren erwiesen, mithin
die Salaminia nur zwischen dem Oktober 824 und Juli
323 Ammonias geheifsen haben könne — in diesem
Syllogismus, sage ich, enthielte der Untersatz eine
treffende Beobachtung, wenn sie nicht durch den Ober-
satz an Halt verlöre. Denn wo ist der Beweis für den
Obersatz ? Auf die Geschichte des Namens der Salaminia-
Ammonias, welche Nissen konstruiert, brauche ich hier-
nach nicht mehr einzugehen.
Neuntes Kapitel.
Das neunte Kapitel ist eines der wichtigsten für
die Charakteristik der tzoK. l4&r}v. Was sein eigent-
liches Thema sein soll, ist klar: die Einführung der
Volksgerichte. Man hätte demnach zunächst die An-
gabe der einfachen Thatsache zu erwarten, dafs Solon
die Volksgerichte und die Berufung an sie einsetzte.
Allein Aristoteles fand diese Institution im Urteil der
Athener mit der Ansicht verbunden vor, dafs sie die
volkstümlichste Mafsregel Solons sei, weil im 4. Jahr-
hundert die Souveränität des Volkes in der Recht-
sprechung zum deutlichsten Ausdruck kam. Das hielt
er für unrichtig, dagegen galt es zu kämpfen. Und
so stark ist der polemische Trieb, dafs er den Schrift-
steller die einfachen thatsächlichen Angaben gar nicht
erst machen läfst; vielmehr, ehe er ihn überhaupt zu
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— 151 —
den das Thema des Kapitels enthaltenden Worten 9. Kap.
kommen, ehe er das Streitobjekt ihn nennen läfst,
zwingt er ihm schon Kampfesworte in die Feder und
läfst ihn die eigene abweichende Ansicht in den Vorder-
grund stellen: TtQWTOv fiev xcrt fiey igt ov to fifj
daväLBiv Ini Tolg owfiaaiv, ein Urteil, welches im An-
fang des 6, Kapitels begründet war. Einfach registriert
wird to i&ivai zqj ßovXofihy tihwquv vrreg twv adi-
xovfiirww, und nun erst die bekämpfte Ansicht xqixov
öi (<£) iiaXiaxa (paoiv lo%v*£vtu to nX^og, ^ eig to
dixaOTyQiov tyeoig, aber auch hier noch nicht ohne
einen Zusatz, der der Polemik Ausdruck verleiht ; denn
der Relativsatz weist mit der Bemerkung, dafs diese
Institution nach allgemeiner Ansicht die demokratischste
aller solonischen sei, ausdrücklich auf des Verfassers in
den Anfang gestellte abweichende Auffassung hin.
Nun würdigt er die Gründe der Gegner ohne jede
Polemik, soweit sie Thatsachen betreffen ; aber die un-
historische Auslegung der Thatsachen bekämpft er:
ov yaQ dUaiov ix twv vvv yivo t utvtjv aXX* ex Ttjg äXXiyg
noXtTiiag Sewoetv tt,v enüvov ßovXrjOiv, wozu ja die
Parallele aus der Politik (1274 a 11) bekannt ist: cpai-
verai de ov acctoc Ttjv SoXwvcg yevtoÖai tovto rtooctL-
uioiv (die Überhandnähme des Demos), aXXa (.taXXov
anb oviinTOtfAcnog . . inel SoXwv ye tbtxe Tr t v avay-
xaioraTijv anoöiöovai t$ öijuo) övvafAiv xtc. (s. oben
S. 120).
Und woher gerade hier die Stärke des polemischen
Triebes? Solon ist für Aristoteles, worauf ich weiter
unten genauer eingehe, ein pitoog, seine Verfassung ist
die eines fiioog, der stets die fjeooTrg wahrt, von Ex-
tremen sich fernhält. Gab aber Solon dem Volke die
Gerichtsbarkeit, welche die demokratische Tradition
ihm zuschrieb, dann war er kein utoog. Die ganze
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152 -
9. Kap. solonische Verfassung hatte Aristoteles als die eines
fdioog dargestellt. Bei der Seisachtheia giebt Solon
dem kommunistischen Begehren des Volkes nicht durch
Aufteilung des Landes nach, in der Verteilung der
Staatsrechte enttäuscht er das herrschsüchtige Ver-
langen der Adligen durch die timokratische Ordnung
der Dinge. Er läfst dem Adel Vorrechte, aber giebt
auch dem Volke Rechte. Die Ämterbesetzung gestaltet
Solon nicht aristokratisch-oligarchisch durch das reine
Wahlprincip, auch nicht demokratisch durch blofses
Losen: die Mitte hält er, indem er eine Besetzungs-
art festsetzt, welche Wahl und Los vereinigt. Mit
dem ttqoxqLveiv und dem Losen war die Ämterbesetzung,
wenn auch mit Mafsen, so doch immerhin nach demo-
kratischem Principe ausgestaltet; aber die evüvva,
welche nach Aristoteles der Areopag hatte, brachte in
das Beamtentum das aristokratische Gegengewicht
hinein. Die demokratische Wahl konnte die Beamten
nicht zu allzu demokratischer Amtsführung bewegen,
denn die ev&vva auf dem Areopag stand ihnen immer
bevor. Aus diesem Zusammenhange erklärt sich die
merkwürdige Angabe, dafs die ev&vva nach der Ord-
nung Solons vor den Areopag gehört habe. Aber alles
dieses sind doch im Grunde Einzelheiten, bei denen
nur ein Mehr oder Weniger an demokratischer Ten-
denz in den gegensätzlichen Darstellungen des Aristo-
teles und der Atthis in Rechnung kommt. Hier, bei der
Erteilung einer Gerichtsbarkeit, welche nach der Ansicht
der Demokraten die extreme Demokratie hatte fördern
sollen, handelt es sich um die Gesammtauffassung von
Solons Gesetzgebung. Entweder gab Solon die Ge-
richtsverfassung in dieser Absicht, dann war Aristo-
teles* Auffassung von dem Manne und dem Werke des
Mannes falsch, oder er gab sie nicht mit dieser Ab-
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- 153 -
sieht, und die demokratische Tradition ist gerichtet. »• Kap.
Duft er aber diese Absicht nicht gehabt haben könne,
ergiebt, so sagt Aristoteles, ein Blick auf die ganze
Verfassung. Man sieht, auf die Darstellung der solo-
nischen Verfassung, wie sie in den ersten Kapiteln
gegeben ist, weist Aristoteles hier zum Beweise ein-
fach hin. Er hat im einzelnen vorgebaut, damit, wo
der Kampf ums Ganze geht, er nur auf das Einzelne
zu verweisen braucht. Überlegen ist zwar die Ab-
fertigung der gegnerischen Ansicht, aber dafs hier
alles auf dem Spiele steht, verrät sich an der Stärke
der Polemik im Eingang und auch im Ausgang. Man
beachte, wie mild und vorsichtig seine ausgesprochene
Polemik in fast stereotypem Ausdrucke da ist, wo es
sich um Differenzen handelt, welche dem blofsen Ur-
teile unterliegen und Ansichtssache sind; so sagt er
(p. 5, 25) ov juijv aXXa Tti&avtütegog 6 tojv drj^ioxi'x.üv
Xoyog und (p. 7, 11) ov fjrjv uXXa evXoyurtegov xrc. Um
die Achtung vor der Meinung des Anderen, welche
sich in dieser Mäfsigung ausdrückt, richtig zu würdigen,
vergleiche man, welchen Ton er anschlägt, wo es sich
nicht um Ansichten, sondern um beweisbare That-
sachen handelt: p. 19, 18 6 Xeydfievog Xoyog . . . ovx
aXrj&rig ionv ov yag tnsfxnov To(re) f*e&' 07tXwv
und gar 18, 3 dib *ai yavtgwg Xygovoiv <ol) (pa-
oxovTsg t.QtüuEvov elvai üeiaiatgatov SoXwvog, denn da
brauchte man nur die Archontenliste nachzuschlagen.
Auch an unserer Stelle handelt es sich um eine An-
sichtssache, daher Aristoteles wieder ruhig ov jUtj?
elxog sagt ; aber die polemische Erregtheit, welche das
ganze Kapitel charakterisiert, tritt an der Begründung
ov yag dixcuov zu Tage; das ist bei allem Ethos,
welches darin liegt, hart gesprochen. Und indem
Aristoteles die Einsetzung der Volksgerichte seitens
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9. K»p. Solons mit ausgesprochener demokratischer Tendenz
leugnet, widerspricht er der allgemein geltenden Ansicht,
dafs Solon mit den Gerichten der demokratischen Ord-
nung die bedeutendste Stütze habe geben wollen. Am
Schlüsse des 8. Kapitels hatte er die Mafsregeln an-
geführt, durch welche Solon die neue Verfassung nach
seiner — des Aristoteles — Meinung zu festigen suchte,
die Eisangelie Eni Acnalvou tov öfaov an den Areopag
und das Gesetz gegen den politischen Indifferentismus.
Das ist sein positiver Nachweis; den negativen, dafs
nämlich die Ansicht, nach welcher Solon mit der Volks-
gerichtsbarkeit seine Verfassung hätte festigen wollen,
falsch sei, erbringt er in diesem Kapitel, indem er
überhaupt das Vorhandensein der Tendenz in dem
Gesetzgeber leugnet, welche allein zu dem Versuch
einer Stützung der Verfassung durch so demokratische
Institutionen hätte führen können. So legt das 9. Ka-
pitel negativ dasselbe dar wie* der Schlufs des achten
positiv ; dieses bereitet jenes vor. Wie sich also die
Kapitel 6 — 8 im ganzen zum 9. Kapitel verhalten, so
verhält sich im besonderen der Schlufs des 8. Kapitels
zu dem folgenden. Auf diese Weise wird zugleich der
innere Zusammenhang festgehalten. Es ist eben alles
Absicht, alles Beweis in diesem Abschnitte. Die ganze
Darstellung der solonischen Verfassung ist ein grofses
Nein, nicht gegenüber der Überlieferung der einzelnen
Thatsachen der solonischen Verfassung, sondern gegen-
über der allgemein geltenden demokratischen Auf-
fassung des Mannes und seines Werkes. Aristoteles
rühmt den Solon nicht weniger als die Demokraten,
aber er sucht und sieht die Bedeutung seiner Gesetz-
gebung in etwas Anderem als diese. Er erblickt in
demselben Manne, in welchem jene den Archegetes der
extrem demokratischen Anschauung des 4. und 5. Jahr-
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hunderte sahen, den Feind alles Extremen ; er macht 9. Kap.
den Begründer und Helfer der extremen Demokratie
zu ihrem Feinde. Durch die ganze Darstellung der
solonischen Verfassung zieht sich dieser Gegensatz, und
das neunte Kapitel steht im Brennpunkte des Streites.
So ist es das wichtigste aller Kapitel, welche wir hier
betrachten, ja es ist vielleicht eines der wichtigsten
der ganzen no'ktxüa 'A&rjvaiwv überhaupt.
Aristoteles führt die Gründe der Gegner für die und i Flut -
wachsende Macht der Gerichte an; sie finden sich
auch bei Plutarch (Kap. 18): o (sc. t6 dtxdfeiv) xcrr'
ag%ag utv ovdiv, lOreQOv öi nafn^eye^eg i<pavt]' ta
yaQ TcXelaxa twv dtayoQCov ivimmev eig tovg dtxa-
atdg. Die Thatsaehe , dafs zu Solons Zeit die Ge-
richtsbarkeit des Volkes noch keinen bedeutenden Ein-
flufs im Staatsleben ausübte, ist auch hier anerkannt;
aber das ganze Plutarchkapitel zeigt, dafs sein Ver-
fasser oder dessen Quelle die spätere Entwicklung der
Volksgerichte sich als von Solon beabsichtigt dachten ; es
fehlt also gerade das wesentlich Aristotelische, der Satz,
dafs diese Entwicklung infolge historischer Zufällig-
keiten sich so, wie sie es gethan, gestaltet habe. Mit-
hin kann Aristoteles hier nicht vorliegen. Das wird
sich auch aus dem Folgenden ergeben. — Plutarch:
xat yctQ oaa Talg apxaZg *Va£e xp/mv, bfxoiwg xctl
7ieqi ixeivwv eig tb öiytaOTrjQiov icptoeig l'öwxe %oig
ßov),ouh>oig; philosophischer bei Aristoteles : y.vQiog yaQ
Iüv 6 drj/uog T^g xl'rjcpov xvQtog ytverat tijg noXi^eiag.
Es folgt nun auch bei Plutarch der Topos über die be-
absichtigte Unklarheit der solonischen Gesetze. Dafür
der Beleg: 1 E7Ciar i f.taLverai d* avrbg avrijj ttjv a^icoatv
ovTiog' Jtj fity f.uv yaQ tdcoxa toaov -/.gdrog oaoov inaQ-
K£i xr£. "Eti liivroi xert uuü.ov oiopevog delv enaQ-
*eiv tfj xQv 7tolX(Zv aa^eveia, rcavxi Xaßelv 6Ur t v
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9. Kap. vnsQ tov y.(c/<->g niTtovSbiog tdwxe. Aristoteles führt
die Verse h]<i<i) fiev yctQ ytzk. ebenfalls an, aber nicht
als Beleg für die Bevorzugung des Volkes durch Solon,
sondern dafür, dafs Solon, wie er sagt, aficporeQOig
rjvavtiw&ri xai . . . e\'Xero ngbg QftcpovtQovg ctTtex&e-
<s#ai. Und niemand wird leugnen, dafs Aristoteles
die Verse richtig verstanden und gebraucht hat, Mifs-
brauch mit ihnen bei Plutarch getrieben ist. Allein
wie konnte der Mifsbrauch möglich sein? Weil man
den ersten Vers anders las, als wir ihn im Aristoteles
jesen. Dieser giebt örjf.t({) [.ttv yag edcoxct tooov yegag
oaaov in a q(%gi} , Plut. 0*17^ /uiv yctQ edio'Act xoaov
y.gctTüQ ooaov inctQY.ei. Er will dabei, wie das sich
daran anschliefsende in iia/./.oi oioj.tevog delv inctQ-
xelv zfi twv 7ToXXuiv ao&eveicz zeigt, €7ragxe7 als 'helfen,
schützen' verstanden wissen ; da er nun statt yegag das
starke TtQarog liest, so ergiebt sich der Sinn für die
erste Zeile: 'dem Volke habe ich eine solche Macht
gegeben, dafs sie es schützt. 5 Wem nun die übrigen
Verse gleichgiltig waren, der konnte die 3 Distichen in
der That als Beleg in der Weise verwenden, wie es
bei Plutarch geschehen ist. Das wichtigste Ergebnis
dieser Beobachtung ist, dafs Hermippos, den man ja hier
gerade einfach für Plutarch einsetzen darf 1 ), an dieser
Stelle nicht die noh *A^v. benutzt haben kann; das
beweist die verschiedene Verwendung des Epigrammes
und vor allem der Umstand, dafs diese verschiedene
Verwendung auf einem verschiedenen Texte beruht.
Nun besteht aber zwischen Aristoteles und Hermippos
an dieser Stelle zugleich eine mehr als zufallige Uber-
einstimmung; andererseits können Aristoteles und Her-
mippos die Solonverse nicht aus derselben Quelle
>) Begemann a. a. 0. S. 20.
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haben. Aristoteles schöpfte aus den Gedichten selbst, 9. Kap.
auch Hermippos wird sie selbst benutzt haben; aber
auch in der ihnen beiden gemeinsamen Quelle, der
Atthis, sind sie vorauszusetzen. Da Hermippos die
Verse im Sinne einer demokratischen Auffassung ver-
wendet, wird man annehmen, dafs er, wie das auch
zu erwarten ist, die Quelle genauer ausschrieb, Aristo-
teles diese Quelle berücksichtigte, zum Teil ihre
Worte gebrauchte, aber sein eigenes Urteil sowohl den
Thatsachen wie den Belegen gegenüber sich wahrte,
Ich möchte noch, wie auch vorher, um den Gegen- T u " d
satz zwischen den von Hermippos benutzten Quellen vn 39 ff.
und Aristoteles zu illustrieren, Isokrates' Areopagitikos
heranziehen. Es heifst darin: (§ 3&) zi\v dt} zoiavzrjv
(sc. ßovXriv, Areopag) . . . moLclv B7toir t aav iTci^ieXel-
o&ai zrjg evza&ag, rj (sc. ßovlrj) zovg fiiv olofAevovg
ivzav&a ('da 1 ) ßelzLozovg ävöqag yiyveo&ai, 7taq olg
('wo') 01 vofioi peza nleiozrjg dvLQißeiag KeifAevoi
tvyxdvovaiv , dyvoelv ('desipere*) ivofditev . . . (§ 40) situ
zd ye TcXiqdri y,ai zag ccxgißeiag züv vofxtov or^f/elov elvai
zov xorxcSg olxeio&ai zqv nohv zavzrjv (§41) zovg öi
'/.aXcüg nmaideviitvovg xai zotg anlwg xe ifievoig
e&elyoeiv epniveiv. Diese Worte, welche auf die ver-
meintliche solonische Verfassung gehen, werden jetzt
klar in ihrer Tendenz verstanden. Die darin stehende
Behauptung, dafs die axolßsia zwv vofitov, welche eben
den solonischen Gesetzen fehlte, nicht nötig sei, ergiebt
sich als eine Verteidigung des demokratischen Satzes
eTvizrjöeg ciaaqsug avzbv Tzoirjoac zovg vopiovg, aller-
dings eine Verteidigung des Enizr^eg in anderem Sinne
als dem der Demokraten. Die Thatsache der aodqteta
der solonischen Gesetze war allgemein anerkannt und
fiel für den Philosophen unter das allgemeine
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9. Kap. Axiom *), dafs ein Gesetz überhaupt nicht für alles Bestim-
p. 9, 7 f. mun g en treffen könne. Von allgemeinerem Gesichtspunkt
aus erklärt also Aristoteles die Mängel der solonischen
Gesetze: Solon war es unmöglich, alles genau durch
Gesetze zu regeln, weil dies überhaupt unmöglich ist.
Die Atthis kehrte jene Mängel zur Glorie des demo-
kratischen Heros: die aodyeia war beabsichtigt von
Solon, omog mQi trjg XQioeaj[g 6 öij/iog y xjvQtOQ*),
wozu der Satz ytvgiog yaQ wv 6 dr^og trjg xlrfyov xi-
giog yivetcu zijg noXitüctg den Syllogismus schliefst.
Und Isokrates? Auch nach ihm lag die aodqxia in
der Absicht des Gesetzgebers, und auch die auf Solon
folgenden Generationen hiefsen diese aod(peia gut.
Aber der Solon des Isokrates und die Geschlechter,
welche nach der Darstellung des Redners gleichen
Geistes mit dem alten Gesetzgeber waren, konnten bei
der Zulassung und Belassung der aoaqteta unmöglich
die Absicht gehabt haben, welche die demokratische
*) Z. B. PlatoPolitikos 1294 a or* vofxog ovx äv nort J vvaito
To rt itgiarov xal ro öixatorarov dxgißäis näoiv afxa negila-
ßtov ro ßtiT iot ov InixttTTUv (vgl. 7iol. y Ad-t)v. p. 9, 9 Jta
to lurj ö* vvao &ai xa&olov negtkaßeiv to ß(XTiaTov). al
yag dvofxoiorrjTfs tüjv Ti av&g<ontm> xal t<2v ngd&tov xal t6 ^uij-
ö*4noTs nT)ö*h wf tnos elntiv yavxtav ayttv tüv dv&gwntvtov
oöökv itoaiv anlovv tv ovdtvl mgl dnarriav xal inl ndvra tov
Xqovov änotf ttiveo9ai t^vtjv ouö* tivtivovv. Aristoteles selbst
Poiit. 1282 b 4, wo von den Beamten die Rede ist: ntgl TovTtav
tlvai xvgiovs ntgl oatov i£ ad*v vutovoiv ot vofxoi X£yeiv
tixot ßtfi e ö*ia To nr; QuSiov tirai xa&olov 6iog(oai ntn) nav-
tw vgl. 1287 b 17: die Beamten müssen das xgfvtiv haben, mgl
wv 6 vofxog aövvaTti ätogl&iv .... tu ftfo £v(f//€ra* negt-
Xtjtf^ijvat, rote vopoii, tu ö*k dduvara xri. vgl. 128G a 24, Ethik
1137 b 27 ff., Rhet. 1374 a 28 ff.
2 ) Das Paläographische zu der Lesung s. o. S. 9 z. d. St.;
für den Ausdruck vgl. die in der vorhergehenden Anm. citiertc
Stelle: negl töutwv ehai xvgtovs (Pol. 1282b 4).
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- 159 —
Auffassung der aodyeia unterschob; denn damit würde 9. Kap.
sich der Zweck der ganzen Schrift nicht vertragen. p * 9 ' 7 1
Sein Solon kann dem Volke nicht die Macht gegeben
haben, welche zu der Verwilderung führte, die gerade
im Areopagitikos bekämpft und der die solonische Ver-
fassung als wieder zu erstrebendes Paradies vorgehalten
wird. Er konnte aber auch die aristotelische, philo-
sophische Auffassung nicht annehmen, weil er damit
dem Urheber der gepriesenen Verfassung einen Mangel
hätte anhängen müssen, den seine idealisierende Dar-
stellung nicht vertrug, und welche in seine Beweis-
fuhrung nicht pafste. So durfte die aodq>eia nicht ab-
sichtslos sein, sie durfte aber auch nicht mit der Ab-
sicht belassen sein, welche die demokratische Tradition
annahm. Wie hilft er sich? Er greift zu dem so häu-
figen Mittel sophistischer Beweisführung, zum utopisti-
schen Ethos, und erklärt den Mangel der Schärfe der
solonischen Gesetze mit dem Gemeinplatz, dafs nach
der Auffassung der Altvorderen die in Stein ge-
schriebenen Gesetze keinen Wert gehabt hätten; das
Volk sollte nach dem Willen der Vorfahren zur aw-
rpgoavvi] erzogen werden, so dafs die Gesetze in seinem
Herzen geschrieben stünden : die Erziehung des Volkes
abergaben sie — und hier liegt der Kern der Schrift 1 ) —
dem Areopag in die Hände: otx fat tovxwv (den Ge-
x ) Dümmler a. a. 0..(s. o. S. 78, Anm. 1) S. 16 hat gemeint,
dies sei der richtigste Gedanke des Areopagitikos, und den
habe Isokratcs auch noch aus Piatons Staat gestohlen (IV 425,
namentlich b ovrt yao nov yiyvtrtti out* «r fitfvatr, Xoytp re
xal y uuim um rouo9€Ti)fr£rTa', Gegensatz ist ix nauJcfttf). Ob
der Gedanke der richtigste ist, darüber will ich hier nicht
rechten; aber dafs er nicht aus Piatons Staat stammt, das
verdient betont zu werden. Isokrates hat ihn schon im Pane-
gyrikos (§ 78) in anderer Wendung tovs vopovg iaxonovv, onms
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— 160 -
9. K«p. setzen) vrjv STtiSoaiv ehai rfjg ccQeztjg aXV ix xtirv xa&'
P> 9, 7 f.
dxQtßteg xal xuXwg ?jbva»jr t ou% ovrto rovg neol TtÜv IdCtov
avftßo Xaiwv tog roig negl rwv xo*' ixdarrjv rijv rifii-
oav in tTTiäsipaTtüV' riniaravro yd(>, Sri rotg xaXoTg xd-
ya&oTg twv dv&Q(an(av oöJkv titqO€t noXXtov ygaufid-
rtov, ukV im' oXiyuv owdynärojv §qd(tog xal negl tüv täitov
xal 7t(Ql toJv xmvdiv ouovoqoovoiv] ebenso kehrt er in der Parallel-
darstellung des Panathenaikos (s. o. S. 86 ff.) zum Areopagi-
tikos wieder, § 144. Vgl. Plato a. a. O. 425 c »/<W. . . t« ayo-
Qaia $ v ußoXaitav rf ntoi xax* dyooav 'ixaoxot a n(>og d).).r r
Xoi'g k~VfjßdXX0V0~lV XOVXtOV loljXriOOlAtv Tl VOfJO&iXtlV.
all* ovx äZtov . . . artiodot xaXoig xdya&oTg imxdxxtiv;
xd noXXä yctQ avidiv, Sau Jtt vo/uofterrioanOat, $€tS(iog nov (v-
Qtiaovair. Die Übereinstimmung ist so grofs, dafs man, falls
der Panegyrikos spät genug fiele, in der That auf Abhängig-
keit des Isokrates schliefsen würde. So bleibt nichts übrig,
als anzunehmen, dafs der Gedanke, wie ich ihn im Texte auch
bezeichnet habe, ein philosophischer Topos war. Denn von
isokratrs selbst stammt er sicher nicht. Woher dieser ihn
aber hat, ist mir nicht klar. Isokrates pflügt auch im Ausdrucke
mit fremdem Kalbe: die Gesetze i^ufQayfiaxu nov djuaQxrjfjdxon'
zu nennen, ging über sein Können oder wenigstens gegen seine
zimperliche Ausdrucksweise. Dasselbe Bild Lyk. Leokr. 124 : dnd-
aag rag oJovg t(Zv dthxrjfjdxtov iv4(foa$av, was in Bezug auf das
Psephisma des Demophantos gesagt ist. Der Ausdruck ist lange
nicht so kühn wie der bei Isokrates. An direkte Nachahmung des
Areopag. seitens des Lykurgos vermag ich nicht zu glauben; das
Bild wird älterer Prägung sein. Der Ausdruck klingt fast an die
Tragödie an; doch giebt es noch eine andere Möglichkeit. Bei
Stob. Flor. 43, 95 (II 103 M.) steht ein Fragment aus der Schrift
nfol ooioTTjTog des sonst nicht bekannten Diotogenes (Zeller,
Phil. d. Gr., III 2», 100, Anm. No. 12), welches beginnt: tut
<f£ vofxtag ovx iv olxypaöt xal &vq<6 uao iv ivijfiev Stt t
dXX* iv xoTg y&itoi Ttüv noXixtvofxivtov. x(g fov doyjt noXi-
xtlag andaag; viatv rootfd. Ebenda 43, 134 heifst es aus einer
dem Arcliy tas falschlich beigelegten Schrift (Zeller a. a. O. S. 106)
tisqI vofjtov xal tfixatoovvrig (II 139, 21 M.): xtv vofxov tov tv
roig ädeoi (ich belasse den Dialekt, wie er bei Meineke steht,
denn für die künstliche Doris fehlt mir das Regulativ) xal
xoTg inuaötv^aat iwy noXixdv iy%Q(i)&o&ai ö*u und direkt im
Wortlaut mit Diotogenes übereinstimmend (II 138, 19 ff.), so
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- 161 -
btamrp tr t v r)^iQav irtitrßEv^idxwv' tovq yag Ttolkoig 9. Kap.
dafs auf einer Seite ein Plagiat vorliegt, Jet tov vo/jov . . .
fur) (v olxtjuttoi xal &uoo)uaatv Ivrjfiev dXX* iv rotg «ff toi twv noXt-
Tivoutvoiv. ovdk ytto Iv Attxttüatfxovi, Tfi tvvofitoraTq nla&tt,
youuuüxojv a noXtg (hoixeircu, noXv 6k uaXXov roig TQonoig nur
noXiTevofjtvtDv. Die Stelle erinnert stark an Isokrates' t«
nXrj&r) . . . rtav vo/uaiv Tag oxoäg iftnifinXttveiv yQafipilrtav . . .
roig iprjif fauaoiv dXXa rotg rj&totv xaXöig olxtto&ai xri., 8. d. Text.
Dafs die Pythagoreer am Ende der christlichen Zeitrechnung
den Areopagitikos nicht ausgeschrieben haben, wird man ohne
weiteres zugeben. Nun ist dieser Gemeinplatz bei den Py-
thagoreern Und bei Piaton mit der Jugenderziehung verknüpft;
bei . Isokrates erscheint er zunächst nicht bei der Erziehung
der Jugend, sondern der der ganzen Hurgerschaft zur ototpQo-
avvri, unmittelbar darauf aber geht auch Isokrates auf die
Jugenderziehung über, so dafs man deutlich sieht, er hat den
Gedanken in demselben Zusammenhange vorgefunden, wie er
bei Piaton und Diotogenes erscheint. Gerade so Aristoteles,
wie sich das versteht, am Schlüsse der Ethik (X 1179 b 31): ix
viov (f' ftytoyrjc op.V/Jj rv/tlv TtQog doerrjv /aXenov fjrj vnb toiov-
Toig Tottif &Ta vofAOig . . . tfir) vopoig dei TiTa^at rqv T.jotfijv
xa\ tu ImTtjJtu/uttTtt . . . xal ävJQtti&trrae J«t intTTjäeveiv aurd
xrtl ?U(ttaöai . . . et J* ovv . . . tov toofievov aya&ov rgatfijvat
xttXtog äti xttl t&MJftrjvni, ovrtog h tntxritievpttatv imuxfat
Crjv xal ^r'y axovia (xr\0* ixovra 7i(x'tTT(iv ra ffavXtt, TaCra ä+
yCvoir* nv ßiov/utvotg xard rtvtt voOv xal roftv öp^ijv, l^ouffav
ioyvv . . . tv luovt) tfi tj ^axtöaipovdav noXei juer' oXtytov o
vofio&itrfs tni^iXeinv tfoxfi* nenot^ad-ai TQOtpijg js xal IniTij-
öfvuttTtor. Im Folgenden führt Aristoteles noch aus, dafs die
so erziehenden Gesetze yeyQau^ih'oi oder ttypatfot sein könnten ;
darauf käme es nicht an (d. h. iv jj&eotv). Es ist erklärlich,
aber auch bemerkenswert, dafs wie bei Pseudo-Archytas so
hier die Gesetzgebung des Lykurgos als Beispiel angeführt
wird. In dem S. 130 f. berührten Abschnitt der Politik heifst es
im Zusammenhang mit der Verfassung des Lykurgos von dem
Gesetzgeber t6i>(t() vouo9ijrjv i /nn o i eiv Set mOra raff tyv-
Xttig Ttor ttv,9o(6n(ov (1^33 b 37). Namentlich an der Aristoteles-
stelle erkennt man, dafs auch Xenophon, memor. IV 4, 15, in
K eil, Aristoteles. 11
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— 162 —
9. Kap. ofxoiovg tolg rftsoiv anoßaiveiv, iv olg av Sxaorot nai-
öev&woiv. inei ta yc 7iXtj&i] aal tag ay.gißeiag täiv
vofoav oriiAÜov elvai toi xaycwg olxelo&ai ttjv tzqXiv
tavtrjv . . . öelv di tovg OQ&wg Ttohtevofiivovg ov tag
atoag eftnifATtlavai ygapnaudv, all* iv taig \pv%cug
e'xeiv tb dUaiov ov yaQ toig xpi]<piofiaatv ak?M toig
rfteaiv *alwg oheio&ai tag noUig, mal toig uev yta-
diesen Zusammenhang gehören : AvxovQyov dl xov Aaxtdaiuo-
nov . . . xaxafifud^ijxag, ort ovSh dv 6id(fQQ0V rdiv dXkotv
7i6ktmv ttjv 2nttQTT\v tnotrioev, tl fiij xo nii&to&ai roig vouotg
udfooxa ivttgy daax o auxrj. Was er Iveigyaoaxo, ist fv fö&oiv.
Um den Kreis zu vollenden, mufs ich noch eine Stelle aus-
schreiben. Plut. Lyk. 13: voftovg ytyqa^fih'ovg 6 Avxoüq-
yog ovx (frqxtv, dlld uta rtiy. xalovutvoiv {>rjXQ(iiv taxlv avxt).
xd jiiv yaQ xvQtmxaxa xal jutyujra ngvg tvdaipovtov noltwg
xal do€rf)V iv roiff rj&eoiv tjttTO xal rate dytayaTg rcSv nohrtov
iyxaTtOToixHutjuhi u piveiv dx(vt]xa xal ßtßaia, f/ovxa Ttjv
nqoatQtaiv dtofxov ioxvQoxegov xijg dvdyxr\g % i]v tj ixaCätvotg
tfinottT rotg v(otg vofio&trov ötd&totv dnfoyaCofi^vrj 7X(qI
cxaoxov aurtov. xd <fk /uixnd xal XQtjuaxixu av fi ßokaia xal
utxanfaxovxa rate /gefatg alkoxe dlkcjg ß&ttov t)v [iq xaxa-
Xa u ßdviiv iyygdffoig dvd yxaig tnjJt dxtvffXotg H&eaiv,
dlV i t lv inl xaiv xatgdiv npooftioeig Xa/ußdvovra xal d(f.ai-
Qtatig, dg uv oi 7X(nai6tv(xivoi äoxtudatoat (vgl. Isokr. IV 78).
xb ydg olov xal näv xijg vofAO&toiag tgyov tig Ttjv naiöefav
dvrjxpe. Es ist mir aus dem Zusammenhange aller dieser Stellen
sicher, dafs der von Isokrates benutzte Gedanke aus social-
politischen Erörterungen — mündlichen wie schriftlichen —
stammt, welche um das Jahr 400 oder früher die Philosophie
oder Sophistik über die Erziehung zum Staatsbürger anstellte;
in ihnen war die spartanische Verfassung typisches Beispiel.
Es ist bezeichnend für den Rhetor Isokrates, wie er aus diesem
antiathenischen Gedankenkreise das Motiv der Erziehung durch
und für den Staat auf die athenischen Verhältnisse übertragt.
Manche Merkwürdigkeit seiner Ausführungen, namentlich die
Unklarheit, wie er sich die Erziehung denkt, wird hierdurch
verständlich.
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- 163 -
xwg iB^Qafifiivovg xai roig äxQißcög iüjv vopcov avaye- «. Kap.
yqa u u evovg ToXpijoBlv nagaßaiveiv, tovq Öi y.alajg 7CB-
7tcudevfiivovg %ai toig aTtluig /.eifAtvoig i&eXyoeiv tuiu -
veiv (§ 40 ff.)« ^ an sient > es ist das ein Versuch, sich
mit der Thatsache der aoayeia der solonischen Ge-
setze abzufinden. So machen der Philosoph und der
Rhetor, jeder von seinem Standpunkte aus, Front
gegen die demokratische Tradition der Atthiden.
Zehntes Kapitel.
Mit den Worten diazdt-ag di %r t v noXixuav ovtibq
€LQrp;ai zgonov schliefst sich das 11. Kapitel unmittel-
bar an p. 6, 16 Sutane %r t v noXixüav tovde (toV)
iQOTtov an, so dafs man anzunehmen geneigt sein könnte,
das zehnte Kapitel gehöre auch noch zur Darstellung
der noUtua ; allein der Schein trügt. Zwei Aufgaben
hat Solon nach Aristoteles, die Hebung des socialen
Notstandes und die Einführung einer neuen Verfassung ;
dafs und wie diese beiden Aufgaben gelöst wurden,
ist in den vorhergehenden Kapiteln erzählt; was Solon
sonst noch that, kann nur als naqiqyov berichtet werden.
Dem entspricht der Inhalt des zehnten Kapitels. Er be-
steht aus einer nachträglichen chronologischen Bemer-
kung über die Abfolge der solonischen Mafsregeln mit der
schon besprochenen (S. 45 f.) Pointe gegen des Androtion
Auffassung der Seisachtheia als einer Zinsermäfsigung
nebst Münzreform. Die hierbei nötige Erwähnung
der solonischen Münz- und Mafsreform veranlafst den
Schriftsteller, eine kurze erläuternde Bemerkung über
diese Reform anhangsweise beizugeben (en* k%üvov yag
11*
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- 164 -
io. Kap. syevezo). Die Form der nebensächlichen Behandlung
der solonischen Münz- und Mafsordnung ist an sich
eine Polemik gegen die Bedeutung, welche Androtion
ihr in seiner Darstellung der solonischen Verfassung
eingeräumt hatte. Aristoteles hält sie für keine poli-
tische Mafsnahme, gesteht ihr keinen Zusammenhang
mit der nolixda zu. Dafs sie keinen gehabt habe,
will er durch die Angaben über sie selbst darlegen.
und Piut. Tj m clies zu verstehen, müssen wir den Parallelbericht
° ' 15 ' des Plutarch heranziehen, welcher , wie ausdrücklich
von diesem bezeugt wird, aus Androtion geflossen ist.
Aristot. Kap. 10. Plut. Sol. 15.
Ttoirjoag . . . zrjv ze zwv . . zijv a\ia zovztp yevofxi-
fJ.6ZQWV XCXt OTad-fAUtV Vt)V ZWV Z€ flEZQWV 871-
/.ai z^v zov vofxiof.ia- avi-yoiv xert zov voll-
zog av^tjOiv. E7t exet- O(.iazog ztfiyv. \Exa-
vov yaQ eyivezo v.ai za zov yaQ eTtoirjae ö*oax-
UezQa tiutto zwv Oeiöw- fiwv ztjv fxvuv TtQoze-
veiiov, xai 7] fiva Tigozegov qov eßdopyKOvza %ai
[e'k/.o)voa nag l[)u]yov zgicov ovoav, üoz*
eßdo(.iff/~ovza dgay^ag ave- agi&n$ fxiv Yoov, Swdfiec
Ttlrßto&ri zalg h*azov. rjv d* elazzov a7todiö6vz(ov y
ö J 6 aQ%aiog xaQcrAzijQ öi- wqieXeTo&ai ftev zovg exzl-
dgaxuov. iTtolrße de y.al vovzag fieydla, firfih öi
oza&f.iä Tigbg z[b vjo/Jioiaa ßXaTtzeo&ai zovg y,OfxiCo-
i[ß]£?£ y.al e£rj'*ovza (xväg fiivovg.
zb zdXavzov ayovoag, y.al
ETudtevenij&rjOav [er*] uval
zip ozazrjgi y.al zolg aXXoig
oza${.ioig.
Die Verwandtschaft beider Berichte ist so in die
Augen springend, dafs sie keiner weiteren Erörterung
bedarf; die Differenzen erfordern sie um so mehr. Der
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- 165 -
wichtigste Unterschied ist der, dafs Androtion nur von 10. Kap.
(xirga und vofAia^ia spricht, Aristoteles von oraler,
fteTQCt und vo^io^ia, und dafs hierbei Androtion für
die fiirga eine inav%rjOig berichtet, für das vo^io^ia
eine rtjuij, Aristoteles dagegen für alle drei gleichmäfsig
eine av^aig. Die weiteren Ausführungen beider
Autoren stehen mit dieser generellen Angabe in Über-
einstimmung. Androtion läfst die utioa beiseite, weil
es ihm für seine Würdigung der Seisachtheia allein
auf die Münze ankommt; wie er die Inavfyoig tüv
IUTQOjv verstand, bleibt also dahingestellt. Sein Aus-
druck 'Ttjujj' ist sehr korrekt. Solon führte eine andere
'Wertung' ein, die in der Reduktion des Fufses be-
stand, was wieder gut mit den Worten ctQi&fup jueV
Yoov, dvvdfAei d' ilavcov ausgedrückt ist. Aristoteles
läfst die avfyoig auch des Geldes eintreten und be-
richtet konsequenterweise : 'die Mine, welche früher mit
Aufserachtlassung einer kleinen Differenz 70 Drachmen
wog, wurde durch die jetzt übliche Zahl (vaig) von
100 Drachmen voll gemacht.' Aristoteles also denkt
sich die Mine um ca. 30 °/o vergrößert. Natürlich kann
seine Meinung nicht die gewesen sein, dafs einmal die
Mine ca. 70 Drachmen gehabt habe; er glaubte viel-
mehr, dafs 100 alte Drachmen ca. 70 Drachmen des
neuen Kurses entsprachen. Er berichtet also just das
Gegenteil vom Androtion. Ich nehme gleich seine An- p- o, 20 f.
gaben über die Veränderung der Gewichte hinzu.
inoirjoe de xca <ra) ara^^a rtQog t[6 v]6fxia ^ua,
d.h. in demselben Verhältnis wie das Geld 1 ),
*) Diese für das Verständnis der Zahlenangaben des Ari-
stoteles wichtigsten Worte werden von den Erklärern der Stelle
mit Stillschweigen übergangen. Da die Deutungen hierdurch
irrig werden mufsten, halte ich mich einer Polemik für über-
hoben.
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— 166 -
10. Kap. wurde das Gewicht umgestaltet; den Artikel <rcr) halte
>. 9, 2off. ich wegen z. 16 für nötig. Geht man nun von der
von Aristoteles selbst gegebenen Voraussetzung aus,
dafs Geld und Gewicht in das gleiche Verhältnis zu
einander gesetzt wurden, so bleiben die folgenden
Worte (enottjoe) . . . T[^]cZg xeu egfaovxa fxvag xb xa-
Xavxov ayovaag unverständlich; denn an sich sind sie
kaum zu konstruieren; giebt man ihnen aber supplie-
rend einen Sinn, so kann man nur eine av^rjoig des
alten Talentes auf 63 Minen verstehen; d. h. das alte
Talent stand zum neuen wie 60 : 63 ; beim Gelde aber
war das Verhältnis wie c. 70 : 100: wo bleibt da die
Übereinstimmung mit der Angabe inoirjoe de xai (xct )
otcc&hcc TCQog xb vofiia pa? Es liegt also hier eine
Textesverderbnis vor. An den überlieferten Worten
herumzukurieren ist aussichtslos; ich stelle die Dia-
gnose auf Wortausfall. Axiom mufs die Gleichheit der
Behandlung des Geld- und Gewichtsfufses sein. Das
neue Talent hat 60 Minen ; also ergiebt sich die Glei-
chung 100 : 70 = 60 : x = 42. Nun ist das Ver-
hältnis 100 : 70 ein ungenaues (nag' b'kLyov), und ist,
da Aristoteles' Angabe sich zu der des Androtion ein-
fach umgekehrt verhält, zu vergröfsern. Man rechne:
100 : 71 = 60 : x = 42, 6; 100 : 71, 5 = 60 :
x = 43, 2. Ich vermute nun, dafs die Worte XQelg
■Kai in Verbindung mit diesem letzten Verhältnis zu
bringen und der Rest oder richtiger der Anfang der
Zahl xgeig *ai (xeriaQa.yi.ovta ) sind. Dann erhält man
die Gleichung 100 : x = 60 : 43; x == 71, 66. Die
Differenz von 1, 66 ist unter dem naq oXlyov zu ver-
stehen. Ich halte also eine Herstellung des Satzes wie
enoirpe de xot <ra> oxa&fia nQog x[b] v6fAi<J(.ia, z[()]eTg
xat (xexxaQaxovxa inav^aag elg zag) egyxovza fivag
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- 167 —
TO taXavTOv ayovaag sachlich für nicht unwahrschein- 10. Kap.
lieh; für sicher halte ich, dafs hier eine Lücke im p ' 9, 20
Texte ist 1 ), und dafs diese Lücke durch die Gleich-
förmigkeit zweier nahe bei einander stehender Zahl-
wörter herbeigeführt wurde. — Zu dem Gebrauche
von xctQa*triQ in den Worten r t v 6 uQxaiog gorgaxT^g
öidocr/unv vgl. Polit. 1257 a 35 nqbg Tag ctXkayag toi-
ovtov %i owi&evxo nQog oq>ag avxovg didovai xai Aor/u-
ßavuv, o Ttuv XQijcifiQtv avzb ov eixB %r\v xQttav evfAe-
taxBLQiozov 7tQog t6 txpf ... to juiv rcQÜhov anXug oql-
a9iv [jeyi&ei xcu orad-pqj, to de relevralov xat x a Q a ~
v.Tr}Qa enißakovriüv, IV aTZOÄvor] rrjg ueio^oewq aitovg*
6 yag x<xQcr/.i7jQ itifh) tov 7toaov oy/Aelov. Ob man sagen
kann o gaoaxnjp loxi didgaxpov, ist mir fraglich; Sprache
und Gedanke verlangen r t v d 1 6 agxatog xccgay.ztjg öidgdx-
pov. Auch gewinnt für mich die Stelle dann in ihrer
polemischen Natur an Deutlichkeit; denn sie soll die
von Pollux IX 60 überlieferte Tradition to nalatbv
di tovt* r t v (sc. dtögax^ov) Iddyvaioig vo^ia^ia, xal
inaXeiTO ßovg, oti ßov v el gey IvTETvnw^iv ov rich-
tig stellen. Aristoteles führt, wie fast nirgends, auch
hier nicht die bestrittene Ansicht an; er sagt nicht:
'das Gepräge war nicht das Rind, sondern das des
(noch üblichen) Didrachmon' ; er sagt einfach: 'das
Gepräge war das des Didrachmon' ; mit diesem Lako-
nismus war zugleich auch der Wert bestimmt. Man
! ) Die Worte tq(ic xal sind von H-L. getilgt worden mit
derselben Gewaltsamkeit, welche ihre Textkritik besonders
hier durchgehends zeigt. Hultsch's Aufsatz, Jahrb. für Mass.
Phil 1891 (CXLIII), 263 lasse ich ganz beiseite, weil er auf
methodisch unsicherer Grundlage, einem sich selbst wider-
sprechenden Texte, Hypothesen errichtet. — Vgl. noch Rid-
geway, Class. Rev. V 108.
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- 168 -
\o. Kap. kann also Aristoteles an dieser Stelle nicht aus Pollux
8upplieren.
Wie soll man sich nun diese Gleichartigkeit und
Verschiedenheit erklären? Soviel scheint mir aus dem
ganzen Charakter des Abschnittes über Solon hervor-
zugehen, dafs Aristoteles die bei Androtion gegebene
Darstellung der Münz- und Gewichtsreform korrigieren
will, so gut wie er ihre Zusammengehörigkeit mit der
Seisachtheia abgelehnt hatte. Aristoteles bestritt oben
diese Zusammenstellung ; er entreifst hier dem Gegner
auch die Möglichkeit dazu, indem er der Reform den
Charakter abspricht, der die Einreihung in die Sei-
sachtheia überhaupt möglich machte. Nur unter der
Annahme, dafs eine Reduktion des Fufses unter Solon
stattfand, war die Münzreform als eine Erleichterung
für die unteren Schichten zu betrachten und zu einem
Teil der Seisachtheia zu machen. Aristoteles leugnet
die Reduktion des Fufses; mehr noch, er behauptet,
dafs eine Erhöhung desselben stattgefunden habe.
Damit ist eine Verbindung von Münzreform und Seisach-
theia, welche beide schon als zeitlich auseinanderfallend
dargestellt wurden, auch aus einem inneren Grunde
abgelehnt. Aristoteles hat seine Trennung der beiden
Mafsregeln bewiesen.
Autorität Ob er recht hat? Mit der Münzreform ist er sicher
Aristot. im Unrecht; das beweist die Numismatik. Aber darf
uns das Wunder nehmen? Aristoteles ist keine ab-
solute Autorität in der Darstellung der älteren atheni-
schen Geschichte; er hat sie auch nur aus schrift-
lichen Quellen geschöpft, und seine Angaben sind genau
soviel wert, wie seine Quellen es waren. Er ist nur
Mittelsmann wie andere Historiker auch. Allerdings
den Vorzug wird man ihm bereitwillig zugestehen,
dafs er seine Quellen nicht wie andere blindlings nahm
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— 169 -
und blindlings ausschrieb, sondern mit verständigem 10. Kap.
Urteil wählte und sichtend die Berichte weiter gab.
Allein auch in diesem liegt eine Gefahr für den Philo-
sophen als Historiker; es ist nicht ausgemacht, dafs
sein Standpunkt beim Urteil über die Quellen und
Thatsachen immer der richtige war. Doch davon
später. Hier ein zweiter Punkt, welcher eine absolute
Autorität des Aristoteles nicht gelten läfst. Aristoteles
begründet die Realforschung auf dem Gebiete der
älteren griechischen Geschichte im Gegensatze zu der
die Thatsachen oft entstellenden oder vergewaltigenden
sophistischen und rhetorischen Behandlung der historisch-
antiquarischen Uberlieferung 1 ). Er weist der Methode
den Weg, indem er zugleich Quellen für historisches
Wissen kennen und aufsuchen lehrt, welche bis dahin
nicht herangezogen waren. Er lehrt aus bestehenden
Verhältnissen mit historischer Methode gewesene Ver-
hältnisse erschliefsen , die Überlieferung nach ihrer
inneren Wahrscheinlichkeit und nach äufseren Indizien
prüfen, die Überlieferung ferner in ihren verschiedenen
Brechungen heranziehen und die als die echteste er-
scheinende auswählen. Er hat den Weg gezeigt und mit
intuitivem Blicke das Ziel geschaut, aber erreichen
konnte er das Ziel selbst nicht. Er mufste sich zuerst
die Uberlieferung zusammensuchen; war Athen als
Centrale des Buchhandels auch der geeignetste Ort
dazu, und hatte er selbst auch eine Bibliothek, deren
Gröfse die spätere Zeit noch rühmte: solche Schätze
von Überlieferung, wie die alexandrinische und die
pergamenische Bibliothek nach ihm vereinigt haben,
! ) Thukydides, mit welchem Bauer den Aristoteles hin-
sichtlich der Methode in eine sehr berechtigte Parallele ge-
setzt hat, ist ohne Nachfolge geblieben.
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- 170 —
io. Kap. hatte er nicht zur Verfügung. Ein einzelner kann
nicht alles sehen ; nach ihm . sahen viele Augen, die
in reicherem Material suchen konnten. Reicheres
Material wirkt aber zurück auf die Methode. Mit der
Vermehrung jenes geht eine Verbesserung dieser not-
wendig Hand in Hand. Aristophanes von Byzanz
und Didymos arbeiteten methodischer, als Aristoteles
es konnte. Der Fortschritt der Methode tritt im Alter-
tum am deutlichsten in den exakten Wissenschaften
hervor; ich denke an die Fortschritte, welche Astro-
nomie und Erdkunde in Alexandreia gemacht haben,
als königliche Munificenz neues Beobachtungsmaterial
ermöglichte. Mir hat hierfür das von Philologen oft
geschmähte Buch von Lewes die Augen geöffnet mit
seiner Grundidee, dafs Aristoteles auf naturwissen-
schaftlichem Gebiete methodische Forschung in moder-
nem Sinn nicht geübt hat und wegen der Mangelhaftig-
keit des Beobachtungsmaterials und der durch das
Fehlen der Instrumente bedingten Mangelhaftigkeit
der Beobachtungen selbst nicht hat üben können. Ich
mache davon weiter unten auf seine Geschichts-
schreibung Anwendung. Die spätere Zeit hat also
auch auf antiquarischem Gebiete vieles besser wissen
können und müssen; Aristoteles gehört noch in das
4. Jahrhundert, er ist seiner Forschung nach noch
kein Alexandriner. Der Zustand der antiquarischen
Forschung von heute im Vergleich zu dem der Zeit,
welche die Inschriften noch nicht heranziehen konnte
oder heranzuziehen erst begann, bietet eine Parallele;
besser, weil wir damit in der Antike selbst bleiben,
ist vielleicht der Hinweis auf die Entwicklung der
antiquarischen Forschung in Rom. Der Unterschied
zwischen Attius und Varro — wobei ich den älteren
nicht mit Aristoteles auf eine Stufe stellen will — und
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- 171 -
wieder der zwischen Varro und Sueton lehrt, wie die 10. Kap.
Forschung durch erweitertes Material von Lächerlich-
keiten zu wissenschaftlichen Ergebnissen sich durch-
arbeitet. Aristoteles' Angaben sind keine Offenbarun-
gen : da nicht, wo die spätere Wissenschaft des Alter-
tums ihnen nicht entgegengetreten ist, und besonders
da nicht, wo diese zu anderen Resultaten gelangt ist.
Aristoteles ist der erste Forscher des griechischen
Altertums gewesen, dem die Numismatik Interesse er-
weckt hat, und er ist fast der einzige geblieben. Was
er darüber sagt, verdient Beachtung; aber wenn das,
was er sagt, vor unseren von den Münzen selbst ab-
geleiteten Kenntnissen nicht Stich hält, so hat es nur
historischen Wert. So steht es mit seinen Angaben
über die solonische Münzreform. Aristoteles verliert
darum so wenig an Autorität, wie Btfckh verliert, wenn
eine neue Inschrift Aufstellungen der Staatshaushaltung
als falsch erweist; denn wir verstehen, warum er nur
so urteilen konnte und darum so urteilen mufste.
Wir können also den Beweis, den Aristoteles aus
der Erhöhung des Münzfufses gegen Androtion ent-
nimmt, immerhin für falsch halten, es verbleibt doch
der Beobachtung das zur Würdigung, was ihr vor,
nicht neben dem antiquarischen Inhalte das Wichtigste
sein muls, die Art der aristotelischen Beweisführung.
Ich halte die Abfertigung des Gegners — natürlich
unter der Voraussetzung der Richtigkeit der numis-
matischen Angaben — für eine vollkommene. Die
Polemik über die Auffassung der Seisachtheia ist einer
der charakteristischsten und einer der glänzendsten
Abschnitte des ganzen Buches: Ob die Atthiden eine
feste Überlieferung über die Art der Münzreform hatten,
steht nicht fest ; ob also Aristoteles oder Androtion in
diesem Punkte der Recepta folgten, mufs dahingestellt
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— 172 —
10. Kap. bleiben ; aber wol steht aus Plutarch fest , was die
Atthiden l ) über die Seisachtheia im ganzen, wozu die
Münzreform nur als Teil gehörte, überlieferten: sie
fafsten sie, wie Aristoteles sie darstellt; das ist also das
-Charakteristische an der Polemik über die Seisachtheia,
dafs Aristoteles hier die Atthidenüberlieferung gegen
Androtion vertritt. Nicht überall, nicht aus Princip,
ist er ein Gegner der Recepta; von Fall zu Fall fallt
er das Urteil.
Aristot. Doch neben den Folgerungen für das Buch des
und Plut.- . .
Hermipp. Aristoteles selbst bleiben noch die für sein Verhältnis
zu Plutarch - Hermipp. Plutarch schreibt Hermippos
aus. Hermippos hält des Androtion Auffassung von
der Seisachtheia nicht für richtig, weil der consensus
omnium dagegen sei; in der Ablehnung jener Auf-
fassung stimmt er also mit Aristoteles überein; allein
diese Übereinstimmung beweist nichts, da Aristoteles
hier die Recepta vertritt. Dagegen giebt Hermippos
des Androtion Bericht über die Münzreform, ohne einen
Widerspruch zu erheben; hier hatte aber Aristoteles
widersprochen, und davon ist in dem Bericht des
Plutarch-Hermipp keine Spur. Ferner mufs Hermippos
den Androtion — selbst oder über Istros — verwendet
haben; denn aus Aristoteles war des Androtion An-
sicht nicht zu entnehmen. In dem Punkte also, in
welchem eine Kontrolle möglich ist, ergiebt sich, dafs
Hermippos die uoX. l49rjv. nicht benutzt hat; was
für Hermippos gilt, gilt in diesem Falle für Plutarch.
Das Verhältnis zwischen Aristoteles und Hermippos
gestaltet sich also folgendermafsen. Jenem wie diesem
lag die Recepta und des Androtion abweichende Dar-
») Das liegt in ot M nUTaroi (I 170, 1 Sint.); die Atthiden
hatten naturgemäfs die meisten Abnehmer.
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- 173 —
Stellung vor. Jener bekämpft die letztere chronologisch 10. Kap.
und besonders sachlich in der Kritik der Münzreform ;
dieser bekämpft ebendieselbe mit Hinweis auf den
consensus omnium, recipiert aber die Münzreform vom
Gegner. Es ist klar, dafs hier Aristoteles und Her-
mippos, jeder für sich, und der letztere ohne Rück-
sicht auf den ersteren, geschrieben haben.
Elftes Kapitel.
Das elfte Kapitel bildet den Schlufs des Ab-
schnittes über Solon : Solon krönt sein Werk, indem er
um der Durchführung der neuen Ordnung willen ent-
sagungsvoll sein Vaterland verläfst, welches er durch
seine Mäfsigung aus den Parteikämpfen gerettet, und
welchem er in seiner Mäfsigung die besten Gesetze
gegeben hatte.
Aristot. Kap. 11. Plut. Sol. 25 f.
diaxd^ag de tt,v TtoXixüav hcel de twv vollwv eioe-
ovneQ eiQtpai tQonov^ vex&evxwv tvioi t([j Solwvi
l7teidr { n q oo lovt eg avrq> 7.a& htdovqv jcgoorje-
neql twv vofxwv aav 7]^itqav
evwyhovv Ta ftev erciTi- enaivovvTeg r xp eyovTeg
Ii w vt e g 7} avfißov?.evovreg ef.tßccllei v
Tolg yeyQctfi/utvoig o ti tv-
XOiev tj äqiaiQEiv,
Ta de dva/.QivovTeg n'keiaxoi d* t]oar o/
TTvv&avonevoi, xat d v a -
•/.givovTeg Kai nsXevovreg
avrov onwg Hkciotov e%ei
Aal TiQog r { v /.eiTai didvoiav
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— 174 —
11. Kap.
p. 9, 23-28
ßovXo^evog urpe xavxa
y.ivelv uyx* an^x^avt-
o&ai Ttagwv
anodiqtiiav InotrioaTO
xai' e/nTtoQiai afia
xai 9eioQiav eig AXyv-
nxov [elnü>~\v dg oi[x rj§]ei
dexa hwv
t7zexdiöa(jxeiv y.ai oaqtr}-
vitsiv,
oqüjv oxi xavxa xai xb
nqorteiv Ölxotzov xai xb
ttt] nqaxxztv in itp&ovov ,
oXwg de xatg dnoQiaig
V7texaxf{vai ß ovXoftevog
xai diacpvyelv xb övad-
qeoxov xal quXaixiov
xiov noXixutv,
TTQoaxrjua xqg TtXdv^g xr\v
vavxlyQiav noiyod-
fievog ij-enXevoe
dexaexr) TcctQa xüjv Id&q-
vauov an odrj ju iav alxr t -
oauevog ... 26 tcqütov fiiv
ovv slg ^.Xyvnxov d(pi-
x«to xai öuxgnpev . . .
XQOVov 64 xiva nai xoig
7i€Qi Wevaxpiv . . . Xo-
yitoxdxoig ovoi xutv iegeuv,
ovvecpiXoooyrjoe (d h.
xaxa deiogiav).
Man wird auf den ersten Blick die Darstellung
des Plutarch einfach als eine Paraphrase des Aristoteles
anzusehen geneigt sein, und an sich könnte man da-
gegen nichts einwenden ; es raüfste denn sein, dals man
ftir Plutarch gleich Hermippos setzen wollte. Doch
es ist, bevor man über den ersten Teil urteilt, auch
p. io, 1-7 der zweite Teil des Kapitels mit Plutarch zu kon-
frontieren. Aristoteles' Worte sind in ihm richtig
nur mit einiger Aufmerksamkeit zu verstehen. Er
unterscheidet zwei Gegnerschaften, eine von reichen
Privatleuten und eine von seiten der politischen
Parteien als solchen. Der Grund der Unzufrieden-
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- 175 —
heit ist beidemal als Glied dem ganzen Satze angefügt, u. Kap.
der der Unzufriedenheit der Parteien aufserdem in p * 10,1-7
einem selbständigen Satze weiter ausgeführt. Also
gliedert sich dem Inhalte nach die Stelle so:
äftct de xai avveßaivev avz$
z&v ze yvtoQLuwv SiaqioQOvg yeyevijo&ai noXXovg (a)
did zag zdv %gtC)V artOKOndg, (b)
xai zag ozdoeig dfiqjozegag jLteza&£o&ai (a 1 )
did to nagd di^av ccvrolg yevio&ai ttjv [veav]
zd%iv (b l )
6 fiiv ydg ör^og <pezo 7tdvz* dvdöaava noiif-
oeiv avzov, (c)
ol de yviogipoi ndXiv rj zijv alzrjv zd£iv ano-
dwoeiv f) o[xeo*ov d]nagdXXa[yizov] (c 1 ).
Ich habe die Worte so nach Kolen ausgeschrieben,
weil dadurch die Sinnteilung— woneben übrigens auch der
gleichmäfsige Aufbau der Periode Beachtung verdient —
klarer hervortritt. Denn sie ist einem Übersehen da-
durch leichter ausgesetzt, dafs die erste Gruppe der
Unzufriedenen, die reichen Privatleute, im wesentlichen
mit der zweiten Partie der zweiten Hauptgruppe iden-
tisch und infolge des vom Schriftsteller an beiden Stellen
gleichmäfsig gebrauchten Wortes yvwgi/uoi etwas undeut-
lich bezeichnet ist Deutlicher würde der Ausdruck ge-
wesen sein, wenn an erster Stelle nXovoiwv statt yviogificav
gesagt wäre. Diese Sinnteilung ist aber festzuhalten, und Piut.
wenn man die Plutarchparallele vergleichen will ; sie lau- So1 ' 16
tet (Kap. 16): i}geoe d' ovdezigoig, dXX 1 eXv7t7]Oe xai zovg
nXovolovg dveXwv zd ovfxßoXaia (= Aristot. öid zag züv
Xgediv dnoxondg) xai (.läXXov ezi zovg 7ievr t zag, ozi y%
dvadao/nbv ovx, euoirjoev IXniaaaiv avzoig, ovdi izavzd-
rtaoiVj lüOTzeg 6 Avv.ovgyog, opaXovg zovg ßtovg nal
l'oovg *aziozr t oev. Um die letzten Worte ovde navzd-
naoiv xtI. gleich abzuthun, so stehen sie im Gegen-
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176 —
n. Kap. Satz zu Aristoteles' Ansicht von der Tendenz der da-
l * ' 1_ maligen Volkspartei ; sie drücken Unzufriedenheit über
eine unerreichte politische Gleichstellung mit dem
Adel aus. Aristoteles läfst die Volkspartei nur über das
Scheitern ihrer kommunistischen Hoffnungen erbittert
sein und befindet sich dabei im Einklänge mit Solons
eigener Angabe, dafs das Volk an politischen Rechten
mehr, als es sich hätte träumen lassen, erhalten habe:
o vvv i'xovoiv ovitvt 6q>&alnoioiv av todoYieg eldov.
Die Schlufsworte des plutarchischen Satzes können also
nicht einmal die rhetorische Erweiterung eines aristo-
telischen Gedankens sein. Sie gehören dem Sinne nach
schon zu dem folgenden Satze, zu welchem sie über-
leiten. Dieser Satz aber ist, wie Begemann durch
Vergleich mit der Lycurgvita des Plutarch nach-
gewiesen hat, aus Hermippos geflossen *). Wie wenig
sie der Anschauung des Aristoteles entsprechen, be-
weist Polit. 1296 b 20, wo Lykurgos in Parallele zu
Solon gestellt wird als fieaog mit dem Zusätze ov yag
r t v ßaotXtvQ 2 ). Hermippos macht ihn zu einem ße~
ßaorievxutg txr} TtolXa. Für Anleihe beim Aristoteles
könnten nur die vorhergehenden Satzteile gelten. Aber
die Sache hat ihre Schwierigkeiten. Hermippos oder
Plutarch müfste das ganze erste aristotelische Glied
(a b) mit einem Teile des zweiten (c) kompiliert haben ;
er müfste die Nachricht von der Unzufriedenheit beider
Parteien und die Gründe dafür, welche er an die
Seisachtheia knüpft, kompiliert haben aus dem
ganz anderen Zusammenhange bei Aristoteles, wo sie
mittelbar an dieReiseSolons geknüpft sind. Und
J ) A. a. O. p. 17. Das entscheidende Citat mit Hermippos'
Namen Plut. Lyk. 5.
2 ) Ich weifs, dafs die Worte oi> yag r^v ßaatleit von Con-
greve athetiert worden sind«
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— 177 -
diese mir an sich höchst unwahrscheinlich dünkende II. Kap.
Flickarbeit wird dadurch noch unwahrscheinlicher, dafs p 10, 1_
hier auch der oben (S. 41) berührte fundamentale Unter-
schied zwischen der Darstellung des Aristoteles und des
Plutarch mit hineinspielt, von denen dieser dem Solon
für Seisachtheia und Gesetzgebung zwei zeitlich ge-
sonderte Aufträge, jener ihm für beides nur einen
Auftrag werden läfst. Dadurch wird für den Kompi-
lator das Intervall bei der Umsetzung des aristotelischen
Gutes, welche er behufs Verwendung desselben voll-
zogen haben müfste, erheblich vergröfsert und die
Wahrscheinlichkeit der Kompilation in gleichem Mafse
verringert. Wenn endlich Aristoteles im 16. Kapitel
des Plutarch ausgeschrieben wäre, so müfste auch das
vorher mit Aristoteles konfrontierte 25. Kapitel des
Plutarch nur eine Paraphrase des Aristoteles sein.
Und ein Kompilator sollte sich zu den anderen Um-
ständen, die er sich damit schon gemacht haben
müfste, auch noch den aufgebürdet haben, dafs er von
den beiden Hälften des elften Kapitels der nol. ld$rjv. y
d. h. von den beiden getrennt erscheinenden Teilen
der Motivierung von Solons Reise, die eine fast wörtlich
als Motivierung zu demselben Zwecke, welchen dieser
Abschnitt bei Aristoteles hat, herübernahm, die andere
aus ihrem ursprünglichen Zusammenhange herausrifs und
durch Excerpierung für den Bericht über die Aufnahme
der Seisachtheia, also für einen ganz anderen Zweck und
für einen viel früheren Teil seines Buches, erst zurecht
stutzte? Das scheint mir ganz unannehmbar; Her-
mippos hat die Worte des 16. Plutarch kapitels nicht
aus Aristoteles.
Doch ich habe um der Darlegung willen bisher
eine Voraussetzung gemacht, welche ich in Wirklichkeit
nicht zugestehe: gehört die ganze zweite Hälfte
Keil. Aristoteles. 12
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- 178 -
n. Kap. des 11. Kapitels der TtoX. L4&rjv. wirklich zur Moti-
>. io, l_ 7 -yj eru21 g ci er solonisehen Reise? Der Schlufssatz mufs
Zweifel erregen, während die Anknüpfung mit a/ua de
xat avveßaivev ävnp darauf führt.
Antik« Ei nc Jer am meisten in die Augen springenden
merkun- Eigentümlichkeiten der 7tol. U^rp. ist das stete Be-
* en streben des Schriftstellers, den Gang der Erzählung
als gleichmäfsig fortlaufend erscheinen zu lassen.
Regelmäfsig rekapituliert er den Inhalt des letzten
Abschnittes mit kurzen Worten, um daran die weitere
Erzählung anzuknüpfen. Wieder und wieder kehrt
das stereotype iuev ovv der Rekapitulation und das de der
Weiterführung mit einer ermüdenden, unkünstlerischen
Gleichförmigkeit. Dem Streben nach Deutlichkeit
ordnet der scharf Denkende die Rücksicht auf die
sonst doch oft befolgten ästhetischen Gesetze der Schön-
heit des Stiles unter. So wird auch nach längeren
Unterbrechungen die fortschreitende Erzählung
wieder aufgenommen, und wenn hierbei der Aus-
druck auch nicht von einer durch sich selbst sprechenden
Stereotypie ist, so wird die Sache doch stets so klar ange-
deutet, dafs man nicht im Zweifel darüber sein kann,
wo eine Einlage beginnt, und wo sie endet. Mit
p. 6, 8 xaixrp pev ovv %qt) vo^iiteiv xpevöf. ttjv ahiav
elvai erweist Aristoteles die Zeilen 4 — 7, wie schon
bemerkt (oben S. 53), als eine Anmerkung, welche
die Erzählung unterbricht; sie dient der Begründung
des vorhergehenden Gedankens. Anders ist die Form
im 10. Kap., wo die erklärende Anmerkung mit yaQ
an die generelle Angabe von der Münz- und Gewichts-
reform geknüpft ist, und die Erzählung in Kap. 11 mit
de fortgesetzt wird. Ebenfalls mit yag ist die Einlage
p. 16, 23—17, 4 eingeführt, welche den Beleg für
das p. 16, 17— 23 Gesagte enthält; die Einlage grenzt
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- 179 —
sich hier durch das Ende der Anekdote selbst ab, und 11. Kap.
die Erzählung geht einfach mit de weiter. Recht lehr- p 10, 1-5
reich ist der Passus über Kimons Freigebigkeit
p. 29, 25-30,2. Kimon hatte besonders durch sein fürst-
liches Vermögen Einflufs, seine Liturgieen waren glän-
zend, und seinen engeren Landsleuten gab er zu leben ;
folgt die Anmerkung egrjv yag . . . aitolaveiv. Die
Anmerkung ist zu Ende; die Erzählung knüpft mit
ugbq 6r] zavryv rr t v xogrtfiav wieder an das Vorher-
gehende an. Die Form der Eingänge dieser Anmer-
kungen ist natürlich durch den jedesmaligen Gedanken-
zusammenhang bestimmt. Die Form einer Folgerung hat
der Eingang 18, 3 dib xat fpavegwg xre., worauf die Er-
zählung mit Rekapitulation (relevTiqoawog de Ileiai-
otqcctov) fortgesetzt wird. Polemischer Natur ist die
Einfügung der Bemerkung to yag agxaiov 7, 26, wie
oben (S. 78. 90) bemerkt; der Fortgang der Darstellung
wird mit pev ovv — 04 scharf markiert. Ebenfalls bei
Polemik mit gleichem Eingang 19, 17 ov yag idvvavto
7taQpxQW a kaßetv ovdiv t'^vog, welche Anmerkung sich
bis 19, 22 erstreckt; den Faden der Erzählung nimmt
YMTtjyogei de auf, welches zum Rückblick auf '/.axYflo-
grpev de Z. 15 zwingt. Es ist mir eine geläufige An-
schauung, aber ich weifs nicht, wem ich sie verdanke,
dafs die griechischen und römischen Autoren deshalb
so häufig gröfsere und kleinere Abschweifungen vom
geraden Wege der Darstellung machen müssen, weil
die Antike die unkünstlerische Anmerkung moderner
wissenschaftlicher Darstellung nicht kennt. Auch die
Renaissance und die ältere Barockzeit ist ohne An-
merkungen ausgekommen ; erst dem jedes künstlerischen
Empfindens baaren Zeitalter des greisenden Ludwig XIV.
war es vorbehalten, diese Sicherheitsventile modernen
stilistischen Unvermögens zu erfinden. Es hängt das
12*
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- 180 —
n. Kap. allerdings mit der Entwicklung der Wissenschaft selbst
. 10, i-7. zusammen> j)i e Wissenschaft verpflichtet heutzutage
den Autor, ein reicheres Material heranzuziehen, als
es der Antike und Renaissance zu Gebote stand, und
genauer, als man es in jenen Zeiten forderte, zucitieren.
In einer wissenschaftlichen Untersuchung wird man
die Anmerkung heute nicht mehr gut entbehren können,
für eine wissenschaftliche Darstellung ist die stil-
gewaltige Antike, welche die Anmerkung nicht kennt,
auch heute noch Muster. Da nun die Antike beim
Fehlen des Institutes der Anmerkungen oft durch
gröfsere Einschaltungen den gleichmäfsigen Fortgang
der Gedankenentwicklung unterbrechen mufste, so
konnten die Darstellungen leicht unschön und unklar
werden. Man suchte und fand das Mittel, diese Män-
gel zu vermeiden, in der Anwendung des für die an-
tike Kunstschriftstellerei so charakteristischen Schatzes
an halbstereotypen Übergangsformeln und Perioden-
verbindungen. Es ist mir nicht zweifelhaft, dafs, wenn
auch zunächst einfach das Streben nach klarer und leicht zu
Uberschauender Darstellung jenen Formalismus schu f ,
doch die Entwicklung dieser stilistischen Stereo-
typie auch durch die Zwangslage wesentlich gefördert
wurde, in welcher man sich oftmals befand, wenn man
mehr oder weniger Heterogenes dem geraden Gedanken-
wege einflechten wollte. Doch ich kehre zu Aristoteles
selbst zurück. Gerade an ihm bestätigt sich, was ich
soeben Uber den Unterschied bei der Behandlung der
Anmerkungen in Untersuchungen und Darstellungen
sagte. In der Metaphysik, der Physik, der Psycho-
logie, der Politik ist der Satzbau unzähligemal durch
Einschübe von gröfseren und kleineren Partieen zer-
rissen, vergewaltigt, für ästhetischen Genufs stellenweis
völlig unbrauchbar gemacht. Hier führt Aristoteles
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— 181 —
grofse Abschnitte ein, um etwas nur kurz Angedeutetes 11. Kap.
auszuführen, dort, um innere, der fortlaufenden Dar- p 10, 1-7
Stellung selbst nicht einzuverleibende Motivierungen
dem Leser für das richtige Verständnis zu geben,
anderwärts wieder, um gegenteilige, mit der vor-
getragenen Auffassung streitende Meinungen zu wider-
legen oder zu berichtigen. Der Faden der Darstellung
wird ja in der Regel festgehalten, aber nicht immer,
und recht oft vermag der Leser ihn selbst bei öfterem
Zusehen kaum zu erfassen. Den Gegensatz bietet die
noX. l4#rjv. Die Zahl der Einschlibe nach Art der
Anmerkungen ist eine mäfsige, und es ist deutlich das
Streben des Schriftstellers zu erkennen, die Erzählung
so ununterbrochen wie möglich fortzufuhren. Jene
Schriften haben im ganzen einen Charakter, welcher
sie den modernen wissenschaftlichen Untersuchungen
nähert, die ttoX. lASrpr. ist eine wissenschaftliche Dar-
stellung. In jenen ist die Komposition zum Teil in-
folge der geringen stilistischen Verarbeitung der An-
merkungen nur wenig künstlerisch; diese sollte die
Kunstperiodik erhalten und hat dieselbe, wo der Schrift-
steller die Worte schon gefeilt hat. In der Mitte
stehen eine ganze Reihe von Schriften, vor allem das
goldene Buch von der Rednerkunst, dem zu seinen
anderen Vorzügen allen auch dieser sich gesellt, dafs
es in wirklich bewundernswerter Weise das Wesen
wissenschaftlicher Untersuchung mit der Form fast stil-
vollendeter Darstellung verbindet.
Eine Einlage nach Art unserer Anmerkungen ist '/<»*.
das ganze 12. Kapitel der no\.ldbi\v.\ es enthält die °* 12,
Belege für etwas in der zweiten Hälfte des vorher-
gehenden Kapitels Gesagtes. Der Eingang lautet genau
wie in der oben (S. 178) zuerst angeführten Stelle
p. 6, 4: tavta ö' ort xovtov {ibv) %qonov elxev;
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- 182 -
n. Kap. das Ende ergeben die Worte im Eingang des 13. Ka-
lo, 1-7. pjteis : T jj V p£ v 0 { v ct7uoör]f4iav 87coifjaaxo Sia xavxag xdg
alxiag. Diese Worte beweisen zugleich, dafs der Schlufs
des 11. Kapitels nach Aristoteles' Absicht zur Motivie-
rung der Reise des Solon gehören sollte. Wie schon
gesagt, führen auch die Eingangsworte apia öi xoi
avveßaivev avxqi darauf. Aber belegt denn der Inhalt
des 12. Kapitels die Motivierung der Abreise Solons,
welche Aristoteles gegeben hatte? Keineswegs. Was
belegt er also? Dazu mufs man die zweite Hälfte des
11. Kapitels dem Inhalte nach mit der ersten ver-
gleichen. Sie enthält zunächst, wie auch der Eingang
anzeigt, jene Motivierung und zwar bis [d]nagdlX[aY.xov].
Die Probe ergiebt der Versuch, den Satz der ersten
Hälfte einzuschieben; etwa so: öiaxd^avxi öi xtjv no-
Xixeiav QV7teg el'grjxai xgÖTtov avvißaivev avxqi xcjv xe
yvwglfuwv . . . ccTtaQalla'Atov' £7teiöi} öi xal ngooiovxeg
aiifp negi xdv v6f.uov ivwxXovv . . . ßovXopevog (x^xe
xavxa y.ivelv urp dnex^dvea^ai nagwv a7ioörj(diav
inotrjoaxo tax* ipnogiav df.ia /.ai Öetogiav 1 ) eig A¥-
yvnxov . . . xa yeygaufieva notelv. Man würde dann
leicht die Worte ßovXopevog . . . urp' djTex&dveo&ai
jzagwv aus dem Satze ovvißaivtv avxy — dnagdXXa-
axov verstehen. Also die W'orte bis Q7tagdXXaxxov
werden dem Zwecke einer Motivierung der Reise
Solons gerecht. Aber nun lese man weiter : 6 öi d(.upo-
xegoig rpavxiw&r} ... awaag xrp ixatgiöa y.ai vopo-
Ssxrioag xd ßiXxioxa. Das gehört nicht mit zu den
Motiven der Abreise, sondern ist ein Gesamturteil über
die Thätigkeit des Solon. Dieses, nicht die Motive zu
jener Reise belegt das 12. Kapitel.
*) Vgl. Isokr. XVII 4 i&TUfiipev Sfta xai x«r' tfjinooUtv
xttl xKTit OetoQ((tr; einiges hierzu gesammelt von Kontos, Bull,
de corr. hellen. III 286 f.
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183 -
Äufserlich nur hat Aristoteles den Schlufssatz 11. Kap.
des 11. Kapitels dem Vorhergehenden angeheftet;
innerlich gehört er nicht dazu. Dieser Schlufssatz
stammt nicht aus einer Atthis, sondern ist ganz des
Aristoteles eigenes Gut; denn er enthält des Aristo-
teles eigenstes Urteil über Solon. Die Atthis hatte
diesen zum fast extremen Demokraten gemacht, Aristo-
teles charakterisiert ihn hier als ptoog. Die Er-
zählung dagegen, welche vorhergeht, ist aus einer litte-
rarischen Quelle entnommen. Wenn man nun den
Umstand im Auge behält , dafs hier Tradition und
aristotelisches Raisonnement aneinander gesetzt sind, und
dafs dieses Raisonnement äufserlich als Teil der Moti-
vierung der Reise Solons erscheint und erscheinen soll,
so erklären sich einige Eigentümlichkeiten der Diktion
in unserem Kapitel. Man erkennt nämlich jetzt, dafs
Aristoteles im ersten Teile des Kapitels bereits der
Einfügung seines allgemein gehaltenen Endurteils vor-
baut: er sagt nicht einfach ßovlopevog . . . jiijV
cmix&avea&aiy sondern aneyßavEa'Jai naQ ajv y so dafs
dem Leser auch am Ende des Kapitels der Schlufs
überlassen bleibt: Solon zog es vor, die Gunst seiner Mit-
bürger durch die Mittelstellung zu verscherzen ; da er
aber unter ihrer Ungunst nicht leben (a7reyßdv£C&at
7iäq(x,v) wollte, so reiste er ab. Aber diese Art des Vor-
bauens ist ganz ungenügend ; so schreiben heifst Rätsel
aufgeben. Wenn dem Leser der Zusammenhang des
Schlufssatzes mit dem Hauptinhalte des ganzen Ka-
pitels klar gemacht werden sollte, so wäre eine Dar-
stellung am Platze gewesen wie etwa : eileto fiiv rtgog
a/itcpoTtQOvg ajzex&toüm' apa de xat tb t'x^og öict(pu-
yelv ßovXo/iievog ccTtodtjuelv ?J£/ot', owoag Ttjv naTQida
Kai za ßelttoia vo^oi>evijaag. Aber Aristoteles hätte
auch die Wiederholung eines a^codr^eXv am Schlüsse
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— 184 —
n. Kap. nicht nötig gehabt, hätte er den zweiten Teil, was er
p. 10, i f. e jg ent ii cn j 8t) a i 8 Exegese zu dem a7iex&io&ai des
ersten erscheinen lassen. Denn der ganze Satz wäre
sofort als Interpretation dieses Wortes erschienen, so-
bald die Anknüpfung nicht mit apa öi xai ovvifiaivsv
avzy, sondern mit ovvißaivev yctQ avry gemacht
worden wäre. So aber hat Aristoteles den zweiten
Teil dem ersten logisch nicht subjungiert, sondern co-
ordiniert, und dadurch ist die Unklarheit, d. h. die
Beziehungslosigkeit des Gesamturteils auf die Reise-
raotive, hineingekommen. Aristoteles hat den mangel-
haften Zusammenhang wohl gefühlt und baut, um den
Schlufs noch deutlicher in dem Lichte der Abreise er-
scheinen zu lassen, ein zweites naqtLv vor: ol yag
oiead-ai dixaiov elvai Tovg vofnovg i^rjyela&ai nagcjv.
Hier ist naqidv eigentlich gänzlich überflüssig; denn
der Gegensatz ist einfach igrjyeiofrai und ttouiv, und
von einem efyyeio&ai, anwv kann füglich nicht die
Rede sein. Der Ausdruck ist auch hier unglücklich;
aber er ist nicht durch eine Athetese des nctQiav, wie
ich sie mir leider habe zu Schulden kommen lassen,
zu ändern. Aristoteles hat die Unverträglichkeit des
allgemein gehaltenen Schlusses mit der Begründung
der Reise Solons wohl gefühlt; wenn er trotzdem den
Kapitelausgang nicht so gestaltet hat, dafs dieser sich
ohne weiteres in den übrigen Inhalt des Kapitels fügte,
so mufs dem eine bestimmte Absicht zu Grunde gelegen
haben. Welche war diese? Er wollte für den Ab-
schnitt über Solon einen Abschlufs gewinnen, in wel-
chem er sein Gesamturteil allgemein, ohne Beziehung
auf ein einzelnes Ereignis, dem Leser einprägen konnte.
Indem er dies erstrebte, zugleich aber den Zusammen-
hang mit dem Vorhergehenden nicht aufgeben wollte,
setzte er sich in ein Dilemma, welches die erörterten
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- 185 -
Eigentümlichkeiten der Diktion an dieser Stelle zur iL Kap.
Folge hatte. p ' 10 ' 1 fl
Aristoteles hatte von vornherein beabsichtigt, ein
Endurteil über Solon und seine Verfassung zu geben.
Das folgt aus dem Schlüsse des 6. Kapitels. Es finden
sich dort wörtliche Übereinstimmungen mit unserem
Abschnitte und dem Eingange des 12. Kapitels: ov
yag ely.bg tv piv xöig aXXotg ovxio fitxgiov yerio&ai xcri
tloivoVj iüoc' i^bv avTifi xovg vofiovg V7ro7toir l ao(.ttvov
xvqccvvsIv xrjg noXeiog, afLt^poxtQOig an&x&to&at
xcrt [toi TtXeiovog noi^aaa^ai xb '/.aXbv xcri xrv zyg
noXeiog a loxrjQiav . . . . ort de xatxrjv taye xrp fif-
ovoiav, xd xe 7iQOLyf.iaxa voaoivxa uaoivQei .... xat iv xolg
7T0i rjiaoiv aixog noXXayov fÄS^vTjxai xcri oi aXXoi
ovvo (.loXoyovo t nctvxig. Hier widerlegt Aristo-
teles aus der Gesamtthätigkeit und dem ganzen Cha-
rakter des Solon den ihm bei der Seisachtheia an-
gehefteten Klatsch; er führt hier aber für dieses Ge-
samturteii keine Belege an-, hätte er es gethan, so
würden es größtenteils dieselben haben sein müssen,
wie die im 12. Kapitel zur Begründung des Schlusses
des elften angeführten. Aristoteles giebt im G. Kapitel
keine Belege, weil er sich nicht wiederholen will.
Hierin liegt ausgesprochen, dafs das Endurteil im
11. Kapitel von vornherein von Aristoteles beabsich-
tigt war.
Nach diesen Erörterungen wird das Verhältnis
zwischen Hcrmippos und Aristoteles in unserem Kapitel
noch deutlicher erkannt als vorher (S. 177). Das 1 1 . Ka-
pitel setzt sich aus drei verschiedenen Bestandteilen
zusammen : dem reinen Atthidenbericht über die Mo-
tive zur Abreise Solons (erste Hälfte des Kapitels),
dem Atthidenbericht über die Aufnahme der Seisach-
theia seitens der Bürger vermischt mit aristotelischen
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- 186 —
11. Kap. Zusätzen (erste Hälfte des zweiten Teiles) und dem
rein aristotelischen Endurteil über Solon und sein
Werk (Schlufs). Dafs ein Kompilator dies erkannt
und darum den Aristoteles gerade nur bis zum Schlüsse
der eigentlichen Erzählung ton der Reise ausgebeutet,
dann aber aus dem sich daran anschliefsenden, schon
halb aristotelischen Teile einige Züge excerpiert, anders
gruppiert und an anderer Stelle zu anderem Zwecke
verwendet, endlich das rein aristotelische Gut ganz
beiseite gelassen habe, ist für mich eine an Unmög-
lichkeit grenzende Unwahrscheinlichkeit. Das müfste
aber Hermippos gethan haben, wenn man annimmt,
dafs sowohl das 25. wie 16. Kapitel des Plutarch von
unserem Buche abhängig seien, wohl gemerkt jedoch,
nicht gleichartig abhängig, sondern so, dafs das
25. Kapitel die paraphrastische Erweiterung der
ersten Hälfte, das 16. Kapitel die exeerptenmäfsigeZu-
sammenziehung der zweiten Hälfte wäre. Hermipp-
Plutarch ist eben auch hier nicht von Aristoteles ab-
hängig ; vielmehr folgt aus diesem allen, dafs bei Her-
mippos die Züge der Atthis treuer gewahrt sind, und
dafs Aristoteles, wie er Gesetzgebung und Seisachtheia
überhaupt zusammenfafste, so auch den Bericht über
ihre Aufnahme. Aristoteles entnahm daraus Gedanken
für sein Raisonnement, aber formte sie nach seiner
Auffassung der Dinge und verwendete sie seinen
Zwecken entsprechend. Es ist das natürliche Ver-
hältnis, dafs Hermippos an der Quelle hängt, Aristoteles
frei über sie schaltet.
Hermippos An keiner der Parallelstellen bei Aristoteles
nox. 'A9>iv. Plutarch — und der entscheidenden Stellen sind
fast ein Dutzend gewesen — hat sich ein Anzeichen dafür
ergeben, dafs Hermippos die nol. sitty. bei der Ab-
fassung seiner Biographie des Solon verwendet habe.
Die aufserhalb der Solonpartie sich findenden Parallelen
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— 187 —
unseres Buches zu Plutarchs Bericht enthalten, soweit 11. Kap.
sie überhaupt eine Entscheidung zulassen, keine In-
stanzen gegen dieses Resultat.
TIol. l4&r}v. c. 17 (p. 18, 3) bestreitet Aristoteles,
dafs Solon der eQaOTyg des Peisistratos war, dagegen
wird dieser Klatsch Plut. Sol. 1, ohne eine Andeutung
davon, dafs Aristoteles ihn durch die Chronologie
widerlegt hatte, breit getreten. Die Übereinstimmung
des Restes der aristotelischen Darstellung des kyloni-
schen Frevels mit Plut. Sol. 12 beweist bei dem Fehlen
signifikanter Angaben nichts. Dagegen fällt sehr die
Angabe des Plutarch (c. 13) auf, dafs schon vor Solon
die drei Parteien der Parater, Diakrier und Pediaier
bestanden hätten, welche Aristoteles erst nach Solon
nennt; durch diese Differenz verliert die Übereinstim-
mung der noX. l*4&r t v. c. 13 mit Plut. Sol. 29 in den
Angaben über diese drei Parteien und ihre Führer
nach der solonischen Verfassung an Wert. An der
Angabe des Plutarch (c. 17) über die drakontische
Verfassung, von der er nur 'die mit Blut geschriebenen
Gesetze' kennt, tritt besonders klar hervor, dafs der
Quelle des Plutarch und natürlich ihm selbst auch bei
der Abfassung der Solonvita die nol. 'AÜrp. nicht vor-
lag. Denn auf die Ausrede lasse ich mich nicht mehr
ein, dafs das 4. Kapitel eben jungen Ursprungs sei
und zur Zeit des Hermippos noch nicht in der noh
l4&r { v. gestanden habe; die vorhergehenden Unter-
suchungen haben es als einen notwendigen organischen
Bestandteil der aristotelischen Darstellung aufgewiesen.
Nach keiner Seite hin beweist die Geschichte vom
Peisistratos als Angeklagten vor dem Areopag, welche
noL Id&rp. c. 16 (p. 17, 14) und Plut Sol. 31 gleich
erzählt wird, denn sie gehört in die Rubrik der Anek-
doten, in welchen typischer Ausdruck eine ebenso ge-
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- 188 -
n. Kap. wöhnliche Erscheinung ist, wie er bei Apophthegmen
um der Erhaltung der Pointen willen geradezu als
eine Forderung gilt; halb in die Anekdoten und halb
in die Apophthegmen gehört die Geschichte von Solons
Widerstand gegen die Bewilligung der y.oqvvr i (p6QOi
(nol. ld$r t v. c. 14 = Plut. Sol. 30), so dafs hier selbst
Identität des Ausdruckes nichts beweist.
Ich halte also auf Grund der Betrachtung der einzelnen
Stellen — und ihrer waren, wie gesagt, etwa ein Dutzend
— dafür, dafs Hermippos bei der Abfassung seiner Bio-
graphie des Solon die aristotelische Schrift vom Staate
der Athener nicht als Quelle benutzt hat. Das ist
sehr erklärlich. Der Bericht des Aristoteles ist ein
viel zu knapper, viel zu wenig anekdotenhafter, ent-
behrt gar zu sehr jeder Piquanterie, als dafs er für
einen Schriftsteller von Hermippos' Schlage hätte brauch-
bar sein können. Da gab's denn doch reichlichere
und gewürztere Berichte über Solon. Zudem war die
Tendenz der aristotelischen Darstellung des solonischen
Werkes eine direkt antidemokratische und stand im
Widerspruche zu der allgemein geltenden Auffassung ;
dieser hat sich aber Hermippos in seiner Biographie
des Solon angeschlossen. Dafs Hermippos auch Peri-
patetiker heifst, beweist doch nicht, dafs er darum
Aristoteles bei jeder denkbaren Gelegenheit habe heran-
ziehen müssen. Wir müssen es wohl thun, aber dar-
aus folgt nichts für Hermippos; denn Forschungsart
und Schriftstellerei sind ja glücklicherweise nicht zu
allen Zeiten dieselben gewesen, und des Aristoteles'
Name hatte in jenen Tagen schwerlich schon die Au-
torität, welche die spätere Philosophie ihren Arche-
geten zu errühmen pflegte, mochten diese sie, wie
Aristoteles, verdienen oder nicht verdienen,
un^dto Aber zu Plutarchs Zeit war Aristoteles eine
noi.. 'A»tiv. Autorität, mit deren Bericht man sich im Wider-
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- 189 -
Spruchsfalle auseinander setzen mufste; hätte Plu- n. Kap.
tarch die noX. li&qv. bei der Niederschrift der
Biographie Solons zur Hand gehabt, dann müfsten
sieh Zeichen davon finden. Er citiert den Namen
des Aristoteles im Solon dreimal : Kap. 1 1 bei
der Ilv&tovixtiiv avayqatpr} , Kap. 25 zu den /.vQßeig,
welches Citat aber, wie bemerkt (S. 59), aus Didymos
stammt, endlich ganz am Schlüsse, Kap. 32, mit einer
Bemerkung, welche zugleich beweist, dafs ich für Plu-
tarch mit Recht das argumentum ex silentio angesichts
der Autorität des Aristoteles in Anwendung gebracht
habe: rj de öiaanoQa %cn;a'Actv&ivtog avtov %i]g tiq>Qag
neQi rijv 2aXa^ivi(av vijaov tari f.iev öia tr^v ccroniav
anL&avog navtanaGi v.ai (.iv^wö^g, ävayiyQantai ö'
vtc6 ze aXXwv ccvöqcüv a £ toXoyiov %ai IdQiotott-
lovg tov (piloooyov. Da auch diese Nachricht nicht
aus der TtoX. Id&rjv. stammt, so läfst sich aus den di-
rekten Citaten eine Benutzung dieses Buches in Plu-
tarchs Solon nicht nachweisen; von einer Benutzung
ohne namentliche Nennung findet sich keine Spur-
Die Darstellung Plutarchs — und das ist vielleicht
der beachtenswerteste Grund — feiert Solon als de-
mokratischen Helden; es ist aber kein Zweifel, dafs
nach Plutarchs eigener philosophischer Anschauung der
Solon des Aristoteles vor dem der Demokratie den
Vorzug verdient hätte. Wenn Plutarch den Solon nun
doch mehr nach dem demokratischen Ideal schildert, so
beweist das eben, dafs er die noX. l4&rjv. hier ebenso-
wenig herangezogen hat, wie er sie in den Biogra-
phieen des Aristeides, Themistokles und Perikles ! ) be-
nutzt hat.
l ) Für Themistokles und Perikles beweist das zur Genüge
die Darstellung vom Sturze des Areopagf, für Aristeides die
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— 190 — '
ii. Kap. Die Ähnlichkeit zwischen Aristoteles und Hcr-
^ und* 168 m ipp°s beruht also auf gleichartigem Quellemnateriai
Androtionund an einzelnen Stellen auf der Benutzung einer und
derselben Quelle. Eine von diesen Stellen ist der
Bericht über die Münzreform; die Ähnlichkeit des
Ausdruckes in der Motivierung der Abreise Solons ist
eine so grofse, dafs auch hier eine und dieselbe Quelle
vorliegen mufs. In jenem Falle ist es Androtion ge-
wesen, der beiden, Aristoteles und Hennippos, zur
Hand war. Dafs Androtion auch sonst vom Aristoteles
benutzt ist, hat man längst erkannt; besonders Kap. 22
(p. 24, 11) liegt er klar vor, wo sogar im Ausdrucke
Übereinstimmung herrscht Weitere Übereinstimmun-
abweichende Charakteristik in der nol. y A(*r)v. und die Angabe
p. 28, 29 ff., dafs 457/6 zuerst den Zeugiten das Archontat zugäng-
lich wurde, was mit Plut. Aristid. 22 im Widerspruch steht,
wo ein Psephisma des Aristeides erwähnt wird, welches allen
Athenern das Recht zur Archontenwahl gab. Vgl. Suaemihl,
Alex. Litterat. II 678 (Nachträge). — Ich freue mich, dafs ich
in diesem Resultate mit Kühl, Der Staat der AOiener u. s. w. S. 693,
annähernd zusammentreffe. Wright, Harvard Studies III (1892)
25, 3 nimmt an, dafs Plutarch nicht aus der nol. 'A&qv. selbst,
sondern aus einer Quelle geschöpft habe, in welcher die nol.
l4&riv. in verkürzter Form enthalten war. Die auf diese Weise
benutzte nol. jt&ijr, habe Plutarch durch fremdartige Zusätze
erweitert.
') ÖttOQOÖVTOS fjtflj TOÖ öflfXOV TOTf 7tQbtTOV fxQTJOttVTO 7<p
TOfJib) TU) 7tSQ\ TOG OOT tuv/.t (la OV, Og frt&T) tft« TljV V7lO\p(«V ToZv
$V Ttttg Jvva/uiotv 6 yag IliiolOTQaTog ör\fjay(oyig xal arpanj-
ybg <Sv TVQccvvos xariarrj. xal ngtÜTog margaxia^r] rdüv ixetrov
(tvyyevtuv "innagyog Xag/uov KollvTtvg = Harpocr. v. *fnnag~
%og . . . negl 6*1 tovtov ^AvfigoTttav tv rfj tfevrfoq . tf^aiv, ort
ovyyivrjg f*iv r\v ütiaiaTgarov toG Tvgavvov xal ngtarog tttoOTQU-
xfadt}, toG negl tov oargaxia/uor ropov tot€ ngmov Tt&tvrog
(der falsche Ausdruck kommt auf Rechnung des Epitomators)
diu Tt\v vnotytav Ttov 7i€Ql ITuofOTQaTov, ort ötjfjaywyog <ar xal
argarriyog h vgävitjoev {FHG. I 371 fr. 5 M.).
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- 191
gen finden sich zwischen Androtion Fr. 10. 42. 43 und n. Kap.
nohlitop. c. 29 (p. 32, 18 ff.), 15 (p. 15, 17), 28
(p. 31, 4). Ich glaube, dafs Aristoteles noch viel mehr,
als wir nachweisen können, der Atthis des Androtion
verdankt. Androtion hat nach dem Jahre 346 seine
Atthis herausgegeben; das ist längst ausgesprochen 1 );
aber es ist für meine folgende Darlegung gut, wenn
ich die Gründe dafür, zumal sie sich noch etwas prä-
ciser fassen lassen, als bisher geschehen, hier vorführe.
Im 6. Buche war vermutlich Philomelos' Tod (Ende 354),
im 7. Buche Onomarchos' letzter Zug nach Boiotien (An-
fang 352) erwähnt; im 12. Buche ist von Amphipolis
die Rede gewesen (Frg. 27); bringt man bei der auf
das Jahr 352 folgenden Zeit denselben Zeitumfang für
die nächsten Bücher in Anrechnung, so kommt man mit
dem 12. Buche gerade in das Jahr 346, wo Amphi-
polis an Philipp abgetreten wurde, also eine Erwähnung
dieser Stadt besonders begreiflich ist. In dcisselbe
Jahr, aber schon in die nächste Olympiade (108, 3),
gehört die von Androtion erwähnte dta\ln ( q>iaig unter
dem Archon Archias (Philochoros Fr. 133, FEG.
I 406). In diesem Jahre war Androtion noch in
Athen; denn zur Zeit der 8. Prytanie ol. 108, 2 (Ar-
chon Themistokles) beantragt er noch den Volks-
beschluis zu Ehren der Söhne Leukons (Dittenberger
Syll 101). Nach Plutarch de exilio 14 (p. 605 c) hat
Androtion seine Atthis aber in Megara geschrieben;
also, da er noch 346 in Athen ist, nach diesem Jahre.
So stimmt das aus der Zusammenstellung der Inschrift
mit Plutarchs Angabe entnommene Ergebnis mit den
') Schäfer, Demosthenes und seine Zeit I 3 390 vgl. II 29, 1.
Blafs, Att. Bereds. II 20, 1 [«20,2]. Ich nehme natürlich die alte
von Jonsius vollzogene Identifikation des Historikers und
Rhetors Androtion an.
r
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— 192 —
n. Kap. beiden Zeugnissen der Fragmente überein : die Atthis
des Androtion ist erst nach dem Jahre 346 vollendet
und herausgegeben. Andererseits beweist die Be-
kämpfung der androtioneischen Darstellung der Sei-
sachtheia in der 7toX. l4&i]v., dafs das Buch vor dem
Jahre 325 erschienen war. Das Buch war also ein
neues, als Aristoteles seine nol. li^v. schrieb. Es
mufste auch Autorität haben. Nicht blofs der Name
des im öffentlichen Leben sehr bekannten Mannes gab
sie ihm, sondern auch der Umstand, dafs Androtion
aus der Schule des Isokrates, der grofsen Schule der
Historiker des 4. Jahrhunderts, hervorgegangen war.
Aber wir haben nicht nötig, die Bedeutung der Atthis
des Androtion für seine Zeit zu vermuten : Philochoros
bezeugt sie direkt durch die vielen Entlehnungen *),
welche er gerade bei Androtion genommen hat; das
Buch mufs viel neues Material, namentlich über die
älteren Institutionen, gebracht haben, wie noch aus
den Fragmenten zu entnehmen ist (Androt. Frg. 4, vgl.
nol. *Atop. p. 8, 7; 3; 5; 10; 10; 51; 44a, FHG. IV
645, vgl. v. Wilamowitz, deRhesi scholiis p. 13 ; Philochor.
Frg. 59 ; 133) 2 ). Die Neuheit des Buches und seine aus
der Persönlichkeit des Verfassers wie aus dem Inhalte
resultierende Bedeutsamkeit machen es erklärlich,
warum Aristoteles dagegen lebhaft polemisiert und
doch auch aus dem neuen darin gebotenen Materiale
») Müller, FHG. I praef. LXXXIV; vgl. Schäfer a. a. O.
T 390; Busolt, Griech. Gesch. I 365. 366, 1, wo die Bemerkung
'diese Übereinstimmung ist um so bemerkenswerter, als sonst
die Atthidographen in vielen Punkten untereinander diffe-
rierten. Vgl. Strabo IX 392' wohl etwas zu allgemein spricht;
die hauptsächlichen Differenzen werden in den mythischen Par-
tieen gelegen haben, wohin ja auch die Strabostelle gehört-
Will man dies bestreiten, so erhöht man nur die Autorität des
Androtion. [Wright, Americ. Joum. of Phtlöl. XII 311.]
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- 193 -
schöpfen mufs. Dieses Buch mit dem bedeutenden n. Kap.
Inhalte kann nun frühestens am Ende der vierziger
Jahre erschienen sein, d. h. zu einer Zeit, als Aristo-
teles schon einen grofsen Teil der Politik ausgearbeitet
hatte, in Kleinasien oder in Makedonien war und
wesentlich mit den in Athen gesammelten Materialien
arbeitete. Zwischen der Arbeit an der Politik und
der 710X. 'A&r]v. liegt das Erscheinen der Atthis des
Androtion. Sie ist eines von jenen Werken (s. 0.
S. 124 ff.) und vielleicht das bedeutendste von ihnen,
durch welche Aristoteles veranlafst wurde, Angaben
der Politik in der noX. *j4$r\v. abzuändern, da sie Ma-
terial brachte, welches ihm bei der Niederschrift des
älteren Werkes noch nicht bekannt war. Und es scheint
mir recht bemerkenswert, dafs gerade in zwei Fällen
Aristoteles' Änderungen in Angaben bestehen, welche
bestimmt sind, die Macht des Areopags gröfser erscheinen
zu lassen, als sie in der Politik geschildert war. Andro-
tion war Schüler des Mannes, der den Areopagitikos
geschrieben hatte, und Isokrates bezeugt selbst in
diesem Werke, dafs er seine Auffassung von der
Machtstellung des Areopags in seinen Kreisen schon
früher vorgetragen hatte (§ 56 rfir\ de tiveg ctKOvoavrig
iiov ruvta ötet-toviog) : sollte der Schüler nicht etwas
unter dem Einflüsse des Lehrers gestanden haben?
Eine Darstellung, in welcher der Areopag hervortrat,
mufste Aristoteles willkommen sein. Andererseits würde
die Polemik des Aristoteles in Bezug auf das Alter
des Areopags sich gut erklären, wenn Androtion ihn
eine Institution Solons sein liefs; Androtion folgte
dann auch hier seines Lehrers Auffassung. Doch dies
ist nur ein mehr oder minder zweifelhaftes Corollar;
das Hauptergebnis steht mir fest, dafs wir in Andro-
tions Buch ein Werk haben, welches uns die Diffe-
Keil, Aristoteles. 13
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— 194 -
n. Kap. renzen zwischen der Politik und der 7tol. 'Ad-rp>. be-
greiflich machen kann.
Doch die Untersuchung ist bereits in eine Darlegung
hinüber geglitten, welche mit mehr Recht dem folgenden
Schlulsabschnitte angehören würde. In ihm will ich zu-
sammenfassen, zu welcher Auffassung ich von der Kom-
positionsweise des Schriftstellers, der Komposition und
dem Zwecke der Schrift vom Staatswesen der Athener
gekommen bin, indem ich bei der Einzelinterpretation
des Abschnittes über die solonische Verfassung stets
das Ganze im Auge zu behalten versuchte. Dafs fast
sämtliche hier berührte Fragen noch einer Beantwortung
auf Grund der Interpretation des ganzen Buches harren,
ist mir bei keiner aus dem Bewufstsein gekommen.
Ich habe sie aber, obwohl ich nur von einer Einzel-
partie ausgegangen bin, aufgenommen und, soweit es
mit meinem Material, Wissen und Vermögen anging,
zu lösen versucht, um zu zeigen, dafs man von der
Interpretation aus zu andern Ergebnissen gedrängt
wird, als die bisherige historische oder litterarhisto-
rische Betrachtung des Buches geliefert hat.
Schlüte.
ÄuBsere Nach der Vollendung der Politik ging Aristoteles
esc d ^ ie an die monographische Ausarbeitung des für die ein-
nok. 'A»r}r. zelnen Staaten gesammelten Materials l ). 158 Mono-
graphieen hat er entworfen und mehr oder weniger
') Dieses sachliche und zeitliche Verhältnis ergiebt sich
aus dem S. 120 ff. und 148 ff. Beigebrachten, da so die zuerst von
Torr, Athenaeum 3302 S. 185 gegebene Datierung bestehen bleibt.
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— 195 -
ausgearbeitet. Zu ihnen gehört die noXiteia Id&yvauov. Schiuf»
Während der Jahre 329 — 325 wurde sie in Athen
niedergeschrieben. Sie war zur Veröffentlichung be-
stimmt. Das wird durcli die stilistische Durcharbeitung
einzelner Teile, durch die Rücksichtnahme auf kunst-
gemäfsen Periodenschlufs, durch die Beobachtung des
Hiatgesetzes l ), durch die Tendenz, den Plan und den
Aufbau des ganzen Buches, worüber im Folgenden ge-
sprochen wird, zur Evidenz gebracht Das Treffende der
Darstellungs- und Ausdrucksweise, den leichten Flufs der
Sprache und den reichen Inhalt hat ein älterer alexan-
drinischer Gelehrter bekanntlich an den Werken des
Aristoteles gerühmt ; ich glaube, es ist nicht zu günstig
über die noX. 'AS-ry. geurtellt, wenn man jenes Urteil
als durch sie bestätigt erachtet. Darf ein subjektives
Empfinden hier Ausdruck erhalten, so möchte ich es
aussprechen , dafs mir die Lektüre der noX. si&rjv.
wiederholt den Charakter der hyperideischen Diktion
in Erinnerung gerufen hat; ich habe den Eindruck,
als ob das Buch die Sprache des Hypereides in einer
» für geschichtliche Darstellung gemäfsigten, herab-
gestimmten Form und Ausdrucksweise redete. Wenn
nun die eben angeführten Erscheinungen auch er-
kennen lassen, dafs das Buch nach der Absicht des
>) Vgl. Headlam, Claas. Rev. 1891, 270 ff. und Blafs, praef.
p. XV sq. Für eine noch nicht völlig durchgearbeitete Schrift
enthält die nol. 's49tjv. ungemein^ wenig Hiate; man wird in
ihrer Beseitigung sehr vorsichtig sein müssen. Um den Grad
der Durcharbeitung auf die Hiate zu würdigen, mufs man De-
mosthenes' Timocratea heranziehen, deren Betrachtung auf
diesen Punkt hin übrigens besonders diejenigen anstellen
sollten, welche etwa die jüngst vorgetragene Ansicht billigen,
dafs die Meidung des Hiates kein Element gewollter kunst-
mäfsiger Schriftstellern sei. Vor fast genau fünfzig Jahren
ist das Buch «d« hiatu* erschienen.
13*
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- 196 -
Schiurs Verfassers zu den Denkmälern der kunstmäfsigen Litte-
ratur gehören sollte, so finden sich daneben Anstöfse
verschiedenster Art, mit welchen ein Autor ein Werk
höheren Stiles nicht in die Öffentlichkeit hinausschickt :
das Buch entbehrt der letzten Feile (s. o. S. 50 ff.).
Der Verfasser hat es selbst nicht mehr veröffentlicht;
es ist, wie andere aristotelische Schriften, mit den
übrigen Monographieen derselben Art von dem Peri-
patos nach dem Tode des Aristoteles herausgegeben,
so wie es im Manuskripte vorlag.
Noch im ersten Jahrhundert nach seinem Er-
scheinen hat es Einbufse an seinem Inhalte erlitten;
denn die grofse von Kaibel-Wilamowitz aufgewiesene
Lücke zwischen dem 60. und 61. Kapitel, in welcher
nach Ausweis des 43. Kapitels die Abschnitte über die
XEiQoroviqtoi — den zctfiiag OTgaziuntyiutv, die Behörde
S7ti to &e(x)qivi6v und den emf.teXrjzrfg zwv hqtjviov — ge-
standen haben, mufs vor der Zeit der grofsen alexan-
drinischen Lexikographie, vor Aristophanes von Byzanz
und der Entstehung der Aristophanesscholien, in den
Text hineingekommen sein, weil wir kein einziges Citat
aus dem Altertume, weder bei Lexikographen noch in
den Scholien, aus jenen Abschnitten überliefert er-
halten haben J ). Das Buch ist in den uns erhaltenen
Partieen während der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts
n. Chr. mehrfach benutzt worden, von Pollux, Harpo-
kration und Aelius Aristides 2 ); nach dieser Zeit ist
') Nachträglich ist mir der Gedanke gekommen, ob die
Lücke bei ihrem hohen Alter nicht schon gar auf die erste
Herausgabe selbst zurückgeht. Die betreffenden Blätter könnten
unter dem Nachlasse des Aristoteles nicht gefunden worden
sein. Dafs Aristoteles den jetzt fehlenden Abschnitt geschrie-
ben hatte, beweist das xttl hinter yttQorovovai, <f< p. 68, 12.
Aristides XL VI p. 360 Dd., welche Stelle jetzt auch
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— 197 —
bisher keine sichere Spur selbständiger Benutzung Schlüte
seitens der Antike nachgewiesen worden. Seine Exi-
Kenyon (3. Aufl.) anmerkt, schreibt unser Buch um 170 n. Chr. Ael.
— denn in diese Zeit fällt die Schrift vtiIq rtSv rtTrugur — Ariatid.
fast wörtlich aus (vgl. noX. A&jjv. p. 10, 7 ff.): ixtlvog (Solon).. na- ™*
qov avTqj OTaoia£ovot)s rfjg noXetag onoTfQtov ßovloiro unonravTi "° ' A n
Tvgavvtlv, ctntx&Rvtn&tu fxäXXov dfi(fOT^QOig tl'Xiro vtiIq tov 6i-
xatov xal rtuv ftlv nXovattov 8oov xaXtüg t7/ev dtftTXev, r£ o*»}«^
o*' ovx edtoxcv oaov tßovktro, tort) J' iv pc9oQ((p ndvTtov dr-
ÖQfiorttra xal (Uxaiorara, dtontQ Tivdg tug dXij&tog ix yttafiirgiag
ntQiyQanTovg tpvlantov oQovg. Die Worte paraphrasieren zugleich
den Eingang und den Schlufs von noX. A9ryv. c. 12: öquq)
plv yctQ <oW« xoaov yigag oaaov inag^xti) und iyui 6h tovtwv
iSantQ iv titTaty(A(<{> oQog xaT^mjv. Die Geometrie bei Aristides
ist eine Spitze gegen Piaton, welche etwa ein dutzendmal in
der Schrift wiederkehrt und auf Gorg. 508 a geht XtXijte oi
ort ?/ loörqg 17 yaoueroixfj xal tv &co?g xal iv dvüQtonotg fiiya
ditvarai' ab 3k nXtovtk~(av oft* <F<tV daxtiv' yfatfiCTQlag yaQ dut-
Xetg. In der Schrift negl roO naQatf&iyuaTog (XLIX), welche
einige, aber nur wenige Jahre älter als die für die Viermänner ist,
hat Aristides nur Verse, welche auch in der noX. U&nv. stehen;
sie sind also nicht aus Solon, sondern aus dieser geschöpft.
Übrigens ist die Konstruktion der Aristidesstelle (nagov aino
. . tvqowhv, tYX(To) nicht aus noX. A&rjv. c. 11, sondern aus
der Parallelstelle c. 6 entnommen: tSort, i$6v avrtp Tovg vouovg
vnonoiTioautvoY rvgavvtiv Tug noXeajg, dfutfOTigotg anex&(a&ai
xal ntol nXefovog noirjoao&ai rö xaXov . . . t} Ttjv avrov nXio-
ve$(ar; die letztere Stelle hat Aristides in derselben Schrift
p. 161 noch einmal verarbeitet: ovöapoö (Perikles) . . tt/v nXso-
ve£(av ävrl rtüv vöutav rjydnijotv, ovo*' ontog ju«/fwr Ttjg ra-
$ttog tm«inQOvvoT)&T), nagov a vt ([i (näXXov navrog //aotarpctroi/*
aXX' 17 v naQanXrjaiog xartyovTi ji]v dxQonoXw tnlrty oföeiv Tovg vo-
povs (vgl. noX.A&tjv. p. 14, 5 xaria/e tt\v axQÖnoXiv;
17, 12 iv TS yaQ rolq aXXotg nQotjQfho ndvra ätoixttv xaxa
rovg vojdovg, ovöiptav iavrtp nXtove$iav tfttfoi/f) xal r^J
ndvrag (v nouiv Ix (jtiaov. xa(xoi ti tov *AQx(Xaov xax(&ig . . .
to ye i$ov lxt£v(p opoftog t vQavvtiv , ([h(q tßovXtT o, ov
Taüra iJoffr, dXXn Toug vofxovg xal t6 üCxaiov nXt(ovog
c $nt toD xenjovg irrot^aaro, ntug ov tovtoj ouyyaiQtiv elxdg i,v ;
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schiufg stenz im 3. Jahrhundert bezeugt ein altes Bibliotheks-
verzeichnis (Bhein. Mus. 1866, 432) ! ). Aus den uns
Hier ist die Anlehnung wieder fast wörtlich ; die Wiederholung,
welche in dvrl rtov roptov (neben nltov*&«v) und rove vopove
(neben nleiovoe oft« notrioanftttt) liegt, beweist, dafs p. 5, 27 rovs
vüuoL i das Richtige ist. — Möglich ist, dafs Aristid. p. 317, 14 ff.
Dd. öoxoöot yaQ aui rag OvfupOQaf iv&vpovfitvoi rttg inl xwv
JIti a im Q ar i <$ tu v ytvofitvas invroTg ar^hi^t ßovlto&ai u ti-
Cov tav Ttüv noXktuv (fQOVtiv, t£ Toov (ig divaptv «*r«*
aus nol. *A9t)v. p. 24, 13 üs htUt) tft« rriv vnotylav räiv iv r<u{
Wttfxeatv 6 yao rfenjfaTQaros xrl. (vgl. 24, 29 ff Tis Soxoh]
ueiCaiv tlvai) stammt. — Aristid. p. 250 f. Dd. (Flottengesetz
des Themistokles) stammt aus Plut. Them. 4 (vgl. Haas, qui-
bus fontibus Ael. Aristid. in or. pro IV viris q. 8. p. 39, diss.
Gryph. 1884), ebenso p. 315 (Tod des Theseus und Übertragung
seiner Gebeine nach Athen) aus Plut. Kimon 8, welcher selbst
wieder hier sicher aus Ion schöpft. Dessen Glaubwürdigkeit
ist in diesen Dichtergeschichten, zumal wenn sie in maiorem
Sophoelis gloriam gehen, so elend, dafs sie gegen die Chronik-
angabe bei Plut. Thes. 36 gar nicht in Betracht kommt. Die
10 Strategen als Richter richten die ganze Fabelei, richteten
aber nie über eine Tragödie. Das Archontat des Phaidon (476 5)
ist das sichere Datum, an dem gar nicht mehr herumzunörgeln
ist, seit wir aus der nol. yffrr)v. c. 23 wissen, dafs der Seebund
schon 478/7 zu Stande gekommen ist. Die Komprouüfskritik,
welche auch Bauer (Litter. und histor. Forschungen zu Aristot.
nol. ul&T]v. S. 102) noch befolgt, indem er nach Holzapfel
(Darst. d. griech. Gesch. S. 85) im Plut. Thes. 36 <t>a(6*tovos in
AipHfitovo; rtQxovToe andern will, bereitet sich hier wie überall
selbst Schwierigkeiten durch die Stellung der Fragen und
durch die Lösung, die sie suchen mufs.
l ) Die Hypoth. zu Isokr. VII., in welcher der Sturz des
Areopags nach der nol. Id&tjV. berichtet wird, gehört in der
jetzigen Fassung in das 5. Jahrh. n. Chr., aber das ganze Hy-
pothesenkorpus ist nach älterem Material, und zwar solchem
der Alexandrinerzeit, gearbeitet, wie die Citate beweisen. Ge-
naueres führt hier zu weit. Ich halte es nicht für aus-
geschlossen, dafs das Citat auf Hermippos zurückgeht, der
auch Hypoth. V mit Namen als Quelle genannt wird.
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nicht erhaltenen Partieen fliefsen die Citate äufserst Schiufe
spärlich; im ganzen sind ihrer vier erhalten. Davon
gehört eines der lexikographischen Tradition an (n. 3
K-W; 385 R 8 : Lex. Patmic. BuU. de corr. hellen.
1877, 152 ; s. o. S. 64,2), Mit also für die Frage, wie lange
der erste Teil des Buches gelesen wurde, fort. Ein anderes
steht Plut. Thes. c.25 (n.2K-W; 384 R 8 ), d. h.in einem
Kapitel, dessen sonstiger Inhalt sicher unaristotelisch
ist; der auf die Worte oti di 7tQtjtoq aninXive tvqgq
tbv ojfÄovi wg lAQtoxvteXrß (p^oi folgende Zusatz seai
aq / / • io fiovagxeiv zeigt, dafs Plutarch hier die icoX.
l4&r t v. ebensowenig wie in seinem Solon, Themistokles,
Perikles und Aristeides eingesehen hat. Das dritte
Citat (n. 4 K-W.) steht im Scholion zu Euripid. Hipp.
11 (ed. Schwartz II p. 6), ist also für die Zeitfrage eben-
falls unbrauchbar. Nur das bei Harpokration s. v.
'Anolhjjv 7tazg(iJog stehende (n. 1 K-W., 381 R 8 ) könnte,
da Harpokration die noX. 'ASr^. sonst benutzt hat,
die Existenz des Einganges während des 2. Jahrh.
n. Chr. beweisen. Ich mufs mich aber als Skeptiker
bekennen. Sollte es wirklich ein Zufall sein, dafs
den Schriftstellern des 2. Jahrh. n. Chr. fast jede
Kenntnis der Abschnitte der nol. Ij&yr. über die
Königszeit abgeht, und dafs in unserem schwerlich vor
dem Anfange des 2. Jahrh. n. Chr. geschriebenen Pa-
pyrus auch gerade der Abschnitt über die Königszeit
fehlt? Man wird sagen, der abrupte Anfang beweise,
dafs hier zufällige Verstümmelung vorliege. Gewifs.
Aber diese Verstümmelung ist, wie der vor der ersten
Kolumne freigelassene Raum beweist, schon aus der
Vorlage herübergenommen ; sie reicht also in das
1. Jahrh. n. Chr. hinein. Sollten im 2. Jahrh. n. Chr.
vielleicht im wesentlichen nur noch Exemplare mit
dem fehlenden Eingange zu haben gewesen sein? Wie
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— 200 -
Sohiufs das Fehlen der Citate über jene drei durch Cheiro-
tonie gewählten Beamten sich aus einem frühzeitig ent-
standenen Defekte der Überlieferung erklärte, so würde
das Fehlen direkter Citate aus dem Eingange sich
ebenfalls gut aus einem frühzeitig eingetretenen Ver-
lust des Einganges des Buches begreifen. Dafs der
Eingang im 2. Jahrh. vor Chr. noch erhalten war,
bezeugen die Excerpte des Herakleides Lembos. — Von
den kleineren Lücken sind p. 6, 18; 22, 28; 26, 29;
28, 12; 40, 25; 49, 24; 65, 20. 21 augenscheinlich
erheblicherer Art, die übrigen laufen auf Ausfall we-
niger Worte hinaus. Glosseme sachlicher Art sind sehr
gering an Zahl; dafs die von K-W. im 59. Kapitel da-
für erklärten Stellen richtig beurteilt sind, habe ich oben
(S. 52) in Frage stellen müssen. Das Buch ist uns
von den erwähnten Schäden abgesehen — die üblichen
Handschriftenfehler rechnen hier nicht — in der Form
erhalten, welche es bei der Veröffentlichung aus dem
Nachlasse des Aristoteles hatte.
tjueUen Zu Grunde der aristotelischen Darstellung
und der solonischen Verfassung die Atthidenüberlieferung
Quellen- un( j zwar j n menr eren Brechungen. In dem Atthiden-
Benutzung
bericht macht er aus anderweitiger, ihm zugänglicher
Litteratur, z. B. auch, wie die Erörterung des 6.
Kapitels ergab, aus politischer Litteratur, Einlagen.
In dem Abschnitte über Solon hat er Herodot völlig
beiseitegelassen. Dafs er ihn sonst benutzte, sagt er selbst
(p. 14, 27), und lehrt die Lektüre. Ebenso hat er Thuky-
dides herangezogen und vielleicht auch Xenophon 1 ). Wo
') Die Übereinstimmung zwischen Hell. II 3, 19 und nol.
'AthfW, c. 36 p. 39, 23 ff. scheint mir eine so grofsc, dafs ich
hier direkte Abhängigkeit des letzteren Buches für das wahr-
scheinlichste halte. Ausgeschlossen wäre die Benutzung einer
gemeinsamen Quelle allerdings nicht. Weshalb ich die Nach-
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- 201 -
Aristoteles einer Quelle ganz folgt, kürzt er, der Natur Schlaf»
des vorliegenden Buches entsprechend, stark, hält sich
aber doch nach Möglichkeit an den Wortlaut der Vor-
lage; Beweis dafiir ist sein Verhältnis zu Hermippos
und, da hier die Probe ganz sicher ist, vor allem der
Abschnitt über die Peisistratiden und die Antagonie
zwischen Isagoras und Kleisthenes, in welchem selbst
die Diktion stellenweis noch herodoteische Färbung
zeigt. Wo ihm aktenmäfsiges Material zur Verfügung
steht, teilt er es mit; mehr als er giebt, hatte er
schwerlich. Seine Darstellung beruht in erster Linie auf
litterarischen Quellen; aus dem Metroon hat er nicht
geschöpft, sonst müfsten sich davon Spuren linden.
Jene Quellen boten natürlich wenig urkundliches Ma-
terial. Die Schrift, der er in der Geschichte von 411
bis 403 folgte, mufs eine aufsergewöhnlich kritische
Leistung der Geschichtschreibung gewesen sein. Sie
wird schwerlich weit vom Jahre 400 abliegen. Da die
Kompromifsakte vom Jahre 403 (Kap. 39) darin ent-
halten war, welche man doch derselben Quelle wie die
übrigen Urkunden zuschreiben mufs, so ist der terminus
post quem für diese Quelle gesichert.
Mit der Masse der überlieferten Thatsachen operiert
er frei. Er läfst einfach fort, was er nicht für richtig oder
nicht für wichtig hält; oft liegt so Polemik in seinem
Schweigen. Die Richtigkeit der litterarischen Uber-
lieferung prüft er an Indicienbeweisen verschiedenster
Art ; sie sind die Waffe im Kampfe gegen die unglaubwür-
dige Tradition. Darum baut sich seine ganze Darstellung
der ältesten Verfassungsperiode, mit Ausnahme eines
rieht über die Zurückweisung des von Sparta nach der Schlacht
bei den Arginusen angebotenen Friedens nicht mehr als Er-
gänzung zu Xenophon fassen kann, ist S. 224 gesagt. [Über die
sonstigen Quellen vgl. Macan, Journ. of. hell mtud. XII 35 ff.]
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— 202 —
Schiufe kurzen Abschnittes (p. 3, 2—9), auf Indicienbeweisen auf;
darum die Häufigkeit der Indicienbeweise in der Solon-
partie : er geht an gegen die demokratische Auffassung
dieses Mannes in der Tradition. Scharf sticht dagegen
der Bericht über die drakontische Verfassung ab, denn
in ihm fehlt jeder Indicienbeweis. Daraus folgt aber
nichts gegen seine Echtheit. Das Andenken an die
Gesetze Drakons lebte in den Athenern des 4. Jahr-
hunderts, aber ein Grausen überkam den freien Mann,
wenn er ihrer gedachte : sie troffen ihm von Blut ; das
hörte er von der Tribüne schreien. Hiergegen hätte
Aristoteles etwas sagen müssen, gehörten die vopoi für
ihn zur noktteia. Da sie es nicht thun, hat er keine
Veranlassung zur Polemik. Das Andenken an die Ver-
fassung Drakons lebte dagegen nicht im Athen des
4. Jahrhunderts; auch die Atthiden hatten nichts über
sie, wie unsere von den Atthiden gröfstenteils abhängige
Überlieferung mit ihrem Schweigen über diese Ver-
fassung unumstöfslich beweist. Gegen wen sollte Ari-
stoteles polemisieren? gegen welche Tradition die
Sprache der Indicien wecken? So stellte er einfach
dar, froh vielleicht, in seiner Zeit von der drakon-
ischen Verfassung überhaupt noch eine Nachricht ge-
funden zu haben, welche ihn einfach darstellen liefs. —
Die Polemik ist stets malsvoll; wo er sie nicht blofs an-
deutet, sondern offen ausspricht, beruhigt er sich meist
nicht bei der Negative, sondern weifs aus der Negative
positive Züge für seine Darstellung zu gewinnen. Die
ganze Schrift zeigt einen Schriftsteller, der nirgend
gedankenlos die Tradition tradiert, sondern nur giebt,
was durch sein Urteil hindurchgegangen ist. Dieses
Urteil mischt er in die Darstellung der Thatsachen
und in die Charakteristik von Persönlichkeiten mehr-
fach kurz andeutend, oft mit fühlbarer Betonung und
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- 203 -
stets mit besonderer Absicht. Zwecklos ist wie in Schiuis
dem ganzen Buche, so in cjem Abschnitte über Solon
kein Satz. Alles ist in diesem Abschnitte nach einem
Gesichtspunkte abgewogen, alles dient nach Aristoteles'
Absicht dem einen Zwecke, seinen Solon zu zeichnen,
der nicht der der Tradition war. Und woher hatte
er sein Bild vom Solon? Aus den Gedichten dieses
Mannes, aus der letzten Quelle, die es dafür geben
konnte. Indem nun Aristoteles ein in sich geschlossenes
Bild von Solon gewinnen will, geben ihm bei der Ar-
beit, wenn der consensus omnium auch etwas gilt
(p. 5, 1; 6, 7; 10, 12), diese Gedichte den eigentlichen
Prüfstein für jede Überlieferung ab. Aristoteles läfst
selbst erkennen, dafs er die Gedichte als letzte Kenntnis-
quelle über Solon gefafst hat. Um dem Leser von
vornherein eine auf die Gedichte sich stützende Ansicht
von dem Charakter des Mannes zu geben und ihn
für die folgende Darstellung empfänglich zu machen,
stehen im ersten Kapitel der Solonpartie zwei Citate;
dann folgt die ganze Darstellung von Solons Thätig-
keit, ohne dafs ein Vers angeführt wird; am Schlüsse
aber sind die Belege so wuchtig gehäuft und in so
unmittelbaren Zusammenhang mit dem Endurteil über
Solon gebracht, dafs man fühlt, wie der Schriftsteller
sagen will : mein Solon ist der, der gewesen zu sein
er selbst bezeugt *).
Aristoteles will nicht blofs den Staatsmann Solon
darstellen, er will gerade auch den Menschen richtig
fassen und würdigen lehren. Darum fugt er bei der
Usurpation des Peisistratos die Anekdote von Solons
') Ganz deutlich sind die Gedichte als Quelle in der
Polit. 1296 a 19 genannt: ZöXtav re yap ijv tovratv (d. h. rtüv
fiiotttv) — drjkoi <J' Ix xr\s not Joe tos.
»
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— 204 —
Schiui« Widerstand ein : sie soll den Mann auch unter schwie-
rigen Verhältnissen als yorkämpfer für sein Werk
zeigen 1 ); darum wird der Klatsch über das Liebes-
verhältnis des Solon zu Peisistratos ausdrücklich und
mit hartem Worte (s. o. S. 153) zurückgewiesen; diese
Leidenschaft stimmt nicht zu dem Bilde des aristo-
telischen malsvollen Solon. Es kommt Aristoteles eben
nicht weniger auf den Menschen als auf den Staats-
mann Solon an. Aber was soll das Individuum in
einer Geschichte staatlicher Institutionen?
Die aristo- Es ist des Aristoteles staatsphilosophisches Axiom,
jTw&w dd"s der peoog der beste Bürger sei 2 ). Der Grund-
satz, dafs die staatsbürgerliche ^eaotrjg das Erhaltende
ist 8 ), dafs alles Extreme zerstört 4 ) und, um mit Aristo-
teles' eigenen Worten zu reden, oti q xoivwvia t] no~
ItTixi} ccqioti] 7j dia twv (iiamv (Polit. 1295 b 35),
dieser Grundsatz hat bei jedem in unserem Buche sich
vorhanden findenden Urteile über einzelne Staatsmänner wie über
in ganze Verfassungsperioden als Kriterium gedient. Solon
Indlvlduen wird gelobt; denn nach dem Zeugnis seiner eigenen
Gedichte konnte er fast als eine Verkörperung der
staatsbürgerlichen ^eacnrig gelten. In unserem Buche
schliefst Aristoteles das Gesamturteil über ihn mit den
Worten votAO&ertfoctg xa ßikTiaia, und in der Politik
(1296b 19) hatte er gesagt: tb zovg ßeXztazovg vofio-
\terag elvai ztZv fjeaiov' —oXiov . . yag tovtwv (drj-
Xoi d' j?x zijg noi^aecDg). Von diesem Standpunkte aus
ist das lobende Urteil gefällt über Nikias und Thuky-
. *) IIol. *A&rjv. p. 14, 13 auros ftiv lyij ßtßOT\&r\x(vtti Ttj
,iuTon)i, vgl. p. 10, 9 atoaas rijv narqUa.
2 ) Die Hauptstelle Politik 1295 a 34 — 1296 b 2, wozu die
Erklärer die übrigen Stellen geben.
3 ) Polit. 1296 b 38 ff„ vgl. 1308 b 30.
«) Polit. 1309 b 18-35.
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— 205 —
dides, des Melesias Sohn (Kap. 28), im Gegensatz zu schiuis
den extremen Demokraten ihrer Zeit, ebenso das Uber
Peisistratos, weil er, obwohl Tyrann, doch nach den
Satzungen Solons {/.ata tovg vopovg p. 17, 13) regierte,
und auch das über Archinos, weil er, wenn auch mit
ungesetzlichem Mittel (neiaag axgirov dno*xüvm
p. 43, 23), eine gemäfsigte l ) Demokratie nach den Tagen
der Dreifsig durchführte und die Bürgerschaft zur
Achtung der bestehenden Ordnung zwang. Besondere
Gnade hat aber Theramenes, neben welchem die Olig-
archen Peisandros und Antiphon mit Lob genannt
werden (p. 36, 13), vor seinen Augen gefunden. Ari-
stoteles nimmt sich des Vielgeschmähten in auffälligster
Weise an und sucht zu beweisen, dafs das allgemein
geltende Urteil Uber diesen Mann infolge der ver-
wickelten politischen Verhältnisse jener Zeit in die
Irre gegangen sei. Der Grund für diese Apologie
liegt auch hier in dem Umstände, dafs Aristoteles bei
genauer Betrachtung in der politischen Thätigkeit -des
Mannes die Charakteristika für einen piaog sehen zu
müssen glaubte: öoaiI ftivxoL TtageQytjg cmoyaivo-
uivoig 2 ) olx woneQ avxov öiaßdkXovoi ndoag zag no-
Xixeiag xaxalveiv, ctklct ndoag ngodyuv Xmg prjdev
naQavofiolev, wg dvvdpevog TtolixeveoSat, xaxd ndoag,
bVe^ iaxlv ctya&ov nollxov tqyov^ naQavojnovaaig de ov
*) Das liegt ausgedrückt in dem Auftreten des Archinos
gegen Thrasybulos' Psephisma, fv iituütöov rijj noXtrt(«s
Titiot rote ix I/tiocaf'üjg avyxaril&ovoiv, tov ivioi tfavegdis ^oav
öovloi p. 43, 19 ff.
2 ) Dieser Ausdruck beweist mir, dafs Aristoteles sein Ur-
teil über Theramenes nicht durch eine für diesen Politiker
parteiische Quelle hat bestimmen ■ lassen, sondern dafs er selbst
sich sein IJrteil aus der Geschichte gebildet hat.
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— 206 —
schlafe avy%(üQiüv aXV ct7ie%t^av6(4.evog (Kap. 28 a. E.). Die Ge-
schichte der Jahre 411 — 404 kehrt bei Aristoteles
immer wieder auf Theramenes zurück. Zum Teil liegt
der Grund dafür in der bedeutenden politischen Thätig-
keit des Mannes selbst, aber ganz wird man hieraus
doch nicht den Umstand erklären können, dafs die
Ereignisse jener Jahre mit so besonderer Rücksicht auf
Theramenes' Schicksal dargestellt werden; es ist, als
ob die Darstellung zeigen sollte, wie der gute Bürger
im Ringen mit den alles Recht und Gesetz vergewalti-
genden Regierungen seiner Überzeugung zum Opfer
fallt.
in Vor- D\ e solonische Verfassung war eine noXvtüa, ihre
Perioden ruinöse naqi'Aßaaig also die drjfAOxgavia. Mithin ver-
fällt, was auf eine Entwicklung von der solonischen
Verfassung hinweg und hin zu der extremen Demo-
kratie des 4. Jahrhunderts geführt hat, dem verdammen-
den Urteile des Schriftstellers ; dagegen verdiente, was
diese Entwicklung aufhielt oder hinderte, seine An-
erkennung. Die Verfassungsperiode, welche der solo-
nischen am nächsten kommt, ist natürlich die, in
welcher der Areopag die Prärogative der älteren Zeit
annähernd wieder gewonnen hatte, die siebzehn Jahre
nach der Schlacht bei Salamis. Damals hatte der
Areopag die ini&ncc öV (Lv ^ i% iioltxäag (pvXaxtj y
wie es (p. 27, 24) mit deutlicher Rückbeziehung auf
die drakontische ((pvlag i]v %dv vdftwv p. 4, 10) und
solonische (voiioipv'kctxüv — inioxonog oioa tfjg noU-
reiag. p. 8, 10) Ordnung heifst. Daher das Urteil xort
htoXitev&rflcw'A&rivaioi xaXwg xot xcrra xovtovg tovg
/.aiQovg (p. 25, 27). Athen befand sich, wie in alten
Tagen, so auch zu dieser Zeit in einer glücklichen Peri-
ode des politischen Lebens. Denn gerade zudieser
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4
Zeit 1 ) war es, wo die Athener das Kriegshandwerk Schluß
übten, wo sie eine solche Politik trieben, dafs sie sich
des besten Leumundes bei den anderen Griechen er-
freuten, und wo sie so stark waren, dafs sie trotz des
Widerstandes von Sparta (aytovtio* twv sfaxeöaipoviiüv
p. 26, 4) die Herrschaft zur See gewannen. Es kommt
Aristoteles, wie auch die prägnante Stellung der eben
citierten Worte am Schlüsse der Periode beweist,
bei der Erwähnung der Seehegemonie nicht auf diese
selbst, sondern allein auf den Nachweis der Stärke
des damaligen Athens an. Diese Stärke ist ein Lob
für die in Rede stehende Periode, ihr Lob ist nicht
die Herrschaft zur See, welche nur der Erfolg dieser
Kraft, aber nach Aristoteles' Urteil ein wenig er-
wünschter ist. Nicht der Areopag hat zur See hin-
getrieben, der Demokrat Aristeides that es. Was Pei-
sistratos, der selbst als Tyrann sich unter die Gerichts-
barkeit des Areopags stellte, weislich zu verhindern
gesucht hatte, dazu wurde von den Demokraten
gegen die konservativen Tendenzen des Areopags jetzt
aufgefordert: xcciaßdvrag «c zaiv aygwv oixeiv iv t$
äoTei (p. 26, 21.) Die ccqx^, welche sich nur zu bald aus
der tjytuovLa entwickelte, erforderte die Arbeitskraft
auch der grofsen Menge ; der Staat bedurfte der nolloi,
des örjpog (p. 27, 1. 15); jetzt müssen sich also demo-
kratische Tendenzen geltend machen. Eigentlich wäre
dem Aristoteles damit ein Grund gegeben gewesen,
diese Periode zu tadeln; allein der Anspruch auf die
€cgyr t wurde nicht in ihrem Beginne, sondern in den
späteren Jahren derselben, als der Bürgerschaft der
j •
*) Ich halte also sowohl xttl (p. 25, 27) vor xarit tovtovs
tovs xaiqovs als auch xttrct rbv xqovov tovrov (p. 26, 1) für
echt.
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— 208 -
Schiur« Kamm schon geschwollen war (&ctQQOior]g rfdr; trjg 716-
lewg), erhoben. So besteht das im Anfang gegebene
günstige Gesamturteil über die letzte areopagitische
Ära zu recht, und nur der Schlufs dieser Periode ver-
dient die Einschränkung, in welcher es von dieser no-
litela heifst: vrtoqifQO/nevr] xaxa hikqov (p. 27, 17). —
Unter den folgenden Verfassungen wird der an die
Oligarchie der Vierhundert sich anschliefsende Zustand
gelobt. Die noltxda hatten die onla nagexo/nsvoiy
und das war in einer Kriegszeit vernünftig (p. 37,
8 — 10). Aristoteles äufsert in der Politik: Sei dt %r t v
7toXi%Eia.v elvai fniv fx %G»v za onXct ixortwv ftovoßv
(1297 b 1) ; sein lobendes Urteil steht unter dem Ein-
flüsse dieses allgemeinen Grundsatzes und im Einklänge
mit ihm. Eine solche Verfassung ist ein Schritt ab von
der alles ausgleichenden Demokratie, sie kann also ge-
lobt werden. Uber die Oligarchie der Vierhundert selbst
enthält sich Aristoteles jeglichen Urteils; er giebt nur
die Aktenstücke und teilt die Thatsachen trocken mit,
welche den Antritt der Bule der Vierhundert begleiteten,
und welche ihren Sturz herbeiführten. Er kann die
Männer nicht tadeln, denn im Grunde mufs er ihre
antidemokratische Tendenz billigen; er kann sie aber
auch nicht loben, weil sie verfassungswidrig die oVrAa
tyovteg von der Regierung ausschlössen. — Noch eine
Periode hat des Aristoteles Anerkennung gefunden,
die unmittelbar auf die Restauration von 403 folgenden
Jahre (Kap. 40) : doxovoiv xaklioxa ör t nai itoXiTi'Awtatct
a7iavzü)v /,al idiq x<u vLoivrj xgrfiao&ai xaig Ttqoyeyevr^
fuevaig 0v^Kpogaig f denn es wurde nicht nur eine allgemeine
Amnestie durchgeführt, sondern der Demos zahlte auch
die Kriegsschulden der Besiegten, obwohl er durch
die Verträge ausdrücklich davon entbunden war : iv . .
zaig allaig noUaiv oiy olov smTTgoori^eaaiv twv 01-
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- 209 —
tleuoi' 61 dfjfnoi 'KQaTrjOavng, aXXa xal xr t v %iooav ava- Schlüte
öaarov Ttoiovoiv (Kap. 40 a. E.). Die weise politische
Mafsigung, die neooTqg, welche sich in diesen Mafs-
regeln ausspricht, hat auch hier das Lob veranlafst.
Dasselbe philosophische Axiom, welches diese D j e
lobenden Urteile dem Schriftsteller eingab, hat auch ve^ir/t
seinen Tadel bestimmt. Sein Urteil über Kleisthenes ^j^j"
ist eisig. Er ging zur Volkspartei Uber, weil er im
Kampfe mit Isagoras unterlegen war. Das Volk ver-
traute ihm später, weil er selbst wie sein ganzes Ge-
schlecht — daher hier Kedon (p. 22, 21), der zum
Beleg für die Parteistellung des Geschlechtes in früherer
Zeit genannt wird — gegen die Tyrannis gekämpft
hatte: ■x.ortaoxovrog di tov öijpov xa nqoy^iaxa KXei-
a&ivrjg r)ye/*wv yv zat tov dypov 7coooidxr i g (p. 22, 17) ;
als ein riQoeoTijxiüg tov nXrftovg (p. 22, 26) mufste er
eine Verfassung geben, von welcher es heifst : dr^ozi-
xitntQa noXv zijg 26Xutvog syiveco y noXiceia *). Das
avauioyeo&ai %b nXrj&og (p. 23, 8) wird hervorgehoben
und das gesetzgeberische Verfahren des Kleisthenes als
eines o%o%aLofÄtvog tov n Xy& ovg (p. 24, 2) gebrand-
markt. Diesem harten Urteil verfällt auch die In-
stitution des Ostrakismos, da ihre Erwähnung unmittel-
bar an die zuletzt ausgehobenen Worte geknüpft ist 2 ) ;
ebenso hat Aristoteles in der Politik den Ostrakismos
verworfen : ßiXnov . . tov vofxo!/ BTTjv e£ ctQxrjg ovtio
ovozijoai tt}v 7tokiTeiaVj äoze deio&ai TOictvrijs
ictToeiag 8 ). — Die Verfassung von 508 — 480, welche
') Anfang von Kap. 22; vgl. p. 44, 27 t) Kketa&fvovs, <frj-
fiOTlXtÜT^Q« Z6X<ÜVO(.
*) . . xtuvoi'S ef' aXXov; (sc. vo^tovt) deivttt tov Klita&ivt)
aroxaCopevov tov 7rA»j»offf, tv otg ijtO-rj xctl 6 ntQ\ iov oargit-
XlOUOV Vt/LIO(.
3 ) Polit. 1284 b 17; vgl. 1302 b 18 .. . tnrt X ov (ttoitaatv
Keil, Aristoteles. 14
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- 210 -
Schiurs sich ganz in Kleisthenes' Formen hält, kann natürlich
des Aristoteles Wohlgefallen nicht erregt haben. Dies
ist nicht ohne Folgen für ein weiteres Urteil über sie
geblieben. Aristoteles erklärte die areopagitische Ära,
welche auf Salamis folgte, für gut, und dementsprechend
liefs er auch die äufseren Erfolge dieser Zeit be-
deutende sein. Der Glanz, den Aristoteles ihr ver-
leiht, ist dazu bestimmt, die vorhergehende kleisthe-
nische, demokratische Periode und, um das hier gleich
zu sagen, auch die folgende, ebenfalls demokratische
Periode des Perikles in den Schatten zu stellen. Die
kleisthenische Verfassungsepoche war im ganzen nicht
gut, also sind die äufseren Erfolge dieser Demokratie
auch nur geringe, wie es im Gegensatze zu denen der
areopagitischen Ära heifst: r&ie (agv olv fuixQi xovxov
av^avofttvrj (p. 25, 18). Die Schlaffheit der demokra-
tischen Heerführer zeigte sich vor Salamis, wo sie den
Kopf verloren ; der alte Areopag ward der Hort des
Staates l ).
Perikles Die Beurteilung des Perikles ist merkwürdig ge-
wunden ausgefallen. Perikles gehört zu den imeintlg;
deshalb kann er nicht ganz verurteilt werden. Aber
absolutes Lob verdient er nicht; es kehrt bei ihm das
oOTQttxKHv, oiov h ^kgyet xut l4&t,vf}atv' xa(roi ßdrtov i$ äg-
%ijs ogav onus firj Iviaovxat loaovxov VTugfyones, $ (aaavres
yevtad-ai tao&tu vortgov.
l ) Vgl. Lyk. Leokr. 52 von der Zeit nach Chaironeia: ij jukv
yitg lv *AQi(üi nayfp ßovkr\ (xal [At}tie(s iuot &ogvßqay Tctvrrjv yäg
vnolafißävta (xiytair\v tot« ytvfodttt rtj nolei amrjgtav) iovq
tftvyovTttq rijv naxglöa xal iyxataXetnovTae tot« to?s iroltfiiois
Xaßodaa «ntxxuvf. Die Worte xal uydtU xri. zeigen deutlich,
dafs der Areopag damals seine Befugnisse überschritten hatte;
in der Zeit der Not liefs der Demos es sich gefallen, später
mifsbilligte er es.
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Scheltwort gegen Kleisthenes wörtlich und mit fühl- Sohiufs
barer Verschärfung wieder : dt]poTixu)T£Qav eti awißl}
yevio&ai zrjv TioXixelav (p. 29, 14), und absichtliche
Härte liegt augenscheinlich in dem Ausdrucke 7ZQog xb
dtjfxaywyelv sX&gvtoq IleQixXeovQ . . . Ö7j^oriycioT€Qav
hi *ze., nicht so sehr durch das Wort ör^aywyeiVy
wie durch den Gegensatz, in welchen Perikles hier
zu den früheren mafsvollen nqooxcaai zov drjuov
gesetzt wird. So mufs denn das Urteil über die pe-
rikleische Periode beim Vergleich mit der vorher-
gehenden ein Tadel sein ; nur relativ erhält sie ein Lob,
nämlich im Vergleich mit den folgenden extrem demo-
kratischen Zeiten (c. 28): eiog juev ovv TleQixXfjg tiqo-
uaxi[%u rov ör^tov ßeXriw za xcrro tty TtoXiteiav t]v,
zeXevirjoavzog de TlBQixXiovg TtoXv %uqio. Die Be-
gründung des örjfnozr/.uzeQav besteht aus drei Punkten:
Perikles nahm dem Areopag einige Vorrechte, drängte
besonders zur Seepolitik und gewährte zuerst den
Richtersold. < Wie Aristoteles über die letztere Mafs-
regel denkt, hat er in der Politik 1320a 17 ff. aus-
gesprochen. Er meint, der Sold sei in volkreichen
Staaten für die unbemittelten Klassen notwendig; nur
verurteilt er die übliche unterschiedslose Zahlung und
bringt sie in Kausainexua mit den bestehenden Finanz-
schwierigkeiten der Staaten, in welchen der Richter-
sold unterschiedslos gezahlt wird. Seine Worte gehen,
wie er selbst sagt , auf die zeXevzaiai dijuoicQaztai :
Perikles' Mafsregel wird daher in der tzoX. L49rp>. als
ein Faktor für die Steigerung des demokratischen Cha-
rakters der athenischen Verfassung aufgeführt. Auch
>verden die Nebenumstände bei ihrer Einführung und
die Folgen in schlechtes Licht gerückt. Perikles hat
den Sold aus rein politischer Rancüne eingeführt, nicht
etwa aus der Erkenntnis der Notwendigkeit einer sol-
14*
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Schluß chen Mafsregel für einen volkreichen Staat, und hat
ihn eingeführt auf den Rat eines Menschen, der später
durch 08trakisraos verbannt wurde. Die F olge davon,
dafs der Richter um Geld Recht sprach, war des wei-
teren eine Zugänglichkeit der Richter für Bestechungs-
versuche. Aristoteles giebt diesen Zusammenhang in der
ihm eigenen Weise durch die einfache Anfügung des Auf-
tretens der Richterbestechungen an den Bericht über die
Einführung des Richtersoldes deutlich zu verstehen. Da-
zwischen (p. 30, 7 ff.) steht nur ein kurzer Satz : aq> ' wv
aiutovcai riveg % € h ov S yevdod-ai, xXrjQOv/Atviov intftelwg
asi inaXXov tiuv xv%6viwv rj twv iniuxaiv av&Qtotuov.
Aristoteles referiert hier; er scheint selbst dem Be-
richteten nicht ganz zu glauben aber doch kann
*) Warum er sich so reserviert verhält, vermag ich nicht
abzusehen ; ich entsinne mich keiner Stelle der Politik, die hier
erklärend einträte. Vielleicht fand er durch das xIhqoüo&m
selbst die Möglichkeit einer absichtlichen Steigerung des nie-
deren Elementes in den Gerichten ausgeschlossen. Kaibel-
Kiefsling werden m. E. an dieser Stelle dem Wortsinne nicht
ganz gerecht, wenn sie übersetzen : 'da die übrigen sich eifriger zur
Losurne drängten als der behäbige Bürgersmann». Das tm-
uelais xlriQoüo&at bezeichnet eine absichtliche Beugung des
Rechtes beim Losen selbst; aber in einem stärkeren Zuströmen
von Krethi und Plethi statt der besseren Elemente (imetxds)
kann doch nichts Beabsichtigtes liegen. Von der Absicht des
Gesetzgebers ist hier nicht die Rede, sondern allein von der
thatsäch liehen Folge. Aristoteles führt hier die Ansicht älterer an ;
vielleicht war ihre Auffassung aus der Art der Richtererlosung
seiner Zeit nicht mehr erklärlich, wohl aber aus der einer früheren.
Ich glaube, diese Stelle hat Bedeutung für die Zahl 6000 im
5. Jahrh. und die Richterqualifikation im 4. Jahrh. Es läfst
sich eine Möglichkeit denken, unter welcher bei einer Be-
schränkung der jährlichen Richterzahl im 5. Jahrh. ein tni-
ptltasxXrjoovo&cu stattfinden konnte. Andererseits ist es nichtaus-
gemacht, dafs jene Beschränkung auch im 4. Jahrh. fortbestand,
und damit fiel dann das Verständnis für das i7t$fAeX(ug xltjgov-
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er es, um sein Urteil über die perikleische Mafsregel Sohiur«
zu begründen, nicht unterlassen anzuführen, dafs von
anderen ähnlich wie von ihm selbst geurteilt sei. Es
erinnert das etwas an das calumniare audader.
Generellere Bedeutung für das Anwachsen der
Demokratie als das eben besprochene Moment haben The *
die beiden an erster Stelle genannten, die Einschrän- und
kung der Kompetenzen des Areopags und die Seemacht- Ephiaites
politik. Jene ist von Ephiaites unter Beihilfe des
Themistokles begonnen worden. Wie die Einführung
des Richtersoldes schon durch das Motiv, welches den
Urheber dieser Mafsregel leitete, diskreditiert wurde,
so wird auch der Beginn des Sturzes des Areopags
mit unlauteren Motiven eines der demokratischen
Führer in Verbindung gesetzt: Themistokles will der
Anklage auf Landesverrat entgehen. Eine Neuerung,
die auf solchem Wege herbeigeführt ist, kann nur
schlechte Folgen haben: oweßaivev avteo&cci uälXov zijv
TtoXizdav dia roig Ttgo^u^tiDg dijuayioyovvTag (p. 28, 17) ;
denn diese können jetzt, wo der Areopag nicht mehr
die imutkeia für den Staat hat, aufkommen. Viel-
leicht ist auch nicht ohne Grund in unmittelbarem
Anschlufs daran die Einführung des passiven Wahl-
rechtes für die Zeugiten (p. 28, 29) erzählt. Auch
hier also wird, wie bei dem Richtersold, in den Folgen
der Neuerung die Kritik der Neuerung angedeutet.
Schärfer noch kommt die Kritik zum Ausdruck in
der an den Sturz des Areopags angeschlossenen Nach-
richt über die bald darauf erfolgte Ermordung des
Ephiaites. Sie hat in dieser knappen Verfassungs-
o&at am Ende des 4. Jahrh. fort. Die Zahl von 6000 Richtern
ist aus der früheren Zeit für gewisse Fälle beibehalten, ob-
gleich sie nicht mehr sämtliche Richter repräsentierte. Doch
führt das hier zu weit ab.
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Schiurs geschiente eigentlich keinen Raum; wenn der Schrift-
steller ihr ihn doch gewährt, so hat er eine Absicht
dabei; es ist die, zu zeigen, wie die üble That ihren
rechten Lohn findet. Es scheint mir von diesem Ge-
sichtspunkte aus so gut wie sicher, dafs auch der kläg-
liche Ausgang des Themistokles hier berichtet ge-
wesen sein mufs, und die Texteskritik tritt bestätigend
hinzu. Kaibel-Wilamowitz haben ra. E. p. 28, 12 mit
Recht in den Worten xai (6 /niv QefAiaxoxXrig >
avfiQt&i] de xcrt 6 *E(ptdXTif]g eine Lücke konstatiert.
Um die Kritik, welche Aristoteles hiermit an den de-
mokratischen Helden übt, recht zu würdigen, beachte
man, dafs er vom Ephialtes sagt: öotliüv aöwQodoArfiog
elvai xcci dixcuog Ttoog zrjv noXitdav (p. 27, 20). Das Urteil
der Athener, welches er durch doxtuv als solches kenn-
zeichnet, wird durch die Geschehnisse und ihre Folgen
widerlegt. Das Volk wufste eben nicht, was ihm
a "Steide* frommte. Genau so heilst es vom Aristeides und The-
mutokils mistokles: 6 fihna noXefjixa doxiov, 6 di ra 7ToXiTiy.cc
öeivog el vai %cti Stxaioavvrj tw eavtbv diayioeiv
(p. 2G, 6). Dafs diese Volksmeinung über Aristeides falsch
war, wird gezeigt Denn die Folgen der Seemacht-
politik des Aristeides werden sofort als verderblich ge-
schildert: der grofse Staat gebraucht viele Menschen,
sie werden dem Lande entzogen und suchen nun beim
Staate ihr Brot. Das ist nicht 7toXiTtx.iüg nach Ari-
stoteles (8. o. S. 83, 1). War es auch dix.ccioouvr>, dafs
Aristeides die Athener dazu trieb, die Hegemonie zu er-
streben ? Das l Toig av^iiidxoig ÖEanoxiynoitQiog xoijottcci''
(p. 26, 25) giebt die Antwort darauf. Das war die Folge des
Rates des Aristeides, der selbst die Eide nicht Unterthanen,
sondern Bundesgenossen Athens, so feierlich, wie es nur
möglich war (toig fivÖQOvg f.v Tfp nekayei xcc&eioav p. 26,
1 8 ; die 0omaitov dgd), beschworen hatte. Es liegt Methode
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in der Art, wie Aristoteles seine Kritik der deraokra- Scbiuis
tischen Führer begründet. Die Kritik selbst aber ist
wieder bestimmt von dem Grundsatze, dafs zu ver-
urteilen ist, wer von der Herrschaft des Areopags und
dadurch von der solonischen Verfassung abführte;
denn diese Herrschaft des Areopags war ein teilweises
Zurückgehen auf die solonische Verfassung gewesen.
Aristeides fuhrt zur Seehegemonie, Themistokles und
Ephialtes arbeiten an der Entthronung des Areopags,
Perikles steigert jene, arbeitet an dieser weiter und
fügt noch den Richtersold hinzu. Kein Wort des Ta-
dels über den letzten dieser demokratischen Helden,
ja an einer Stelle ein relatives Lob, und doch absolute
Verurteilung durch Verurteilung des Gesamtzieles seiner
Politik und der Mittel, mit welchen er es erstrebte.
Doch Aristoteles steht nicht allein in dieser Be- Fhilo ~
sophische
urteilung der Politiker und der Politik des 5. Jah r* Kritik der
hunderts. Für den Areopag und gegen die Seehe- • s<?emac / lt -
gemonie: Isokrates' Areopagitikos und Friedensrede.
So geht der sophistische Redner und der philosophische
Historiker zusammen ; sie einigen sich in einer gröfseren
litterarischen Bewegung. Ihre "Bücher sind nur ein-
zelne Erscheinungen in dem Kampfe, welchen die
Theorie in der politisch-philosophischen Litteratur über
das Wesen der Staatsgemeinschaften allzeit gegen die
Praxis des Staates geführt hat, unter dessen Schutze
sie gedieh, und an dessen Institutionen vor allem sie
zu denken gelernt hat. Mit dem *orx hcaivfr der alten
Schrift vom Staate der Athener, deren Interpretation
Rudolf Schöll 1 ) verdankt wird, und vorher schon in
») Die Anfänge einer politischen Litteratur bei den Griechen
(München 1890). Allerdings für eine so rein akademische —
modern gesprochen — Abhandlung, wie Schöll es thut, kann
ich sie nicht halten. Den Hoden, auf dem diese noL *A9i\v.
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Schlaft den Erörterungen und Schriften, deren Niederschlag
in der Tragödie Ferdinand Dtimmler jüngst mit Er-
folg nachgegangen ist 1 ), beginnt die Opposition. Sie
richtet sich von Anfang an auch gegen die destruierend
wirkende Seemachtpolitik, welche gleichfalls Thuky-
dides' abwägendes Denken beschäftigte. Piatons Kritik
im Gorgias (519 a) *avev yiiQ awopQoavvrjg xai öixaioat-
vr t g hf.avtüv xai veioQtwv xai teiyiov %ai q>0QU)v xai
TOIOVTCOV (f'AvCtQltüV $liTte7tXfjxaOl T^V 71 öXlV*
schliefst sich zeitlich unmittelbar an 2 ) ; mit der gleichen
Kritik im Anfang des 4. Buches der Gesetze kommen
wir in die Zeit der genannten isokrateischen Schriften
herab. Aristoteles bezeugt in der Politik (1327 a 10),
wie lebhaft die Frage erörtert worden ist: neqi de
zijg Ttqog T/yV $dXaxxav xoivioviag, TtozsQOv uxpeXifiog
zaig elvot-iov^evaig noXeotv ßXaßegd, noXXoi xvyyd-
vovoiv af.tcpiaßt]zoivT€g\ sein eigenes Urteil fafst er in
die Worte (Pol. 1327 a 40 — b 9) zusammen: negi dt
Tr { g vavtixfjg dwapeiug, ort /lisv ßeXxioiov vndqyeiv
{.Uxqi xivbg rtXy&ovg, ovx aörjXov . . . Tteqi de nXy&ovg
rjdrj xai peyeltovg xijg dvvd/ueiog xavxrjg nqbg xbv ßiov
anoaxenxiov xrjg noXeiog. ei ftiv yaq ijyepovixbv
xai itoXix ixbv trpeiai ßiov, avayxatov xai xavxr>v
erwachsen ist, hat Schöll gewifs richtig bezeichnet. Aber
wenn ihr Verfasser auch zu den Kreisen gehörte, in welchen
die theoretischen Erörterungen über Politik gepflogen wurden,
so schliefst das doch namentlich im 5. Jahrh. nicht aus, dafs
er zugleich mit der Praxis persönliche Fühlung hatte. Sein
Nachweis, dafs von den anuoi nichts für eine Revolutions-
partei zu hoffen sei, und sein Zorn gegen die Kryptooligarchen
in der Demokratie sind für mich im Kähmen einer akade- .
mischen Abhandlung unverständlich.
*) Prolegomena zu Piatons Staat etc. (Basel 1891). Ich habe
absichtlich «Erörterungen» vor «Schriften» gesetzt.
2 ) Dümmler, Chronolog. Beiträge (s. o. S. 78 Anm. 1) p. 44 ff.
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— 217 —
zr)v dtvctfiiv v7totQ%Eiv 7tQog zag Ttgä^eig ovhhetqov. Schilift
xrp Si 7toXvavd-Q(x>7tiav zip ytvopevrjv negi zbv
vavzr/.6v o%Xov ovy. dvayxalov wtdgxetv zalg noXeoiv.
ovöiv ydg aizovg ptgog elvai Sei zrjg 7t6-
Xeiog. Und wie die Anwendung auf den athenischen
Staat? Die Stellen (1274a 12) zijg vavagxiag ydg h
zoig Mirfixotg 6 dr)i.iog al'ziog yevofievog &(pgovrtf.iaxio&ri
xai drj/jaycoyovg tXaße cpavXovg dvzvioXizevoftiviüv zojv
iniei'Atav und (1304 a 20) r) iv Idgeiq) ndym ßovXr)
ivdo/.i ui'oaoa h> zoig Mijdinoig iöo^e ovvzovioxigav
noirpai zr)v noXizeiav, xat ndXir 6 vavzixog b%Xog
yev6fJ£vog al'ziog zrjg 7cegi 2aXa[Aiva vin^g xai dia zav-
zr } g zrjg r^ymoviag did zty -/.azd üdXazzav Svvaftiv zr\v
drjfAov.Qaziav toxvgozegav S7zoh t aev sind schon mehrfach
für unser Buch herangezogen worden. Die Worte der
ttoX. jifhp. (p. 29, 15) über Perikles: ^idXiaza ngov-
zgeipev zrv noXiv irti zr)v vavxixr)v övrapiv, et; r$
ovvißrj l>aggr\oavxag zoig noXXovg airaoav zrv noXi-
zeiav (.idXXov dyeiv eig avzoig sprechen deutlich die-
selbe Sprache.
Neben der Seemachtpolitik ist der Sturz des demo-
Areopags ein Verderben des Staates geworden, und r y ü brJ a
zwar deshalb, weil — wie schon hervorgehoben —
ohne die Aufsicht des Areopags das Demagogentum
Uberhaupt sich erst breit machen und zur Leitung
des Staates gelangen konnte. Seemachtpolitik und De-
magogentum arbeiten am Ruine des Staates; darum
heifst es in dem zusammenfassenden 41. Kapitel von der
durch den Sturz des Areopags inaugurierten Epoche:
TtXeiaza ovveßf] zi)v noXir dia zoig drfjccycüyovg a t uag~
zdveiv (v.aiy did zr t v zrjg tiaXazzrß dgxr)v (p. 45, 4 f.) *).
Mit dieser Kritik betinden wir uns indem Gedankenkreise
*) Das xa\ auch von H-L. eingeschoben.
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Schiufs von Piatons 'Gorgias', von Antisthenes' 'Archelaos' *)
und des zweiten Teiles der isokrateischen Friedensrede.
Was Meister und Schüler und beider Gegner eint, ist
wieder die hauptsächlich durch die Akademie vertretene
politisch-philosophische Theorie des 4. Jahrhunderts,
welche nicht in der 'Jetztzeit 1 , sondern im 5. Jahrhundert
den Grund der politischen Misere suchte 2 ). Es finden
sich aber Differenzen bei der grundsätzlich gleichen
Anschauungsweise der drei Schriftsteller, und diese
Differenzen sind sehr charakteristisch. Piaton verurteilt
als xoAcmes in erster Linie Perikles, dann Kimon,
Miltiades, Themistokles. Isokrates nennt (§ 75) Ari-
steides, Themistokles und Miltiades mit Lob; Hyper-
•) Dummler, Antisthenica (Bonn, diss. 1882) p. 7—11.
8 ) Eine Ausnahme machen zwei Sokratiker, weil sie mit dem
praktischen Leben mehr als die übrigen Fühlung hatten, Xenophon
(sympos. 8, 39; memor. II 6, 13 für Themistokles und Perikles)
und Aischines, des Lysanias Sohn, wie die Fragmente seiner
Dialoge 'Miltiades* und «Alkibiades» beweisen: C.F.Hermann,
disput. de AcscJi. Socr. rell. 10 ff. 21 ff. Hermann hat für den
letzteren Dialog Ael. Aristides nicht genügend ausgenützt.
Dieser lehrt uns eine Scene in ihm kennen, welche der vno-
xQiois eines Piaton würdig ist: ilvayxti&i (Sokrates) xlaeiv
&£vjtt (den Alkibiades) rqv xey rtlrjv inl ra yovara ä&v-
firiaavra, o\g ovd* iyyvs ovitt t£ QtfjiaroxXti ii\v 7T(tnaOxtvijv
(II 369 Dd.). Man kann nur die Scenerie im 'Protagoras' und
'Symposion' oder die i'eizende Scene im <Lysis> vergleichen. Auch
ein wörtliches für den Sokratiker charakteristisches Fragment
hat Hermann übersehen, weil in den Ausgaben die Worte als
aristideisch gedruckt sind, II 20 Ddf. Denn den Satz 'Eydj cT d
/u*V tw* . . . 0 aiu (taut nahmen bei Aischines die Worte (Z. 9)
7iokko\ yitQ xa\ tcov xttfiovrwv vyieig ylyrovrtu .... oniie avv-
oloeiv tuelke 7Tovrjoat auf. Dafs sie aus Aischines stammen,
beweist nicht blofs der Zusammenhang bei Aristides, sondern
auch die beiden Hiate (niBvftftt uvtobi uya fni tu ovrjaov.
Aischines vermeidet den Hiat nicht, wohl aber Aristides in
dieser Schrift.
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bolos und Kleophon sind ihm die Repräsentanten der Schiuia
schlimmen Demagogie. Aristoteles hat Miltiades plat ^ d org '
(p. 31, 1) und Kimon ausdrücklich aus der Reihe der /a>*. k»?».
Demokraten ausgenommen; dafür treten bei ihm
Ephialtes und, was bedeutungsvoll ist, Aristeides ein,
um die Zahl der Viermänner zu vervollständigen.
Aristoteles' abfälliges Urteil über den letzten, welches
deutlich durch die Verurteilung der von ihm inaugu-
rierten Seehegemonie zu erkennen gegeben ist, steht
in striktem Gegensatz zu Piatons Urteil im 'Gorgias',
wo Aristeides der einzige athenische Staatsmann ist,
der gelobt wird (526 b). Ich kann nicht umhin, in diesem
Gegensatze beabsichtigte Polemik gegen die im 'Gor-
gias 1 vorgetragene Ansicht zu sehen. Aristoteles führt
wie Piaton vier Männer des 5. Jahrhunderts auf,
welche die Demokratie förderten ; zwei der bei Piaton
genannten streicht er, den dort allein gelobten setzt
er auf die schwarze Liste, und den am schlimmsten
verklagten, Perikles, behandelt er immerhin glimpflich.
Noch deutlicher tritt die Polemik in einem zweiten
Punkte zu Tage. Es heifst von den vier Männern
bei Piaton (Gorg. 517 b): aXXd ftoi öo/.oioi %Civ ye vvv
öicty.oviy.LoiBQot yeyovivai Aal paXXov oloi %e iy.7C0QiL£tv
rfj noXu luv hce&tf.iei', die Staatsmänner 'von heut 1
(ot vvv) sind die unmittelbaren oder mittelbaren Nach-
folger des Perikles, wie die scenische Zeit des l Gor-
gitos' beweist. Und Aristoteles? Er sagt gerade, dafs
die Männer der Demokratie bis Perikles besser waren ;
erst nach ihm kamen die alles verderbenden Dema-
gogen. Man wird zugeben, dafs die in den aristote-
lischen Worten: oi jnaXiora ßovX6(jevoi 9gaovve(j&cu
zai xaQiteo&ai zoig 7toXXoig, rrgig tcc 7cagavxiy.a ßXi-
7tovreg (p. 31, 20) enthaltene Charakteristik vom Piaton
für Perikles, Miltiades, Kimon und Themistokles ge-
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— 220 -
«ohiuis schrieben sein könnte, bei Aristoteles geht sie auf
Kleophon, Kallikrates und ihres gleichen. In diesem
Punkte stimmt Aristoteles also mit Isokrates überein,
dessen iästerliches Gerede 1 wir nicht zu verzeihen
brauchen, sondern in der Gesellschaft eines Piaton und
Aristoteles verstehen 1 ).
Isokrates ') Hier die weitere Übereinstimmung in der Kritik der
™ ld demokratischen taoir^: Isoer. Areop. 21 Ji>oo> iaorriroiv vofiiCo-
Anstot. u £ raiv t j ViU XT £ ^ ebenso Plat. Legg. VI 757 b (vergl. Resp.
VIII 558 c) tft>of> yttQ taor^roiv ovattiv xri. und Aristoteles oft,
Hauptstelle Polit. 1318 a 3 ff. Übrigens hat die Philosophie
recht; im 5. Jahrh. wird das demokratische Taov häufiger be-
tont als das oligarchische : Dümmler, Prölegom. S. 41. Die
Lendemainstimmung, welche das ganze 4. Jahrh. beherrscht,
machte weitere Kreise für die Moralpredigt der Philosophie
empfänglich. Nur urteilt die Philosophie einseitig, indem sie
den Politikern allein den Niedergang zur Last legt. Die
Philosophie des 5. Jahrh. ist selbst ein wesentlicher zersetzen-
der Faktor gewesen. Hinzu kommt die internationale Stellung
Athens seit der zweiten Hälfte des 5. Jahrh.; ihre Folge war
das Eindringen von Elementen, welche diejenigen nationalen
Kräfte auflösten, auf denen die Machtentwicklung des alten
Staates beruht hatte. Diese politische Stellung und die Philo-
sophie haben die sittlichen Grundanschauungen des athenischen
Staatslebens, den wahren Grund der Gröfse Athens, zerfressen.
Begünstigt wurde der Auf lösungsprozefs durch die natürliche
Ersetzung der alten leitenden Familien durch neue Familien
im Laufe der Zeit. Damit wurde die Tradition, welche in den
Familien forterbte, durchbrochen. Es kam frisches, aber un-
gesundes Blut in das Staatsleben; die athenische Gesellschaft
wurde eine andere. Die Philosophie schiebt der Kriegspolitik
diesen natürlichen Prozefs zu, bei dem vielleicht auch schon
der Beginn der physischen Sterilität des Griechenvolkes in
Betracht kommt, welche aus den epidaurischen Heilurkunden
und der Inschrift von Larissa grell hervortritt. Isokr. VIII 88
t« y«Q yivr\ röiv avJQtüv rwv dvo/uaatornitov xal rovg oXxoug
roit /utytarovs, 0Ü xal rag TVQavnxag axaüHs xa\ tov JTtoatxov
7Tol(jjot' tittyvyov, €vQyoofj(v tnt rrjg ag/VS, »^f tTftftvjuoüftfv
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- 221 -
Und was bestimmte Aristoteles zu seiner von schiuf«
Plato abweichenden Auffassung, wo er doch grund- ^p^' 1 ''
(Seehegemonie), avaordrovf ytyimjuivove. = Hol. *A&riv. p. 28, 22
Ttj( yciQ aiQttTt(tte yivofxivw lv roTg rore xqovois tx xaruXoyov
alii ovvtßcuvtv Ttüv t£i6rrtov tiva üiaxih'ovg rj tqiO^i-
X(ovq (inollvofrtti, roon tlmXiaxfa&ttt roi's tnitixe Tg xai rov
örjfiov xai Jtov evnootov; vgl. auch Thuk. I 23, 2. Um noch
ein paar Übereinstimmungen zwischen Aristoteles und Isokrates
anzuführen, vgl. Isoer. VIII 54 f. txeTvot plv toi? avrovg ngoard-
raq re rr,s noXtoig inoioürro xai OToartjyovs yoovvro, vou^ovriq
rov tnl rov ßrjparoe ra ß(Xrtaru avjußovXtvoai Jvva/Afvov. rov
avrbv rovrov aoiar* av ßouXfvoaa&at. xai xa&' avrbv yivöuevov,
t]/u€ts <T£ rovvavrCov rovrtov notovut-r xrt., und mit persönlicher
Spitze (gegen Demosthenes und seinen Kreis, Brand, de Isoer.
Panathenaico p. 46) Panath. 143 rodf avroi<s rovrovs argarijyove
yQoiivro xai noiaßuq xri. : Polit. 1305 a 10 (in etwas anderem Zu-
sammenhange) tot« pkv ol drj/jaytoyol i\üav ?x rtov argarrjyovvrtov
(ov yÜQ 7i<o Jeivol fjoav Uy(iv\ vvv tfi rrje QrjroQtxijg r)v$r}ju£vt)$
ol övvuptvoi Xtyuv öriuaywyovot [xtv, tfi dn€tg(ttv <f< ttuv noXe-
fxixbiv oiix Inirtöfvrat, nXr\v tl rl nov ßga^v yfyovt roiovrov.
Die Panath enai kosstelle , zu welcher die angeführten Worte
gehören, ist schon oben S. 86 ff. im Verhältnis zur noX. li&r\v.
besprochen. Ich bemerke hier, dafs sie in irgend einem Ver-
hältnis auch zur Politik stehen mufs. Den Ausführungen des
Isokrates § 131 ff. liegt der Gedanke Polit. 1317 a 40 ff. vno&eots
. . rfje drjuoxQarixfjs noXtrtfas Uev&egta zu Grunde; der war
ja allerdings gäng und gäbe in Athen, allein die Ausführung
des Isokrates richtet sich weiterhin gegen eben die beiden
Punkte, in welchen nach Aristoteles diese tlev&fgfa begriffen
ist: O.ev&fgtas tf£ ?v plvrbtv uh>h aoxto&iu xai ag^etv (dagegen
Panath. § 132 f. 139 ff.) und lv öi rb Cqv tos ßovktral r,g ^ § 131
rrjv filv dxoXaaiav iltv!>tg(av tlvttt, rqv cT tfavoiav o rt flovXt-
raCns noiiiv tvötiifjurttn . ich kenne die Beziehung, welche diesen
Worten von Henkel, Stud. z. Gesch. d. griech. Lehre v. Staate S. 46,
auf die Ethik gegeben worden ist ; dagegen mit Recht Onckeu,
Staatslehre d. Arist. II 160 mit Anm. 2 und Brand a. a. 0. p. 31,
obwohl ich ihnen sonst nicht folgen kann; vgl. übrigens Dümmler,
Chron. Beitr. S. 15 f. Wegen dieser Beziehungen zu Aristoteles bin
ich oben a. a. O. nicht auf die von Teichmüller, Litt. Fehden I
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Schiurs sätzlich mit ihm übereinstimmte? Die Worte tzquxov
yctQ tote (d. h. risQixleovg teXevTyoavzog) TTQOOiaryv
278 gegebene Parallele Panath. 145 Plat. Legg. 715 a ein-
gegangen. — Es ist mir schon hin und wieder der Gedanke
aufgestiegen, ob nicht eine Fassung der «Politik» schon vor
339 herausgegeben wurde, so dafs sie Isokrates bei der Nieder-
schrift seines letzten Werkes benutzen konnte. Unmöglich
macht das die Erwähnung der Ermordung Philipps nicht; sie
könnte in einer späteren Fassung hinzugesetzt sein, und sonst
sprechen die Daten in der 'Politik' (s. o. S. 122 ff.) doch eher für
eine solche, frühere Herausgabe. Nicht beeinflufst aber ist Iso-
krates in seiner abfälligen Kritik der spartanischen Verfassung
durch Polit. \SSS b 5 ff. Der Schliifs des Panathenaikos ist
sein eigenstes Gut; er ist die Palinodie des Archidamos, wie
von anderer Seite schon bemerkt , und gleichsam eine Fort-
setzung der Antidosis, welche Areopagitikos und Symmachikos
zurücknehmen sollte. Neben diesem Zwecke geht in beiden
der Kampf gegen die Akademie einher; in jener weist Isokrates
die antidemokratischen Tendenzen der Platoniker von sich,
in dieser ihre Lakonomanie durch Lob von Athens Thaten und
seiner guten alten Verfassung einerseits und andererseits durch
Verkleinerung von Spartas Thaten und seiner Verfassungs-
eiurichtungen. Der fast hundertjährige Greis, welcher das
Lebensende nahen sieht, will in dem Ruhme des einzigen
wahren Lobredners Athens sterben, dem Ruhme, den ihm sein
bestes Werk, der Panegyrikos, gegeben hatte. Er weist alles
von sieh, was einem tftltt&ijvaios nicht ansteht. Andererseits
will er sich auch wieder vor böser Nachrede in Sparta sichern ;
in dieser Absicht ist der Spartanerfreund eingeführt, welcher
in dem Tadel des Isokrates die Lakedaimonier durch die Er-
wähnung ihrer Thaten gelobt findet und ihre mifsgünstige
Beurteilung auf des Verfassers (patriotische) Gesinnung zurück-
führt (§ 251). Der Panathenaikos ist des Isokrates Testament
an die hellenische Welt, für welche er zeitlebens geschrieben
hatte: er will mit der öffentlichen Meinung der beiden Haupt-
staaten versöhnt scheiden. Von dem Spartanerfreunde, dem
Freunde der Feinde, läfst er sich versiehern, dafs er dies er-
reichen werde, und ihm legt er sein non omnis moriar in den Mund
(§ 260): tfoxfif yuQ poi £«v piv A>Ji//«ff#«t tfo£«r ov fttffr uiv
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ilaßev 6 &ij(to$ ov% evÖ6xi(.iovvra 7taQa tölg imeiyce- Sohlufa
aiv iv de roig nQozegov xqovoig aü Sietilow 01 £m-
emsig Srjfiaywyovvteg , diese Worte sowie das ganze
Kapitel (28), aus dem sie stammen, geben die Antwort.
Der Staatsmann ist vom Menschen nicht zu trennen;
denn die ethischen Tugenden bedingen nach Aristoteles'
wie Piatons Lehre die staatsbürgerlichen Tugenden
nicht blofs, sie sind dieselben. Der inieixyg wird,
auch wo er verwerfliche demokratische Tendenzen
verfolgt, nie so schädlich wirken wie ein ovx evöoxi^uov
naqa toig e7tieiyJat. Gemein ist der Politiker, weil
der Mensch gemein ist. Die Demagogen dieses Schlages
wissen nicht einmal äufsere Würde und äufseren An-
stand zu wahren: Kleon brüllt und schimpft auf der
Tribüne und tritt mit dem Abzeichen seines Gewerbes
vor das Volk. Natürlich, diese Sorte von Menschen
spekuliert auf die niedrigsten Gelüste: ein anderer
halber Banause, Kleophon, verschafft den Kichtern
zwei Obolen *), und Kallikrates wollte noch mehr geben.
<t£tog i2 — yaltnbv yaQ — , nana nletoot, dl xal fiälkov 6/jo-
loyovfAirrjv rfjg vvv v7raQyovaijg, TeXevrTjffag xiv ß(ov fxtti-
£(iv a&avaol ag, ov rijg roig &eotg naoovorjg alla rijg roig
iniyiyvoiutvoig ncol t&v ö*uvtyx6vi<ov ini rtvt rtuv xaXiZv loytov
/uvrjfifiv f t u7ioiovaj)g, xal fitxnftog revl-ei tovtcjv' tnyvexag yao
rag noXctg üfxtfor^Qag xaXaig xal nooarixorroig xrk. Diese Worte
widern fast an in einer Schrift, in welcher sich die innere
Haltlosigkeit des Mannes von Abschnitt zu Abschnitt in Halb-
wahrheiten und unaufrichtigem Lavieren verrät.
*) Die thwßtUa bietet der Interpretation Schwierigkeiten;
vgl. Kcnyon 8 z. d. St. S. 98. Ich bin der alten Erklärung ge-
folgt, welche uns vorliegt. Aristot. Frg. 461 R 8 ist von Kenyon
auf Kap. 62 (p. 69, 26) bezogen worden; die Holländer thun
es zweifelnd. Bei K-W. finde ich das Frg. nicht unter den
<Testimonia\ Schol. Aristoph. Vesp. 684 rovg rgtig oßolovg-
rbv yoQOp Uyth ittf* wr (?) tö(äojo rb initüßolov. rovro o*(
aklore aXXtog fJYJoro, nur äripayioytov ra nl^^rj xoXaxtv-
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Schiuis Man sieht ja, wie sie wirken: als nach der Argin usen-
sehlaeht Athen einen günstigen Frieden hätte schliefsen
können, da tritt Kleophon betrunken und gepanzert
auf und bramarbasiert. Die Athener folgten ihm, aber
/uct* ov rtoltv xqovov tyvtoaav tfjV a^agtiav (p. 37, 25).
Das Schreckensjahr 404 hatten sie ihm zu verdanken.
Doch der Mensch hat seinen Lohn dahin, wie ihn alle
seines Schlages verdienen. Kleophon und Kallikrates
sind zum Tode verurteilt worden: etaj&ev yaQ /.av
iZanazrj&f, zo Tilij&og taveQOv fxiaelv tovg n TtQoayct-
yovrag notüv avtovg %dv ^ xalwg lyovzwv (p. 31, 17) l ).
Der Mensch bedingt den Politiker: das Individuum
also oder eine Anzahl gleicher Individuen haben, so-
weit sie durch ihre Individualität dem Staatsleben
förderliche oder schädliche Impulse geben, ihren Platz
in einer Verfassungsgeschichte. Die Männer, welche
die Auflösung des athenischen Staates verursachten,
erhalten ihre Charakteristik, damit man versteht, wes-
halb sie als Politiker so wirken mufsten, wie sie ge-
üvitov, äs qijaiv uiQiaioTtXijs (v JTohjtitui', die Parallelstcllen
bei Rose 8 a. a. O. Die Notiz geht auf Kap. 28, wie die her-
vorgehobenen Worte beweisen; sie sind die Pharaphrase der
Worte p. 31, 21 /«(>/&otf«t toig nuXXoTg; ebenso fafst töidorv
üXXoit uÄXug den Inhalt von p. 31, 12—16 zusammen. Der
Alexandriner hat also die dwßtlftt vom Richtersolde verstanden;
auch bei Zenob. VI 29 liegt dieselbe Interpretation vor. Dafs
sie mit Aristophanes im Widerspruch steht, hindert nicht, dafs
auch Aristoteles mit der önußeXfa den Richtersold gemeint hat.
Wenn die Angabe um des Aristophanes willen falsch sein
müfste, so ist sie eben charakteristisch für Aristoteles' Quelle
und seine Darstellungsweise.
*) Vgl. dasselbe Urteil bei Piaton in Bezug auf die von
ihm verurteilten Männer, Gorg. 519 c: 7iQoaittTr\g yan noXetog
uv ag noTt dJfxtag nnöXotro vtt* avrrjg rijg noXftog rjg
TjoonrttTt?. Allerdings verträgt sich dies Urteil nicht ganz mit
dem Apolog. 31 e Gesagten.
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wirkt haben. Und nun kehre ich zu Solon zu- Schiufa
rück.
Solon wird auch als M e n s c h charakterisiert und ge-
würdigt, damit man erkenne, dafs das Werk des Men-
schen, in dem sich die bürgerliche Tugend der neoo-
tr ig gleichsam verkörperte, ein gutes sein mufste.
Aristoteles stellt den Menschen Solon, wie er ihn er-
tafst hatte, vor Augen, um sein Endurteil über das
Werk dieses Menschen als innerlich begründet zu er-
weisen. Die Stelle der Politik, in welcher Solon als
ptoog zu den besten Gesetzgebern gerechnet wird, ist
schon (S. 204) angeführt; gleich darauf, wo von der
reinen 7zoXi%sia die Rede ist, steht der in seiner Art
einzige Lobspruch, der, wie längst vermutet 1 ), auf
Solon geht: elg yctQ avrjg ovve7teio9rj fxovog xüv ngo-
ibqov i<p y fjyefAOviq yevo^iivajv ravztjv a7todovvcu zrp>
xaliv (1296 a 38). Dafs die Stelle richtig auf Solon
bezogen ist, bezeugt das Endurteil über diesen Gesetz-
geber in unserem Buche: keiner von beiden Parteien
ergab er sich, zwischen ihnen stand er, 'und dadurch
ist er der Retter seines Vaterlandes geworden und hat
die beste Verfassung gegeben'.
Die Antwort auf die Frage, was das Individuum
in einer Geschichte von Institutionen solle, ist gegeben.
Wir hätten auf kürzerem Wege dazu kommen können.
Aber ich führte nicht die ebene Landstrafee, welche
den Blick unbefriedigt läfst; der Weg über die Höhe
sollte weiter schauen und mehr sehen lassen. Wir
wissen jetzt, dafs des Philosophen Aristoteles Axiom
von der ueaotr { g als höchster staatsbürgerlicher Tugend
das Urteil des Historikers über Verfassungsperioden
wie Staatsmänner geleitet hat; es ist klar geworden,
J ) Von Schlosser-, vgl. Susemihl, Aristot. Polü. gr.-d. II
286 Anm. 1308.
Keil, Aristoteles. 15
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ScWufs dafs Aristoteles mit seiner Beurteilung der das athe-
nische Staatsleben zersetzenden Faktoren, der Seemacht-
politik und dem Demagogentum, in der Theorie der
Uber Politik spekulierenden Philosophie seiner Zeit
steht ; es ist aufgezeigt, wie Aristoteles seinen philo-
sophischen Grundsatz von der Identität der ethi-
schen und politischen Tugenden auf die Darstellung
und Charakterisierung der Staatsmänner hat wirken
lassen; mit einem Worte, wir haben gesehen, dafs
Aristoteles als Philosoph den historischen Stoff er-
fafst, durchdrungen und geformt hat.
Aristoteles j} ag so u aUL . n von der Quellenkritik und Quellen-
Historikerbenutzung seitens des Aristoteles gesagt sein; denn es
ist nur natürlich, dafs die Durchführung der philo-
sophischen Ideen an dem historischen Stoff Einflufs
auf die Heranziehung und Verarbeitung desselben
haben mufste. Wenn Aristoteles sich aus den Ge-
dichten des Solon ein Bild von dem Wesen und Wirken
des Mannes, das Idealbild eines ptoog, gemacht hatte,
und wenn er dieses Bild, weil es ihm auf sicherster
Grundlage, dem Zeugnis des Solon selbst, zu beruhen
schien, notwendig für das allein richtige halten mufste,
so war er berechtigt, die übrige Überlieferung danach
zu beurteilen, ob und wie weit sie sich mit dem Ideal-
bild des fnioog vertrug. Wenn sie irgendwo oder wann
den Solon anders charakterisierte, so konnte sie in
den betreffenden Fällen nicht richtig sein : die den De-
mokraten Solon zeichnende Atthidenüberlieferung mufste
oft bestritten werden. Wenn Aristoteles in der soloni-
schen Verfassung die beste Verfassung für Athen erkannt
hatte, so war es natürlich, dafs er sie an alle folgenden
Verfassungsphasen als Mafsstab legte ; zeigte sich nun,
dafs es von Solon bergab zur extremen Demokratie ging,
so war der philosophische Gedanke gegeben, der die
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aristotelische Darstellung der Entwicklung der atheni- Schiufs
sehen. Verfassung von Solon ab beherrscht. Nachrichten,
welche dem zu widersprechen scheinen, können nicht
richtig sein : in der Glanzzeit des Perikles konnte Athen
nicht viel mehr als ein fauler Körper in glänzendem Ge-
wände sein ; die Griechen haben für diesen Zustand den
Ausdruck vnovlog, und Piaton gebraucht ihn gerade von
Athen (Gorg.518e): o%i de oiöel noXig) y.al vnovlög
Ion öl fauivovQ Tovg 7iafoxiovg, ovx aio&dvovrcu. Aristo-
teles wird geradezu ungerecht in der Darstellung dieser
Zeit. Er hat kein Wort für die äufsere Machtentfaltung
des Staates, für die Blüte von Handel, Kunst und Wissen-
schaft; das schweigt er tot, um nur die Züge zu bringen,
w r elche zu seiner Theorie sich fügen. Es ist dies eine
Quellenbenutzung, welche man verurteilen mufs, auch
wenn man sie aus dem Sinne des Aristoteles verständ-
lich finden mag. Ich bin überzeugt, dafs Aristoteles
die Überlieferung kannte, nach welcher Perikles und
Ephialtes gemeinsame Sache gegen den Areopag mach-
ten ; er wählt aber eine andere Überlieferung, in welcher
statt des Perikles, der sonst schon genug diskreditiert war,
Themistokles als Genosse des Ephialtes genannt wurde.
Aristoteles hatte diesem Demokraten eigentlich noch
nichts angehängt, was zu einer Verurteilung berechtigt
hätte; die Nachricht, nach welcher Themistokles am
Sturz des Areopags und zwar aus selbstsüchtigen Ab-
sichten mitwirkte, konnte er gerade gut zur Be-
gründung seines allgemeinen Urteils über die Demo-
kraten auch am Themistokles gebrauchen, und so
folgt er dieser Nachricht. Es ist hier nicht mehr der
Raum, auszuführen, in wie berechneter Weise Aristo-
teles, was er an Atthidennachrichten aus der Zeit von
508 bis 450 giebt, für den Beweis seiner Auffassung
von der inneren Entwicklung des athenischen Staates
15*
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— 228 -
Schiui« ausgewählt hat, ausgewählt aus einer im allgemeinen
treuen Überlieferung. Was soll man nun bei diesem
Thatbestande über den Historiker Aristoteles urteilen?
Um gerecht zu sein, mufs man sich gegenwärtig halten,
dafs der antike Historiker seine Quellen anders be-
nutzt als der moderne, und Aristoteles ist ein antiker
Historiker. Der moderne würdigt eine Quelle als
ganzes und reguliert danach ihre Benutzung auch
im einzelnen. Jener pflegte, wenn er verständig wie
Aristoteles arbeitete, die einzelne Nachricht auf ihre
Gewähr hin zu prüfen. Die innere Wahrscheinlichkeit
der Nachricht, ihr Verhältnis zu äufseren Indizien oder
anderweitiger Überlieferung gaben die Kriterien ab,
besonders aber die Vorstellung, welche der Schrift-
steller von dem Gegenstande seiner Darstellung hatte,
und der Grundgedanke, welchen er bei seiner Schrift
durchführen wollte. Diese Durchfuhrung eines Grund-
gedankens bedarf einer Entschuldigung vom histo-
rischen Standpunkte nicht; ihn mufs jeder wirkliche
Historiker haben, denn er ist die Seele seiner Dar-
stellung; anderenfalls ist der Schriftsteller nur ein
Annalist. Rechten mufs man aber über das Mafs des
Einflusses, den der Historiker seiner Tendenz auf die
Darstellung und Mitteilung von Thatsachen einräumen
darf; und hierin scheint mir Aristoteles entschieden
zu weit gegangen zu sein. Die Objektivität, die der
Historiker vor den subjektiven Elementen seiner Grund-
anschauung immer wahren mufs, «um gerecht in seinen
Urteilen zu bleiben, vermifst man bei ihm an mehr
als einer Stelle. Man hat aber kein Recht über den
Historiker Aristoteles nach der einen uns zufällig vor-
liegenden Schrift den Stab zu brechen. Im übrigen
ist es nur zu erklärlich, dafs der Historiker mit dem
Philosophen Aristoteles den Vergleich nicht aushält.
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- 229 —
Gerade was dieses Stärke ist, war dazu angethan, die schiuis
Schwäche jenes hervorzurufen. Dieser Umstand stellt
sich zu den früher (S. 168 ff.) angedeuteten Gründen,
aus welchen die Autorität der Angaben des Aristoteles
da in Zweifel gezogen werden kann, wo er selbst
historisch überliefertes Material verarbeitet. Des Ari-
stoteles Urteil bindet uns nicht, besonders nicht seine
Beurteilung der solonischen Verfassung und ihrer
Stellung in der Verfassungsgeschichte Athens. Er
steht unter dem Eindrucke der von Selbstschätzung
getränkten solonischen Poesie; er folgt im ganzen der
solonfreundlichen Atthidenüberlieferung, wenn er sie
auch oft mäfsigend korrigiert, und beiden glaubte er
gern, weil ihm den Glauben die Theorie erleichterte,
nach welcher er selbst ethische und politische Dinge zu
betrachten und zu beurteilen pflegte. Man kann die
aristotelische Auffassung der solonischen Verfassung für
falsch halten — und ich bekenne, es auch jetzt noch
zu thun — , aber das hindert nicht, diese Auffassung
und die Art und Weise, in welcher sie vorgetragen
und begründet wird, zu würdigen.
Wenn der Philosoph Aristoteles in so bedeutender öko £ omie
Weise für und mit dem Historiker Aristoteles an der ÄO i.
inneren Gestaltung des Stoffes arbeitete, so kann es
nicht Wunder nehmen, wenn er in gewisser Beziehung
auch an der äufseren Gestaltung Anteil hat. Ganz Der s y 8t °-
deutlich liegt das in der Disposition des systematischen Teil
Teiles der noX. 'u4.&r\v. vor Augen. Aristoteles erkennt
bekanntlich drei jede Verfassung charakterisierende
Faktoren an: die beratenden Körperschaften, die aus-
fuhrenden Beamten und die Zuteilung wie Ausübung
der Rechtspflege 1 ). So umfafst Kap. 43—49 die Bulc
*) Polit. 1297 b 36 eari rgta fxoQta tuv nokiTi'uv na-
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Schiufs mit der Ekklesie, Kap. 50 — 62 die Beamten; mit
Kap. 63 begann das dinaCov, welches für uns z. t
verloren gegangen ist. Besonders scharf ist der Ab-
schlufs des zweiten Abschnittes markiert durch das
die allgemeinen Bestimmungen für die Beamten zu-
sammenfassende 62. Kapitel. Auch der erste Abschnitt
wird durch die Eingangsworte von Kap. 50 deutlich
abgeschlossen allein der Verfasser hat aus Rücksicht
auf ein leichteres Verständnis des Zusammenwirkens
der staatlichen Organe schon einige Ämter im ersten
Abschnitte behandelt, welche doch dem zweiten an-
gehörten. Ob diese Inconsequenz stehen geblieben
wäre, wenn Aristoteles das Buch vollendet hätte, ist
mir zweifelhaft. In der Überlieferung 2 ) erkennt man
otur . . . (ort #i twv rpttuv xovrtov £V plv r£ ro ßovlcvopevov
tuqI rtov xoivtuv, öfvrtoov ro nfql tag dg/ttg . . . tq(tov 6h
ro fitxatov.
') tk ulv ovv inb rrjg ßovlijg Jtoixovuiv« tkvt* (ar(v.
2 ) Die naturgemäfse Reihenfolge wäre Kap. 45. 49 (bis
p. 54, 28), dann 46. 47. 48. 49 p. 55, 2—3. 50. So schlösse sieh
iSuxiuuCfi p. 53, 22, txQivtv p. 54, 19, JoxtuaCti p. 54, 24 an xofvei
p. 50, 11, JoxtjudCfi p. 50, 17 und ^rw'fft p. 51, 2 an. Mit
Kap. 46 erfolgt der Übergang von der Thätigkeit der Bule,
in welcher sie ohne Hilfe der Beamten wirkt, zu der, in wel-
cher sie mit diesen zusammenarbeitet; daher Kap. 47 ovvdtoi-
xtT dl xitl T«ig aXXatg KQ^atg r« nXtinru. Der Teil schlofs
mit den in der vorhergehenden Anmerkung ;ausgesehri ebenen
Worten. Die gleichen Worte im Eingang von Kap. 47 (p. 51, 5)
und am Schlüsse von Kap. 49 (p. 55, 2) verraten noch deutlich
die Stelle, an welcher abgeschnitten und eingeschoben wurde.
Der Übergang ovvötoixti ist an der ersten, der ursprünglichen
Stelle noch stehen geblieben. Die Schedenarbeit verrät auch
die Notiz xttl ittfjittg tatlv avroTg xXrjQojTog sowohl durch ihre
Zueammenhangfdosigkcit wie durch den Plural avrotg; von der
ßovXtj ist in den durchgearbeiteten Partieen immer nur im
Singular die Rede; sonst steht ausdrücklich ßovXevTui (p. 54, 16).
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— 231 -
noch das Schwanken des Verfassers, ob er die syste- Schiuis
matische Disposition zu Gunsten des leichteren Ver-
ständnisses seitens des Lesers durchbrechen sollte.
Aber der Anteil des Philosophen an der äufeeren
Gestaltung des Buches reicht noch weiter.
Philosophische Betrachtung sucht den Ursprung der De ^* to "
Erscheinungen, die philosophische Betrachtung der De- Teil:
struktion des athenischen Staates also die Veranlassung, **® r
Schiufs
die aizia der Decadenz. Hat sie diese gefunden, so
bietet ihr die davon ausgehende Entwicklung keine
wesentlich neuen Punkte; denn diese ist nur die Kon-
sequenz des erkannten, weiter wirkenden Urübels. Dieses
Urübel hat Aristoteles im Einklänge mit anderen in
der Seemachtpolitik und dem Demagogentum der
zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts gefunden. Die
Entwicklung der Dinge des 4. Jahrhunderts ist ihm
also bedingt durch die Richtung, in die das athenische
Staatsleben am Ende des vorhergehenden Jahrhunderts
gelenkt worden ist; es geht nur je länger desto mehr
bergab 1 ). Thatsachen brachte der Zeitraum von 400
1 ) Kap. 41 p. 45, 9 titayeytvrjTcu fifyw T *)S v $ v nnoa-
entXaußavovaa t<>5 nlrj&u rrjv tEovofttv. Den Beweis dafür,
wenigstens für den Satz xccl ai Trjs ßovXfjg xQioets rhv J^uov
nr)lv9rtaiv, erbringt der zweite Teil, Kap. 45 p. 49, 23 £; 50,
18 ff. Kap. 49 p. 54, 20. Im übrigen ist die Angabe in dieser
Allgemeinheit falsch. Falsch ist auch die allgemeine Angabe,
p. 50, 6, dafs der Bule das tf«f* genommen sei; sie steht im
Widerspruch sogar mit den Worten der nol. 'A&r\v. selbst:
p. 52, 24 xal dtjOtu xvq(cc xuia toi? voijovq (an'v. Man sieht,
hier hat Aristoteles zunächst seine historische Quelle ausge-
schrieben und dann durch die — aus eigenem Wissen oder nach
einer anderen Quelle gegebene — systematische Darstellung einen
Widerspruch mit dem aus der ersteren Quelle Geschöpften in
seinen Bericht über die Kompetenzen der Bule hineingebracht.
Der zweite Teil zeigt nämlich m. £. Benutzung schriftlicher
Quellen so gut wie der erste. Ich kann mir wenigstens folgendes
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Sohiufs bis 330 genug, welche die einzelnen Entwicklungs-
phasen in dieser Epoche abgrenzten und dasselbe Recht,
wenn nicht besseres, auf Erwähnung gehabt hätten
wie die z. B. im 22. und 26. Kapitel erwähnten Ver-
nur unter dieser Bedingung erklären. Die fyuijvoi 3(xm zählt
Aristoteles auf und weist sie ausdrücklich den Eisagogeis zu
(p. 56, 24 ff.); nur die Apodektcn leiten noch sehr begreiflicher-
weise gegen die Zollpächter den beschleunigten Rechtsgang.
Unter den f/z^ro* sind die tynoQixcti nicht mit aufgezählt;
diese stehen bei den Thesmotheten (p. 67, 5), welche nach Ari-
stoteles keine (fjuijvot führen. Also behauptet Aristoteles an
zwei Stellen, dafs die fßinoQixni zu seiner Zeit nicht zu den
fuu^ruf gehören. Das ist aber falsch, denn Hegesipp. n. *AXov.
12 nennt sie im Jahre 342 ausdrücklich als solche (xarä fjijva).
Nun könnte man sagen, dafs Aristoteles' Worte nicht in der
Weise zu pressen seien, dafs die 3(xai, welche er bei den
eu^vot fortläfst, auch nicht als solche anzusehen seien. Allein
dann hätten wir — ganz abgesehen davon, dafs die beiden
Aristotelesstellen sich gegenseitig stützen — ein so sonder-
bares Zusammentreffen mit Aristoteles' Angabe und einem
früheren Rechtszustande zu konstatieren, wie ich es dem Zu-
fall nicht zuschreiben kann. Die hmoi>ixa( waren nämlich
im Anfang des 4. Jahrb., wie aus Lys. XVII 5. 8 (aus dem
J. 397: Blafs, AU. Bcreds. I 2 616) folgt, nicht tfxurirot, und
sie gehörten vor die damals noch existierenden Nautodiken.
Als diese Behörde aufgehoben wurde, überwies man diese Pro-
zesse den Thesmotheten. Dafs damit ihre Verwandlung in
fuuijro* zusammenhängt (Meier-Schömann-Lipsius A. P. S. 97),
ist durch nichts zu beweisen, ja nach dem Charakter und dem
Umfang der Thätigkeit der Thesmotheten unwahrscheinlich.
Des Aristoteles Angabe stellt einen Zustand der Behandlung
der iuTTOQixai vor dem Jahre 342 dar, wie er sich naturgemäfs
aus dem Anfange des 4. Jahrhunderts, wo die IfinoQixai noch
nicht (ujmivoi waren, entwickelte. Also war die von ihm an
dieser Stelle benutzte Quelle vor 342 geschrieben. Dafs Aristo-
teles sich auch für den 2. Teil aus Büchern Rat holte, wird
im Princip ja wohl zugeben, wer das angeführte Beispiel auch
nicht anerkennen sollte. Auch die o. S. 52 besprochenen Stellen
des systematischen Teiles führen z. T. auf die vorstehende
Annahme.
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fassungsänderungen. Aber das wissenschaftliche und Schiurs
pathologische Interesse, welches dem Philosophen die
Ursachen der Entstehung und Ausbildung der Krank-
heit des athenischen Staatslebens erregen mufsten, er-
lischt, wo, wie es mit dem Beginn des 4. Jahrhunderts
geschah, die notwendigen Konsequenzen der Krankheit
eintreten. Aristoteles schliefst daher den historischen
Teil seines Buches mit dem Schlüsse des 5. Jahr-
hunderts. So hat ihm die philosophische Betrachtung
des Verlaufes der Dinge den Abschlufs des historischen
Teiles der noX. l4#t)v. an die Hand gegeben.
Die Entwicklung des athenischen Staatslebens von die Mitte
Solon ab hat nach Aristoteles' Darstellung zunächst
eine gewisse Stabilität. Die Tyrannis kann noch ge-
lobt werden; Kleisthenes rüttelt zwar etwas an dem,
Stande der Dinge, doch die Reaktion nach den Perser-
kriegen führt wieder nach oben; Athen ist auch zu
dieser Zeit gut geleitet. Allein schon hat eine Krank-
heit den Staatskörper erfafst, die Seemachtpolitik; sie
zerstört ihn zwar noch nicht, disponiert ihn aber für
eine schlimmere, das Demagogentum. Diese kann sich
nicht entwickeln, so lange die 'Gemeinen' noch von
der Leitung des Staates fern bleiben. Mit Perikles'
Tode erfafst die schlimmere Krankheit den schon in-
ficierten Staatskörper; jetzt geht es mit ihm bergab.
An diesen Schnittpunkt ist das Kapitel gesetzt, in
welchem die leitenden athenischen Staatsmänner von
Solon bis auf Theratnenes einer Kritik unterzogen
werden (Kap. 28). Wie Aristoteles da, wo die Krank-
heit den Körper so erfafst hat, dafs der Collapsus ein-
tritt, mit der historischen Darstellung abbricht, so
u n t e r bricht er sie da, wo die Krankheit, welche zum
Ende führt, beginnt, um hier die Diagnose zu stellen : die
erhaltende fieaot^g der iniEixeig herrscht nicht mehr im
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Schiufs Staatskörper, ein zerstörendes Extrem gewann in ihm
die Oberhand, das Demagogentum. Und nun charakte-
risiert er die Krankheitserreger selbst, die Demagogen,
als Feinde der peooirjg. Der Philosoph hat an der
Fixierung der Krise seinen Anteil,
der grois der Verlust am Anfang der nol. !A&r)v.
ist, kann nicht ausgemacht werden; denn wenn man
auch wissen und vermuten kann, was darin gestanden
hat oder gestanden haben mag, so bleibt doch der uns
unbekannte Grad der Ausführlichkeit der Darstellung
der incommensurable Faktor bei der Berechnung.
Jedenfalls wenig ist im Anfange nicht verloren; aber
trotz seines mutmafslich bedeutenderen Umfanges scheint
der Eingang nichts über die Staatsverfassung zur
Königszeit enthalten zu haben aufser den Angaben über
die Einteilung nach Phylen, Phratrieen, Geschlecht rn
und den theseischen Synoikismos. Das waren Angaben,
welche bei der von Aristoteles gewählten Periodisierung
der athenischen Verfassungsgeschichte nicht zu ver-
meiden waren. Aber sonst enthält der auf uns ge-
kommene Teil des Buches das, was Aristoteles über
die Verfassung, d. h. die Beamten und ihre Kom-
petenzen in der Königszeit als Thatsachen berichten
wollte. Warum bringt er die Schilderung der socialen
Zustände der älteren Zeit erst nach der Erzählung
des kylonischen Attentates, wo sie doch in frühere
Tage hineinreichen? Warum hatte er von der Ein-
setzung des Polemarchen nicht in der Königsgeschichte
gesprochen? Weshalb erzählt er die Einsetzung des
Archonten nicht in dem Bericht über die Kodriden
(p. 2, 7), von denen in der verlorenen Geschichte nach
Ausweis des Herakleidesexcerptes (§ 8) sicher die Rede
war? Was bewog ihn endlich, die Schilderung der
socialen Lage sowie die des älteren Verfassungs-
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zustandes und der drakontischen Konstitution auf ein schiuf«
paar Columnen vor der Darstellung der solonischen
Verfassung zusammenzudrängen ? Die grofse Masse der
Athener hat wohl zur Zeit des Aristoteles geglaubt,
dals der Verfassungszustand, unter welchem sie lebten,
im wesentlichen der von Solon gegebene sei. .Aristo-
teles war als Philosoph gewöhnt, die Dinge als im
Flusse befindlich zu betrachten. Er konnte die Ver-
fassung Athens seiner Zeit nicht für etwas seit Solon
annähernd Stabiles halten; sie war ihm, wie jedes
andere, ein historisch Gewordenes. Der historische
Teil seines Buches zeigt, wie aus der solonischen Ord-
nung die Verfassung vom Ende des 4. Jahrhunderts
sich entwickelte; er giebt nach des Aristoteles Absicht
die genetische Erklärung für den systematischen *). Wer
in diesem Sinne eine noXixüa L4ihp>ai(ov schrieb,
konnte nur die Entwicklung der Verfassung darstellen,
welche als die eigentlich athenische galt, der Demo-
kratie. Diese knüpfte die Auffassung der Antike an
Solon ; die TzarQiog noUxüa If&rjvaiwv war die solo-
nische. Von ihr beginnt also in Wahrheit erst die
Geschichte der eigentlichen noXixeia 'A^Tqvaibiv. Hier-
mit war der Anfang der historischen Darstellung ge-
geben.
Aber auch die solonische Verfassung konnte
für den Philosophen und philosophisch denkenden
Historiker keine Offenbarung sein, auch sie war
etwas historisch Gewordenes. Die grösstenteils my-
thische Königsgeschichte liefs eine genetische Dar-
stellung nicht zu. Wenn es galt, die Entstehung
') Dafs aufser dieser inneren Zusammengehörigkeit der
beiden Teile aueh eine mehr äufsere Ineinanderfflgung besteht,
zeigt das im Anfang der vorhergehenden Anm. Beobachtete.
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- 236 —
Schlatt der ncciQLog noXixua der Athener zu erklären, so
konnte es fast nur so geschehen, wie Aristoteles es
gethan hat. Ich habe im Eingang gesagt, die Kapitel
2—4 bildeten zunächst die Folie, auf der sich die
Darstellung der solonischen Verfassung abhübe; jetzt
mufs as heifsen, sie sollen die Zustände socialer und
politischer Art vor Solon zusammenfassen, um zu er-
kennen zu geben, aus welchen inneren Ursachen die
Verfassung, deren Geschichte der eigentliche Gegen-
stand des Buches ist, entsprang. Sie bezeichnen die
Aufgaben, welche Solon gestellt waren, und die er ge-
löst hat. Der Eingang des ersten Kapitels Uber Solon
rekapituliert die vorhergehende Einzeldarstellung scharf ;
der Schriftsteller spannt förmlich: wer ist der Heiland
aus diesem Elend? l So war das Staatswesen geordnet,
und dazu frohndete die grofse Menge den wenigen
Reichen : das trieb das Volk zur Empörung gegen die
Vornehmen. Der Kampf war hartnäckig, und lange
kam es zu keiner Einigung; endlich fand man sich,
und beide Parteien wählten zum Schiedsrichter und
Archonten Solon und legten das Staatswesen in seine
Hände. 1 Wird Solon nun den Staat vor dem Unter-
gange im Bürgerzwist retten? und wie wird er eine
Ordnung der Dinge finden, welche die Wiederkehr
der früheren Zustände verhindert? Diese Fragen, die
der Eingangssatz des Abschnittes über Solon stellt,
beantwortet der Schlufssatz. 'Er ergab sich keiner
von beiden Parteien, sondern widersetzte sich beiden.
So verfeindete sich der Mann, der doch, gestützt auf
welche Partei er wollte, Alleinherrscher hätte werden
können, lieber mit beiden Parteien : dadurch ist er der
Retter seines Vaterlandes geworden und hat die beste
Verfassung gegeben.*
So hat Aristoteles die solonische Verfassung in
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- 237 -
den Anfang der eigentlichen Geschichte der athenischen schiuis
Verfassung gerückt, und was vorherging, erscheint wie
eine vorbereitende Einleitung. Indem er ihr diese
Stellung giebt, stellt sich ihm das ganze athenische
Staatsleben in einer einzigen grofsen Entwicklung dar.
Der Philosoph und Historiker ist befriedigt: mit
einem Blicke, von einem Standpunkte aus über-
schaut er die Geschichte von fast drei Jahrhunderten.
War aber das Buch, welches der Gelehrte — in Prak-
ihm einigen sich der Philosoph und Historiker — zweck-der
schrieb, auch wieder nur für Gelehrte und für die *oi.
Wissenschaft geschrieben, oder hat der Gelehrte Ari-
stoteles einem anderen Aristoteles, der auf weitere
Kreise wirken wollte, den Stoff ftir einen praktischen
Zweck bereitet? Das Buch war zur Veröffentlichung
bestimmt. Die Frage nach seiner Tendenz war natür-
licherweise eine der ersten, die man aufwarf. Sie ist
bekanntlich sehr verschieden beantwortet worden; Ma-
kedonien und des Aristoteles' Verhältnis zu Alexander
spielen fast durchgängig in den Lösungen eine Rolle.
Ich kann nicht die geringste Spur davon in dem Buche
finden, dafs Aristoteles, der Makedone und Lehrer Alexan-
ders, sein Verfasser ist. Der Verfasser der nol. l4&r)v.
steht ganz auf dem Standpunkte der aristotelischen
Staatsphilosophie, und alle seine Urteile sind von ihr
aus verständlich ; sie aber ist selbst wieder ein dem Gan-
zen wesensgleicher Teil der seitdem Ende des 5. Jahrhun-
derts in Athen gewordenen und das folgende Jahrhundert
durchlebenden theoretischen Betrachtung des griechi-
schen Staatslebens. Die Beurteilung, welche Aristoteles
den Ursachen des Niederganges des athenischen Staates
zuteil werden läfst, deckt sich mit der Kritik, welche Piaton
im 'Gorgias' und in den 'Gesetzen' geübt hat, und mit
dem, waslsokratesim 'Areopagitikos' und 'Symmachikos*
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- 238 —
Schiuis geschrieben hat, um das verseuchte, hinsiechende poli-
tische Leben seines Vaterlandes zu retten. Wenn denn
Aristoteles einen praktischen Zweck bei der Abfassung
der nol. l4&r { v. verfolgt haben soll, so kann ich keinen
anderen sehen als den, der Isokrates vorschwebte;
denn mit der inneren Gleichartigkeit, mit der Gleich-
artigkeit des Urteils -im ganzen wie im einzelnen ist
die Gleichartigkeit der Tendenz gegeben. Wenn denn
Aristoteles einen praktischen Zweck hatte, dann wollte
er den Athenern seiner Zeit zeigen, dafs der Ent-
wicklungsgang ihres Staatslebens der Weg zum Ende
war, dafs ihr Staat schon über dem Abgrund schwebe,
und wollte ihnen weisen, wo die Rettung lag: in der
Rückkehr zu der Verfassung, welche sie selbst die
Tcdigiog Ttokixüa hiefsen. Dann hat er ihnen zeigen
wollen, wo der Ursprung des Übels lag, hat sie durch
sein Urteil über die Seemachtpolitik und das Demagogen-
tum zum Vergleich mahnen wollen mit der eigenen
Zeit, welche Theorikengesetz, Flottenreform, Arsenal-
bauten und die Miinner alle der Tribüne von Demo-
sthenes herab bis auf Demades sah, auf dafs sie ein-
sähen und lernten, dafs eine Rettung nimmer möglich
sei, wenn sie nicht auf anderem Grunde die Macht
des Staates bauen und anderen Leitern folgen wollten.
Dann hat er ihnen zeigen wollen, dafs das social istische
Ideal dieser extremen Demokratie das falsche sei, weil
es den Begriff der bürgerlichen Gleichheit geftllscht
habe: es ist nicht wahr, dafs der Staat der beste ist,
in welchem absolute Gleichheit herrscht. Die wahre
Gleichheit ist eine andere, und sie liegt nicht bei den
Extremen : 'wenn denn der Staat aus gleichen und mög-
lichst ähnlichen Elementen bestehen will, so findet er
solche vor allem bei den piooC (Polit. 1295 b 25). Und
Solon, der Schöpfer ihrer Verfassung, hatte es gesagt,
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i
- 239 —
dafs es falsch sei Y.axöioiv ia&lovg lao^oigLav i'%eiv. Schiurs
Kurz, dann riefe er ihnen zu : c ihr glaubt es und thut
so, als ob ihr noch in der von Solon geschaffenen Ver-
fassung lebt. Seht selbst, was eures Solon Verfassung
war, was daraus bis zu dieser Zeit geworden und wo-
durch es so geworden ist. Das einzige Heil, welches
es noch giebt, liegt in der Verfassung, deren Zer-
störung zu dem Elend von heute geführt hat 1 . Dann
würde er eben sprechen wie Isokrates im l Areopagitikos\
Dafs er sich nicht ganz mit diesem deckt, sondern
auch da, wo er mit schwarzen Farben malt, ein Wort
der Anerkennung findet, wenn er von einer Institution
zu sprechen hat, welche zu seinen philosophischen An-
schauungen stimmt *), kann nicht verwundern. Er ist
kein Rhetor, dem die Farbe nie grell genug ist, wenn
sie darum auch unwahr wird ; er ist auch kein Athener.
Man mag wohl annehmen, dafs dem Schüler des Piaton
und dem Menschen, der die schönen Jahre des Lernens
im Angesichte der Akropolis verbrachte, etwas mehr
für Athen im Herzen schlug als anderen Fremdlingen auf
attischem Boden : wie ein Athener den Schmerz um das
unrettbare Vaterland fühlen, das konnte ein Fremdling
doch nicht. Solche Töne des Unmutes, wie sie Isokrates
entströmen, ein Zorn, wie der des jungen Piaton, eine
schmerzliche Resignation, wie die des gealterten, stehen
ihm nicht zu. Das Herz dieses Menschen ist nie so
J ) Ich denke an die von Cauer so mifsbrauchte Stelle
p. 4o, 14 xal tovto doxoöoip nouiv og&wg xri. : Polit. 1281 a
39 ff. ; 1286 a 31 f. Es möchte in diesem Zusammenhange auch
zu bemerken sein, dafs Aristoteles von der Haltlosigkeit der
übrigen, namentlich der akademischen Philosophie frei ist,
welche aus der abfalligen Kritik der athenischen Verfassung
sofort in das entgegengesetzte Extrem, die Lakonomanie, ge-
trieben ward.
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i
- 240 -
Schiufs sehr beteiligt, dafs der Verstand des Philosophen nicht
klar bliebe. Das würde dem Aristoteles gut anstehen,
denn es ist wirklich sein eigenes Wesen. Wenn denn
also Aristoteles einen praktischen Zweck bei der Ab-
fassung der Schrift vom Staatswesen der Athener ge-
habt hätte, so könnte er nur als q>tXai>yvaiog und nicht
als (pilaU^avÖQog geschrieben haben, und der leiden-
schaftslose Ton des Buches würde nicht gegen diesen
Zweck sprechen.
Aber was die Athener Piaton und Isokrates wagen
durften, durfte das der Fremdling, dem sich die sonst
so gastfreien Thore Athens nur wieder öffneten, als
sein Beschützer sie erbrochen hatte, und wieder schlössen,
als man den Mächtigen nicht mehr fürchtete? Und
gesetzt, er hätte es gedurft: darf man es dem Fremd-
linge zutrauen, dafs er zur Rettung des Gemeinwesens
hat mithelfen wollen, dessen Verfassungsgeschichte
ihm als Philosophen und Gelehrten wohl Interesse,
Achtung, ja Bewunderung abgezwungen hatte, in dessen
Mitte er aber das Drückende einer erzwungenen Gast-
freundschaft empfinden mufste? Doch lassen wir diese
äufseren Überlegungen : wie soll man sich denken, dafs
dieses Buch mit seiner fortlaufenden Polemik gegen
Thukydides, Herodot, Androtion und andere Atthido-
graphen, gegen Piaton und Isokrates zu einem poli-
tischen Zwecke gleich dem 'Areopagitikos' bestimmt
gewesen wäre? Und wenn Aristoteles trotz alledem
die Verfassungsgeschichte Athens zu solchem Zwecke
geschrieben haben soll, wie steht dann die Darstellung
der athenischen Verfassung in der Reihe der Dar-
stellungen der übrigen griechischen Staatsverfassungen,
als deren Glied, wenn auch gewifs als das vornehmste,
wir sie doch zunächst betrachten müssen ? Hat die 7ro-
liTBia 'A^vaiwv nicht doch nur der Gelehrte im
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— 241 —
Dienste der Wissenschaft geschrieben? Und wie kennen sohiuis
wir Aristoteles, welcher ist der echte: Aristoteles der
athenische Publicist oder Aristoteles der Mann der
Wissenschaft?
Es ist schade, dafs ich mit einer Frage schliefsen
mnfste, welche eigentlich keine ist. Mir wär's lieber
gewesen, es wäre eine wirkliche Frage, eine solche
gewesen, an deren Beantwortung man auf je ver-
zweifeln zu sollen glaubt; denn so käme, mag ich
auch hier und da eine Lösung sehen zu können meinen,
mein Standpunkt dem neuen Buche gegenüber zu
richtigerem Ausdrucke. Ich glaube und hoffe, dafs es
bei anderen ebenso bestellt ist: je genauer man das
Buch kennen lernt, je mehr man Verständnis und Er-
kennen ihm abzuringen sich müht, desto mehr Zweifel
und Fragen steigen von allen Seiten auf. Das ist
der Segen, den es gebracht hat.
Keil, Aristoteles. 16
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Register,
Aischines, derSokratiker, neues
Fragment 218, 2.
Ammonias, Schiff, 14VI.
Amterbesetzung in Athen nach
Aristoteles 113 ff.
Andokides I 22 ff. 110 f.
Androtion: Atthis 191 f. und
nol. U&r)v. 45 f. 49 f. IM ff.
168. 121 f. 190 ff.
Anmerkungen, antike, 128 ff.
Anthemion 62.
Arehestratos o4j L
Areopag: bei Isokrates 100 f.,
in der nol. U*rp. 101 ff.,
Sturz des A. 120, L
Aristeides, Staatsmann, 214» 219
Aristides, Aelius,
or.XLVp.20Dd. 218. 2
XLVI p. 161 192 Anm.
p. 317 198 Anm.
p. 360 196 f. Anm.
XLIX p. 5:36 ff. 192 Anm.
Aristoteles
[JolirtUt ^Aürivtttoiv: Quellen
200 f. Oligarchische Quelle
48. Schriftliche Quellen
des 2- Teiles 23L lj vgl.
Androtion, Atthidenüber-
lieferung, Herodot, Iso-
krates, Plutarch, Thuky-
dides, Xenophon. — Quel-
lenkritik und Quellenbe-
nutzung des Ari8tot. 5_L
186. 205j L 22L — For-
schungsart und Autorität
des A. 168 ff. 201 f. 228 f.
— Philosophischer Stand-
punkt des Verf. 204 ff. 215
ff. 226j vgl. Solon. Ten-
denz ^2 ff.
Ökonomie des Stoffes
229 ff. Der verlorene Ein-
gang 234, seit wann ver-
loren 196 f. — Der L im
Verhältnis zum 2, Teil
235. Der L und 2. Teil
gefugt 231^ L Dispo-
sition des 2. Teiles 229 f.
Der 2. Teil ungeordnet -
231, L — IIol. l49rjv. un-
fertig 50 ff. 196. 230, 2.
231, L — Zur Datierung
148 ff. — Bis wann gelesen
196 ff.
Sprache l ffi* Ausdruck
der Polemik 153. Stilisti-
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- 243 -
sehes 6L 153. 1SL Periodik
12 f. — Hiate 195. L —
Rhythmik 18 ff.: Klauseln
19—28, mit laugen End-
silben 19 ff., mit kurzen
Endsilben 24 ff. Perioden-
eingänge 28—32. Rhyth-
mik nicht im Satzinucrn
32 ff., überhaupt nicht ge-
wollt 35. Paeone 33* He-
xameter 22. Iambi scher
Trimeter 34.
Textgeschichtliches 19ß
ff. 200.
c. 2 p. 1, 13
lö. L
c. 3 p. 2, 22
103 Anm.
p. 3, 10
102
c* 4 echt
<Ü> f. 98, L
202.
p. 3, 23
115 Anm.
p. 3, 28
98, 1
p. 4, 5
97, 1
p.4, 13 ff.
15, 2
c. 5
23fi
P . 4, ia ff.
38
p. 5. 10
4 z.d.St.;
42, 2
«. ß p. 5, 12
46
p. 5, 22
197f.Auin.
c.2p.6J1-17
55 ff.
p. 6, 18
ßQ f.
p. 6, 2D
62, 1
p. L 2
ßß f.
p. L 14
68-76
c. 8 p. L 2fi ff.
28 ff.
p. 8, 18 ff
32 f.
c. fl p. 9, 2
8 z. d. St.
p. 9, 8
8 z. d. St.
15*
c 10 p. 9, 18
Ö z. d. St.
p. 9, 20
166
p. 9, 20
162
p. 9, 21
166 f.
c. 11 p. 10, 4
10 z. d. St.
p. 10, 6
10 z. d. St.
c. 12
181 ff
p. IL 22
12 z. d. St.
c. 14 p. 14, 10
24
c. 15 p. 15, 13
83, 1
e. Iß
82 f.
c. 18 p. 19, LZ ff.
179
c. 20 p. 22, 2
51
p.22, 21
c. 22
5L 20a f.
c. 23
20fi f. 214
p.25, 22
206 f.
p.26, 1
2iüi f.
c. 24
20fi f.
c. 25
5L 213 f.
c. 22
211 ff.
c. 28
205f.223f.
233
c. 29—39
201
c,33p.3L 8ff.
•Ab
c. 40
208 f.
c. 41 p. 45, 5
212
c. 45 p. 50, ß
231, 1
c. 42 p. Iii a
6^-76
c. 52 p. 56, 24
232 Anm.
c. 53 p. 57, 10
52
c.55 p. 61. 25 ff.
55 ff.
c 52 p. 65, 13
102
c. 59 p. 67, 5
232 Anm.
p.67, 6 f.
52
p.67, 10 ff
52
c. 63 p. 68, 23 ff.
52
Frg. 385 R 3
64, 2
461
223, 1
Vgl. Aristides, Isokrates,
Piaton, Pollux.
Politika: Abfassungszeit 122
ff. Herausgabe 222 A. Po-
16*
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- 244 —
lit. und floi. '^&T,r. 16, L
120 ff. 121-
p. 1272 b 20
HL
p. 1296 a 38
225
p. 1300 b 3
114. 1
p. 1306 b 9
22
p. 1308 a 35
16
p. 1327 b 23
131
Eth. Nikorn.
p. 1160 b 1 ft
134 ff.
p. 11*1 a m ff.
145 ff.
Athen Metropolis von Ionien
39, L
Atthidenüberlieferung und die
TIoX. U&nv. 93. 154. 122. 185.
200.
Bekkieri) Anfecdota) 345, 21
75, 1
Qorpus) Knscriptionum) A(tti-
earum)
II 742 62
IV 1 22 a 54, 1
Delphinion, Gerichtshof, um-
gestaltet HL
Demagogentum im Urteile der
Philosophie 212 ff.
Didymos 59 f.
Diotogenes, Pythagoreer, lfiü
Anm.
Drakontische Verfassung 9fi £
114, L 116. Überlieferung
202.
'Eqd/LieQlejliQxittioloytxii) 1862,
22 59 Anm.
Ephetengerichte lüfi ff.; ihr
Name 108.
Ephialtes 213 f.
Euthyna in Athen nach Aristot.
118 ff. 152.
Harpokration v. aö vvaros 25, L
Hermippos 44. 43 f. 60. 99.
1ÜL 122 f. 122. 185 ff. 198, L
Herodot V 21 96. 112 Anm.
Hiat s. Aristoteles IIoL *Afh\v.
Invaliden- und Armengeld in
Athen 75, 1
Ion von Chios 198 Anm.
Isokrates und Aristoteles 89 ff..
und Piaton 7^ 1
IV 28
159 f. Anm.
vn
78, 1
81 ff.
u. xn
88 f.
u. IIoUA&.
28 ff.
Hypoth.
198, L
32
1ÖÖ f.
39 ff.
152 ff.
40
160 Anm.
VIII
78, 1
54 f.
221 Anm.
220, 1
xn
222 Anm.
130 ff.
8ß ff. 221
Anm.
XV
78, 1
81 ff.
124. 146 f.
2M ff.
LH
Kedon 209.
Kimon 219.
Kleisthenes 209 f.
Lex(icon) Patm(icum, Bull, de
corr. hell. I 152) v. ytvvrjTai
64, 2.
Lykurgos : Gesetzgebung 160 ff.
Anm. Bei Hermippos und
Aristoteles 126.
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— 245 -
Lykurgos g. Leokrates 1 24 .
lfiD Anm.
Miltiades 2111
Naukraren 93 ff.
Ostrakismos bei Aristoteles 209.
Paraios — Paralia, Schiff, 142.
Peisiptrati(l('n,Chrt>nologie t 51 f.
Perikles 210 ff.
Philochoros 75, L 132.
Phylobasileis 108 ff.
Piaton und die llol. % A&r\v.
158» L 188 f. 218 f.; 'Gorgias
und IIoX. Udyv. c. 28 212.
Vgl. Isokrates.
Plutarch und die llol. Idihiv.:
Solon c. 1
182
3
44
1D
39, 1
12
182
lß
182
LI
40 ff.
IS
45 ff. 164 ff.
m
4L 125 ff.
18
155 ff.
ia
99 f.
m
105, L 12ß
25
55 ff. 123 ff.
29
182
80
188
81
183
Vgl. Hermippos.
Theseus c. 25 199
3fi im Anm.
Kimon 8 198 Anm.
Non posse suaviter vivi c. ID.
114 f.
Pollux und die floL *A»nv. 64. 2.
VIII 111 64, 2
180 64
IX 60 LB2
Positio debilis 42, L
Pry taneion, Gerichtshof, 1Ü9 ff.
Prytancn : in der drakontischen
Verfassung 96. Pr. der Nau-
kraren 9fL 112 Anm.
Pseudo-Archytas (bei Stob.flor.
43, 1341 16Ö Anm.
Pseudo-Aristoteles nepl ß«ai-
Xtfas 128 ff. unecht 136 ff.
Alter 14L Thema 133. Dis-
position 132 f. und Aristot.
Eth. Nik. p. 1137 a 3L 1160
b lff. 134 f.
Rhythmik s. Aristoteles llol.
\4th\v.
Richterqualifikation 212, L
Richtersold 211 f.
Salaminia, Schiff, 149.
Schatzungsklassen in Athen
68 ff.
Scholia in Aesch. II 82 107,3,
Scholia in Aristoph. Vesp. 684
223, L
Seehegemonie im Urteile der
Philosophie 215 f.
Seisachtheia 45. 164 ff.
Skyros, Datum der Einnahme,
198 Anm. *
Solon bei Aristoteles 203 ff.,
als fjtoos 151 ff. 204. 225.
Seine Verfassung im Urteile
des Aristoteles 229 «odytut
seiner Gesetze 152 ff. Seine
Schatzungsklassen 68 und
Münzreform 2Ü ff. 164 ff.
Fragmente 42^ L 192 Anm. ;
— 246 —
Frg. 15 und IJok. AShiv. p.
5, 4 ff. 42, L
Strategen in der drakonischen
Verfassung 115 Anm.
Themistokles 214.
Theognis' Verwendung der
posjtio debilis 43 Anm.
Theramenes 20.").
Thukydides I 12fi 96,
Tyrtaios' Verwendung der po-
sitio debilis 43 Anm.
Die Vierhundert des Jahres
411 208,
Wortschatz des attischen Dia-
lektes im fL Jhd. 52 Anm.
Xenophanes' Verwendung der
positio debilis 43 Anm.
Xenophon und die IIoL A&rjr.
200. L
[Xenophon] noliu(a *A&ipa(m
215, L
\4&r)Vt]-ATTtx6s 94.
((xoofLtetv, axoaufn 103 Anm.
(h (cxi tu -cctu^iu 103 Anm.
dtaraxrttv 16, L
äitX&ttv, dttUl&ttv 97, L
6(xat tfiurjvot und ((AnooixuC
232 Anm.
tu(f Qttyua, (utfQttlTflV bildlich
160 Anm.
In ' *r<f (?) 62, L
fmxvQßtog -jQ Anm.
Crj/uioOv 102, L
&cafto(-r6uoi
x«£<<rr«Vf« noliTffctv 12 Anm.
XttT*t[MOQ((tV Xttl OttOQfttV 182, L
xoA«C<*v 102, L
xvQßHS-a$or($ 58, L
y ((fflxvanxov 24.
vttvxQctQog 94.
6^uoj«>l«xrff 04, 2.
Ticcoccroutir 10H Alim.
Tarntet 63.
T(C^f 16.
XQ«uxom'<feci 49.
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\ ii naltsverzeicnius.
Seite
Aristoteles' Jl o'/.izeia l4&t}vala)v Kap. 5 — 13.
Text
1
Fünftes Kapitel
14
Rhythmik: Klauseln 19 Periodeneingänge 28 Satz-
44
inneres 32. Plut. SoL c 14 und 16 40.
Sechstes Kapitel
Plut. SoL c. 15(Androtion) 45. OKgarchische Quelle 46,
53
Hermippos 49. IToL *A9nv. unfertig 50.
Siebentes Kapitel
Plut. Sol. c. 25 55. r«u/«t 63. Pollux und die nok.
77
*A$np. 64, 2. Die solonischen Steuerklassen 68.
A c h t e s Kapitel
Isokrates' Areopagitikos 78 (und Friedensrede 78, 2).
Isokratefl* Panathenaikos 1:>Q ff. Bft Xankraren W>.
Prytanen 96. Plut. Sol. c. 19 99. Areopag bei Ari -
stoteles 101. Epheten 1U6. Gericht am Prytaneion
10*. Beamtgnwahj und Eutbyna 113. Aristot. Politik
und, n oi. A&r}v. 120. Abfassungszeit der Politik 122.
Excurs 122
l'a.-Aristot. thqI ßaaun'aq: Echtheit unerwiesen 128
und Aristoteles 134. Gründe gegen die Echtheit 136.
Disposition 137. Arist. Ethik Schluss 145. Datierung
der nok. *A9nv. 148.
Neuntes Kapitel 150
Geschworenengerichte 152. Plut. Sol. c 18 155. Die
itrulqtut der solonischen Gesetze 157.
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Soite
Zehntes Kapitel 163
Seisachtheia und Mflnzreform; Plut. Sol. c. 15 (An-
drotion) 164. Autorität des Aristoteles als wissen-
schaftlichen Forsehers 168. Hermippos 172.
Elftes Kapitel 173
Plut. Sol. c. 25 und 16 173. Antike Anmerkungen 178.
Hol. 'A&nv. c. 12 181. Hol. *A9i}v. und Hermippos
IHK und Plutitrah Ift* und Androtion V.M.
Schlufs 194
Aufsere Geschichte der nol. A&tjv. 194 (Ael. Aristid.
und die nol. 'Aihiv. 196, 2). Quellen und Quellen -
benutzung 200. Die aristotelische /ueoorijs 204: Richter-
sold 211 Seehegemonie 215 Demagogentum 217.
Aristoteles als Historiker 226. Ökono m i e de r n ol,
A&nv. 229. Tendenz der nol. 'A&yv. 237.
1\ e ^ i s t vv 242
S. 22 Z. 22 lies (-&r ( v«i tf*a). 24 Z. 15 l. herbeigeführt.
28 Z. 23 l. »avarov. 33 Z. 22 f. gegliedert 7. durchsetzt. 39
Z. 2 v. u. /. (Plut. SoL 10). 68 Z. 11 vor Solon l von Solon.
75 Anm. Z. 5 Harpokration /. Hesych. 82 Z. 20 /. paraphrastisch.
96 Z. 26 l (I 126). 102 Anm. Z. 7 l Pollux VIII 21. 116 Anm.
Z. 3 7. kontrollierbar. 127 Z. 10 l. avrovg. 133 Z. 5 voluptaiibus
libidinibus que l. voluptatibus temporalibus. Jenes ist der
Text bei Lippert, dieses der bei Nissen S. 179, welchem ich
zunächst nicht folgte, weil die Abweichung von Lippert nicht
ausdrücklich begründet ist. Herr Prof. Nöldeke belehrt mich
freundlichst, dafs der Nissensche Text der richtige ist; an
meinen Ausführungen ändert das nichts. 136 Z. 14 f. L ov
MV all' tlax«JTot ye. 158 Anm. Z. 1 l Politikos 294a. 230
Z 12 7. Inkonsequenz. Während des Drucke« abgesprungene
Accente und Interpunktionszeichen sind nicht aufgeführt.
Pierer'sche Hofbuchdruckerei. Stephan Geibel & Co. in Altenburg.
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