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Full text of "Annalen der Physik und Chemie"

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ANNALEN  DER 
PHYSIK  UND 
CHEMIE 


Di 

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ANNALEN 

DER 

PHYSIK  UND  CHEMIE. 

NEUE  FOLGE. 

BAND  XIT. 


ANNALEN 


DER 


PHYSIK  UND  CHE: 


F.  A.  C.  GREfl,  L.  W.  GILBERT,  l  C.  POGGENDORFF. 
NEUE  FOLGE. 

BAND  XIY. 

DER  GANZEN  FOLGE  ZWEIHUNDERT  UND  FÜNFZIGSTER. 

UNTER  MITWIRKUNG 
DEB  PHYSIKALISCHEN  GESELLSCHAFT  IN  BERLIN 


BEGRÜNDET  UND  FORTGEFÜHRT  DURCH 


UND  INSBESONDERE  DES  HERRN 


H.  HELMHOLTZ 


.U9GEOEBEN  VON 


G.  WIEDEMANN. 


NEBST  SECH9  FIGURENTAFELN. 


,     S  L 


LEIPZIG,  1881. 
VERLAG  VON  JOHANN  AMBROSIUS  BARTH. 


« 


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Inhalt 


«Neue  Folge.   Band  XIV. 


Neuntes  Heft. 

-■  "~  Seite 

I.  S.  Koch.   Ueber  die  Abhängigkeit  der  Reibungsconstante 
des  Quecksilbers  von  der  Temperatur   1 

II.  K.  F.  Slo  tte.  Ueber  die  innere  Reibung  der  Losungen 
einiger  Chromate  13 

III.  C.Christiansen.  Einige  Versuche  über  die  Wärmeleitung  23 

IV.  D.  Konowalow.  Ueber  die  Dampfspannungen  der  Flüssig- 
keitsgenüsche  34 

V.  H.  Helmhoitz.   Ueber  eine  electrodynamische  Wage   .   .  52 

VI.  V.  Strouhal  u.  C.  Barus.  Ueber  die  Aendenmg  der  ther- 
moelectrischen  Stellung  de*  Eisens  und  des  Stahls  durch 
Magnetisirung  54 

VII.  J.  Moser.  Der  Krcisprucess,  erzeugt  durch  den  Keactions- 
strom  der  electrolytisehen  Ueberführung  und  durch  Verdain- 
pfung  und  Condensation  62 

VIII.  L.  Grunmach.  Ueber  die  electroniagnetische  Drehung  der 
Pnlarisationsehene  der  strahlenden  Wärme  in  festen  und 
flüssigen  Körpern  85 

IX.  A.  Kerb  er.   Die  Höhe  der  Erdatmosphäre  117 

X.  A.  Sprung.  Ueber  die  Bahnlinien  eines  freien  Theilchena 
auf  der  rotirenden  Erdoberfläche  und  deren  Bedeutung  für 
die  Meteorologie  12b 


vi  Inhalt. 

Sitte 

XI.  G.  Helm.    Ueber  die  Vermittelung  der  Femewirkungen 

dnrch  den  Aethp.r   141» 

XII.  A.  Paalzow.   Bemerkung  zu  der  Abhandlung:  Ueber  ein 

neues  Volumenoineter  ,  ,  .  ,  ,  s  t  .  ,  .  s__s  .  .  176 

Geschlossen  am  15.  August  1881. 


Zehntaa  TTflft 

I.  C.  Pul  fr  ich.    Photometrische  Untersuchungen  über  Ab- 
sorption des  Lichtes  in  isotropen  und  anisotropen  Medien  .  177 

IL  D.  Konow alow.  Ueber  die  Dampfspannung  von  gemischten 

Flüssigkeiten  219 

III.  A.  Schuller.   Ueber  die  Bildungswärme  des  Wassere  .   .  .  226 

IV.  L.  Graetz.    Ueber  die  Wärmcleitungsfiihigkcit  von  Gasen 

und  ihre  Abhängigkeit  von  der  Temperatur  232 

V.  P.  Volkmann.   Zu  den  bisherigen  Beobachtungen  der  Aus- 
dehnung des  Wassers  durch  die  Wärme  260 

VI.  R.  Claus ius.  Ueber  die  theoretische  Bestimmung  des  Dampf- 
druckes und  der  Volumina  des  Dampfes  und  der  Flüssigkeit  279 

VII.  H.  Lorberg.  Ueber  Wärmeleitung  in  einem  System  von 
Cylindern,  und  über  die  experimentelle  Bestimmung  der  Lei- 
tungsfahigkeit  des  Wassers  291 

VIII.  F.  Auerbach.    Magnetische  Untersuchungen. 

Zweite  Abhandlung:  Ueber  die  magnetische  Nachwirkung  308 

IX.  Ph.  v.  Jolly.    Die  Anwendung  der  Wage  am*  Probleme 

der  Gravitation  .  ,  ,  ,  ,  ,  ,  ,  ,  ,  ,  ,  ,  ,  .  33_L 

X.  A.  Wflllner.   Ueber  die  Spectra  des  Wasserstoffs  und  des 
Acetylens  355 

XI.  A.  Wällner.    Einige  Bemerkungen  zu  den  Versuchen  des 

Hrn.  Wesendonck  über  Spectra  der  Kohlenstoffverbindungen  363 

XII.  K.  H.  Schellbach.    Das  IMinimum  der  Ablenkung  eines 

Lichtstrahls  im  Prisma   .  .  .  .  .  .  .  ,  ,  ,  ,  .  ,  s  361 

XIII.  E.  Wiedemann.   Beiträge  zur  Geschichte  der  Naturwissen- 
schaften bei  den  Arabern.  VT.   .  ,  .  .  .  ,  .  .  ,  .  368 

Geschlossen  am  15.  September  1881. 


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Inhalt.  VII 

ü 

Elftes  Heft. 

Seite 

I.  R.  Koenig.   Bemerkungen  über  die  Klangfarbe    ....  369 

II.  C.  v.  Than.  Ueber  die  Vergleichuug  der  Ergebnisse  calori- 

metrischer  Messungen  393 

IIL  H.  Lorberg.  Ueber  Wärmeleitung  in  einem  System  von 
Cylindern,  und  über  die  experimentelle  Bestimmung  der  Lei- 
tungsfähigkeit  dca  Wassers  426 


IV.  H.  Kayser.  Ueber  die  Verdichtung  von  Gasen  an  Oberflächen 

in  ihrer  Abhängigkeit  von  Druck  und  Temperatur  ....  450 

V.  W.  Siemens.   Die  dynamoelectrische  Maschine    ....  469 

VI.  F.  Himstedt.    Ueber  die  Dämpfung  schwingender  Magnete 


durch  Eisenplatten  48H 

VIL  Th.  Erhard.   Ueber  einige  eiectrische  Eigenschaften  des 

Indiums  ,  ,  ,  ,  ,  .  .  .  ,  .  .  .  ,  .  .  ,  ,  ,  ,  504 

VIH.  K.  R.  Koch  u.  Fr.  Klocke.   Ueber  die  Bewegung  der 

Gletscher  509 

IX.  E.  Lommel.   Theorie  der  Drehung  der  Polarisationsebene  523 

X.  A.  Winkel  mann.  Zu  den  Versuchen  des  Hrn.  T„.  Graft  tz: 
„Ueber  die  Wärmeleitungsfähigkeit  der  Gase  und  ihre  Ab- 
hängigkeit von  der  Temperatur"  534 

XI.  L.  Graetz.    Ueber  die  Wärmeleitungsfähigkeit  der  Gase. 

Erwiderung  auf  die  Bemerkungen  des  Hrn.  Winkel  mann  541 

XII.  H.  Hellmann.    Ueber  eiectrische  Entladungen  543 

Geschlossen  cm  16.  October  1881. 


Zwölftes  Heft. 

I.  W.  Feussner.   Ueber  die  Interferenzerscheinungen  dünner 
Blättehen  mit  besonderer  Rücksicht  auf  die  Theorie  der 


Newton'schen  Ringe  545 

II.  V.  v.  Lang.   Ueber  die  Dispersion  des  Aragonits  nach  arbi- 
trärer Richtung   571 

III.  0.  Lubarsch.   Bemerkungen  zu  den  Arbeiten  des  Hrn. 
Lamansky  über  Fluorescenz  575 

IV.  H.  R.  Hertz.   Obere  Grenze  für  die  kinetische  Energie  der 
bewegten  Electricität  581 


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VIII  Inhalt. 


 l 

V. 

E.  Reitlinger  u.  Fr.  Wächter.   Ueber  Disgregation  der 

Seit* 

Elektroden  durch  positive  Electricität  und  Erklärung  der 

OH  1 

VT 

A      n  1  ff  Ol1         1  Tu  torfill  ilfltltl  rrOtl     iiV\ßv    fliö   T-T/\Vwi    / 1  n  t*    A  fmAcrtliÖra 

a.  jui  n  1.     u iiici oudiiiii^cii  uuci  nie  nunu  cicr  AimuopiiHrc 

DIU 

VII. 

W.  S  i  &m  e n  s.    Beiträge  zur  Theorie  des  Elektromagnetismus 

cor. 

VIII. 

H.  Schröder.    Untersuchungen  über  die  Volumenconsti- 

656 

IX.  R.  Clausiu8.    Ueber  die  theoretische  Bestimmung  des 

Dampfdruckes  und  der  Volumina  des  Dampfes  und  der  Flüs- 

692 

X. 

S.  Oppenheim.   Ueber  eine  Gleichung,  welcher  die  leben- 

dige Kraft  schwingender  Bewegungen  genügt  

<  wo 

XI. 

Electrische  Einheiten  nach  den  ReRr.hlüssen  de.«  inter- 

nationalen Congresses  der  Electriker  zu  Paris  1881     .    .  . 

708 

Berichtigungen  

708 

Namenregister  

709 

Geschlossen  am  15.  December  Ißtl, 


Nachweis  zn  den  Figurentafeln. 


Taf.     I.   Koch,  Fig.  1  —  3.  —  Christiansen,  Fig.  4.  —  Moser, 
Fig.  5—7.  —  Orunmach,  Fig.  8—9.—  Sprung,  Fig.  10—11. 

Taf.  II.  Konowalow. 

Taf.  III.   Pulfrich,  Fig.  1.  —  Schuller,  Fig.  2—3.  —  Auerbach, 
Fig.  4. 

Taf.  IV.   v.  Than,  Fig.  1—3.  —  Kayser,  Fig.  4-6.  —  Koch  und 
K locke,  Fig.  7—9. 

Taf.    V.   Feussner,  Fig.  1.  —  Hertz,  Fig.  2—3.  —  Reitlinger  u. 
Wächter,  Fig.  4—12. 

Taf.  VT.    W.  Siemens. 


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1881.  A  N  N  A  L  E  N  Jf°  9. 

DER  PHYSIK  UND  CHEMIE. 

NEUE  FOLGE.   BAND  XIV. 


I.    lieber  die  Abhängigkeit  der  Meibungsconstante 
des  Quecksilbers  von  der  Temperatur; 
van  Syn.  Koch. 


Ueber  die  Reibungsconstante  des  Quecksilbers  liegen 
seit  Poise inllo,  welcher  die  Gültigkeit  des  nach  ihm  be- 
nannten Gesetzes  für  diese  Flüssigkeit  nicht  bestätigen 
konnte,  zwei  Arbeiten  vor:  E.  Warburg1):  „Ueber  den  Aus- 
fluss  des  Quecksilbers  aus  gläsernen  Capillarröhren"  und 
E.  Villari2):  „Sull  efflusso  del  mercurio  per  tubi  di  vetro  di 
piccolo  dianietro."  Beide  Untersuchungen  bestätigen,  dass 
das  Gesetz  von  Poiseuille  auch  für  den  Durchfluss  des 
Quecksilbers  durch  Capillaren  gilt.  Die  absolute  Grösse  des 
Reibungscoefficienten  aber  zeigt  nach  den  beiden  Forschern 
eine  so  grosse  Differenz,  dass  es  erwünscht  erschien,  durch 
neue  Versuche  zwischen  den  beiden  Werthen  zu  entscheiden. 
Nach  Hrn.  War  bürg  ist  der  Reibungscoefficient  des  Queck- 
silbers bei  17°  in  den  jetzt  gebräuchlichen  Einheiten 
(Gramm1  Cent.-1  See.-1)  u  =  0,01602.  Villari  hat  aus 
seinen  Versuchen  die  Poiseuille'sehe  Constante  bestimmt  und 
findet  dieselbe  aus  einer  Versuchsreihe  C=  2223).  Um  eine 
andere  Versuchsreihe  mit  dieser  ersten  in  Uebereinstimmung 
zu  bringen,  muss  er  diese  Constante  mit  1,086  multipliciren, 
findet  sie  also  C  =  222 . 1086  =  241. 4)  Ueberhaupt  zeigen 
seine  Resultate  sehr  grosse  Abweichungen  unter  sich;  die 
Werthe  der  Constanten  C  liegen  zwischen  208,3  (Tab.  XVIII, 


1)  E.  War  bürg,  Pogg.  Ann.  140.  p.  367.  1870. 

2)  E.  Villari,  Mem.  dell'  Acc.  delle  Sc.  dell'  Inst,  di  Bologna;  (3)  6. 
p.  1.  1876. 

3)  L  c.  p.  30. 

4)  1.  c.  p.  31. 

Ana.  d.  Phji.  u.  Chem.  N.  F.  XIV.  1 


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2 


S.  Kock. 


4.  Versuch)  und  257,6  (Tab.  X,  1.  Versuch),  zwei  Zahlen,  die 
um  23,5  °/0  der  kleineren  differiren.  Daraus  berechnet  sich, 
dass  die  Reibungsconstante  im  Mittel  zwischen  8  und  12°  C. 
zwischen  den  Grenzen  fi  =  0,03445  und  fi  =  0,02786  läge; 
diese  Zahlen  repräsentiren  aber,  auf  dieselbe  Temperatur 
bezogen,  eine  fast  doppelt  so  grosse  Reibungsconstante,  ob- 
gleich die  Methode  der  Versuche  im  wesentlichen  bei  beiden 
Forschern  dieselbe  war. 

Eine  Untersuchung  der  Reibungsconstanten  des  Queck- 
silbers schien  aber  noch  aus  anderen  Gründen  von  Interesse. 
Zunächst  ist  das  Quecksilber  die  einzige  einfache  Flüs- 
sigkeit, welche  bis  jetzt  in  dieser  Richtung  hat  untersucht 
werden  können;  sodann  wurde  die  Untersuchung  innerhalb 
eines  sehr  grossenTemperaturintervalles  durchgeführt, 
während  die  früheren  ähnlichen  Untersuchungen  sich  inner- 
halb enger  Temperaturgrenzen  halten;  endlich  verhält  sich 
Quecksilber  als  metallische  Flüssigkeit  bezüglich  der  Ab- 
hängigkeit des  electrischen  Leitungsvermögens  von  der 
Temperatur  entgegengesetzt  als  alle  anderen  untersuchten 
Flüssigkeiten,  welche  electrolytisch  leiten.  Da  nun  eine  ge- 
wisse Wechselbeziehung  zwischen  dem  mechanischen  und  elec- 
troly  tischen  Reibungswiderstande  vorhanden  zu  sein  scheint  *), 
so  ist  es  wünschenswerth,  zu  wissen,  ob  das  Quecksilber 
vielleicht  auch  bezüglich  seiner  Reibungsconstanten  im  Ver- 
gleich mit  den  Electrolyten  ein  eigenthümliches  Verhalten 
zeige. 

Der  Apparat.  Zur  Bestimmung  der  Reibungsconstan- 
ten wurde  die  Methode  des  Durchfliessens  durch  Capillaren 
verwendet.  Der  eigentliche  Durchflussapparat  war  ganz 
aus  Glas  gefertigt  und  hatte  die  in  Fig.  1  Taf.  I  angedeu- 
tete Gestalt.  Das  Gefäss  W  war  dazu  bestimmt,  diejenige 
Menge  von  Quecksilber  aufzunehmen,  für  welche  die  Durch- 
flusszeit beobachtet  werden  sollte;  es  hatte  genau  cylindri- 
sche  Gestalt.    Die  Verengerungen  am  oberen  und  unteren 

1)  G.Wiedemann,  Pogg.  Ann.  99,  p.  230.  1856.  Grotrian,  Pogg. 
Ann.  157.  p.  130.  1876  und  160.  p.  238.  1877.  F.  Kohlrausch,  Wied. 
Ann.  6.  p.  207.  1879. 


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S.  Koch.  3 

Ende  hatten  den  Zweck,  den  Anfang  und  das  Ende  der 
Durchflusszeit  genau  erkennen  zu  lassen ;  in  der  weiten  Röhre 
nämlich  war  die  Bewegung  des  Quecksilbers  so  langsam, 
dass  der  Durchgang  der  Kuppe  durch  eine  Marke  auch  mit 
Hülfe  des  Fernrohres  nicht  mit  hinlänglicher  Genauigkeit 
beobachtet  werden  konnte.  Die  Biegungen  am  unteren  Ende 
der  weiten  Röhren  verhinderten  den  Eintritt  des  erwärmten 
Quecksilbers  in  die  verticalen  Schenkel,  wodurch  die  stören- 
den Folgen  dieses  Eintrittes  möglichst  vermieden  wurden. 
Bei  den  Temperaturen  über  100°  befand  sich  das  Stück  uv 
(46  cm  lang)  innerhalb  des  Thermostaten;  die  Temperatur 
von  ungefähr  100°  wurde  durch  Wasserdampf  erzeugt. 

Um  Temperaturen  von  0°  und  darunter  constant  zu 
erhalten,  wurde  der  Durchflussapparat  so  tief  in  Eis  oder 
eine  Kältemischung  gebracht,  dass  die  Capillare  sich  etwa 
5  cm  unter  der  Oberfläche  des  Bades  befand. 

Als  Thermostat  für  höhere  Temperaturen  wurde  der 
von  Hrn.  von  Babo  construirte  und  in  den  Berliner 
Berichten1)  beschriebene  Apparat  benutzt,  welcher  sich  aus- 
gezeichnet bewährte.  Derselbe  gestattete  bei  constantem 
Gasdrucke  die  Temperatur  beliebig  lange  constant  zu  erhal- 
ten, sodass  auch  bei  Temperaturen,  welche  über  300°  lagen, 
innerhalb  von  fünf  Stunden  Schwankungen  von  kaum  2° 
vorkamen,  nachdem  einmal  die  constante  Temperatur  erreicht 
war,  was  auch  bei  den  höchsten  Temperaturen  (340°)  nach 
etwa  einer  Stunde  stets  stattfand. 

Die  Temperatur  wurde  mit  Hülfe  eines  Jolly'scheii 
Luftthermometers  bestimmt.  Das  Gefäss  desselben  hatte 
die  Gestalt  einer  Röhre  von  etwa  1  qcm  Querschnitt  und 
41  cm  Länge.  Diese  lag  der  ganzen  Länge  nach  neben  der 
Capillaren  und  dem  vorgewärmten  Quecksilber,  so  aber,  dass 
die  beiden  Enden  dieser  Röhre  vom  Rande  des  Thermo 
statenmantels  etwa  2,5  cm  abstanden.  Um  die  Gleichförmig 
keit  der  Yertheilung  der  Temperatur  im  Thermostaten  zu 
controliren,  waren  noch  die  beiden  Quecksilberthermomete: 
k  und  /  eingeführt.  Taf.  I  Fig.  2  zeigt  die  Zusammensetzung 

1)  v.  Babo,  Berl.  Ber.  18  p.  1219.  1880. 

1* 


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4 


S.  Koch 


des  Apparates  im  Querschnitt,  Fig.  3  Taf.  I  von  der  Seite; 
a  ist  die  Röhre  des  Luftthermometers,  b  die  Capillare  und 
c  der  Thermoregulator. 

Methode  des  Versuches.  Zuerst  wurde  der  Durch- 
flussapparat gereinigt  durch  successives  Hindurchsaugen  von 
Salpetersäure,  destillirtem  Wasser,  Alkohol,  Aether  und 
trockener,  warmer  Luft.  Das  Quecksilber  selbst  wurde  wäh- 
rend mehrerer  Tage  mit  Schwefelsäure  behandelt,  welcher 
einige  Tropfen  Salpetersäure  zugesetzt  waren;  sodann  wurde 
es  mehrere  mal  in  dünnem  Strahle  in  heisses  Wasser  filtrirt, 
zuletzt  getrocknet  und  warm  in  den  Durchflussapparat  hin- 
einfiltrirt.  Für  eine  Versuchsreihe  wurde  das  Quecksilber 
destillirt  und  auf  Verunreinigungen  chemisch  untersucht;  es 
zeigte  sich  keine  Spur  von  Beimischung  eines  anderen 
Metalles.  Die  Resultate  dieser  Versuchsreihe  ergaben  keine 
Abweichung. 

Durch  Neigen  und  Schütteln  wurden  Luftbläschen  sorg- 
fältig entfernt  und  die  Oeffnungen  der  verticalen  Schenkel 
nachher  beständig  durch  Watte  verschlossen  gehalten.  Der 
so  vorbereitete  Durchflussapparat  wurde  nun  mit  Hülfe  des 
Kathetometers  horizontal  gestellt,  neben  ihm  zu  beiden  Seiten 
das  Luftthermometer  a  und  der  Thermoregulator  cc  an- 
gebracht und  dann  der  Mantel  des  Thermostaten  darüber 
gelegt.  Etwaige  Spalten  am  Thermostaten  wurden  mit  Asbest 
verstopft.  Jetzt  wurde  der  Apparat  auf  die  gewünschte 
Temperatur  erwärmt  und  sodann  mit  dem  Kathetometer  die 
dem  Beginne  und  dem  Ende  des  Versuches  entsprechenden 
Höhen  der  Quecksilbersäule  in  den  beiden  Schenkeln  ax ,  ev 
a2,  e2  (Fig.  1  Taf.  I)  gemessen.  Dasselbe  geschah  zur  Con- 
trole  nochmals  am  Ende  jeder  Versuchsreihe.  Durch  kleine 
Thermometer  t,  und  t2>  welche  an  die  Verticalschenkel  an- 
gelegt waren,  wurde  die  Temperatur  innerhalb  dieser  Röhren 
ermittelt  und  ebenso  die  Temperatur  des  Quecksilbers  im 
Glefasse  W.  Durch  die  Biegungen  am  unteren  Ende  der 
Verticalröhren  war  das  Herüberströmen  des  erwärmten  Queck- 
silbers verhindert;  ausserdem  waren  diese  Röhren  durch 
Holzschirme  gegen  die  Strahlung  des  Thermostaten  geschützt; 


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S.  Koch.  5 

■ 

es  trat  daher  in  denselben  eine  bedeutende  Temperaturer- 
höhung überhaupt  nicht  ein.  Um  einen  Anhaltspunkt  über 
die  Genauigkeit  dieser  Temperaturbestimmung  zu  haben, 
wurde  ein  Thermometer  in  das  Quecksilber  eingetaucht  und 
dessen  Angabe  mit  derjenigen  des  aussen  angelegten  ver- 
glichen; bei  dem  Versuche  Nr.  12,  Tab  II  zeigte  das  äussere 
t2  =23°,  das  eingetauchte  dagegen  25°.  Ein  Fehler  von  5° 
in  dieser  Bestimmung  würde  aber,  wie  aus  dem  Ausdehnungs- 
coefficienten  des  Quecksilbers  folgt,  noch  nicht  einen  Fehler 
von  0,1  °/0  im  schliesslichen  Resultate  veranlassen. 

Mit  Hülfe  der  Luftpumpe,  welche  mit  dem  oberen  Fort- 
satze des  Gefasses  W  verbunden  war,  wurde  das  Quecksilber 
in  dieses  Gefäss  herüber  gesaugt;  durch  Zugiessen  und  Weg- 
nehmen von  Quecksilber  aus  dem  anderen  Schenkel  wurde 
der  Druckunterschied  so  variirt,  dass  derselbe  zwischen  20 
und  45  cm  Quecksilber  betrug.  Nachdem  die  Verbindung 
mit  der  Luftpumpe  aufgehoben  war,  begann  das  Durchfliessen. 
Die  Zeitpunkte,  in  welchen  das  Quecksilber  jede  der  beiden 
Verengerungen  passirte,  wurden  beobachtet  und  dadurch  die 
Durchflusszeit  bestimmt.  Bei  derselben  Temperatur  wurden 
immer  mehrere  Versuche  angestellt,  und  aus  den  beobachteten 
Durchflusszeiten,  welche  unter  sich  selten  um  74%  abwichen, 
das  Mittel  genommen.  Sowohl  das  Volumen  des  Gefasses 
W  als  der  Radius  der  Capillaren  war  durch  Auswägen  mit 
Quecksilber  bestimmt;  für  die  Bestimmung  des  Radius  der 
Capillaren  wurde  eine  Bunge'sche  Wage  benutzt,  mit  der 
bis  auf  Zehntelmilligramme  genau  gewogen  werden  konnte. 

Berechnung  der  Versuche.  Der  Durchfluss  fand 
nicht  bei  constantem  Drucke  statt;  die  Druckhöhe  änderte 
sich  in  beiden  Schenkeln;  es  ist  daher  die  Gleichung  zur 
Berechnung  der  Reibungsconstanten  zunächst  abzuleiten. 

Bezeichnet  p  die  Reibungsconstante,  B  den  Radius  der 
Capillaren,  /  die  Länge  derselben,  ä,  -  ht  die  Druckdifferenz 
an  den  Enden  der  Capillaren,  gemessen  durch  die  Höhe 
einer  Quecksilbersäule  von  0°;  dv  das  Volumen  des  in  dem 
Zeitelement  dt  durchfliessenden  Quecksilbers,  p  das  specifische 
Gewicht  des  Quecksilbers  bei  0°  und  g  die  Fallbeschleuni- 
gung, so  ist: 


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6 


S.  Koch. 


v  '  8  .    .  I 

Sind  </j  und  q2  die  Querschnitte  der  Röhren  an  den  Stellen, 
wo  die  Flüssigkeitsoberflächen  sich  zur  Zeit  t  befinden,  so 
ist  dv  =  —  q1dhl=q2dk2.  Bezeichnet  ferner  T  die  Durch- 
flusszeit für  das  Volumen  V  und  ist: 

Äj  m       und    h2  =  a2    zur  Zeit    *  =  0 
und  Aj  =  Cj    und    /t2  =  e2    zur  Zeit    t  =  T, 

so  folgt  aus  q2dh2=*  —  ft'/Aj  durch  Integration: 

Ä  m  SlS  +  ga    ~  ji 

Dadurch  geht  Gleichung  (I)  über  in: 

—  7,  an,  =  5  -.  » 

woraus  nach  Trennung  der  Variabelu  folgt: 

(II)  log  nat    ,  — ^  ,  =  ^fliffJg-f-f  . 

Für  ^  und  <p2  lassen  sich  noch  direct  gemessene  Grössen 
einführen.  Es  ist  nämlich:  ql  {^—ej  =  V  und  q2  (e2  —  a2)  —  V. 
Wenn  man  hieraus  q1  und  y2  bestimmt  und  in  (II)  einfuhrt, 
so  ergibt  sich: 

n.R*T.  j(at  -a2) -(<?,-*„)* 

(III)  «  =  - 


B.  V.l.  log  nat  (aJL^°?) 


Nun  macht  aber  noch  der  Umstand,  dass  das  durch- 
messende Quecksilber  eine  andere  Temperatur  hat,  als 
dasjenige  im  Gefässe  W,  eine  Correctur  nöthig.  In  der 
Theorie  bezeichnet  nämlich  V  das  Volumen  des  durch- 
messenden Quecksilbers;  dieses  ist  aber  nicht  direct  zu. 
beobachten,  sondern  es  ist  aus  dem  Volumen  des  Gefässes 
W  und  der  Durchflusstemperatur  zu  berechnen.  Bezeichnet 
Q  das  Gewicht  des  Quecksilbers,  das  bei  0°  von  dem  Gefasse 
W  gefasst  wird,  und  a  das  specifische  Gewicht  des  Queck- 
silbers bei  der  Durchflusstemperatur,  so  ist  für  V  einzufüh- 
ren Ql<r. 

Die  endgültige  Gleichung  zur  Bestimmung  von  fi  ist 

also : 


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5.  Koch. 


7 


8.?.J.lognat(^£^) 

Die  Dimensionen  des  Apparates  wurden,  so  weit 
es  die  Umstände  erlaubten,  innerhalb  möglichst  weiter  Gren- 
zen variirt.  Die  benutzten  Capillaren,  welche  einen  gleich- 
massigen  Querschnitt  besassen,  hatten  folgende  Radien: 
R1  =0,015  185  9 cm,  Ä2  =  0,010  831  2  cm;  R3  =  0,005  359  63 cm. 
Die  übrigen  Dimensionen  anzugeben,  wäre  zu  weitläufig,  da 
die  ganz  aus  Glas  gefertigten  Durchflussapparate  öfters  zer- 
sprangen und  bei  den  Reparaturen  die  Grössenverhältnisse 
wechselten.  So  war  z.  B.  die  Länge  der  Capillaren  R2  bei 
den  ersten  Versuchen,  welche  mit  derselben  angestellt  wur- 
den, /  =  33,98  cm;  nach  mehrmaliger  Reparatur  dieses  Appa- 
rates hatte  dieselbe  nur  noch  eine  Länge  von  29,9  cm.  Ich 
beschränke  mich  daher  darauf,  die  Grenzen  anzugeben,  zwi- 
schen welchen  die  übrigen  Versuchsbedingungen  variirten. 
Die  grösste  Länge  einer  Capillaren  betrug  41,8  cm,  die 
kleinste  20,98  cm;  die  grösste  Druckdifferenz  ax  —  a%  =  44,22  cm, 
die  kleinste  ex  —  e2  =  19,64  cm. 

Diese  Aenderungen  in  den  Dimensionen  genügten,  um 
die  in  der  Secunde  durchfliessende  Menge  des  Quecksilbers 
zwischen  sehr  weiten  Grenzen  variiren  zu  lassen.  So  betrug 
dieselbe  bei  dem  Versuche  Nr.  3,  Tab.  III  6,68  mg,  dagegen 
bei  Versuch  7,  Tab.  I  268  mg,  also  das  Vierzigfache. 

Ich  lasse  nun  die  vollständige  Angabe  aller  Daten  fol- 
gen, weiche  sich  auf  die  bei  340,1  angestellte  Versuchsreihe 
beziehen,  mit  Ausnahme  der  das  Luftthermometer  betref- 
fenden. 

Zimmertemperatur  16°;  Radius  der  Capillaren  0,00535963 
cm;  Länge  derselben  /=  20,98  cm;  ^=49,22  cm;  ^  =  45,75 
cm;  a2  =  5,0  cm;  e%  —  9,245  cm;  am  Schlüsse  der  Versuchs- 
reihe zur  Controle  a%  =  5,02,  e2  =  9,26.  Mittlere  Temperatur 
des  Quecksilbers  im  ersten  Schenkel:  tx  =  21  °;  im  zweiten 
Schenkel:  ^  =  22°,  im  Gefässe  fV:t=lS°7  Temperatur  des 
Thermostaten  nach  dem  Luftthermometer:  340,1°,  Gewicht 
des  Quecksilbers  im  Gefässe  W\  29,441  g  bei  13,5°;  Durch- 
Üusszeit:  41  Min.  45  See.  beim  ersten  und  41  Min.  39  See. 


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8 


S.  Koch. 


beim  zweiten  Versuch.    Daraus  ergibt  sich  al— a%  =  44,05; 
eY  -  et  «  86,367  cm  (auf  0°  reducirt).    T  =  2502  See. 
Diese  Daten  ergeben :  jUjao.i  =  0,008  975. 

Die  Resultate  der  Versuche  sind  in  folgenden  Ta- 
bellen zusammengestellt.  Jedes  Ergebniss  ist  das  Mittel  aus 
einer  Verruchsreihe  bei  derselben  Temperatur  oder  bei  Tem- 
peraturen, die  höchstens  um  2°  C.  ditferirten. 

Tabelle  I. 


Versuche  mit  der  Capillare  Rx  =  0,015  185  9  cm. 


t 

pt  beob. 

f*t  her- 

Fehler  in  % 

L 

-18,1 

0,01836 

0,01823 

+  0,78 

2. 

0 

1688 

1697 

-0,53 

3. 

16,7 

1575 

1592 

-1,07 

4. 

99 

1227 

1223 

+0,27 

5. 

124 

1171 

1152 

+  1,64 

6. 

237,8 
282 

986 

972 

+  1,43 

7. 

9499 

9411 

+  0,92 

Dass  in  höheren  Temperaturen  bei  dieser  Capillare  die 
beobachteten  Reibungsconstanten  stets  beträchtlich  zu  gross 
gefunden  wurden,  mag  daher  rühren,  dass  die  Capillare  im 
Vergleich  zum  Thermostaten  sehr  lang  war,  (nämlich  41,8  cm 
zu  46  cm)  sodass  die  Menge  des  vorgewärmten  Quecksilbers 
kaum  hinreichte. 


Tabelle  II. 

Versuche  mit  der  Capillare  JB2=  0,010  831  2  cm. 


t 

pt  beob. 

(jt  ber.  . 

Fehler  In  % 

L 

-21,4 

0,01868 

0,01847 

+  1,13 

2. 

0 

1698 

1697 

+  0,06 

3. 

9,2 

1631 

1640 

-0,56 

4. 

10,1 

1620 

1631 

-0,7 

5. 

12,5 

1599 

1618 

-1,18 

6. 

18,3 

1561 

1582 

-1,21 

7. 

98,8 

1228 

1224 

+  0,33 

8. 

99,1 

1225 

1222 

+  0,22 

9. 

154 

1092 

1090 

+0,24 

10. 

176,2 

1047 

1045 

+  0,14 

11. 

272 

9492 

9477 

+0,16 

12. 

314,7 

9183 

9172 

+0,19 

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S  Koch.  9 

Tabelle  HL 
Versuche  mit  der  Capillare  i?3  =  0,005  359  63  cm. 


t° 

ftt  beob. 

 1  

fit  ber. 

  — 

Fehler  in  % 

1. 

11,5 

0,01619 

0,01625 

-0,37 

2. 

12,8 

1605 

1615 

-0,66 

3. 

13,6 

1592 

1610 

—1,23 
+0,09 

4. 

196,7 

1018 

1017 

5. 

249 

9642 

9652 

-0,11 

6. 

262,5 

9615 

9543 

+0,71 

7. 

263 

9636 

9540 

+  1,00 

8. 

316 

9177 

9160 

+  0,19 

9. 

340,1 

8975 

9054 

-0,88 

Die  Resultate  der  Beobachtung  werden  durch  folgende 
Gleichung  dargestellt: 

Ht=  0,016  969  -  0,000066  052  5/ 
+  0,000  000  208  47  f  -  0,000  000  000  245  5 1 . 

Die  aus  dieser  Gleichung  berechneten  Werthe  von  tt 
sind  mit  den  aus  den  Versuchsdaten  berechneten  in  den  Ta- 
bellen zusammengestellt  und  verglichen.  Bei  der  grossen 
Zahl  der  zu  beobachtenden  Daten  erscheinen  die  Abwei- 
chungen, welche  sich  nie  auf  2°/0  belaufen,  nicht  über  Er- 
warten gross. 

Eine  Vergleichung  der  gefundenen  Grösse  mit  den 
früheren  Bestimmungen  der  Reibungsconstanten  ergibt  fol- 
gendes Resultat: 

E.  Warburg:  /jl17  =  0,01602.  Obige  Gleichung  pl7«  0,01591 
Villari:         «10  =  0,02977.       „  „        p10=  0,01633 

Die  Uebereinstimmung  der  beiden  ersten  Werthe  ist 
sehr  befriedigend,  die  Differenz  beträgt  nur  0,7  °/0-  Dagegen 
lässt  sich  der  aus  Villari' s  Versuchen  berechnete  Reibungs- 
cogfficient  mit  den  beiden  anderen  durchaus  nicht  in  Ein- 
klang bringen;  er  ist  fast  doppelt  so  gross  als  diese,  obgleich 
ich  diejenige  Versuchsreihe  Villari's  zu  Grunde  gelegt  habe, 
welche  die  kleinere  Reibungsconstante  ergibt,  nämlich  die- 
jenige, aus  welcher  p.  31  die  Poiseuille'sche  Constante  zu 
222.1,086  bestimmt  ist.  Die  Ursache  der  Abweichung  so- 
wohl in  der  absoluten  Grösse  des  von  ihm  bestimmten 
Werthes  von  p  als  auch  der  einzelnen  Versuchsreihen  unter 


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10  &  Koch. 

sich,  welche  sich  auf  über  23%  belauft,  ist  von  Villari 
selbst  theilweise  angedeutet.  Zunächst  standen  ihm  nicht 
Capillaren  von  constantem  Querschnitt  zu  Gebote;  die  von 
ihm  benutzten  waren  „wenig  calibrisch".1)  Dieser  Umstand 
ist  aber  von  der  grössten  Bedeutung,  da  die  Gleichung  zur 
Berechnung  der  Reibungsconstanten  die  vierte  Potenz  des 
Radius  enthält.  Sodann  erscheint  auch  die  Methode,  den 
Apparat  zu  reinigen,  ungenügend.  Der  gläserne  Theil  des- 
selben wurde  nämlich  so  lange  mit  Quecksilber  ausgespült, 
bis  dasselbe  mit  reiner,  glänzender  Oberfläche  ausfloss2); 
dieses  Kriterium  gibt  aber  durchaus  keine  Bürgschaft  für 
die  Reinheit  des  Quecksilbers  und  des  damit  gespülten  Appa- 
rates.3) Ferner  kann  der  Umstand  von  nachtheiligen  Folgen 
gewesen  sein,  dass  die  Capillare  eingekittet  war4),  da  das 
Einkitten  zu  sehr  erheblichen  Verunreinigungen  des  Appa- 
rates und  des  Quecksilbers  Veranlassung  geben  kann. 

Daher  ist  es  Villari  auch  nicht  gelungen,  das  Gesetz 
von  Poiseuille  durch  Aenderung  der  Versuchsbedingungen 
„en  bloc" 5)  zu  beweisen,  d.  h.  für  die  Constante  C  auch  wirk- 
lich einen  constanten  Werth  zu  erhalten,  was  doch  der  ein- 
zige vollgültige  Beweis  für  die  Richtigkeit  des  Gesetzes 
gewesen  wäre;  er  beweist  daher  die  einzelnen  Theile  des 
Gesetzes  („das  Gesetz  der  Längen,  des  Druckes,  der  Radien") 
durch  selbständige  Versuchsreihen,  deren  Mittelwerthe  immer 
noch  8°/0  voneinander  abweichen.6) 

Vergleichung  mit  anderen  Substanzen.  Für  eine 
grosse  Anzahl  von  Flüssigkeiten  ist  die  Reibungsconstante 
mit  Bezug  auf  ihre  Abhängigkeit  von  der  Temperatur  unter- 
sucht, meistens  allerdings  nur  innerhalb  ziemlich  enger  Grenzen. 
Wenn  man  nun  mit  diesen  Resultaten  das  Verhalten  des 
Quecksilbers  vergleicht,  so  ist  dasselbe  qualitativ  nicht  ver- 
schieden: die  Reibungsconstante  nimmt  mit  der  Temperatur 

1)  L  c  p.  7. 

2)  ibid. 

3)  Quincke,  Pogg.  Ann.  139.  p.  66.  1870. 

4)  1.  c.  p.  7. 

5)  1.  c.  p.  9. 

6)  1.  c.  p.  31. 


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&  Koch. 


11 


ab,  und  zwar  bei  niederen  Temperaturen  rascher  als  bei 
höheren;  allein  die  Grösse  dieser  Aenderung  ist  beim  Queck- 
silber relativ  sehr  klein.  Die  Zusammenstellung  der  für 
einige  Stoffe  gefundenen  Resultate  möge  dieses  zeigen. 

In  der  folgenden  Tabelle  steht  unter  A  der  Name  der 
Substanz,  unter  B  der  Name  des  Beobachters,  unter  C  das 
Temperaturintervall,  innerhalb  dessen  für  den  betreffenden 
Stoff  die  Beobachtung  ausgeführt  wurde;  unter  D  die  beob- 
achtete Abnahme  von  /x  in  diesem  Temperaturintervall,  und 
zwar  in  Procenten  des  kleineren  Werthes,  und  unter  E  die 
entsprechende  Aenderung  von  u  bei  Quecksilber  innerhalb 
desselben  Intervalles.  In  dieser  Tabelle  sind  ausser  Wasser 
und  Glycerin  nur  diejenigen  Stoffe  aufgenommen,  deren  Rei- 
bungsconstante  durch  die  Temperatur  am  wenigsten  beein- 
tlusst  wird. 


Tabelle  IV. 


B 

E 

■ 

Schöttuer 

2,8-25,6 

880% 

110 

1  1  i'O 

Wasser  .    .    ...    .  . 

Sprung 

0  —50 

220 

21 

Ameisensäureäthyläther 

Reilstab 

13,1  -47,5 

46 

13,6 

Methylalkohol     .    .  . 

11,5—42,5 

43 

12,5 

Essigsäuremethyläther  . 

13,7—40,1 

& 

11 

Aceton  

»» 

11,1—43 

14 

12,8 

Aethyläther  .... 

10,1—28 

2,2 

8,3 

Aldehyd  

n 

10  —20 

0 

5,2 

Aus  dieser  Zusammenstellung  ist  ersichtlich,  dass  fast 
alle  Substanzen  eine  grössere  Aenderung  der  Reibungscon- 
stanten  aufweisen,  als  das  Quecksilber;  Aceton  hat  eine 
ungefähr  ebenso  grosse,  Aethyläther  und  Aldehyd  eine  klei- 
nere. Dieser  letztere  Umstand  ist  auffallend;  es  ist  aber 
nicht  schwer,  die  Ursache  desselben  zu  erkennen.  Alle 
diejenigen  Stoffe  nämlich,  welche  eine  geringe  Aenderung 
von  fjL  zeigen,  sind  nur  in  einem  kleinen  Temperaturintervall 
untersucht,  welches  ganz  in  der  Nähe  des  Siedepunktes  der 
betreffenden  Substanz  liegt.  (Der  Siedepunkt  des  Acetons  ist 
56°,  des  Aethyläthers  34,45°,  des  Aldehyds  22°).  Nun  hat 
aber  bei  allen  Stoffen  in  der  Nähe  des  Siedepunktes  die 


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12  S.  Koch. 

Temperatur  den  geringsten  Einfluss  auf  die  Reibungscon- 
stante,  wie  ein  Blick  auf  die  betreffenden  Curven  lehrt.  Ver- 
gleicht man  das  Verhalten  des  Aethers  und  des  Aldehyds 
mit  demjenigen  des  Quecksilbers  bei  einer  solchen  Tempe- 
ratur, die  man  als  analog  ansehen  kann,  so  zeigt  sich  wieder, 
da8s  das  Quecksilber  wenigstens  keine  grössere  Aenderung 
der  Reibungsconstanten  erfährt,  als  diese  Stoffe.  In  dem 
Intervall  von  316  bis  340°  z.  B.  erniedrigt  sich  u  für  jeden 
Grad  nur  noch  um  0,09  °/0  (Aether  zwischen  10  und  28°  um 
0,12°/0),  und  der  Verlauf  der  Curve  für  Quecksilber  lässt  ver- 
muthen,  dass  in  dem  Intervall  von  350  bis  360°  eine  Aende- 
rung der  Reibungsconstanten  sich  ebenso  wenig  nachweisen 
Hesse,  wie  für  Aldehyd  zwischen  10  und  20°. 

Es  war  auch  von  Interesse,  zu  sehen,  ob  das  Queck- 
silber in  der  Nähe  des  Gefrierpunktes  und  des  Siedepunktes 
Unregelmässigkeiten  in  der  Aenderung  der  Reibungsconstan- 
ten zeige.  Innerhalb  derjenigen  Temperaturen,  zwischen 
welchen  ich  beobachtet  habe  (—21,4  und  340,1°)  habe  ich 
eine  Unstetigkeit  in  der  Curve,  welche  die  Abhängigkeit  der 
Reibungsconstanten  darstellt,  nicht  bemerken  können.  Leider 
vermochte  ich  nicht  dem  Gefrierpunkte  und  dem  Siedepunkte 
so  nahe  zu  kommen,  als  es  erwünscht  gewesen  wäre.  Bei 
den  niedrigen  Temperaturen  scheiterte  der  Versuch  daran, 
dass  es  mir  nicht  gelang,  hinlänglich  lange  Zeit  eine  con- 
stante  Temperatur  zu  erhalten,  welche  dem  Gefrierpunkte 
des  Quecksilbers  näher  gelegen  wäre  als  die  durch  Schnee 
und  Salz  erzeugte.  '  Bei  den  hohen  Temperaturen  hatte 
meine  Versuchsanordnung  einen  anderen  störenden  Umstand 
zur  Folge.  Der  Thermostat  hätte  zwar  leicht  gestattet, 
höhere  Temperaturen  zu  erzeugen  und  constant  zu  erhalten. 
Da  aber  das  Quecksilber  nach  jedem  einzelnen  Versuche  mit 
Hülfe  der  Luftpumpe  wieder  zurückgesaugt  wurde,  so  kam 
es  dabei  unter  niedrigeren  Druck  und  gerieth  in  ein  hefti- 
ges, für  den  zerbrechlichen  Durchflussapparat  öfters  verhäng- 
nissvolles Sieden. 

Physikal.  Inst.  d.  üniv.  Freiburg  i/Br.,  Juli  1881. 


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K  F.  Slotte. 


13 


IL  Veber  die  innere  Reibung  der  Lösungen  einiger 
Chromate;  van  K.  F.  Slotte. 


Untersuchungen  über  die  innere  Reibung  oder  die  Zähig- 
keit von  Salzlösungen  sind  in  neuester  Zeit  von  Hrn.  Sprung1) 
und  —  mit  Rücksicht  auf  die  Beziehungen  zwischen  der 
inneren  Reibung  und  dem  galvanischen  Leitungs vermögen  — 
von  Hrn.  Gr  o  tri  an2)  ausgeführt.  Durch  die  unten  beschrie- 
benen Versuche,  die  sich  hauptsächlich  an  die  Untersuchungen 
des  Hrn.  Sprung  anschliessen,  habe  ich  einen  kleinen  Bei- 
trag zur  Kenntniss  desselben  Gegenstandes  zu  liefern  ge- 
sucht. 

Die  Zähigkeiten  wurden  mittelst  der  Ausflussmethode 
bestimmt,  and  zwar  durch  Beobachten  der  Ausflusszeiten 
eines  bestimmten  Volumens  der  zu  untersuchenden  Flüssig- 
keiten bei  constantem  Druck.  Der  von  mir  benutzte  Apparat 
hatte  dieselbe  Einrichtung  wie  der  von  Hrn.  Sprung  ange- 
wandte. In  Bezug  auf  die  allgemeine  Anordnung  desselben 
verweise  ich  auf  die  Abhandlungen  des  Hrn.  G.  Wie  de  mann3) 
und  Hrn.  Sprung.4)  Ich  will  nur  noch  über  einzelne  Theile 
des  Apparates  Folgendes  mittheilen. 

Zur  Bestimmung  der  Temperatur  des  Wassers  im  Glas- 
kasten, in  dem  sich  das  Ausflussrohr  befand,  diente  ein  in 
Zehntelgrade  getheiltes,  justirtes  Thermometer.  Die  Kugel 
des  Thermometers  befand  sich  dicht  über  dem  mittleren 
Theile  des  Capillarrohres.  Die  Spritzflasche,  in  welcher  —  wie 
bei  Hrn.  Sprung  —  die  durchgegangene  Untersuchungs- 
flüssigkeit aufgefangen  wurde,  war  ebenfalls  mit  einem  Ther- 
mometer versehen,  sodass  die  Flüssigkeit  bei  einem  neuen 
Versuche  vor  dem  Füllen  des  Ausflussrohres  auf  die  erfor- 
derliche Temperatur  erwärmt  werden  konnte. 

Die  Erwärmung  des  das  Ausflussrohr  umgebenden  Wassers 

1)  Sprung,  Pogg.  Ann.  149.  p.  1.  1876. 

2)  Grotriau,  Pogg.  Ann.  157.  p.  130,  237.  1876;  160.  p.  238.  1877. 
Wied.  Ann.  8.  p.  529.  1879. 

3)  G.  Wiedein  an n,  Pogg.  Ann.  99.  p.  221.  1856. 

4)  Sprung,  Pogg.  Ann.  159.  p.  4.  1876. 


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14  KR  Statte. 

im  Kasten  wurde  durch  eine  Art  von  Wasserheizung  bewerk- 
stelligt. In  der  Nähe  des  Kastens  war  nämlich  ein  mit  Was- 
ser gefüllter,  durch  einen  Deckel  wasserdicht  verschlossener 
Kessel  aufgestellt,  der  mit  dem  Kasten  in  doppelter  Verbin- 
dung stand.  Der  obere  Theil  des  Kessels  communicirte  mit 
dem  Kasten  durch  einen  Kautschukschlauch,  der  in  eine 
nahe  dem  Boden  des  Kastens  befindliche,  mit  Hahn  ver- 
sehene Oeffnung  ausmündete,  während  eine  zweite  Röhren- 
leitung den  Deckel  des  Kessels  durchsetzte  und  nahe  am 
Boden  desselben  mündete.  Das  im  Kessel  erwärmte  Wasser 
strömte  bei  geöffnetem  Hahn  aus  dem  oberen  Theile  des 
Kessels  in  den  Kasten  hinein,  während  aus  dem  Kasten 
wieder  kälteres  Wasser  in  den  Kessel  zurückfloss. 

Zur  Bestimmung  der  Ausflusszeiten  benutzte  ich  eine 
mit  Arretirung  versehene  Secundenuhr. 

Die  Versuche  wurden  folgendermassen  ausgeführt.  Nach- 
dem das  Wasser  im  Glaskasten  und  die  zu  untersuchende, 
vorher  filtrirte  Flüssigkeit  in  der  Spritzflasche  auf  die  er- 
forderliche Temperatur  gebracht  waren,  wurde  das  Ausfluss- 
rohr nebst  der  Hohlkugel  mit  der  Flüssigkeit  gefüllt,  die 
Spritzflasche  wieder  an  die  Mündung  des  Ausflussrohres  ge- 
bracht und  das  Rohr  mit  dem  Apparate,  durch  welchen  der 
constante  Druck  erzeugt  wurde,  in  Verbindung  gesetzt.  Die 
Zeitpunkte,  in  welchen  die  Oberfläche  der  Flüssigkeit  im 
Ausflussrohre  die  beiden  darauf  angebrachten,  zu  einer  ge- 
nauen Bestimmung  des  ausgeflossenen  Volumens  dienenden 
Marken  passirte,  suchte  ich  immer  auf  Zehntelsecunden  zu 
schätzen.  Grössere  Ungleichförmigkeiten  in  der  Erwärmung 
des  Wassers  im  Kasten  wurden  durch  oft  wiederholtes  Um- 
rühren vermieden  und  die  Temperaturschwankungen  des 
Wassers  während  der  Dauer  eines  Versuches  sorgfältig  inner- 
halb der  Grenzen  von  höchstens  0,1°  unter  bis  0,1°  über 
dem  bestimmten  Temperaturpunkt  gehalten,  bei  welchem  die 
Ausflusszeit  zu  beobachten  war.  Mit  gleicher  Sorgfalt  habe 
•ich  auch  Druckänderungen  zu  vermeiden  gesucht. 

Zuerst  bestimmte  ich  die  Ausflusszeiten  von  destillirtem 
Wasser  bei  vier  Temperaturen.  Darauf  folgte  die  Unter- 
suchung der  Salzlösungen,  von  denen  auch  jede  bei  vier  Tem- 


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K.  F.  Slotte. 


15 


peraturen  durchgeleitet  wurde,  und  zwar  im  allgemeinen 
dreimal  bei  jeder  Temperatur. 

Sobald  die  Bestimmung  der  Ausflusszeiten  von  den  ver- 
schiedenen Concentrationen  einer  Salzlösung  abgeschlossen 
war  und  ein  neues  Salz  zur  Untersuchung  gelangen  sollte, 
wurde  jedesmal  destillirtes  Wasser  bei  einer  von  den  vier 
Temperaturen  durchgeleitet  und  die  Ausflusszeit  desselben 
beobachtet.  Diese  Ausflusszeiten  stimmten  immer  mit  den 
zuerst  gefundenen  Zahlen  für  Wasser  genau  überein  und 
zeigten  somit,  dass  der  Apparat  keine  Veränderungen  erlit- 
ten hatte. 

Die  specifischen  Gewichte  der  Lösungen  sind  alle  mit  dem 
Pyknometer  bestimmt  und  beziehen  sich  auf  Wasser  von  4°C. 

Die  Procentgehalte  (Gewi chtsth eile  Salz  auf  100  Ge- 
wichtstheile  Lösung)  habe  ich  durch  Analysen  ermittelt,  und 
zwar  folgendermassen.  Eine  mit  Salzsäure  und  Alkohol  ver- 
setzte, gewogene  Menge  der  Lösung  wurde  über  dem  Wasser- 
bade erwärmt,  bis  der  Aldehydgeruch  verschwunden  war, 
und  nach  Zusatz  von  Ammoniak  wieder  digerirt,  bis  die  Flüs- 
sigkeit über  dem  Niederschlage  ganz  farblos  war.  Darnach 
wurde  der  ausgewaschene  Niederschlag  im  Luft  bade  getrock- 
net, geglüht  und  als  Chromoxyd  gewogen. 

Jede  Lösung  wurde  zweimal  analysirt,  mit  Ausnahme  der 
Lösungen  von  saurem  Ammoniumchromat,  bei  welchen  die 
Concentration  nur  einen  unbedeutenden  Einfluss  auf  die 
Zähigkeit  ausübt.  Für  die  zweite  Concentration  des  sauren 
chromsauren  Kaliums  habe  ich  jedoch  nur  einen  von  den  aus 
den  Analysen  erhaltenen  Procentgehalt  benutzt,  nämlich  den- 
jenigen, der  mit  einem  nach  dem  specifischen  Gewichte  aus 
einer  Tabelle1)  berechneten  Procentgehalten  am  nächsten  über- 
einstimmt. Ebenso  habe  ich  für  die  erste  Concentration  des 
chromsauren  Magnesiums  nur  diejenige  von  den  gefundenen 
Procentzahlen  angewandt,  welche  am  nächsten  mit  dem  Ver- 
lauf der  Curve  übereinstimmt,  die  sich  mit  den  specifischen 
Gewichten  als  Abscissen  und  den  Mitteln  aus  den  durch  die 
Analysen  gefundenen  Procentgehalten  der  beiden  anderen 


1)  F.  Kohlrausch,  Leitfaden  der  prakt.  Physik,  p.  224.  1877. 


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16 


K.  F.  Slotte. 


Concentratiorien  als  Ordinaten  construiren  lässt.  In  der  fol- 
genden Tabelle  stelle  ich  die  Resultate  meiner  Analysen 
zusammen. 


Conc. 

K,Cr907 

O 

H 

o 

\i 

NasO04 

(NHJäCr207 

(NH4)aCr04 

MgCr04 

1.  |  2. 

1. 

2. 

3. 

1. 

2. 

3. 

1.     2.  3. 

1. 

2.  3. 

Gef.  | 
Proc.  1 

Mittel 

| 

4,69  6,97 
4,74  - 

4,71,6,97 

24,27 
24,25 

24,26 

5,83 
5,69 

5,76 

10,55 
10,69 

UM» 

14,68 
14,93 

14,81 

6,85 
6,85 

13,00 
13,00 

19,93 
19,93 

10,57  19,78  27,95 
10,4619,71,28,12 

10,5219,75  28,04 

12,31 
12,31 

21,94 
21,77 

21,86 

27,64 
27,78 

27,71 

Das  zu  den  Versuchen  benutzte  saure  Kaliumchromat 
wurde  vorher  umkrystallisirt,  ebenso  das  neutrale  Kalium- 
chromat. Dennoch  war  die  von  mir  benutzte  Lösung  dieses 
Salzes  wahrscheinlich  mit  einer  kleineren  Menge  fremder 
Substanzen  verunreinigt.  Denn  während  nach  einer  Tabelle 
von  Kremers1)  dem  gefundenen  specifischen  Gewichte  der 
Lösung  der  Procentgehalt  25,72  entsprechen  sollte,  betrug 
der  Gehalt  an  K2Cr04  in  der  Lösung  nach  zwei  von  mir 
ausgeführten,  gut  übereinstimmenden  Analysen  nur  24,26  Proc. 
Auch  sind  die  von  mir  gefundenen  Zähigkeiten  dieser  Lö- 
sung etwas  grösser  als  die  Zähigkeiten,  die  sich  durch 
graphische  Interpolation  aus  den  Beobachtungen  des  Hrn. 
Sprung  für  eine  KjCr04  -  Lösung  dieser  Concentration  er- 
geben. 

Das  saure  Ammoniumchromat  war  in  dem  chemischen 
Laboratorium  des  Hrn.  G.  Wiedemann  hergestellt  und 
wurde  ohne  Umkrystallisirung  zu  den  Versuchen  benutzt; 
ebenso  die  übrigen  Salze,  die  aus  der  chemischen  Fabrik  des 
Hrn.  Dr.  Schuchardt  in  Görlitz  bezogen  waren. 


Nach  der  Theorie  des  Hrn.  Hagenbach2)  ist  die  * 
Zähigkeit: 

1)  Kremers,  Pogg.  Ann.  96.  p.  63.  1855. 

2)  Hagenbach,  Pogg.  Ann.  109.  p.  358.  1860. 


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K  F.  Slotte.. 


17 


wo  P  das  Gewicht  der  Volumeneinheit  Wasser,  //  die  Höhe 
der  drückenden  Wassersäule,  t  die  Ausflusszeit  des  Volumens 
W,  r  den  Radius,  /  die  Länge  des  Capillarrohres,  s  das  spe- 
cifische  Gewicht  der  Flüssigkeit  und  y  die  Beschleunigung 
der  Schwerkraft  bedeutet. 

Durch  eine  einfache  Transformation  erhält  man  aus  (1): 


71 


8  Wl 
PHr* 


t  - 


W- .  * 


»'»fir.«**«  ' 


Wird  der  Ausdruck  auf  der  linken  Seite  mit  /'  bezeich- 
net und: 


A 


W2 


2  >glln*r* 


gesetzt,  so  ist: 


t'=t- 


A.* 


Bei  dem  von  mir  benutzten  Apparate  war  W—  27,067  ccm, 
/  =  31,7  cm,  r  =  0,029  cm,  //=  162,7  cm.  Wird  g  =  980,9  cm 
gesetzt,  so  erhält  man  A  =  520,17.  Zur  Berechnung  der 
den  Zähigkeiten  proportionalen  Zahlen  t'  hat  man  also: 


.  520,17.* 
t  =  t  1 


In  den  folgenden  Tabellen,  in  denen  die  Resultate  mei- 
ner Versuche  zusammengestellt  sind,  bedeutet  T  die  Tem- 
peratur in  Celsiusgraden,  t  die  Mittel  der  beobachteten  Aus- 
flusszeiten in  Secunden,  t'  die  nach  (2)  berechneten  Zahlen; 
z  ist  die  Zähigkeit,  wenn  die  des  Wassers  bei  10°  gleich  100 
gesetzt  wird  (also  gleich  100^  dividirt  durch  260,5);  p  ist 
das  Mittel  der  aus  den  Analysen  einer  Lösung  erhaltenen 
Procentgehalte,  und  s  ist  das  specifische  Gewicht. 

W  a  8  8  e  r. 


T 

Beobachtete  Ausflusszeiten 

/ 

? 

z 

10° 

262  263 

262  263 

262,5 

260,5 

100 

20 

203  202 

202,5  202,5 

202,5 

199,9 

76,7 

30 

163  163,5 

163,5  163 

163,3 

160,1 

61,5 

40 

135  135 

134,5       134,5  , 

134,8 

130,9 

50,2 

Ann.  d.  Phjs.  u.  Cbem.   N.  F.  XIV. 


2 


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18 


K.  F.  Slotte. 


Saures  chromsaures  Kalium.  e^^K^li 


p 

* 

s 

4,71 
1,0325  bei  11° 

6.97 

1,0493  bei  10,6° 

24,26 
1,2335  bei  18° 

T 

t  r 

j 

z 

*     |  f 

z 

t    i   t'  z 

10° 
20 
30 
40 

259,7 
201,3 
163,9 
136,9 

257,6 
198,6 
160,6 
138 

98,9 
76,2 
61,7 
51,1 

259  256,9 
203,1  200,4 
164,9  >  161,6 
138  134 

98,6 
76,9 
62 
51,4 

349,1     347,3  133,3 

279.7  277,4  106,5 
231,9    229,1  87,9 

196.8  193,5  74,3 

Neutrales  chromsaures  Natrium. 


p 

ß 

5,76 

1,0576  bei  17,4° 

10,62 
1,1125  bei  17,1° 

14,81 
1,1644  bei  20,7° 

T 

t 

t' 

z 

1 

t  t 

z 

t 

r 

z 

10° 
20 
30 
40 

306,5 
238,8 
192,6 
159,2 

304,7 
236,5 
189,7 
155,7 

117 

90,8 
72,8 
59,8 

368,6  367 
284,2  282,2 
228,2  225,7 
188,9  185,8 

140,9 
108,3 
86,6 
71,3 

454,5 
346,9 
277 
226,5 

453,2 
345,2 
274,8 
223,8 

174 

132,5 
105,5 
85,9 

Saures  chromsaures  Ammonium. 


V 
s 

6,85 
1,0393  bei  12° 

13,00 
1,0782  bei  10,5° 

19,93 
1,1258  bei  12° 

T 

t 

—  -  -   -  , 

£ 



z 

t 

«' 

z 

t 

t' 

z 

10° 
20 
30 
40 

259,8 
202,7 
166 
139,2 

257,7 
200 
162,7 
135,3 

98,9 
76,8 
62,5 
51,9 

260,3 
206 
169,7 
142,8 

258,1 
203,3 
166,4 
138,9 

99,1 
78 

63,9 
53,3 

264,3 
211,6 
176,2 
149,3 

262,1 
208,8 
172,9 
145,4 

100,6 
80,2 
66,4 

55,8 

Neutrales  chromsaures  Ammonium. 


p 

s 

10,52 
1,0633  bei  13° 

19,75 
1,1197  bei  13,7° 

28,04 
1,1727  bei  19,6° 

T 

t 

£ 

z 

t 

t' 

z 

t 

t' 

z 

10° 
20 
30 
40 

284 
224,5 

154,1 

282,1 
222 

150,5 

108,3 
85,2 

57,8 

315,1 
251 
208,2 
175,6 

313,3 
248,7 
205,4 
172,3 

120,3 
95,5 
78,8 
66,1 

361 

288,8 

240 

203,2 

359,3 
286,7 
237,5 
200,2 

137,9 
110,1 
91,2 
76,9 

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K.  F.  Slotte.  19 


Chromsaures  Magnesium. 


p 

9 

12,31 
1,0886  bei  13,6° 

21,86 
1,1641  bei  14,5° 

27,71 
1,217  bei  13,6° 

T 

t 

f 

z 

t 

t' 

z 

t 

f 

z 

10° 
20 
30 
40 

396,9  1  395,5 
302,4  1  300,5 
241,9  239,6 
198,2  195,3 

151,8 
115,4 

92 

75 

594,3 
446,5 
352,7 
285 

593,3 
445,1 
351 
282,9 

227,8 
170,9 
134,7 
108,6 

828,4 
614,8 
477,5 
380,8 

827,6 
613,8 
476,2 
379,1 

317,7 
235,6 
182,8 
145,5 

Aus  den  Untersuchungen  des  Hrn.  Sprung1)  ergibt  sich 
u.  ti.,  dass  die  „gleichconcentrirten  Lösungen  der  Salze,  welche 
die  Basen:  Kali,  Natron  und  Ammon  mit  den  Säuren: 
H2S04,  HCl,  HNOs,  HC108,  HBr,  HJ  bilden,  hinsichtlich 
ihrer  Zähigkeit  der  Ordnung  der  vorstehenden  Säuren  folgen, 
so  zwar,  dass  den  Sulfaten  die  grösste,  den  Jodiden  die  ge- 
ringste Zähigkeit  zukommt."  (Als  „gleichconcentrirte"  be- 
zeichnet Hr.Sprung  solche  Lösungen,  welche  gleiche  Grewichts- 
mengen  Salz  in  gleichen  Gewichtstheilen  der  Lösung  ent- 
halten.) Dass  auch  die  (neutralen)  Salze,  welche  die  oben 
genannten  Basen  mit  der  Chromsäure  bilden,  sich  in  diese 
Reihe  einordnen  lassen,  ist  aus  der  folgenden  Tabelle  er- 
sichtlich. Die  Zahlen  in  dieser  Tabelle  sind  die  Zähigkeiten 
von  Lösungen  der  Salze,  deren  Namen  über  den  verticalen 
Reihen  stehen,  wenn  die  Zähigkeit  des  Wassers  bei  10° 
gleich  100°  gesetzt  wird.  Die  Zähigkeiten  der  Lösungen  von 
NagCrC^  und  (NH4)2Cr04  sind  aus  den  vorstehenden  Ta- 
bellen genommen,  die  übrigen  durch  graphische  Interpolation 
und  Reduction  auf  Wasser  von  10°  aus  Hrn.  Sprung's 
Beobachtungen  erhalten. 


Procentgehalt 

Temp. 

K2S04 

KjCrO, 

KCl 

9,77 

f  10° 

\  30° 

110,9 
71,1 

106,3 
68 

96,2 
62,7 

Na.2S04 

Na^CK^ 

NaCl 

5,76 

10° 

117,3 

117 

108,4 
75,8 

10,62 

30° 

88,4 

86,6 

(NHJ,S04 

(NH4)aCr04 

NH4C1 

19,75 

/  10° 

137,7 

120,3 
78,8 

91,6 

1  30° 

88,8 

63,8 

1)  Sprung,  Pogg.  Ann.  159.  p.  27.  1876. 

2* 


20 


K.  F.  Slotte. 


Aus  dieser  Zusammenstellung  gebt  hervor,  dass  die 
Chromsäure  zwischen  der  Schwefelsäure  und  der 
Salzsäure  in  der  oben  genannten  Reihe  Platz  findet. 
Die  beiden  zweibasischen  Säuren  stehen  also  in  der  Reihe 
vor  den  einbasischen. 

Aus  den  Beobachtungen  des  Hrn.  Sprung1)  folgt  weiter, 
dass  von  den  gleichconcentrirten  Lösungen  der  Salze,  welche 
die  oben  genannten  einbasischen  Säuren  mit  den  Basen 
NaOH,  KOH,  NH4OH  bilden,  die  Lösungen  der  Natriumsalze 
die  grösste,  die  der  Ammoniumsalze  die  geringste  Zähigkeit  be- 
sitzen. Die  Lösungen  der  Salze,  welche  die  genannten  Basen 
mit  der  Schwefelsäure  bilden,  folgen  in  dieser  Hinsicht  einer 
anderen  Ordnung.  Zwar  besitzen  auch  unter  ihnen  die  Lö- 
sungen des  Natriumsalzes  grössere  Zähigkeit  als  gleichcon- 
centrirte  Lösungen  des  Kalium-  oder  Ammoniumsalzes;  aber 
die  Zähigkeit  einer  Lösung  von  K2S04  ist  kleiner  als  die 
einer  (NH4)2S04 -Lösung  derselben  Concentration.  —  Auch 
unter  den  Lösungen  der  entsprechenden  Chromate  kommt 
denen  des  Natriumsalzes  —  wie  aus  den  obigen  Tabellen 
leicht  zu  ersehen  ist  —  die  grösste  Zähigkeit  zu.  Um  zu 
entscheiden,  welcher  Ordnung  die  beiden  anderen  Chromate 
in  dieser  Hinsicht  untereinander  folgen,  habe  ich  in  der 
untenstehenden  Tabelle  meine  Beobachtungen  für  (NH4)2Cr04 
mit  denen  von  Hrn.  Sprung  für  K2Cr04  in  ähnlicher  Weise 
wie  oben  verglichen. 


Die  Zähigkeit  einer  Lösung  von  (NH4)2Cr04  wäre  somit 
—  wenigstens  bei  niedrigeren  Temperaturen  —  grösser  als 
die  einer  K2Cr04- Lösung  derselben  Concentration,  und  die 
Salze,  welche  die  oben  genannten  drei  Basen  mit  der  Chrom- 
säure bilden,  würden  demnach  hinsichtlich  der  Zähigkeit 
derselben  Ordnung  folgen  wie  die  entsprechenden  Sulfate. 


(NH4)4Cr04  K,CiO< 


120,3  116,8 

78,8  77,9 

06.1  6ö,7 
137,9  133,1 

91.2  90,5 


28,04 


1)  L  c. 


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K.  F  Slotte. 


21 


Benutze  ich  meine  eigenen  Beobachtungen  für  KjCr04,  so 
wird  jedoch  das  Resultat  ein  anderes.  Denn  die  Zähigkeit 
der  von  mir  untersuchten  K2Cr04- Lösung  —  die  doch,  wie 
schon  oben  erwähnt  ist,  wahrscheinlich  eine  den  Ausfluss 
verzögernde  Menge  fremder  Substanzen  enthielt  —  ist  um 
ein  geringes  grösser  als  die  einer  gleichconcentrirten  Lösung 
von  (NH4)2Cr04. 

In  Bezug  auf  die  von  mir  untersuchten  sauren  Chro- 
mate will  ich  nur  hervorheben,  dass  die  Zähigkeiten  von  Lö- 
sungen dieser  Salze  sehr  wenig  von  der  des  Wassers  abzu- 
weichen scheinen,  selbst  wenn  die  Procentgehalte  der  Lö- 
sungen beträchtlich  sind,  wie  es  z.  B.  bei  der  stärksten 
Concentration  von  (NH4)2Cr207  der  Fall  ist 

Da  der  Einfluss  der  Temperatur  bei  allen  Untersuchungen 
über  Flüssigkeitsreibung  von  grosser  Bedeutung  ist,  erlaube 
ich  mir  zuletzt  eine  empirische  Formel  mitzutheilen ,  durch 
welche  die  Beziehung  zwischen  der  Zähigkeit  und  der  Tem- 
peratur bei  Wasser  und  vielleicht  auch  bei  einigen  anderen 
Flüssigkeiten  dargestellt  werden  kann.  Wenn  nämlich  mit 
t  die  Temperatur,  mit  z  die  Zähigkeit,  mit  a,  b  und  c  drei 
Constanten  bezeichnet  werden,  so  scheint  eine  Gleichung 
folgender  Form :  (t  +  a){*  +  b)-e 
wenigstens  für  Wasser  angenähert  zu  gelten.  Es  wäre  somit: 

c  * 
z  —  —  o . 

t  -f  a 

Mit  Benutzung  der  Beobachtungen  von  Hrn.  Sprung, 
die  ein  weites  Temperaturgebiet  umfassen,  finde  ich,  wenn 
die  Zähigkeiten  durch  die  corrigirten  Ausflusszeiten  t'  aus- 
gedrückt werden,  für  Wasser: 

21591  ßß 
7+  80,t 

und  für  eine  23,37-procentige  Lösung  von  Chlorammonium: 

29300       ßQ  „ 

'  =  JTW  -63'3* 

Die  ursprünglich  aus  drei  Beobachtungen  bestimmten 
Constanten  sind  nachher  mit  Hülfe  der  übrigen  Beobach- 
tungen corrigirt. 


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22 


K  F.  Slotk. 


Die  Ueberein6timmung  der  beobachteten  und  der  aus 
diesen  Formeln  berechneten  Zahlen  kann  aus  der  folgenden 
Zusammenstellung  beurtheilt  werden. 


Temp. 

Wasser 

Chlorammonium 

Beobachtet 

Berechnet 

Beobachtet 

Berechnet 

0° 

649,2 

651,3 

539,4 

539,6 

5 

551,3 

549,1 
472,4 

487,9 

483,3 

10 

475 

437,9 

436,7 

15 

414,5 

412,7 

397,4 

397,4 

20 

365 

365 

365,2 

363,8 

25 

327,6 

325,9 

336,9 

334,8 

30 

293,05 
264,6 

293,3 

309,4 

309,5 

35 

265,7 

40 

240,75 

242 

266,2 

267,4 

45 

220,5 

221,5 

50 

202,8 
173,7 

203,6 

234,1 

233,9 

60 

173,6 

206,5 

206,5 

Bei  einigen  anderen  Salzlösungen  und  einigen  von  Hrn. 
Reil stab1)  untersuchten  Alkoholen  habe  ich  die  Zähigkeiten 
durch  eine  Gleichung  obiger  Form  zwar  angenähert,  aber 
weniger  genau  ausgedrückt  gefunden.  Für  andere  Flüssig- 
keiten als  die  genannten  habe  ich  die  Formel  noch  nicht 
geprüft. 

Zur  Berechnung  der  Zähigkeit  aus  der  Temperatur 
dürfte  eine  Gleichung  dieser  Form  vielleicht  bequemer  sein 
als  die  bekannte  quadratische  Formel  von  Poiseuille. 


Sei  es  mir  schliesslich  gestattet,  den  Herren  Prof. 
G.  Wiedemann  und  Prof.  E.  Wiedemann  für  die  gütige 
Unterstützung  und  Anregung,  die  sie  mir  sowohl  bei  dieser 
als  auch  bei  anderen  Arbeiten  haben  zu  Theil  werden  lassen, 
meinen  aufrichtigen  Dank  auszusprechen. 

Phys.-chem.  Laborat.  d.  Univ.  Leipzig. 
1)  Rellstab,  Ueber  Transpirat,  homol.  Flüssigk.  Bonn  1868. 


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O.  Christiansen. 


23 


III.   Einige  Versuche  über  die  Wärmeleitung; 

von  C.  Christiansen. 


I  Theorie. 

In  den  letzteren  Jahren  haben  viele  Physiker  das  Wärme- 
leitungsvermögen zu  bestimmen  gesucht,  und  es  liegt  jetzt 
eine  ganze  Keihe  Arbeiten  darüber  vor.  Ohne  mich  auf 
eine  Kritik  derselben  einzulassen,  will  ich  nur  bemerken, 
dass  nicht  nur  die  angewandten  Methoden,  sondern  auch  die 
gewonnenen  Resultate  sehr  voneinander  abweichen.  Nur  in 
sehr  wenigen  Fällen  kennt  man  das  absolute  Leitungsver- 
mögen der  Körper,  und  selbst  über  das  relative  kann  man 
in  vielen  Fällen  Zweifel  hegen.  Dies  beruht  in  der  Haupt- 
sache darauf,  dass  man  durch  die  Versuche  eine  Grösse  be- 
stimmt, die  ausser  dem  Leitungsvermögen  zugleich  das  spe- 
cifische  Gewicht  und  die  specifische  Wärme  enthält. 

Als  ich  von  dem  „Carlsb erger fond"  eine  Unterstützung 
zur  Untersuchung  der  Brechung  des  Lichtes  in  stark  gefärb- 
ten Körpern  erhalten  hatte,  bemühte  ich  mich  gleichzeitig, 
andere  physikalische  Constanten  dieser  Stoffe  zu  bestimmen. 
Besonders  suchte  ich  eine  Methode  auf,  durch  welche  das  rela- 
tive Leitungsvermögen  für  Wärme  auf  eine  einigermassen 
einfache  und  doch  genaue  Weise  gefunden  werden  konnte 

Drei  runde  Kupferplatten  I  II  III  (Taf.  I  Fig.  4)  waren 
durch  ganz  kleine  Glasstückchen  voneinander  getrennt.  Ihre 
Dimensionen  und  Gewichte  waren  folgende: 

i        n  in 

Durchmesser   .     13,13        13,13  13,13 
Dicke  ....      0,9  0,9  0,9 

Gewicht  .    .    .    975  g        994  g  991g 

In  die  cylindrische  Seitenfläche  jeder  Platte  war  ein 
Loch  gebohrt,  in  welches  besonders  dazu  verfertigte  Thermo- 
meter eingesetzt  wurden,  welche  von  —10  bis  +50°  gingen 
und  in  Fünftelgrade  getheilt  waren.  Zwischen  dem  Be- 
hälter und  dem  ersten  Theilstriche  lagen  ungefähr  10  cm,  so- 
dass der  Behälter  beliebig  weit  in  das  Loch  hineingebracht 
werden  konnte.  Die  Platten  I  und  II  waren  ausserdem  durch- 


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bohrt,  die  Bohrungen  konnten  mit  Kupferpfropfen  geschlos- 
sen werden.  Durch  diese  Löcher  konnte  der  Zwischenraum 
zwischen  den  Platten  mit  einer  Flüssigkeit  gefüllt  werden, 
ganz  wie  in  den  Versuchen  des  Hrn.  H.  F.  Weber.1) 

A  und  B  sind  Messinggefässe,  A  wird  durch  einen  Strom 
kalten  Wassers  abgekühlt.  Durch  B  wird  ein  Strom  war- 
men Wassers  geleitet.  —  Nach  Verlauf  einiger  Minuten 
kommt  der  ganze  Apparat  in  Wärmegleichgewicht.  Nennt 
man  die  Temperatur  der  Platten  I,  II,  III  resp.  Tv  T2,  T31 
die  Leitungsfähigkeit  des  Körpers,  der  den  obersten  Zwischen- 
raum füllt,  Kv  die  Leitungsfähigkeit  des  Körpers,  der  den 
untersten  füllt,  Kv  die  Entfernungen  der  Platten  ex  und  e2, 
ihre  Grundfläche  S,  so  ist  die  Wärmemenge,  welche  in  einer 
Minute  von  I  nach  II  fliesst: 


die,  welche  von  II  nach  III  fliesst: 

Wenn  die  äussere  Wärmeleitung  verschwindend  ist,  hat  man : 

Werden  schlechte  Wärmeleiter  untersucht,  so  wird  diese 
Formel  in  der  Regel  benutzt  werden  können.  Die  Methode 
ist  so  einfach  und  sicher,  dass  sie  zu  technischen  Unter- 
suchungen gebraucht  werden  kann,  wo  es  gilt,  die  Leitungs- 
fähigkeit verschiedener  Sorten  Papier,  Tuch,  Fell  u.  s.  w.  zu 
vergleichen. 

Bisweilen  wird  eine  Berichtigung  nothwendig,  da  die 
Temperatur  der  Kupferplatten  als  constant  vorausgesetzt  ist, 
was  nur  richtig  ist,  wenn  die  Zwischenräume  mit  sehr 
schlechten  Leitern  erfüllt  sind.  Ist  die  Temperatur  in  der 
obersten  Fläche  der  obersten  Kupferplatte  gleich  in  der 
untersten  x,  in  den  zwei  anderen  y  und  y',  z  und  z',  die 
Dicke  der  Kupferplatten  e0  und  ihre  Leitungsfähigkeit  K0, 
so  hat  man: 


1)  H.  F.  Weber,  Wied.  Ann.  10.  p.  103.  1880. 


• 


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C.  Christiansen.  25 
2    '        ^2—2'  3~~     2  ' 

also  ist:  x  —  x  =^  y  —  y  —  z  —  z  =  8. 

Obenstehende  Gleichung  kann  deshalb  geschrieben  werden: 

rr    (5  2\  —  T2  —  5  T2  —  7  j  —  <5 

Äo7=Äi   ,  =  Ä2  —  ~  

Mit  hinreichender  Genauigkeit  ist: 

(2)  *=§ 

Um  #  zu  bestimmen,  muss  man  zwar  das  Verhältniss 
Ky  / K0  kennen,  es  genügt  aber,  wenn  dasselbe  annähernd 
gegeben  ist. 

Ist  die  Leitungsfähigkeit  eine  Function  von  der  Tem- 
peratur, so  genügen  diese  Formeln  nicht  vollständig.  Unter 
der  Annahme,  dass  ihr  die  Form: 

(3)  K=k(l  +  au) 

gegeben  werden  kann,  wo  k  und  a  Constanten  sind  und  u  die 
Temperatur,  kann  man  leicht  ihren  Einfluss  berechnen.  Die 
Wärmemenge,  die  durch  eine  horizontale  Ebene  im  Ap- 
parat geht,  ist  constant,  man  kann  also  setzen: 

-*(!  +  ««)£-<?. 

wo  dx  ein  Element  einer  verticalen  Linie  ist;  daraus  folgt: 

-Ä(M  +  Jaw2)  =  Cx  +  C", 

wo  C  eine  neue  Constante  ist  Ist  nun  für  x  =  0,  u  =  Tv 
für  x  =  e,  u  =  T2,  so  wird: 

(4)  C=ä(i  +  «£±^)^. 

Ist  die  äussere  Wärmeleitungsfähigkeit  für  die  Kupfer- 
platten hj  die  Oberfläche  der  cylindrischen  Fläche  Ay  die 
Temperatur  der  Luft  T0,  dann  ist  die  an  die  Luft  in  der 
Minute  abgegebene  Wärmemenge: 

hA(T2-T0) 

und  die  vollständige  Gleichgewichtsbedingung: 


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26  C.  Christiansen. 

Sk, (l  +  5 ±5  «,)  5^  -         +  ^* «J  -?      =  hA{T2-7 

K1_eLTi-TJ.      Ahe,  Tt- T0\  , 
jt2  -  *4  2\  -  rs  l1  +  SJT8  Tt-  rj 

wo  Äi  die  Leitungsfähigkeit  bei  der  Temperatur  T2) 
und  Ä*2  dieselbe  Grösse  bei  der  Temperatur  |(Ts-fT3)  ist. 
Um  den  Einfluss  der  Umgebung  zu  vermindern,  müssen 
die  mittleren  Schichten  so  dünn  als  möglich  gemacht  und 
die  mittelste  Platte  beinahe  auf  der  Temperatur  der  um- 
gebenden Luft  gehalten  werden. 

Bei  diesem  Verfahren  beabsichtigt  man  hauptsächlich 
nur  die  relative  Leitungsfähigkeit  zu  finden;  man  erhält  aber 
auch  die  absolute,  wenn  man  den  variablen  Zustand  hinzu- 
zieht. Betrachtet  man  eine  Schicht  von  der  Dicke  dx,  von 
der  Wärmeleitungsfähigkeit  ä,  dem  spe einsehen  Gewicht  clf 
der  speeifischen  Wärme  c,  ist  die  Temperatur  der  einen 
Grenzfläche  m,  die  der  anderen  u  +  dujdx  .dx,  so  sind  die  in 
die  Schicht  eintretenden  und  austretenden  Wärmemengen  in  der 
Zeit  dt,  resp.  —  kS  dujdx. dt  und  —  kS(duldx+d2u/dx2.dx)dt. 
Die  Schicht  empfängt  also  eine  Wärmemenge: 

Steigt  die  Temperatur  in  derselben  Zeit  um  du,  dann  ist 
dieselbe  Wärmemenge  gleich  cgSdudx,  und  man  hat  die 
Gleichung:  ^ 

Sie  wird  erfüllt  durch  u  =  c,  u  =  cx  und  durch: 

(7)  W=  ae-9itsm(xl(p  +  q);       *  =  j/^- 

Die  Aufgabe  kann  leicht  gelöst  werden,  wenn  die  Tem- 
peratur der  Platten  I  und  III  constant  angenommen  wird. 
Für  die  Schicht  zwischen  I  und  II  kann  man  setzen: 

Mj .  tx -  *  +  2a  «T^'sin  (s^y  +  ft). 

Für  die  Schicht  zwischen  II  und  III: 


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C.  Christiansen. 


27 


wo  x  positiv  abwärts,  y  positiv  aufwärts  gerechnet  wird. 
Unter  obiger  Annahme  wird: 

Ausserdem  muss      für  x=^e1  gleich      für  y  =  e2  sein,  des- 
halb :  a  sin  t,  kl  <p  —  b  sin  e2  . 
Ist  die  Temperatur  der  mittleren  Kupferplatte  0,  ihre  Dicke 
e0,  ihr  spec.  Gewicht  und  ihre  spec.  Wärme  g  und  c,  so 
empfangt  sie  eine  Wärmemenge: 

-ky8d£dt-kt8*%dt, 

wo  x  =  el  und  y  —  e2  zu  setzen  ist,  von  welcher  ein  Theil 
cge0Sdö  die  Platte  erwärmt,  ein  anderer  hA(d-T0)dt  an 
die  Luft  abgegeben  wird,  und  man  hat: 

Nun  ist  zugleich: 

0  =  T,  +  JPae'^'ffllie,  A,  cp, 
Hieraus  ergibt  sich: 

kx  Xx  cos  e1X1(p  sine2l2(f>  +    ^  sin  ^  Ax  <p  cos  <>2  ^  qp 

=  ^cp  e0  —     , J    sin  *j  Xj  qp  sin  e%  Aa  qp. 

Wird  =  e2  angenommen  und  werden  die  beiden  Zwischen- 
räume mit  demselben  Körper  gefüllt,  so  reducirt  sich  die 
Gleichung  auf: 

S  kx  c  q  e9  \ex  Aj  q>  I 

Bestimmt  man  jetzt  cp  durch  Beobachtung  von  6  und 
setzt  den  gefundenen  Werth  in  obige  Gleichung  ein,  so  kann 
man  X  und  dadurch  k  finden,  wie  es  schon  Weber  ge- 
than  hat. 

2.   Wärmeleitung  der  Luft. 

Auf  die  beschriebene  Weise  kann  man  zwar  die  Wärme- 
leitung der  Luft  untersuchen  und  namentlich  das  Leitungsver- 
mögen verschiedener  Luftarten  vergleichen.  Da  aber  darüber 
schon  viele  Bestimmungen  vorliegen,  so  werde  ich  hier  nur 
einige  Versuche  über  die  Abhängigkeit  des  Wärmeleitungs- 
Yermögens  von  der  Temperatur  mittheilen. 


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28 


C.  Christiansen. 


Bei  diesen  Versuchen  wurden  beide  Zwischenräume  gleich 
dick  gemacht. 

Tabelle  L 

Beide  Zwischenräume  mit  Luft  gefüllt,  e.  =  eq  =  0,0214  cm. 


— _ — 
a. 

T0  -  10,6° 

D. 

T0  =  12,0° 

- 

c. 

T0  =  13,0° 

T, 

T% 

T* 

Ti 

T% 

Tx 

T, 

Ts 

Im 

19,8° 

13,0° 

6,4° 

33,6° 

20,5° 

7,3° 

48,4° 

28,75° 

8,35° 

3 

19,55 

13,0 

6,4 

33,5 

20,5 

7,3 

48,8 

28,7 

8,4 

5 

19,4 

12,9 

6,4 

33,9 

20,6 

48,8 

28,8 

8,35 

7 

19,4 

12,8 

6,3 

33,75 

20,6 

7,8 

48,8 

28,8 

8,4 

9 

19,6 

12,8 

6,2 

33,9 

20,6 

7,3 

48,45 

28,8 

8,4 

11 

19,6 

12,85 

6,15 

33,7 

20,65 

7,2 

48,9 

28,75 

8,4 

13 

19,4 

12,8 

6,15 

33,8 

20,6 

7,2 

48,6 

28,8 

8,4 

Mittel 

19,54 

12,88 

6,29 

33,73 

20,58 

7,27 

48,68 

28,77 

8,39 

Tabelle  EL 

Beide  Zwischenräume  mit  Luft  gefüllt.  ex  =  e%  =  0,0754  cm. 


T0  =  11,8° 

T0  =  13,9° 

T, 

Tx 

T% 

Ts 

0m 

25,8° 

15,6° 

5,4° 

47,6° 

26,6° 

5,25° 

3 

25,8 

15,6 

5,4 

48,0 

26,6 

5,2 

6 

26,15 

15,65 

5,45 

47,6 

26,6 

5,2 

9 

26,0 

15,7 

5,5 

47,6 

26,6 

5,2 

12 

25,8 

15,75 

5,5 

47,8 

26,6 

5,2 

15 

25,6 

15,65 

5,4 

47,6 

26,6 

5,2 

18 

47,6 

26,6 

5,2 

Mittel 

25,86 

15,66 

5,44 

47,69 

26,60 

5,21 

Wäre  das  Wärmeleitungsvermögen  von  der  Temperatur 
unabhängig,  so  müssten  TY—  T2  und  T2  —  T3  gleich  sein; 
dass  dies  aber  nicht  der  Fall  ist,  zeigt  die  folgende  Zusam- 
menstellung der  Resultate. 

Tabelle  HL 


I» 

Ic 
II» 


T 

Tt 

Tx-T% 

T,-T3 

8 

5 

d' 

10,6° 

12,0 

13,0 

11,8 

13,9 

-i 

12,9° 

20,6 

28,8 

15,7 

26,6 

6,66° 
13,15 
19,91 
10,20 
21,09 

6,59° 
13,31 
20,38 
10,22 
21,39 

6,6° 
13,2 
20,1 
10,2 
21,2 

+  0,07° 

-0,16 

-0,47 

-0,02 

-0,30 

-0,05° 

-0,19 

-0,46 

-0,04 

-0,30 

Dass  (2^-  T2)  -  (T2-  T3)  =  S  mit  wachsender  Tempe- 
ratur abnimmt,  beweist,  dass  das  Leitungs vermögen  mit  der 


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C.  Christiansen. 


29 


Temperatur  zunimmt.  Setzen  wir  nämlich  in  (5)  K^K^K, 
ai  =  a2  =  a  und  J  T2)  +  | (T2- T3)  -  5,  so  nimmt  sie 
die  Form  an: 

Weil  die  rechte  Seite  der  Gleichung  positiv  ist,  muss, 
wenn  wie  hier  S  negativ  ist,  a  positiv  sein.  Durch  diese 
Formel  lassen  sich  die  Versuche  berechnen,  wenn  man: 

a  =  0,001504,      ^  =  0,3931 ,       j  =  1,43. 

setzt.  Es  sind  unter  b'  die  Werthe  von  8  angegeben,  die 
man  mit  diesen  Coefficienten  erhält;  die  Uebereinstimmung 
ist,  wie  man  sieht,  sehr  befriedigend.  Der  hier  gefundene 
Werth  von  a  ist  bedeutend  kleiner  als  der  von  Winkel- 
mann1) gegebene;  und  die  Sache  bedarf  wohl  einer  näheren 
Untersuchung,  besonders  mit  Rücksicht  auf  die  Wärme,  die 
durch  Strahlung  von  der  einen  zur  anderen  Platte  geht. 

III.   Wärmeleitung  der  Flüssigkeiten. 

Um  die  Anwendbarkeit  der  Methode  auf  Flüssigkeiten 
zu  prüfen,  habe  ich  das  Verhältniss  des  Wärmeleitungs Ver- 
mögens der  Luft  zu  denen  einiger  Flüssigkeiten  zu  bestimmen 
gesucht.  Der  obere  Zwischenraum  war  mit  Luft,  der  untere  mit 
der  Flüssigkeit  gefüllt.  Es  war  e1==  0,0214cm,  e2=  0,1909cm. 

Tabelle  HL 


a.  Luft  und 

b.  Luft  und 

c.  Luft  und 

d.  Luft  und 

Wasser 

Wasser 

Weingeist 

Glycerin 

=  13,4° 

=  13,9° 

To 

=  14,2° 

T0 

=  16,4° 

Tt 

T 

T 

T> 

T> 

Tx 

T, 

r. 

Zi 

T% 

0m 

28,6° 

14,8« 

8,7° 

45,7° 

20,8°  10,4° 

30,2° 

19,6° 

7,8°i 

1 31,2° 

16,8° 

6,6° 

2 

29,4 

14,65,8,5 

45,8 

21,0 

10,55 

29,8 

19,6 

7,75' 

31,1 

16,8 

6,6 

4 

30,0 

14,8 

8,4 

145,9521,15  10,6 

30,0 

19,6 

7,6 

31,0 

16,7 

6,4 

6 

29,8 

14,8 

8,45 

46,0 

21,2 

10,55 

30,4 

19,65 

7,6 

31,35 

16,65 

6,35 

8 

30,5 

14,9 

8,5 

46,05  21,2 

10,4  1 

30,2 

19,7 

7,6 

31,3 

16,65 

6,4 

10 

30,2 

15,0 

8,5 

46,0 

21,15  10,4 

31,2 

16,65  6,4 

12 

20,2 

14,9 

8,5 

1 46,0 

21,1 

10,4 

1 31,15 

16,6 

6,4 

Mittel 

29,81 

14,84 

8,51 

]  45,93  21,09  10,47 

30,12 

19,63 

7,67 

31,20 

16,69  6,45 

l)  Winkelmann,  Pogg.  Ann.  157.  p.  514.  u.  159.  p.  177.  1876. 


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30  C.  Christiansen. 


e.  Luft  und 

f.  Luft  und 

g.  Luft  und 

h.  Luft  und 

Glyceriu 

Olivenöl 

Olivenöl 

Citronenöl 

V 

=  16,4° 

To 

=  17,8° 

T0 

=  18,2° 

To 

=  19,0° 

T 

Ts 

Tx 

*. 

T* 

gy 

Tt 

T% 

T3 

Om 

4ß  4° 

23,6° 

7,4° 

;  32,8° 

21,3° 

6,4° 

i  48,4° 

30,6° 

6,75° 

31,75° 

20,5° 

5,65° 

2 

45,9 

23,55 

7,4 

'32,6 

21,3 

6,3 

|48,5 

30,65  6,75 

31,6 

20,6 

5,6 

4 

46,0 

23,5 

7,35 

32,2 

21,2 

6,2 

48,3 

30,6 

6,75 

31,7 

20,65  5,6 

A 
D 

46,2 

23,45,7,35 

32,4 

21,1 

6,2 

48,5 

30,6 

6,75 

31,85 

20,8 

5,6 

8 

46,1 

23,5 

7,35 

32,8 

21,2 

6,15 

48,4 

30,65 

6,75 

31,45 

20,75 

5,6 

10 

46,2 

23,6 

7,4 

!32,6 

21,2 

6,1 

48,7 

30,7 

6,75 

31,65 

20,75  5,6  . 

12 

46,4 

23,6 

7,4 

1  32,8 

21,2 

6,1 

Mittel 

46,17 

23,54 

7,38 

|  32,60,21,21 

6,21 

;48,47|30,63 

6,75  ||31,67 

20,67  5,61 

Die  Resultate  sind  in  Tabelle  V  zusammengestellt. 


Tabelle  V.1) 


i(Ti  +  Tj  T-T% \\(T,  +  Ts)\ T,- T, 

T*-T0 

Ä* 

a.  Luft  u.  Wasser  .  . 

22,32 

14,97 

11,67 

6,33 

1,4 

21,09 

b.    „    „  Wasser  .  . 

33,51 

24,84 

15,78 

10,62 

7,2 

20,87 

c.     „   „  Weingeist 

24,88 

10,49 

13,65 

11,96 

5,4 

7,82 

d.    „    „  Glycerin  . 

23,94 

14,52 

11,57 

10,24 

0,3 

12,64 

e.    „    „  Glycerin  . 

34,85 

22,63 

15,46 

16,16 

7,1 

12,49 

f.    ,,   „  Olivenöl .  . 

26,90 

11,39 

13,71 

15,00 

3,4 

6,77 

g.    „    „  Olivenöl .  . 

39,55 

17,84 

18,69 

23,88 

12,4 

6,66 

h.    „    „  Citronenöl 

• 

26,17 

11,00 

13,14 

15,06 

1,7 

6,52 

Es  ist  hier  zugleich  unter  K  das  Leitungsvermögen  der 
Flüssigkeit  in  Bezug  auf  Luft  angegeben.  Man  sieht,  dass  das 
Leitungsvermögen  mit  der  Temperatur  abnimmt;  der  Grund 
ist,  dass  das  Leitungsvermögen  der  Luft  mit  der  Temperatur 
zunimmt. 

Als  eine  Probe  der  Richtigkeit  der  oben  gefundenen 
Grössen  habe  die  in  Tabelle  VI  angegebenen  Versuche  an- 
gestellt. 


1)  In  der  Berechnung  von  K  ist  auf  die  Verdampfung  von  Wein- 
geist und  Citronenöl  Rücksicht  genommen. 


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C.  Christiansen,  31 
Tabelle  VI. 


Olivenöl.  —  Glycerin.    c,  =  0,1945  cm,  et  —  0,1937  cm. 


—- — i  

.1  nl'j  ■  i 

-  Ii! 

T0  «  17,0" 

1\  m  16,8°. 

Tt 

T 

T, 

Tx 

T, 

T9 

Om 

35,35° 

16,7" 

6,4« 

49,2° 

21,45° 

6,8° 

2 

35,0 

16,6 

6,3 

49,2 

21,55 

6,8 

4 

35,2 

16,45 

6,2 

49,2 

21,6 

6,8 

6 

35,45 

16,45 

6,2 

49,2 

21,6 

6,8 

8 

35,2 

16,4 

6,2 

49,0 

21,6 

6,8 

10 

35,3 

16,4 

6,2 

48,8 

21,55 

6,75 

12 

35,65 

16,45 

6,2 

49,0 

21,5 

6,8 

Mittel 

35,31 

16,49 

6,24  | 

|  49,09 

21,55 

6,79 

Hieraus  erhält  man: 

Tx  -  T%  18,82°  27,54, 
T%-Tx      10,25  14,76. 

Das  Verhältni8s  zwischen  dem  Leitungsvermögen  des 
G-lycerins  und  dem  des  Olivenöls  wird  also  resp.  gleich  1.83 
und  1,86,  während  die  Tabelle  V  das  Verhältniss  gleich 
1,87  ergibt. 

Tabelle  VI. 


K 

K' 

K 

Wasser  .... 

21,09 

0,0745 

283 

Weingeist  .... 

7,82 

0,0292 

268 

Glycerin  .... 

12,64 

0,0402 

314 

Olivenöl  .... 

6,77 

0,0235 

288 

Citronenöl  .... 

6,77 

0,0210 

310 

In  obenstehender  Tabelle  findet  sich  unter  K  das  von 
mir  gefundene  relative  Leitungsverraögen,  unter  K'  das  von 
Weber  gefundene  absolute  Leitungsvermögen.  Die  Ueber- 
einstimmung  ist  so  gross,  wie  man  sie  nur  erwarten  kann,  wenn 
man  bedenkt,  dass  nur  das  Wasser  in  beiden  Versuchsreihen 
ganz  dasselbe  ist.  Die  Versuche  sind  für  die  Temperatur 
nicht  corrigirt  worden,  ich  werde  das  nachholen  und  die  Re- 
sultate mittheilen,  wenn  ich  das  Leitungsvermögen  der  Luft 
bei  verschiedenen  Temperaturen  genauer  bestimmt  habe. 


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32 


C.  Christiansen. 


IV.   Wärmeleitung  fester  Körper. 

Ich  habe  mehrere  feste  Körper  auf  dieselbe  Weise  auf 
ihr  Leitungsvermögen  untersucht.  Der  obere  Zwischenraum 
war  immer  mit  Luft  gefüllt.  In  den  mittleren  Zwischenraum 
wurde  der  zu  untersuchende  Körper  gebracht.  Von  der 
grössten  Bedeutung  war  es  hierbei,  dass  sich  kein  schäd- 
licher Raum  zwischen  den  Kupferplatten  und  dem  Körper 
befand.  Eigentlich  hatte  man  hierzu  Quecksilber  dazwischen 
zu  bringen,  ich  habe  mich  aber  begnügt,  Wasser  oder  Grly- 
cerin  zu  verwenden.  Es  sei  die  Dicke  der  Flüssigkeitsschicht 
gleich  e,  ihr  Leitungsvermögen  gleich  yk  (das  der  Luft  gleich 
k  gesetzt),  das  Leitungsvermögen  des  zu  untersuchenden 
Körpers  gleich  xk,  dann  wird: 

Sk^-eT>[\  +  *  ^y^)  -  hA  (T2-  T0)  -  Sk)  , 
oder  wenn  man: 

_  J»   i  1 

y    *  r 

setzt: 

Es  sei  hier  gleich  bemerkt,  dass  das  letzte  Glied  von 
gar  keinem  Einfluss  ist  wegen  der  Kleinheit  des  Factors: 

hA 

Ich  mache  gewöhnlich  zwei  Versuche.  Bei  dem  einen 
wird  die  zu  untersuchende  Platte  trocken  eingelegt,  bei  dem 
anderen  ist  die  Platte  auf  beiden  Seiten  benetzt.  Man  findet 
somit  zwei  Werthe  yx  und  y2  von  y,  und  es  ist: 

l  _  l 

n-n'  -L  _  ± 

.Vi  y%  ri  ri 

wo  Y\  uno^  y2  das  relative  Leitungsvermögen  der  den  „schäd- 
lichen Raum"  ausfüllenden  Flüssigkeit  sind. 
So  ergab  sich  an  einer  Spiegelglasplatte: 


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G  Christiunsen. 


33 


Tabelle  VII. 

Luft  und  Spiegelglasplatte  (trocken).    et  =  0,0212  cm.    c,  =  0,277  cm. 


0m 

2 

4 

6 

8 

Mittel 


T0  =  12,0» 

1            T0  =  12,5° 

21    |  2», 

i  gy  1  Tt 

—  

30,9° 

31,1 

31,0 

30,95 

30,7 

30,93 


! 


14,5° 

14,3 

14,36 

14,4 

14,35 

14,34 


i 


5,7° 

5,8 

5,8 

5,8 

5,8 

5,78 


49,7° 
49,6 
49,6 
49,6 


22  4° 
22,75 
22,5 
22,4 


7,8° 
8,2 
7,5 
7,5 


49,62       22,51   |  7,76 


Tabelle  VIII. 

Luft  und  Spiegelglasplatte  (mit  Wasser  benetzt). 
ex  =  0,0212  cm.       et  =  0,277  cm. 


T0  =  19,0° 


r0  =  18,8C 


T> 

T, 

r. 

Tt 

Om 

31,4° 

12,45° 

5,7° 

45,8° 

16,9° 

6,3° 

2 

30,8 

12,4 

5,7 

45,8 

16,9  | 

6,3 

4 

31,5 

12,4 

5,7 

45,6 

16,9 

6,3 

6 

31,0 

12,4 

5,6 

45,6 

16,8 

6,25 

8 

— 

45,5 

16,85 

6,2 

Mittel 

31,17 

12,41 

5,68 

45,66 

16,87  | 

6,27 

Aus  der  Tabelle  VII  findet  man  resp.  yx  =  26,1  und 
^,  =  25,3,  aus  der  Tabelle  VIII,  ya=  37,6  und  y%  =  37,2. 
Setzen  wir  nun  yx  =  25,7,  y2  =  37,4,  so  erhalten  wir: 

x  =  38,3. 

Durch  ähnliche  Versuche  habe  ich  das  Leitungsvermögen 
des  Marmors  gleich  120  gefunden. 


Die  hier  beschriebene  Methode  lässt  sich  auch  nach 
anderen  Richtungen  hin  anwenden,  z.  B.  zur  Messung  elec- 
trischer  Widerstände,  wenn  man  statt  der  Temperatur  das 
Potential  misst.  Man  könnte  vielleicht  dem  Apparate  den 
Namen  Leitungssäule  geben,  und  wenn  es  sich  um  schnelle 
Messung  mehrerer  Widerstände  handelt,  könnte  man  sehr 
wohl  mehrere  Schichten  übereinander  legen. 

Kopenhagen,  März  1881. 


Ann.  <L  Phjn,  n.  Chem.  N.  F.  XIV. 


3 


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34 


D.  Konowalow. 


IV.  lieber  die  Dampfspannungen  der  Flüssigkeits- 
gemische;  van  JD.  Kanawalaw* 

(1.  Abhandlung.) 

Nach  dem  Dalton'schen  Gesetz  findet  man  bekanntlich 
den  Druck  eines  Gemisches  aus  gegenseitig  indifferenten  und 
von  der  Condensation  weit  entfernten  Gasen,  indem  man  für 
jedes  einzelne  den  Druck  so  berechnet,  als  wenn  es  den 
Raum  allein  erfüllte,  und  diese  „Partialdrucke"  addirt.  Ebenso 
verhalten  sich  nach  den  Versuchen  von  Magnus1)  und  Reg- 
nault2)  die  gesättigten  Dämpfe  solcher  Flüssigkeiten,  die 
gar  nicht  ineinander  löslich  sind:  die  Spannkraft  des  Ge- 
menges ist  gleich  der  Summe  der  Spannkräfte  der  Compo- 
nenten.  Lösen  sich  dagegen  die  Flüssigkeiten  ineinander, 
so  tritt  (ebenfalls  nach  Versuchen  von  Magnus  und  Reg- 
nault)  immer  ein  Verlust  an  Spannkraft  ein,  und  es  wird 
gewöhnlich  angenommen,  dass  die  Spannkraft  bei  Gemischen 
dieser  Art  einen  mittleren  Werth  zwischen  denen  der  beiden 
einzelnen  Flüssigkeiten  hat.*) 

Indessen  kennt  man  seit  längerer  Zeit  Ausnahmen  von 
dieser  Regel. 

So  ist  z.  B.  bei  Gemischen  von  Ameisensäure  und  Wasser 
die  Spannkraft  kleiner  als  die  des  Wassers  und  der  Amei- 
sensäure für  sich.  —  R  o  s  c  o  e  hat  gezeigt,  dass  eine  Mischung 
von  77,5%  Ameisensäure  und  22,5%  Wasser  bei  760  mm 
Druck  constant  bei  107°  siedet,  während  der  Siedepunkt  der 
Ameisensäure  bei  101,1°  lag. 

Die  Annahme,  dass  es  sich  hier  um  ein  nach  bestimm- 
ten Verhältnissen  zusammengesetztes  Hydrat  handelt,  wider- 
legt er  dadurch,  dass  bei  einem  anderen  Druck  eine  andere 
Mischung  als  die  angegebene  constant  siedet. 

Jedenfalls  wird  das  Verhalten  der  Stoffe  in  Dampfform 
in  einem  gewissen  Zusammenhange  zu  demjenigen  im  flüssigen 
Zustande  stehen.   In  diesem  letzteren  aber  ist  die  vollstän- 

1)  Magnus,  Pogg.  Ann.  88.  p.  481.  1836. 

2)  Regnault,  Compt.  rend.  39.  p.  301,  345  u.  397.  1854;  Pogg. 
Ann.  98.  p.  537.  1854. 

3)  Wüllner,  Experimentalphysik.  8.  p.  567. 


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D.  Konowalow. 


35 


dige  Unlöslichkeit  nur  ein  Grenzfall;  theilweise  ineinander 
lösliche  Flüssigkeiten  bilden  Zwischenstufen,  und  selbst  unter 
den  in  allen  Verhältnissen  mischbaren  Flüssigkeiten  kann 
man  diejenigen  Fälle,  wo  die  Trennung  der  Flüssigkeiten 
sehr  leicht  geschieht,  von  denjenigen  unterscheiden,  wo  die- 
selbe ausserordentlich  schwer  ist. 

Man  kann  erwarten,  dass  dementsprechend  auch  in  Dampf- 
form die  Grösse  der  Wechselwirkung  variirt,  und  es  liegt 
nahe,  den  Zusammenhang  zwischen  den  Wirkungen  in  beiden 
Zuständen,  dem  flüssigen  und  dem  dampfförmigen  zu  suchen. 
Zu  diesem  Zwecke  eignen  sich  am  besten  die  homologen 
Reihen.  Die  allmähliche  Aenderung  der  Eigenschaften  beim 
Uebergange  von  den  ersten  Gliedern  der  Reihe  zu  den  mehr 
und  mehr  zusammengesetzten  lässt  die  Erscheinungen  leichter 
verfolgen  und  vergleichen.  Ich  habe  daher  unternommen, 
die  Gemische  dieser  Körper  mit  einer  bestimmten  Flüssig- 
keit zu  untersuchen.  Die  ausgewählten  Reihen  sind:  die 
Alkoholreihe  CnH2n+20,  und  die  Säurereihe  CnH2n02.  Als 
gemeinsame  zweite  Flüssigkeit  wurde  bei  beiden  Gruppen 
Wasser  benutzt.  Die  ersten  Glieder  der  beiden  Reihen 
mischen  sich  in  allen  Verhältnissen  mit  Wasser.  Vom  vierten 
Glied  an  bei  den  Alkoholen,  vom  fünften  bei  den  Säuren 
bilden  sich  beim  Zusammenmischen  schon  zwei  Schichten, 
deren  Zusammensetzung  sich  desto  mehr  der  der  reinen 
Flüssigkeiten  nähert,  je  zusammengesetzter  das  Glied  ist. 

Die  Untersuchung  erstreckte  sich  auf  die  vier  ersten 
Glieder  der  beiden  Reihen.  Es  wurden  für  jede  Flüssigkeit 
eine  Anzahl  Mischungen  nach  der  Wage  hergestellt  und  ihre 
Spannkräfte  bei  möglichst  identischen  Temperaturen  gemessen. 
Die  erhaltenen  Resultate  wurden  sodann  graphisch  darge- 
stellt, indem  die  Procentgehalte  als  Abscissen  und  die  Spann- 
kräfte als  Ordinaten  aufgetragen  wurden.  Die  letzteren 
mussten  zuerst  durch  graphische  Interpolation  auf  die  genau 
gleichen  Temperaturen  entsprechenden  Grössen  reducirt  werden. 

Die  Methode. 

Die  Spannkraft  der  gesättigten  Dämpfe  ist  bisher  nach 
zwei  verschiedenen  Methoden  untersucht  worden.    Die  eine 

3* 


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36 


D.  Konowaloiü. 


besteht  darin,  die  Siedetemperatur  einer  Flüssigkeit  zu  be- 
stimmen, die  sich  unter  einem  gemessenen  äusseren  Drucke 
befindet.  Bei  der  anderen  verbreiten  sich  die  Dämpfe  in 
einem  abgeschlossenen  Räume,  der  kein  fremdes  Gas  enthält, 
und  man  bestimmt  den  von  ihnen  hervorgebrachten  Druck 
bei  einer  gemessenen  Temperatur. 

Für  die  vorliegende  Aufgabe  war  nur  die  zweite  Methode 
brauchbar,  da  nur  diese  gestattet,  den  Dampfraum  beliebig 
klein  zu  machen,  bei  der  Entwickelung  von  grossen  Dampf- 
massen aber  sich  die  Zusammensetzung  der  zurückbleibenden 
Flüssigkeit  im  allgemeinen  ändert.  Es  wurde  daher  im 
wesentlichen  die  Versuchsanordnung  von  Magnus1)  gewählt. 
Doch  waren  in  Einzelheiten  einige  Abänderungen  nothwen- 
dig,  da  aus  dem  soeben  erwähnten  Grunde  das  Auskochen 
der  Flüssigkeiten  vermieden  werden  musste.    So  ergab  sich 

der  im  Folgenden  beschriebene  Apparat  (s.Fig.). 
Zur  Aufnahme  der  Flüssigkeit  diente  der  ge- 
schlossene Schenkel  a  einer  U-förmigen  Röhre 
von  15  mm  lichtem  Durchmesser,  dessen  offe- 
ner und  längerer  Schenkel  b  in  den  Hahn  ß 
endigte.  An  das  untere  Ende  von  a  setzte 
sich  eine  enge  Röhre  c  an,  die  ebenfalls  durch 
einen  Hahn  y  geschlossen  werden  konnte. 
Auf  die  Röhren  a  und  b  war  eine  Millimeter- 
theilung  geätzt.  In  diesen  Apparat  wurde 
zunächst  so  viel  Quecksilber  gegossen,  wie 
zur  Ausfüllung  der  Röhren  a  und  c  und 


i 


a 


eines  kleinen  Theils  von  b  nöthig  war.  Dann 
wurde  c  mit  einem  Trockenapparat  und  b 
mit  einer  Quecksilberluftpumpe  verbunden.  Sobald  die  letz- 
tere in  Thätigkeit  gesetzt  wird,  streicht  trockene  Luft  durch 
die  ganze  Quecksilbermasse,  die  hierbei  in  der  Röhre  b  steht, 
und  indem  man  den  Apparat  gleichzeitig  mit  einer  Bunsen'- 
schen  Flamme  erwärmt,  entfernt  man  in  kurzer  Zeit  die 
letzten  Spuren  von  Feuchtigkeit.  Sodann  bewirkt  man  durch 
Neigen  des  Apparates,  dass  sich  a  vollständig  mit  dem  noch 


1)  Magnus,  Pogg.  Ann.  61.  p.  225.  1844. 


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D.  Konowalow. 


warmen  Quecksilber  füllt.    Nunmehr  wird  die  zu  unter- 
suchende Flüssigkeit  in  c  mittelst  eines  feinen  Trichters  ein- 
gebracht (der  Hahnkörper  y  wird  so  lange  entfernt)  und  b 
und  c  mit  der  Quecksilberluftpumpe  verbunden.    Man  öffnet 
den  Hahn  y  und  lässt  die  Flüssigkeit  bis  nahe  an  den  Hahn 
steigen.    Dann  wird  y  geschlossen  und  ß  geöffnet.  Die 
Flüssigkeit  sinkt,  und  über  ihr  bildet  sich  ein  luftverdünnter 
Raum,-  der  sich  schnell  mit  der  in  der  Flüssigkeit  gelösten 
Luft  füllt.    Durch  leichtes  Erwärmen  kann  man  den  Vor- 
gang beschleunigen.    Nur  in  wenigen  Fällen  war  es  nöthig, 
diese  Operation  zu  wiederholen,  meistens  war  die  Flüssigkeit 
bereits  nach  dem  ersten  mal  so  luftfrei,  dass  durch  ihre  Ad- 
häsion an  dem  Glas  eine  Quecksilbersäule  von  ca.  100  mm 
getragen  wurde.    Freilich  trennt  sich  hierbei  gleichzeitig  ein 
Theil  der  zu  untersuchenden  Mischung  in  Dampfform  von 
der  Flüssigkeit;  die  Menge  desselben  ist  jedoch  so  gering, 
dass  die  Zusammensetzung  des  Gemisches  dadurch  nicht 
merklich  geändert  wird.    Endlich  erwärmt  man  leicht  den 
über  der  Flüssigkeit  befindlichen  Raum  so  lange,  bis  durch 
den  Druck  der  Gase  die  gewünschte  Menge  der  Versuchs- 
substanz nach  a  hinübergetrieben  ist.    Der  Rest  wird  aus 
C  herausgesaugt  und  der  Hahn  y  wiederum  geschlossen. 
Der  Apparat  ist  nunmehr  für  den  Versuch  vorbereitet.  Er 
wird  in  verticaler  Stellung  fixirt»  b  mittelst  einer  T -Röhre 
einerseits  mit  der  Luftpumpe,  andererseits  mit  einem  offenen 
Manometer  verbunden.  Der  eine  Schenkel  des  letzteren  Hess 
sich  vor  einer  verticalen  Spiegelscala  verschieben,  welche  mit 
dem  Kathetometer  controlirt  war.  Alle  Verbindungen  waren 
ausschliesslich  aus  Glas  gefertigt,  indem  entweder  die  Glas- 
röhren aneinander  geschmolzen  oder  mit  Siegellack  inein- 
ander gekittet  waren.    Die  nöthige  Beweglichkeit  war  den 
einzelnen  Theilen  durch  eingeschaltete  Glasfedern  gewährt. 

Das  Röhrensystem  a,  b  und  c,  das  auf  eine  constante 
und  messbare  Temperatur  gebracht  werden  sollte,  tauchte 
etwa  zur  halben  Länge  in  ein  mit  Wasser  gefülltes  Becher- 
glas von  4,5  1  Inhalt,  das  auf  einem  Sandbade  stand  und 
oben  durch  einen  Holzdeckel  geschlossen  war.  Dieser  hatte 
Oeffnungen  für  die  Röhren  b  und  c,  für  zwei  Thermometer 


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38 


D.  Konowalow. 


und  für  den  Stab  eines  aus  Glasröhren  schlangenförmig  ge- 
bogenen, leichten  Rührers.  Letzterer,  durch  einen  electro- 
magnetischen  Motor  getrieben,  machte  50  bis  60  doppelte 
Gänge  in  der  Minute.  —  Von  den  Thermometern  hing  eines, 
dessen  Angaben  als  dieTemperaturen  der  untersuchten  Flüs- 
sigkeit angenommen  wurden,  unmittelbar  neben  «,  das  andere, 
durch  welches  die  Gleichförmigkeit  der  Temperatur  des 
Bades  controlirt  wurde,  nahe  der  Wand  des  Becherglases. 
Beide,  von  Baudin  gefertigt,  waren  in  Halbgrade  von  ca. 
1  mm  Länge  getheilt.  Caüber  und  feste  Punkte  wurden  con- 
trolirt Die  bei  den  benutzten  Temperaturen  unbedeutenden 
Correctionen  auf  das  Luftthermometer  (im  Maximum  0,3°) 
wurden  gemäss  den  Angaben  von  Kohlrausch1)  vorgenom- 
men. Ein  drittes  Thermometer,  dessen  Kugel  sich  oberhalb 
des  Becherglases  befand,  diente  zur  Correction  für  den  her- 
ausragenden Faden  der  beiden  ersten. 

Becherglas,  Sandbad  und  Brenner  waren  nochmals  mit 
einer  Papphülle  umgeben,  in  welcher  sich  an  zwei  gegenüber- 
liegenden Stellen  durch  Glasplatten  geschlossene  Oeffnungen 
befanden.  Man  erwärmte  das  Bad  auf  eine  Temperatur,  die 
nur  wenige  Grad  unterhalb  der  gewünschten  lag,  und  drehte 
dann,  falls  dieselbe  kleiner  als  etwa  50°  war,  den  Brenner 
vollständig  ab,  während  man  anderenfalls  eine  kleine  Flamme 
brennen  liess.  Die  Temperatur  stieg  dann  mit  abnehmen- 
der Geschwindigkeit  weiter  und  gelangte  nach  einigen  Minu- 
ten zu  einem  Maximum,  auf  welchem  sie  sich  während  einer 
für  die  Beobachtung  ausreichenden  Zeit  constant  erhielt. 

Der  gesuchte  Druck  berechnet  sich,  wie  bei  Magnus, 
aus  dem  Barometerstand,  der  Höhendifferenz  der  Queck- 
silberoberflächen in  den  beiden  Schenkeln  des  Manometers 
und  derjenigen  in  den  Röhren  a  und  b.  Die  letztere  war  mit 
Hülfe  der  Luftpumpe  und  des  Manometers  stets  auf  höch- 
stens 3  bis  5  mm  herabgedrückt.  Sie  wurde,  um  die  stören- 
den Brechungen  in  den  umgebenden  Glashüllen  zu  vermeiden, 
direct  auf  der  aufgeätzten  Theilung  mit  einem  Fernrohr  ab- 
gelesen.  Die  Lage  beider  Theilungen  gegeneinander  aber 


1)  F. Kohlrausch,  Leitfaden  der  prakt.  Physik.  3.  Aufl.  p.  64. 


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D.  Konowalow. 


39 


wurde,  ehe  der  Apparat  mit  Becherglas  und  Hülle  umgeben 
war,  mit  dem  Kathetometer  bestimmt.  Man  vermeidet  dadurch 
den  Fehler,  den  bei  nicht  genau  verticaler  Stellung  des 
Apparates  der  horizontale  Abstand  beider  Röhren  hervor- 
ruft. Selbstverständlich  geschah  die  Ablesung  nur  dann, 
wenn  das  Quecksilber  einen  unveränderlichen  Stand  einhielt. 
Bei  höheren  Temperaturen  gibt  dies  eine  empfindlichere  Probe 
auf  die  Constanz  der  Temperatur,  als  sie  die  Beobachtung 
des  Thermometers  gewährt. 

Zur  Prüfung  des  Apparates  wurden  zunächst  Versuche 
mit  destillirtem  Wasser  angestellt  In  der  folgenden  Ta- 
belle stelle  ich  unter  S  die  erhaltenen  Zahlen  für  die  Spann- 
kräfte mit  denjenigen  zusammen,  die  sich  für  dieselben 
Temperaturen  Taus  Magnus'  Interpolationsformel  ergeben. 


T 

s 

Differ. 
M- K 

T 

8 

Differ. 
M-K 

nach  nach 
KonowaL  Magnus 

nach 
Konowal. 

nach 
Magnus 

16,5° 

13,7 

13,9 

+0,2 

70,7° 

239,8 

2*9,6 

-0,2 

26,4 

25,4 

25,6 

+  0,2 

80,45 

359,4 

360,6 

+  1,2 

40,4 

56,5 

56,2 

-0,3 

90,0 

523,4 

524,8 

+  1,4 

50,25 

92,9 

93,4 

+  0,5 

91,25 

549,95 

550,4 

+  0,5 

59,2 

142,8 

143,2 

+  0,4 

Zur  Vergleichung  mögen  hier  noch  für  einige  Tempera- 
turen die  Differenzen  8  zwischen  Werthen  aus  derselben 
Formel  und  den  von  Magnus  selbst  direct  beobachteten 
Zahlen  folgen: 


T  =    16,82°      23,85°       44,9°       52,12°       58,66°       78,33°  91,34° 
Ö  =  +0,72      -0,22       -0,14     +0,72      +0,59       +0,45  -0,83 

Man  sieht,  dass  die  von  mir  benutzte  Methode  gut  ist. 

Versuche. 
A.  Alkohol-Wasser-Mischungen. 

1)  Methylalkohol.  400g  käuflicher  Methyalkohol  wur- 
den in  Oxalsäureester  verwandelt,  der  letztere  durch  Kochen 
mit  Kalilauge  verseift,  und  der  Alkohol  abdestillirt.  Der 
durch  Potasche  aus  der  wässerigen  Lösung  abgeschiedene 
Alkohol  wurde  zunächst  mit  frisch  geglühter  Potasche  getrock- 
net und  dann  über  frisch  gebranntem  Kalk  zweimal  destillirt. 


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40 


D.  Konowalow. 


Diese,  wie  auch  alle  später  zu  erwähnenden  fractionirten 
Destillationen  wurden  mit  einem  von  Alvergniat  verfertig- 
ten Apparate  mit  fünf  Kugeln  und  Platindrahtnetzen  aus- 
geführt. Die  Spannungen  des  reinen  Alkohols  ergaben  sich 
wie  folgt: 

T=  15,0°      29,3°       43,0°       43,15°       53,9°  65,4° 
8  =  72,4      153,4      292,4      295,0        470,3  756,6 

T  bedeutet,  wid  auch  stets  im  Folgenden,  die  Tempera- 
tur; S  die  Spannung  in  Millimetern  Quecksilber  von  0°  C. 
Auf  Grund  dieser  Zahlen  ist  die  Curve  A  gezeichnet. 


Mischungen  mitWasser.  Die  angegebenen  Procent- 
gehalte bezeichnen  (wie  stets  im  Folgenden)  Gewichtsverhält- 
nisse, die  direct  durch  Wägung  gefunden  waren. 


Wasser  - 
Alkoh.  - 

-75,46% 
-24,54% 

Wasser 
Alkoh. 

-50,74% 
-49,26% 

Wasser 
Alkoh. 

-36,6°/° 
-63,6% 

Wasser 
Alkoh. 

-27,7% 

-72,3% 

T~ 

s 

T 

S 

~T 

T 

8 

17,25° 

29,9 

43,2 

53,6 

64,9 

84,25 

30,15 
62,6 
126,2 
207,25 
345,7 
750,8 

17,0° 

29,9 

43,3 

53,5 

65,5 

76,7 

44,5 
90,6 
177,3 
284,0 
479,9 
747,6 

12.55° 

29,75 

43,7 

54,0 

65,7 

39,8 
104,2 
206,2 
330,2 
543,45 

18,65° 

29,25 

43,2 

53,5 

65,5 

71,15 

63,7 
112,8 
224,6 
357,8 
591,7 
747,7 

Hiernach  sind  auf  Taf.  II  die  Curven  für  die  mitt- 
leren Temperaturen  18,0°,  29,5°,  43,2°,  53,5°  und  65,2°  con- 
struirt.  Abscissen  sind  die  in  der  Mischung  enthaltenen 
Procente  Alkohol,  Ordinaten  die  Spannkräfte. 

2)  Aethylalkohol.  Käuflicher  absoluter  Alkohol  wurde 
über  Kalk  destillirt  und  der  mittlere  Theii  des  Destillats 
zur  Untersuchung  benutzt.  In  der  folgenden  Tabelle  sind 
meine  für  den  reinen  Alkohol  gefundenen  Zahlen  mit  denen 
zusammengestellt,  die  sich  aus  Regnaul t's  Beobachtungen 
nach  Zeuner's  Interpolationsformel  berechnen. 


T 

Konowalow 

Regnault 

18,7° 

41,3 

41,1 

35,5 

106,3 

105,9 

49,5 

215,3 

214,7 

65,4 

443,8 
766,5 

444,0 

78,55 

766,1 

Für  die  Mischungen  mit  Wasser  ergab  sich  (vgl.  Taf.  II). 


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D.  Konmcalow. 


41 


Alkoh. 

Wasser  -14,3° 


85,7°' 


Alkoh. 
Wasser 


— 68,12% 
-31,98% 


Alkoh.  -50,4% 
Wasser  -49,6% 


Alkoh.  -33,13% 
Wasser  —66,87% 


i 


17,4 

40,7 

60,45 

70,2 

79,65 

79,95 


i 


5 

35,9 
133,3 
346,35 
532,5 
782,9 
789,5 


T 

18,1 

40,45 

60,65 

70,35 

80,5 


5 

34,2 
123,0 
327,8 
509,7 
768,7 


T 
15,3 
15,5 
40,6 
60,05 
59,65 
70,3 
70,15 
80,5 
80,55 


8 

27,4 
27,7 
117,5 
301,4 
295,7 
473,4 
470,7 
720,0 
720,9 


T 

21,15 

40,9 

60,45 

70,4 

80,25 


8 

85,1 
107,1 
281,6 
436,7 
654,0 


Der  reine  Alkohol,  sowie  eine  Reihe  von  Mischungen, 
unter  denen  sich  auch  diejenige  zu  gleichen  Theilen  befindet, 
sind  bereits  von  Wüllner  untersucht  worden.  Seine  Resul- 
tate weichen  jedoch  von  den  meinigen  und  ebenso  für  den 
reinen  Alkohol  von  denen  von  Regnault  zum  Theil  nicht 
unerheblich  ab. 

3.  Propylalkohol.  300  g  käuflicher  Propylalkohol 
(von  Kahl  bäum)  wurden  mit  frisch  gebranntem  Kalk  ge- 
trocknet und  fractionirt.  Für  die  Versuche  wurde  der  bei 
97°  (Barometerstand,  B0  —  749,2)  constant  siedende  Theil 
(50  g)  benutzt.   Es  ergab  sich  (vgl.  die  Curve  C) : 


T=  11,5°  16,8°  21,8°  28,35° 
S  m    8,1       10,0      17,2  24,7 

59,4°     59,9°     70,4°  74,9° 


30,6° 

29,5 


33,75° 
35,7 


80,5°  81,75° 


39,1° 
48,3 

81,9° 


49,2° 
85,3 

89,6° 


52,35° 
101,0 

98,6° 


S=  143,25    146,9     245,8     304,2     384,1    405,2      406,4     561,7  794,9 

Ebenso  für  ein  anderes  Präparat,  das  in  derselben  Weise 
behandelt  wurde: 


T 

S 


16,5° 
10,9 


52,4° 
101,1 


59,9° 
148,5 


70,5° 
247,7 


82,1° 
411,4 


Die  Zahlen  beider  Reihen  stimmen  gut  überein;  gleich- 
wohl können  sie  nicht  als  die  vollkommen  genauen  Werthe 
für  reinen  Propylalkohol  gelten,  da  bei  der  Darstellung  des 
Präparates  die  Möglichkeit  kleiner  Verunreinigungen  nicht 
ausgeschlossen  ist  und  beide  Proben  aus  derselben  Quelle 
bezogen  waren.  Für  die  Mischungen  mit  Wasser  erhielt  ich 
(s.  Taf.  II). 


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42 


D.  Konowalow. 


Wasser— 93,8°, 
»  Alkoh.  —  6,2* i 


Wasser— 78,2"  „ 
Alkoh.  — 21,8% 


T 

17,65 ! 

40,3 

51,0 

59,8 

69,35 

80,85 

88,5 


S 

20,8 
79,4 
138,7 
214,2 
334,1 
540,3 
740,4 


T 

16,25 

32,6 

42,9 

52,1 

51,45 

61,4 

70,55 

80,75 

88,6 


S 

19,0 
51,2 
91,2 
149,0 
144,2 
235,1 
357,2 
;547,5 
|747,0 


Waaser —04,1" 


Alkoh. 


35.9% 


T 

16,25 

33,0 

42,35 

50,65 

60,5 

70,9 

80,3 

88,0 


S 

19,2 
54,6 
91,8 
141,75 
231,5 
368,8 
546,0 
745,3 


Wasser— 47,2°,, 
Alkoh.  -62,8«  0 


Wasser— 37,78% 
Alkoh.  — «2,27% 


T 

19,65 

32,35 

40,15 

51,55 

60,95 

71,4 

81,4 

87,7 


S 

24,5 
52,9 
82,6 
149,8 
237,5 
382,8 
579,8 
749,9 


T 

19,4 

33,0 

42,7 

51,05 

60,5 

71,43 

81,4 

87,6 


8 

25,1 
56,8 
94,8 
148,7 
234,8 
384,1 
586,0 
749,0 


Wasser— 11,2% 
Alkoh.  —88,8"  o 


19,4 

32,55 

42,2 

51,2 

61,35 

70,85 

80,65 

89,4 

90,55 


S 

19,4 
42,7 
74,1 
119,2 
195,05 
295,5 
455.8 
649,6 
1 751,2 


4)  Isobutylalkohol.  Das  nächste  Glied  der  homo- 
logen Reihe  normaler  Alkohole  CnHan+aO,  der  normale  Bu- 
tylalkohol,  ist  schwer  in  grösserer  Menge  rein  darzustellen. 
Mit  ihm  theilt  aber  sein  isomerer  Isobutylalkohol  die  Eigen- 
schaft, sich  im  Wasser  nur  theilweise  zu  lösen,  und  da  mir 
die  Kenntniss  gerade  derartiger  Flüssigkeiten  an  sich  von 
Interesse  zu  sein  schien,  habe  ich  den  Gährungsbutylalkohol 
(Isobutylalkohol)  untersucht.  —  300  g  käuflicher  Alkohol  (von 
Kahlbaum),  über  Kalk  getrocknet  und  fractionirt,  lieferten 
ein  bei  107,8  bis  108,0°  (£0=  761,4)  siedendes  Präparat,  für 
welches  sich  folgende  Spannungen  ergaben: 

r=  15,80     30,85°     51,0°     61,25°     70,9°     80,2°     91,2°  100,05° 
8  =   6,55     17,5        58,0     100,4      164,3     250,7     403,45  577,5 

Zur  Controle  wurde  der  flüchtige  Theil  noch  einmal  ge- 
trocknet und  fractionirt.  Das  so  gewonnene,  bei  107° 
(B0  =  741,8)  constant  siedende  Präparat  ergab  (s.  Taf.  II 
Curve  D). 


T=  14,75°  30,85°  50,45° 
S  =    5,8       17,7  55,5 


60,4° 


70,7° 


80,0°      91,0°  99,9° 


94,1      160,05    246,0     395,2  570,3 


Dieses  Präparat  zeigt  etwas  kleinere  Spannungen.  Der 
Grund  der  übrigens  nicht  bedeutenden  Abweichungen  liegt 
wahrscheinlich  darin,  dass  das  erste  Präparat  nicht  voll- 
kommen wasserfrei  war. 

Es  wurden  sodann  Wasser  und  Alkohol  je  mit  einer  so 
kleinen  Menge  der  anderen  Flüssigkeit  versetzt,  dass  sich  in 
beiden  Fällen  eine  klare  Lösung  bildete.    Dabei  fand  sich: 


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D.  Konowalow. 


43 


Wasser  —  5,95% 
Alkohol  — 94,05% 


Wasser  —  93,9% 
Alkohol—  6,1% 


16,9  17,6 

40.3  65,5 
59,9  176,5 

71.4  299,9 

81.5  457,6 
95,1  784,0 


T  S 


T  8 

18,1  18,9 

40.3  71,7 

59.4  193,9 
70,9  331,3 
81,55  516,15 
91,0  746,05 


Es  wurde  dann  Wasser  mit  etwa  seinem  halben  Volumen 
Alkohol  in  den  Apparat  gebracht.  Dabei  bilden  sich  zwei 
Schichten,  von  denen  die  untere  Wasser,  die  obere  Alkohol 
als  vorwiegenden  Bestandteil  enthält.  Bei  den  Beobach- 
tungen der  Spannkraft  musste  hier  darauf  Rücksicht  genom- 
men werden,  dass  die  Zusammensetzung  der  beiden  hete- 
rogenen Schichten  von  der  Temperatur  abhängig  und  zur 
Herstellung  des  Gleichgewichtszustandes  durch  Diffusion  eine 
längere  Zeit  erforderlich  sein  konnte.  Es  genügte  daher 
hier  nicht,  die  Temperatur  nur  während  der  Beobachtung 
constant  zu  erhalten.  Durch  Regulirung  der  Flamme  wurde 
erreicht,  dass  dieselbe  während  einiger  Stunden  nur  innerhalb 
0,3°  schwankte.  Erst  am  Ende  dieses  Zeitraumes  wurden 
die  Messungen  vorgenommen;  ausserdem  wurden  für  einige 
Temperaturen  die  Beobachtungen  wiederholt.  Folgendes  sind 
die  Resultate: 

T=  12,1°    41,65°     46,8°     59,9°     71,4°     71,5°      80,85°  81,6° 
S  =  14,3     82,2      107,9     207,6     355,6    356,15    530,8  550,0 


Endlich  wurde  eine  bei  ungefähr  40°  gesättigte  Lösung 
von  Isobutylalkohol  in  Wasser  der  Untersuchung  unterwor- 
fen.   Es  ergab  sich: 

T=  16,65°   40,8°     59,9°     71,8°     81,6°     89,0°  97,2° 
S  =  19,0      78,8     207,0    360,5     548,0     731,6  991,9 

Schon  aus  diesen  Zahlen,  mit  voller  Deutlichkeit  aber 
aus  einer  graphischen  Darstellung,  ist  ersichtlich,  dass  die 
Spannungen  bis  zu  etwa  70°  vollkommen  mit  denjenigen  der 
vorigen  Reihe  zusammenfallen.  Nun  ist  bekannt1),  dass  die 
Löslichkeit  des  Isobutylalkohols  in  Wasser  mit  steigender 

1)  W.  Alexejeff,  Jahresber.  für  Chemie.  1876.  p.  47. 


T=  81,2°  88,75°  88,55° 
8  =  537,4    728,3  722,4 


89,1° 
738,6 


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44 


D.  Konowalow. 


Temperatur  bis  etwa  52°  abnimmt,  dann  wieder  steigt  und 
bei  etwa  73°  den  Betrag  erreicht,  den  sie  bei  40°  besass.  In 
Uebereinstimmung  hiermit  zeigte  die  Beobachtung  bei  Tem- 
peraturen über  40°  eine  Trübung  der  Flüssigkeit,  die  erst 
bei  70°  wieder  verschwand.  Es  lag  also  in  dem  Intervall 
40  bis  70°  auch  hier  ein  Gemenge  zweier  Lösungen  vor,  von 
denen  freilich  die  eine  nur  in  äusserst  geringer  Menge  vor- 
handen war.  Die  Versuche  beweisen  demnach,  dass  die 
Spannkraft  des  Gemenges  der  beiden  Lösungen  unabhängig 
ist  von  dem  Mengenverhältnisse  der  beiden  Bestandtheile. 
Die  Spannkraftscurven  haben  also  die  Form  der  in  Taf.  II 
gezeichneten. 

B.  Säure- Wasser-Mischungen. 
Alle  untersuchten  Säuren  waren  von  Kahlbaum  be- 
zogen. Die  beiden  ersten  Säuren  der  Reihe:  Ameisensäure 
und  Essigsäure  wurden  zuerst  destillirt  und  dann  durch 
Erstarrenlassen,  Weggiessen  des  flüssigen  Theils,  Schmelzen 
und  Wiederholen  dieser  Operationen  gereinigt.  Die  beiden 
anderen,  Propionsäure  und  Butter  säure,  wurden  durch  frac- 
tionirte  Destillation  gereinigt.  Die  Spannkräfte  der  Säuren 
selbst  sind  schon  von  Landolt1)  eingehend  untersucht.  Seine 
Zahlen  habe  ich  in  die  Spannkraftscurven  der  Gemische  als 
Endordinaten  eingetragen.  Nur  die  Spannkräfte  der  reinen 
Ameisensäure,  die  schwer  in  wasserfreiem  Zustand  zu  er- 
halten ist,  habe  ich  zu  grösserer  Sicherheit  nochmals  be- 
stimmt. In  der  nachstehenden  Tabelle  sind  die  von  mir  ge- 
fundenen Werthe  mit  den  aus  Landolt' s  Formel  berech- 
neten zusammengestellt. 

Ameisensäure. 

8 


17,5 
40,5 
59,7 
70,1 


Konowalow  Landolt 


29,1     |  27,8 


85,5 
187,8 
280,2 


83,1 
187,0 
279,1 


Ich  gebe  im  Folgenden  die  für  die  Mischungen  der 
Säuren  erhaltenen  Zahlen,  (s.  Taf.  II.) 

1)  Landolt,  Lieb.  Ann.   Supplementbd.  6.  p.  129.  1868. 


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D.  Konowaloic. 


45 


1.  Ameisensäure  2.  Essigsäure. 


(Schmelzpunkt  +  7°).     .  (Schmelzpunkt  +  16°). 


Am  eis. 

—  22,66 

Ameis. 

—  60,02 

—  

Amela. 

—  79,78 

Waas  —81,8 

Wiim. 

—  49,9 

Was«. 

— 19,78 

Waas. 

-77,34 

Waas. 

—  48,98 

Wass. 

—  20,22 

Essigs.  -  18,2 

Essigs. 

—  50,1 

Essigs. 

—  80,22 

T 

!  8 

T 

S 

T 

I  * 

1     —  '    ,  — 

T  S 

T 

1  S 

T 

:  s 

18,9 

15,3 

16,95 

11,7 

18,0 

1  14>5 

1    16,65  13,35 

16,45 

12,5 

16,0 

11,8 

42,35 

58,0 

31,8 

29,1 

42,15 

54,5 

49,85  87,7 

49,95 

85,0 

49,85 

78,2 

61,35  147,4 

42,9 

51,7 

61,05 

80,55  352,5 

80,2 

335,6 

80,0 

300  7 

UVV  }  1 

80,8 

343,6 

54,9 

102,7 

59,9 

123,3 

100,0  750,2 

100,0 

724,0 

100,05 

;  645,7 

100,0 

719,8 

70,1  1 

169,9 

80,7 

290,9 

80,95 

309,4 

80,8 

292,1 

* 

90,7 

457,85 

9!,8 

590,7 

99,65 

644,0 

3.  Propionsäure, 

4.  Buttersäure 

auB  Propionnitril. 

(Siedetemp. 

=  163°  bei  B0  =  748,1.) 

(Siedetemp.  =  139°  bei  B0=  741,5.) 

Wasa.- 

•75,08% 

Waas.  - 

-60,63 

Waas. 

—  24,32 

Waas.  —  74,52 

Was«.  - 

-50,0 

Wass.  - 

-29,9 

Pr.  - 

24,92 

Pr.  . 

-49,37 

Pr. 

-75,68 

B.      -  25,48 

B.  - 

-50,0 

B.  - 

-70,1 

T 

s 

T 

8 

T 

s 

T  !  8 

T 

s 

T 

16,85 

14,1 

15,95 

12,8 

17,3 

13,75 

18,3  15,15 

15,0 

14,2 

19,45 

16,4 

46,85 

76,6 

46,35 

73,25 

46,7 

69,6 

49,85  90,4 

31,25 

35,6 

50,2 

90,8 

62,9 

167,7 

64,0 

173,8 

63,4 

151,4 

80,5  364,9 

42,75 

65,5 

80,45 

351,3 

81,25 

370,8 

70,2 

229,5 

81,45 

336,7 

99,7  766,4 

52,25 

109,4 

100,0 

740,8 

99,25 

746,9 

81,5 

379,3 

99,6 

676,35 

60,35  1 

152,3 

90,0 

528,6 

70,3 

237,3 

99,5 

739,6 

■ 

79,6 

350,8 

i 

99,0 

741,1 

I 

Uebcrsicht  der  Resultate. 


Vergleichen  wir  zunächst  die  Reihe  der  Alkohole,  so 
zeigt  sich,  dass  beim  Fortschreiten  zu  den  höheren  Gliedern 
der  Charakter  der  Curven,  welche  die  Spannkräfte  als  Func- 
tion der  Mischungsverhältnisse  darstellen,  sich  fortwährend 
in  demselben  Sinn  ändert.  Die  Curven  des  Methylalkohols 
fügen  sich  der  Geraden  an,  welche  die  Spannkräfte  des  reinen 
Wassers  und  des  reinen  Alkohols  verbindet  (Linie  des  arith- 
metischen Mittels).  Für  die  niedrigsten  Temperaturen  liegt 
sie  ganz  unterhalb  derselben,  bei  den  höheren  Temperaturen 
erhebt  sie  sich  theilweise  über  sie.  Alle  Ordinaten  der  Cur- 
ven liegen  zwischen  den  Anfangs-  und  Endordinaten,  die 


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46 


D.  Konowalow. 


Spannungen  der  Gemische  liegen  zwischen  denjenigen  der 
reinen  Flüssigkeiten.  Die  Curven  der  Gemische  des  Aethyl- 
alkohols  liegen  sämmtlich  und  für  die  höheren  Temperaturen 
beträchtlich  oberhalb  der  oben  erwähnten  Geraden.  Aber 
auch  hier  noch  liegt  die  Grösse  aller  Ordinaten  einer  Curve 
zwischen  Anfangs-  und  Endordinate. 

Bei  dem  Propylalkohol  dagegen  liegen  fast  die  ganzen 
Curven  oberhalb  der  beiden  äussersten  Ordinaten,  die  Span- 
nung der  Gemische  ist  grösser,  als  die  jeder  ein- 
zelnen Componente. 

Diese  Curven  haben  folglich  ein  Maximum,  und  zwar 
entspricht  dasselbe  einem  Alkoholgehalt  von  etwa  75  °/©- 
Der  mittlere  Theil  der  Curven  verläuft  ungefähr  geradlinig 
mit  schwacher  Neigung  gegen  die  Abscissenaxe,  sodass  die 
Spannkraft  von  der  Zusammensetzung  fast  unabhängig  ist,  so 
lange  nicht  einer  der  Bestandteile  ausserordentlich  überwiegt. 

Beim  Butylalkohol,  dem  ersten  nur  theilweise  löslichen 
Glied  der  Reihe,  wird  dieser  mittlere  Theil  der  Curve  ge- 
radezu eine  Parallele  zur  Abscissenaxe,  das  Maximum  ist 
zu  einer  Linie  ausgestreckt,  von  deren  Endpunkten  aus  die 
Curve  schnell  zu  den  Grenzordinaten  sinkt.  Die  Ordinate 
des  Maximums  ist  nur  wenig  kleiner  als  die  Summe  der 
letzteren.  Der  Charakter  dieser  Curve  weicht  nur  noch  wenig 
von  .  derjenigen  ab,  die  nach  Regnault  die  Spannung  des 
Gemenges  von  zwei  in  einander  vollkommen  unlöslichen 
Flüssigkeiten  darstellt,  und  welche  aus  zwei  isolirten  Grenz- 
ordinaten und  einer  horizontalen  Geraden  besteht,  deren  Or- 
dinate gleich  der  Summe  jener  ist.  —  Die  Depression  der 
Curve  unter  das  Niveau,  welches  diesem  Grenzfall  entspricht, 
der  Verlust  an  Spannkraft,  den  die  Flüssigkeiten  bei  ihrer 
Mischung  erleiden,  findet  einen  einfachen  numerischen  Aus- 
druck in  der  Grösse  von  p=  S/A+B,  wo  5  die  Spann- 
kraft eines  Gemisches  von  bestimmter  Zusammensetzung, 
A  und  B  die  Einzelspannungen  sind.  Ich  stelle  die  Werthe 
dieser  Grössen  für  das  Mischungsverhältniss  1 : 1  bei  den 
verschiedenen  Beobachtungstemperaturen  zusammen.1) 

1)  Wüllner,  der  fi  für  Acthylalkohol  ebenfalls  bestimmt  hat,  schloss, 
dass  diese  Grösse  stets  eine  constante  sei  (für  das  Mischungsverhältniss 


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D.  Konotcalatr, 


47 


Methylalkohol 

Aethylalkohol 

Propylalkohol 

Isobutylalkohol 

T 

17,0 
29,9 
43,3 
53,5 
65,2 

0,47 

0,48 

0,49 

0,497 

0,51 

T 

15,3  0,6 
40,6  0,6 
60,0  0,6 
70,15  0,6 
80,5  0,6 

T 

19,6 

35,0 
60,0 
80,0 
88,0 

0,77 

0,77 

0,765 

0,75 

0,75 

T  im 

12,1  0,89 
46,8  0,87 
71,4  0,86 
81,6  0,86 
89,1  0,85 

Ganz  ähnliche  Verhältnisse  zeigt  die  homologe  Reihe 
der  Säuren. 


Die  Curven  für  die  Gemische  der  Ameisensäure  haben 
ein  scharf  ausgeprägtes  Minimum,  welches  ungefähr  einem 
Säuregehalt  von  70  °/0  entspricht.  Es  liegt  hier  der  extreme 
Fall  vor  (zu  dem,  mindestens  für  die  Beobachtungstemperaturen, 
bei  der  Alkoholreihe  kein  Analogon  existirt),  dass  die  Spann- 
kräfte für  den  bei  weitem  grössten  Theil  der  Gemische 
kleiner,  als  jede  der  beiden  einzelnen  Spannungen 
Bind. 

Die  Curven  für  Essigsäure  und  Propionsäure  verlaufen 
mit  zunehmendem  Gefälle  von  der  Spannkraft  des  reinen 
Wassers  zu  der  niedrigeren  der  reinen  Säuren.  Die  Con- 
vexität  ist  stärker  für  die  Propionsäure;  die  Spannkräfte 
bleiben  hier  von  0%  Dis  c*rca  60°/o  Säuregehalt  fast  con- 
stant. 

Die  Curven  für  Buttersäure  endlich  besitzen  ein 
Maximum.  Dasselbe  verschiebt  sich  mit  steigender  Tempe- 
ratur zu  Mischungen  von  geringerem  Säuregehalt.  Ich  lasse 
auch  hier  die  Werthe  von  fi  folgen.1) 


Ameisensäure 

Essigsäure 

Propionsäure 

Buttersäure 

T 

T 

u 

T 

T     |  p 

17,0 

0,28 

16,45 

0,45 

16,0 

0,63 

15,0  0,75 

31,8 

0,32 

46,3 

0,725 

31,25  0,79 

54,9 

0,37 

50,0 

0,54 

64,0 

0,76 

52,25  ,  0,87 

80,5 

0,40 

80,2 

0,58 

81,5 

0,80 

79,6  0,87 

100,0 

0,42 

100,0 

0,61 

99,5 

0,79 

99,0  0,89 

1 : 1).  Die  obigen  Zahlen  zeigen,  dass  sie  für  die  verschiedenen  Alkohole 
eine  bald  zunehmende,  bald  abnehmende  Function  der  Temperatur  ist 
(Wällner,  Pogg.  Ann.  129.  p.  353.  1866). 

1)  Die  Abhängigkeit  von  der  Temperatur  tritt  hier  noch  deutlicher, 
als  bei  den  Alkoholen  hervor. 


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48 


D.  Konowalow. 


Folgerungen. 

Es  sollen  nun  die  gewonnenen  Resultate  benutzt  werden, 
um  einige  allgemeine  Folgerungen  über  das  Sieden  gemisch- 
ter Flüssigkeiten  zu  ziehen. 

Die  Spannkraft  der  Dämpfe  einer  aus  zwei  verschiedenen 
Substanzen  bestehenden  Flüssigkeit  ist  im  allgemeinen  eine 
Function  des  Mischungsverhältnisses.  (Der  specielle  Fall  der 
nur  theilweise  in  einander  löslichen  Flüssigkeiten,  für  den 
dies  nach  dem  oben  Gesagten  durchgängig  nicht  gilt,  bleibt 
von  der  folgenden  Betrachtung  ausgeschlossen  und  soll  in 
einer  späteren  Abhandlung  discutirt  werden.)  Eine  solche 
Mischung,  die  sich  in  einem  abgeschlossenen  Raum  befindet, 
werde  auf  constantcr  Temperatur  gehalten.  Wir  denken  uns 
diesen  Raum  ausser  von  festen  Gefässwänden  durch  einen 
beweglichen  Stempel  begrenzt.  Dann  sind  die  Bedingungen 
des  stabilen  Gleichgewichts:  erstens,  dass  der  auf  dem 
Stempel  lastende  äussere  Druck  gleich  dem  Druck  der  ge- 
sättigten Dämpfe  für  die  gegebene  Temperatur  ist;  zweitens, 
dass  bei  der  Vergrösserung  (resp.  Verkleinerung)  des  Dampf- 
raumes der  Dampfdruck  nicht  grösser  (resp.  kleiner)  wird, 
als  der  äussere  Druck.  Der  Druck  kann  also  bei  der  Ver- 
grösserung des  Dampfraumes  entweder  constant  bleiben  oder 
kleiner  werden.  Auf  Grund  dieses  Satzes  können  wir  nun 
die  Beziehung  zwischen  der  Zusammensetzung  der  Flüssig- 
keit und  der  des  Dampfes  aufstellen. 

Erster  Fall.  Die  Dampfspannungscurve  steigt,  ds/dp  >  0, 
wo  s  die  Spannkraft,  p  der  Procentgehalt  der  Flüssigkeit 
A  im  Gemische  ist  Dabei  sei  der  Dampfraum  zunächst  un- 
endlich klein  gedacht.  Wenn  dann  derselbe  vergrössert  wird, 
so  muss  s  ^  s ,  folglich  p  ^  p\  oder  wenn  A  und  B  die 
gegebenen  Mengen  der  Flüssigkeiten  sind,  so  muss  A/B^  ÄjB ', 
wo  Ä  und  B'  die  Fltissigkeitsmengen  nach  der  Vergrösserung 
des  Dampfraumes,  oder  Aj B  ^A  —  aj B  —  b,  wo  a  und  b 
die  Mengen  der  Flüssigkeiten  in  Dampfform,  folglich  A'jB' 
^a/b. 

Zweiter  Fall.    Hat  man  eine  fallende  Curve  (dsjdp<0), 


so  muss: 


sein. 


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D.  Konowalow. 


49 


Dritter  Fall.  Geht  nun  dsjdp  von  >  0  zu  <  0,  oder 
umgekehrt  über,  so  muss  an  der  Stelle,  wo  es  Null  wird: 

B  ~~~  b 

sein.  Folglich:  Jede  Mischung,  der  ein  Minimum 
oder  Maximum  der  Spannkraft  entspricht,  hat  — 
bei  der  betreffenden  Temperatur  —  dieselbe  Zu- 
sammensetzung, wie  Lhi  Dampf.  Hieraus  ergibt  sich, 
dass  die  Flüssigkeitsgemische,  bez.  ihrer  Destillation  in  drei 
scharf  unterschiedene  Gruppen  zerfallen. 

A.  Gemische,  deren  Spannungscurve  weder  ein  Mini- 
mum, noch  ein  Maximum  besitzt.  Bei  ihnen  braucht  kein 
Mischungsverhältniss  zu  existiren,  dessen  Zusammensetzung 
mit  der  seines  Dampfes  identisch  ist.  Existirt  es  thatsäch- 
lich  nicht  —  und  dies  zeigt  die  Erfahrung  (s.  u.)  —  so  wird 
sich  bei  dem  Verdampfen  die  Zusammensetzung  fortwährend 
ändern,  und  folglich  ändert  sich  auch  fortwährend  bei  con- 
stant  gehaltener  Temperatur  die  Spannkraft,  bei  constan- 
tem  äusserem  v  Druck  die  Siedetemperatur :  es  gibt  kein 
constant  siedendes  Gemisch.  Von  welchem  Mischungsver- 
hältnisse man  auch  ausgehen  möge;  das  Endresultat  einer 
fortgesetzten  (wiederholten)  Destillation  ist  stets,  dass  die 
Flüssigkeit  von  höherer  Spannung  rein  übergeht,  die  von 
kleinerer  Spannung  rein  zurückbleibt. 

B.  Gemische,  deren  Spannungscurve  ein  Maximum  be- 
sitzt. Bei  der  Verdampfung  unter  constanter  Temperatur 
bleibt  eine  Flüssigkeit  zurück,  deren  Spannkraft  und  Zu- 
sammensetzung sich  von  der  des  Maximums  entfernt.  Der 
zuerst  gebildete  Dampf  liegt  folglich  näher  am  Maximum. 
Umgekehrt:  bei  constantem  Druck,  bei  der  Destillation,  ent- 
fernt sich  der  Rückstand  von  der  Zusammensetzung,  die  zur 
minimalen  Siedetemperatur  gehört.  Das  erste  Destillat  nähert 
sich  ihr.  Daraus  folgt:  erstens,  destillirt  man  diese  erste 
Portion  nochmals  und  fährt  mit  den  successiven  Destillaten 
in  derselben  Weise  fort,  so  erhält  man  endlich  ein  Destillat 
von  minimaler  Siedetemperatur,  und  dies  ist  ein  constant 
siedendes  Gemisch.    Zweitens,  destillirt  man  das  Gemisch 

Ann.  dL  Phys.  u.  Chem.  N.  F.  XIV.  4 


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50 


■ 

D.  Konowalotc. 


weiter,  so  erhält  man  endlich  einen  Rückstand,  der  nur  noch 
eine  der  beiden  Flüssigkeiten  enthält.  Welche  dies  ist,  hängt 
von  der  ursprünglichen  Zusammensetzung  der  Mischung  ab. 
Sie  ist  dadurch  bestimmt,  dass  die  letztere  zwischen  ihr  und 
der  Mischung  mit  maximaler  Spannkraft  liegt.  Unter  den 
von  mir  untersuchten  Flüssigkeiten  gehören  zu  dieser  Gruppe 
Propylalkohol  und  Buttersäure.  Dass  der  erstere,  mit 
Wasser  im  Yerhältniss  77  zu  23  (ungefähr)  gemischt,  ein 
constant  siedendes  Gemisch  bildet,  ist  bereits  seit  lange  be- 
kannt. Derselben  Zusammensetzung  entspricht  das  Maximum 
in  der  Spannungscurve. 

Die  Destillation  der  mit  Wasser  gemischten  Buttersäure 
habe  ich  selbst  untersucht.  Eine  Mischung  von  etwa  17% 
Säuregehalt  begann  bei  99,8°  zu  sieden.  Das  zuerst  über- 
gehende Destillat  enthielt  circa  20  °/0  Buttersäure,  eine  spä- 
tere Probe  nur  noch  circa  14°/0(bei  99,9°)  endlich  stieg  die 
Temperatur  bis  100°  und  gleichzeitig  wurde  aus  dem  Rück- 
stand durch  Chlornatrium  keine  Buttersäure  abgeschieden. 
Derselbe  bestand  also  bereits  nach  der  ersten  Destillation 
aus  fast  reinem  Wasser,  obwohl  die  Siedetemperatur  des 
letzteren  63°  unter  der  der  Buttersäure  (163°)  liegt.  Um  die 
Mischung  von  maximaler  Spannung  zu  erhalten,  wurde  der 
Process  wiederholt,  in  dem  jedesmal  die  erste  Hälfte  des 
Destillats  der  neuen  Destillation  unterworfen  wurde.  Bei 
der  dritten  Destillation  gingen  bereits  9/i0  der  Flüssigkeit  mit 
constanter  Zusammensetzung  von  25%  Säuregehalt  und  bei 
der  constanten  Temperatur  99,5°  über. 

Es  wurde  ferner  ein  Gemisch  von  ca.  40  %  Säuregehalt 
der  Destillation  unterworfen.  Die  Temperatur  stieg  von 
99,6  bis  163°,  und  der  Rückstand  bestand  aus  reiner  Butter- 
säure. 

C.  Gemische,  deren  Spannungscurven  ein  Minimum  be- 
sitzen. Aus  Ueberlegungen,  die  den  vorstehenden  ganz  ähn- 
lich sind,  folgt,  dass  nach  fortgesetzter  Destillation  der  Rück- 
stand endlich  die  Zusammensetzung  von  minimaler  Spann- 
kraft hat,  das  endliche  Destillat  aber,  wenn  man,  wie  oben, 
stets  die  zuerst  übergehende  Portion  der  neuen  Destillation 
unterwirft,  aus  derjenigen  ungemischten  Flüssigkeit  be- 


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D.  Konowalow.  51 

steht,  die  mit  der  ursprünglichen  Mischung  auf  derselben 
Seite  der  Minimalmischung  liegt.  Dies  ist  der  Fall  bei  der 
Ameisensäure,  welche,  wie  bereits  oben  angegeben,  nach 
Roscoe  im  Verhältniss  von  77,5°*  mit  22,5  °/0  Wasser  ge- 
mischt bei  107,1°  C.  siedet.  Dieses  Mischungsverhältniss  ent- 
spricht dem  Minimum  der  Spannkraft. 

In  der  folgenden  Tabelle  habe  ich  alle  anderen  mir  be- 
kannten constant  siedenden  Gemische  nebst  ihren  Siedetem- 
peraturen und  denen  ihrer  Bestandtheile  zusammengestellt. 


Zuaammer 

UKtZUDg  de« 

Siedetemperatur 

Siedetemperatur 

Siedetemperatur 

Gern 

isches 

d.  ernten  Bert. 

d.  zweiten  Best 

d.  Gemisches 

110° 
126 
127 
107,1 

-  2 

120,5 
85,5 
43 


HCl,  HsO    .  . 

HBr,  H,0    .  . 

HJ,  H.,0  .   .  . 

H,C02,  H20  . 

CH3/U  ' 

HN03,  HsO  . 

C8H80,  H.0  . 

CAO,  CS,  •)  . 


<  -  20° 

<  -  20 

<  -  20 

99,9 

<  -  20 

86 
97,4 
78,3 


100° 
100 
100 
100 

-  21 

100 
100 
48 


Es  zeigt  sich,  dass  bei  allen  die  Siedetemperatur  des 
Gemisches  entweder  grösser  oder  kleiner,  als  die  jedes  Be- 
standtheiles  ist,  d.  h.  dass  ihre  Spannungscurven  sämmtlich 
ein  Minimum  oder  ein  Maximum  besitzen.  Die  bis  jetzt 
vorliegenden  Erfahrungen  führen  demnach  zu  dem  Satz,  dass 
die  Existenz  eines  solchen  Punktes  nicht  nur  die  ausreichende, 
sondern  auch  die  nothwendige  Bedingung  für  das  Vorhanden- 
sein eines  constant  siedendes  Gemisches  bildet.  Man  hat 
diesen  Gemischen  früher  eine  einfache  moleculare  Zusammen- 
setzung zugeschrieben  und  sie  als  Hydrate  bezeichnet.  Doch 
hat  schon  Roscoe3)  gezeigt,  dass  sich  ihre  Zusammensetzung 
mit  dem  Druck  ändert,  unter  welchem  sie  destillirt  werden. 


1)  Friedel,  Bull.  Soc.  Chim.  24.  p.  160.  1875. 

2)  Bcrthelot,  Compt.  rend.  67.  p.  430.  1868. 

3)  Roscoe,  Jahresber.  f.  Ch.  p.  235.  1862.  —  Lieb.  Ann.  112. 
p.  327.  1859  iL  110.  p.  203.  1860. 

4* 


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52 


H.  Helmholtz. 


Dasselbe  ergeben  raeine  Beobachtungen  für  die  Buttersäure. 
Es  ist»  demnach  unmöglich,  dass  diese  Gemische  im  allge- 
meinen nach  einfachen  molecularen  Verhältnissen  zusammen- 
gesetzt  sind. 

Phys.  Inst.  d.  Univ.  Strassburg  i.  E.,  Juli  1881. 


V.  lieber  eine  electrodynanvteche  Wage; 
von  H.  Helmholt».1) 

Um  die  durch  die  Veränderungen  der  Richtung  und  In- 
tensität des  Erdmagnetismus  verursachten  Störungen-  bei  der 
Messung  galvanischer  Ströme  durch  ihre  electromagnetische 
Wirkung  zu  vermeiden,  habe  ich  mich  bemüht  eine  electro- 
dynamische  Wage  zu  construiren.  An  den  Enden  des  Bal- 
kens einer  kleinen  chemischen  Waage  habe  ich  statt  der 
Schalen '  zwei  Spiralen  von  Kupferdraht  aufgehängt,  deren 
Höhe  ihrem  inneren  Durchmesser  gleich  ist.  Ihre  Axe  ist 
vertical,  sie  können  sich  um  dieselbe  nicht  drehen.  Zwei 
grössere,  ebenso  hohe  Spiralen  von  grösserem  Radius  werden 
in  einer  festen  Stellung  von  einem  horizontalen  Metallstabe 
gehalten,  der  in  seiner  Mitte  an  der  die  Wage  tragenden 
Säule  befestigt  ist.  Die  Verbindungen  der  Drähte  sind  der- 
art angeordnet,  dass  die  eine  der  beweglichen  Spiralen  von 
der  festen  angezogen,  die  andere  abgestossen  wird.  Beide 
feste  Spiralen  liegen  etwas  oberhalb  der  beweglichen.  Die 
angezogene  Spirale  hebt  sich,  die  abgestossene  sinkt  beim 
Durchleiten  des  Stromes  durch  den  Schliessungskreis. 

Bei  der  Construction  einer  solchen  Wage  sind  zwei 
Schwierigkeiten  zu  überwinden.  Erstens  muss  der  Strom  in 
die  beweglichen  Spiralen  ohne  Verminderung  ihrer  Beweg- 
lichkeit und  ohne  Einführung  schwach  aneinander  gepresster 
Contact stellen,  wodurch  der  Widerstand  verändert  würde,  ein- 
geführt werden.  Diese  Schwierigkeit  Hess  sich  in  sehr  befrie- 
digender Weise  durch  Anwendung  von  Rauschgold  beseitigen. 
Etwa  30  cm  lange  und  6 — 7  mm  breite  Streifen  hiervon  sind 

1)  Aus  Proceedings  of  the  London  Roy.  Soc.  1881.  April  7. 


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H.  Helmholtz.  53 

sehr  biegsam,  zeigen  keine  innere  Reibung,  haben  einen  sehr 
massigen  Leitungswiderstand  und  werden  infolge  ihrer  relativ 
grossen  Berührungsfläche  mit  der  Luft  nicht  leicht  erhitzt. 
Jede  der  beweglichen  Spiralen  wurde  mit  den  anderen  den 
Strom  leitenden  Drähten  durch  zwei  solche  Streifen  verbun- 
den,  welche  von  den  am  oberen  Theil  des  Glaskastens  der 
Wage  befestigten  Messingstücken  herunterhängen.1) 

Die  zweite  Schwierigkeit  ist  die  Spiralen  in  eine  solche 
Lage  zueinander  zu  bringen,  dass  weder  die  Stabilität  noch 
die  Empfindlichkeit  der  Wage  beeinträchtigt  wird.  Hierzu 
darf  die  Intensität  der  electrodynamischen  Kraft  während 
der  gewöhnlichen  kleinen  Schwingungen  der  Wage  sich 
nicht  zu  sehr  ändern.  Diese  Kraft  ist  bekanntlich  Null,  wenn 
die  Mitte  der  beweglichen  Spirale  in  einer  Höhe  mit  der  der 
festen  liegt,  sodann  bei  unendlicher  Entfernung  beider  Spi- 
ralen von  einander.  Zwischen  beiden  Lagen  existirt  ein 
Maximum  der  Kraft,  welches  nahezu  der  Coincidenz  der 
oberen  Fläche  der  einen  mit  der  unteren  Fläche  der  anderen 
Spirale  entspricht.  Zwischen  der  centralen  Lage  und  den 
Lagen  der  Maximalwirkung  ist  der  Differentialquotient  der 
Kraft  bei  wachsendem  Abstand  der  Mittelpunkte  der  Spi- 
ralen positiv  und  wird  bei  Ueberschreitung  der  Lage  der 
Maximalwirkung  negativ.  Bei  unendlicher  Entfernung  wird 
er  wieder  Null.  Zwischen  der  Lage  der  Maximalwirkung 
und  der  unendlichen  Entfernung  muss  es  also  eine  Lage 
geben,  wo  der  negative  Differentialquotient  der  Kraft  ein 
Maximum  hat,  und  der  zweite  Differentialquotient  Null  ist. 
Diese  Lage  muss  man  den  Spiralen  geben.  Da  stets  der 
Abstand  des  einen  Spiralenpaares  um  ebenso  viel  vermindert 
wird,  wie  der  des  anderen  vermehrt  wird,  so  hängt  die  Ver- 
änderung der  Kraft  nur  vom  zweiten  Differentialquotienten 
ab.  Ist  derselbe  positiv,  so  erzeugt  der  Strom  ein  labiles 
Gleichgewicht;  ist  er  negativ,  so  wird  die  Stabilität  der 

1)  Solche  Streifen  von  Rauschgold,  durch  welche  ein  Strom  geleitet 
wird,  und  die  zwischen  die  Magnetpole  gehängt  werden,  können  sehr  gut 
zur  Demonstration  der  Wirkung  des  Magnets  auf  bewegliche  Leiter 
dienen.  Sie  werden  angezogen,  abgestossen,  gegen  die  Schwere  gehoben, 
oder  in  Spiralen  um  den  Magnet  gewickelt,  je  nach  der  Lage  des  letzteren. 


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54 


V.  Strouhal  u.  C.  Barus. 


"Wage  vermehrt;  d.  h.  sie  ist  mit  Strom  weniger  empfindlich 
als  ohne  Strom.  Werden  die  Spiralen  auf  die  richtige  Ent- 
fernung gebracht,  so  wird  weder  die  Empfindlichkeit  noch 
die  Stabilität  der  Wage  geändert,  und  auf  diese  Weise  kann 
man  die  richtige  Stellung  finden. 

Ist  der  Apparat  gut  eingestellt,  so  ist  der  Fehler, 
welcher  bei  der  Einstellung  der  Wage  gemacht  werden  kann, 
nicht  grösser  als  ein  Milligramm.  Da  die  durch  den  Strom 
ausgeübte  Kraft  dem  Quadrat  der  Intensität  proportional 
ist,  so  bestimmt  man  die  Intensität  eines  Stromes,  welcher 
durch  ein  Gramm  äquilibrirt  wird,  bis  auf  72000-  Die 
Kraft,  welche  der  electrodynamischen  Kraft  entgegenwirkt 
und  sie  misst,  ist  allein  die  Schwere  und  keinen  Schwan- 
kungen unterworfen,  wie  der  Erdmagnetismus  oder  die  Elas- 
ticität  eines  gedrillten  einfachen  oder  bifilaren  Drahtes,  an 
welchem  solche  Spiralen  aufgehängt  sind. 

Die  Bestimmungen  der  electrodynamischen  Aequivalente 
des  einem  Gegengewicht  von  1  g  entsprechenden  Stromes, 
welche  durch  verschiedene  Beobachter  während  des  letzten 
Jahres  angestellt  wurden,  haben  eine  sehr  befriedigende 
Uebereinstimmung  ergeben. 


VT.    lieber  die  Aenderung  der  thermoelectrischen 
Stellung  des  Eisens  und  des  Stahls  durch  Magne- 
tisirung;  van  V.  Strouhal  und  C.  Barus. 

Es  liegen  bereits  viele  Thatsachen  vor,  welche  beweisen, 
dass  die  Molecularstructur  des  Eisens  und  des  Stahls 
durch  Magnetisiren  eine  je  nach  der  Magnetisirungsrich- 
tung  im  allgemeinen  verschiedene  Aenderung  erfährt,  und 
dass  infolge  dessen  auch  alle  durch  die  Molecularstructur 
bedingten  Eigenschaften,  wie  das  thermische  und  galva- 
nische Leitungsvermögen  und  das  thermoelectrische 
Verhalten  des  Eisens  und  des  Stahls,  ebenfalls  geändert 
werden.  In  Betreff  des  galvanischen  Leitungs  Vermögens 
sind  die  Versuche  von  Beetz1)  als  diejenigen  hervorzuheben, 

1)  Beetz,  Pogg.  Ann.  128.  p.  202.  1866. 


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V.  Strouhal  it.  C  Bants. 


55 


welche  gegenüber  den  vielen  früheren,  einander  zum  Theil 
widersprechenden  Versuchen  anderer  Beobachter1)  entschei- 
dende Resultate  auf  diesem  Gebiete  geliefert  haben,  und 
zwar  in  dem  Sinne,  dass  bei  longitudinal  magneti- 
sirten  Drähten  eine  Zunahme  des  Widerstandes  (von 
etwa  0,03  bis  0,06  Proc.)  eintritt,  dass  dagegen  bei 
transversal  magetisirten  Drähten  eine  Widerstands- 
änderung (die  grösser  wäre  als  etwa  0,0005  Proc.)  nicht 
nachweisbar  ist.  In  Betreff  des  thermoelectrischen 
Verhaltens  müssen  noch  die  ersten  und  zugleich  die  ein- 
zigen über  diese  Frage  angestellten  Versuche  von  Thom- 
son2) als  massgebend  hingestellt  werden,  aus  welchen  eine 
Aenderung  in  dem  Sinne  sich  ergibt,  dass  ein  longitu- 
dinal magnetisirter  Draht  electropositiver ,  ein 
transversal  magnetisirter  electronegativer  wird,  so- 
dass also  der  Thermostrom  durch  heiss  vom  unmagnetischen 
zum  longitudinal  magnetischen,  beziehungsweise  vom  trans- 
versal magnetischen  zum  unmagnetischen  Drahte  fliesst. 

Diese  Thatsachen  werden  von  besonderer  Wichtigkeit 
bei  Beurtheilung  der  Frage,  in  wie  fern  man  das  Maass 
für  den  Härtegrad  des  Eisens  und  des  Stahls,  das  wir 
für  den  unmagnetischen  Zustand  der  Drähte  angewandt 
haben3),  auch  auf  den  magnetischen  Zustand  derselben  aus- 
dehnen darf.  Wenn  der  Härtegrad  eines  Drahtes  durch 
seinen  galvanischen  Widerstand  und  seine  thermoelectrische 
Stellung  gemessen  werden  soll,  und  wenn  durch  Magnetisiren 
diese  beiden  Eigenschaften  sich  beträchtlich  ändern  würden, 
wobei  doch  der  Härtegrad  keine  Aenderung  erfährt,  so 
müsste  man  wohl  eine  solche  Wahl  des  Maasses  für  nicht 
zweckmässig  erklären  oder  wenigstens  zwischen  den  beiden 
Zuständen,  dem  magnetischen  und  unmagnetischen,  streng 
unterscheiden. 

Was  zunächst  den  transversalen  Magnetismus  be- 
trifft, so  ist  derselbe  nach  den  Beobachtungen  von  Beetz 

1)  Eine  Zusammenstellung  und  theilweise  Kritik  dieser  Versuche  ent- 
hält Gr.  Wiedemann,  Galv.  2,  a.  p.  586. 

2)  W.Thomson,  Phil.  Trans.  8.  p.722.  1856. 

3)  Strouhal  u.  Barus,  Wied.  Ann.  11.  p.  930.  1880. 


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56 


V.  Strouhal  u.  C.  Bants. 


auf  den  galvanischen  Leitungswiderstand  ohne  Ein- 
fluss.  Da  sonst  die  thermoelectrische  Stellung  in 
der  Veränderlichkeit  gleichen  Schritt  hält  mit  dem  gal- 
vanischen Leitungsvermögen,  so  sollte  man  erwarten, 
dass  auch  das  thermoelectrische  Verhalten  durch  den 
transversalen  Magnetismus  keine  Aenderung  erfährt,  und 
dass  somit  die  Beobachtungen  Thomson's  vielleicht  auf 
andere  Ursachen  zurückzuführen  wären. 

Praktisch  wichtiger  als  der  transversale  ist  der  longi- 
tudinale  Magnetismus.  Der  Einfluss  einer  longitudinalen 
Magnetisirung  auf  den  Leitungswiderstand  ist  indessen  nach 
den  Beobachtungen  von  Beetz  doch  nur  ein  sehr  kleiner, 
indem  er  im  ungünstigsten  Falle  etwa  ein  halbes  Zehntel 
Procent  beträgt  und  beim  Stahl  wahrscheinlich  noch  kleiner 
als  beim  Eisen  ist.  Auf  den  Härtezustand  übertragen,  würde 
diese  Veränderung  einem  so  geringen  Unterschied  im  Härte- 
grade entsprechen,  dass  derselbe  praktisch  kaum  von  Bedeu- 
tung ist.  Man  kann  somit,  trotzdem  dass  der  Leitungswider- 
stand eines  Stahldrahtes  durch  longitudinale  Magnetisirung 
sich  ändert,  denselben  doch  als  Maass  des  Härtezustandes 
beibehalten,  da  eben  diese  Aenderung  von  nur  sehr  geringem 
Betrage  ist. 

Was  das  thermoelectrische  Verhalten  betrifft,  so  ist  fol- 
gender Umstand  besonders  hervorzuheben.  Bei  Verände- 
rungen des  Härtezustandes  eines  Stahldrahtes  ändert  sich 
sein  Leitungswiderstand  und  seine  thermoelectrische  Stellung 
gleichzeitig,  und  zwar  in  dem  Sinne,  dass  bei  wachsendem 
Widerstände  der  Draht  thermoelectrisch  negativer  wird. 
Es  ist  bemerkenswerth,  dass  beim  Magnetisiren  eine  Verän- 
derung im  entgegengesetzten  Sinne  eintritt,  indem  durch 
Magnetisirung  der  Widerstand  des  Drahtes  (nach  Beetz) 
zunimmt,  der  Draht  selbst  dagegen  (nach  Thomson) 
electropositiver  wird.  Mit  anderen  Worten:  Bei  Unter- 
schieden im  Härtezustande  fliesst  der  Therniostrom  heiss  vom 
schlechter  leitenden  zum  besser  leitenden  Drahte, 
dagegen  bei  Unterschieden  im  magnetischen  Znstande  umgekehrt 
vom  besser  leitenden  zum  schlechter  leitenden. 

Dieses  auffallende  Verhalten  einerseits,  sowie  noch  mehr 


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V.  Strouhal  u.  C.  Bants. 


57 


der  Umstand,  dass  Thomson's  Versuche  bloss  qualitativ 
gewesen,  für  uns  dagegen  quantitative  Angaben  über  den 
Betrag  der  Veränderung  der  thermoelectrischen  Stellung 
durch  Magnetisirung  sehr  erwünscht  waren,  veranlasste  uns, 
eine  Wiederholung  des  Thomson'schen  Versuches  anzustellen. 

Ein  ausgeglühter  Eisendraht,  etwa  0,8  mm  dick  und 
400  mm  lang,  mit  seinen  beiden  Enden  an  Kupferdrähte  an- 
geklemmt, wurde  sammt  einem  der  beiden  Knpferdrähte 
durch  eine  Magnetisirungsspule  gesteckt  und  in  deren  Axe 
befestigt.  An  beiden  Seiten  der  Spule,  in  möglichster  Nähe 
derselben,  befanden  sich  zwei  doppelt  tubulirte,  mit  Petroleum 
gefüllte  Ballons,  in  denen  die  beiden  Endstellen  des  Drahtes 
auf  verschiedene  Temperaturen  t  und  T  gebracht  wurden. 
Im  übrigen  war  die  Anordnung  des  Versuchs,  sowie  die  Be- 
obachtungsmethode dieselbe  wie  bei  unseren  früheren  ther- 
moelectrischen Bestimmungen1),  und  es  möge  deshalb  zur 
Vermeidung  weitläufiger  Beschreibungen  dahin  verwiesen 
werden. 

Die  Magnetisirungsspule,  223  mm  lang,  enthielt  10  Lagen 
von  je  etwa  55  Windungen  eines  nahe  3  mm  dicken  Kupfer- 
drahtes. 

Als  Stromquelle  wurde  eine  Siemens'sche  dynaraoelec- 
trische  Maschine  angewandt.  Die  Stromstärke,  an  einer 
Tangentenbussole  gemessen,  ergab  sich  bei  den  angewandten 
Widerständen  im  Mittel  als: 


Bezeichnet  bei  einer  Magnetisirungsspirale  a  die  halbe 
Länge,  r  den  Halbmesser  einer  Windungslage,  n  die  Anzahl 
der  Windungen,  und  ist  ferner  b  die  halbe  Länge  des  zu 
magnetisirenden  £)rahtes,  so  berechnet  sich  die  magne- 
tische Scheidekraft  Xb  einer  Windungslage  auf 
den  äussersten  Punkt  (im  Abstände  b  von  der  Mitte) 
des  Eisendrahtes  als: 


1)  Strouhal  u.  Barus,  Uebcr  Anlassen  des  Stahls.  Würzburg  1880. 


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58 


V.  Strouhal  u.  C.  Bants. 


und  die  mittlere  Scheidekraft  X  einer  Windungslage 
auf  den  ganzen  Eisendraht  als: 

X=  ^[V(a  +  *)*  +  r»  -  W-  £)2T^]. 

Für  unsere  Spule  ergibt  die  Rechnung,  für  alle  Windungs- 
lagen ausgeführt,  die  Zahlen: 

2Xb  =  350    m,g'2  ,  SX  =  5280    mf*  • 

mm  •  sec  min  /?  sec 

Diese  Zahlen  berechtigen  wohl  zu  der  Annahme,  dass 
der  Eisendraht  dem  Zustande  der  vollen  magnetischen  Sät- 
tigung wenigstens  sehr  nahe  gewesen.1) 

Die  Bestimmung  des  magnetischen  Einflusses  auf  die 
thermoelectrische  Stellung  des  Eisendrahtes  geschah  nun  in 
der  Weise,  dass  zuerst  eine  Beobachtungsreihe  ohne  Strom, 
dann  mit  Strom,  dann  wieder  zur  Controle  ohne  Strom  aus- 
geführt und  jedesmal  fünf  Bestimmungen  der  thermoelectri- 
schen  Kraft  e  (im  compensirten  Zustande,  Einheit  Siemens- 
Weber)  angestellt  wurden.  Die  Drahtleitung  vom  Beobach- 
tungszimmer zum  Thermoelement  bestand  aus  Kupferdraht 
einer  und  derselben  Sorte,  sodass  in  dieser  Leitung  ein  Auf- 
treten fremder  electromotorischer  Kräfte  nicht  zu  befürchten 
war.  Das  Thermoelement  mit  der  magnetisirenden  Spule 
befand  sich  in  einem  vom  Beobachtungszimmer  sehr  entfern- 
ten Locale,  sodass  ein  directer  Einfluss  der  Magnetisirungs- 
spule  auf  das  sehr  empfindliche  Sauerwald'sche  Galvanoskop, 


1)  Die  grösstc  mittlere  Scheidekraft,  welche  Ruths  (Ueber  den  Mag- 
netismus weicher  Eisencylinder.  Dortmund  1876.  Beibl.  1.  p.65)  bei  seinen 
Untersuchungen  über  das  Verhalten  des  temporären  Magnetismus  angewandt 
hat,  war  X  =  400  bei  Eisendrähten  und  X  =  1470  bei  Stahldrähten.  Die 
Drähte  befanden  sich  dabei  im  homogenen  magnetischen  Felde.  Letzteres 
war  bei  unserer  Anordnung  nicht  der  Fall,  indem  die  magnetische 
Scheidekraft  für  den  äussersten  Punkt  des  Eisendrahtes  350,  für  den 
mittleren  Punkt  dagegen  9400  gewesen  ist.  Gegenüber  diesen  grossen  cen- 
tralen Kräften  und  der  grossen  durch  sie  bedingten  magnetischen  Induc- 
tion  erscheint  jedoch  die  obige  Annahme  der  genäherten  magnetischen 
Sättigung  auch  für  den  äussersten  Punkt  des  Eisendrahtes  nicht  unbe- 
rechtigt 


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V.  Stroukal  u.  C.  Bants. 


59 


an  welchem  die  Compensation  des  Thermoelementes  durch 
einen  Zweigstrom  des  DanielTschen  Elementes  beobachtet 
wurde,  nicht  nachweisbar  war. 

Im  Folgenden  sind  die  Resultate  der  erwähnten  drei  Be- 
obachtungsreihen zusammengestellt.  Der  Berechnung  der 
electromotorischen  Kraft  e  aus  den  Temperaturen  T  und  t 
wurde  die  Formel: 

e^a{T-t)^b{Tn--t%) 

zu  Grunde  gelegt.  Nach  dieser  wurden  bei  der  I.  und 
III.  Reihe  die  Constanten  a  und  b  ermittelt  und  aus  den 
Mittelwerthen  derselben  für  das  Element:  Kupfer  —  unmag- 
netisches Eisen  wurden  bei  der  II.  Reihe  für  die  Beobach- 
tungstemperaturen üTund  t  diejenigen  Werthe  von  e  berechnet, 
welche  dem  unmagnetischen  Eisendraht  entsprechen  würden. 
Diese  Werthe  sind  in  der  Zusammenstellung  in  Klammern 
den  wirklich  beobachteten  beigefügt. 


t 

T 

1  «.10» 
beobachtet 

e  .  10 3 
berechnet 

Diff. 

I.  Draht  , 
umnagiietisch 

15,5 
15,4 
15,3 
15,3 
15,2 

71,9 
60,1 
50,0 
39,7 
31,0 

5,938 
4,810 
3,839 
2,755 
1,803 

t  5,937 
4,824 
3,824 
2,745 
1,809 

+  1 
-14 

15 
10 
-  6 

a.l05=  12,484 
Ä.10^-2,24 

IL  Draht 
magnetisch 

15,1 
15,0 
15,0 
15,0 
14,9 

88,6 
72,5 
58,2 
46,2 
35,9 

7,097 
6,093 
4,725 
3,500 
2,416 

(7,045) 
(6,058) 
(4,689) 
(3,470) 
(2,384) 

52 
35 
36 
30 
32 

TJI.  Draht  < 
uii  magnetisch 

i 

14,8 
14,8 
14,8 
14,7 
14,7 

90,8 
79,3 
67,8 
54,0 
45,4 

7,724 
6,694 
5,644 
4,303 
3,428 

7,708 
6,707 
5,645 
4,307 
3,423  i 

16 

-13 
-  1 

a.l05= 12,487 
6.107=:-2,22 

Die  Vergleichung  der  beobachteten  electromotorischen 
Kräfte:  Kupfer-Eisen  magnetisch  mit  den  aus  den  Con- 
stanten a  und  b  berechneten  Kräften:  Kupfer-Eisen 
unmagnetisch  ergibt  eine  Bestätigung  der  Beobachtungen 
von  W.  Thomson.  Ein  longitudinal  magnetischer 
Eisendraht  ist  thermoelectrisch  positiver  als  ein 
unmagnetischer. 


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60 


V.  Strouhal  u.  C.  Barus 


Indessen  sind  die  Abweichungen  verhältnissniässig  gering 
und  gehen  bei  den  angewandten  Temperaturen  in  diejenigen 
Decimalstellen  ein,  welche  auch  schon  durch  Beobachtungs- 
fehler theilweise  beeinflusst  werden.  Mit  Rücksicht  auf 
diesen  Umstand  würden  sich  die  Constanten  des  Thermo- 
elements unmagnetisches  —  magnetisches  Eisen  aus  den  vor- 
liegenden Beobachtungsreihen  nicht  mit  befriedigender  Sicher- 
heit ableiten  lassen. 

Wir  haben  deshalb  noch  andere  Beobachtungen  bei 
grösseren  Temperaturdifferenzen  in  der  Weise  angestellt,  dass 
die  Temperaturen  t  und  T  möglichst  constant  gehalten  und 
die  thermoelectrische  Kraft  e  abwechselnd  bei  geschlossenem 
und  unterbrochenem  Strome  bestimmt  wurde.  Wenn  bei 
unterbrochenem  Strome  bei  passender  Wahl  der  Widerstände 
der  Thermostrom  durch  einen  Zweigstrom  des  Danieirschen 
Elementes  compensirt  wurde,  und  somit  das  Spiegelgalvano- 
meter keinen  Ausschlag  ergab,  so  zeigte  sich  bei  geschlosse- 
nem Strome  sofort  ein  bleibender  Ausschlag  des  Spiegel- 
galvanometers, und  zwar  im  Sinne  einer  Zunahme  des  Ther- 
mostromes.  Dass  man  es  hier  mit  wirklichen  Aenderungen 
der  thermoelectrischen  Stellung  zu  thun  hatte  und  nicht  etwa 
mit  anderen  Einflüssen,  welche  jenen  Ausschlag  bedingt 
hätten,  dafür  stimmt  der  quantitativ  regelmässige  Verlauf 
der  Abweichungen  bei  Anwendung  verschiedener  Tempera- 
turen T.  Als  solche  wurden  gewählt  die  Siedetempera- 
turen von  Wasser  und  Anilin  und  die  Schmelztem- 
peratur von  Blei. 

Im  Folgenden  sind  die  Mittelwerthe  angeführt,  wie  sie 
sich  bei  den  drei  angewandten  Temperaturen  aus  vielen  ab- 
wechselnd vorgenommenen  Beobachtungen  bei  offenem  und 
geschlossenem  Strom  ergeben  haben.  Für  die  Differenzen 
der  electromotorischen  Kraft  e  bei  offenem  und  geschlosse- 
nem Strome  sind  auch  die  Constanten  a  und  b  des  Elementes 
unmagnetisches  —  magnetisches  Eisen  berechnet. 

Die  Variation  der  thermoelectrischen  Constante  a  des 
Eisens  durch  Magnetisirung  beträgt  somit  0,037.  Nun  er- 
reicht die  Variation  dieser  Constante  beim  Stahl  durch 
Härten  und  Ausglühen  den  Werth  13,5. 


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V.  Strouhal  n.  C.  Bants. 


61 


t 

T 

e  . 103  ,  o.lO3 
beobachtet  berechnet 

Dift. 

> 

._ 

L  Draht  | 
unmagnetisch  | 

16,5 
15,4 
17 

99,2 
184,0 
328 

8,26 
13,22 
12,35 

8,28 
13,17 
12,40 

-2 
+  5 
-5 

a.l0»*=  13,05 
b  107=-2  62 

n.  Draht  J 
magnetisch  | 

16,5 
1  s 

17 

99,2 
184,0 
328 

8,30 

io,r>rr 

12,62 

8,32 
12,67 

-2 
+  6 

-5 

a.l05=  13,08 
6.107=-2,61 

Element:  | 

unmagnet.  —  J 
magnetisches  | 
Eisen 

16,5 
15,4 
17 

99,2 
184,0 
328 

0,042 
0,119 
0,267 

0,044 
0,111 
0,272 

-2 
+  8 
-5 

a.l05= +0,037 
&.107= +0,015 

Also  selbst  in  dem  Falle,  dass  sich  Stahl  betreffs  Mag- 
netisirung  quantitativ  gleich  verhalten  würde  —  was  jedoch 
nach  Thomson's  Beobachtungen  nicht  der  Fall  ist  —  würde 
die  Variation  durch  Magnetisirung  gegenüber  der  Gresammt- 
variation  durch  Härtung  nur  den  verhältnissmässig  kleinen 
Betrag  von  wenigen  Zehnteiprocenten  bei  vollständiger  mag- 
netischer Sättigung  erreichen.  Falls  es  sich  —  wie  prak- 
tisch immer  —  nur  um  den  permanenten  Magnetismus  han- 
delt, ist  dieser  Betrag  noch  beträchtlich  kleiner,  sodass  gegen 
die  Anwendung  der  thermoelectrischen  Constante  als  Maass 
des,  Härtezustandes  auch  für  magnetische  Drähte  kein  Be- 
denken entsteht.  Immerhin  bleibt  es  bemerkenswerth ,  dass 
in  der  That  der  Thermostrom  bei  magnetischen 
Unterschieden  in  entgegengesetztem  Sinne  fliesst 
als  bei  Härteunterschieden,  nämlich  vom  besseren 
zum  schlechteren  Leiter,  was  wohl  die  Verschieden- 
artigkeit der  die  Erscheinung  bedingenden  Ursachen  charak- 
terisirt. 

Würzburg,  Physikal.  Inst.,  10.  Juni  1881. 


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62 


J.  Moser 


VII.   Der  Kreisprocess  9  erzeugt  durch  den  Beae- 
tionsstrom  der  electrolytischen  Veberführung  und 
durch  Verdampfung  und  Condensation; 
von  James  Moser. 

(Aus  den  Nova  Acta  der  k.  Leop.-Carol.-Deutsch.  Acad.  der  Natiirforsch. 
Bd.  41.  Th.I.  Nr.  1;  mitgeteilt  vom  Hrn.*  Verf.) 


§  1.    Der  ßeactionsstrom  der  Ueberführung. 

Zur  Erlangung  einer  klaren  Uebersicht  über  das  Gebiet 
der  electromotorischen  Kräfte  der  galvanischen  Ketten  ist 
vor  allem  die  Frage  zu  stellen  und  zu  beantworten,  inwie- 
weit die  electromotorische  Kraft  einer  Kette  chemischer  An- 
ziehungskraft und  inwieweit  der  Anziehungskraft  zwischen 
dem  Wasser  und  den  darin  gelösten  Verbindungen  entspricht. 
Indem  ich  letztere  beiden  Kräfte  einander  gegenüber  stelle, 
folge  ich  der  gegenwärtigen  Auffassung,  die  zwar  beide  Kräfte 
gemeinsam  als  Ursache  von  thermischen  und  electrischen 
Wirkungen,  von  Volumenänderungen  u.  s.  w.  betrachtet,  aber 
unterscheidet  zwischen  chemischer  Anziehungskraft  einerseits, 
welche  die  verschiedenen  Elemente  nach  dem  Gesetz  der 
multiplen  Proportionen  verbindet,  und  der  Anziehungskraft 
andererseits,  welche  die  gelösten  Substanzen  gleichmässig  im 
Wasser  in  beliebiger  Proportion  vertheilt.1) 

Die  Aufgabe  ist  also,  die  Wirkungen  dieser  beiden 
Kräfte  zu  trennen.  Es  ist  entweder  eine  galvanische  Kette 
herzustellen,  in  welcher  nur  chemische  Anziehungskraft,  oder 
eine  Kette,  in  welcher  nur  die  Anziehungskraft  zwischen  dem 
Wasser  und  den  gelösten  Substanzen  stromerzeugend  wirkt. 

Beobachtungen  an  Ketten  der  letzteren  dieser  beiden 
Arten  will  ich  zunächst  mittheilen.  In  der  vorliegenden  Ab- 
handlung jedoch  wird  nur  von  Ketten,  in  welchen  gar  keine 
chemischen  Differenzen  bestehen,  und  erst  in  einer  folgenden 

1)  Diese  Gegenüberstellung  zeigt,  wie  misslich  die  gegenwärtige  An- 
nahme einer  Verschiedenheit  der  beiden  Kräfte  ist.  Die  Frage  nach  der 
Einerleiheit  derselben,  welche  mit  der  vielfach  erörterten  nach  der 
Existenz  constanter  Hydrate  in  wässerigen  Lösungen  zusammenfallt,  ist 
jedoch  noch  durch  Versuche  zu  entscheiden. 


V 


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J.  Moser. 


63 


von  Ketten,  in  denen  die  Wirkungen  vorhandener  chemischer 
Differenzen  sich  aufheben,  die  Rede  sein. 

Bei  der  Herstellung  einer  Kette,  in  welcher  nur  die  An- 
ziehungskraft zwischen  dem  Wasser  und  der  gelösten  Sub- 
stanz die  treibende  Kraft  ist,  waren  also  alle  chemischen 
Processe  auszuscheiden.  Es  durften  nur  Verschiedenheiten 
der  Concentration  vorhanden  sein  oder  Aenderungen  derselben 
während  des  Stromes  eintreten.  Ebenso  mussten  zur  Elimini- 
rung  aller  chemischen  Wirkungen  die  Electroden  aus  dem- 
jenigen Metall  bestehen,  welches  sich  in  der  Lösung  befand. 

Zwei  Gläser  mit  verschieden  concentrirten  Lösungen 
desselben  Salzes  wurden  durch  einen  Heber  verbunden  und 
durch  eine  metallische  Leitung  mit  den  eben  erwähnten 
Electroden  der  Kreis  geschlossen.  Dann  beobachtete  ich  in 
allen  untersuchten  Fällen,  bei  Zink-,  Kupfer-,  Eisen-,  Silber- 
salzen, der  Schwefel-,  Salz-,  Salpeter-,  Essigsäure  und  vielen 
anderen,  dass  die  Anziehungskraft  zwischen  dem  Salz  und 
dem  Wasser  allein  und  ganz  analog  der  von  ihr  immer  ge- 
trennt betrachteten  chemischen  Anziehungskraft  einen  Strom 
erzeugt,  der  gesetzmässig,  in  allen  Fällen  übereinstimmend, 
in  der  Flüssigkeit  von  der  verdünnteren  zur  concentrirteren 
Lösung  geht.1)    Sein  Schema  ist: 

Zn,  verdünntes  ZnS04,  concentrirtes  ZnS04,  Zn. 

Dieser  Strom,  der  in  der  verdünnten  Lösung  Metall  auf- 
löst, in  der  concentrirten  ausscheidet,  dessen  Arbeit  darin 
besteht,  dass  die  Concentrationen  sich  ausgleichen,  verschwin- 
det, wenn  eine  Gleichmässigkeit  der  Concentration  erreicht 
ist.  Er  ist  aufzufassen  als  Reactionsstrom  gegen  die  Ueber- 
führung  der  Ionen,  wie  der  Polarisationsstrom  Reactions- 
strom gegen  den  Zersetzungsstrom  ist.  Denn  wird  irgend 
ein  Salz  electrolysirt,  so  wird  immer  die  Lösung  an  der 
Anode  concentrirter,  an  der  Kathode  verdünnter.  Meine 
Versuche  ergeben,  dass  dann  eine  electromotorische  Kraft  auf- 
tritt, welche  der  der  electrolysirenden  Batterie  entgegenwirkt. 

Schon  1804,  also  29  Jahre  vor  Faraday's  Entdeckung 
der  Ueberführung,  hat  C.  F.  Buchholz  „eine  merkwürdige 

1)  Vorläufige  Mitteilung  dieses  Stromes.  Naturf.  Vers.  München  Sept. 
1877.  Berl.  Monatsber.  8.  Nov.  1877. 


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64 


J.  Moser. 


Absonderung  von  Zinn  in  regulinischer  Gestalt  aus  seiner 
Auflösung  in  Salzsäure"1),  auf  welche  er  Wasser  gegossen 
hatte,  beobachtet,  die  durch  den  Strom  bewirkt  war,  welcher, 
wie  ich  eben  zeigte,  der  Reactionsstrom  gegen  die  Wande- 
rung der  Ionen  ist. 

Was  die  weitere  Literatur  dieses  Gegenstandes  betrifft, 
so  kann  ich  mich  darauf  beschränken,  auf  Hrn.  G.  Wi e de- 
in an  h's  Galvanismus  und  ausserdem  auf  die  Arbeit  des 
Hrn.  Bleekrode2)  und  auf  die  des  Hrn.  Paalzow3)  zu  ver- 
weisen. 

Im  allgemeinen  durch  Concentrationsunterschiede  er- 
zeugte Ströme  werde  ich  im  Folgenden  kurz  Concentrations- 
ströme  nennen. 

Die  electromo torischen  Kräfte  der  Reactionsströme  der 
Ueberführung,  welche  ich  bis  zu  einem  Fünftel  Daniell  beim 
Zinkchlorid  beobachtete,  mass  ich  nach  dem  von  Hrn.  E. 
du  Bois-Reymond  abgeänderten  PoggendorfPschen  Com- 
pensationsverfahren. 

Bei  meiner  Versuchsanordnung  (Taf.  I  Fig.  5)  lieferte 
den  Hauptstrom,  dessen  Zweigstrom  das  eine  Mal  die  elec- 
tromotorische  Kraft  der  Concentrationskette,  das  andere  Mal 
l/M  der  eines  constanten  Zink-Kupfer-Elementes  compensirte, 
ein  gewöhnliches  Daniell'sches  Element,  D.  Um  dieses,  wenn 
nicht  gemessen  wurde,  leicht  auseinander  nehmen  zu  können, 
waren  neben  dasselbe  zwei  leere  Gläser  gestellt,  eins  für 
die  Thonzelle,  das  andere  für  den  Zinkcylinder  bestimmt. 

Von  dem  Kupferpole  dieses  Elementes  D  ging  der 
Hauptstrom  zunächst  durch  den  Brückendraht  ab  und  dann 
durch  den  Schlüssel  SD,  mittelst  dessen  dieser  Hauptstrom 
geschlossen  und  geöffnet  werden  konnte,  zum  Zinkpole  des 
Daniell  zurück. 

Der  Brückendraht  bestand,  um  feinere  Ablesungen  an 
ihm  machen  zu  können,  aus  Kupfer.  Waren  sehr  kleine 
electromotorische  Kräfte  zu  beobachten,  sodass  nur  ein  sehr 
kleiner  Theil  des  Daniell  zur  Compensation  erforderlich  war, 

1)  C.  F.  Buchholz,  Gehlen's  Journ.  8.  1804. 

2)  Bleekrode,  Pogg.  Ann.  142.  p.  611.  1871. 

3)  Paalzow,  Pogg.  Ann.  Jubelbd.  p.  643.  1874. 


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J.  Moser. 


65 


dann  schaltete  ich  ausserdem  noch  den  Neusilberdraht  bc 
der  Brücke  dadurch  ein,  dass  ich  in  die  Klemmschraube  des 
Schlüssel  SD  statt  des  nach  b  einen  nach  c  führenden  Lei- 
tungsdraht einfügte. 

Bei  grösseren  Kräften  wurde  nur  dieser  Neusilberdraht 
angewandt  und  auf  ihm  abgelesen. 

Zerlegen  wir  nämlich  deri  Gesammtwiderstand  W  im 
Hauptstrome  in  den  Theil  zwischen  Anfang  und  Ende  der 
Nebenleitung  w  und  den  übrigen  R,  dann  ist  die  electromo- 
torische  Kraft  des  Concentrationsstromes: 


Soll  der  abzulesende  Widerstand  w  für  kleine  Werthe  von  e 
gross  werden,  dann  muss  R  gross  sein,  was  durch  Hinzu- 
fügung des  Neusilberdrahtes  erreicht  wird.  Für  grössere 
Werthe  von  e  wird  der  Bruch  dadurch  desto  mehr  der  Ein- 
heit genähert,  je  grösser  man  tc  im  Verhältniss  zu  R  macht, 
wenn  man  w  also  statt  am  Kupferdraht  am  Neusilberdraht 
der  Brücke  abliest.  . 

Die  compensirende  Nebenleitung  dieses  Hauptstromes 
beginnt  am  Anfange  des  Brückendrahtes  a,  geht  zum  Schlüs- 
sel Sq,  mittelst  dessen  das  Galvanometer  G  ein-  und  aus- 
geschaltet wird,  zu  diesem  Galvanometer  und  wieder  zum 
Schlüssel  Sq,  führt  dann  zum  Pohl'schen  Quecksilbercommu- 
tator  Cp,  von  diesem  durch  die  zu  compensirende  Kette  zurück, 
um  beim  Schlitten  S  wieder  im  Brückendraht  zu  enden. 
Das  Galvanometer,  an  dem  ich  beobachtete,  hatte  20  800 
Windungen.  Je  nach  der  Stellung  des  eben  erwähnten  Com- 
mutators  Cp  wurde  das  eine  Mal  die  zu  bestimmende  elee- 
tromotorische  Kraft  e  der  Concentrationskette  k,  das  andere 
Mal  eine  bekannte  electromotorische  Kraft  e0  compensirt. 

Diese  Kraft  <?0=V9i  Daniell  wurde  in  der  Weise  her- 
gestellt, dass  von  der  electromotorischen  Kraft  eines  sehr 
constanten  Zink-Kupfer-Elementes  l/n  abgezweigt  wurde. 

In  den  Strom  dieses  Elements  Dh  wurde  mittelst  eines 

99  Meilen  Telegraphendraht  haltenden  Siemen s'schen  Stöpsel- 
Ann,  d.  Phys.  u.  Chem.  N.  F.  XIV.  5 


e  = 


w  +  E 


D. 


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66 


J.  Mosei\ 


rheostaten  ein  Widerstand  von  91  Meilen  eingeschaltet 
und  vom  Anfang  A  bis  Ende  feiner  dieser  91  Meilen  ein 
Nebenstroni,  auf  welchem  die  PotentialdifFerenz  also  sehr  nahe 
*/91  Daniell  betrug,  abgezweigt.  Dieser  Strom  ging  zum  Com- 
mutator  CP  und  kehrte,  durch  die  oben  beschriebene  Neben- 
leitung des  gewöhnlichen  Daniell  um  das  Galvanometer  ge- 
führt, zum  Commutator  und  nach  E  zurück. 

Bei  der  Concentrationskette  ist  darauf  zu  achten,  dass 
die  Electroden  vor  jedem  Versuche  gut  ausgeglichen  sind, 
sodass,  wenn  sie  in  derselben  Lösung  sich  befinden,  das  Gal- 
vanometer keinen  Strom  anzeigt.  Ich  stelle  solche  Electro- 
den, bei  denen  es  darauf  ankommt,  dass  stets  dieselben  Stellen 
von  der  Flüssigkeit  benetzt  werden,  jetzt  leicht  auf  folgende 
Weise  her.  Von  einem  6  cm  langen  und  5  mm  breiten  Blech- 
streifen werden  die  mittleren  4  cm  mit  Wachskolophonium- 
kitt so  überzogen,  dass  sie  vollständig  (auch  an  den  Kanten) 
isolirt  sind.  Die  beiden  freien,  je  1  cm  langen  Enden  wer- 
den gut  gereinigt,  das  eine  amalgamirt  und  an  das  andere 
eine  Klemmschraube  befestigt.  Zwei  solche  Electroden  wer- 
den zunächst  in  ein  Glas  mit  concentrirter  Lösung  des  Sul- 
fates des  betreffenden  Metalles  gestellt  und  der  Stromkreis 
geschlossen. 

Damit  der  Strom,  durch  welchen  sich  die  Electroden 
ausgleichen,  möglichst  grosse  Intensität  habe,  muss  die 
metallische  Leitung,  welche  die  Klemmschrauben  der  Elec- 
troden verbindet,  kurz  sein;  es  ist  daher  das  Galvanometer 
nur  während  der  Ablesung  einzuschalten.  Nachdem  die  Elec- 
troden in  der  Sulfatlösung  ausgeglichen  sind,  werden  sie  ab- 
gespült, getrocknet  und  kommen  dann  erst  in  eine  concen- 
trirte  Lösung  des  zu  untersuchenden  Salzes  und  aus  dieser, 
wieder  in  geeigneter  Weise  abgespült,  in  die  verdünnten  zu 
untersuchenden  Lösungen.  Hierbei  ist  ihre  Gleichartigkeit 
wiederholt  zu  prüfen.  Die  erste  Ausgleichung  ist  oft  sehr 
zeitraubend;  weitere  oft  schon  in  den  verdünnten  Lösungen 
erreichbar.  Einmal  ausgeglichene  Electroden  lasse  ich  daher 
nicht  ungeschlossen  und  nicht  lange  in  verschiedenen  Salz- 
lösungen stehen.  Die  Flüssigkeiten  befanden  sich  meist  in 
Gläsern  von  5  cm  Durchmesser  und  ebenso  grosser  Höhe; 


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J  Moser 


67 


in  letzter  Zeit  habe  ich  auch  U-Röhren  von  15  min  Durch- 
messer und  6  cm  Höhe  angewandt.  Als  Heber  empfehlen 
sich  10  mm  weite  Röhren  mit  engen,  jedoch  nicht  capillaren 
Oeffnungen;  dann  kann  man  den  gefüllten  Heber  empor- 
heben, ohne  das  Flüssigkeit  ausÜiesst. 

In  den  Concentrationsstrom  ist  noch  ein  Rühmkorff  scher 
Stromwender  CB  eingeschaltet,  der  indessen  für  die  in  dieser 
Abhandlung  mitgetheilten  Ströme  nicht  in  Betracht  kommt. 

Nach  dieser  Methode  und  mit  diesen  Apparaten  be- 
stimmte ich  zunächst  die  zehn  electromotorischen  Kräfte 
zwischen  je  zwei  von  fünf  Lösungen  von  Zinksulfat.  Ich 
stelle  in  der  folgenden  Tabelle  diese  electromotorischen  Kräfte 
zusammen,  wobei  die  Einheit  nahe  0,001  Daniell  ist. 


Zinksulfat. 


100  Th.  Löaung 
enthalten  ZnSO,  +  7H20 

15% 

30% 

45^0 

60% 

15% 
30% 
45% 

18 

22 
5 

28 
18 
7 

3»i 
21 
17 

9 

Diese  Zahlen  zeigen,  dass  eine  Spannungsreihe  be- 
steht, d.  h.  dass  es  nur  auf  die  Concentration  der  End- 
lösungen ankommt.  Denn  es  ist  z.  B.  die  electromotorische 
Kraft: 

zwischen  15  und  30  procentiger  Lösung  5, 
»      30        60       „  „  n 

it       15    „    60       „  „  21. 

Dieses  Gesetz  einer  Spannungsreihe  bestätigte  ich  dann 
dadurch,  dass  ich  beispielsweise  fünf  Gläser,  von  denen  das 
1..  3.,  5.  gleich  starke  Lösung  von  45%,  das  2.  stärkere  von 
60°yo,  das  4.  schwächere  von  15n;o  enthielt,  durch  vier  Heber 
hintereinander  verband.  Ich  tauchte  die  eine  Electrode  in 
Glas  1,  die  zweite  der  Reihe  nach  in  2,  3,  4,  5.  Beim  Ein- 
tauchen dieser  zweiten  Electrode  in  Glas  2  und  4  ergaben 
si€h  jedesmal  Ablenkungen,  von  denen  die  eine  durch  die 
electromotorische  Kraft  9  zwischen  45-  und  ÖOprocentiger 
Lösung,  die  andere  Ablenkung  durch  die  Kraft  13  zwischen 
45-  und  15procentiger  Lösung  in  entgegengesetzter  Richtung 

5* 


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68 


J.  Moser. 


hervorgerufen  wurde.  Beim  Eintauchen  der  zweiten  Elec- 
trode  in  3  und  5  erhielt  ich  keinen  Strom,  denn  die  Con- 
centrationen  der  Endlösungen  waren  gleich. 

Ich  will  hier  schon  erwähnen,  dass  zwischen  die  beiden 
Endlösungen  auch  irgend  ein  anderes  Sulfat  geschaltet  wer- 
den kann,  ohne  dass  sich  die  electromotorische  Kraft  ändert. 

Diese  Versuche  machte  ich  auch  an  einer  Reihe  anderer 
Salze.  So  bestimmte  ich  die  fünfzehn  electromotorischen 
Kräfte  zwischen  je  zwei  von  sechs  Kupfersulfatlösungen. 

Kupfersulfat. 


B. 

C. 

I). 

E. 

F. 

A. 

10 

16 

21 

25 

27 

B. 

6 

11 

15 

17 

C. 

5 

9 

11 

D. 

~4 

« 

E. 

2 

F  war  eine  Lösung,  die  in  100  Theilen  30  Theile  kry- 
stallisirten  Salzes  (CuS04  +  5H20)  enthielt.  Von  dieser 
Lösung  waren  100  Volumen  theile  in  E  mit  3373,  in  D  mit 
100,  in  C  mit  300,  in  B  mit  700,  in  A  mit  2900  Volumen- 
theilen  Wassers  versetzt. 

Für  Chlorzink-  und  für  J odcadmiumlösungen,  bei  denen 
der  Gehalt  an  wasserfreiem  Salz  der  concentrirtesten  durch 
das  specifische  Gewicht  nach  den  Tabellen  von  Hoffmann- 
Schädler  bestimmt,  und  deren  verdünntere  durch  geeignete 
Mischung  dieser  concentrirten  Lösung  mit  Wasser  hergestellt 
waren,  ergaben  sich  folgende  Werthe. 

Chlorzink.  Jodcadmium. 


Anode 

Kathode 

El.  Kraft 
i  in  0,001  D 

Anode 

Kathode 

EL  Kraft 
in  0,001  D 

gr  ZnCL  auf  gr  ZnCl,  auf 
100  gr  H^O  lOOgr  Ü20 

gr  CdJ.,  auf  gr  CdJ2  auf 
lOOgr  Waas.  100  gr  Wass. 

1 

3 

18,1 

1 

2 

4,1 

3 

5 

8,8 

2 

3 

3,0 

5 

10 

12,1 

3 

5 

4,6 

10 

15 

8,0 

5 

10 

6,0 

15 

20 

5,5 

10 

15 

3,1* 

20 

25 

6,2 
24,5 

15 

20 

25 

50 

20 

40 

10,5 

50 

75 

26,8 

40 

60 

8,0 

75 

100 

24,7 

60 

80 

7,0 

100 

125 

27,9 

125 

150 

30,6 

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J.  Moser. 


69 


Durch  diese  electromotoriscken  Kräfte  ist  die  Arbeit 
der  Ströme  direct  bestimmt. 

§  2.  Theorie  des  Kreisprocesses,  erzeugt  durch  deu  Reac- 
tionsstrom  der  Ueberführung  und  durch  Verdampfung  und 

Condeneation. 

Die  Arbeit  dieser  Ströme  könnte  indirect  gemessen  wer- 
den durch  die  W'ärniewirkungen  und  Volumenlinderungen, 
die  sich  beim  Mischen  verschiedener  Lösungen  desselben 
Salzes  beobachten  lassen. 

Hr.  Helmholtz1)  hat  indessen  einen  Kreisprocess,  bei 
dem  die  durch  den  Concentrationsstrom  bewirkte  Aenderung 
der  ursprünglichen  Concentration  durch  Dampfentziehung 
und  -Zuführung  wieder  rückgängig  gemacht  wird,  theoretisch 
untersucht  und  so  die  Abhängigkeit  der  von  mir  vorher  gefun- 
denen electromotorischen  Kräfte,  der  Hittorf  sehen  Ueber- 
führungszahlen  und  der  Dampfsjmnnungen  der  Salzlösungen 
voneinander  dargestellt,  während  ich  mich  mit  der  Construc- 
tion  eines  Apparates  zur  Ermittelung  der  in  Betracht  kom- 
menden geringen  Dampfspannungen  und  mit  deren  Messung 
beschäftigte. 

Nach  Hrn.  Hittorfs  Vorgange  können  wir  uns  die 
Wanderung  der  Ionen  im  Wasser  bei  einem  gewöhnlichen 
electrolytischen  Process,  also  etwa  der  Galvanoplastik,  auf 
folgende  Art  veranschaulichen. 

Vor  der  Wanderung  sei  die  Anordnung  diese: 

qw  qw  qw  qw  qic  \  qic  qw  qw  qw  qw 

aaaaa\aaaaa 
k    h    k    k    k   \   k    k    k    k  k 

Hierbei  bezeichne  a  ein  Aequivalent  des  Anions,  z.  B. 
S04,  k  ein  Aequivalent  des  Kations,  z.B.  Cu,  qw  die  damit 
verbundenen  q  Gramm  Wasser.  Nachdem  der  electrolysi- 
rende  Strom  einige  Zeit  hindurchgeflossen,  sollen  sich  diese 
a,  k,  qio  in  folgender  Weise  gegeneinander  verschoben  haben. 

qw  qw  qw  qw  qic  \  qw  qic  qic  qw  qw 
a    a    a    a    a  \  a    a     a    a  a 

k    k     k     k     k  |  k    k    k    k  k 

1)  Helmholtz,  Berl.  Ber.  26.  Nov.  1877;  Wied.  Ann.  8.  p.  201. 1878. 


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70  J.  Moser. 

Nehmen  wir  das  Wasser  als  ruhend  an,  und  fassen  wir 
besonders  die  Mitte  des  Wassers  ins  Auge,  dann  verhält 
sich  im  obigen  Beispiel  die  über  die  Mitte  fortgeführte  An- 
zahl von  A äquivalenten  des  Kations  zu  der  für  k  und  a 
gleichen  Zahl  der  freigewordenen  Aequivalente  wie  1 : 3,  die 
Zahl  der  in  entgegengesetzter  Richtung  über  die  Mitte  des 
Wassers  geführten  Aequivalente  des  Anions  zur  Zahl  der 
frei  gewordenen  wie  (3  — 1):3  =  2:3.  Ist  ein  Aequivalent 
frei  geworden,  was  durch  die  electrostatische  Stromeinheit 
in  der  Zeiteinheit  bewirkt  wird,  dann  ist  7s >  allgemein  1/n 
Aequivalent  Kation  und  1  —  l/8l  allgemein  1  —  1/n  Aequi- 
valent Anion  übergeführt  worden. 

Diese  Zahlen  1/n  und  1  — 1/n  nennt  Herr  Hittorf 
Ueherführungszahlen  des  Kations,  beziehentlich  des  Anions. 

Für  den  Kreisprocess  betrachten  wir  diese  relative  Be- 
wegung von  «,  ä,  qw  so,  dass  wir  das  Anion,  insbesondere 
die  Mitte  von  a,  in  Ruhe  annehmen.  Dann  haben  sich  in 
unserem  Beispiel,  wenn  3  h  zur  Kathode  geführt  sind,  2  qio 
in  demselben  Sinne  bewegt,  d.  h.  für  1  ä,  2/sqw:  Allgemein 
für  jedes  ausgeschiedene  Aequivalent  sind  (1  —  1/n)  q  Gramm 
Wasser  zur  Kathode  geführt  worden. 

Diejenigen,  welche  nach  Herrn  Hittorf  über  Ueber- 
führung  gearbeitet  haben,  wie  die  Herren  G.  Wiedemann, 
F.  Kohl  rausch  und  in  der  eben  erwähnten  Abhandlung 
Herr  Helmholtz,  bezeichnen  die  Hittorfsche  Ueberfüh- 
rungszahl  1/n  mit  n.  Da  ich  mich  hier  letzterer  Abhandlung 
anschliesse,  werde  ich  auch  die  Ueberführungszahl  (im  Bei- 
spiel Ys)  im  Folgenden  n  nennen.  Dann  sind  also,  wenn 
ein  Aequivalent,  und  zwar  durch  die  Stromeinheit  in  der 
Zeiteinheit,  ausgeschieden  ist,  q  (1  —  n)  g  Wasser  übergeführt 
worden. 

Wir  hatten  oben  gesehen,  dass  die  Arbeit  des  Reac- 
tion8stroms  der  Ueberführung,  welche  Arbeit  wir  jetzt  fest- 
stellen, in  Ueberführung,  durch  welche  sich  eine  gleichmässige 
Concentration  herstellt,  bestand. 

Durch  den  Concentrationsstrom  (Zn,  verdünntes  S04Zn, 
concentrirtes  S04Zn,  Zn)  ist  die  verdünnte  Lösung  concen- 
trirter,  die  concentrirte  verdünnter  geworden.  Wenn  wir  die 


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J.  Moser 


71 


ursprüngliche  Ungleichheit,  deren  Abnahme  die  erhaltene 
Stromarbeit  entspricht,  wieder  herstellen  wollen,  dann  müssen 
wir  eine  dieser  erhaltenen  gleiche  Arbeit  darauf  verwenden, 
der  concentrirten,  verdünnter  gewordenen  Lösung  das  zuge- 
führte  Wasser  durch  Verdampfen  zu  nehmen  und  dieses 
Wasser  der  verdünnten,  concentrirter  gewordenen,  durch 
Condensation  zurückzugeben.  Denn,  indem  wir  den  concen- 
trirteren,  stark  Wasser  anziehenden  Theilen,  deren  Dampf 
geringeren  Druck,  mithin  grösseres  Volumen  hat,  Dampf  ent- 
ziehen und  diesen  Dampf  den  verdünnteren,  schwach  Wasser 
anziehenden  Theilen,  deren  Dampf  stärkeren  Druck,  daher 
kleineres  Volumen  hat,  zuführen,  leisten  wir  Arbeit. 

Für  1  gr  Wasser  beträgt  diese  Arbeit  unter  der  An- 
nahme, dass  die  Wasserdämpfe  bei  den  Temperaturen  der 
Untersuchung  bis  zu  30°  dem  Mariotte-Gay-Lussac'schen 
Gesetze  folgen,  wenn  p  den  Druck  des  gesättigten  Dampfes 
über  der  Lösung,  V  das  Volumen  eines  Grammes  Dampf  bei 
diesem  Druck  bezeichnet: 

/  Vdv- 

k 

Die  Grenzen  «,  k  sollen  andeuten,  dass  von  der  ver- 
dünnten Lösung  an  der  Anode  bis  zu  der  concentrirten  an 
der  Kathode  zu  integriren  ist,  welche  Endlösungen  —  dies 
sei  hier  wiederholt  —  die  Grösse  der  electromotorischen 
Kraft  bedingen. 

Für  q(l  —  n)  gr  Wasser,  welche,  wie  wir  oben  sahen, 
durch  die  Stromeinheit  übergeführt  werden,  beträgt  diese 
Arbeit  der  Verdampfung  und  Condensation  demnach: 

a 

ff/ .  (1  -  Ii)  Vdp. 
k 

Nun  ist  andererseits  die  Arbeit  des  Concentrationsstromes, 
wie  die  jedes  electrischen  Stromes,  in  der  Zeiteinheit  gleich 
dem  Producte  aus  Intensität  in  Potentialdifferenz: 

J(Pfc-Pa); 
also  die  der  Stromeinheit  Pk  —  Pa. 

Für  die  Arbeit  dieser  electrostatischen  Stromeinheit 
haben  wir  mithin  die  Beziehung: 


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72 


J.  Moser. 


Pk-Pa  =  fq(l-H)Vdp 
k 

und  demnach  für  die  Arbeit  der  electromagnetischen  Ein- 
heit (gr  72  cm  Vi  ^c-1),  wenn  @  das  Verhältniss  dieser 
beiden  Einheiten  ist: 

a 

©  (Pk  -  Pa)  =  <g/y  (1  -  »)  Frfp. 

k 

Bezeichnen  wir  die  electromotorische  Kraft  eines  Da- 
nielFschen  Elements  in  electromagnetischem  Maass  mit: 

3l_=  100  5400Ü0cm-^- 
u  sec* 

nach  den  Bestimmungen  des  Hrn.  F.  Weber  und  die  von 
mir  beobachteten  electromotorischen  Kräfte,  deren  Einheit 
0.001  D  ist,  mit  A,  so  wird : 

a 

(1)  A  %L  -        -  P.)  -  e/7(l  -  n)  Krfp. 

fe 

Diese  Gleichung  zeigt  die  Abhängigkeit  der  electromo- 
torischen Kraft  des  Reactionsstroms  der  Ueberführung,  der 
Ueberführungszahl  und  der  Dampfspannung  so  von  einander, 
dass  wir,  wenn  zwei  derselben  gegeben  sind,  den  Werth  der 
dritten  berechnen  können. 

§.3.  Methode  und  Apparat  zur  Bestimmung  geringer  Dampf- 
spannungen.   Messungen  dieser  bei  wässerigen  Salzlösungen. 

Zur  Ermittelung  der  noch  nicht  bestimmten  Grössen 
dieser  Dampfspannungen  der  wässerigen  Lösungen  der  in  Be- 
tracht kommenden  Metallsalze  habe  ich  einen  Apparat  con- 
struirt,  mit  dem  sich  aber  nicht  nur  diese,  sondern  die 
Dampfspannungen  irgend  einer  Flüssigkeit  bestimmen  lassen. 

Princip  des  Apparats:  (Taf.  I  Fig.  6)  Zwei  Mano- 
meter, von  denen  das  eine  m  mit  Wasser,  das  andere  M  mit 
der  zu  untersuchenden  Flüssigkeit  gefüllt  ist,  werden  durch 
ein  T-Rohr  verbunden.  Der  dritte  Arm  dieses  T-Rohrs  führt 
zur  Luftpumpe.  Es  sei  bis  auf  einen  geringen  Ueber druck 
der  äusseren  Luft  evacuirt.  Das  Wasser  befinde  sich  zwischen 
den  Niveaux  na  und  ni9  die  der  Salzlösung  seien  Na  und  AJ. 


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J.  Moser. 


73 


Die  beiden  mit  einander  und  mit  der  Luftpumpe  ver- 
bundenen Räume  der  beiden  Manometer  zwischen  den  Ni- 
veaux  Ni  und  w<  nenne  ich  innere  Räume,  die  abgeschlosse- 
nen Räume  über  Na  und  na  äussere. 

Dann  hält,  da  sich  die  gleichen  und  entgegengesetzten 
Drucke  auf  die  inneren  Niveaux  beider  Flüssigkeiten  iV;  und 
m  aufheben,  der  Druck  der  Säule  Salzlösung  zwischen  Na  und 
Ni  plus  der  Spannung  des  Dampfes  über  dem  äusseren  Ni- 
veau der  Lösung  das  Gleichgewicht  dem  Druck  der  Säule 
Wasser  zwischen  na  und  rii  plus  der  Spannung  des  Dampfes 
über  dem  äusseren  Niveau  des  Wassers.  So  viel  der  Druck 
jener  Säule  Salzlösung  grösser  ist,  als  der  Druck  dieser  Säule 
"Wasser,  um  so  viel  ist  die  Spannung  des  Dampfes  über  der 
Salzlösung  kleiner,  als  die  des  Dampfes  über  reinem  Wasser. 

Beschreibung  des  Apparates.  Der  Apparat,  mit 
welchem  ich  zuerst  beobachtete,  bestand  aus  den  beiden  Ma- 
nometern, welche  beide  mittelst  Schliffstücke  durch  ein  Gabel- 
rohr —  an  Stelle  des  T-Rohrs  —  verbunden  waren.  Der 
dritte  Arm  des  Gabelrohrs  führte  zur  Luftpumpe  und  trug 
einen  Hahn.  Der  Evacuirung  wegen  war  jedes  der  Mano- 
meter mit  drei  Hähnen  versehen,  und  zwar  befand  sich  ober- 
halb des  inneren  Niveau  (Taf.  I,  Fig.  6)  einer  derselben,  die 
beiden  anderen  oberhalb  des  äusseren  Niveau.  Die  Schenkel 
des  Manometers  waren  in  Millimeter  von  gleichem  Nullpunkt 
aus  getheilt.  Die  Länge  des  äusseren  Schenkels  jedes  der 
Manometer  von  der  Biegung  bis  zum  unteren  der  beiden 
Rähne  betrug  500  Millimeter.  Der  obere  Hahn  war  um 
etwa  100  Millimeter  vom  unteren  entfernt.  Die  innere  Weite 
der  Manometerrohre  war  über  10  Millimeter. 

Um  dem  Dampfe  oberhalb  der  beiden  äusseren  Niveaux 
•gleiche  Temperatur  zu  geben,  wird  der  Apparat  bis  über 
die  unteren  Hähne  der  äusseren  Rohre  unter  Wasser  ge- 
setzt. Damit  die  beiden  Manometer  sich  bei  der  Ablesung 
nicht-  decken,  sind  die  Schenkel  des  Gabelrohrs  ungleich  lang. 

Das  Lumen  dieses  Gabelrohrs  ist  eng,  ein  bis  zwei 
Millimeter,  um  ein  Ueberdestilliren  des  Dampfes  vom  Wasser 
zur  Lösung  zu  erschweren.  Dieses  Ueberdestilliren  wird  aber 
hauptsächlich  verhindert  durch  die  zwischen  den  inneren  Ni- 


74 


J.  Moser. 


veaux  befindliche  Luft.  Falls  es  sich  einmal  störend  erwei- 
sen sollte,  was  bei  meinen  Versuchen  nicht  der  Fall  war, 
so  wäre  es  nur  nöthig,  die  Hähne  an  den  inneren  Rohren, 
nachdem  sie  ganz  kurze  Zeit  geöffnet  waren,  und  Gleich- 
gewicht eingetreten  ist,  wieder  zu  schli  essen. 

Ich  evacuire  in  derselben  Weise,  wie  bei  meinen  Ver- 
suchen „über  die  Torricelli'sche  Leere"1).  Es  wird  zuerst 
bis  zum  oberen  Hahn  des  äusseren  Rohres  ausgepumpt,  dann 
der  untere  geschlossen,  sodass  zwischen  beiden  Hähnen  sich 
ein  Vacuum  befindet,  in  welches  ich  die  aus  der  Flüssigkeit 
aufsteigenden  Luftblasen  einlassen  kann.  Der  vollkommneren 
Evacuirung  wegen  nehme  ich  dann  die  ausgepumpte  Mano- 
meterröhre, nachdem  sämmtliche  Hähne  geschlossen  sind, 
von  dem  Gabelrohr  und  koche  aus,  indem  ich  die  Röhre  ge- 
neigt in  eine  Schale  erwärmten  Wassers  tauche.  So  kann 
ich  die  Luft  so  gut  entfernen,  dass  die  ganze  Säule  von  500 
mm  Länge  haftet  und  selbst  bei  starker  Erschütterung  der 
Röhre  nicht  herabfällt.  Ich  hatte  Gelegenheit,  meine  eben 
angeführten  Beobachtungen  zu  wiederholen:  Ist  alle  Luft 
entfernt,  dann  haftet  die  Flüssigkeit  am  Manometer,  und 
haftet  sie  nicht,  dann  ist  Luft  vorhanden. 

Um  diese  geringen  Spuren  von  Luft,  so  gut  es  ging,  oft 
und  leicht  entfernen  und  bei  Beobachtungsreihen  immer  ver- 
schieden auf  die  beiden  Manometer  vertheilen  zu  können, 
habe  ich  dem  Apparat  für  die  Bestimmung  der  Dampfspan- 
nung der  Salzlösungen  eine  etwas  abgeänderte  Form  (Taf.  I, 
Fig.  7)  gegeben2),  bei  welcher  auch  die  äusseren,  also  alle 
Räume  mit  einander  und  mit  der  Luftpumpen  communiciren 
können.  Bei  dieser  Abänderung  hatte  ich  ursprünglich  auch 
die  Absicht,  die  beiden  äussern  Räume,  oberhalb  Na  und  na , 
vor  dem  Evacuiren  in  Verbindung  zu  setzen,  sodass  nach' 
demselben  der  geringe  Rückstand  von  Luft  in  beiden  wieder 
getrennten  Räumen  gleichen  Druck  ausübte. 

Die  beiden  Schenkel  jeder  Manometerröhre  sind  hier 
auch  oben  verbunden,  sodass  die  Röhre  ein  Rechteck  bildet, 


1)  J.  Moser,  Pogg.  Ann.  160.  p.  138.  1877. 

2)  Gefertigt  von  Hrn.  F.  Müller.   Berlin,  Leipziger  Strasse  22. 


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J.  Moser. 


75 


von  dessen  oberer  kleiner  Seite  eine  Röhre  zum  Grabelrohr 
führt.  Nahe  der  oberen  Umbiegung  ist  jeder  Schenkel  durch 
einen  Hahn  B§,  Ha,  hit  ha  abzuschliessen.  Die  Röhren  stehen 
in  einem  grossen  Glasgefäss  mit  Wasser,  dessen  Temperatur 
regulirt  werden  kann,  nahe  hintereinander,  um  gleiche  Tem- 
peratur in  ihnen  zu  erzielen,  und  seitlich,  der  Ablesung  wegen, 
so  verschoben,  dass  die  Schenkel  des  einen  Manometers  in 
den  Zwischenraum  des  anderen  fallen.  Die  Luft  wird  eben- 
falls durch  abwechselndes  Auspumpen  und  Kochen  entfernt, 
was  mit  Hülfe  einer  Wasserluftpumpe  geschehen  kann. 
Nachdem  evacuirt  ist,  wird  der  Hahn  Hy  dann  alle  Hähne 
geschlossen,  bis  auf  //<.  Durch  Eintritt  von  wenig  Luft 
steigt  das  Niveau  Na  bis  Ha.  Man  schliesse  Ht  und  öffne 
darauf  Ha.  Das  Niveau  Na  sinkt,  aber  nicht  zum  ursprüng- 
lichen Stande,  denn  über  iV;  ist  Luftdrvfck.  Durch  Drehung 
des  Kolbens  der  Pumpe  wird  jetzt  Na  etwa  1  mm  über  Ha 
gehoben,  dann  //„  geschlossen.  Ebenso  verfährt  man  mit 
dem  anderen  Manometer,  setzt  beide  darauf  durch  Oeffnen 
der  Hähne  Hi  und  h{  in  Verbindung  und  gibt  durch  Bewegung 
des  Kolbens  der  Pumpe  den  Flüssigkeitssäulen  geeignete  Hö- 
hen und  schliesst  H.  Es  muss  so  gut  evacuirt  sein,  dass  bei 
diesem  Einstellen  der  Niveaux  mit  der  Stiefelluftpumpe,  die 
übrigens  auch  hier  durch  eine  Wasserluftpumpe  ersetzt  werden 
kann,  keine  Luftblasen  aus  den  oberen  Schichten  aufsteigen. 

Vor  dem  Ablesen  der  Niveauxstände  mittelst  Katheto- 
meters  ist  darauf  zu  achten,  dass  die  Menisken  gut  und 
gleichmässig  ausgebildet  sind. 

Damit  dies  der  Fall  ist,  müssen  die  Röhren  sehr  gut 
gereinigt  sein,  was  ich  durch  abwechselndes  Ausspülen  mit 
Aether,  Salpetersäure  und  Wasser  erreiche. 

Um  den  Apparat  in  dieser  Form  zu  füllen,  muss  er 
evacuirt  werden;  um  ihn  zu  entleeren,  werden  die  Hähne 
herausgenommen.  Diese  sind  nach  der  Füllung  zu  fetten. 
Mit  dieser  Form  des  Apparates  sind  die  unten  mitgetheilten 
Bestimmungen  gemacht. 

Erwähnen  will  ich  noch,  dass  sich  für  schnelle,  aber  nur 
angenäherte  Bestimmungen  der  Apparat  so  ändern  lässt, 
dass  nur  das  Wassermanometer  in  Anwendung  käme  und 


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76 


J.  Moser. 


statt  des  zweiten  Manometers  ein  Grlaskölbchen,  welches  die 
zu  untersuchende  Lösung  in  geringer  Menge  oder  überhaupt 
einen  die  Dampfspannung  vermindernden  Körper  enthält. 
Bei  völliger  Entfernung  der  Luft  gibt  dann  die  Differenz  der 
beiden  Niveaux  des  Wassermanometers  die  Abnahme  der 
Dampfspannungen. 

Von  den  Messungen,  die  ich  in  grosser  Zahl  mit  dem 
Apparate  anstellte,  um  zunächst  die  Beziehungen  wieder  auf- 
zufinden, die  Herr  Wüllner  zwischen  dem  Salzgehalt  der 
Temperatur  und  dem  Dampfdruck  beobachtet  hatte,  wurden 
die  ersten  am  Zinkchlorid  gemacht.  Wie  dieses  Salz,  wie 
wir  oben  sahen,  starke  electromotorische  Kräfte  bis  l/a  Da- 
niell  liefert,  so  vermindert  auch  eine  Lösung  die  150  gr 
ZnCl3  auf  100  gr  Wasser  enthält,  bei  20°  C.  die  Dampf- 
spannung um  über  160  mm  Wasser,  also  bis  lj3  der  des 
reinen  Wassers,  vermehrt  also  das  Volumen  des  Dampfes 
auf  das  Dreifache. 

Für  Chlorzinklösungen,  die  je  25,  50,  75,  100,  125  g 
ZnClj,  auf  100  g  Wasser  enthielten,  fand  ich  bei  20,2°  C. 
folgende  Werthe  der  Verminderung  in  mm  Wasser: 

Chlorzink. 


25  % 

50  % 

75  % 

too 

125% 

19.4 

19,2 
19,8 

40.2 

39,5 
39,8 

69,9 
69,5 
70,2 

101,8 
101,7 
102,1 

133,9 
133,2 

Im  Mittel  19,50 

39,83 

69,87 

101,9 

133,6 

Diese  Zahlen  wurden  an  einer  Theilung,  die  den  Röhren 
eingeätzt  war,  abgelesen.  Die  folgenden  Beobachtungen,  bei 
denen  ich  nur  das  Mittel  aus  mehreren  mittheile,  machte  ich 
mittelst  eines  Kathetometers.  Ich  fand  bei  30°  C.  —  dies 
war  die  Temperatur  des  die  Manometer  umgebenden  Wassers 
—  für  die  folgenden  Salze: 

J  o  d  c  a  d  m  i  u  m. 


Gehalt  g  CdJ«     j  Verminderung  in 
auf  100  g  H.;0     j  mm  Wasser  bei  30"  C 


10  2,6 

20  4,0 

40  9,7 

80  21,0 


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J.  Moser.  77 


Zinksulfat.  Kupfer  sulfat. 


Gehalt  g  ZnS04 
auf  100  g  H,0 

Verminderung  In 
mm  Ws«»er  bei  30°  C. 

Gehalt  g  CuSO, 
auf  100  g  H,0 

Verminderung  in 
mm  Waaaer  bei  30"  C. 

25 
50 

13,4 
39,9 

25 
- 

12,0 

Der  Verlauf  dieser  Werthe  stimmt  mit  dem  der  von 
Hrn.  von  Babo  und  Hrn.  Wüllner  für  andere  Salze  ge- 
fundenen überein.  In  folgender  Tabelle  stelle  ich  für  jedes 
der  von  Hrn.  Wüllner  untersuchten  Salze  die  Verminde- 
rungen verschiedener  Concentrationen  bei  einer  constanten 
und  zwar  möglichst  hohen  unter  den  Temperaturen,  bei  denen 
er  beobachtete,  zusammen. 

Quecks.  Quecks. 


Vq  PI 

1  flfl  ^  o 

1UU,Q 

Kj. 

10°/0  44,90  mm 

20%  92,41  mm 

Na  SO 

» 

10 

18  66 

25 

45  67 

i>  cl  Ei  u3 

1  aa  9. 

Ii 

10 

lKJ  ii 

27  28 

30 

79  07 

IT  Ol 

1  AA  3 

10 

30  78 

20 

61.90 

1  AA  R 
1UU,Ö 

ii 

5  . 

9.50  .. 

10  . 

18.10  .. 

TT  NO 

Q7 

» 

10  „ 

16,51  „ 

30  „ 

48,25  „ 

NiSO, 

99,3 

ii 

10  „ 

13,20  „ 

20  „ 

25,90  •  „ 

CaN2Oe 

69,4 

11 

20  „ 

14,41  „ 

40  „ 

28,05  „ 

Na„HP04 

81,6 

Ii 

12,5  „ 

11,00  „ 

25  „ 

21,50  „ 

NaaO 

69,36 

u 

10  „ 

16,554  „ 

20  „ 

35,605  „ 

1 

30  „ 

56,401  „ 

K20 

72,05 

11 

10  „ 

12,146  „ 

20  „ 

24,787  „ 

30  „ 

44,500  „ 

40  „ 

62,384  „ 

49  „ 

78,695  „ 

CaCl2 

99,3 

ii 

7,5  „ 

23,000  „ 

15  „ 

53,948  „ 

30  „ 

133,514  „ 

Rohrzucker 

100,9 

50  „ 

23,76  „ 

150  „ 

79,85  „ 

Die  von  Hrn.  von  Babo  und  Wüllner  beobachteten 
Werthe,  und  in  Uebereinstimmung  mit  diesen  die  von  mir 
gefundenen  ergeben,  dass  bis  zu  einem  gewissen  Grade  der 


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78  J.  Moser. 

l 

Verminderung  diese  dem  Salzgehalt  einfach  proportional  ge- 
setzt werden  kann.  Erst  bei  verhältnissmässig  grösseren  Ver- 
minderungen, welche  sich  bei  den  concentrirteren  Lösungen 
derjenigen  Salze  zeigen,  die  in  grosser  Menge  im  Wasser 
löslich  sind,  wachsen  die  Verminderungen  stärker,  als  im 
einfachen  Verhältniss  mit  dem  Salzgehalt. 

Herr  Wüllner  hat,  um  das  von  Hrn.  v.  Babo  aufge- 
stellte Gesetz,  dass  die  Verminderungen  einfach  proportional 
dem  Salzgehalt  sind,  beizubehalten,  in  den  Fällen,  in  weichen 
sich  stärkere  Verminderungen  und  mit  diesen  stärkere  Ab- 
weichungen zeigen,  diese  Abweichungen  dadurch  erklärt,  dass 
beim  Natron  das  vierfache,  beim  Kali  das  fünffache,  beim 
Chlorcalium  das  sechsfache  Hydrat  als  gelöstes  Salz  zu  be- 
trachten sei.  Beim  Zucker  hingegen  macht  er  zur  Erklärung 
der  stärkeren  Abweichung  die  Annahme,  dass  eine  chemische 
Zersetzung  stattgefunden  habe. 

Für  die  weitere  Untersuchung  des  Kreisprocesses  kommt 
es  jedoch  nur  auf  die  durch  die  Beobachtungen  festgestellte 
Thatsache  an:  Wir  sind  bis  zu  einer  gewissen,  durch  die 
Beobachtung  zu  bestimmenden  Grenze  berechtigt,  die  Ab- 
nahme der  Dampfspannung  p0  —  p,  dem  Salzgehalt  einfach 
proportional,  also  den  mit  einem  Gramm  Salz  verbundenen 
S  Grammen  Wasser  und  den  mit  einem  Aequivalent  Salz 
verbundenen  q  Grammen  Wasser  umgekehrt  proportional  zu 
setzen,  zu  schreiben: 

und: 

(3)  pq-p  =  1  .B  =  1A 

Po  O    p0        q  p0' 

§  4.    Vergleichung  der  Versuche  und  der  Theorie. 
Aus  dieser  eben  experimentell  erhaltenen  Beziehung: 

(2)  Po-P-J 
folgt:  dp  =  b-\. 

Diesen  Werth  von  dp  setzen  wir  in  die  Gleichung  (1) 
p.  72  ein,  dann  wird  dieselbe: 


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J.  Moser.  79 

a 

Unter  der  Annahme,  dasß  bei  den  geringen  Dampf- 
spannungen, bis  bei  30°  C,  die  Wasserdämpfe  das  Mariotte- 
Gay-Lussac'sche  Gesetz  befolgen,  wird: 

V  =  . 

P 

wenn  p0  den  Druck  des  gesättigten  Dampfes  über  reinem 
Wasser  und  V0  das  Volumen  eines  Grammes  dieses  Dampfes 
bezeichnet.    Nehmen  wir  für  p  den  aus  2  sich  ergebenden 

Werth:  6 

Po~J>  ■ 

so  bekommen  wir: 

wofür  wir  auch  schreiben  können: 

k  S  - 

Po 

Nach  2  ist  aber: 

b  =  q(Po-p),  ®b  =  ®q{Po-p)\  also: 

Po 

Der  Werth  von  @y  ergibt  sich  auf  folgende  Weise: 
q  war  die  Anzahl  der  Gramme  Wasser,  welche  mit  der 
durch  die  electrostatische  Einheit  zersetzten  Salzmenge  ver- 
bunden war.  Mit  der  Qs  fachen,  durch  die  electromagnetische 
Einheit  zersetzten  Salzmenge  ist  die  @ fache  Wassermenge, 
also  (£<7  g  Wasser  verbunden.  Die  durch  die  electromagne- 
tische Einheit  (gr  *  cm  *  sec"1)  zersetzte  Salzmenge  beträgt. 


J 


\ 


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80  J.  Moser. 

da  nach  Hrn.  Bunsen  die  durch  diese  Einheit  zersetzte 
Wassermenge  in  1  sec  0,000  927  05  gr  ist: 

0,000  927  05  gr, 

- 

wenn  MfRfi  das  Verhältniss  der  Moleculargewichte,  also  M 
für  CuSÜ4  159,5  und  H20  das  des  Wassers,  also  18  bedeu- 
tet. Mit  diesen  Grammen  Salz  sind  <&q  gr  Wasser,  mit  1  gr 
Salz  S  gr  Wasser  verbunden.    Es  ist  also: 

=  0,000  927  05  H^ö£'. 

Die  Verminderung  der  Dampfspannung  bestimmt  sich 
also  aus  4,  wenn  die  Ueberführungszahlen  und  die  electro- 
motorischen  Kräfte  der  Concentrationsströme  bekannt  sind, 
durch  die  Gleichung: 

p0  -  p  1000  


Po  ° 

0,00092705        Sp0  V0f  (1-  n)  dS. 

-  k  S  — 

Po 

Für  ein  und  dasselbe  Salz  muss: 

a 

\  f{l  —  n)  — — ^  d S  =  const. 

Ai  s-?~ 

Po 

sein,  weil  dann  alle  anderen  Factoren  dieser  Gleichung  und 
das  Product  (p0—p)  jp0 .  S  =  Bjp0  =  t  nach  3  ebenfalls  constant 
ist.  Diese  Grösse,  welche  wir  mit  e  bezeichnet  haben,  wird 
in  vielen  Fällen  gegen  S  zu  vernachlässigen  sein. 

Zur  Berechnung  des  Integrals  ist  die  Ueberführungszahl 
1  —  n  als  Function  der  lösenden  Wassermenge  S  darzustellen. 
Dies  habe  ich  durch  die  empirische  Formel: 

deren  Constanten  ich  für  jedes  untersuchte  Salz  aus  den 
Beobachtungen  Hittorfs  bestimmte,  gethan  und  dadurch 
eine  für  das  Intervall  der  von  ihm  beobachteten  Werthe 
hinreichende  Darstellung  dieser  erhalten. 
Dann  wird: 


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J.  Moser.  81 


a  a 


Setzt  man 


1  iL         i10  ß  i10 


so  mü8ste  r\  constant  sein. 
Es  wird  dann: 


Po        0,000 927 05  ^Sp9V0  n 

lo 

Berechnet  man  die  Verminderung  für  die  einprocentige 
Lösung,  so  ist:  £  =  100. 

Die  Spannung  des  Wasserdampfes  über  reinem  Wasser 
beträgt  nach  Regnault  bei  20°  C.  23,65  gr  auf  ein  Quadrat- 
centimeter,  also  in  absolutem  Kraftmaass,  wenn  die  (kon- 
stante der  Erdschwere  g  =  981  cm/sec3  ist: 

Dn  =  23201     gr  a  • 
™  cm  sec2 

Das  Volumen  von  1  gr  Wasserdampf  bei  20°  C.  ist: 

V0  =  58704  cm3, 
und,  wie  wir  schon  oben  sahen: 

^=  109  540  ^. 

Es  wird  also  der  Factor  von  \jt]  allgemein: 

0,006  7819-^; 
mithin  für  die  einprocentige  Lösung  irgend  eines  Salzes: 

0,006 781  9^-  • 

Po  MV 

Jodcadmium. 
Die  in  der  folgenden  Tabelle  I  eingeklammerten  Werthe 
von  1  —  n  sind  bei  der  Berechnung  der  Interpolationsformel : 


d.  Phjs.  u.  Chem.  N.  F.  XIV.  6 


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82 


J.  Moser. 


zu  Grunde  gelegt  und  aus  ihnen: 

«  =  0,378,      ß  =  26,007,      y  =  28,01 
bestimmt  worden.   Nach  dieser  Formel  wurden  die  beiden 
anderen  Werthe  berechnet  und  neben  die  von  Hrn.  Hittorf 
beobachteten  gesetzt. 

Tabelle  L 


5 

l-n 
beobachtet 

l-n 
berechnet 

8 

1  —  n 
beobachtet 

1  -  n 
berechnet 

166,74 

69,60 
18,12 

0,613  | 

0,642 

0,931 

0,501 
(0,642) 
(0,931) 

4,28 
3,04 
1,83 

1,140 
1,192 
1,258 

1,161 
(1,192) 
1,224 

Mit  Hülfe  dieser  Darstellung  von  1  —  n  als  Function 
von  S  ist  das  Integral  berechnet  worden.  Der  Werth  von 
e  ergibt  sich  aus  den  Beobachtungen  zu  0,05,  er  könnte 
daher  gegen  S  vernachlässigt  werden. 

Das  Integral  ist  dann  durch  A  dividirt  und  auf  diese 
Weise  der  Werth  der  Constanten  i\  der  folgenden  Tabelle  II 
erhalten.  Mit  dem  Mittelwerth  dieses  y  =  0.0448  sind  die 
berechneten  A  hergestellt  worden. 

Tabelle  II. 


100 


= 


50 

33,33 

20 

10 

6,67 

5 

2,5 


A  beob. 


7,1 
11,7 
17,7 
22,3 
25,4 
35,9 


A  ber. 


4,3 
7,0 
11,5 
18,1 
22,4 
25,6 
33,5 


0,0471 
0,0444 
0,0441 
0,0458 
0,0450 
0,0451 
0,0418 


Im  Mittel  |  0,0448 
Die  grössten  Abweichungen  vom  Mittel  zeigen  die  erste 
und  letzte  Reihe  der  Tabelle;  das  kommt  daher,  dass  hier 
der  Verlauf  der  durch  die  Interpolationsformel  dargestellten 
Werthe  ein  anderer  als  der  der  von  Hrn.  Hittorf  beob- 
achteten zu  werden  beginnt. 

Wenn  man  mit  diesem  Mittelwerthe  von  ??  die  Vermin- 
derung der  Dampfspannung  für  eine  einprocentige  Lösung 
berechnet,  so  findet  man: 


Po 


0,00041 . 


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J.  Moser. 


83 


Andererseits  ergibt  sich  aus  den  oben  initgetheilten  Ver- 
minderungen : 

von  2,6  mm  für  die  lOprocentige  Lösung  0,26  mm 

»    4,0  „     „     „  20       „  „      0,20  „ 

ff    W   n     »     n   40       „  „      0,24  „ 

n  21,0  „     „     „  80       „  „      0,26  „ 
für  die  einprocentige,  d.  h.  im  Mitttel: 

0,24  mm      und      Po~p  =  0,00056 . 

Po 

Zinksulfat. 
Aus  den  Beobachtungen  des  Hrn.  Hittorf: 


s 

n 

267,16 

0,636 

4,052 

0,760 

2,524 

0,778 

bestimmen  sich  die  Constanten  der  Interpolationsformel: 
«  =  0,634,       ß=  1,470,       y  =  7,616. 
Aus  den  Beobachtungen  der  Dampfspannung  ergibt  sich 
«  =  0,125,  sodass  wir  in  derselben  Weise  wie  beim  Jodcad- 
mium  die  folgende  Tabelle  aufstellen  können. 


8a 

A  beob. 

A  ber. 

V 

163 

34,625 

10,7 

10,8 

0,0411 

10,889 

18,9 

19,4 

0,0417 

4,994 

25,1 

25,6 

0,0415 

■ 

2,963 

31,9 

30,0 

0,0384 

Als  Mittelwerth  für  ?;  findet  sich: 

0,04067, 

mit  dessen  Hülfe  die  berechneten  A  hergestellt  sind.  Ebenso 
finden  wir  mittelst  desselben  für  die  Verminderung  der  Dampf- 
spannung der  einprocentigen  Lösung: 

=  0,00104 , 

Po 

und,  in  guter  Uebereinstimmung  damit,  aus  der  Beobachtung 
der  Dampfspannung  von  13,4  mm  für  die  25procentige  Lö- 
sung bei  30°  C: 

^Zl  =  0.00125 

Po 

für  die  Lösung  von  ein  Procent. 


84 


J.  .'f'  -er 


Kupfersulfat. 
Hier  bestimmt  sich  aus  den  eingeklammerten  Werthen 
der  folgenden  Tabelle  die  Interpolationsformel  so,  dass: 

a  =  0,636 ,       ß  =  0,822 ,       y  =  2,99 
wird.    Mit  dieser  Formel  ist  der  vierte  Werth  der  Tabelle 
berechnet. 


s 

1  —  n  beob. 

1  -  n  ber. 

148,3  —  39,67 
18,08 
9,56 
6,35 

0,644 
0,675 
0,712 
0,724 

(0,644) 
(0,675) 
0,701 
(0,724) 

Die  Beobachtung  ergibt  e  =  0,116. 
Ebenso  wie  beim  Jodcadmium  und  Zinksulfat  ist  unter 
Benutzung  dieser  Formel  die  Tabelle  II  aufgestellt 


sa 

Sk 

A  beob. 

A  ber. 

9 

128,5 

r  i    *  "-t  :  '.  i 

4,208 
6,352 
8,496 
17,07 
34,22 

27 
25 
21 
16 
10 

27,3 
23,8 
21,3 
15,6 
10,4 

Im  Mittel 

0,037 
0,035 
0,038 
0,036 
0,038 

0,0368 

Der  Mittelwerth  von  r;  ergibt  für  die  Verminderung  der 
Dampfspannung  der  einpro centigen  Lösung: 

=  0,00112.  k 

Po 

Die  Beobachtung  der  Dampfspannung  der  25procentigen 
Lösung  liefert  unmittelbar: 

£l-?  =  0,00116. 
Chlorzink. 

Innerhalb  der  Concentrationen,  für  welche  ich  bei  Chlor- 
zinklösungen die  oben  mitgetheilten  electromotorischen  Kräfte 
beobachtet  habe,  ist  nur  eine  Ueberführungszahl  von  Hrn. 
Hittorf,  und  zwar: 

für  S  =  2,77,       \-n=  1,08 
festgestellt.  Aus  diesem  Werthe,  aus  der  electromotorischen 
Kraft: 

A  —  24,5  zwischen  den  Lösungen,  deren  S  =  4  und  5  =  2, 


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L.  Grunmach. 


85 


und  aus  dem  durch  die  Dampfspannungen  bestimmten  6  =  0,33 

berechnet  sich:  =  0,0134, 

und  hieraus  für  die  einprocentige  Lösung: 

=  0,0037 , 

Po 

während  die  oben  mitgetheilten  Beobachtungen  der  Dampf- 
spannungen der  25-  und  ÖOprocentigen  Lösungen: 

terJP  =  0,0033 

ergeben. 

In  diesen  untersuchten  Fällen  sind  daher  Theorie  und 
Versuch  in  recht  guter  Uebereinstimmung,  sodass  dieser  jene 
bestätigt,  jene  diesen  in  befriedigender  Weise  erklärt. 

Berlin,  Juli  1878. 


VIII.    lieber  die  electromagnet  Ische  JDrelitmg  der 
Polarisationsebene  der  strahlenden  Wärme  in  festen 
wnd  flüssigen  Körpern;  von  Leo  Grunmach. 


§  1.  Einleitung. 
Die  aus  der  Undulationstheorie  gefolgerte  Identität  des 
Lichtes  mit  der  strahlenden  Wärme  ist  seit  dem  von  Melloni 
gelieferten  Nachweis  der  Existenz  der  letzteren  in  rascher 
Aufeinanderfolge  für  die  Reflexion,  Brechung,  Dispersion  und 
Polarisation  experimentell  bestätigt  worden.  Es  lag  daher 
nahe,  dass  unmittelbar  nach  Faraday  's  berühmter  Entdeckung 
der  „Magnetisirbarkeit  des  Lichtstrahls"  der  analoge  Ver- 
such auch  für  die  strahlende  Wärme  ausgeführt  wurde.  Wart- 
mann J)  leitete  die  von  einer  Locatelli'schen  Lampe  gelieferten, 
durch  eine  Glimmersäule  polarisirten  Wärmestrahlen  durch 
ein  zwischen  den  Polen  eines  kräftigen  Electromagnets  be- 
findliches Steinsalzprisma  und  durch  eine  zweite  Glimmersäule, 
deren  Schwingungsebene  gegen  die  der  ersteren  unter  einem 
Winkel  von  90°  gekreuzt  war,  auf  eine  Thermosäule,  welche 
mit  einem  in  beträchtlicher  Entfernung  vom  Electromagnet 

1)  Wartmann,  Compt.  rend.  22.  p.  745.  1846.  Pogg.  Ann.  71. 
p.  573.  1847. 


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86 


L.  Grunmack. 


aufgestellten  Galvanometer  verbunden  war.  Er  bemerkte,  dass 
die  Galvanometernadel,  welche  unter  dem  Einflüsse  der  durch 
die  Glimmersäulen  nicht  aufgehaltenen  Wärmestrahlen  eine 
constante  Ablenkung  zeigte,  ihre  Stellung  veränderte,  so  oft 
er  den  Strom  wirken  liess,  woraus  er  auf  eine  Drehung  der 
Polarisationsebene  der  strahlenden  Wärme  durch  den  Magnet 
glaubte  schliessen  zu  können.  Der  Versuch  wurde  bald  nach 
seiner  Mittheilung  mehrfach  in  Paris  wiederholt,  jedoch 
ohne  Erfolg.  Im  Jahre  1849  gaben  de  la  Provostaye  und 
Desains1)  der  Wartmann'schen  Versuchsanordnung  eine 
nicht  unwesentliche  Modifikation,  indem  sie  statt  des  Lampen- 
lichts Sonnenlicht  und  statt  der  Glimmersäulen  als  Polari- 
sationsapparate zwei  achromatisirte  Kalkspathprismen  an- 
wandten, die  so  aufgestellt  wurden,  dass  ihre  Hauptschnitte 
einen  "Winkel  von  45°  mit  einander  bildeten.  Die  Thermo- 
säule  war  von  dem  Ruhmkorffschen  Electromagnet,  zwischen 
dessenPolen  sich  ein  Flintglasstück  von  38  mm  Dicke  befand,  um 
4  Meter  entfernt,  das  Galvanometer  noch  etwas  weiter.  Bei 
Schliessung  des  von  einer  starken  galvanischen  Batterie  ge- 
lieferten magnetisirenden  Stromes  in  der  einen  oder  anderen 
Richtung  wurde  der  Ausschlag  der  durch  den  Thermostrom 
bereits  abgelenkten  Nadel  vermehrt  oder  vermindert,  und  man 
glaubte  sich  genügend  vergewissert  zu  haben,  dass  diese 
Wirkung  nicht  etwa  einem  durch  den  magnetisirenden  Strom 
hervorgerufenen  Inductionsphänomen  oder  einer  directen  Ein- 
wirkung des  Electromagnets  auf  die  Galvanometernadel  zu- 
zuschreiben war.  Allein  die  Versuche  dieser  beiden  ausge- 
zeichneten Forscher  zeigen  weder  unter  sich  eine  befriedigende 
Ueberein8timmung,  noch  erscheinen  sie  ganz  einwurfsfrei, 
da  die  Innehaltung  von  Vorsichtsmaassregeln  vermisst  wird, 
deren  Berücksichtigung  zum  sicheren  Nachweis  relativ  so 
geringer  Wirkungen,  wie  der  beobachteten,  unerlässlich  ist. 
Es  liegen  zwei  unabhängige,  aus  einer  nicht  sehr  grossen 
Anzahl  von  Einzelbeobachtungen  bestehende  Beobachtungs- 
reihen vor,  bei  denen  der  magnetisirende  Strom  das  eine  Mal 
von  einer  Batterie  von  50  Muncke'schen,  das  andere  Mal 

1)  de  la  Provostaye  u.  Desains,  Ann.  de  chim.  et  de  phys.  (3) 
27.  p.  232.  1849. 


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L.  Grunmach. 


87 


von  30  Bunsen'schen  Elementen  geliefert  wurde,  und  bei  denen 
die  durch  den  Thermostrom  allein  hervorgebrachten  mittle- 
ren Galvanometerablenkungen  20,  resp.  12  Scalentheile  be- 
trugen. Die  bei  Schliessung  des  magnetisirenden  Stromes 
beobachteten  Ablenkungen  waren  im  ersten  Falle  im  Mittel 
2%  wobei  noch  zu  bemerken  ist,  dass  die  Unsicherheit 
der  Einzelbeobachtung  die  Hälfte  dieses  Betrages  erreichte 
und  sogar  überschritt,  im  zweiten  Falle  dagegen  3' 
Wenn  nun  die  beobachteten  Werthe  schon  an  und  für  sich 
nicht  beträchtlich  sind,  und  wenn  ferner  die  verhältnissmässig 
bedeutende  Verschiedenheit  ihrer  Grösse  im  Vergleich  zu 
den  in  beiden  Fällen  hindurchgelassenen  Quantitäten  pola- 
risirter  Wärmestrahlen  (20:2  und  12:3)  sich  sehr  schwer 
erklären  lässt,  da  nähere  Angaben  über  die  Grösse  der 
magnetischen  Kräfte  fehlen,  so  ist  bei  diesen  Versuchen  das 
wesentliche  Erforderniss  nicht  genügend  berücksichtigt,  dass 
unmittelbar  vor  dem  Schliessen  und  unmittelbar 
nach  dem  Oeffnen  des  magnetisirenden  Stromes  die 
durch  den  Thermostrom  allein  hervorgebrachte  Ab- 
lenkung der  Galvanometernadel  zu  beobachten  und 
in  Rechnung  zu  ziehen  ist,  und  dass  eine  lineare 
Interpolation  zwischen  den  beiden  so  erhaltenen 
Werthen  nur  dann  statthaft  ist,  wenn  ihre  Differenz 
im  Vergleich  zu  der  durch  die  Erregung  des  Mag- 
nets hervorgebrachten  Ablenkung  genügend  klein 
ist,  um  in  das  Bereich  der  zufälligen  und  unvermeid- 
lichen Beobachtungsfehler  zu  fallen.  Hält  man  diese 
Vorschrift  nicht  inne,  so  kann  der  beobachtete  Effect  durch 
die  Veränderlichkeit  der  Intensität  des  Thermostroms  leicht  ver- 
deckt und  illusorisch  gemacht  werden,  denn  selbst  bei  heiter- 
stem Himmel  kann  während  einer  Minute  die  Intensität  der 
von  der  Sonne  gelieferten,  auf  die  Thermosäule  fallenden 
Wärmestrahlen  in  der  Weise  variiren,  dass  dadurch,  voraus- 
gesetzt, dass  man  es  mit  genügend  empfindlichen  Instrumen- 
ten zu  thun  hat,  eine  Schwankung  der  Galvanometerablen- 
kung um  einige  Skalentheile  bedingt  ist. 

Die  mitgetheilten  Versuche  sind  meines  Wissens  die 
einzigen,  welche  in  der  physikalischen  Literatur  über  diesen 


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88 


L.  Grunmach. 


interessanten  und  für  den  Zusammenhang  der  Lieht,  Wärme- 
und  electrischen  Erscheinungen  wichtigen  Gegenstand  vor- 
liegen; ich  habe  es  daher  für  wtinschenswerth  gehalten,  eine 
ausgedehnte  Untersuchung  hierüber  mit  vollkommeneren  Hülfs- 
mltteln  und  unter  Vermeidung,  resp.  Berücksichtigung  aller 
möglichen  Fehlerquellen  auszufuhren,  und  es  ist  mir  nach 
vielen,  zum  Theil  sehr  mühevollen,  Vorversuchen  gelungen, 
nicht  nur  die  electromagnetische  Drehung  der  Polari- 
sationsebene der  strahlenden  Wärme  in  mehreren 
festen  und  flüssigen  Körpern  unwiderleglich  nach- 
zuweisen, sondern  auch  die  Abhängigkeit  der  Grösse 
dieser  Drehung  von  der  Natur  der  Substanz,  von 
der  Intensität  der  auf  sie  wirkenden  galvanischen 
Ströme, resp.magnetischenKräfte,  von  derLänge  der 
durchstrahlten  Schichtete,  durch  quantitative  Messungen 
zu  bestimmen.  Die  Mittheilung  dieser  im  Spätsommer  des 
Jahres  1879  im  physikalischen  Cabinet  der  hiesigen  Königl. 
Technischen  Hochschule  angestellten  Versuche  und  der  aus 
ihnen  gewonnenen  Eesultate  bildet  den  Gegenstand  vor- 
liegender Abhandlung. 

§2.  Beschreibung  der  bei  den  Versuchen  angewandten  Apparate. 

Bevor  ich  zur  ausführlichen  Beschreibung  meiner  Ver- 
suchsanordnung übergehe,  will  ich  zuvor  kurz  die  ange- 
wandten Apparate  besprechen. 

Als  Wärmequelle  benutzte  ich  bei  den  hier  mitzu- 
theilenden  Versuchen  ausschliesslich  Sonnenlicht  Die  An- 
wendung einer  Leuchtgasflamme  ist  wegen  der  zu  geringen 
Intensität  der  von  ihr  gelieferten  Wärmestrahlen  ungeeignet, 
Drummond'sches  Kalklicht  oder  gar  electrisches  Licht,  welches 
ich  an  mehreren  Tagen,  veranlasst  durch  die  anhaltende  Un- 
gunst der  Witterung,  anzuwenden  genöthigt  war,  wegen  der 
Inconstanz  durchaus  unbrauchbar. 

Das  Sonnenlicht  wurde  von  einem  möglichst  genau  justirten 
Silbermann' sehen  Heliostaten  reflectirt;  ein  auf  eine  13  m 
von  ihm  entfernte  Wand  geworfenes  Sonnenbild  wurde  in 
1V2  Stunden  um  4  cm  aus  seiner  anfänglichen  Lage  verrückt. 
Wenn  auch  durch  die  aus  dieser  Verschiebung  etwa  resul- 


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L.  Grunmach. 


89 


tirende  Aenderung  der  Intensität  der  reflectirten  Wärmestrahlen 
die  mitzutheilenden  Ergebnisse  in  keiner  Weise  getrübt  werden 
konnten,  einerseits,  da  die  Ausführung  eines  ganzen  Beob- 
achtungssatzes nur  wenige  Minuten  währte,  andererseits,  weil 
sowohl  unmittelbar  vor  dem  Schliessen  des  magnetisirenden 
Stromes  als  auch  unmittelbar  nach  dem  Oeffnen  desselben 
die  durch  den  Thermostrom  allein  hervorgebrachten  Ab- 
lenkungen beobachtet  wurden,  so  war  doch,  damit  die  Wärme- 
strahlen die  Substanzen  stets  in  genau  derselben  (axialen) 
Richtung  durchdrangen,  von  Zeit  zu  Zeit  ein  Nachcorrigiren 
im  Gange  des  Heliostaten  nothwendig.  (Vgl.  hierüber  S.  109.) 

Polarisirt  wurden  die  Wärmestrahlen  durch  Nicoi'sche 
Prismen;  anfänglich  benutzte  ich  ein  KalkspathrhomboÖder 
und  ein  Nicol'sches  Prisma  (von  85  mm,  resp.  30  mm  Rhomben- 
seite), welche  Hr.  Prof.  Helmholtz  so  freundlich  war, 
mir  für  diese  Versuche  zu  leihen.  Leider  hatte  das  erstere, 
welches  zu  objectiven  Darstellungen  mittelst  electrischen 
Lichtes  benutzt  worden  war,  infolge  der  grossen  Hitze  mehrere 
Sprünge  erhalten,  welche  die  zu  beobachtenden  Wirkungen 
iu  hohem  Maasse  beeinträchtigten,  sodass  ich  statt  desselben 
als  polarisirenden  Apparates  mich  eines  in  der  Masse  schwarzen 
Glasspiegels  von  3,5  mm  Dicke  bediente,  der,  um  eine  möglichst 
grosse  Intensität  zu  erzielen,  direct  auf  den  Heliostaten  ge- 
setzt wurde.  Indessen  war  die  Intensität  der  reflectirten 
Wärmestrahlen  auch  so  noch  eine  geringe,  und  die  erhaltenen 
Wirkungen  nicht  gross  genug,  um  die  Abhängigkeit  der  Grösse 
der  Drehung  von  den  sie  bedingenden  und  auf  sie  einwirkenden 
Umständen  durch  quantitative  Messungen  zu  bestimmen. 
Befriedigende  Resultate  erhielt  ich  erst,  als  ich  in  den  Besitz 
von  zwei  ausgezeichneten  von  Hrn.  Niendorf  in  Bernau  ver- 
fertigten NicoPschen  Prismen  gelangt  war.  Dieselben  sind 
von  ungewöhnlicher  Grösse  und  seltener  Reinheit,  die  Seite 
des  Rhombus  beträgt  55  mm,  die  Länge  des  Prismas  135  mm1). 
Für  die  Ausführung  von  Messungen  ist  die  Anwendung  so 

grosser  Prismen  sehr  wünschenswerth,  die  älteren  Versuche 
—  /  

1)  Eiiiß  derselben  war  auf  der  Berliner  Gewerbeaussteilung  im  Jahre 
1879  unter  der  reichhaltigen  Sammlung  der  von  Niendorf  ausgestellten 
NicoPschen  Prismen  vertreten. 


i 


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90 


L.  Grunmack. 


sind  vorzugsweise  deshalb  so  unsicher,  weil  die  kleine  Oeffnung 
der  Prismen  auch  nur  einer  sehr  kleinen  Menge  von  Wärme- 
Strahlen  den  Durchgang  gestattet.  Bei  den  vorhin  erwähnten 
Versuchen  von  de  la  Provostaye  und  Desains1)  betrug 
die  Ablenkung,  welche  die  direct  durchgehenden  Wärme- 
strahlen bewirkten,  wenn  die  Hauptschnitte  der  beiden  Kalk- 
spathprismen  einen  Winkel  von  45°  miteinander  bildeten, 
und  wenn  sich  kein  Diamagneticum  zwischen  ihnen  befand, 
nur  16,5",  während  bei  meinen  Versuchen  unter  den 
gleichen  Umständen  die  Grösse  dieser  Ablenkung  weit  über 
300»  (d.  h.  300  mm  einer  in  2,5  m  Entfernung  vom 
Spiegel  des  Galvanometers  aufgestellten  mittelst  Fernrohr 
beobachteten  Scala)  erreichte. 

Zur  Messung  der  Wärmewirkungen  diente  eine  sehr 
empfindliche,  aus  25  Paaren  von  Wismuth-  und  Antimon- 
stäben bestehende  Thermosäule  von  quadratischer  Oberfläche; 
die  einzelnen  Elemente,  30  mm  lang  und  1,5  mm  dick,  sind 
gut  voneinander  isolirt,  an  ihren  Enden  zugeschrägt  und  mit 
Kienruss  überzogen;  ferner  ein  Siemens'sches  aperiodisches 
Spiegelgalvanometer  mit  Glockenmagnet  und  Kupferdämpfung 
von  rühmlichst  bekannter  Güte  und  Empfindlichkeit. 

Zur ElectrisirungundMagnetisirung  der  Körper 
durch  welche  die  Durchstrahlung  stattfand,  dienten: 
1)  eine  250  mm  lange  und  55  mm  weite,  aus  600  Windungen 
bestehende  Spirale  von  doppelt  isolirtem  Kupferdraht  von 
3  mm  Dicke;  2)  ein  sehr  kräftiger  Joule'scher  Hufeisenelectro- 
magnet,  auf  dessen  360  mm  lange  und  75  mm  dicke  Schenkel 
zwei  würfelförmige  Anker  von  weichem  Eisen  von  75  mm 
Seite  aufgesetzt  wurden,  welche  in  axialer  Richtung  cylindrische 
Durchbohrungen  von  50  mm  Durchmesser  hatten. 

Als  Stromquelle  wurden  durchgehends  Bunsen'sche 
Elemente  von  grosser  Oberfläche  angewandt,  deren  Anzahl 
im  Maximum  35,  im  Minimum  6  betrug. 

§  3.  Beschreibung  der  Versuehsanordnung. 

Die  Versuchsanordnung,  von  welcher  auf  Taf.  I  Fig.  8 
eine  schematische  Darstellung  gegeben  ist,  war  nun  folgende : 

l)  L  c  p.  86. 


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L.  Grunmach. 


91 


Die  von  dein  Heliostatenspiegel  Hin  horizontaler  Richtung 
reflectirten  Wärmestrahlen  treffen  zunächst  das  in  einer  Ent- 
fernung von  0,75  m  aufgestellte  erste  polarisirende  Nicol'sche 
Prisma  Px\  unmittelbar  hinter  demselben  befindet  sich  der 
Electromagnet  E  (oder  die  Spirale),  zwischen  dessen  Polen 
sich  die  Diamagnetica  D  befinden.  5,5  m  vom  Electromag- 
net  entfernt  ist  eine  achromatische  Linse  Lx  von  0,25  m 
Brennweite  aufgestellt,  hinter  derselben  das  analy sirende 
Nicol'sche  Prisma  P2  und  endlich  die  mit  Reflectoren  ver- 
sehene Thermosäule  T,  von  der  Linse  Lx  um  deren  Brenn- 
weite, vom  Electromagnet  also  um  nahezu  6  m  entfernt. 
Auf  der  entgegengesetzten  Seite  von  T  ist  noch  als  leicht 
regulirbare  Wärmequelle  eine  Ableselampe  A  aufgestellt, 
deren  Wärmestrahlen  durch  die  Linse  Z3  auf  die  Thermo- 
säule concentrirt  werden  können,  um  für  gewisse  Control- 
versuche  die  auf  die  andere  Seite  der  Thermosäule  vom 
Heliostaten  her  auffallenden  Wärmestrahlen  zu  neutralisiren. 
Vor  und  hinter  der  Thermosäule  befinden  sich  in  Charnieren 
bewegliche  doppelwandige  Metallschirme  S3  und  Sv  desgleichen 
vor  und  hinter  dem  Electromagnet  mit  passenden  kreis- 
förmigen Oeffnungen  versehene  schwarze  Pappschirme 
und  &j.  Von  den  beiden  Polen  der  Thermosäule  führen  gut 
isolirte  Leitungsdrähte  zu  einem  auf  dem  Beobachtungstische 
M  befindlichen  Commutator  Kx  und  von  dort  zum  Galvano- 
meter G\  ferner  gehen  von  der  im  Nebenzimmer  befindlichen 
galvanischen  Batterie  sehr  starke  isolirte  Zuleitungsdrähte 
nach  einem  zweiten,  etwa  1,5  m  vom  ersten  entfernten,  Commu- 
tator K^1)  und  von  letzterem  zum  Electromagnet  E.  Mittelst 
dieser  beiden  Commutatoren  können  also  sowohl  der  Thermo- 
strom wie  der  magnetisirende  Strom  bald  im  einen,  bald  im 
anderen  Sinne  geschlossen  werden.  Auf  dem  Tische  befinden 
sich  ferner  das  Beobachtungsfernrohr  B  und  die  in  Millimeter 
getheilte  Scala  in  einer  Entfernung  von  2,5  m  vom  Spiegel 
des  Galvanometers,  welches  seinerseits  vom  Electromagnet 
um  8,5  m  entfernt  ist. 

1)  Die  beiden  Commutatoren  und  also  auch  die  Zuleitungsdrähte  zur 
Thermosäule  und  zum  Electromagnet  sind  in  der  Figur  zu  nahe  anein- 
ander gezeichnet 


92 


L.  Grimmach. 


Das  polarisirende  Nicol  Px  ist  in  seiner  Fassung  unbe- 
weglich befestigt,  während  das  analysirende  Nicol  P2  mittelst 
einer  Alhidade  um  seine  Axe  drehbar  und  die  Grösse  der 
Drehung  an  der  getheilten  Kreisfläche  abzulesen  ist. 

Die  Hauptschnitte  der  beiden  Prismen  waren  nun  bei 
den  Versuchen  stets  gegeneinander  um  einen  Winkel  von  45° 
geneigt.  Der  Vortheil  dieser  bereits  von  de  laProvostaye 
und  Desains  angegebenen  Anordnung  ergibt  sich  aus 
folgender  Betrachtung.  Bei  dem  analogen  optischen  Versuch 
pflegt  man,  um  das  Gesichtsfeld  vollständig  zu  verdunkeln, 
den  Hauptschnitten  der  NicoPschen  Prismen  eine  Neigung 
von  90°  gegeneinander  zu  geben;  wird  nun  der  Magnet  er- 
regt, so  ist  zwar  die  Quantität  der  durchgelassenen  Licht- 
strahlen eine  geringe,  aber  unser  Auge  ist  eher  befähigt,  den 
Contrast  zwischen  absoluter  Dunkelheit  und  einem  schwachen 
Lichtschimmer,  als  den  Unterschied  in  der  Lichtintensität 
zweier  Bilder  wahrzunehmen;  bei  dem  thermischen  Versuch 
kommt  es  nicht  auf  diesen  Contrast,  sondern  darauf  an,  die 
Differenz  der  Quantitäten  der  durchgehenden  Wärmestrahlen 
beim  Schliessen  des  Stromes  nach  verschiedenen  Richtungen 
möglichst  gross  zu  machen,  und  dies  erreicht  man  durch 
obige  Aufstellung.  Denn  setzt  man  die  Ablenkung,  welche 
die  durchgehenden  Wärmestrahlen  hervorbringen,  wenn  die 
Hauptschnitte  parallel  zueinander  sind,  gleich  Eins,  und  be- 
zeichnet man  mit  d  die  durch  den  Magnet  hervorgebrachte 
Drehung  der  Polarisationsebene,  so  werden  die  Ablenkungen 
für  die  beiden  betrachteten  Fälle  sich  darstellen  durch  die 
Ausdrücke :  cos2  (45°  —  9)  —  cos245°  =  $  sin  2  S 
und:  cos2 (90°—  S)  -  cos2 90°  =  sin2£, 

von  denen  der  erstere  für  kleine  Werthe  von  S  der  bei  weitem 
grössere  ist.1) 

Die  einen  einzelnen  Versuch  bildenden  Manipulationen 
und  Ablesungen  sind  nun  in  folgender  Reihenfolge,  welche 
die  Möglichkeit  der  Elimination  der  in  §  5  discutirten  Feh- 

1)  Dass  man  mit  dieser  Aufstellung  überhaupt  die  günstigste  Wir- 
kung erzielt,  ergibt  sich  einfach  folgendermassen: 

Damit  6  cosaa*  Bx  =  —  2  cosa*  sina*  ein  Maximum  sei,  muss 
sin 2  x  —  cos a  x  —  0,  also  x  =  \ix  sein. 


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L.  Grunmach. 


93 


lerquellen  darbieten,  ausgeführt  worden.  Es  wird,  bevor  das 
Diamagneticum  zwischen  die  Pole  des  Electromagnets  ge- 
bracht ist,  die  Ruhelage  der  Galvanometernadel  beobachtet 
und  dann  der  magnetisirende  Strom  nach  beiden  Richtungen 
geschlossen,  sowohl  wenn  der  Thermestrom  geöffnet,  als  wenn 
er  geschlossen  ist.  Wir  wollen  zunächst  der  Einfachheit 
wegen  voraussetzen,  dass  durch  Schliessung  des  magnetisi- 
renden  Stromes  weder  eine  directe  magnetische  Einwirkung 
noch  eine  störende  Inductionswirkung  ausgeübt  werde,  dass 
also  bei  geöffnetem  Thermostrora  die  Galvanometernadel  in 
ihrer  ursprünglichen  Nulllage,  bei  geschlossenem  Thermostrom 
in  der  durch  letzteren  bedingten  abgelenkten  Lage  verharre, 
gleichviel  ob  der  magnetisirende  Strom  geschlossen  sei  oder 
nicht.  Nachdem  nun  die  zu  untersuchende  Substanz  in  ge- 
eigneter Weise  zwischen  die  Pole  gebracht  und  die  Ruhelage 
der  Galvanometernadel  notirt  ist,  wird  der  Thermostrom 
mittelst  des  Commutators  Ä'j  zuerst  etwa  im  positiven 
Sinne  (cfr.  p.  95)  geschlossen  und  die  durch  ihn  hervorge- 
brachte Ablenkung  abgelesen,  hierauf  der  magnetisirende 
Strom  im  positiven  Sinne  mittelst  des  Commutators  K%  ge- 
schlossen und  die  nunmehrige  Ablenkung  abgelesen,  der 
letztere  Strom  geöflhet  und  neuerdings  die  durch  den  Ther- 
mostrom allein  hervorgebrachte  Ablenkung  beobachtet,  der 
magnetisirende  Strom  nach  der  entgegengesetzten  Seite  ge- 
schlossen, die  Ablenkung  notirt,  letzterer  wieder  geöffnet  und 
schliesslich  wieder  die  durch  den  Thermostrom  allein  hervor- 
gebrachte Ablenkung  beobachtet.  In  dieser  Weise  wurde 
nun  in  rascher  Aufeinanderfolge  ein  ganzer  Beobachtungssatz 
ausgeführt  und  am  Schlüsse  desselben  wieder  die  Nulllage 
der  Galvanometernadel  notirt.  Hierauf  wird  der  Thermostrom 
im  negativen  Sinne  geschlossen  und  genau  in  derselben 
Weise  wie  vorhin  ein  Beobachtungssatz  ausgeführt.  Es  wird 
nun  für  die  Berechnung  stets  die  bei  geschlossenem  Thermo- 
strom und  geschlossenem  magnetisirenden  Strom  erfolgte  Ab- 
lenkung combinirt  mit  dem  arithmetischen  Mittel  aus  den 
beiden  durch  den  Thermostrom  allein  hervorgebrachten  Ab- 
lenkungen und  als  Maass  für  die  electromagnetische  Drehung 
der  Polarisationsebene  die  Summe  der  beiden  Differenzen  an- 


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94 


L.  Grunmach. 


gesehen,  die  man  erhält,  wenn  der  magnetisirende  Strom  im 
positiven  und  im  negativen  Sinne  geschlossen  ist. 

§  4.   Die  eigentlichen  Versuche. 

A.  Von  festen  Körpern  wurden  dem  Versuche  unter- 
worfen: 

I.  Sehr  schweres  Flintglas  (extra  heavy)  vom  speci- 
fischen Gewicht  3,879  J) ;  Brechungsexponent  für  die  Z)-Linie 
1,650  (welches  für  spectralanalytische  Zwecke,  bei  denen  es 
auf  starke  Dispersion  ankommt,  angewandt  wird,  z.  B.  für 
Prismenkörper  ä  vision  directe,  ferner  für  Mikroskopsysteme 
mit  starker  Oeffnung): 

a)  ein  Prisma  von  gleichschenklig  dreieckigem  Quer- 
schnitt von  158  mm  Länge,  48  mm  Basis  und  43  mm  Schenkel- 
länge, 

b)  ein  Prisma  mit  quadratischem  Querschnitt  (52  mm 
Seite)  von  42  mm  Länge  (von  vier  Seiten  angeschliffen), 

c)  ein  Prisma  von  denselben  Dimensionen  (jedoch  nur 
von  zwei  Seiten  angeschliffen). 

II.  Leichtes  Flintglas  vom  specifischen  Gewicht 
3,2004;  Brechungsexponent  für  die  .D-Linie  1,573  (welches 
vorzugsweise  zu  Objectiven  für  photographische  Zwecke  ver- 
wandt wird);  ein  Parallelepipedum  117  mm  lang,  34  mm  breit 
und  42  mm  hoch. 

III.  Spiegelglas  vom  specifischen  Gewicht  2,725; 
Brechungsexponent  für  die  .D-Linie  1,538.  Eine  Platte  von 
107  mm  Länge,  65  mm  Breite  und  24  mm  Dicke. 

B.  Von  Flüssigkeiten:  a)  Schwefelkohlenstoff, 
b)  Terpentinöl,  c)  destillirtes  Wasser,  d)  Alkohol. 

Die  Flüssigkeiten  befanden  sich  in  einer  mit  ebenen 
Spiegelglasplatten  verschlossenen  Röhre  von  205  mm  Länge 
und  27  mm  Durchmesser. 


1)  Die  Bestimmungen  des  specifischen  Gewichts,  bei  denen  mich  Herr 
Assistent  J.  Baumann  freundlichst  unterstützte,  sind  auf  der  Kais.  Nor- 
mal-Eichungs-Kommission mit  der  für  Hauptnormale  üblichen  Genauigkeit 
ausgeführt  worden. 


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L.  Grunmach. 


95 


A.  Versuche  mittelst  des  Electromagnets. 

Es  bedeuten:  a0i  a2  die  Ausschläge,  welche  durch  den 
Thermostrom  allein  hervorgebracht  werden,  b  und  c  die  Aus- 
schläge, welche  durch  den  Thermostrom  und  den  magneti- 
sirenden  Strom  hervorgebracht  werden,  wenn  letzterer  in  dem 
einen  oder  anderen  Sinne  geschlossen  wird.  Der  Thermostrom 
ist  im  positiven  (negativen)  Sinne  geschlossen,  wenn  die  durch 
ihn  hervorgebrachten  Ablenkungen  oberhalb  (unterhalb)  von 
500  s.  fallen  (500  s.  =  Nulllage  der  Galvanometer nadel).  Der 
magneti sirende  Strom  ist  im  positiven  (negativen)  Sinne  ge- 
schlossen, wenn  die  durch  den  Thermostrom  hervorgebrachten 
Ablenkungen  durch  ihn  vergrössert  (verkleinert)  werden. 

30.  August  1879. 

1.  Parallelepipedum  aus  leichtem  Flintglas. 

Länge  der  durchstrahlten  Schicht  117  mm. 
6  Bunsen'sche  Elemente.    M  =  36  8.    Nulllage  500  s. 
L  Thermostrom  im  negativen  Sinne  geschlossen. 


Thermo« 
ström 
allein 

Magneti- 
airender 

Strom  im 
(— )  Sinne 

Thermo- 
ström 
allein 

Magneti- 
•irender 

Strom  im 
(+)  Sinne 

Thermo- 
strom 
allein 

Drehung 

im 

(+)  Sinne 

,     a.  +  ai 

6  i-- 

Drehung 

im 

(— )  Sinne 
a,  +  a. 
2 

Summe 
der 
Dre- 
hungen 

b 

«1 

c 

a2 

-4 

dx+dt 

400 
402 
401 
402 
406 

397,5 

400 

399 

400,5 

402,5 

400 
403 
401 
404 

405 

403 

403,5 

404 

408 
407 

402 
401 
402 

406 
405 

-2,5 
-2,5 
-2,0 
-2,5 
-3,0 

-2,0 
-1,5 
-2,5 
-3,0 
-2,0 

-4,5 
-4,0 
-4,5 

—  5,5 
-5,0 

Mittel  -4,7  s. 

itrom  allein  her- 


Nulllage  500  s.  Mittlere  durch  den  Th< 
vorgebrachte  Ablenkung  97,4  s.   Drehung  der  Polarisations- 
ebene der  strahlenden  Wärme  pro  100  s.  —4,8  s. 


II. 


Thermostrom  im  positiven  Sinne  geschlossen. 


603 

601 

603,5 

605,5 

604 

-2,0 

-2,0 

1  "4,0 

604 

602,5 

604 

606 

604 

-1,5 

-2,0 

-3,5 

604 

602 

604 

607 

605 

-2,0 

-2,5 

1  -4,5 

Mittel  -4,0s. 

Nulllage  500  s.  Mittlere  durch  den  Thermostrom  allein  her- 
vorgebrachte Ablenkung  103,9  s.  Drehung  der  Polarisations- 
ebene der  strahlenden  Wärme  pro  100  s.  -3.85  s. 


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96 


L.  Grunmach. 


30.  Aug.  1879.    15  Bunsen'sche  Elemente.  A/=118s. 

t  Thermostrom  im  positiven  Sinne  geschlossen. 


aQ  • 

b 

c 

1  *■ 

i  — 

610 

605 

612 

617 

611 

-6,0 

—  5,5 

-11,5 

611 

604 

610 

616 

608 

-6,5 

-7,0 

-13,5 

608 

602,5 

609 

616,5 

611 

-6,0 

-6,5 

-12,5 

611 

605 

613 

619 

614 

-7,0 

-5,5 

-12,5 

Mittel  -12,5  s. 


Nulllage  500  s.  Mittlere  durch  den  Thermostrom  allein  her- 
vorgebrachte Ablenkung  110,9  s.  Drehung  der  Polarisations- 
ebene  der  strahlenden  Wärme  pro  100  s.  —11,8s. 


n. 

380 
380,5 
381 
375 


Thermostrom  umgekehrt. 


373 

380 

386,5 

380,5 
381 

-7,0 

-6,0 

372,5 

381,5 

387,5 

-8,5 

-6,0 

371 

378 

383 

375 

-8,5 

-6,5 

367,5 

374 

380 

372 

-7,0 

-7,0 

-13,0 
-14,5 
-15,0 
-14,0 


Mittel  -14,1s. 

Nulllage  500  s.  Mittlere  durch  den  Thermostrom  allein  her- 
vorgebrachte Ablenkung  122,0  s.  Drehung  der  Polarisations- 
ebene der  strahlenden  Wärme  pro  100  s.  —11,6  s. 


I. 


30  Bunsen'sche  Elemente.  A/=214s. 

Thermostrom  im  negativen  Sinne  geschlossen. 


339 

322 

339 

358,5 

342 

-17,0 

-18,0 

-35,0 

342 

323,5 

343 

362 

346 

-19,0 
-17,5 

-17,5 

-36,5 

346 

329 

347 

366 

346 

-19,5 

-37,0 

Mittel  -36,2  s. 

Nulllage  500  s.  Mittlere  durch  den  Thermostrom  allein  her- 
vorgebrachte Ablenkung  156,9  s.  Drehung  der  Polarisations- 
ebene  der  strahlenden  Wärme  pro  100  s.  —23,1s. 

U#  Wiederholung  desselben  Versuchs. 


346 

327,5 

342 

361,5 

344 

-16,5 

-18,5 

-35,0 

344 

326 

342 

358,5 

340 

-17,0 
-17,5 

-17,5 

-34,5 

340 

|  321,5 

338 

356 

336 

-19,0 

-36,5 

Mittel  -35,3  s. 

Nulllage  500  s.  Mittlere  durch  den  Thermostrom  allein  her- 
vorgebrachte Ablenkung  158,9  s.  Drehung  der  Polarisations- 
ebene der  strahlenden  Wärme  pro  100  s.  —22,2  s. 


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L.  Grunmach. 


97 


30.  August  1879. 

Thermostrom  umgekehrt;  magnetisirender  Strom  zuerst  im  (+)  und  her- 


III. 

uach  im  (— )  Sinne  geschlossen.' 

» 

«i 

c 

1  - 

j  ät 

<*i +rf3 

648 
646 
647 
645 
647 

668,5 
665,5 
666,5 
664,5 
666,5 

650 
648 
650 
647 
649 

629 
628 
628 
628 
628,5 

646 
647 
645 
647 
647 

+  19,5 
+  18,5 
+  18,0 
+  18,5 
+  18,5 

+  19,0 
+  19,5 
+  19,5 
+  19,0 
4~  19%5 

+  38,5 
+  38,0 
+  37,5 
+  37,5 
+  38  0 

Mittel  +37,9s. 


Nulllage  500  s.  Mittlere  durch  den  Thermostrom  allein  her- 
vorgebrachte Ablenkung  147,6  s.  Drehung  der  Polarisations- 
ebene der  strahlenden  Wärme  pro  100  s.  +25,7  s. 

Zur  Ausführung  von  Controlversuchen  wird  die  vom 
Heliostaten  her  auf  die  eine  Seite  der  Thermo säule  fallende 
Wärmemenge  neutralisirt,  indem  Strahlen  einer  anderen  leicht 
regulir baren  Wärmequelle  (Ableselampe  A  in  Taf.  I  Fig.  8) 
durch  eine  Linse  L2  auf  die  entgegengesetzte  Seite  der  Ther- 
mosäule  concentrirt  werden,  bis  die  Ablenkung  der  Gralvano- 
meternadel  nahezu  Null  ist.  Diese  Controlversuche  sind 
im  Folgenden  stets  bezeichnet  durch:  „Thermostrom  neu- 
tralisirt". 

Die  Einzelbeobachtungen  werden  in  derselben  Reihen- 
folge wie  vorher  ausgeführt. 

30.  August  1879. 

jy#     Thermostrom  im  positiven  Sinne  geschlossen  und  neutralisirt. 


b 

• 

c 

aa 

4 

d2 

514 
517 
521 

495 
499 
501 

475,5 
482,5 
482 

495 
503 
500 

+  17,5 
+  20,0 
+  19,0 

=j 

+  19,5 
+  18,5 
+  18,5 

+  37,0 
+38,5 
+  37,5 

Mittel  +37,7s 

V.    Thermostrom  im  umgekehrten  Sinne  geschlossen  und  neutralisirt. 


497 

480,5 

497 

515 

500 

-16,5 

-16,5 

-33,0 

500 

479 

494 

514,5 

496 

-18,0 

-19,5 

-37,5 

496 

477,5 

493 

510,5  1 

491 

-17,0 

-18,5 

-35,5 

Ann.  d.  Phy».  u.  Chem.  N.  F.  XIV. 


Mittel  -35,3  s. 
7 


98 


L.  Grunmach. 


4.  September  1879. 

2.  Prisma  aus  schwerem  Flintglas  mit  quadra- 
tischem Querschnitt  (von  4  Seiten  angeschliffen). 

a)  Lunge  der  durchstrahlten  Schicht  42  mm. 
20  Bunsen'sche  Elemente.  iW=166s. 
j#  Thermostrom  im  positiven  Sinne  geschlossen. 


«0 

b 

«i 

c 

«2 

dx  J 

<*» 

rf,  +  d9 

757 
750 
758 
761 

773,5 
768,5 
775,5 
778,5 

754 
754 
758 
762 

733,5 
737,5 
741,5 
745,5 

750 
758 
761 
763 

+  18.0 
+  16,5 
+  17,5 
+  17,0 

+  18,5 
+  18,5 
+  18,0 
+  17,0 

+  36,5 
+  35,0 
+  35,5 
+  34,0 

Mittel  +35,4s. 

Nulllage  500  s.  Mittlere  durch  den  Thermostrjom  aliein  her- 
vorgebrachte Ablenkung  257,4  s.   Drehung  der  Polarisations- 
ebene der  strahlenden  Wärme  pro  100  s.  -f  13,75  s. 


I. 

643 
647 
652,5 
655 


30   Bunsen'sche  Elemente.     M  =  221  s. 
Thermostrom  im  positiven  Sinne  geschlossen. 


657 

647 

634,5 

647 

+  12,0 

+  12,5 

+  24,5 

662 

651 

638,5 
642,5 

652 

+  13,0 

+  13,0 

+  26,0 

670 

657,5 

655 

+  15,0 

+  13,5 

+  28,5 

668 

655 

641 

655 

+  13,0 

+  14,0 

+  27,0 

Mittel  +  26,5  s. 

Nulllage  500  s.  Mittlere  durch  den  Thermostrom  allein  her- 
vorgebrachte Ablenkung  151,4  s.  Drehung  der  Polarisations- 
ebene der  strahlenden  Wärme  pro  100  8.  +  17,5  s. 


II. 

355 
351,5 


341 
337,5 


Thermostrom  umgekehrt. 

351  I  363,5  !  351  -12,0 
351,5  I    364,5  j  350,5  |  -14,0 


-12,5  -24,5 


Mittel  -26,0  s. 

Nulllage  500  s.  Mittlere  durch  den  Thermostrom  allein  her- 
vorgebrachte Ablenkung  148,1  s.  Drehung  der  Polarisations- 
ebene der  strahlenden  Wärme  pro  100  s.  —17,6  s. 

Wiederholung  dieses  Versuchs. 


III. 

354 
356 


344 

343 


357 
352 


370 
367 


356 
354 


-11,5 
-11,0 


-13,5 
-14,0 


-25,0 
-25,0 


|     343  | 

Mittel  -25,0s. 

Nulllage  500  s.   Mittlere  durch  den  Thermostrom  allein  her- 
vorgebrachte Ablenkung  145,4  s.  Drehung  der  Polarisations- 
ebene der  strahlenden  Wärme  pro  100  s.  -17.2  s. 


Digitized  by  Google 


L.  Grvnmuch. 


99 


4.  September  1879. 
IV. 


Thermostrom  neutralisirt. 


«0 

b 

«h 

c 

1 

i 

dy  +  rf8 

514 

509 

502,5 
500 

510 
510 

521,5 
522,5 

509 
509 

-9,5 
-9,5 

-12,0 
-13,0 

-21,5 
-22,5 

Mittel  -22,0s. 


V. 


Thermostrom  im  umgekehrten  Sinne  geschlossen  und  neutralisirt. 

505  I  518  |  507  493  I  501  I  +12,0  I  +11,0  I  +23,0 
501    |    515,5  ,    504        491         500       +13,0    i    +11,0    !  +24,0 

Mittel  +23,5s. 

8.  Sept  1879.     b)  Länge  der  durchstrahlten  Schicht  52mm. 

30  Bunsen'sche  Elemente.     M  =  228  s. 


VI. 

370 

357 

366 

355 

367 

354 

363 

352 

363 

353 

Thermostrom  im  negativen  Sinne  geschlossen. 


368 
370 
369 
367 
367 


I 


382 
383 
379 
380 
379,5 


366 
367 
363 
363 
365 


! 


-12,0 
-13,0 
-14,0 
-13,0 
-12,0 


-15,0 
-14,5 
-13.0 
-15,0 
-13,5 


! 


-27,0 
-27,5 
-27,0 
-28,0 
-25,5 


Mittel  -27,0s. 

Nulllage  500  s.  Mittlere  durch  den  Thermostrom  allein  her- 
vorgebrachte Ablenkung  133,2  s.  Drehung  der  Polarisations- 
ebene der  strahlenden  Wärme  pro  100  s.  —20,3  s. 

VII.  Thermostrom  umgekehrt. 

611  600 

621  608 

626  612 

628  613 

Mittel  -26,2  b. 

Nulllage  500  s.  Mittlere  durch  den  Thermostrom  allein  her- 
vorgebrachte Ablenkung  121,6  s.  Drehung  der  Polarisations- 
ebene der  strahlenden  Wärme  pro  100  s.  —21,55  s. 

8.  September  1879. 

VIII.  ThermostTom  im  positiven  Sinne  geschlossen  und  neutralisirt. 


615 

630,5 

621 

-13,0 

-12,5 

-25,5 

622 

637 

626 

-13,5 

-13,0 

-26,5 

624 

639 

628 

-13,0 
-13,5 

-13,0 

-26,0 

625 

637 

622 

-13,5 

-27,0 

504 

492 

506 

519,5 

507 

491 

503 

517,5 

505 

490 

507 

520 

IX. 

Thermostrom  um 

494 

509,5 

497 

482 

493 

508 

495 

4S3 

498 

508,5 

496 

482 

494 

509,5 

500 

484,5 

499 

512,5 

503 

487,5 

501 

1  515,5 

504 

488,5 

507 

505 
506 


493 
498 
494 
499 
501 
500 


-13,0 
-14,0 
-16,0 


+  14,0 
+  14,0 
+  11,5 
+  12,5 
+  11,5 
+  13,0 


-13,0 
-13,5 
-13,5 


-26,0 
-27,5 
-  29,5 


Mittel  -27,7s. 


+  13,0 
+  13,5 
+  13,0 
+  15,0 
+  14,5 
+  13,5 


+  27,0 
+  27,5 
+  24,5 
+  27,5 
+  26,0 
+  26.5 


Mittel  +26,0s. 
7* 


Digitized  by  Google 


100 


L.  Grunmach. 


10.  September  1879. 

3.   Prisma  aus  schwerem  Flintglas  mit  quadrati- 
schem Querschnitt  (nur  von  2  Seiten  angeschliffen). 
Länge  der  durchstrahlten  Schicht  42  mm. 
10  Bunsensche  Elemente.     M  =  92  s. 


I. 

Thermostro 

m  im  pc 

>sitivcn  Si 

nne  gesch 

ossen. 

«o 

b 

«i 

c 

ä, 

d. 

1  dl 

775 
778 
771 

765 
764 

760 

773 
772 
770 

786,5 
780,5 
779,5 

778 
771 
768 

-  9,0 
-11,0 
-10,5 

-11,0 
-  9,0 
-10,5 

-20,0 
-20,0 
-21,0 

Mittel  -20,3  s. 

Nulllage  500  s.  Mittlere  durch  den  Thermostrom  allein  her- 
vorgebrachte Ablenkung  272,4  s.  Drehung  der  Polarisations- 
ebene der  strahlenden  Wärme  pro  100  s.  —7,5  s. 


II. 


Thermostrom  umgekehrt. 


234 

242,5  \ 

230 

223 

236 

+  10,5 

+  10,0 

+  20,5 

236 

241,5 

230 

224 

236 

+  8,5 

+  9,0 

+  17,5 

236 

245,5 

234 

223,5 

234 

+  10,5 

+  10,5 

+  21,0 

Mittel  +19,7s. 

Nulllage  500  s.  Mittlere  durch  den  Thermostrom  allein  her- 
vorgebrachte Ablenkung  266,6  s.  Drehung  der*  Polarisations- 
ebene der  strahlenden  Wärme  pro  100  s.  +7,4  8. 

30  Bunsensche  Elemente.  Af=  244  *\ 
jll  Thermostrom  im  negativen  Sinne  geschlossen. 

-10,5  i  -10,5  I  -21,0 
-  9,5  i  -12,5  -22,0 
-10,0    |   -11,5    1  -21,5 

Mittel  -21,5  s. 

Nulllage  500  s.  Mittlere  durch  den  Thermostrom  allein  her- 
vorgebrachte Ablenkung  119,6  s.  Drehung  der  Polarisations- 
ebene der  strahlenden  Wärme  pro  100  s.  —18,0  s. 


380 

370,5  | 

382 

392 

381 

381 

371    .  1 

380 

393 

381 

381 

370 

379 

391 

380 

IV. 


Thermostrom  im  positiven  Sinne  geschlossen. 


610 

622,5 

612 

600 

608 

+  11,5 

+  10,0 

608 

622,5 
622,5 

611 

600 

608 

+  13,0 

+  9,5 

608 

613 

601,5 

610 

+  12,0 

+  10,0 

+  21,5 
+  22,5 
+  22,0 


Mittel  +22,0s. 

Nulllage  500  s.  Mittlere  durch  den  Thermostrom  allein  her- 
vorgebrachte Ablenkung  1 10,3  s.  Drehung  der  Polarisations- 
ebene der  strahlenden  Wärme  pro  100  s.  +  19,9  s. 


Digitized  by  Google 


L.  Grunmach.  101 


10.  Sept.  1879. 

ym    Thermoßtrom  im  positiven  Sinne  geschlossen  und  neutralisirt. 


«0 

6 

«i 

c 

as  dx 

dx  +^ 

503 
506 
508 

514,5 

518 

518,5 

509 
510 
509 

496 
498 
500 

506    I    +  8,5 
508       + 10,0 
512    i  +10,0 

+  11,5 
+  11,0 
+  10,5 

+  20,0 
+  21,0 
+  20,5 

Mittel  +20,5s. 

VI.  Thermostrom  umgekehrt  und  neutralisirt. 


514 

504 

514 

525 

513 

-10,0 

-11,5 

-21,5 

513 

503 

512 

523 

509 

-  9,5 

-12,5 

-22,0 

509 

500 

512 

524 

510 

-10,5  1 

-13,0 

Mittel  -22,3  s. 


8.  September  1879. 

4.   Prisma  aus  schwerem  Flintglas  von  gleich- 
schenklig dreieckigem  Querschnitt. 

Länge  der  durchstrahlten  Schicht  158  mm. 
30  Bunsen'sche  Elemente.     M  =  228  s. 


I.  Thermostrom  im  positiven  Sinne  geschlossen. 


630 

647,5 

632 

610 

628 

+  16,5 

+20,0 

+  36,5 

628 

647 

630 

608 

624 

+  18,0 

+  19,0 

+37,0 

624 

646,5 

627 

605 

621 

+  21,0 

+  19,0 

+  40,0 

621 

639,5 
638 

621 

602 

618 

+  18,5 

+  17,5 

+36,0 

618 

620 

603 

622    |  +19,0 

+  18,0 

+  37,0 

Mittel  +  37,3  s. 

Nulllage  500  8.  Mittlere  durch  den  Therm  ostrom  allein  her- 
vorgebrachte Ablenkung  124,8  s.  Drehung  der  Polarisations- 
ebene der  strahlenden  Wärme  pro  100  s.  4-29.9  s. 


II.  Thermostrom  umgekehrt. 


377  1 

361 

379 

398 

381 

-17,0 

-18,0 

-35,0 

381 

360 

379 

399 

380 

-20,0 

-19,5 

-39,5 

880  | 

360 

378 

399 

1  380 

-19,0 

-20,0 

-39,0 

Mittel  +37,8s. 

Nulllage  500  s.  Mittlere  durch  den  Thermostrom  allein  her- 
vorgebrachte Ablenkung  120,9  s.   Drehung  der  Polarisations- 


ebene der  strahlenden  Wärme  pro  100  s.  —31,3  s.  • 


jjj  Thermostrom  neutralisirt. 


499 

478 

494 

514 

498 

-18,5 

-18,0 

-36,5 

488 

478 

495 

517 

499 

-18,5 

-20,0 

-38,5 

499 

480 

500 

520 

504 

-19,5 
-18,0 

-18,0 

-37,5 

504 

487 

506 

526 

512 

-17,0 

-35,0 

Mittel  -36,9  s. 


litized  by  Google 


102 


L.  Grunmach. 


8.  September  1879. 

jy  Thermostrom  umgekehrt  und  neutralisirt. 


«0 

b 

«, 

'  1 

0, 

<*. 

dx  +  d2 

499 

519 

501 

480 

497 

+  19,0 

+  19,0 

+  38,0 

497 

516,5 

501 

480 

496 

+  17,5 

+  18,5 

+  36,0 

■196 

1  515 

500 

481  1 

499 

+  17,0 

+  18,5 

+  35,5 

499 

518,5 

501 

480,5 

500 

+  18,5 

+  20,0 

+  38,5 

500 

|  517,5 

499 

480 

499 

+  18,0 

+  19,0 

+  37,0 

Mittel  +  37,0  s. 


12.  Sept.  1879.  5.  Spiegelglasplatte. 

Länge  der  durchstrahlten  Schicht  24  mm. 
30  Bunsen'sche  Elemente.     M  =  238  s. 
j  Thermostrom  im  positiven  Sinne  geschlossen. 


615 

620 

615 

607,5 

613 

+  5,0 
+  4,5 

+6,5 

+  11,5 

613 

618 

614 

608,5 

614 

+  5,5 

+  10,0 

Mittel  +  10,7  s. 

Nulllage  500  s.  Mittlere  durch  den  Thermostrom  allein  her- 
vorgebrachte Ablenkung  114,2  s.  Drehung  der  Polarisations- 
ebene der  strahlenden  Wärme  pro  100  8.  +9,4  s. 


n. 


Thermo8trom  umgekehrt. 


330  I 

372 

374 

380 

376 

370,5 

374 

381 

374 

367,5 

372  j 

381 

376 
874 
378 


-5,0 
-4,5 
-5,5 


-5,0 

-10,0 

-7,0 

-11,5 

-6,0 

-11,5 

Mittel  -11,0  s. 

Nulllage  500  s.  Mittlere  durch  den  Thermostrom  allein  her- 
vorgebrachte Ablenkung  124,6  s.  Drehung  der  Polarisations- 
ebene der  strahlenden  Wärme  pro  100  s.  —8,8  s. 


507 
504 


IV. 


Thermostrom  im  negativen  Sinne  geschlossen  und  neutralisirt. 

|  509,5  | 
|    509,5  | 


501,5 
499,5 


507 
505 


504 
503 


-5,5 
I  -5,0 


-4,0 

-  9,5 

-5,5 

-10,5 

Mittel  -10,0  s. 


Thennostrom  umgekehrt  und  neutralisirt. 


506 

511 

506 

502 

508 

+  5,0 

+  5,0 

508 

512 

508 

502 

505 

+  4,0 

+  4,5 

+  10 

+  8,5 


Mittel  +  9,2  s. 


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L.  Grunmach. 


103 


2.  Sept  1879 


6.  Schwefelkohlenstoff. 
Länge  der  durchstrahlten  Schicht  205  mm.  • 
10  Bunsen'sche  Elemente.     M  =  70  s 

Thennostroin  im  negativen  Sinne  geschlossen. 


0 


4  +  d% 


416 
417 
414 
415 
415 
414 
414 
415 


421 

420,5 
419,5 
420,5 
419,5 
418,5 
419,5 
419,5 


418 
417 
416 
416 
416 
415 
416 
415 


413,5 
411,0 
411,5 
411,5 
411,5 
410,5 
411,5 
410,0 


417 
414 
415 
415 
414 
414 
415 
414 


+  4,0 
+  3,5 
+  4,5 
+  5,0 
+  4,0 
+  4,0 
+  4,5 
+  4,5 


+  4,0 
+  4,5 
+  4,0 
+  4,0 
+  3,5 
+  4,5 
+  4,0 
+  4,5 


+  8,0 
+  8,0 
+  8,5 
+  9,0 
+  7,5 
+  8,5 
+  8,5 
+  9,0 


Mittel  +8,4s. 

Mittlere  durch  den  Thermostrom  allein  her- 
blenkung  84,5  s.    Drehung  der  Polarisations- 
strahlenden Wärme  pro  100s.  +9,9  s. 

4.  Sept  1879.     16  Bunsen'sche  Elemente.  M— 102  s 
IL  Thermostrom  im  negativen  Sinne  geschlossen. 


Nulllage  500  s. 
vorgebrachte  Ali 
ebene  der 


408 

414 

405  1 

397 

403 

+  7,5 

i  +7,0 

+  14,5 
+  13,0 

403 

409,5  , 

402 

396 

402 

+  7,0 

+  6,0 

402 

411 

405  1 

397 

404 

+  7,5 

+  7,5 

+  15,0 

Mittel  +14,2s. 

Nulllage  5008.  Mittlere  durch  den  Therraostrom  allein  her- 
vorgebrachte Ablenkung  95,9  s.    Drehung  der  Polarisations- 
ebene der  strahlenden  Wärme  pro  100  s.  +  14,8  s. 

6.  Sept.  1879.    20  Bunsen'sche  Elemente.  J/=128s. 
HI.  Thermostrom  im  negativen  Sinne  geschlossen. 


408 

398 

406 

414 

407 

-  9,0 
-10,0 

-  8,5 

-7,5 

-16,5 

407 

397 

407 

417 

409 

-9,0 

-19,0 

409 

400 

i  408 

416 

407 

-8,5 

-17,0 

Mittel  -17,5s. 

Nulllage  500  s.  Mittlere  durch  den  Thermostrom  allein  her- 
vorgebrachte Ablenkung  92,6  s.    Drehung  der  Polarisations- 
ebene der  strahlenden  Wärme  pro  100  s.  +18,9  8. 


IV. 

610 
610 
611 


Thermostrom  umgekehrt. 


602 
602 
601,5 


612 
611 
609 


! 


620 

619,5 

617 


610 
611 

608 


-9,0 
-8,5 
-8,5 


9,0 
•8,5 
■8,5 


-18,0 
-17,0 
-17,0 


Mittel  -17,3  s. 


Digitized  by  Google 


104 


L  Grunmach. 


Nulllage  500  s.  Mittlere  durch  den  Thermostrom  allein  her- 
vorgebrachte Ablenkung  110,1s.  Drehung  der  Polarisations- 
ebene der  strahlenden  Wärme  pro  100  8.  —15,7  s. 

6.  September  1879. 
V. 


Thermostrom  neutralisirt. 


«0 

b 

a, 

c 

<h 

dt 

<*> 

501 

492 

501 

508 

499 

-9,0 

-8,0 

-17,0 

499 

490 

499 

509 

501 

-9,0 

-9,0 

-18,0 

501 

490,5 

499 

507 

498 

-9,5 

-8,5 

-18,0 

VI. 
499 
495 
497 


Mittel  -17,7  s. 
Thermostrom  umgekehrt  geschlossen  und  neutralisirt. 


508,5 
502,5 
508,5 


500 
497 
502 


488,5 
489,5 
491,5 


495 
497 
498 


+  9,0 
+  6,5 
+9,0 


+  9,0 
+  7,5 
+  8,5 


+  18,0 
+  14,0 
+  17,5 


80  Bunsen'sche  Elemente.  M 


Mittel  +  16,5  s. 
206  s. 


VII. 


Thermostrom  im  negativen  Sinne  geschlossen. 


382 

362 

378 

395,5 

379 

-18,0 

-17,0 

-35,0 

379 

358 

376 

394,5 

378 

-19,5 

-17,5 

-37,0 
-36,5 

378 

359 

376 

396,5 

380 

-18,0 

-18,5 

380 

359,5 

879 

398,5 

381 

-20,0 

-18,5 

-38,5 

Mittel  -36,7  s. 

Nulllage  500  s.  Mittlere  durch  den  Thermostrom  allein  her- 
vorgebrachte Ablenkung  121,2  s.   Drehung  der  Polarisations- 
ebene der  strahlenden  Wärme  pro  100  s.  —30,3  s. 

VTJX  Thermostrom  umgekehrt. 

620  I 
620 
619 
620 


603 

622 

640 

620 

-18,0 

-19,0 

-37,0 

606 

625 

642 

619 

-16,5 

-20,0 

-36,5 

602 

620 

688 

620 

-17,5 
-18,5 

-18,0 

-35,5 

603 

623 

641 

624 

-17,5 

-36,0 

Mittel  -36,2  s. 

Nulllage  500  s.  Mittlere  durch  den  Thermostrom  allein  her- 
vorgebrachte Ablenkung  121,4  s.  Drehung  der  Polarisations- 
ebene der  strahlenden  Wärme  pro  100 8.  —29,8s. 


7.  Sept.  1879. 


IX. 
499 
497 
493 
498 


30  Bunsen'sche  Elemente. 
Thermostrom  neutralisirt. 


514,5 
511 
509 
513 


503 

485 

497 

+  13,5 

+  15,0 

+28,5 

498 

480 

493 

+  13,5 

+  15,5 

+  29,0 

499 

484 

498 

+  13,0 

+  14,5 

+  27,5 

500 

484 

496 

+  14,0 

+  14,0 

+  28,0 

Mittel  +  28,2s. 


Digitized  by  Google 


L.  Grunmach.  105 


7.  September  1879. 
y  Thermostrom-umgekehrt  und  neutralisirt. 


«0 

b 

«i 

c 

dx 

dt 

dx+dt 

499 
497 
496 
500 

513 
512,5 
513,5 
514 

498 
499 
500 
501 

4S2 
482 
486 
486 

497 
496 
500 
500 

+  14,5 
4-14,5 
4-15,5 
+  13,5 

+  15,5 
+  15,5 
+  14,0 
+  14,5 

+  30,0 
+  30,0 
+  29,5 
+  28,0 

Mittel  +29,41'. 


35  Bunsen'sche  Elemente.     M  «=  237  s. 


Thermostrom  im  negativen  Sinne  geschlossen. 


415 

396 

409 

425,5  I 

413 

-16,0 

-14,5 

-30,5 

413 

395,5 

412 

426,5 

414 

-17,0 

-13,5 

-30,5 

414 

393 

408 

423,5 

408 

-18,0 

-15,5 

-33,5 

408 

390,5 

404 

420,5 

406 

-15,5 

- 15,5 

-31,0 

Mittel  -3l,4P. 


Nulllage  500  s.  Mittlere  durch  den  Thermostrom  allein  her 
vorgebrachte  Ablenkung  90,1  s.    Drehung  der  Polarisations- 
ebene der  strahlenden  Wärme  pro  100  s.  —34,9  s. 


XII. 

590 
589 
584 
585 


Thermostrom  umgekehrt. 


608  • 

595  [ 

574,5 

589 

+  15,5 

+  17,5 

+  33,0 

605 

590 

569,5 

584 

+  15,5 

+  17,5 

+  33,0 

604 

590 

570,5 

585 

+  17,0 
+  17,5 

+  17,0 

+  34,0 

604 

588  ; 

570,5 

585 

+  16,0 

+  33,5 

Mittel  +33,4i\ 

Nulllage  500  s.  Mittlere  durch  den  Thermostrom  allein  her- 
vorgebrachte Ablenkung  88,4  s.   Drehung  der  Polarisations- 
ebene der  strahlenden  Wärme  pro  100  s.  +37,8  s- 


XIII. 


Wiederholt 


630 

653 

632 

606 

625 

+  22,0 

+  22,5 

+44,5 

625 

648 

623 

598 

618 

+  24,0 

+  22,5 

+46,5 

618 

642,5 

620 

600 

622 

+  23,5 

+  21,0 

+44,5 

622 

646 

625 

604 

625 

+22,5 

+  21,0 

+  43,5 

Mittel  +44,7P. 

Nulllage  500  8.  Mittlere  durch  den  Thermostrom  allein  her- 
vorgebrachte Ablenkung  124,4  s.  Drehung  der  Polarisations- 
ebene der  strahlenden  Wärme  pro  100  s.  -f- 35,9  s. 


106 


L.  Grunmach, 


12.  Sept.  1879.   '         7.  Terpentinöl. 

Länge  der  durchstrahlten  St!hicht  205  min. 

30  Bunsen'sche  Elemente.     M  =  238  s. 

I.  Thermostrom  im  positiven  Sinne  geschlossen. 


«0 

b 

„,    |  c 

dx 

d. 

dt  +  «£, 

560 
559 
558 

565 
561 
562 

562  558 
557  555,5 
561    ,  559 

559 
558 
561 

+  4,0 

+  3,0 
+  2,5 

+2,5 
+  2,0 
+  2,0 

+  6,5 
+  5,0 
+  4,5 

Mittel  +5,3  s. 

Nulllage  5008.  Mittlere  durch  den  Tbermostroin  allein  her- 
vorgebrachte Ablenkung  59,7  s.    Drehung  der  Polarisations- 
ebene der  strahlenden  Wärme  pro  100  s.  +8,9  s. 


II. 


Thennostrom  umgekehrt. 


450 

446 

448 

451,5 

449 

-3,0 

-3,0 

-6,0 

449 

446 

449 

452 

447 

-3,0 
-2,5 

-4,0 

-7,0 

447 

444 

446 

448,5 

444 

-3,5 

-6,0 

Mittel  -6,3  s. 

Nulllage  500  s.  Mittlere  durch  den  Thermostrom  allein  her- 
vorgebrachte Ablenkung  52,4  s.   Drehung  der  Polarisations- 
ebene der  strahlenden  Wärme  pro  100  s.  —  12,0  s. 


13.  Sept.  1879.       8.  Destillirtes  Wasser. 

Länge  der  durchstrahlten  Schicht  205  nun. 
35  Bunsen'sche  Elemente.     M  =  249  s. 
Thermostrom  im  negativen  Sinne  geschlossen. 


I. 

435 
436 
434 

433 


I 


439,5 
440 
436,5 
434 


437 
436 
435 
431 


435 
432 
432 
429 


436 
434 
433 
430 


+  3,5 
+  4,0 
+  2,0 
+  2,0 


+  1,5 
+  3,0 
+  2,0 
+  1,5 


+  5,0 
+  7,0 
+  4,0 
+  3,5 


Mittel  +4,6  s. 

'Nulllage  500  s.  Mittlere  durch  den  Thermostrom  allein  her- 
vorgebrachte Ablenkung  65,9  s.   Drehung  der  Polarisations- 
ebene der  strahlenden  Wärme  pro  100  s.  +7,0s. 

Thermostrom  umgekehrt. 


IL 

580 
583 

576 
572 


! 


583,5 
584 

577 
573 


582 
580 

573 
570 


580 
578 

571 
567 


I 


583 
576 

572 

566 


+  2,5 

+  2,5 

+  5,0 

+  2,5 

+  2,5 

i  unsicher) 

+  2,5 

+  1,5 

+  4,0 

+  2,0 

+  1,0 

+  3,0 

unsiclif  - 

Mittel  +4,5s. 

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L.  Grunmach.  107 


Nulllage  500  s.  Mittlere  durch  den  Thermostrom  allein  her- 
vorgebrachte Ablenkung  75,8  s.    Drehung  der  Polarisations- 
ebene der  strahlenden  Wärme  pro  100  s.  +5,9  s. 

13.  Sept.  187t).       9.  Absoluter  Alkohol. 

Länge  der  durchstrahlten  Schicht  205  mm. 
3  >  Bunsen'sche  Elemente.     3/=  249  s. 
I_  Thermostrom  im  positiven  Sinne  geschlossen. 


«o 

h 

ax  c 

<*2 

dl  +  cU 

592 

596 

599 

594 
599 

597 

595  595 

598  597 

596  593 

! 

596 
599 

m 

+  0,5 

+  2,0 
+  0,5 

+  0,5 

+  1,5 
+  2,0 

+  1,0 
(unsicher) 

+  3,5 

+  1,5 
(unsicher) 

Mittel  +3,5  s.  (?). 

Nulllage  500  s.  Mittlere  durch  den  Thermostrom  allein  her- 
vorgebrachte Ablenkung  95,6  s.    Drehung  der  Polarisations- 
ebene der  strahlenden  Wärme  pro  100  s.  +3,7  s.  (?). 


Die  beobachteten,  die  electromagnetische  Drehung  dar- 
stellenden Ablenkungen  sind  sehr  unsicher;  die  Differenzen 
zweier  aufeinanderfolgenden,  durch  den  Thermostrom  allein 
hervorgebrachten  Ablenkungen  erreichen  und  überschreiten 
sogar  deren  Grösse;  der  Versuch  wird  deshalb  unterbrochen. 

B.  Von  den  mittelst  der  Spirale  angestellten  Ver- 
suchen, welche  nicht  so  grosse  Wirkungen  wie  die  sub  A 
mitgetheilten  ergaben,  seien  nur  folgende  mitgetheilt: 

3.  September  1879. 
Glasprisma  (mit  dreieckigem  Querschnitt)  aus 

schwerem  Flintglas. 

Länge  der  durchstrahlten  Schicht  158  mm. 
•15  Bunsen'sche  Elemente.  i=4,2°. 
j  Thermostrom  im  positiven  Sinne  geschlossen. 


a9 

h 

ax 

c 

1 

at 

dx  +rfa 

642 

646 

640 

634 

640 

+  5,0 

+  6,0 

+  11,0 

640 

640 

639 

634 

640 

+  5,5 

+  5,5 

+  11,0 

640 

647 

641 

635 

640 

+  7,5 

+  5,5 

+  13,0 

108  L.  Cfrunmach. 


Nulllage  500  8.  Mittlere  durch  den  Thermostrom  allein  her- 
vorgebrachte Ablenkung  140,3  s.  Drehung  der  Polarisations- 
ebene der  strahlenden  Wärme  pro  100  s.  +8,3  s. 


3.  September  1879. 
jj  Thermostrom  umgekehrt. 


a0 

b 

<h 

c 

a4 

<*. 

rf2 

dx  +  c£2 

351 
356 
360 

356 
364 
366,5 

352 
859 
362 

349 
355 
357,5 

356 
360 
363 

+4,5 
+  6,5 
+  5,5 

+  5,0 
+  4,5 
+  5,0 

+  9,5 
+  11,0 
+  10,5 

Mittel  +  10,8  s. 

Nulllage  500  s.  Mittlere  durch  den  Thermostrom  allein  her- 
vorgebrachte Ablenkung  142,4  s.  Drehung  der  Polarisations- 
ebene der  strahlenden  Wärme  pro  100  s.  +7,2s. 


30  Bunsen'sche  Elemente,    i  =  7,3  °. 
HI.  Thermostrom  neutralisirt. 


493 

501 

495  | 

485 

492 

+  7,0 

+  8,5 

+  15,5 

492 

499,5 

490 

484 

495 

+  8,5 

+8,5 

+  17,0 

495 

498 

489 

480 

486 

+  6,0 

+  7,5 

+  13,5 

Mittel  +  15,3  s. 


IV.  Thermostrom  im  positiven  Sinne  geschlossen. 


370  | 

380 

374 

368 

1  377 

+  8.0 

+  7,5 

+  15,5 

377 

383 

375 

370 

380 

+  7,0 
+  8,5 

+  7,5 

+  14,5 

380  ! 

389 

,    381  | 

373 

382 

+  8,5 

-t-17,0 

Mittel  +15,7  s. 


Nulllage  500  s.  Mittlere  durch  den  Thermostrom  allein  her- 
vorgebrachte Ablenkung  123,0  s.  Drehung  der  Polarisations- 
ebene der  strahlenden  Wärme  pro  100  8.  -f  12,8  s. 


V.  Thermostroin  umgekehrt. 


640 

645,5  1 

635 

627 

635 

+  8,0 

+  8,0 

|  +16,0 

635 

644 

634 

626 

635 

+  9,5 

+  8,5 

+  18,0 

635 

640,5 

630 

621 

625 

+8,0 

+  8,5 

+  16,5 

629 

638,5 

629 

619 

628 

+  9,5 

+  9,5 

+  19,0 

Mittel  +  17,8  s. 

Nulllage  500  s.  Mittlere  durch  den  Thermostrom  allein  her- 
vorgebrachte Ablenkung  132,8  s.  Drehung  der  Polarisations- 
ebene der  strahlenden  Wärme  pro  100  s.  -t- 13,4  s. 


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L.  Grunmach.  10$ 

§  5.    Berechnung  der  Versuche  und  Discussion  der 

Fehlerquellen. 

Die  Berechnung  vorstehend  mitgetheilter  Versuche  ist 
aus  ihrer  Anordnung  wohl  leicht  ersichtlich;  die  in  der  Columne 
rfj  +  d2  enthaltenen,  die  Grösse  der  electroraagnetischen 
Drehung  der  Polarisationsebene  darstellenden  Zahlen  sind 
stets  in  einen  Mittelwerth  vereinigt,  welcher  der  mittleren, 
durch  den  Thermostrom  allein  hervorgebrachten  Ablenkung 
entspricht;  letztere  ergibt  sich  als  arithmetisches  Mittel  aus. 
der  ersten  sub  Col.  a0  und  sämmtlicher  sub  Col.  ax  und  at 
verzeichneten  Ablenkungen  (die  darauffolgenden  Zahlen  unter 
a0  sind  nämlich  genau  dieselben  wie  unter  a2  und  nur  der 
leichteren  Uebersi cht  wegen  wiederholt).  Diese  der  Quan- 
tität der  polarisirten  Wärmestrahlen  entsprechende- 
mittlere  Ablenkung  ist  stets  gleich  100  gesetzt  und 
die  electromagnetische  Drehung  auf  diese  Grösse  reducirt 
worden. 

Diejenigen  Versuche,  bei  welchen  die  auf  die  eine  Seite 
der  Thermosäule  fallende  Wärmemenge  durch  die  Lampe 
und  Linse  neutralisirt  wurde,  lassen  eine  derartige  Reduction, 
da  die  Grösse  des  Thermostroms  ja  nicht  beobachtet  wurde,, 
natürlich  nicht  zu;  sie  gelten  nur  als  Controlversuche,  ohne 
bei  der  Ermittelung  der  Resultate  benutzt  zu  werden. 

Mannigfaltig  sind  die  Vorsichtsmaassregeln,  von  deren 
Berücksichtigung  die  Ausführbarkeit  exacter  Messungen  ab- 
hängig ist. 

1.  Auf  den  Umstand,  dass  der  polarisirte  Wärme- 
strahl genau  mit  der  Richtung  der  magnetischen 
Kraftlinie  zusammenfällt,  sowie  auf  die  Aufstellung 
der  diamagnetischen  Substanzen  ist  besondere  Sorg- 
falt zu  verwenden,  da  die  Grösse  der  Drehung  von  der  Nei- 
gung, welche  die  Richtung  des  Wärmestrahls  mit  der  Richtung 
der  Wirkung  der  magnetischen  Kraft  bildet,  abhängt.  Aus 
V erdet' s  Versuchen  über  die  electromagnetische  Drehung 
der  Polarisationsebene  des  Lichts1)  ergibt  sich,  dass  der 

1)  Verdet,  Ann.  de  chim.  et  de  phys.  (3)  48.  p.  37.  1854;  Wied. 
Galv.  2.  p.  753. 


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110 


L.  Grunmuch. 


Winkel,  um  welchen  die  Polarisationsebene  des  Lichts  ge- 
dreht wird,  bei  gleicher  magnetisirender  Kraft  dem  cosinus 
des  Neigungswinkels  zwischen  der  Richtung  des  Lichtstrahls 
und"  der  axialen  Richtung  der  magnetischen  Wirkung  pro- 
portional ist. 

Aber  auch  die  Verschiedenheit  in  der  Lage  der  Diamag- 
netica  kann  die  Erscheinungen  in  hohem  Maasse  beeinflussen. 

Es  gibt  wohl  kaum  ein  Glasstück,  welches,  besonders 
wenn  es  irgend  einer  starken  mechanischen  Einwirkung1) 
ausgesetzt  gewesen,  mit  grossen  guten  Nicols  untersucht, 
sich  nicht  als  doppeltbrechend  erwiese.  Mir  sind  von  Hrn. 
Mechaniker  H  a  e  n  s  c  h  die  verschiedensten  bei  der  Construction 
optischer  Apparate  zur  Verwendung  kommenden  Glassorten 
bereitwilligst  zur  Verfügung  gestellt  worden,  ich  habe  die 
Glasstücke  von  allen  Seiten  anschleifen  lassen  und  mit  den 
grossen  Nicols  untersucht  und  kein  einziges  Stück  gefunden, 
welches  nicht  das  Licht  depolarisirte.  Man  darf  sich  bei  der 
Prüfung  solcher  Glasstücke  in  Bezug  auf  Doppelbrechung  nur 
grosser  Nicol'scher  Prismen  bedienen.  Glasstücke,  welche 
mir  von  renommirten  Firmen  mit  der  Versicherung,  sie  hätten 
sich  nach  der  Untersuchung  als  einfachbrechend  ergeben, 
übersandt  worden  sind,  erschienen  in  der  That,  mit  kleinen 

1)  Im  Herbste  des  Jahres  1877  suchte  ich  die  von  Hrn.  Kerr  (Phil. 
Mag.  (4)  50.  p.  337—348,  446—458)  mitgetheilten  Versuche,  betreffend 
eine  neue  Beziehung  zwischen  Eleetricität  und  Licht,  nach  welchen 
dielectrische  Medien  durch  starke  Electrisirung  doppeltbrechend  werden 
sollen,  zu  wiederholen.  Durch  einen  Zufall  erhielt  ich  ein  parallelepipe- 
disches  Stück  guten  Flintglases  von  105  mm  Länge,  70  mm  Breite  und 
24  mm  Dicke,  welches,  allerdings  mit  kleinen  Nicols  untersucht,  einfach 
brechend  erschien.  Als  ich  aber  in  dasselbe,  nach  Kerr's  Vorschrift, 
der  Länge  nach  conaxiale  Löcher  zur  Aufnahme  der  Electroden  hatte 
bohren  und  die  anstossenden  Endflächen  poliren  lassen,  ergab  nunmehr 
die  Untersuchung,  dass  das  Glas  doppeltbrechend  geworden  war.  Ich 
bemerke  bei  dieser  Gelegenheit,  dass  es  mir  nicht  gelungen  ist,  die  Kerr'- 
schen  Versuche  zu  reproduciren ,  obschon  die  angewandte  Electricitäts- 
quelle  sehr  bedeutend  (grosser  RuhmkorfFscher  Inductionsapparat,  ge- 
speist von  sechs  Bimsen' scheu  Elementen,  Funkenlänge  10  bis  15  cm^ 
und  obschon  der  Polarisationsapparat  so  empfindlich  war,  dass  der  ge- 
ringste mechanische  Druck ,  z.  B.  sanftes  Auflegen  des  Fingers  auf  die 
< Glasplatte,  die  Erscheinung  der  Doppelbrechung  deutlich  hervorbrachte. 


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L.  Grunmach.  111 

Nicols  untersucht,  als  nicht  doppelbrechend,  weil  man  wegen 
des  kleinen  Gesichtsfeldes  in  der  Regel  nur  die  nicht  depo- 
larisirenden  Theile  erblickte;  untersuchte  ich  sie  dagegen  mit 
den  grossen  Nicols,  so  zeigten  sie  das  schwarze  Kreuz,  wie 
es  deutlicher  eigens  zu  dem  Zwecke  behandelte  Glaser  nicht 
zeigen  können.  Es  sind  daher  die  Glasstücke  so  aufzustellen, 
dass  die  Wärmestrahlen  durch  die  nicht  depolarisirenden 
Theile,  am  besten  durch  den  Mittelpunkt  des  schwarzen 
Kreuzes  gehen,  und  man  hat  zu  dem  Ende  nach  ähnlichen 
Vorschriften  zu  verfahren,  wie  sie  für  die  Aufstellung  und 
Justirung  eines  Spectralapparates  gelten. 

2.  Die  directe  Einwirkung  des  Electromagnets 
auf  die  Galvanometernadel  liesse  sich  wohl  durch  geeignete 
Aufstellung  und  Drehung  der  Instrumente  vollständig  aus- 
schliessen,  jedoch  nur  für  eine  ganz  bestimmte  Lage  der 
Galvanometernadel.  Denn  gesetzt,  es  fände  keine  Einwirkung 
des  Magnets  auf  die  Nadel,  wenn  letztere  ihre  Nulllage 
inne  hat,  statt,  so  wäre  dadurch  keineswegs  ausgeschlossen, 
dass  der  Magnet  gleichwohl  auf  die  durch  den  Thermostrom 
bereits  abgelenkte  Nadel  eine  Einwirkung  ausübte,  da  nun- 
mehr die  Richtung  der  magnetischen  Axe  der  Nadel  gegen 
die  der  magnetischen  Kraftlinie  eine  andere  geworden.  Ich 
bemerke,  dass  bei  meinen  Versuchen  zwar  niemals  bei  An- 
wendung der  Spirale,  in  einigen  Fällen  aber  bei  Anwendung 
des  Electromagnets,  wenn  er  durch  sehr  starke  Ströme 
(30  bis  35  Bunsen'sehe  Elemente)  erregt  wurde,  eine  directe 
Einwirkung  stattfand,  die  einige  Scalentheile  betrug;  es  schien 
mir  nicht  gerathen,  diese  Einwirkung  stets  durch  eine  Aende- 
rung  in  der  Aufstellung,  wenn  letztere  den  unter  1.  erörterten 
Anforderungen  gemäss  mit  Mühe  bewerkstelligt  war,  zu  be- 
seitigen; ich  wandte  vielmehr  zu  diesem  Zwecke  die  einfache 
und  bequeme  Methode  an,  dass  ich  unmittelbar  vor  dem 
Beginn  und  unmittelbar  nach  dem  Schlüsse  eines  jeden  Be- 
obachtungssatzes, der  durchschnittlich  etwa  5  Minuten  lang 
währte,  die  directe  Einwirkung  des  Magnets  (vergl.  S.  93) 
auf  die  Galvanometernadel  beobachtete,  und  zwar  sowohl, 
wenn  letztere  in  ihrer  Nulllage  verharrte,  als  auch,  wenn 
sie  durch  einen  kleinen  mittelst  der  Wheastone'schen  Brücke 


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112 


L.  Grunmach. 


leicht  regulirbaren  Zweigstrom  eines  Daniell'schen  Elementes 
so  weit  abgelenkt  war,  als  es  der  mittleren  Grösse  der  durch 
den  Thermostrom  hervorgebrachten  Ablenkung  entsprach. 
In  den  wenigen  Fällen,  in  denen  eine  directe  Einwirkung 
nachweisbar  war,  trat  die  derselben  entsprechende  geringe 
Aenderung  in  der  Nulliage  der  Nadel  in  Rechnung. 

Ob  und  in  wie  weit  ferner  die  beobachtete  Drehung  der 
Polarisationsebene  durch  etwaige  Inductionsphänomene 
oder  durch  directe  magnetische  Einwirkungen  hätte  beeinflusst 
werden  können,  war  aus  den  zu  wiederholten  Malen  ausge- 
führten Versuchen  ersichtlich,  bei  denen  die  Diamagnetica 
von  den  Polen  des  Magnets  entfernt  und,  um  dieselbe  ther- 
mische Wirkung  zu  erzielen,  unmittelbar  vor  die  Thermo- 
säule  gebracht  wurden.  Eine  Inductionswirkung  wurde  nie- 
mals beobachtet;  die  Grösse  der  durch  den  Thermostrom 
hervorgebrachten  Ablenkung  wurde  bei  dieser  Anordnung 
durch  den  magnetisirenden  Strom  in  den  meisten  Fällen  gar 
nicht  verändert,  nur  in  einzelnen  Fällen,  in  denen  mit  sehr 
starken  Strömen  gearbeitet  wurde,  zeigte  sich  eine  der  soeben  be- 
sprochenen in  Bezug  auf  Grösse  und  Sinn  genau  gleiche  Wirkung. 

Als  Controlversuche  gelten  ferner  die  sämmtlichen  unter 
der  Bezeichnung  „Thermostrom  neutralisirt"  angeführten  Ver- 
suche. 

3.  Dass  eine  constante  Wärmequelle  für  das  Ge- 
lingen der  Versuche  unerlässliche  Bedingung  ist,  und  wie 
man,  selbst  wenn  Sonnenlicht  bei  heiterem,  unbewölktem  Himmel 
zur  Verfugung  steht,  zu  verfahren  hat,  um  den  störenden 
Einfluss  der  unvermeidlich  auftretenden  Variationen  in  der 
Intensität  des  Thermostromes  zu  eliminiren,  ist  bereits  mehr- 
fach auseinander  gesetzt  worden.  Damit  die  einen  Versuch 
bildenden  Einzelbeobachtungen  in  möglichst  rascher  Auf- 
einanderfolge ausgeführt  werden  können,  ist  die  Anwendung 
eines  aperiodischen  Galvanometers  wünschenswerth. 

§  6.  Methode  der  Messung  der  Intensität  des  erregenden  Stromes 
und  der  Stärke  der  wirkenden  magnetischen  Kraft 

Zur  Messung  der  Intensität  des  um  die  diamag- 
netischen Substanzen  geleiteten  electrischen  Stro- 


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L.  Grnnmach. 


113 


me8  bediente  ich  mich  des  von  Kundt  und  Röntgen1)  bei 
ihrer  Arbeit  „über  die  electromagnetische  Drehung  der  Pola- 
risationsebene des  Lichts  in  Gasen"  angewandten  Verfahrens. 
Vor  und  nach  einer  jeden  Beobachtungsreihe  wurde  die  electro- 
magnetische Drehung  der  Polarisationsebene  des  Lichts  in 
der  205  mm  langen  Säule  von  flüssigem  Schwefelkohlenstoff 
gemessen  und  aus  beiden  Messungen  das  Mittel  genommen. 

Als  Lichtquelle  diente  eine  Natronflamme,  als  electrisi- 
rende  Spirale  direct  die  grosse  Versuchsspirale;  die  Strom- 
intensität in  letzterer  wurde  dem  Betrage  der  Drehung  pro- 
portional gesetzt.  Es  war  auf  diese  Weise  eine  unmittelbare 
Vergleichung  zwischen  dem  optischen  und  dem  thermischen 
Phänomen  in  Bezug  auf  Sinn  und  Grösse  der  Wirkung  er- 
möglicht. In  den  mitgetheilten  Versuchen  ist  neben  der  Anzahl 
der  angewandten  Elemente  stets  die  Stromstärke  i,  in  Graden 
der  Drehung  in  Schwefelkohlenstoff  ausgedrückt,  verzeichnet. 

Zur  Messung  der  Grösse  der  magnetischen  Kräfte, 
die  auf  die  diamagnetischen  Substanzen  wirkten,  wenn  dieselben 
sich  zwischen  den  Polen  des  Electroraagnets  befanden,  wandte 
ich  einen  Apparat  an,  den  ich  zu  einem  anderen  Zwecke, 
nämlich  die  Abhängigkeit  der  Wirkungsweise  des  Telephons 
von  der  Dicke  der  schwingenden  Platte  zu  untersuchen,  con- 
struirt  hatte,  und  von  welchem  auf  Taf.  I  Fig.  9  eine  Seiten- 
ansicht gegeben  ist.  Die  an  dem  einen  Ende  mit  dem  Griffe  G 
versehene  Spindel  S  ist  durch  die  beiden  Lager  Lx  und  L2 
so  unterstützt,  dass  sie  in  ihrer  Längsrichtung  nach  Ueber- 
windung  einer  geringen  Reibung  leicht  bewegt  werden  kann ; 
das  andere  Ende  der  Spindel  trägt  eine  mit  einer  cylindrischen 
Vertiefung  versehene  Holzplatte  H,  in  welche  Eisenplatten  E 
von  verschiedener  Dicke  durch  den  Ring  R  festgeklemmt 
werden  können.  Um  die  Grösse  der  Verschiebung  der  Spindel  6* 
mit  ihren  Theilen  variiren  zu  können,  ist  das  eine  Lager  L2 
auf  dem  Tische  T  verschiebbar  und  kann  an  jeder  Stelle 
durch  die  Klemmschrauben  Kx  und  K2  festgeklemmt  werden, 
während  die  durch  den  Lagerkörper  L2  gehende  mit  einer 
Trommel  versehene  Mikrometerschraube  M  zur  feineren  Ein- 
stellung der  Verschiebungsgrösse  der  Spindel  in  ihrer  Axen- 

1)  Kundt  u.  Röntgen,  Münch.  Ber.  p.  148.  1879. 

Ann.  <L  I  hyg.  u.  Chetn.  N.  F.  XIV.  g 


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114 


L.  Grunmach. 


richtung  dient.  Gegenüber  der  Eisenplatte  befindet  sich  eine 
Spirale,  in  deren  Oetfnung  ein  starker  Magnet  fest  gelagert 
ist.  Denkt  man  sich  die  Enden  der  Spirale  verbunden,  so 
tritt  bei  jedem  Entfernen  oder  Nähern  der  Eisenplatte  in 
der  Spirale  ein  Inductionsstrom  auf,  dessen  Stärke  unter 
Anderem  von  der  Stärke  des  Magnets  abhängt.  Dieser 
Apparat  wurde  nun,  nachdem  der  Magnetstab  durch  einen 
Cylinder  von  weichem  Eisen  ersetzt  war,  in  geeigneter  Weise 
mitten  zwischen  die  Pole  des  Magnets,  und  zwar  stets  genau  an 
dieselbe  Stelle,  gebracht,  die  Spindel  ein  für  allemal  auf  ihre 
Maximalverschiebung  eingestellt,  die  Enden  der  Spirale  mit 
dem  Siemens'schen  Galvanometer  verbunden  und  dann  vor 
und  nach  jeder  Beobachtungsreihe  in  der  angedeuteten  Weise 
ein  Beobachtungssatz  ausgeführt.  Die  Intensität  der  beim 
schnellen  Hin-  und  Zurückbewegen  der  Spindel  in  der  Spirale 
erzeugten  Inductionsströme  ist  der  magnetischen  Wirkung 
zwischen  den  Polen  proportional,  und  ihre  Grösse  wird  durch 
die  Grösse  der  beobachteten  Galvanometerablenkung  ausge- 
drückt. Die  beiden  aus  den  am  Beginn  und  am  Schluss 
eines  jeden  Versuches  angestellten  Beobachtungssätzen  er- 
haltenen Mittelwerthe  wurden  in  einen  Hauptmittelwerth 
vereinigt.  Die  denselben  darstellende  Zahl  M  befindet  sich 
in  den  sub  A  mitgetheilten  „Versuchen  mittelst  des  Electro- 
magnets"  stets  neben  der  Anzahl  der  Elemente  verzeichnet, 
sie  stellt  die  Grösse  der  auf  die  Substanz  wirkenden  magne- 
tischen Kraft,  ausgedrückt  in  Scalentheilen  der  Galvanometer- 
ablenkung, dar. 

§7.  Zusammenstellung  der  Resultate  und  ISchlussfoigerungen. 

Fassen  wir  die  Ergebnisse  der  im  Vorstehenden  näher 
besprochenen  Versuche  zusammen,  indem  wir  die  Resultate, 
welche  aus  unter  gleichen  Umständen  angestellten  Beob- 
achtungssätzen gewonnen  sind,  zu  Mittelwerthen  vereinigen, 
so  ergibt  sich,  wenn  wir 

mit  n  die  Zahl  der  jedesmal  angewandten  Bunsen'schen 
Elemente, 

mit  D  die  Summe  der  beiden  nach  entgegengesetzten 
Seiten  gerichteten  Drehungen  der  Polarisationsebene  der  strah- 


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L.  Grunmach. 


115 


lenden  Wärme,  ausgedrückt  in  Scalentheilen  der  Galvano- 
meterablenkung  und  bezogen  auf  eine  gleich  100  gesetzte 
Menge  polarisirter  Wärmestrahlen, 

ferner  mit  i  die  Intensität  des  erregenden  Stromes  bei 
Anwendung  der  Spirale,  ausgedrückt  in  Graden  der  Drehung 
der  Polarisationsebene  des  Lichts  in  flüssigem  Schwefelkohlen- 
stoff (205  mm  lange  Säule), 

endlich  mit  M  die  durch  die  Induction  gemessene  Stärke 
der  auf  die  Substanzen  wirkenden  magnetisirenden  Kraft, 
ausgedrückt  in  Scalentheilen  der  Galvanometerablenkung, 
bezeichnen,  folgende  Zusammenstellung: 


A.    Versuche  mittelst 
1.   Leichtes  Flintglas. 
Breehungsexponent :  1 ,573. 
Länge  der  durchstrahlten  Schicht 
117  mm. 


n 

D 

. 

D 
M 

6 

4,3 

36 

0,119 

15 

11,4 

118 

0,096 

30 

23,7 

214 

0,111 

des  Electromagnets. 

5.  Spiegelglasplatte. 
Breehungsexponent:  1,538. 

Länge  der  durchstrahlten  Schicht 


2.  Schweres  Flintglas. 
Breehungsexponent:  1,650. 
a)  Länge  der  durchstrahlten  Schicht 
42  mm. 


20 
30 


I 


13,7 
17,3 


166 
221 


0,083 
0,078 


b)  Länge  der  durchstrahlten  Schicht 
52  mm. 


30    I     20,9  228 


0,092 


3.  Schweres  Flintglas. 

Länge  der  durchstrahlten  Schicht 
42  mm. 


10 

30 


7,45 
18,95 


92 
244 


0,081 
0,078 


n 

n 

M 

!  H 

30 

1 

9,1 

238 

0,038 

4.  Schweres  Flintglas. 

Länge  der  durchstrahlten  Schicht 
158  mm. 
30    )    30,6    |    228    |  0,134 


6.  Flüssiger  Schwefel- 
kohlenstoff. 
Breehungsexponent:  1,626. 

Länge  der  durchstrahlten  Schicht 
205  mm. 

10  9,9    |      70  1  0,141 

16  14,8    I    102  !  0,145 

20  17,3         12H  0,135 

30  30,05       206  0,146 

35  36,2         237  0,153 

7.  Terpentinöl. 
Breehungsexponent:  1,474. 

Länge  der  durchstrahlten  Schicht 
205  mm. 
30       10,45  |     238     |  0,044 

8.  Destillirtes  Wasser. 
Breehungsexponent :  1 ,333. 

Länge  der  durchstrahlten  Schicht 
205  mm. 
35    !    6,45    !     249     |  0,026 

9.  Absoluter  Alkohol. 
Brechuugsexponent:  1,365. 

Länge  der  durchstrahlten  Schicht 
205  mm. 

35    |    3,7  (?)   j     249     |  0,015(?) 
8* 


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t 


116  L.  Grunmach. 

B.    Versuche  mittelst  der  Spirale. 
Schweres  Flintglas.    Länge  der  durchstrahlten  Schicht  158  mm. 


M 

B 

• 

i 

D 
» 

15 
30 

7,75  8. 
13,1 

4,2° 
7,3 

1,85 
1,79 

Aus  dieser  Zusammenstellung  lassen  sich  folgende  Schlüsse 
ziehen: 

1)  In  festen  wie  in  flüssigen  diathermanen  Kör- 
pern findet  eine  electromagnetische  Drehung  der 
Polarisationsebene  der  strahlenden  Wärme  statt, 
und  zwar  stets  in  dem  Sinne,  in  welchem  der  Strom 
die  Spirale  durchfliesst,  resp.  die  Magnetkerne  um- 
kreist. 

2)  Die  Grösse  dieser  Drehung  ist  unter  sonst  glei- 
chen Umständen  für  die  verschiedenen  Substanzen 
sehr  verschieden;  die  Drehung  ist  um  so  grösser, 
je  grösser  der  Brechungsindex  der  Substanz  ist1). 

3)  Bei  directer  Einwirkung  eines  um  den  diather- 
manen Körper  geleiteten  galvanischen  Stromes  ist 
die  Grösse  der  Drehung  der  Intensität  des  Stromes 
proportional. 

4)  In  einem  zwischen  den  Polen  eines  Electro- 
magnets  aufgestellten  diathermanen  Körper  ist 
die  Grösse  der  Drehung  der  auf  ihn  wirkenden  mag- 
netischen Kraft  proportional. 

5)  Die  Grösse  der  Drehung  wächst  mit  der  Länge 
der  durchstrahlten  Schicht;  indess  konnte  die  Ab- 
hängigkeit der  Grösse  der  Drehung  von  der  Länge 
numerisch  nicht  festgestellt  werden. 

Berlin ,  Physik.  Cab.  d.K.  Techn.  Hochschule,  April  1881. 

Es  ist  mir  eine  angenehme  Pflicht,  Hrn. Prof.  Dr.  Paalzow, 
der  mir  mit  der  grössten  Bereitwilligkeit  und  Liberalität  die 
für  diese  Untersuchung  nöthigen  Apparate  seines  Cabinets 
zur  Verfügung  gestellt  hat,  hierfür  auch  an  dieser  Stelle 
meinen  verbindlichsten  Dank  auszusprechen. 

1)  Abgesehen  vom  Alkohol,  für  den  die  Bestimmungen  überhaupt 
unsicher  sind. 


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A.  Kerber 


117 


IX.  Die  Höhe  der  Erdatmosphäre; 
von  JDr.  A.  Kerber. 


L  Die  Cardinalpunkte  der  Atmosphäre. 
Für  kleine  Zenithdistanzen  repräsentirt  die  Atmosphäre 
ein  optisches  System  von  brechenden  Medien,  getrennt  durch 
centrirte  Kugelflächen  von  kleiner  Oeffnung,  sodass  auf  sie 
die  von  Gauss  und  Möbius  aufgestellte  Theorie  solcher 
optischen  Systeme  angewendet  werden  kann.1)  Von  Wich- 
tigkeit ist  die  Bestimmung  der  „Cardinalpunkte"  durch 
diese  Theorie.  Zu  diesen  rechnet  man  bekanntlich  1)  die 
Hauptbrennpunkte  /,  f  im  ersten  und  im  letzten  Me- 
dium A,  A'. 
In  ihnen  ver- 
einigen sich 
die  im  entge- 
gengesetzten 
Medium  der 
Axe  paralle- 
len Strahlen; 

2)  die  Kno- 
tenpunkte 

k,k'  mit  der  Eigenschaft,  dass  jeder  im  ersten  Medium  gegen 
k  zielende  Strahl  (ab)  im  letzten  Medium  in  der  durch  k' 
zu  seiner  Anfangsrichtung  gelegten  Parallele  cd  weitergeht; 

3)  die  Hauptpunkte  h,  h\  für  welche  Bild  und  Gegen- 
stand, auch  hinsichtlich  ihrer  Stellung,  identisch  sind.  — 
Die  Lage  dieser  Cardinalpunkte  kann  auch  hier,  wie  bei 
allen  complicirteren  Systemen,  deren  Constitution  nicht  be- 
kannt ist,  nur  experimentell  gefunden  werden2)  auf  Grund 
der  astronomischen  Bestimmungen  der  Strahlenbrechung  durch 
die  Atmosphäre. 


Fig.  l. 


1)  Gauss,  Dioptr.  Untersuchungen,  Gott.  1840.  Vgl.  Helmholtz, 
Phys.  Optik,  Braunschw.  1861.  Im  Folgenden  verweise  ick  auf  die  weit- 
verbreitete Physik  von  Mousson. 

2)  Mousson,  Phys.  2.  Aufl.  §  731.  3.  Aufl.  §  810. 


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118 


A.  Kerber. 


Es  sei  m  der  Mittelpunkt  der  Erde,  c  der  Standort  des 
Beobachters,  cc  ein  kleiner  Bogen  eines  grössten  Erdkreises. 

bb'  der  zuge- 
hörige Durch- 
schnitt dessel- 
ben mit  der 
f  Grenze  der 
Atmosphäre, 
«ein  Fixstern; 
abc  ein  von  a 

nach  c  gehendes  Strahlenbündel,  welches  in  c  in  die  Rich- 
tung cf  gebrochen  wird,  sodass  £  die  scheinbare  Zenith- 
distanz,  g  die  astronomische  Refraction  bestimmt;  am  die 
Axe  des  optischen  Systems,  dessen  erstes  Medium  das  Va- 
cuum,  für  welches  n  —  1 ,  das  letzte  die  unbegrenzt  gedachte 
unterste  Luftschicht  mit  dem  Brechungsverhältniss  n. 

Die  Knotenpunkte  der  Atmosphäre  fallen  in  den 
Mittelpunkt  der  Erde.  Denn  da  wegen  der  concentrischen 
Begrenzung  der  brechenden  Medien  der  Strahl  in  einer 
Curve  durch  die  Atmosphäre  geht,  deren  Tangenten  niemals 
parallel  sind,  so  kann  nur  ein  auf  m  hinzielender  Strahl  im 
Medium  n  in  derselben  Richtung  weitergehen. 

Die  Lage  des  zweiten  Brennpunktes/'  ergibt  sich 
leicht,  wenn  der  von  a  ausgehende  Strahl  als  ursprünglich 
der  Axe  parallel  betrachtet  wird.  Derselbe  wird  aus  seiner 
Anfangsrichtung  um  den  Betrag  der  astronomischen  Refrac- 
tion  =  g  abgelenkt  und  zielt  im  letzten  Medium  nach  dem 
zweiten  Brennpunkte  des  Systems.  Die  zugehörige  Brenn- 
weite F  folgt  aus  Acmf\  denn  es  ist  cm  =  Ä,  <?'  =  £  und 
wegen  ab  \\  a/\  <  a  =  g,  mithin: 

(1)  %  F'=±R. 

Das  Verhältniss  der  astronomischen  Refraction  zur 
scheinbaren  Zenithdistanz  g :  £  beträgt  aber  nach  den  jetzigen 
Refractionstafeln  für  den  mittleren  Luftzustand  57,3" !),  so- 
dass man  setzen  kann: 


1)  Bruhns,  Astr.  Strahlenbrechung,  p.  19. 


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119 


(2)  '       '        f  =  57,3".(1  +  J), 

wo  57,3  J  einen  etwaigen  ßeobachtungsfehler  vorstellt,  den 
wir,  um  in  den  Resultaten  den  Grad  der  Genauigkeit  zu 
prüfen,  mit  in  Rechnung  ziehen.    Hiernach  ist: 

(3)  j    F"  5^F (1-4;  Air*-  6366,7 km : 

F=  ca.  22  918  400  km. 

Die  erste  Brennweite  der  Atmosphäre  folgt  aus  der 
Beziehung,  wonach  die  Entfernung  der  beiden  Brennpunkte 
von  den  zugehörigen  Knotenpunkten  dem  Brechungsverhält- 
niss  der  bezüglichen  Medien  verkehrt  proportional  ist.1)  Man 
hat  also: 

(4)  F=  ?i'F'=  £*-(l-J)i  d-  i-  F=  ca-  22924900  km, 

wobei  das  Brechungsverhältniss  für  den  mittleren  Luftzu- 
stand [1  =  0,752  m,  t  ma  9,3 °C.)  nach  Ketteler's  Bestimmung 
=  1,000  282...  angenommen  wurde. 

Sämmtliche  Gestirne,  der  Mond  allein  ausgenommen, 
stehen  ausserhalb  der  Brennweite  F.  Die  Atmosphäre  er- 
zeugt daher  von  ihnen  verkehrte  reelle  Bilder :  die  Strahlen- 
bündel  treten  convergent  ins  Auge,  sodass  sie  inner- 
halb der  Brennweite  (p  des  ganzen  Auges  (d.  h.  von  der 
Retina  gerechnet,  jenseits  <p)  zu  ebenfalls  verkehrten  Bil- 
dern sich  vereinigen,  und  es  entsteht  daher  auf  der  Netzhaut 
unter  allen  Umständen  ein  Zerstreuungskreis,  kein 
scharfes  Bild,  wodurch  die  Ausbreitung  des  Sternenbildes 
auf  der  Netzhaut  ihre  physiologische  Erklärung  findet. 

Vom  Monde  dagegen  erzeugt  die  Atmosphäre,  weil  er 
innerhalb  ihrer  vorderseitigen  Brennweite  steht,  ein  auf- 
rechtes virtuelles  Bild,  und  das  Auge  empfängt  divergente 
Strahlenbündel.  Mithin  steht  das  von  beiden  optischen 
Systemen,  der  Atmosphäre  und  dem  Auge,  erzeugte  (ver- 
kehrte) Bild,  von  der  Retina  an  gerechnet,  diesseits  qp, 
aber  wegen  der  bedeutenden  Entfernung  des  Objectes  immer 
noch  so  weit  vor  der  Netzhaut,  dass  es  einer  ausseror- 
dentlichen Accommodation  bedarf,  um  ein  scharfes  Netzhaut- 

1)  Mousson,  2.  §  731  (4),  8.  §  809  (4). 


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120 


A.  Kerber. 


bildchen  zu  erhalten.  In  der  dadurch  bewirkten  Spannung 
des  Muskelapparates  liegt  die  Erklärung  für  das  scheinbare 
Schweben  des  Mondes  in  der  Atmosphäre.  Das  Bild  des 
Mondes  wird  aber  auch  bei  dieser  ausserordentlichen  Accoin- 
modation  die  Nervenfasern  der  Netzhaut  eben  nur  berühren, 
und  da  diese  streifende  Berührung  beim  gewöhnlichen  Sehen 
für  eine  ganz  bestimmte  terrestrische  Entfernung,  die  durch 
D  bezeichnet  sei,  erfahrungsmässig  eintritt,  so  versetzt  das 
Auge  auch  den  Mond,  welcher  auf  die  Retina  denselben 
Reiz  ausübt,  in  die  Entfernung  D,  wodurch  das  scheinbare 
Schweben  desselben  an  einem  verhältnissm ässig  nahen 
Punkte  der  Atmosphäre  erklärlich  wird.1) 

Was  endlich  die  Lage  der  Hauptpunkte  h  betrifft,  so 
ist  ihre  Entfernung  von  dem  zugehörigen  Brennpunkte  gleich 
der  Entfernung  des  entgegengesetzten  Brennpunktes  von 
seinem  Knotenpunkte2),  also  (Fig.  2):  . 

///  =  F,     fh'  =  F,      daher  mh  (d.  i.  fm  -fh)  =  F-  F, 
und  auch:  mh'  (d.  i.  fh' '  -  f  m)  =  F—  F. 

folglich:  mit  —  mh' '  =  F—  F 

und,  die  Werthe.aus  (3)  und  (4)  eingesetzt: 

(5)  mh  =  mA'  =  (1  -  A)  =  ca.  6463  km. 

Die  beiden  Hauptpunkte  fallen  also,  wie  die  Knoten- 
punkte, in  einen  Punkt  h  zusammen,  der  vom  Erdcentrum 

6463  km,  von  der  Erd- 
oberfläche c  durch- 
schnittlich : 

6463-6366,7=  96,3  km 

entfernt  ist.  Nach  der 
Definition  des  Haupt- 
punktes decken  sich  da- 
her Gegenstand  und 
Bild  im  Punkte  h,  d.  h. 
  Fig.  3.  alle  imYacuum  nach 

1)  D  bestimmt  man  experimentell,  indem  man  die  Entfernung  misst, 
in  welcher  eine  intensive  Flamme  eben  noch  scharf  gesehen  wird. 

2)  Mousson,  2.  §  731  (2),  8.  §  809  (2). 


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A,  Kerbet . 


121 


h  hinzielenden  Strahlen  divergiren  nach  ihrem 
Durchgange  durch  die  Atmosphäre  von  demselben 
Punkte  h.  Denkt  man  sich  z.  B.  zwischen  einem  Fixstern 
und  der  Erde  etwa  ein  planetarisches  Nebelsystem,  und  es 
stände  das  von  letzterem  erzeugte  Fixsternbild  (Fig.  3)  im 
Punkte  h,  der  nun  für  die  Atmosphäre  als  leuchtendes  Ob- 
ject  zu  betrachten  wäre,  so  würden  die  nach  h  convergiren- 
den  Strahlen  ab  von  der  Atmosphäre  so  gebrochen  werden, 
dass  sie  bei  ihrem  Eintritt  in  das  letzte  Medium  ri  von  h 
in  der  Richtung  cd  zu  divergiren  schienen  und  also  in  dem- 
selben Punkte  ein  identisches  virtuelles  Bild  gesehen  würde, 
in  welchem  ohne  das  Vorhandensein  der  Atmosphäre  ein 
reelles  Fixsternbild  entstehen  müsste. 

IL   Erster  Näherungswerth  für  die  Höhe  der  Atmosphäre. 

Bei  der  Natur  der  Lichtcurve  ab  cd,  welche  ihre  Con- 
cavität  dem  Erdcentrum  zuwendet,  liegt  es  auf  der  Hand, 
dass  der  Hauptpunkt  innerhalb  der  Atmosphäre  liegen 
mus8.  Denn  wäre  (Fig.  3)  e  der  Hauptpunkt,  so  würde  ein 
Strahl,  der  im  Vacuum  die  Richtung  ef  haben  mag,  bei 
seinem  Eintritt  in  das  Medium  ri  in  der  Richtung  egk 
weitergehen  müssen,  wenn  in  e  ein  dem  Gegenstande  iden- 
tisches Bild  entstehen  soll;  das  ist  jedoch  unmöglich,  weil 
ef  und  gk  nicht  Tangenten  derselben  Curve  in  f  und  g  sein 
können.  Daraus  folgt  also  H>ck,  d.  h.  nach  den  Bemer- 
kungen zu  (5): 

(6)  H>  96,3  km. 

Eine  genauere  Bestimmung  ergibt  sich  aber  sofort  aus 
folgender  Betrachtung.  Da  die  Lichtcurve  für  kleine  Zenith- 
distanzen  nahezu  ein  Kreisbogen  von  sehr  grossem  Krüm- 
mungshalbmesser ist1),  so  können  die  Tangenten  bh  und  ch 
(Fig.  3)  als  gleich  betrachtet  werden,  und  weil  nun,  immer 
unter  der  Voraussetzung  einer  kleinen  Zenithdistanz  die 
Tangenten  mit  den  Entfernungen  des  Hauptpunktes  von  den 
Grenzen  der  Atmosphäre  vertauscht  werden  können,  so  hat 
man  annähernd: 


1)  Brünns,  Aatr.  Strahlenbrechung,  p.  66. 


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122 


A.  Kerber. 


H  =  2cA,  d.  i.  nach  (5): 
(7)  //=  2ä[^  (1  -  J)  -  l]  =  ca.  192,6km. 

Danach  würde  die  Bestimmung  aus  dem  Dämmerungs- 
bogen,  wie  sie  Alhazen  gegeben  hat  (sie  führt  auf  eine  Höhe 
von  etwa  79  km),  viel  zu  niedrig  sein,  und  in  der  That  folgt 
aus  den  Fresnel'schen  Intensitätsformeln  für  reflectirtes  un- 
polarisirtes  Licht,  dass  die  Alhazen'sche  Beweisführung  kei- 
neswegs das  Vorhandensein  noch  höherer  Luftschichten  aus- 
schliesst. 

Nach  jenen  Formeln  ist  nämlich  für  eine  einfallende 
Lichtmenge  ==  1,  wenn  durch  e,  b  der  Einfalls-  und  der  Bre- 
chungswinkel bezeichnet  werden,  die  Intensität  des  gespiegel- 
ten Lichtes: 


sin  *  (e-  b) 


1  + 


C08 


COS 


%(e±b}\ 


■  sin2(e  +  6) 

Da  in  unserem  Falle  die  Reflexion  an  der  dünneren 
Schicht  erfolgt,  das  Brechungsverhältniss  also  n:(n  +  Sn)  ist, 
so  hat  man  sin b  =  (1  +  Sn)  sin e,  cos b  —  cos e  —  sin e  tge.ön 
und  erhält  nach  Einführung  dieser  Werthe: 


[1  +  (sin  2e  —  cos3*?)2], 


2  cos  2  e  —  ön 

oder,  da  hier  e  in  der  Nähe  von  90°  bleibt,  annähernd: 

ön 


r-  (  ön  y 

~  V2cosae  )  ' 


(8) 


Nun  sei  (Fig.  4)  mc  der  Erd- 
radius und  ac  der  Horizont  des  Ortes 
c,  s  die  Sonne.  Bei  einer  Spiege- 
lung ihres  Lichtes  an  einer  Luft- 
schicht vom  Radius  i?  +  k  in  der 
Richtung  des  Horizontes  ist  alsdann 

sine=l  —  h:R,    cos2e  =  2Ä:i2, 
und  die  Intensität  der  in  c  gesehe- 
nen Lichtstrahlen  nach  (8) : 

r,  (ön.RY 

Wenn  nun  bei  einer  Spiegelung  in  der  Höhe  von  79  km 
die  Dämmerung  ihr  Ende  hat,  d.  h.  die  Sterne  der  kleinsten 


Fig.  4. 


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A.  Kerber. 


123 


Lichtintensität  J0  dem  blossen  Auge  sichtbar  werden,  so 
folgt  daraus  doch  nur,  dass  die  Intensität  der  Spiegelung  in 
dieser  Höhe,  (Jn.Ä/4.  79)2,  <  J0  geworden  ist.  Ob  aber 
eine  weitere  Verringerung  der  Intensität  eintritt,  d.  h.  noch 
höhere  spiegelnde  Luftschichten  vorhanden  sind,  entzieht  sich 
der  directen  Wahrnehmung;  die  Möglichkeit  kann  wegen  J0 
>  0  auf  keinen  Fall  bestritten  werden. 

Dass  die  Atmosphäre  bedeutend  höher  als  79  km  ist 
(o:f  =  57,3"  als  richtig  angenommen)  ergibt  sich  auch  aus 
der  Differentialgleichung  der  astronomischen  Refraction: 

E      sin  *  n ' 

9)  ö  O  =  — 1=  ; — - — x4  —  =  •  —  i 

welche  für  kleine  Zenithdistanzen  auf  die  Beziehung  führt: 

v  R       u    *  ö  n 

»*  • 

Setzt  man  hier  für  h  seinen  Maximalwerth  Hy  sodass 
die  rechte  Seite  noch  kleiner  wird,  so  ist: 

v  R      u   >  6  n 

und  nach  Integration  von  der  Grenze  der  Atmosphäre  [n  =  1) 
bis  zur  Erde  [n  =  n): 

p>  5^-^(1»'-  1),    woraus:  H  >  [i  (n'  -  1)  -  l]  ■  R, 

also:  £:o  =  1:57,3  »' —  1  =  0,0002820,  R  =  6366,7  km 
eingesetzt: 

(10)  i/>96,3  km,  vgl.  (6). 

III.  Die  Symmetriepunkte  der  Atmosphäre  und  der  Zenithpunkt 

des  Strahles. 

Symmetrisch  nenne  ich  der  Kürze  wegen  zwei  conjugirte 
Punkte  a,  a  (Fig.  5),  für  welche  die  Divergenzwinkel  des 
Strahles  mit  der  Axe  einander  gleich  sind,  sodass: 

(11)  a  =  a'. 

Ihre  Entfernungen  vom  Mittelpunkte  der  Erde  seien  D,D'. 
Nach  der  Gauss'schen  Theorie  ist  das  Verhältniss  der  Ob- 
ject-  und  Bildhöhe   (D  :  D') ,    multiplicirt  mit  dem  Ver- 


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124 


A.  Kerber. 


hältniss  der  Tangenten  der  zugehörigen  Divergenzwinkel 
(tga'.tga),    gleich    dem    umgekehrten    Verhältnisse  der 


Brechungsquotienten  des  ersten  und  des  letzten  Mediums1), 
also: 

Z)'  '       =  n  '  °^er  nac^          1)'  ~  n  un(*  we8en 
/Ion                         B      F       F  F' 

(12)  jy-y    W  W 

Eine  zweite  Bestimmungsgleichung  für  D,  D'  ergibt  sich 
aus  der  von  Gauss  entwickelten  Beziehung  zwischen  zwei 
Paaren  conjugirter  Punkte,  z.  B.  den  Knotenpunkten  m 
und  den  Symmetriepunkten  a,  a'2).  Dividirt  man  die  Ent- 
fernungen des  einen  Paares  m  von  den  Brennpunkten,  also 
Fy  F\  durch  die  Entfernungen  der  beiden  Paare  von  einan- 
der, also  durch  D,  D'\  so  ist  die  Summe  der  Quotienten 
=  +1,  und  man  hat  daher: 

(13)  ?  +  ™  =  1,  mithin  nach  (12) : 

~  =      D  =  2F,  D'=2F. 

Hieraus  ergeben  sich  sodann  die  Entfernungen  der 
Symmetriepunkte  von  den  Grenzen  der  Atmosphäre, 

nämlich:     ab'=2F-R-H,    a'c'  =  2F'+R, 

und:  F=  22  924  900,         22  918  400,  Ä  =  6366,7,  7/=200km 

eingesetzt, 

(14)  a  b'  =  45  843  200,  aV  =  45  843  200  km. 


1)  Mousson,  2.  §  730  (7),  8.  §  808  (19). 

2)  Mousson,  2.  §  730  (4),  3.  §  808  (16). 


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<A,  Kerber . 


125 


Die  Symmetriepunkte  sind  also  von  den  Gren- 
zen der  Atmosphäre  annähernd  gleich  weit  entfernt, 
und  der  Ein-  und  Austrittspunkt  des  zugehörigen 
Strahles,  b  und  c,  haben  (wegen  a  =  a)  gleichen  Ab- 
stand von  der  Axe,  sodass: 

(15)  bc\\am. 

Unter  dem  Zenithpunkte  des  Strahles  verstehe  ich 
(Fig.  6)  den  Durchschnittspunkt  d  seiner  Anfangsrichtung  mit 
dem  verlän- 
gerten Ra- 
dius des  Be- 
obachtungs- 
ortes.  Es 
seien  a,  a 
zwei  belie- 
bige conju- 
girte  Punkte, 

deren  Entfernung  vom  Erdcentrum  D.  D',  die  Divergenz- 
winkel des  zugehörigen  Strahles  et,  a\  so  hat  man  nach 
dem  soeben  angeführten  Satze  in  der  Nähe  des  Zenithes: 

Aus  Amca  folgt  aber,  wegen  y  —  t,'. 

und  dies  in  (16)  eingesetzt: 

/ « Da' 

(17)  iTT  =  n- 

Ferner  ist  in  Amad}  wenn  man  die  Höhe  des  Zenith- 
punktes  durch  h  bezeichnet: 


Fig.  6. 


JR  +  h 


,  2>«-(Ä+A).(t  +  ri, 


n 


sodass  sich  (17)  in: 

(18)  (l  +  i' 

verwandelt.  Hieraus  ergibt  sich,  wenn  für  g :  £  der  Werth  (2) 
eingesetzt  wird: 

(19)  h  -  O'-  1)  -  57,3"  7t' (1  +  J)]  .R  m  ca. 0,027  km. 


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126 


Am  Kerber 


Die  Höhe  des  Zenithpunktes  ist  für  Zenith- 
distanzen  bis  gegen  1°  von  g  und  £  unabhängig,  d.  h. 
der  Zenithpunkt  hat  für  denselben  Ort  i?  und  den- 
selben Luftzustand  n  eine  unveränderliche  Lage. 

IV.    Zweiter  Näherungswerth  für  H\  Genauigkeitsgrenze  des 

Resultates. 

Da  wegen  (15)  die  Dreiecke  bcd  und  amd  (Fig.  5)  ein- 
ander ähnlich  sind,  so  hat  man  für  den  Symmetriepunkt  a: 

und,  aus  (4)  und  (19)  die  Werthe  eingesetzt: 

(20)  7/=2/?[;-1,(l-J)-W'J 

=  ca.  189,0  km  gegen  192,6  in  (7). 

Die  Uebereinstimmung  beider  Werthe  zeigt,  dass  der 
durch  Gleichsetzung  der  Entfernungen  in  (14)  gemachte  Fehler 
ohne  wesentlichen  Einfluss  auf  das  Resultat  der  Rechnung 
ist;  dass  also  in  der  That  die  Entfernungen  der  Symmetrie- 
punkte von  den  Grenzen  der  Atmosphäre  (für  y :  J  =  57,3" 
und  n—  1  =  0,000282)  einander  nahe  gleich  sind. 

Von  den  beiden  Formeln  für  H  in  (7)  und  (20)  ist 
übrigens  die  erste  am  genauesten,  weil  die  Lichtcurve  in  der 
Nähe  des  Zenithes  von  einem  Kreisbogen  unendlich  wenig 
abweicht. 

Was  die  numerische  Bestimmung  //=  192,6  km  an- 
langt, so  würde  unter  der  Voraussetzung,  dass  das  in  (2)  an- 
genommene Verhältniss  der  Refraction  zur  Zenithdistanz 
(57,3")  bis  auf  a/1000  des  Betrages  richtig  ist,  A  <  0,001  zu 
setzen  sein,  und  dieses  würde  in  der  Bestimmung  der  Höhe 
der  Atmosphäre  auf  einen  Fehler  von  wenigen  Kilometern 
führen. *) 

V.  Schlussbemerkungen. 

Es  liegt  nahe,  auf  Grund  der  obigen  Bestimmung  eine 
neue  Entwicklung  der  Differentialgleichung  (9)  der  astrono- 
mischen Refraction  zu  versuchen. 

1)  Inzwischen  hat  sich  mir  ergeben,  dass  die  numerischen  Bestim- 
mungen für  y :     «'—1  und  H  einer  wesentlichen  Corrcctur  bedürfen. 


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A.  Kerber. 


127 


Als  Gesetz  der  Abnahme  der  Brechbarkeit  mit  der 
Höhe  ergibt  sich  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  die  Be- 
ziehung: 

('         \  in 
::?)  •«> 

die  ganz  ähnlich  abgeleitet  wird,  wie  das  Bunsen'sche  Ab- 
sorptionsgesetz. Naoh  Einführung  dieses  Werthes  würde 
dann  die  Lösung  der  Differentialgleichung  keine  Schwierig- 
keiten machen,  und  auch  die  Gleichung  der  Lichtcurve  leicht 
zu  finden  sein. 

Was  die  Constante  m  betrifft,  so  ergibt  sie  sich  am 
sichersten  aus  einer  genauen Refractionsbestimmung.  Später 
werde  ich  den  gefundenen  Werth  von  m  durch  die  Tempera- 
turabnahme mit  der  Höhe  prüfen,  indem  ich  hoffe,  durch 
einen  mir  verwandten  Physiker,  der  voraussichtlich  noch 
Jahre  lang  in  den  Tropen 
verweilen  wird,  in  den  Be- 
sitz des  bezüglichen  Mate- 
rials gesetzt  zu  werden. 
Auch  glaube  ich  nach  mei- 
nen bisherigen  Versuchen, 
dass  es  mir  gelingen  wird, 
für  die  Abnahme  der  Brech- 
barkeit und  die  Bestimmung 
der  Constanten  aus  der  Be- 
obachtung des  Abend- 
rothes directes  Beweisma- 
terial zu  beschaffen.  Es  sei 
(Fig.  7)  cm  der  Erdradius 
und  ca  der  Horizont  des  Ortes  c;  in  s,  s"  stehe  die  Sonne 
t\  t"  Stunden  nach  ihrem  Untergänge;  de  und  a" c"  seien 
die  Höhen  (h\  h")  der  spiegelnden  Luftschichten,  e  und  e"  die 
bezüglichen  Einfallswinkel.  Alsdann  ergibt  sich  leicht: 

'-(*-£)■■  '-&-£)*■ 

A'=(l-sine')Ä,  A"=(l-sin<?")Ä, 
und  nach  (8)  als  Intensität  der  Spiegelung  an  den  Schichten 
h\h",  deren  Brechungsverhältnisse  durch  n^i  'bezeichnet  seien: 


Fig.  7. 


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128  A.  Sprung. 

r_(  dn  y        (  ön-  y 

U      \2cosVj  '  l2cosae"J  ' 

Misst  man  nun  mittelst  eines  guten  Photometers  die  Inten- 
sität J',  J",  so  kann  die  Abnahme  der  Brechbarkeit  zwischen 
zwei  benachbarten  Schichten  in  der  Höhe  h\  h'\  hl"  etc.  be- 
rechnet werden;  denn  es  ist: 

ön  =  2coa2e'YJ',        ön=  2cös V ]/J"  etc. 

Chemnitz,  Februar  1881. 


X.    lieber  die  Bahnlinien  eines  freien  Theilchens 
auf  der  rotirenden  Erdoberftäclie  und  deren  Be- 
deutung für  die  Meteorologie; 
von  J>r.  A.  Sprung. 


Obwohl  die  im  Jahre  1735  von  Hadley  ausgesprochene 
Anschauung  über  den  Einfluss  der  Axendrehung  der  Erde 
auf  die  Strömungen  der  Atmosphäre,  besonders  durch  Dove's 
Schriften,  ausserordentlich  bekannt  geworden  ist  und  in  fa9t 
alle  Handbücher  der  Meteorologie  und  Physik  Aufnahme 
gefunden  hat,  wurde  die  wirkliche  Construction  der  Bahn 
eines  Lufttheilchens  nach  dem  Hadley'schen  Princip  im  all- 
gemeinen doch  nur  selten  ausgeführt.  Indessen  findet  man 
gerade  in  diesen  Annalen  drei  Abhandlungen1),  welche  sich 
die  Aufgabe  gestellt  haben,  die  Bahnlinien  der  Winde  streng 
zu  berechnen,  und  zwar  unter  der  entweder  bestimmt  ausge- 
sprochenen, oder  dem  Sinne  nach  leicht  erkennbaren  Voraus- 
setzung, dass  die  Lufttheilchen  als  frei  bewegte  Massenpunkte 
zu  betrachten  seien.  Es  handelt  sich  also  in  diesen  Arbeiten 
um  ein  streng  zu  formulirendes  mechanisches  Problem,  näm- 
lich um  die  freie  Bewegung  (Trägheitsbewegung)  eines  Massen- 
punktes, welcher  gezwungen  ist,  auf  einer  rotirenden  Ober- 
fläche zu  verharren.    Seit  dem  Jahre  1858  hat  eine  Reihe 


1)  von  Bayer,  Pogg.  Ann.  104.  p.  477.  1858.  —  Ohlert,  Pogg. 
Ann.  110.  p.  234.  1866;  —  Mousson,  Pogg.  Ann.  129.  p.  652.  1866. 


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A»  Sprung, 


129 


von  Mathematikern  sich  mit  dieser  Aufgabe  beschäftigt,  und 
von  Coriolis1)  wurde  etwa  im  Jahre  1861  ein  allgemeiner 
Satz  aufgestellt,  nach  welchem  jedes  Problem  der  relativen 
Bewegung  auf  ein  Problem  der  absoluten  Bewegung  zurück- 
geführt werden  kann.  Aus  diesen  analytischen  Unter- 
suchungen ergibt  sich  nun  zur  Evidenz,  dass  das  Hadley'- 
sche  Princip  den  Einfluss  der  Axendrehung  der  Erde 
auf  Bewegungen  parallel  ihrer  Oberfläche  nur  sehr  unvoll- 
kommen zum  Ausdruck  bringt,  sodass  auch  die  darauf 
basirten  Rechnungen  in  den  oben  angeführten  drei  Arbei- 
ten nothwendiger  Weise  zu  unrichtigen  Resultaten  führen 
mussten. 

Von  besonderem  Interesse  erscheint  aber  die  älteste 
von  ihnen  (von  v.  Baeyer)  dadurch,  dass  darin  Reflexionen 
auftreten,  welche  die  Tendenz  verrathen,  sich  von  der  Had- 
ley'schen  Vorstellung  zu  befreien;  p.  380  heisst  es:  „Ein 
Lufttheilchen,  welches  auf  der  ruhenden  Oberfläche  unseres 
Rotationssphäroids  unter  einem  bestimmten  Winkel  gegen 
den  Meridian  in  Bewegung  gesetzt  wird,  und  in  der  ihm 
gegebenen  Richtung  seinen  Weg  ohne  jede  Hemmung  und 
Störung  unter  dem  allgemeinen  Einfluss  der  Schwere  fort- 
setzt, wird  eine  kürzeste  Linie  beschreiben   Denken 

wir  uns  jetzt  das  Erdsphäroid  aus  dem  betrachteten  Zu- 
stande der  Ruhe  in  Bewegung  versetzt,  so  wird  das  Luft- 
theilchen, wo  es  in  der  Richtung  «  in  Bewegung  gesetzt 
wird,  bereits  eine  Bewegung  im  Sinne  der  Rotation  besitzen, 
es  kann  daher  auch  nicht  mehr  eine  kürzeste  Linie  beschrei- 
ben, sondern  sein  Weg  wird  die  Abwickelung  der  kürzesten 
Linie,  nach  diesem  ihm  innewohnenden  Rotationsverhält- 
niss,  auf  der  sphäroidischen  Oberfläche  sein".  Leider  werden 
diese  fruchtbaren  Vorstellungen  im  Verlaufe  der  mathemati- 
schen Deduction  zu  Grünsten  der  Hadley'schen  Theorie  wieder 
vollständig  bei  Seite  gelassen.  Als  ich,  erst  in  diesem  Jahre, 
mit  der  v.  Baeyer'schen  Abhandlung  bekannt  wurde,  erinner- 
ten mich  obige  Zeilen  lebhaft  an  ein  Verfahren,  welches  ich 
im  Jahre  1879  angewandt  habe,  um  die  Entstehung  der 


1)  Coriolis,  Journ.  de  l'ecole  polytechn.,  15.  p.  142. 

Ann.  d.  Phy».  u.  Chem.  N.  F.  XIV.  9 


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130 


A.  Sprung» 


relativen  Bahnen  in  einfacheren  '  Fällen  eines  rotirenden 
Systemes,  wie  die  Erde  es  darstellt,  zur  Anschauung  zu 
bringen  und  darauf  auch  eine  Ableitung  der  Gleichungen 
der  relativen  Bewegung  zu  gründen1).  Meine  Betrachtung 
war  einfach  folgende:  Wenn  eine  ebene  Scheibe  gleichförmig 
rotirt,  so  wird  ein  Körper  oder  Massenpunkt,  welcher  ent- 
weder von  gar  keinen,  oder  von  solchen  Kräften  beeinflußt 
wird,  deren  Richtung  in  die  Normale  zur  Scheibe  fällt,  ab- 
solut genommen  in  einer  geraden  Linie  gleichförmig  fort- 
schreiten, und  die  relative  Bahn  auf  der  Scheibe  ist  die 
continuirliche  Reihe  der  Punkte,  welche  successive  mit  dem 
Körper  in  Berührung  kommen.  Diese  Vorstellung,  welche 
offenbar  mit  derjenigen  des  Generals  v.  Baeyer  im  Grunde 
übereinstimmt,  kann  auf  das  in  Rede  stehende  rotirende 
System  des  Erdsphäroids  ausgedehnt  werden;  dabei  ergibt 
sich  aber  sogleich,  dass  der  erste  Theil  des  obigen  Citates 
aus  v.  Baeyer' s  Abhandlung  eine  Unrichtigkeit  enthält: 
der  Weg  des  Massenpunktes  auf  dem  ruhend  gedachten  Erd- 
sphäroid  könnte  nur  dann  eine  (mit  constanter  Geschwindig- 
keit durchlaufene)  kürzeste  oder  geodätische  Linie  sein,  wenn 
die  Anziehungskraft  der  Erde  überall  zur  Oberfläche 
normal  stände;  in  Wirklichkeit  steht  aber  die  Schwer- 
kraft, d.  h.  die  Resultirende  aus  Anziehungskraft  und  Cen- 
trifugalkraft,  senkrecht  zur  Erdoberfläche,  letztere  ist  also 
nur  vermöge  ihrer  Rotation  eine  Niveaufläche.  Wird  sie 
ohne  Gestaltsänderung  in  Ruhe  versetzt,  so  erfolgt  die  der 
Oberfläche  parallele  Bewegung  eines  Körpers  unter  dem  Ein- 
flüsse einer  horizontalen,  polwärts  gerichteten  Kraft,  welche 
eine  Componente  der  Anziehungskraft  bildet  und  ihrer  Grösse 
nach  leicht  angegeben  werden  kann.  Bezeichnet  man  näm- 
lich die  Polhöhe  des  Massenpunktes  auf  der  Erdoberfläche 
(welche  hier  und  im  Folgenden  ganz  allgemein  nur  als  Ro- 
tationskörper betrachtet  werden  soll)  mit  <p,  den  Abstand 
von  der  Axe  mit  r  und  die  Winkelgeschwindigkeit  der  Erd- 

1)  A.  Sprung:  Studien  über  den  Wind  und  seine  Beziehungen  zum 
Luftdruck,  Theil  I:  Zur  Mechanik  der  Luftbewegungen;  aus  dem  Archiv 
der  Deutschen  Seewarte  Nr.  1.  1879.  —  Zeitschrift  der  Oesterr.  Ges.  für 
Meteorol.  15.  1880. 


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A.  Sprung. 


131 


rotation  mit  w,  so  ist  die  Beschleunigung1)  jener  horizon- 
talen und  polwärts  gerichteten  Componente  der  Anziehungs- 
kraft gleich  dem  Ausdrucke: 

rw2sin 

welcher  die  horizontale,  zum  Aequator  gerichtete  Compo- 
nente der  Centrifugalkraft  bei  relativer  Ruhe  eines  Massen- 
punktes auf  der  rotirenden  Erdoberfläche  darstellt;  denn 
die  Bedingung,  dass  diese  beiden  horizontalen  Kräfte  einan- 
der das  Gleichgewicht  halten,  bestimmt  gerade  die  Gestalt 
der  rotirenden  Erdoberfläche. 

Am  Pole  und  am  Aequator  hat  diese  Kraft  den  Werth 
Null  und  erreicht  etwa  für  q ;  =  45°  ihr  Maximum;  auf  der 
Calotte  vom  Pole  bis  45°  Breite  verhält  sich  dieselbe  also 
ähnlich,  wie  beim  sphärischen  Pendel  für  Elevationswinkel 
zwischen  0°  und  90°  die  Componente  der  Schwerkraft,  unter 
deren  Einflüsse  das  Pendel  seine  Bewegungen  ausführt.  Im 
allgemeinen  wird  daher  die  „freiwillige 44  absolute  Be- 
wegung eines  Körpers,  welcher  nicht  an  der  Rotation  der 
Erdoberfläche  Theil  nimmt,  sondern  ohne  Reibung  auf  der- 
selben hingleitet,  ebenfalls  in  ununterbrochenen  Oscillationen 
um  den  Pol  als  Centrum  bestehen;  erfolgte  die  ursprüngliche 
Bewegung  in  der  Richtung  eines  Meridians,  so  wird  der 
Körper  diesen  nie  verlassen;  erfolgte  dieselbe  in  der  Rich- 
tung eines  bestimmten,  von  der  Geschwindigkeit  abhängigen 
Breitenparallels,  so  wird  der  Körper  letzteren  immerfort  mit 
constanter  Geschwindigkeit  durchlaufen  etc.  etc. 

Dass  man  aber  behufs  der  Construction  der  relativen 
Trägheitsbewegung  auf  der  rotirenden  Erdoberfläche  in  der 
oben  angedeuteten  Weise  von  jener  absoluten  Bewegung  aus- 
gehen darf,  ist  gar  nicht  zu  bezweifeln;  weil  nämlich  von 
einem  anderen  Einflüsse  der  rotirenden  Oberfläche  auf  den 
bewegten  Massenpunkt,  als  demjenigen  einer  starren,  wider- 
stehenden Wand,  vollkommen  abgesehen  wird,  so  kann  man 
sich  diese  rotirende  Fläche  als  unendlich  dünn  und  den 
ruhenden,  gleichgestalteten  Erdkörper  eng  umschliessend  vor- 
stellen, indem  ja  die  wirkenden  physikalischen  Kräfte  (An- 

1)  Der  Kürze  halber  wird  im  Folgenden  der  Ausdruck  „Kraft" 
immer  für  die  beschleunigende  Kraft  angewandt. 

9* 


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132 


A.  Sprung. 


ziehungskraft)  vom  Bewegungszustande  des  Erdkörpers  voll- 
kommen unabhängig  sind.  Es  erscheint  somit  lohnend,  dem 
oben  ausgesprochenen  Probleme  der  absoluten  Bewegung 
unter  dem  Einflüsse  der  polwärts  gerichteten  Kraft  reo2  sin  <p 
näher  zu  treten  und  dasselbe  zunächst  wenigstens  approxi- 
mativ zu  behandeln,  gerade  so,  wie  man  das  Problem  der 
Pendelschwingungen  für  unendlich  kleine  Amplituden  be- 
sonders zu  lösen  pflegt. 

In  der  Nähe  des  Poles  ändert  sich  nämlich  sinqp  nur 
sehr  langsam,  r  aber  sehr  schnell;  man  begeht  hier  also 
keinen  grossen  Fehler,  wenn  man  dem  sin  cp  den  Grenzwerth 
1  im  Pole  beilegt  und  dementsprechend  auch  die  Bewegungs- 
componenten  parallel  der  Erdaxe  vernachlässigt,  d.  h.  die 
Bewegung  als  eine  ebene  betrachtet;  der  Fehler  ist  alsdann 
ein  rein  geometrischer  und  leicht  abzuschätzen,  indem  ja 
die  aus  der  besonderen  Gestalt  der  Oberfläche  entspringen- 
den Kräfte  bereits  berücksichtigt  sind.  Mit  Bezug  auf  die 
im  Pole  beginnenden  und  in  der  Tangentenetene  liegenden 
Coordinaten  x  und  y  sind  daher  die  Differentialgleichungen 
der  Bewegung  folgende: 


(In  aller  Strenge  gelten  diese  Gleichungen  für  die  absolute 
Bewegung  eines  Flüssigkeitstheilchens  parallel  dem  ebenen 
Grunde  eines  kreisförmigen,  mit  der  Geschwindigkeit  o>  ro- 
ttenden Gefässes,  in  welchem  die  [tropfbare]  Flüssigkeit 
einer  zur  Bodenfläche  normalen  Kraft  unterworfen  ist  — 
soweit  man  sich  nämlich  diese  absolute  Bewegung  als  eine 
gänzlich  unbehinderte  vorstellen  kann). 

Die  Gleichungen  (1)  stimmen  mit  denjenigen,  auf 
welche  man  die  Theorie  der  Schwingungen  in  einem  ela- 
stischen Medium  gründet,  vollkommen  überein;  sie  können 
(beispielsweise  durch  die  Substitution  x  oder  y  —  ext)  einzeln 
integrirt  werden  und  führen  zu  den  endlichen  Gleichungen1): 

1)  Man  vgl.  beispielsweise  folgende  Lehrbücher  der  Physik:  Wüliner, 
3.  Aufl.  1.  p.  443  u.  450;  Mousson,  2.  Aufl.  2.  p.  531;  Müller,  7.  Aufl. 
1.  p.  278  u.  281.  —  Man  findet  an  diesen  Stellen  auch  die  sogleich 
zu  erörternde  geometrische  Darstellung  angegeben. 


(1) 


d*x 
dt* 


2     *  9 

=  —  rto".  —  =  —  xcjz. 


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A.  Sprung. 


133 


(2)  { 


x  s=  a  sin  cd  t 
y  m  b  cos  ü)  t, 


aus  welchen  ersichtlich  ist,  dass  sich  der  Punkt  in  einer 
Ellipse  bewegt,  welche  die  Längen  a  und  b  zu  Halbaxen 
hat;  denn  aus  (2)  ergibt  sich  die  Gleichung  der  Ellipse: 


Setzt  man: 

/  ^\  2  TT 

(4)  w=  r, 

so  bedeutet  T  die  ganze  Umlaufszeit  des  Punktes  in  der 
Ellipse,  denn  nach  einer  Zeit  t  =  T  erreichen  alle  Coordi- 
naten  sowohl,  als  auch  die  Geschwindigkeitseomponenten  Ux 
und  Uy  dieselben  Werthe,  weiche  sie  zur  Zeit  t  =  o  hatten; 
da  nun  aber  w  die  Winkelgeschwindigkeit  der  rotirenden 
Fläche  bedeutet,  so  lehrt  die  Gleichung  (4),  dass  die  Um- 
laufszeit der  absoluten  (elliptischen)  Bewegung  mit 
derjenigen  der  rotirenden  Fläche  übereinstimmt. 

Die  absolute  Bewegung  des  Punktes  kann  nun  mit 
Leichtigkeit  construirt  werden.  Man  wähle  beispielsweise 
die  Umlaufszeit  T  der  Oberfläche  (und  des  Massenpunktes) 
zu  24  Secunden  (vgl.  Fig.  10  auf  Taf.  I),  zerlege  die  Peri- 
pherie eines  über  dem  Durchmesser  2a  construirten  Kreises 
in  24  gleiche  Theile  und  fälle  von  den  Theilpunkten  aus 
Normalen  auf  den  Durchmesser,  was  in  diesem  Falle  durch 
paarweise  geradlinige  Verbindung  der  zu  2  a  symmetrisch  ge- 
legenen Theilpunkte  ausgeführt  werden  kann.  Die  12  Durch- 
messer, welche  die  24,  in  der  Peripherie  gelegenen  Theilpunkte 
verbinden,  zerlegen  gleichzeitig  einen  über  der  kleinen  Axe2£ 
construirten  Kreis  in  24  gleiche  Stücke;  von  den  Theilpunkten 
dieser  kleinen  Kreisperipherie  fälle  man  Normalen  auf  den 
zu  2a  senkrechten  Durchmesser  2b  und  verlängere  sie  beider- 
seits bis  zum  grösseren  Kreise.  Rechnet  man  die  Zeit  t  von 
demjenigen  Momente  an,  in  welchem  sich  der  Körper  im 
Endpunkte  des  Radius  b  befindet,  so  liegen  die  mit  0,  1, 
2,  3   bezeichneten  Durchschnittspunkte  der  beiden  Nor- 
malensysteme auf  der  durch  die  Gleichungen  (2),  (3)  und 
(4)  für  T=24  charakterisirten  elliptischen  Bahn,  aus  wel- 


(*/a)»  +  (j/ib)2  =  1. 


J 


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134 


A.  Sprung. 


eher  sich  die  entsprechende  relative  Bewegung  in  folgender 
Weise  ergibt. 

Der  absoluten  Bewegung  des  Körpers  bis  zu  den  Punk- 

ten  1,  2,  3  entspricht  eine  Rotation  der  Fläche  um  einen 

Winkel  o>,  2«,  3w — ;  offenbar  findet  man  demnach  im 
Momente  t  —  o  diejenigen  Punkte  I,  ET,  III  der  rotten- 
den Fläche,  welche  nach  1,  2,  3....  Secunden  mit  dem 
Körper  in  Berührung  kommen  werden,  dadurch,  dass  man 

auf  den  durch  1,  2,  3        gelegten  concentrischen  Kreisen 

beziehungsweise  um  die  Kreisbögen  ^w,  2r2«,  3r3«  

nach  rückwärts,  der  Rotationsbewegung  der  Fläche  ent- 
gegengeht. Dabei  ergibt  sich  nun  in  augenfälliger  Weise 
das  wichtige  Resultat,  dass  die  relative  Trägheitsbahn  aus 
einem  Kreise  besteht,  welcher  in  der  absoluten  Umlaufszeit 
T  zweimal,  und  zwar  in  solcher  Weise  durchlaufen  wird, 
dass  der  Sinn  der  Drehung  der  entgegengesetzte  ist  von 
demjenigen  der  Rotation  der  Fläche. 

Indem  man  hinsichtlich  der  Gestalt  der  elliptischen 
Bahn  und  der  Richtung,  in  welcher  der  Körper  sie  durch- 
läuft, verschiedene  Modificationen  eintreten  lässt1),  wird  man 
im  Stande  sein,  den  Zusammenhang  der  absoluten  und  der 
relativen  Bewegung  unmittelbar  geometrisch  klar  vor  Augen 
treten  zu  lassen  und  sich  auch  z.  B.  davon  zu  überzeugen, 
dass  der  Kreis  für  dieselbe  relative  Geschwindigkeit  v  stets 
dieselbe  Grösse  hat,  möge  er  nun  durch  den  Drehungspunkt 
M  gehen  oder  in  grösserer  Entfernung  davon  verlaufen.2) 
Ein  Bestreben  des  bewegten  Körpers,  im  Breitenkreise  zu 

1)  Figur  10  z.  B.  unterscheidet  sich  von  Fig.  11  nur  dadurch,  dass 
die  Ellipse  in  entgegengesetztem  Sinne  durchlaufen  wird;  die  relative 
Geschwindigkeit  und  der  Trägheitskreis  sind  infolge  dessen  etwa  2'/i ma* 
so  gross  als  in  Fig.  10. 

2)  Mit  Hülfe  einer  Kreidekugel,  welche  man  auf  einer  paraboloidisch 
geformten  rotirenden  Schreibtafel  dahinrollen  lässt,  wird  man  eine  auto- 
graphische Darstellung  dieser  relativen  Trägheitsbahnen  ausführen  können; 
die  unvermeidliche  Reibung  wird  sich  nur  darin  manifestiren,  dass  die 
(annäherungsweise  kreisförmigen)  Curven  allmählich  enger  und  enger 
werden.  Als  zweckmässige  Dimensionen  des  Apparates  empfehle  ich 
folgende:  Durchmesser  der  paraboloidischen  Schale:  120  cm;  Vertiefung 
der  Mitte:  10  cm.   Hierbei  muss  die  Umlaufszeit  T2,7  Secunden  betragen. 


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A.  Sprung. 


135 


verharren  oder  den  Parallelismus  mit  den  Breitenkreisen  zu 
erreichen,  wie  die  Hadley-Dove'sche  Theorie  es  annahm,  ist 
also  durchaus  nicht  vorhanden;  für  jedes  Azimuth  der  Be- 
wegung ist  die  Tendenz,  nach  rechts  von  der  jeweiligen  Be- 
wegungsrichtung abzuweichen,  ganz  genau  dieselbe. 

Versuchen  wir  jetzt,  der  obigen  Construction  mit  der 
Rechnung  zu  folgen.  Die  relative  Bewegung  werde  auf  ein 
mit  dem  rotirenden  Systeme  fest  verbundenes  Coordinaten- 
sy  stein  (£,  »/)  bezogen,  welches  in  dem  Momente  t  —  o  (den 
die  Figur  wiedergibt)  mit  ar,  y  zusammenfällt.  Bezeichnet 
man  mit  B  den  Winkelabstand  von  der  y-Axe  zur  Zeit  t 
in  der  absoluten,  mit  ß  den  entsprechenden  Abstand  von 
der  »;-Axe  in  der  relativen  Bewegung,  so  ist  offenbar: 

(5)  ß  =  B  —  cot. 

Ferner,  wenn  r  den  Radiusvector  zur  Zeit  t  bezeichnet: 

,x  =  rsmB  <£  =  rsinß 

v  '         \y  =  rcos  B  v  '         \  rt  =  rcos  ß. 

Aus  (5)  ist  abzuleiten: 

|  rsinß  =  rsini?  coscot  —  rcosB  sin«£ 
\  rcos  ß  aa  rcos  B  cosw^-f  rsinJ?  sin  cu£, 

oder,  indem  man  x,  y  aus  (2)  in  (6),  rsini?  und  rcos  B  aus 

(6)  in  (8)  und  endlich  rsin,i  und  rcosß  aus  (8)  in  (7)  sub- 
stituirt: 

|  =  (a  —  b)  sin  co  t  cos  co  t 

7]  =  bcos2wt  -f  asin2cot  =  a  —  (a  —  b)co$2cot. 

Hierfür  aber  kann  unter  Anwendung  bekannter  gonio- 
metrischer  Formeln  geschrieben  werden: 

(9)      t  =  Sf*rin2«f,     tj  =  -        cos2a,<  +  a-±±. 

\{a  —  b)  ist  der  Radius  des  gesuchten  Kreises,  J(a  -f-  b) 
der  Abstand  seines  Mittelpunktes  m  vom  Drehungspunkte  M 
auf  der  tj-Axe. 

Anstatt  nun,  wie  hier  geschehen,  bei  der  Construction 
von  der  absoluten  Bewegung  auszugehen,  kann  man  auch 
umgekehrt  verfahren,  indem  man  sich  für  irgend  eine  Ent- 
fernung b  des  Körpers  vom  Drehungsmittelpunkte  M  die 
beliebige  relative  Geschwindigkeit  v0  in  beliebiger  Richtung 


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136  A.  Sprung. 

gegeben  denkt;  zur  Vereinfachung  werde  indessen  angenom- 
men, dass  v0  auf  dem  Radius  vector  b  senkrecht  stehe,  und 
zwar  sei  v0  im  Sinne  der  Rotation  des  Systemes  (von  West 
nach  Ost)  positiv  gerechnet.  Alsdann  ist  v0  -f-  bw  die  ab- 
solute west- östliche  Geschwindigkeit  des  Körpers  zur  Zeit 
*  =  0,  für  welche  sich  nach  (3)  der  Ausdruck:  (Ux\  —  ata 
ergibt;  man  hat  also  die  Relation: 

(10)  aw  =  v0  +  ba,  oder  a  —  b  = 

durch  welche  die  Gleichungen  (9)  schliesslich  in  folgende 
übergehen : 

(11)  t  =  ^°-sin2w,     ,-_-£-coe2»f  +  (4 +-£-). 
Somit  ist: 


an 


~-  der  Radius  des  Trägheitskreises. 


I  Tjm  =  b  +        die  ?;-Coordinate  seines  Mittelpunktes  m. 

Diese  Gleichungen  geben  uns  über  die  relative  Träg- 
heitsbewegung des  Körpers  jeden  gewünschten  Aufschluss. 
Zunächst  kann  man  ableiten: 

i>0cos2a><;       £jL  =  v0  sin2o>*. 

Daraus  aber:  v  =  |/(^)2  +  [§j  =  °o> 

d.  h.  die  relative  Trägheitsbewegung  ist  eine  gleichförmige, 
unterscheidet  sich  also  von  der  absoluten  Trägheitsbewegung 
im  freien  Räume  nur  dadurch,  dass  ihre  Bahn  nicht  gerad- 
linig, sondern  gekrümmt  ist.  Bei  dem  für  unsere  Figuren 
angenommenen  Drehungssinn  des  Systemes,  welcher  mit 
demjenigen  der  Nordhemisphäre  übereinstimmt,  liegt  der 
Krümmungsmittelpunkt  stets  auf  der  rechten  Seite  der 
Bahn,  denn  die  Mittelpunktscoordinate  7jm  des  Kreises 
wird  <  £,  sobald  vQ  negativ  wird,  d.  h.  die  ursprüngliche  re- 
lative Geschwindigkeit  von  Ost  nach  West  gerichtet  ist. 
(Für  v0  =  o  wird  iim  —  b,  q  =  o  und  a  =  b,  d.  h.  der  Punkt 
bleibt  in  relativer  Ruhe,  während  seine  absolute  Bahn  aus 
einem  Kreise  besteht.  —  Für  v0  =  —  ba>  wird  ijm  =  +\b 
und  a  =  o:  die  absolute  Bahn  besteht  aus  einer  Pendelbe- 


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A.  Sprung. 


137 


wegung  in  einer  geraden  Linie.  Nun  wechselt  a  das  Vor- 
zeichen, d.  h.  für  noch  geringere  Geschwindigkeiten  v0  werden 
die  Ellipsen  in  entgegengesetztem  Sinne  durchlaufen.  —  Für 
v0  —  —  2b (o  wird  rlm  =  o,  g  =  b  und  a  =  —  b:  der  Mittel- 
punkt m  des  relativen  Trägheitskreises  fällt  mit  dem  Dreh- 
ungsmittelpunkte M  zusammen,  die  absolute  Bahn  ist  wieder, 
wie  für  v0  =  o,  ein  Kreis,  der  Sinn  der  Rotation  aber  der 
entgegengesetzte,  wie  vorher). 

Die  Winkelgeschwindigkeit  2w  der  relativen 
Trägheitsbewegung  ist  doppelt  so  gross  als  diejenige 
der  Rotation  des  Systemes,  die  relative  Bahn  wird  somit  in 
der  Umlaufszeit  T  des  Systemes  zweimal  durchlaufen.  Auch 
die  Figuren  ergeben  unmittelbar  —  wie  oben  schon  ange- 
deutet —  eine  Umlaufszeit  von  12  Secunden,  während  für 
das  System  24  Secunden  angenommen  waren.  Da  nun  unsere 
Untersuchung  mit  einem  hohen  Grade  der  Annäherung  auf 
die  Umgebung  des  Nordpols  der  Erde  angewandt  werden 
kann,  so  gelangt  man  direct  zu  dem  interessanten  Resultate, 
dass  ein  an  die  Erdoberfläche  gebundener,  sonst  aber  voll- 
kommen frei  bewegter  Körper  von  der  ursprünglichen  Rich- 
tung doppelt  so  stark  abweicht,  wie  die  Ebene  des  Fou- 
cault'schen  Pendels. 

Der  Werth  von  <y  ist  0,000072  92  m,  sodass  sich  die 
die  Länge  des  Radius  g  bei  einer  Geschwindigkeit  von  v  m 
10  m,  welche  derjenigen  eines  frischen  Windes  gleichkommt, 
zu  etwa  69  km  ergibt;  der  Körper  überschreitet  also  bei 
dieser  Geschwindigkeit  nur  wenig  den  Raum  zwischen  zwei 
aufeinanderfolgenden  Breitengraden. 

Auf  einer  nicht  rotirenden  Ebene  kann  eine  Bahn,  wie 
sie  sich  für  die  relative  Bewegung  als  Trägheitsbahn  ergeben 
hat,  durch  eine  stets  von  links  nach  rechts,  senkrecht  zur 
jeweiligen  Richtung  wirkende  physikalische  Kraft  A  =  v2/g 
erzeugt  werden:  substituirt  man  aber  für  g  den  Werth  aus 
(11'),  so  kommt: 

(12)  A  =  2vm. 

Die  Bewegung  auf  der  rotirenden  Umgebung  des  Poles 
darf  man  somit  wie  eine  absolute  behandeln,  wenn  man 
ausser  allen,  für  gewöhnlich  zu  berücksichtigenden  Kräften 


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138 


A.  Sprung, 


noch  diese  eine  Kraft  A  hinzufügt;  dieselbe  wird  in  der 
neueren  Meteorologie  als  „ablenkende  Kraft  der  Erdrotation" 
bezeichnet. 

Ein  Luftstrom  in  der  Nähe  des  Nordpoles  kann  in 
irgend  welcher  Richtung  nur  dann  geradlinig  Üiessen,  wenn 
eine  von  rechts  nach  links  gerichtete  Kraft  im  Betrage  von 
2t?(w  diese  Abweichung  von  der  Trägheitsbahn  ermöglicht; 
der  Luftdruck  wird  also  dementsprechend  im  Luftstrome 
von  links  nach  rechts  ansteigen  müssen.  —  Ebenso  würde 
die  Flüssigkeit  in  einem  irgendwie  gerichteten  geradlinigen 
Flussbette  rechts  ein  wenig  höher  stehen  als  links,  und  zwar 
ergibt  sich,  unabhängig  von  der  Natur  der  tropfbaren  Flüs- 
sigkeit: 

l    "  7 

wenn  H—  H0  die  Höhendifferenz  zwischen  den  beiden  Fluss- 

1)  Es  wird  sogleich  bewiesen  werden,  dass  dieser  Gleichung  in  irgend 
einer  Breite  qp  die  folgende  entspricht: 

cf(H  —  H0)  =  2vctänq> .  L. 

Beispielsweise  hat  2a>sin<jn  für  <p  =  50°  den  Werth  0,^00111  7;  für 
eine  Flussbreite  L  =  100  m  und  eine  Geschwindigkeit  v  =  10  m  ergibt 
sich  hieraus  jBT—  JI0  *»  0,0114  m.  In  jeder  Horizontalschicht  ist  somit 
der  Druck  des  Wassers  rechts  um  etwa  1,14  cm  Wasserhöhe  grösser  als 
links.  Dieser  Betrag  erscheint  allerdings  sehr  unbedeutend;  indessen  ist 
der  Geologe  daran  gewöhnt,  geringfügige,  aber  constante  Einflüsse  grosse 
Wirkungen  hervorbringen  zu  sehen.  Daher  dürfte  die  so  häufig  wieder- 
kehrende und  beispielsweise  am  unteren  Laufe  der  Elbe,  Weser,  Themse, 
Seine  und  Gironde,  ferner  an  der  Donau,  Wolga  und  den  übrigen  süd- 
russischen Flüssen  so  deutlieh  hervortretende  Erscheinung,  dass  die  rechte 
Seite  des  Flusses  von  Hügelreihen  unmittelbar  begrenzt  wird,  während 
sich  links  ein  ziemlich  breiter  Streifen  ganz  flachen  Landes  am  Strom- 
bette hinzieht,  auf  eine  allmähliche  Verlagerung  des  letzteren  von  links 
nach  rechts  durch  die  Axendrehung  der  Erde  zurückzuführen  sein.  In 
neuerer  Zeit  hat  diese  bereits  von  Baer  aufgestellte  Erklärung  vielfach 
Widerspruch  gefunden. 

Mit  Leichtigkeit  ergibt  sich  aus  obigen  Erörterungen  die  Beziehung 
zwischen  Windrichtung,  Windstärke  und  Luftdruck vertheilung,  welche 
in  dem  Buys-Ballot'schcn  Gesetze  einen  empirischen  Ausdruck  gefunden 
hat  Näheres  darüber  findet  man  in  den  Arbeiten  von  Guldberg  und 
Mohn  im  12.  Bd.  der  Zeitschr.  der  österr.  Ges.  für  Meteor.,  p.  49,  177, 
257  u.  273.  1877;  ferner  Sprung,  Ann.  d.  Hydr.  u.  maritim.  Meteorol. 
8.  Jahrg.  p.  603.  1880  u.  Beibl.  5.  p.  237.  1881. 


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A.  Sprung. 


139 


ufern,  L  die  Breite  des  überall  gleichschnell  fiiessenden 
Flusses  bezeichnet. 

Der  specielle  Fall  der  Trägheitsbewegung  in  der  Um- 
gebung der  Pole  wurde  im  Vorstehenden  besonders  deswegen 
so  ausführlich  behandelt,  weil  sich  hier  die  Construction  der 
Bahnlinien  auf  Grund  einiger  allgemein  bekannter  Lehren 
der  Physik  ausführen  lässt.  Für  andere  geographische 
Breiten  wird  die  Aufgabe  erheblich  schwieriger,  indessen 
lassen  sich  auch  hier  mit  Hülfe  unserer  Auffassung  des 
Vorganges  einzelne  Resultate  unmittelbar  gewinnen. 

Der  Zustand  relativer  Ruhe  einesKörpers,  welchen  derselbe 
auf  der  Horizontalebene  in  irgend  einer  Polhöhe  cp  erfahrungs- 
gemäss  von  selbst  beibehält,  besteht  —  absolut  genommen  —  aus 
einer  kreisförmigen  Oscillation  unter  dem  Einflüsse  einer  pol- 
wärts  gerichteten  Componente  rw2sin<p  der  Anziehungskraft 
der  Erde.  Für  die  bei  der  absoluten  Bewegung  erforderlichen 
Kräfte  ist  es  nun  aber  offenbar  ganz  gleichgültig,  ob  der 
Breitenkreis  von  West  nach  Ost  oder  von  Ost  nach  West 
mit  der  Geschwindigkeit  reo  durchlaufen  wird.  In  letzterem 
Falle  ist  aber  die  relative  Bewegung  des  Körpers  eine  ost- 
westliche mit  der  relativen  Geschwindigkeit  v  =  2ra>;  letztere 
Bewegung  ist  somit  gerade  so  wie  die  relative  Ruhe  ein  spe- 
cialer Fall  der  relativen  Trägheitsbewegung.  Nur  in  zwei 
ganz  bestimmten  Fällen  der  relativen  Geschwindigkeit  ver- 
mag also  ein  freier  Körper  im  Breitenkreise  zu  verharren, 
während  man  früher  annahm,  dass  das  schliessliche  Resultat 
jeder  Ablenkung  durch  die  Erdrotation  in  einer  Bewegung 
parallel  den  Breitenkreisen  bestehe.  —  Leicht  erkennt  man, 
dass  der  horizontale  Krümmungsradius  des  Breitenkreises, 
dessen  Krümmung  ja  durch  Vergleichung  mit  der  geodä- 
tischen Linie  (auf  der  Kugel  mit  dem  grössten  Kreise)  be- 
stimmt werden  muss,  gleich  ist  der  Seitenlinie  r/sin  cp  des- 
jenigen Kegels,  welcher  in  der  Polhöhe  cp  die  Erdoberfläche 
ringsum  berührt.  Die  „ablenkende  Kraft  der  Erdrotation" 
ist  also  in  diesem  Falle  =  (2rw)2. (sinqp/r),  wofür  nach  der 
obigen  Relation  u  =  2rw  der  Ausdruck  A  =  2i>&>sin<jp  ge- 
schrieben werden  kann.    Die  „ablenkende  Kraft"  ist  also 


140 


A.  Sprung. 


in  der  Breite  <p  (wenigstens  für  die  Geschwindigkeit  v  = 
2 reo)  kleiner  als  am  Pole,  wo  sich  der  Werth  2vw  ergeben 
hatte;  die  Richtung  ist  dieselbe  wie  dort:  senkrecht  zur 
Bahn,  nach  rechts  auf  der  nördlichen,  nach  links  auf  der 
südlichen  Hemisphäre,  und  zwar  wird  hierdurch  der  Einfluss 
der  Erdrotation  vollständig  repräsentirt,  weil  die  betrachtete 
relative  Trägheitsbewegung  eine  gleichförmige  ist. 

Zur  Vervollständigung  und  Generalisirung  dieses  Re- 
sultates möge  das  allgemeine  Problem  der  absoluten  Be- 
wegung unter  dem  Einflüsse  der  polwärts  gerichteten  Kraft 
rw2sin<jp  hier  kurz  behandelt  werden. 

Bezeichnet  V  die  absolute  Geschwindigkeit  parallel  der 
Oberfläche  des  Rotationskörpers,  0  das  Azimuth  der  ab- 
soluten Bewegung  (von  Nord  über  Ost  nach  Süd  positiv 
gerechnet),  und  ds  das  Bahnelement,  so  wird  das  Princip  der 
lebendigen  Kraft  durch  folgende  Gleichung  dargestellt: 

d(\V*)  =  rw2sinyd$cos0. 

Da  aber,  wie  geometrisch  unmittelbar  ersichtlich, 
—  dr/{ds cos©)  =  sinqp,  so  kann  dieselbe  geschrieben  werden: 

d(\  V*)  -  -ra>2dr, 
aus  deren  Integration  sich  ergibt: 

(13)  V2  =  D-r2oj2 

(D  eine  Constante).  Ferner  liefert  das  Princip  der  Erhal- 
tung der  Flächen: 

(14)  Fsin  9  =  ~, 

In  diesen  beiden  Gleichungen  ist  das  allgemeine  Pro- 
blem enthalten  und  bis  zu  einem  gewissen  Grade  bereits 
gelöst.  Aus  (14)  ergibt  sich  nämlich  zunächst:  V2cos20  = 
V2  —  C2/r3,und  nach  Einführung  des  Werthes  von  F2  aus  (13): 

(15)  Fcos0  =  j/z>-r2*>2--£l. 

Die  Ausdrücke  (14)  und  (15)  enthalten  die  west-östliche 
und  die  süd-nördliche  Componente  der  absoluten  Geschwin- 
digkeit als  Functionen  des  Abstandes  r  von  der  Axe;  man 
hat  davon  nur  die  Geschwindigkeiten  der  Erdoberfläche  an 
der  betreffenden  Stelle  zu  subtrahiren,  um  die  entsprechen- 
den Componenten  vsin#  und  vcos&  der  relativen  Geschwin- 
digkeit zu  erhalten;  dabei  ergibt  sich: 


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Am  Sprung. 


141 


(16)  t>sin#  =  £-rw,       »cos#  =  j/  D-r!io2~^. 

Durch  Quadriren  und  Addiren  dieser  Gleichungen  ge- 
langt man  zur  folgenden: 

(17)  v*  =  D-2Cu>  =  v0* 

Die  Geschwindigkeit  der  relativen  Trägheitsbewegung 
ist  also  in  jeder  beliebigen  Breite  der  Erdoberfläche  constant, 
geradeso  wie  es  sich  oben  für  die  Umgebung  des  Poles  er- 
geben hatte. 

Nach  einem  allgemeinen,  für  alle  Rotationskörper  gül- 
tigen Satze  lässt  sich  ferner  der  Radius  q  der  geodätischen 
Krümmung  einer  beliebigen,  in  der  Oberfläche  des  Rotations- 
körpers verlaufenden  Curve  durch: 

rcoBfrds 

ausdrücken;  substituirt  man  aber  in  d(rsm&)  =  rcos&d&  + 
sin#c?r  die  beiden,  aus  der  ersten  der  Gleichungen  (16)  mit 
Rücksicht  auf  (17)  gewonnenen  Werthe: 

cos&d&  =  —  ^(-pr  +  (o^jdr  und  sin#  =si|^-  rwj, 
so  kommt: 

V  COS  fr  d  8        j  •,       cos  &  d  8  1 

g  =  ~z  ~j — ,  oder,  da  — -  =  - . — 

r  2  war     7  '  —  dr         sin  9) 

(18)  o  =  — . 
v    '  r  2wsinqp 

Dieser  Werth  des  Krümmungsradius  q  der  relativen 
Trägheitsbahn  entspricht  vollkommen  dem  oben  (vgl.  Gl.lT) 
für  die  Umgebung  des  Poles  gefundenen  Werthe  g  =  Jv/w, 
und  lässt  erkennen,  dass  die  Bahn  um  so  schwächer  ge- 
krümmt ist,  jemehr  man  sich  dem  Aequator  nähert;  für 
letzteren  selbst  (cp  =  6)  geht  sie  in  die  geodätische  Linie 
über;  auf  der  südlichen  Hemisphäre  ist  q>  negativ,  und  hat 
somit  auch  der  Krümmungsradius  das  entgegengesetzte  Vor- 
zeichen wie  auf  der  Nordhemisphäre:  Der  Krümmungs- 
mittelpunkt liegt  hier  auf  der  rechten,  dort  auf  der  linken 
Seite  der  Trägheitsbahn.  Der  Beweis  dieser  Behauptung 
ist  leicht  mit  Hülfe  einer  genaueren  Betrachtung  des  Aus- 
druckes für  sin#  in  der  ersten  der  Gleichungen  (16)  zu 


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142 


A.  Sprung. 


führen;  setzt  man  z.  B.  fest,  dass  sin#  =  0  werden  soll  für 
r  =  rM  so  ist  dieselbe  zu  schreiben: 


Betrachtet  man  nun  zwei  Stellen  der  Erdoberfläche  mit 
dem  gleichen  Abstände  r0  von  der  Axe,  von  denen  die  eine 
auf  der  nördlichen,  die  andere  auf  der  südlichen  Hemisphäre 
gelegen  ist,  so  ist  sin#  in  beiden  Fällen  =  o,  d.  h.:  die 
Bewegung  eine  rein  südnördliche;  im  weiteren  Verlaufe  dieser 
Bewegungen  wird  aber  r  auf  der  nördlichen  Hemisphäre 
kleinerund  damit  sin#>o;  auf  der  südlichen  dagegen  wird 
r  grösser  und  damit  8in#<o:  der  Körper  entfernt  sich  also 
dort  nach  rechts,  hier  nach  links  aus  dem  Meridian. 

Verfolgt  man  die  Bewegung  (beispielsweise  für  die  nörd- 
liche Hemisphäre)  noch  weiter,  so  ergibt  sich,  dass: 


demWerthe  &  =  90°  der  Abstand  rx  =  -  ^  +  V  r0»  + 


entspricht;  den  Werth  360°  erreicht  &  wieder  für  r  =  r0,  also 
in  derselben  geographischen  Breite,  in  welcher  &  =  o  war, 
leicht  kann  man  aber  überschauen,  dass  der  Körper  hierbei 
nicht  zum  Meridian  des  Ausgangspunktes  zurückkehrt,  sondern 
einen  weiter  westlich  gelegenen  Meridian  erreicht;  da  nämlich 
die  Krümmung  der  Bahn  continuirlich  abnimmt,  während 
&  die  Werthe  von  90°  bis  270°  durchläuft,  so  muss  Bchon 
der  südlichste  Punkt  der  Bahn  weiter  westwärts  liegen  als 
der  vorhergehende  nördlichste  Punkt.  Die  Bewegung  ist 
also  zwischen  zwei  bestimmte  Breitenkreise  eingeschlossen 
und  führt  den  Körper  in  vielen ,  nahezu  kreisförmigen  Win- 
dungen allmählich  nach  Westen.  Vermuthlich  steht  dieses 
Fortrücken  im  Zusammenhang  mit  einer  Eigentümlichkeit  der 
entsprechenden  absoluten  Bewegung,  welche  dieselbe  mit  der- 
jenigen des  sphärischen  Pendels  gemein  hat:  bekanntlich 
zeigen  hier  die  zeitlich  aufeinanderfolgenden  höchsten  Lagen 
ein  regelmässiges  Fortschreiten  in  bestimmter  Richtung  auf 
einem  horizontalen  Kreise. 

Die  correcte  Darstellung  der  relativen  (oder  absoluten) 


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A.  Sprung. 


143 


Bahn  in  Form  einer  Gleichung  zwischen  den  geographischen 
Coordinaten  tp  und  X  setzt  voraus,  dass  die  Form  des  Rota- 
tionskörpers bekannt,  also  r  als  eine  bestimmte  Function 
der  Polhöhe  (p  gegeben  sei:  r  =  r(<p)  (z.  B.  für  die  Kugel 
r=Äcosqp;  für  das  Sphäroid  r  «=  Rcostp/Vl  —  «2sin2gp).  Da 
v  sin  =  r  (dX  j  dt) ,  und  v  cos  #  =  1  /sin  9)  (dr  /  rfqp)  (<ty>  /  dt)  ist,  so 
wären  die  Gleichungen  (16)  zunächst  zu  schreiben: 

dl      C  —  r!<y 


(19) 


(fr 


und  hieraus  ergibt  sich  durch  Elimination  von  dt  das  auszu- 
führende Integral: 

9 

f  {C-r*<o)dr~d<r 

(20)  X  =  -   ,  rfy 

in  welchem  die  Constanten  D  und  C  nach  (16)  durch  die 
Werthe  von  v,  &  und  r,  oder  nach  (14)  und  (15)  durch  die 
Werthe  von  V,  ß  und  r  im  Anfangszustande  ausgedrückt 
werden  können: 

|  D=  t,2  +  2ro2  ws  +  2f,r0  w  sin  &0  (=  F02  +  r02  g>2) 
1   j    *C=r02a,  +  t,r0sin#0  (-F0r0sin80) 

Lohnend  erscheint  die  Erledigung  dieser  auf  elliptische 
Functionen  führenden  Aufgaben  deswegen  nicht,  weil  erstens 
die  Function  r  von  cp  für  die  Erde  nicht  einmal  ganz  sicher 
angegeben  werden  kann,  und  zweitens  die  sorgfältige  Er- 
mittelung der  Bahnlinien  für  die  Meteorologie  nur  eine  unter- 
geordnete Bedeutung  hat;  denn  die  frühere  Ansicht,  dass  die 
Lufttheilchen  den  Trägheitsbahnen  wirklich  folgten,  ist  durch 
die  synoptischen  Wetterkarten,  welche  die  gleichzeitigen  Zu- 
stände auf  grossen  Gebieten  kennen  lehren,  vollkommen 
widerlegt.  Man  darf  jetzt  sogar  behaupten,  dass  in  Wirk- 
lichkeit nicht  einmal  der  Krümmungssinn  der  Trägheits- 
bahnen der  häufigere  ist:  es  gibt  viel  mehr  „cyclonal"  als 
„anticyclonal"  gekrümmte  Windbahnen. 

Von  grösstem  Interesse  ist  dagegen  die  Erkenntniss. 


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144 


A.  Sprung. 


dass  die  Tendenz  zur  Kichtungsänderung  durch  die  Erd- 
rotation weit  grösser  und  allgemeiner  ist,  als  man  früher 
annahm;  entsprechend  der  Gleichung  (12)  kann  die  von  links 
nach  rechts  wirkende  „ablenkende  Kraft"  nach  dem  Werthe 
für  q  in  (18)  geschrieben  werden: 

(22)  A  =  2vios\Ti(p 

wo  (p  für  die  nördliche  Hemisphäre  positiv,  für  die  südliche 
negativ  zu  nehmen  ist.  Die  dynamischen  Differentialgleich- 
ungen für  horizontale  Bewegungen  auf  der  rotirenden  Erd- 
oberfläche sind  somit  bei  einem  rechtwinkeligen  Coordinaten- 
system,  dessen  positive  y-Axe  sich  von  der  positiven  Richtung 
der  x-Axe  aus  nach  links  erstreckt,  die  folgenden: 

(23)  g-X+2„**V%,     g-r-2tt«n„£.  , 

Bei  Bewegungen  einer  Flüssigkeit  bestehen  die  gegebenen 
Kräfte  im  allgemeinen  nur  aus  den  Druckkräften,  sodass 
Xund  Y  beziehungsweise  durch  —  \jö{dp>dx)  und  —  \ja(dpjdy) 
(<r  =  Dichtigkeit)  zu  ersetzen  sind.  Mit  Bezug  auf  die  An- 
wendung dieser  Gleichungen  und  die  bei  beliebig  gerichteten 
Bewegungen  erforderliche  Erweiterung  derselben  sei  auf  die 
in  neuerer  Zeit  in  erfreulicher  Weise  sich  mehrenden  theo- 
retischen Untersuchungen  meteorologischer  Vorgänge  hinge- 
wiesen1); da  indessen  im  Anschluss  an  obige  Vorstellungen 
die  verticalen  Kräfte  leicht  ermittelt  werden  können,  so 
möge  hier  eine  kurze  Besprechung  derselben  folgen. 

Bei  Bewegungen  parallel  der  Erdoberfläche  hat  der 
vertical  nach  unten  gerichtete  Druck  N  offenbar  den  Werth: 

iV  =  Cr  p   =   5  r>  

Xl  -ttj  It., 

worin  G  die  verticale  Componente  der  beschleunigenden 
Kraft  der  Anziehung,  und  R  den  Krümmungsradius  desje- 
nigen Normalschnittes  bezeichnet,  welcher  die  Richtung  der 
absoluten  Bewegung  berührt;  R1  und  R2  aber  bezeichnen 

1)  W.  Ferrel:  Meteorological  researches;  Report  of  the  Superin- 
tendent of  the  U.  S.  coast-  and  geodetic  survey  for  1875  und  1878.  — 
C.  M.  Guldberg  et  H.  Mohn:  Etudes  sur  les  mouvemente  de  l'atmos- 
phere;  programme  de  TUnivcrsitS  de  Christiania  pour  1876  et  1880.  — 
J.  Finger:  Wien.  13er.  p.  7.  Jahrg.  1877  und  1880. 


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A.  Sprung.  145 

die  Krümmungsradien  der  Hauptnormalschnitte  des  Rota- 
tionskörpers: paraDel  dem  Meridian  und  dem  Breitenkreise, 
und  zwar  ist: 

Für  0  ist  das  Azimuth  &  der  relativen  Bewegung  ein- 
zuführen; nach  (14),  (15)  und  (16)  hat  man: 

Kcos  0  =  v  cos  &;    Fsin  9  =  v  sin  &  +  rw. 
Demnach  ist: 

ff      q  _(  p2  cos*  #      ü*  sin'  #  \  _  r'w*  _  2rv  w  sin  #  ^ 
Vi?!  )  Äa 

oder,  wenn  in  die  letzten  zwei  Glieder  der  vorstehende  Aus- 
druck für  R2  eingeführt  wird: 


2 

(24)  N  =  G  —  rco'cos  9  —  2t? cj  cos  <p  sin  #  —  Vg, , 

wo  Är  den  Krümmungsradius  des  Normalschnittes  parallel 
der  relativen  Bewegungsrichtung  &  bedeutet.  Die  beiden 
ersten  Glieder  vereinigen  sich  zur  Beschleunigung  g  der 
Schwerkraft: 

(25)  G  —  r  <ö2  cos  (p  g* 

Hat  die  Bewegung  des  Körpers  eine  verticale  Compo- 
nente,  so  wird  dieselbe  Gleichung  (24)  gültig  sein,  wenn  da- 
rin v  die  Geschwindigkeit  der  horizontalen  Projection  der 
Bewegung,  und  &  deren  Azimuth  bedeutet.  An  der  Grösse 
der  Kraft  N  wird  die  verticale  Componente  der  Bewegung 
nur  dann  etwas  ändern,  wenn  letztere  nicht  gleichförmig  ist, 
und  zwar  entspricht  die  Aenderung  dem  Ausdrucke  (Ph/dt2 
für  die  verticale  Beschleunigung.  Der  ganze  Complex  der 
verticalen  Kräfte  ist  als  eine  modificirte  Schwerkraft  g  zu 
betrachten,  sodass  derselbe  —  anstatt  g  allein  —  in  die 
Differentialgleichung : 

dp  —  —  agdh 

der  barometrischen  Höhenformel  einzuführen  ist,  wenn  man 
den  Bewegungszustand  der  Atmosphäre  bei  Ableitung  der 
Formel  berücksichtigen  will.  Nach  der  Zustandsgieichung 
der  Gase  ist  die  Dichtigkeit  a  in  folgender  Weise  abhängig 
vom  Druck  p  und  der  absoluten  Temperatur  T: 

p  =  (7  KT 

(K  die  Gasconstante  der  atmosphärischen  Luft). 

Ann.  d.  Phjs.  u.  Chem.  N.  F.  XIV.  10 


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146  A.  Sprung. 

Wird  die  Aenderung  der  Zusammensetzung  der  Luft 
mit  der  Höhe  ausser  Acht  gelassen  und  die  Temperaturab- 
nahme nach  oben  —  dem  gewöhnlichen  Gebrauche  ent- 
sprechend —  als  constant  betrachtet:  T=  T0  —  eh,  so  ergibt 
sich  schliesslich  folgende  Differentialgleichung: 

(26)  "  -  Ä  ('  ~  2vm  «*  »  Sin  *  —  57  +  g)  • 
(Genau  genommen  ist     noch  eine  Function  der  Höhe  Zt 

und  der  geographischen  Breite  cp.)  Diese  Gleichung  ist  für 
die  Meteorologie  insofern  von  grosser  Bedeutung,  als  sie  die 
horizontale  Vertheilung  des  Luftdrucks  in  irgend  einer  Höhe 
h  zu  bestimmen  gestattet,  falls  diese  Vertheilung  z.  B.  im 
Meeresniveau  (h  =  0)  bekannt  ist,  und  hinsichtlich  der  Be- 
urtheilung  der  Temperaturen  und  des  Bewegungszustandes 
genügende  Anhaltspunkte  gegeben  sind. 

Um  beispielsweise  die  Grösse  des  Einflusses  der  hori- 
zontalen Luftbewegung  auf  die  verticale  Druckvertheilung 
kurz  zu  untersuchen,  werde  angenommen,  dass  die  Tempe- 
ratur überall  =  T0,  also  e  =  0  sei;  da  auch  tPh/dt2  =  0,  so 
ergibt  die  Integration: 

T0Kl?°  =  (Ä  -  h0)  [g-2vLo  cos  (p  sin  &  -  **]  • 
Für  die  ruhende  Atmosphäre  hätte  man: 

(27)  TtXif  -  (*  - 

Wird  nun  vorausgesetzt,  dass  p  (der  Luftdruck  im 
oberen  Niveau)  in  beiden  Gleichungen  denselben  Werth 
hat,  so  ergibt  die  Subtraction: 

.  r0jr;E«(Ä-Ä0)(2o«co8y"siii^  +  ^J- 

Ersetzt  man  hierin  Ii  —  ä0  durch  den  Werth  aus  (27), 
und  die  Verhältnisse  pjp  etc.  durch  die  Verhältnisse  B0/B 
etc.  der  Barometerstände,  so  ergibt  sich  schliesslich: 

(28)  f  =  (Sf(!,"~"""+S) 

Es  bedeute  z.  B.  B  =  620  mm  den  Barometerstand  der 
Schneekoppe,  B0  =  748  mm  den  entsprechenden  Barometer- 


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A.  Sprung,  147 

stand  zu  Breslau  (Niveaudifferenz  etwa  1450  m),  es  sei 
ferner  t>  =30  m  (Geschwindigkeit  eines  heftigen  Sturmes) 
und  cp  ==51°;  alsdann  berechnet  sich  der  Exponent  rechts 
zu  0,000  280  8  sin  &  +  0,000014  4.  Seine  extremen  Werthe 
und  die  entsprechenden  Werthe  von  B0  im  Niveau  von  Bres- 
lau sind  folgende: 

Expouent  Rj(mm) 

&!&  =  90°  (Westwind):  0,000  295  2  747,958, 
für  &  =  270°  (Ostwind) :  -  0,000  266  4  748,037. 

Daraus  folgt,  dass  unter  sonst  gleichen  Verhältnissen 
der  Luftdruck  an  der  Unterseite  des  1450  m  hohen,  mit 
einer  Geschwindigkeit  von  30  m  fliessenden  Luftstromes,  bei 
gleichem  Luftdruck  an  der  Oberseite,  bei  Ostwind  um  etwa 
0,079  mm  höher  sein  wird  als  bei  Westwind.  Hätte  man 
das  Glied  v2jR'  vernachlässigt,  so  würde  sich  für  Westwind 
ergeben  haben  B0  =  747,960,  und  die  Differenz  zwischen 
West-  und  Ostwind  zu  0,080  mm.  Der  Einfluss  dieses  Glie- 
des ist  somit  sehr  unbedeutend. 

Uebrigens  ist  der  ganze  Effect  der  horizontalen  Luft- 
bewegungen insofern  als  sehr  geringfügig  zu  bezeichnen,  als 
die  Luftdruckänderung  von  0,08  mm  an  unseren  Barometern 
kaum  noch  beobachtet  werden  kann.  Da  nun  die  horizon- 
talen, durch  die  Axendrehung  der  Erde  bedingten  Kräfte 
von  derselben  Ordnung  sind  (Gl.  22),  wie  die  soeben  betrach- 
teten verticalen,  und  in  der  Breite  von  45°  ihnen  genau 
gleich  werden,  so  erhebt  sich  die  Frage,  woher  es  komme, 
dass  die  ersteren  für  die  Meteorologie  von  so  grosser  Be- 
deutung sind;  der  Grund  liegt  einfach  darin,  dass  in  horizon- 
taler Richtung  weit  grössere  Dimensionen  zur  Verfügung 
stehen.  Kommt  es  doch  z.  B.  gar  nicht  selten  vor,  dass  das 
ganze  Gebiet  zwischen  den  Alpen  und  dem  südlichen  Skan- 
dinavien von  ein  und  demselben  Luftstrome  eingenommen 
wird,  wobei  die  Druckdifferenz  zu  beiden  Seiten  des  Stromes 
(in  der  Richtung  senkrecht  zu  den  Isobaren  gemessen)  etwa 
30—40  mm  beträgt.  Hieraus  berechnet  sich  für  die  Länge 
eines  Aequatorgrades  (111  km)  ein  „Gradient"  von  2,5  bis 
3,3  mm,  und  für  die  Länge  von  V/2  km  (wie  sie  oben  in 
verticaler  Richtung  in  Betracht  gezogen  wurde)  ergibt  sich 

10* 


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148 


A.  Sprung. 


die  mit  unseren  Barometern  nicht  mehr  zu  messende  Diffe- 
renz von  0,039  mm.  Wird  also  in  etwa  50°  Breite  ein  bis- 
her ruhendes,  von  "West  nach  Ost  sich  erstreckendes  Luft- 
parallelepiped  von  ll/2  km  Höhe  und  Breite  in  stürmische 
Bewegung  versetzt,  so  muss  sich  gleichzeitig  die  Druckdiffe- 
renz an  den  einander  gegenüber  liegenden  Flächen  sowohl 
in  horizontaler  als  auch  in  verticaler  Richtung  um  etwa 
0,04  mm  ändern.  Umgekehrt  genügt  aber  auch  die  Erzeu- 
gung und  Andauer  so  geringer  Druckunterschiede,  um  die 
stürmische  Bewegung  allmählich  hervorzurufen;  im  Grunde 
genügt  hierzu  aber  schon  die  horizontale  Druckdifferenz,  und 
hätte  man  die  Vorgänge,  wenn  sie  sich  in  dieser  Anordnung 
vollziehen,  so  aufzufassen,  dass  die  Bewegung  der  Lufttheil- 
chen  im  ersten  Momente  in  der  Richtung  des  Gradienten 
erfolgt,  welche  aber  mit  wachsender  Geschwindigkeit  und 
abnehmender  Beschleunigung  mehr  und  mehr  verlassen  wird, 
bis  die  Richtung  der  gleichförmig  gewordenen  Bewegung 
schliesslich  zur  Richtung  des  Gradienten  senkrecht  steht, 
oder  —  bei  Anwesenheit  von  Reibungswiderständen,  welche 
eine  Gomponente  des  Gradienten  parallel  dem  Luftstrome 
nach  vorn  erforderlich  machen  —  sich  dieser  senkrechten 
Richtung  wenigstens  bis  zu  einem  gewissen  Grade  nähert 
Die  Aenderung  der  verticalen  Druckdifferenz  ist  erst  als 
eine  Folge  des  Bewegungszustandes  zu  betrachten,  indem 
dessen  Effect  hier  als  eine  blosse  Verringerung  der  Schwer- 
kraft aufgefasst  werden  kann. 

Eine  weitere  wichtige  Frage  ist  diejenige  nach  der  Be- 
ziehung zwischen  der  verticalen  Druckvertheilung  und  dem 
Zustande  der  Bewegung  in  derselben  Richtung.  Wenn  ausser 
der  Verschiedenheit  des  Druckes  keine  bewegenden  Kräfte 
vorhanden  sind,  so  ist  die  Gleichung  (26)  zu  verwenden  und 
geht  für  v  =  0  über  in: 


Es  werde  angenommen,  dass  d2h/dt2=b  eine  constante  Grösse 
sei.  Verfahrt  man  ganz  ähnlich  wie  vorher,  so  ergibt  sich 
schliesslich :  ~-  /^\-- 


9 


* 

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A.  Sprung. 


149 


(B0  ist  der  Werth  des  Barometerstandes  B  im  unteren  Niveau 
für  den  Zustand  der  gleichförmigen  Bewegung).  Fragt  man  z.  B., 
wie  gross  b  im  Falle  der  oben  angewandten  Werthe  für  W0  und 
B  werden  wird,  wenn  die  Relation  B0 .  748,1  =  B0  748,0  be- 
steht, die  Druckdifferenz  im  Zustande  der  beschleunigten  Be- 
wegung also  um  0,1  mm  grösser  ist  als  im  Zustande  der 
Ruhe  oder  gleichförmigen  Bewegung,  so  ergibt  sich  eine  auf- 
wärts gerichtete  Beschleunigung  von  b  =  0,007  m  pro  See. 

(Hat  die  Luft  gleichzeitig  eine  ostwestliche  Componente 
der  Geschwindigkeit  im  Betrage  von  25  bis  30  m,  so  wird 
die  Druckabnahme  von  unten  nach  oben  um  0,10  +  0,04 
=  0,14  mm  grösser  sein  müssen  als  im  Zustande  der  Ruhe.) 

Wird  auf  irgend  eine  Weise,  z.  B.  durch  aufwärts  ge- 
richtete Abfuhr  der  Luft  in  der  Höhe  eine  Zunahme  der 
verticalen  Druckdifferenz  von  0,1  mm  erzeugt  und  erhalten, 
so  mu8s  ein  Aufsteigen  der  Luft  eintreten,  und  man  kann 
durch  Integration  der  obigen  Gleichung  d2hj  dt%  =  b  die  Ge- 
schwindigkeit ermitteln,  welche  die  Lufttheilchen  bei  Zurück- 
legung einer  Strecke  h  —h0  von  ll/2  km  erlangen.  Da  b  als 
constant  vorausgesetzt  wurde,  so  ergibt  sich: 

^  =  V2*(Ä-A0). 

Für  den  obigen  Werth  von  b  erhält  man  dhjdt  m  4,58  m  pro  See. 
Bei  dieser  verticalen  Bewegung  tritt  bekanntlich  infolge  der 
Erdrotation  wieder  eine  horizontale  Componente  der  Bewe- 
gung auf,  falls  dieselbe  nicht  durch  Druckdifferenzen  verhin- 
dert wird.  Die  Tendenz,  bei  einer  aufsteigenden  Bewe- 
gung nach  Westen  abzuweichen,  wird  durch  den  Ausdruck 
Hdhjdf)  oo  cosgp  repräsentirt,  wie  mit  Hülfe  des  Princips  der 
Erhaltung  der  Flächen  leicht  nachgewiesen  werden  kann. 

Hamburg,  Juni  1881. 


XI.  TJeber  die  Venmittelung  der  Femetvirkungen 
durch  den  Aether;  von  Georg  Helm  in  Dresden. 

Schon  vielfach  ist  die  Aufmerksamkeit  der  Physiker  auf 
die  eigenthümliche  Erscheinung  hingelenkt  worden,  dass  die 


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150 


G.  Helm. 


mathematischen  Formen,  auf  welche  die  Potentialtheorie, 
insbesondere  die  Theorie  der  magnetischen  und  electrischen 
Erscheinungen  führt,  sich  in  der  Hydrodynamik  und  Elasti- 
citätslehre  wiederfinden;  oft  lässt  sich  ja  dieselbe  Formel 
aus  dem  einen  Gebiete  in  das  andere  umdeuten,  aus  der 
Theorie  der  Fernewirkungen  in  die  Theorie  des  stetig  den 
Raum  erfüllenden  Mediums.  Englische  Physiker  haben  ver- 
sucht, diese  innigen  mathematischen  Beziehungen  zu  neuen 
physikalischen  Anschauungsweisen  zu  verwerthen :  grundlegend 
in  den  allgemeinen  Umrissen  hat  Faraday,  in  bestimmter 
mathematischer  Ausdrucksweise  Maxwell1)  electrische  und 
magnetische  Erscheinungen  dem  Einflüsse  eines  Mediums 
zugeschrieben,  und  von  Thomson  ist  versucht  worden,  auf 
die  Helmholtz'schen  Integrale  der  hydrodynamischen  Diffe- 
rentialgleichungen einen  neuen  Atomismus  zu  gründen. 

Als  Fortschritte  inductiver  Erkenntniss  werden  derartige 
Untersuchungen  besonders  dann  angesehen  werden  können, 
wenn  sie  die  Fernewirkungen  zu  dem  Medium  in  Beziehung 
setzen,  dessen  Annahme  bereits  zur  Erklärung  der  Strahlung 
erforderlich  ist,  zum  Aether.  Der  Versuch,  sich  des  Aethers 
zur  Erklärung  noch  anderer  Erscheinungen  als  der  optischen 
zu  bedienen,  erscheint  von  vornherein  als  aussichtsvoll.  Man 
muss  ja,  um  die  optischen  Erscheinungen  zu  erklären,  an- 
nehmen, dass  der  Aether  ein  Stoff  sei,  der  sich  nach  den 
Differentialgleichungen  des  elastisch  festen  Körpers  bewegt, 
bedient  sich  aber  dann  nur  der  transversalen  Wellen,  welche 
durch  diese  Gleichungen  zugelassen  sind.  Aber  dieselben 
Differentialgleichungen  lassen  noch  mannichfache  andere  Vor- 
gänge, longitudinale  Wellen,  statische  Spannungszustände  zu: 
es  fragt  sich,  ob  diese  zur  Erklärung  nicht  optischer  Phäno- 
mene herangezogen  werden  können.  Das  Problem,  das  in 
diesem  Aufsatze  in  Angriff  genommen  worden  ist,  stellt  sich 
also  zunächst  in  der  Form  dar:  Haben  die  Begriffe  und 
Functionen,  auf  welche  die  Gravitation,  die  electrischen  und 
magnetischen  Wirkungen  zurückgeführt  worden  sind  (z.  B. 
Dichtigkeit,  Potential,  dielectrisches  Moment,  electrische 
Strömung  u.  s.  f.),  Bedeutung  für  den  Aether,  d.  h.  für  einen 

1)  Maxwell,  A  treatise  on  electricity  aiid  magnetism.  Oxford  1S73. 


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G.  Helm. 


151 


Körper,  der  sich  den  Differentialgleichungen  des  elastisch 
festen  Körpers  gemäss  bewegt.  Ist  dies  der  Fall,  so  wird 
sich  daraus  eine  Auffassungsweise  der  Naturerscheinungen 
ergeben,  welche  die  Fernewirkungen  und  die  Strahlung  um- 
fasst,  indem  sie  beide  aus  einheitlichen  Gesichtspunkten  ma- 
thematisch zu  beschreiben  vermag. 

Die  Optik  stellt  über  ihren  Aether  fest,  1)  nach  welchen 
Gleichungen  er  sich  bewegt,  2)  dass  es  Aether  von  verschie- 
dener Beschaffenheit  gibt,  dass  nämlich  die  Bewegungscon- 
stanten  des  Aethers  der  verschiedenen  physischen  Körper 
verschiedene  Grösse  besitzen,  8)  dass  zwischen  dem  Aether 
und  den  ponderablen  Molecülen  Energieübertragung  statt- 
findet. Ueber  die  Art  dieser  Uebertragung  lassen  sich  aber 
verschiedene  Hypothesen  bilden,  die  zur  Erklärung  der  Emis- 
sion, Absorption,  Dispersion  u.  s.  w.  genügen.  Für  uns  kommt/ 
nun  auf  diese  Energieübertragung  alles  an,  wenn  wir  eine 
Vermittelung  der  Fernewirkungen  durch  den  Aether  begrün- 
den, wenn  wir  nur  überhaupt  die  Bewegung  der  Molecüle 
im  Aether  untersuchen  wollen,  oder  mathematisch  ausgedrückt: 
es  kommt  ausser  auf  die  Differentialgleichungen  des  Aethers 
noch  auf  die  zu  erfüllenden  Grenzbedingungen  an.  Es  wird 
daher  zunächst  nöthig  sein,  dass  wir  uns  eine  bestimmte 
Vorstellung  bilden  über  die  Bewegung  der  Molecüle  im 
Aether  überhaupt,  und  dann  wird  es  bei  der  Untersuchung 
der  einzelnen  Fernewirkungen  erforderlich  sein,  Annahmen 
über  die  Energieübertragungen  zu  machen,  welchen  diese 
Wirkungen  entspringen. 

I.  Die  Bewegung  der  Molecüle  im  Aether.  —  Die 
Aberration  des  Lichtes  nöthigt  zu  der  Annahme,  dass  die 
Atome  sich  durch  den  Aether  hindurchbewegen  können,  so- 
dass dort,  wo  Aether  ist,  nach  beliebig  kurzer  Zeit  ponde- 
rable  Materie  (und  umgekehrt)  sein  kann,  ohne  dass  dabei 
ein  Widerstand  merklich  wird.  Nun  darf  man  sich  diese 
Bewegung  der  Atome  keinesfalls  vorstellen,  wie  die  Bewe- 
gung eines  starren  Körpers  in  einer  Flüssigkeit.  Der  Aether 
ist  eben  keine  Flüssigkeit:  seine  Bewegungsgleichungen  lassen 
nur  unendlich  kleine  Verrückungen  aus  der  Gleichgewichts- 
lage zu,  keine  Aufhebung  des  Zusammenhanges  der  benach- 


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152 


G.  Helm. 


harten  Theile  auf  die  Zeit  des  Atomdurchganges  durch  das 
betreffende  Raumelement.  Es  bleibt  wohl  kaum  etwas  anderes 
übrig,  als  die  Annahme,  dass  alle  Atome  für  den  Aether 
durchdringlich  sind.  Diese  Durchdringung  darf  jedoch  nicht 
etwa  so  vorgestellt  werden,  dass  Aether  und  Atome  sich 
überhaupt  gar  nicht  beeinflussen,  dass  die  letzteren  sich  be- 
wegen, als  wäre  der  erstere  nicht  vorhanden.  Denn  dann 
wäre  nicht  nur  Emission,  Absorption,  Dispersion  unmöglich, 
es  würde  auch  sogar  eine  mit  der  Aberration  in  innigster 
Beziehung  stehende  Erscheinung  unerklärt  bleiben,  die  En- 
trainirung l) ,  wonach  das  Licht  in  bewegten  Körpern  eine 
andere,  vom  Brechungsexponenten  und  der  Geschwindigkeit 
abhängige  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  besitzt,  als  in  ruhen- 
den. Eine  klare  anschauliche  Vorstellung  von  dem  Vorgange 
der  Durchdringung  der  Atome  durch  den  Aether  gewinnt 
man,  wie  mir  scheint,  wenn  man  sich  einer  anderen 
Hypothese  erinnert,  zu  der  die  Aberration  nöthigt.  Denken 
wir  uns  die  Erde  auf  ihrer  Bahn  um  die  Sonne.  Der  Aether 
des  freien  Weltraumes  wird  nach  einiger  Zeit  Aether  der 
Erdatmosphäre  sein,  und  nach  wenigen  Secunden  ist  diese 
selbe  Aethergruppe  Aether  des  Objectivs  eines  Beobachtungs- 
fernrohres u.  s.  f.  Wir  müssen  daher 'annehmen,  dass  der 
Aether  ausserordentlich  rasch  seinen  Zustand  zu  wechseln 
vermag,  da  ja  doch  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  für 
Trans versal wellen  in  dem  angeführten  Beispiele  sich  rasch 
ändert.  Die  ponderablen  Molecüle,  welche  durch  den  Aether 
hindurchstreichen,  ändern  den  Zustand  seiner  Beweglichkeit 
(seine  Dichtigkeit  oder  seine  Elasticität).  Der  Aether  in 
den  verschiedenen  Körpern  ist  hiernach  als  überall  aus  gleich- 
artiger Substanz  bestehend  zu  denken,  die  nur  unter  dem 
Einflüsse  von  Kräften,  welche  jenen  Körpern  charakteristisch 
sind,  einen  verschiedenen  Grad  der  Beweglichkeit,  verschie- 
dene Werthe  der  Constanten  ihrer  Bewegungsgleichungen 
anzunehmen  fähig  ist.  Nun  ist  ein  physischer  Körper  im 
Sinne  der  Optik  ein  Conglomerat  aus  Aether  von  gewisser 
Beschaffenheit  und  aus  Molecülen.  Was  man  von  dem  einen 
dieser  Bestandteile  behauptet,  warum  kann  man  es  nicht 

1)  Vergl.  Ketteier,  Astronomische  Undulationstheorie.    Bonn  1873. 


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G.  Helm.  153 

auch  von  dem  anderen  annehmen,  warum  nicht  jedes  Molecül 
sich  denken  als  aus  jener  universellen  Substanz  bestehend, 
die  einen  anderen  Grad  der  Beweglichkeit  im  freien  Aether 
des  Weltraumes,  einen  anderen  im  Aether  eines  Körpers  — 
und  eben  abermals  einen  anderen  Zustand  im  Molecül  selbst 
besitzt?  Denkt  man  sich  Aether  und  Molecül  als  verschie- 
dene Substanzen,  so  muss  man  1)  dem  letzteren  Durchdring- 
lichkeit für  den  Aether,  und  2)  dem  Aether  die  Fähigkeit, 
seine  Dichtigkeit  oder  Elasticität,  seine  Beweglichkeit  ändern 
zu  können,  zuschreiben.  Denkt  man  sich  aber  Aether  und 
Molecül  als  aus  derselben  Substanz  bestehend,  so  bleibt  nur 
die  zweite  dieser  Annahmen  erforderlich. 

Ich  nehme  also  an,  dass  die  Molecüle  kleine  Volumina 
(in  isotropen  Körpern,  von  denen  allein  die  Rede  ist, 
Kugeln)  seien,  die  mit  demselben  Stoffe,  dem  Aether,  erfüllt 
sind,  der  sich  auch  ausserhalb  derselben,  den  ganzen  Raum 
stetig  erfüllend,  befindet.  Dieser  Stoff  besitzt  einen  anderen 
Grad  der  Beweglichkeit  im  freien  Welträume,  einen  anderen 
in  der  Nähe  der  Mblectile,  einen  anderen  in  den  Molecülen. 
Ausserhalb  der  Molecüle  bewegt  sich  dieser  Stoff  gemäss 
den  Differentialgleichungen  des  elastisch  festen  Körpers,  aber 
die  Constanten  der  Bewegungsgleichungen  sind  verschieden 
im  freien  Welträume  und  in  der  Nähe  der  Molecüle,  d.  i.  in 
den  physischen  Körpern.  In  den  Molecülen,  nehme  ich  an, 
bewegt  sich  der  Stoff  nach  den  Differentialgleichungen  des 
flüssigen  Körpers;  ich  mache  diese  Annahme  in  Rücksicht 
auf  die  magnetischen  und  electrischen  Erscheinungen,  die 
sich  aus  ihr,  wie  ich  zeigen  werde,  herleiten  lassen.  Ich 
werde  kurz  den  Aether  ausserhalb  der  Molecüle  als  fest, 
den  in  ihnen  als  flüssig  bezeichnen,  ohne  damit  andere  Ana- 
logien heranziehen  zu  wollen,  als  die  der  Beweglichkeit  der 
kleinsten  Theile.  Ich  kann  dann  kurz  das  Molecül  als  eine 
Stelle  im  Räume  bezeichnen,  wo  der  Aether  verflüssigt  wird; 
bewegt  es  sich,  so  bewegt  sich  die  Ursache  dieser  Verflüssi- 
gung, und  Stellen,  die  vorher  fest  waren,  werden  flüssig,  und 
umgekehrt.  Damit  ist  noch  nichts  ausgesagt  über  die  Ge- 
setze, nach  denen  sich  diese  Molecüle  bewegen.  Wir  nehmen 
die  Axiome  der  Mechanik  für  sie  ebenso  in  Anspruch,  wie 


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154  G.  Helm. 

für  die  materiellen  Punkte  der  gewöhnlichen  Vorstellungs- 
weise. Materielle  Punkte  sind  eben  nach  unserer  Hypothese 
solche  Punkte  des  Raumes,  die  in  ihrer  Umgebung  den  Aether 
verflüssigen  und  sich  den  mechanischen  Axiomen  gemäss  be- 
wegen. Eine  andere  Frage  ist  es  freilich,  ob  die  Mechanik 
des  Aethers  aus  einer  umfassenderen  Annahme  diese  Axiome 
wie  unsere  weiteren  Hypothesen  herleiten  kann.  Dieses 
Problem  liegt  tiefer  und  ist  in  der  vorliegenden  Arbeit  nir- 
gends berührt.  —  Die  Geschwindigkeit  eines  ponderablen 
Körpers  ist  nun  nicht  etwa  die  Geschwindigkeit  des  in  ihm 
befindlichen  Aethers,  weder  der  festen  Aetherelemente,  noch 
der  flüssigen  Elemente  seiner  Molectile:  die  Geschwindigkeit 
des  Körpers  ist  vielmehr  nur  die  Geschwindigkeit,  mit  wel- 
cher der  Aether  seinen  Bewegungszustand  ändert.  Wie  rasch 
sich  auch  der  Körper  bewegt,  die  Aethertheilchen  in  ihm 
sind  nur  unendlich  kleiner  Verrückungen  fähig,  der  bewegte 
Körper  ist  in  jedem  Momente  aus  anderen  Aethertheilchen 
constituirt;  nicht  die  Substanz,  aus  der  er  besteht,  ist  cha- 
rakteristisch für  ihn,  sondern  die  Spannungen,  Schwingungen, 
Strömungen  in  seinem  festen  Aether  und  in  seinen  Mole- 
cülen ;  nicht  die  Substanz  bewegt  sich,  sondern  ihr  Zustand, 
die  Kraftwirkung,  welcher  sie  unterliegt.  Mit  anderen  Wor- 
ten, ich  schlage  vor,  bez.  der  Bewegung  ponderabler  Körper 
denselben  Schritt  zu  thun,  der  bez.  des  Lichtes  von  der 
Emissions-  zur  Undulationshypothese  geführt  hat. 

II.  Die  Energieübertragung  zwischen  den  Mo- 
lecülen  und  dem  äusseren  Aether.  —  Ein  leuchtendes 
Molecül  versetzt  den  umgebenden  Aether  in  transversale 
Schwingungen,  wobei  Energie  vom  Molecül  an  den  Aether 
abgegeben  wird.  Die  Erfahrung  findet  eine  Analogie  zu 
dieser  Energieübertragung  in  der  Reibung.  Man  wird  zur 
Annahme  einer  reibungsartig  an  der  Oberfläche  des  Mole- 
cüls  wirkenden  Kraft  genöthigt,  um  die  Lichtemission  zu 
erklären,  und  leuchtend  würde  man  nach  der  oben  dargelegten 
Anschauungsweise  ein  Molecül  nennen,  in  welchem  der  flüs- 
sige Aether  in  hin  und  her  wirbelnder  Bewegung  durch  innere 
Kräfte  erhalten  wird.  Umgekehrt,  schwingt  der  Aether  trans- 
versal in  der  Nachbarschaft  eines  Molecüls,  so  wird  dessen 


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G.  Helm. 


155 


Inhalt  durch  jene  Reibung  in  Bewegung  versetzt,  es  findet 
Absorption  statt.  Für  uns  kommt  nun  alles  auf  die  nähere 
Beschaffenheit  jener  reibungsartigen  Kraft  an,  neben  der 
auch  noch  weitere  Energieübertragungen  an  der  Oberfläche 
des  Molecül8  denkbar  sind,  solche,  die  der  Optik,  welche  nur 
von  transversalen  Wellen  redet,  entgehen,  oder  solche,  welche 
bei  den  verschiedenen  Versuchen,  die  Dispersion  und  die  Ab- 
sorptionserscheinungen zu  erklären,  herangezogen  worden 
sind.  Ich  werde  zeigen,  wie  jede  Art  der  Fernewirkung  durch 
eine  Art  der  Energieübertragung  an  der  Molecüloberfläche 
ersetzt  werden  kann,  wie  an  die  Stelle  jeder  Hypothese  über 
Fernewirkungen  eine  Hypothese  über  solche  Energieübertra- 
gung an  der  Grenzfläche  des  inneren  und  äusseren  Aethers 
treten  kann.  So  wird  z.  B.  im  nächsten  Abschnitt  der  Gleich- 
gewichtszustand des  Aethers  betrachtef,  welcher  eintritt,  wenn 
ein  (kugelförmig  gedachtes)  Molectil  auf  den  umgebenden 
Aether  allseitig  gleiche  Zugspannungen  ausübt,  welche  nach 
dem  Mittelpunkte  des  Molectils  gerichtet  sind.  Es  wird  sieb 
dort  ergeben  —  was  übrigens  auch  auf  einem  mehr  popu- 
lären Wege  leicht  dargelegt  werden  kann  — ,  dass  unter 
diesen  Umständen  Verrückungen  der  Aetherelemente  statt- 
finden, die  umgekehrt  proportional  dem  Quadrate  des  Ab- 
standes  vom  Molecül  sind.  Um  daher  die  Gravitation  durch 
Energieübertragung  im  Aether  zu  erklären,  muss  man  1)  an- 
nehmen, dass  jedes  Molecül  gewisse  Zugspannungen  auf  die 
benachbarten  Aetherelemente  ausübt,  und  2)  dass  jedes  Mo- 
lecül sich  verhält,  wie  ein  materieller  Punkt,  welcher  von 
einer  beschleunigenden  Kraft  erfasst  wird,  die  proportional 
und  gleichgerichtet  den  Verrückungen  der  benachbarten 
Aetherelemente  ist.  Die  zweite  Hypothese  hat  dann  zur 
Folge,  dass  ein  im  Aether  vorhandenes  zweites  Molecül  einer 
Kraftwirkung  unterliegt,  die  dem  Gravitationsgesetze  gemäss 
ist.  (Diese  Hypothese  ist  übrigens  nahe  verwandt  einer  von 
Helmholtz1)  zur  Erklärung  der  Absorptionserscheinungen 
angewendeten.)  Es  bedarf  also  zweier  Hypothesen  zur  Ab- 
leitung der  Gravitation,  einer  Emissions-  und  einer  Re- 

1)  Helmholtz,  Pogg.  Ann.  154.  p.  582.  1875.  Berl.  Ber.  1874.  p.  667. 
Referat  in  Klein,  Theorie  der  Elasticität  u.  s.  w. 


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156 


G.  Belm. 


ceptionshypothese.  Man  wird  daher,  wenn  man  die  Gravi- 
tation allein  ins  Auge  fasst,  unsere  Auffassung  nicht  eine  ver- 
einfachende Erklärung  derselben  nennen  können,  der  "Werth 
dieser  Auffassung  der  Gravitation  liegt  nur  in  der  Ver- 
knüpfung der  Fernewirkung  mit  den  Aethererscheinungen. 
Aehnlich  wiederholt  sich  dieses  Auftreten  einer  Emissions- 
und einer  Receptionshypothese  bei  den  anderen  Fernewir- 
kungen, wobei  dahingestellt  bleibt,  ob  ein  tieferes  Eindringen 
in.  die  Mechanik  der  Energieübertragung  zwischen  flüssigem 
und  festem  Aether  diese  verschiedenen  Hypothesen  und  die 
Gültigkeit  der  mechanischen  Principien  für  die  Molectile, 
wie  für  materielle  Punkte  auf  gemeinsame  Wurzeln  zurück- 
zuführen vermag. 

So  liegt  es  z.  B.  nahe,  die  Annahme  flüssigen  Aethers 
in  den  Molecülen  nur'  als  eine  Folge  der  zum  Zwecke  der 
Gravitationserklärung  angewendeten  Hypothese  anzusehen, 
dass  die  Molecüle  central  gerichtete  Spannungen  ausüben. 
Denn  da  aus  letzterer  Hypothese  folgt,  dass  die  Verrückun- 
gen der  Aetherelemente  dem  Quadrate  der  Entfernung  vom 
Molecüle  umgekehrt  proportional  sind,  so  müssen  die  Ver- 
schiebungen in  der  Nähe  des  Molecüls  ausserordentlich 
wachsen  und  grösser  sein,  als  es  mit  der  Erhaltung  des 
festen  Zustandes  vereinbar  ist.  Das  dadurch  entstehende 
flüssige  Aethergebiet  wäre  dann  eben  das  Molecül.  Hierbei 
würde  ein  allmählicher  Uebergang  aus  dem  festen  in  den 
flüssigen  Zustand  stattfinden,  der  Aether  an  der  Molecül- 
oberfläche  sich  also  wie  eine  reibende  Flüssigkeit  verhalten, 
eine  Annahme,  aus  der  sich  in  der  That  die  Coercitiverschei- 
nungen  erklären  zu  lassen  scheinen.  Da  ich  jedoch  meine 
Hypothesen  lediglich  an  den  Fernewirkungen,  den  am  ge- 
nauesten festgestellten  physikalischen  Erscheinungen  ent- 
wickeln will,  so  bedarf  ich  der  Annahme  dieser  Uebergangs- 
Schicht  nicht  und  nehme  provisorisch  einen  sprungweisen 
Uebergang  aus  dem  festen  in  den  flüssigen  Zustand  an. 

III.  Die  Gravitation.  —  Sind  uvw  die  Projectionen 
der  Verrückung  eines  Aethertheilchens  aus  der  natürlichen 
Gleichgewichtslage,  bezogen  auf  drei  senkrechte  Coordinaten- 
axen  xyz,  ist  ferner: 


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G.  Helm.  157 
/ia\  du      dv  die 

die  Dilatation,  welche  am  Orte  xyz  hervorgebracht  wird,  so< 
bestimmen  sich,  wenn  äussere  Kräfte  nicht  wirken,  die  Be- 
schleunigungscomponenten  an  dieser  Stelle  durch  die  Glei- 
chungen : 

'  g»  =  c*Ju  +  (0i  _  ^  g,    gf  -  C«J„  +  (C  - 


(1) 


wobei  Cc  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeiten  longitudinaler 
und  transversaler  Wellen  bezeichnen  und  A  die  Operation 
d2/dx2  -f  d2jdyl  -f-  d2jdz\  Die  Differentiation  der  Gleichun- 
gen nach  xyz  und  die  Addition  ergibt  noch: 

(1»)  =  C*Jo. 

Diesem  Gleichungssysteme  genügen  bekanntlich  die  bei- 
den Lösungen: 

U  -  dx>  v~  dy>  W~  dz* 
,9X  dT      dB  dA      dr  dB  dA 


öy       ö*  1         d*      dx '  dx 
wenn  die  neu  eingeführten  Functionen  bis  auf  eine  additive 
Constante  den  Bedingungen: 

(2*)  J£  *  C"A^ 

entsprechen.  Die  Lösung  (3)  führt  zu  den  Transversalwellen 
der  Optik,  wenn  die  Functionen  ABT  von  der  Zeit  ab- 
hängig sind,  also  Wellen  stattfinden.  Sie  wird  uns  später 
zu  den  magnetischen  Erscheinungen  führen  für  den  Fall  der 
Unabhängigkeit  jener  Functionen  von  der  Zeit,  also  für  den 
Fall,  dass  ein  statischer  Spannungszustand  stattfindet. 

Aus  der  Lösung  (2)  wollen  wir  jetzt  die  Gravitations- 
erscheinungen herleiten.  Während  sich  die  Optik  mit  den 
Schwingungen  beschäftigt,  die  im  Aether  auftreten  können j 
werden  uns  besonders  die  von  der  Zeit  unabhängigen  Ver- 
rtickungen  interessiren,  welche  im  Aether  möglich  sind,. 


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158  G.  Helm. 

■ 

Thatsächlich  werden  beide  Erscheinungen  gleichzeitig  statt- 
finden: jedes  Theilchen  wird  aus  seiner  natürlichen  Gleich- 
gewichtslage gerückt  werden  und  im  allgemeinen  um  eine 
neue  Gleichgewichtslage  schwingen,  in  welche  es  übergeht, 
sobald  es  seine  Schwingungsenergie  an  die  benachbarten 
Theilchen  abgegeben  hat.  Es  seien  u0  v0  w0  die  Componenten 
der  von  der  Zeit  unabhängigen  Verrückungen,  also  die  Pro- 
jectionen  des  Abstandes  der  neuen  Gleichgewichtslage  von 
der  natürlichen  Gleichgewichtslage,  utvtwt  die  Componenten 
der  mit  der  Zeit  veränderlichen  Elongation,  dann  muss  sein: 

uo      dx  '  dy  '  W°~  dz  ' 

d(pt  d(ft  dfft 

M<=  ö*>  r<=  Jj>    Wt  =  J7' 
und  bis  auf  eine  additive  Constante: 

{4*>)  Jrfo  =  rTü=0,  C2Jrft  = 

Zu  denselben  Resultaten  gelangt  man,  wenn  man  die  Glei- 
chungen (1)  zerfällt  in: 


(5) 


da 

d*u 

da 

dx 

d  £*  ~~ 

C2 

dx 

da 

d*v 

C2 

da 

dy 

de  ~ 

dy 

da 
dz 

8-w 

dt*  - 

c2 

da 
dz 

Av  = 

Aw  =  U^  =  C2"U  -  C*Aw 


d2  a      SU  A  _ 


und  diese  für  u0vuwu  anwendet,  wobei  sich  ergibt: 

(6)      A  «„  =  |&  =  0,  A v,  =  *£  =  0,Awo  =8£  =  0, 

also  a0  eine  Constante. 

Da  ich  im  Folgenden  lediglich  die  von  der  Zeit  unab- 
hängigen Verschiebungen  betrachten  werde,  die  Schwingun- 
gen also  ausser  Betracht  lasse,  welche  vor  Eintritt  einer 
neuen  Ruhelage  stattfinden  werden,  so  will  ich,  den  Index  0 
unterdrückend,  die  Projectionen  des  Abstands  der  neuen 
Gleichgewichtslage  von  der  natürlichen  Lage  mit  uvw  be- 
zeichnen.  Ich  setze  also: 

{?a)       u  =  edx>  w~ä*;  G=z  AW  ^  =  0 

und  wähle  nun  die  Function  q>  so,  dass  ausserhalb  der  Molecüle: 


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G.  Helm. 


159 


(7b) 


<p  =  -  > 


A(p  =  a  =  0 


ist.  Hierbei  bedeutet  r  »  V(a?  —  |)2  +  (y  —  +  (*  — £)'  den 
Abstand  der  Stelle  xyz  des  Aethers  vom  Mittelpunkte 
eines  Molecüls,  m  eine  dem  Molecüle  eigentümliche  Con- 
stante,  -S"  eine  über  alle  vorhandenen  Molecüle  zu  erstreckende 
Summation.  Durch  diese  Wahl  von  <p  wird  erreicht,  dass 
uv  w  und  g  überall  ausserhalb  der  Molecüle  eindeutig  und 
stetig  sind  und  im  Unendlichen  verschwinden.  Olfenbar  be- 
friedigt (p  nicht  die  Grenzbedingungen,  welche  an  der  Ober- 
fläche der  Molecüle  eingehalten  werden  müssten,  wenn  diese 
sich  wie  starre  Kugeln  in  einer  Flüssigkeit  verhielten.  Es 
treten  vielmehr  Theile  des  festen  Aethers  in  das  flüssige 
Gebiet  des  Molecüls  ein,  andere  aus  diesem  aus,  gemäss  der 
oben  auseinandergesetzten  Anschauungsweise.  Letztere  er- 
innert übrigens  an  eine  von  Riemann1)  zuerst  angewendete 
Hypothese,  welche  auch  den  Zweck  hatte,  jener  für  die 
Gravitation  wesentlichen  Function  <p  physikalische  Bedeutung, 
und  zwar  für  ein  incompressibles  flüssiges  Medium,  beizulegen. 

Die  Bedeutung  der  für  das  Molecül  charakteristischen 
Constante  m  ergibt  sich  aus  der  Berechnung  der  an  der 
Oberfläche  des  Molecüls  nach  unserer  Hypothese  stattfinden- 
den Spannungen.  Der  Druck,  welcher  auf  ein  Flächen- 
element ausgeübt  wird,  das  im  Punkte  xyz  normal  zur 
X-Axe  der  Coordinaten  liegt,  habe  die  Componenten  Xx  Yx  Zx, 
und  analoge  Bedeutung  mögen  die  mit  yz  und  n  indicirten 
Kraftcomponenten  haben,  wobei  n  eine  beliebige  Richtung 
bezeichnet.  Dann  ist,  wenn  die  Dichtigkeit  des  elastischen 
Mediums  im  Punkte  xyz,  E=  uc2  seine  Elasticitätsconstante 
bezeichnet,  allgemein: 


1)  Web  er 's  Ausgabe  der  Werke,  p.  502.  Vgl.  auch  eine  Bemer- 
kung des  Verf.  dazu  in  der  Ztschr.  f  Math.  u.  Phys.  23,  p.  261.  1878. 


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160  G.  Helm. 

also  in  unserem  Falle,  wo  die  Verrückungen  uvw  ein  Poten- 
tial (p  besitzen: 

X.  =  -  2E{  g  +  C,-r^},  Y.  =  Z,=  -Ufa, 

my,  -  -  % + ^  ^ },  *  -  *  -  -«a 

Z2  =  -  2*  j  ß  +  £^  J9  },Xy=Yx=-  2E^ 

Daraus  folgt  wegen  A<p  =  0, 

A'n  =  -Yx  cos  xn  -f  A'j,  cos  y n  +      cos  zw  =  —  2  ^ 

und  analog:    n  —  M^g, 

Wäre  nur  ein  Molecül  vorhanden,  hätten  die  Aetherver- 
rückungen  also  das  Potential  <p  =  m/r,  so  würde  das  Ober- 
flächenelement des  kugelförmig  gedachten  Molecüls,  dessen 
Radius  a  heisse,  den  Normaldruck  erleiden: 

N=4-^£,  woraus  folgt: 

(10)  ro=^T-- 

Die  Hypothese,  dass  das  Verschiebungspotential  cp  existire, 
ist  also  gleichbedeutend  mit  der,  dass  jedes  Molecül  eine 
Aetherspannung  an  seiner  Oberfläche  erzeugt.  Die  Con- 
stante  m  ist  dem  Verhältniss  dieser  dem  Molecül  eigenth 
liehen  Spannung  zur  Elasticitätsconstante  des  Aethers  und 
ausserdem  dem  Volumen  des  Molecüls  proportional. 

Da  wir  das  Molecül  als  ein  Gebiet  flüssigen  Aethers 
auffassen,  so  muss  in  ihm  der  Druck  constant  sein,  wenn 
im  Innern  Gleichgewicht  herrschen  soll.  Nehmen  wir  an, 
dass  der  innere  Druck  immer  gleich  dem  eben  berechneten 
N  sei,  so  wird  sich  ein  Gleichgewichtszustand  im  Molecül 
wie  im  äusseren  Aether  herstellen,  falls  nur  ein  Molecül  vor- 
handen ist.  Treten  noch  andere  Molecüle  hinzu,  so  ist  der 
innere  Druck  N  nicht  mehr  im  Stande,  dem  äusseren  Aether- 
drucke  das  Gleichgewicht  zu  halten,  es  wird  also  Aether  in 
das  Molecül  ein-  und  aus  ihm  heraustreten.  Die  dabei 
auftretenden  Aenderungen  in  der  Dichtigkeit  des  flüssigen 
Aethers  dürfen  vernachlässigt  werden,  wenn  der  Radius  des 


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G.  Helm. 


161 


Molecüls  gegen  den  Abstand  der  Molecüle  vernachlässigt 
werden  kann.  Ist  dies  nicht  zulässig,  wie  bei  molecularen 
Vorgängen,  so  muss  der  Einfluss  dieser  Dichtigkeitsverände- 
rungen berücksichtigt  werden,  und  ich  werde  weiter  unten 
zeigen,  dass  sich  solche  Störungen  als  electrische  Erschei- 
nungen äussern  müssen.  Keineswegs  kann  der  Druck,  wel- 
cher an  der  Oberfläche  des  Molecüls  wirkt,  dasselbe  wie 
eine  beschleunigende  Kraft  bewegen;  man  erinnere  sich  der 
in  Abschnitt  1  vorausgeschickten  Grundlage  unserer  Ent- 
wickelungen:  den  Aether  bewegen,  der  ein  Molecül  momen- 
tan constituirt,  heisst  nicht  noth wendig  das  Molecül  bewegen. 

Zu  der  beschleunigenden  Kraft  führt  uns  vielmehr  — 
dem  in  Abschnitt  2  dargelegten  Plane  zufolge  —  eine  be- 
sondere Receptionshypothese.  Man  muss  annehmen,  das 
Molecül  verhalte  sich  wie  ein  materieller  Punkt,  welcher 
von  einer  Kraft  erfasst  wird,  die  von  den  Verschiebungen 
des  Aethers,  der  das  betrachtete  Molecül  umgibt,  ab- 
hängt, nämlich,  dass  die  Componenten  der  beschleunigenden 
Kraft  seien: 

11)  X=  m\     2,  ]  =  mJ.  -  f  ,  Z=  mJ.  -a, 

wo  die  Integrationen  über  die  Oberflächenelemente  ds  des 

Molecüls  zu  erstrecken  sind.    Die  Werte  uvw  bestehen  je 

aus  zwei  Antheilen:  einem  von  dem  betrachteten  Molecül 

selbst  herrührenden,  der  bei  der  Integration  verschwindet, 

und  einem  von  allen  übrigen  Molecülen  veranlassten: 

d  ^  m      d  ^  m      d  m 
BxZa  r  9  ÖyZr  >  özZ  r  9 

wo  die  Summation  über  alle  Molecüle,  das  betrachtete  aus- 
geschlossen, zu  erstrecken  ist.  Diese  Antheile  sind  für  alle 
Oberflächenelemente  des  betrachteten  Molecüls  constant, 
-  wenn  der  Radius  des  Molecüls  klein  ist  gegen  den  Abstand 
der  Molecüle.    Unter  dieser  Voraussetzung  wird: 

d.  h.  die  beschleunigende  Kraft  ist  die  Gravitation. 

IV.  Der  Magnetismus.  Unserer  Auffassung  der 
Fernewirkungen  fügt  sich  die  MaxwelFsehe  Behandlung  des 

Ann.  d.  Pbyii.  u.  Chem.  N.  F.  XIV.  11 


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162 


G.  Helm 


Magnetismus  naturgemäss  ein.  Am  Eingange  des  vorigen 
Abschnitts  wurde  bereits  darauf  hingewiesen,  dass  den 
elastischen  Differentialgleichungen  noch  durch  eine  zweite 
allgemeine  Lösung  genügt  wird.  Indem  wir  wieder  wie  dort 
Schwingungen  unberücksichtigt  lassen  und  lediglich  die  mit 
den  Gleichgewichtsbedingungen  des  Aethers  vereinbaren 
Verrückungen  uvw  behandeln,  setzen  wir  unter  Beibehaltung 
der  früheren  Bezeichnungen: 


,  dA 


er 


2^[(-ö^-(-i)|f](^=o, 

dB      dA      X  1  \r        t-\SB     ,         <6A]      .  „  „ 
du  .  dv  .  dtc  A 

Hierdurch  werden  die  Gleichgewichtsbedingungen  erfüllt: 

o — 


(2) 


0  =  c*Jw  +  (C2-c*)^, 
0  =  e»Jt>+ (C'-c*)  J?, 


Es  bedeutet  r  =  V(.r  -  £)«  +  (y  -  >?)2  +  (s  -  £)2  den  Ab- 
stand des  Aethertheilchens  im  Orte  xyz  von  einem  Molecül. 
dessen  Centrum  die  Coordinaten  besitzt.  Die  Summation 
J£  erstreckt  sich  über  alle  Molecüle.  Wir  genügen  den  Be- 
dingungen für  die  Functionen  ABT,  wenn  wir  setzen: 

(1»)  J=-22~,B=-*2°'rß>  r=-22'y, 

wo  aßy  die  Richtungscosinus  einer  Linie  N  bedeuten,  die 
wir  uns  durch  den  Mittelpunkt  des  Molecüls  gezogen 
denken,  und  deren  Richtung  für  das  Molecül  ebenso  eine 
charakteristische  Constante  ist,  wie  die  Grösse  ro  oder  die 
früher  eingeführte  Zahl  m.    Nun  ist: 

«-22£[(y-t»)r-(»-Ö/S]. 


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G.  Helm. 


163 


ei 

BNT 


Befindet  sich  nur  ein  Molecül  im  Räume,  so  reduciren  sich 
diese  Summen  auf  je  ein  Glied,  und  es  gelten  die  Beziehungen: 

M  d\  {«(*-  B  +  V(1J-  V)+W(Z-  L)  =  0, 

K   '  \ua         +  vß         +wy         =  0, 

d.  h.  die  Verschiebungen  u  v  w  stehen  senkrecht  zu  r  und  zu 
der  charakteristischen  Richtung  2VJ  sie  können  also  betrachtet 
werden  als  hervorgegangen  .  durch  eine  unendlich  kleine 
Rotation  des  Aethers  um  die  Axe  Nf  wobei  freilich  die 
Winkelbewegung  2  co/r3  für  Theile  in  verschiedenem  Abstände 
r  vom  Molecül  eine  verschiedene  ist,  nämlich  umgekehrt  pro- 
portional der  dritten  Potenz  des  Abstands.  Sind  beliebig 
viele  Molecüle  im  Räume  vorhanden,  so  erleidet  jedes  Aether- 
theilchen  eine  Rotation,  deren  Componenten  sind: 

t  t(d«   dv\   ,  b  (ba   dB  ajrt  j A  s  USA. 

*~2Vdy  '  "  dz)-*dx\dx+  8y  +  dz)  dx^dy 
i      .(du      dw\     .d(dA,dB,df\     VAU  d^d(o 

\ö*  "  dy)~~*dz  \dx  ^  dy  ^  dz)  ~  "    dz^dN  r 

Die  Rotation  w  selbst,  die  das  Aethertheilchen  erleidet,  hat 
daher,  wenn  ihre  Axe  die  Richtung  iV'  hat,  die  Grösse: 

Die  physikalische  Bedeutung  der  Constanten  w  und  N 
erhellt,  wenn  man  die  Kräfte  aufsucht,  welche  an  der  Ober- 
fläche eines  Molecüls  ausgeübt  werden,  das  sich  allein  im 
Räume  befindet.  Man  findet  durch  eine  Rechnung,  die  ana- 
log der  im  vorigen  Abschnitt  ausgeführten  verläuft,  unter 
Beibehaltung  der  dortigen  Zeichen: 

Xn  =  GE-^(y  cos  (yn)  —  ß  cos  (#»)), 
(4)  j  Yn  =  6  E-^     cos  (z  n)  —  y  cos  (.r  it)J , 

Zn  —  6  E^(ß  cos  (xn)  —  a  cos (y  n)) , 

als  Componenten  der  auf  das  Oberflächenelement  des  Mole- 
cüls, dessen  Normale  n  heisst,  ausgeübten  Kraft.  Wie  man 
sieht,  ist  dies  eine  Schubkraft,  parallel  zum  Oberflächen- 


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164 


G.  Helm. 


element,  senkrecht  zur  Axe  N  gerichtet.  Nennt  man  S 
die  Grösse  des  Schubes,  der  in  grösster  Entfernung  von  der 
Axe,  am  Aequator  der  Molecülkugel  stattfindet,  so  ergibt  sich: 

(5)  S_6£f,«-44. 

Die  Constante  cd  ist  daher  proportional  dem  Verhältniss  der 
grössten  Schubkraft,  welche  an  der  JVlolecüloberfläche  wirkt, 
zur  Elasticitätsconstante  des  Aethers  und  proportional  dem 
Volumen  des  Molecüls.  Die  Richtung  N  ist  die  Richtung 
der  Axe,  um  welche  die  Schubkräfte  zu  drehen  streben. 

Wenn  es  also  Molecüle  gibt,  welche  Schubkräfte  dieser 
Art  auf  den  umgebenden  Aether  ausüben,  so  wird  der  durch 
die  Gleichungen  (1)  charakterisirte  Zustand  des  Aethers  ein- 
treten. Solche  Molecüle  heissen  magnetische,  die  Aether- 
umgebung  ein  Magnetfeld.  Man  braucht  noch  nicht  näher 
auf  die  Mechanik  des  flüssigen  Aethers  in  den  Molecülen 
einzugehen,  um  zu  erkennen,  dass  in  einem  magnetischen 
Molecül  ein  Wirbel  um  die  Axe  N  existiren  muss,  dessen 
Bewegung  durch  innere,  dem  magnetischen  Molecül  eigen- 
tümliche Kräfte  erhalten  wird,  welche  unzerstörbar  sind, 
wie  die  Gravitationsspannungen,  die  allen  Molecülen  eigen- 
tümlich sind.  Durch  Reibung  an  der  Molecüloberfläche 
erzeugt  die  Rotation  im  Innern  des  Molecüls  jene  Schub- 
spannungen im  Aether.  Umgekehrt,  wo  der  Aether  in  den 
dadurch  hervorgerufenen  Zustand  versetzt  ist,  wird  durch 
dieselbe  Reibung  eine  Rotation  im  Innern  eines  zweiten 
Molecüls  hervorgerufen,  dasselbe  wird  diamagnetisch,  sein 
Aether  wirbelt  nämlich  um  eine  der  Axe  des  magnetischen 
Molecüls  entgegengesetzt  parallele  so,  dass  an  der  Molecül- 
oberfläche seine  Winkelgeschwindigkeit  proportional  dem 
oben  berechneten  cd'  ist.  Der  Proportionalitätsfactor  hängt 
von  der  Grösse  der  reibenden  Kraft  an  beiden  Molecülen  ab. 

Es  erübrigt  noch,  die  ponderomotorische  Kraft  festzu- 
stellen, welche  zwischen  magnetischen  oder  diamagnetischen 
Molecülen  wirksam  ist.  Man  muss  annehmen,  dass  sich 
zwei  derselben,  deren  Constanten  coN,  bez.  cd' N'  sind,  ver- 
halten wie  materielle  Punkte,  zwischen  welchen  eine  beschleu- 
nigende Kraft  wirkt,  deren  Potential  proportional  ist  mit: 


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G.  Helm. 


165 


(6) 


8^ 
BN 


BN  r 


ö  io 


8 

dN 


BN  r 


Man  erkennt,  wie  die  eben  dargelegte  Auffassungsweise 
der  magnetischen  Erscheinungen  durchaus  auf  dem  Boden 
der  Weber  -Ampere'schen  Hypothese  über  den  Magnetismus 
und  Diamagnetismus  steht.  An  Stelle  der  Molecularströme 
treten  Wirbel  in  den  flüssigen  Molecülen,  Wirbel  von  unver- 
änderlicher Rotationsgeschwindigkeit  an  Stelle  der  Ströme  in 
magnetischen  Molecülen,  dagegen  an  Stelle  der  Inductions- 
ströme  diamagnetischer  Molecüle  Wirbel,  welche  durch  die 
Schubspannungen  des  umgebenden  Aethers  hervorgerufen  sind. 

V.  Leiter  und  Dielectrica.  Die  electrische 
Strömung.  —  Nach  der  im  ersten  Abschnitt  entwickelten 
Hypothese  ist  jeder  physische  Körper  ein  Aggregat  von 
Molecülen  aus  flüssigem  Aether,  welche  in  festen  Aether 
eingelagert  sind,  dessen  Eigenschaften  von  jenen  Molecülen 
mitbedingt  werden.  Die  Fortpflanzung  der  Energie  durch 
ein  solches  Aggregat  hindurch  wird  daher  von  der  Fort- 
pflanzung im  festen  Aether  und  von  der  Fortpflanzung  in 
den  flüssigen  Theilen  bedingt  sein.  Dabei  sind  zwei  Grenz- 
fälle denkbar.  Es  kann  erstens  der  Einfluss  der  flüssigen 
Theile  verschwindend  klein  sein  gegen  den  des  festen 
Aethers,  was  man  sich  dadurch  anschaulich  machen  kann, 
dass  man  sich  die  Zwischenräume  zwischen  den  Molecülen 
sehr  gross  denkt  gegenüber  den  Dimensionen  derselben.  Ein 
solcher  Körper  wird  z.  B.  Licht  nur  unmerklich  absorbiren. 
Wir  nennen  ihn  ein  Dielectricum.  Es  kann  zweitens  der 
Einfluss  der  festen  Theile  auf  die  Energiefortpflanzung  ver- 
schwindend klein  sein,  was  man  sich  etwa  so  vorstellen 
könnte,  dass  die  flüssigen  Aethergebiete  zu  grösseren  Com- 
plexen  zusammenhängen,  nicht  jedes  flüssige  Gebiet  rings 
von  festem  Aether,  sondern  umgekehrt  die  festen  Stellen 
rings  von  Verflüssigungsgebieten  umgeben  sind.  Einen  solchen 
Körper  nennen  wir  einen  Leiter.  In  ihm  wird  sich  der 
Einfluss  des  festen  Aethers  auf  die  Energiefortpflanzung  nur 
dadurch  geltend  machen,  dass  er  die  im  flüssigen  Aether 
stattfindenden  Bewegungen  an  den  Grenzflächen  reibungs- 
artig beeinflusst.  Der  flüssige  Aether  wird  sich  daher  nahe- 


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166 


G.  Helm. 


zu  wie  eine  Flüssigkeit  mit  innerer  Keibung  bewegen,  da  ja 
solche  Grenzflächen,  an  denen  sich  Reibung  äussert,  den 
ganzen  Körper  durchsetzen.  Helmholtz  hat  in  der  That 
gezeigt,1)  dass  die  ßewegungsgleichungen  des  reibenden 
Gases  mit  denen  der  Electricität  in  Leitern  übereinstimmen. 

Hier  ist  nun  der  Ort,  wo  die  Reibung,  welche  zwischen 
dem  flüssigen  Aether  des  Molecüls  und  dem  äusseren  festen 
Aether  an  der  Grenzfläche  stattfindet,  definirt  werden  muss. 
So  lange  der  innere  Aether  an  einem  Element  der  Grenz- 
fläche ruht  oder  mit  constanter  Geschwindigkeit  sich  be- 
wegt, wird  offenbar  auch  der  äussere  Aether  in  der  Gleich- 
gewichtslage sein  oder  um  ein  constantes  Stück  aus  der- 
selben verschoben.  Aendert  sich  aber  die  innere  Strömung, 
so  verschiebt  sich  der  äussere  Aether  aus  seiner  bisherigen 
Lage.  Sind  daher  XYZ  die  Componenten  der  auf  den 
äusseren  Aether  ausgeübten  Kraft,  Ar/  Y'  Z'  die  Componenten 
der  Kraft,  welcher  der  benachbarte  flüssige  Aether  unter- 
liegt, so  wird  es  am  einfachsten  sein,  anzunehmen,  dass 
die  letzteren  Componenten  den  Aenderungen,  welche  die 
ersteren  im  Zeitelement  erleiden,  proportional  sind,  was 
unter  der  Annahme  kleiner  Geschwindigkeiten  ausgedrückt 
wird  durch: 

n.  y»      k  BJC    y*       x  d  Y  x  BZ 

W  *   -T~nTt>   1    -  An   dt  '   *  ~  An  dt' 

Freilich,  wenn  man  nur  ein  Grenzelement  betrachtet,  so 
dürfte  man,  an  der  Analogie  mit  der  Reibung  festhaltend, 
nur  die  dem  Element  parallelen  Componenten  der  gesamm- 
ten  beiderseitig  wirkenden  Kräfte  in  solcher  Weise  einander 
proportional  setzen.  Aber  man  erwäge,  dass  es  sich  um 
Uebertragung  in  einem  Conglomerat  flüssiger  und  fester 
Bestandtheile  handelt,  welches  auf  sehr  kleinem  Räume 
Grenzflächenelemente  in  allen  denkbaren  Stellungen  enthält, 
auf  so  kleinem  Räume,  dass  sich  die  darin  wirkenden  Kräfte 
nicht  merklich  unterscheiden.  Dieselbe  Erwägung  berechtigt 
auch   dazu,   sich  die  Energieübertragung  durch  Reibung 


1)  Crelle's  Journ.  72,  p.  1.  1870.  Referat  in  G.  Wiedeinann, 
Galvanismus  II,  2. 


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(2) 


G.  Helm.  167 

überall,  stetig,  stattfindend  zu  denken.     Heisst  nun  die 
Dichtigkeit  des  äusseren  festen  Aethers  ju,  so  ist: 

X=ti6£  =  u(C'-c*)*±  +  c>nJ«! 

A  n  '   x  '  dx  dt      4  7i     '       dt  1 

und  in  analoger  Weise  ergeben  sich  1"  und  Z'.  Die  Differential- 
gleichungen für  die  Bewegung  einer  Flüssigkeit  lauten  aber: 

du  dp    .    v,     /  dv  dp    .    v     ,dw  dp    .  7< 

rfu'  .     ,  (du.   dv',  dw\      n      ,      ^r*  / 

£  +  "  W*  +  57  +  57 j  =  °»  ?  =  crV> 

wo  j^'  die  Dichtigkeit  im  Punkte  xyz^  u  vw  die  dort  herr- 
schenden Geschwindigkeitscomponenten,  p  der  daselbst  aus- 
geübte Druck,  X'  Y'  Z'  die  Componenten  der  dort  angreifen- 
den äusseren  Kräfte,  endlich  C  die  Fortpflanzungsgeschwin- 
digkeit longitudinaler  Wellen  bezeichnen.  Es  folgt  daher 
für  den  inneren  flüssigen  Aether: 

*   dt  -       dx^An"^        C  *  dx  dt^  4n"°  *  dt1 
,dv  dp    .     x      /r,2       t\  d  da       x        ,  A  du 

,<£  =  _ 3p'    *    (C, _ c2)  a  sc    »  [SJ|». 

d£  9«       An  1   v  7  9«  dt       An'  dt 

Diese  Gleichungen  gehen  über  in  die  des  reibenden  Gases,  wenn : 

9u        /    dv       /    dw        ,  r  i  i.  i   dir  > 
W  dt=U>  Tt     V  '  97  *  "  folSllch  97  =  * 

gesetzt  wird.  Wir  raachen  diese  Substitutionen,  d.  h.  wir  neh- 
men an,  dass  die  Geschwindigkeiten  in  den  festen  und  flüssigen 
Körperelementen  unmerklich  verschieden  sind.  Sie  sind  da- 
her auch  durchgehends  so  klein,  dass  djdt  mit  djdt  ver- 
tauscht werden  darf,  weil  dies  für  die  Bewegungsgleichungen 
des  festen  Aethers  Voraussetzung  ist.    Wir  setzen  also: 

X'=^u(^~c^  +  ^uc^u', 


(3) 


(5) 


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168  G.  Helm. 

und  haben  die  Gleichungen  (2)  für  diese  Werthe  von 
X'Y' Z'  zu  erfüllen.  Zu  der  Lösung,  die  den  electrischen 
Phänomenen  entspricht,  gelangen  wir,  indem  wir  statt  der 
Grössen  X' Y' Z' p  neue,  ihnen  proportionale  Functionen 
einführen: 

(6)  tr=  --x\,  v  =  -  y'2,  w  — ,  9=  4  A%, 

wo  ft0'  einen  Specialwerth  der  wenig  veränderlichen  Dichtig- 
keit     des  flüssigen  Aethers  bezeichnet,  und  nun  setzen: 

C2-c2 


(?) 


M    =  — 


t?    =  — 


tt?    =  — 


4nC*    dxj    r   dt  atl~j~  J  r 
C2-  c2   6    C  l  dq>   ,4    ,    f  F' 

c2-ca  e  r  \  dcf  ,4  ,  cw 


4n  C2  d* 

wo  die  Integrationen  über  den  leitererfüllten  Raum,  dessen 
Element  c?r2  heisse,  zu  erstrecken  sind.  Diese  Werthe  von 
u  v  w  erfüllen  zunächst  die  Gleichungen,  die  man  durch 
Substitution  von  (6)  in  (5)  erhält,  da  unter  der  oben  ge- 
machten Annahme  über  die  Kleinheit  der  Veränderungen 
aller  Geschwindigkeiten,  also  auch  der  Dichtigkeit  und  des 
Drucks  im  flüssigen  Aether: 

(&\  '-du'     —     **L        L^JL        LLiiL        iL  iL 

W  0  "  dx  +  dy  +  dz  ~     fi'  dt  ~     fi0'  dt  ~     p0'  dt  -     C*  dt 

gesetzt  werden  darf,  wo  pQ'  der  zur  Dichtigkeit  w0'  gehörige 
besondere  Werth  des  Druckes  ist,  also  nach  (2)  p0'  =  C2f*d' 
Durch  die  Substitutionen  (6)  gehen  aber  die  Gleichun- 
gen (2)  über  in  die  Gleichungen  der  electrischen  Strömung: 


Lrr_.       fo'C'»**       £L  du 
XU  ^C2    dx      |uc2  dt 


(9) 


y  fji0'C'2  djp       fi'  dV    ött'     <h/     dta'         c2  djp 

v  -  -  — C2-  ~dy    ~  ^lÄ'  Ihc^lllj  +  dz  ~~  C*  dt1 


fi  C2  ö«  /**2  dt 
die  in  der  gewöhnlichen  Form  erscheinen,  wenn  (i  =  p0, 
C=  C  ist.  Wir  haben  nur  x,  den  Coefficienten,  von  dem 
die  Energieübertragung  zwischen  festem  und  flüssigem  Aether 
abhängt,  den  specifischen  Leitungswiderstand  zu  nennen. 


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G.  Helm. 


169 


sowie  die  den  übertragenen  Kräften  proportionalen  Grössen 
U  V  W  als  die  Strömungscomponenten  aufzufassen. 

Die  Geschwindigkeitscomponenten  u'v'w'  des  Aethers 
sind  dann  die  Componenten  des  electrodynamischen  Poten- 
tials, wie  die  Gleichungen  (7)  lehren,  deren  erste  Glieder 
rechts  bei  der  Integration  über  geschlossene  Ströme  ver- 
schwinden. Dass  auch  die  dem  Drucke  p'  proportionale 
Function  y>  das  electrostatische  Potential  darstellt,  beweist 
folgende  Rechnung,  die  sich  einer  von  Helmholtz  a.  a.  O. 
ausgeführten  anschliesst.  —  Zufolge  (7)  ist: 

,_  ök     ö*.  dtc  _  C-c>  rfqp     f  I  JT     y,  *7  ,  \  . 

Bx     By      8z        C«      dt  +J  ( U  Bx  +  V    8y  +  n  Bz\  * 

Man  setze       =  —       ein  und  integrire  partiell: 

6  "  -W  dt  +  J  T  [e Gf  +  Wx  +  'a %  I  1 

+  J^T  [*^'  cos  (xi  w)  +      cos  (^i  w)  +  W  cos  (zi  n)]  dsi  i 

wo  die  letzte  Integration  über  die  Leiteroberfläche  erstreckt 

wird,  deren  Elemente  ds  die  innere  Normale  n  haben.  Die 

zunächst  noch  nöthigen  Integrationen  über  eine  kleine  Kugel, 

deren  Centrum  xyz  und  über  die  Kugelfläche  mit  unendlich 

wachsendem  Radius  sind  nach  bekannten  Schlüssen  auf  das 

Resultat  ohne  Einfluss.    Führt  man  -nun  ein: 

de     BU'     BT  BW 
dt  ~  Bx  +  By  +  Bz  ' 

—  jj^P  cos       +  V'  cos  (y  n)  -f  W  cos  (zn) , 

so  findet  man: 

und  diese  Gleichung  ist  nach  (8)  erfüllt,  wenn: 

(11)  <P-fjr*ti+fTdti> 

<jp  ist  also  nach  den  Festsetzungen  über  TT  V'  W  als  elec- 
trostatisches  Potential  zu  bezeichnen,  da  nach  (10)  die  Func- 
tionen e  und  e  electrische  Dichtigkeiten  genannt  werden  müssen. 


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170 


G.  Helm. 


Statt  der  von  Helmholtz  zur  Verallgemeinerung  des 
Ampere'schen  Gesetzes  eingeführten  Constante  k  erscheint 
in  unseren  Gleichungen  c2/  C2,  das  Quadrat  des  Verhältnisses 
der  beiden  Fortpflanzungsgeschwindigkeiten.  Dieselbe  Grösse 
wird  weiter  unten  als  die  Dielectricitätsconstante  1  -f  4nK 
erscheinen,  womit  eine  Aussicht  auf  experimentelle  Prüfung 
der  vorliegenden  Theorie  eröffnet  ist. 

Endlich  ergeben  die  Gleichungen  (9),  falls  fi  =  n0\  C—  C 
angenommen  wird,  als  das  Verhältniss  der  electrostatischen 
zu  den  electrodynamischen  Maasseinheiten  die  Grösse  c2,  das 
Quadrat  der  Lichtgeschwindigkeit.  Das  ist  auch  nach  Max- 
well's  Theorie  der  Fall  und  steht  bekanntlich  mit  Messun- 
gen von  Weber,  Maxwell  und  Thomson  in  guter  Ueber- 
einstimmung. 

Zu  den  Differentialgleichungen  (9)  treten  noch  Grenz- 
bedingungen. Zu  den  von  Helmholtz  a.  a.  0.  benutzten, 
führt  die  Annahme,  dass  an  den  Leiteroberflächen  die  Ver- 
rückungen und  Normaldrucke  stetig  sind,  und  dass  der  Aether 
in  unendlicher  Ferne  ruht. 

Die  oben  eingeführten  Kräfte  XYZX'YZ'  wirken 
auf  die  Aetherelemente ,  beschleunigen  also  nicht  die  Mole- 
cüle.  Die  Kräfte,  welche  auf  die  letzteren  wie  auf  materielle 
Punkte  ausgeübt  werden,  äussern  sich  als  Wärme  und  pon- 
deromotorische  electrodynamische  Wirkung.  Ob  sie  sich  aus 
jenen  auf  die  Aetherelemente  ausgeübten  Kräften  mittelst 
eines  allgemeinen  Princips  herleiten  lassen,  bleibt  auch  hier 
eine  offene  Frage.    Wir  stellen  nur  hypothetisch  fest,  dass: 

die  pro  Zeit-  und  Volumenelement  entwickelte  Wärme  ist, 
und  dass  die  electrodynamische  Wirkung  das  Potential  besitzt: 

/ f  t  (*V  u;  +  v;  v;+  w;     dt,  dt,. 

VI.  Der  dielectrische  Zustand.  —  Jede  Störung 
des  Druckes  in  dem  flüssigen  Aether  der  Molecüle  veran- 
lasst Strömungen  dieses  flüssigen  Aethers,  die  sich  durch 
Reibung  auf  den  umgebenden  festen  Aether  übertragen, 
d.  h.  mit  anderen  Worten,  jede  electrische  Strömung  erzeugt 
Schwingungen  im  festen  Aether.  In  den  Dielectrica  brauchen 


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G.  Helm 


171 


nur  diese  Schwingungen  berücksichtigt  zu  werden,  nicht  die 
gleichzeitig  auftretenden  Strömungen  in  den  Molecülen.  Durch 
die  Dielectrica  werden  sich  also  Transversal-  und  Longitu- 
dinalwellen  fortpflanzen.  Hat  die  electrische  Strömung  zu 
einem  Gleichgewichtszustande  des  flüssigen  Aethers  geführt, 
haben  sich  also  die  Druckdifferenzen  ausgeglichen,  so  hört 
auch  diese  Wellenbewegung  auf,  und  der  feste  Aether  be- 
findet sich  auch  in  einem  gewissen  Gleichgewichtszustande. 
Das  ist  sein  electrostatischer  Zustand.  Den  Differential- 
gleichungen  für  das  Gleichgewicht  des  festen  elastischen 
Körpers: 


1) 


c2Jw  +  (C2-c2)^  =  0,  .       ,  . 

*  a     ,  trtw       2*ö<r      r,  ~~  s*  dz 

c2Jv  +  (C2-c2)^-  =  0, 

/  J<X=0, 

c9Jm?  +  (C2-c2)^  =  0, 


wird  genügt  durch  die  Annahme: 

c*     dx1  47ic2  J  r  dt  1 

,  C*-c2  da  C8-c2  f  1  da  , 

(2)     {  z/t,  =  -  — ^ ,       *  =  -  4n  c,  J  T  -ö-  dt,  +  v0, 

A  C*-c*da  C*-e2  fl  da  ,  . 

wo  die  Integration  über  den  ganzen,  mit  festem  Aether  er- 
füllten Raum  zu  erstrecken  ist,  dessen  Element  dr1  heisst, 
und  wieder  r  =  V(.r  —  |)a  (y  —  *y)2  +  (z  —  £)2  den  Abstand 
dieses  Elementes  rfxj  im  Punkt  von  dem  Punkte  xyz 
bezeichnet,  in  welchen  die  Verrückung  u  v  w  entsteht.  u0v0w0 
bedeuten  Functionen,  die  im  Integrationsraume  den  Bedin- 
gungen genügen: 

(2b)  ^«o  =  0>     ^o  =  °>  Jtc0=0. 

Ueber  diese  Functionen  muss  nun  so  verfügt  werden, 
dass  der  Ausdruck  dujdx  +  dv/dy  +  dw/dz,  gebildet  aus 
den  Gleichungen  (2),  den  Werth  a  annimmt.    Setzt  man: 

n  \  dua       dt'*    ,   ötr0  .  j 

M     •  °o  =  eF  +  Ty 7  +      •  80  Wlrd : 


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172  G.  Helm. 


$1      öl  e± 

du  ,  dv  ,  dw      C2— c8  /  |    r  8a  ,      r  da  ,      r  da 


öl 


c*  _  cs  r  1  ca  —  c8  r  1  da 

47tc*  J  r  1        4rrc8  J  r  on  ü 

zufolge  des  Green'schen  Satzes.  Hier  ist  die  zweite  Inte- 
gration über  alle  Elemente  ds  der  Grenzfläche  des  festen 
Aethers,  also  über  alle  Leiteroberflächenelemente  zu  führen. 
Die  nach  aussen  gerichtete  Normale  der  letzteren  heisst  n. 
Bei  dieser  Anwendung  des  Green'schen  Satzes  ist  zunächst 
eine  kleine  um  xyz  beschriebene  Kugel  vom  Integrations- 
raume  auszuschliessen ;  eine  bekannte  Schlussweise  zeigt, 
dass  das  Eesultat  dadurch  nicht  beeinflusst  wird.  Die  Inte- 
gration über  die  Kugelfläche  mit  unendlich  wachsendem  Ka- 
dius  R  kann  ebenfalls  unterdrückt  werden,  wenn  dajdn 
stärker  als  1  \R  gegen  die  Null  convergirt.  Da  nun  im 
äthererfüllten  Räume  A  a  —  0  sein  muss,  wenn  Gleichgewicht 
bestehen  soll,  so  fragt  es  sich,  ob  (t0  so  gewählt  werden 
kann,  dass: 

/on  C*-c8  f  l  da  ,  . 

Das  erste  Glied  der  rechten  Seite  ist  ein  Flächenpoten- 
tial, und  zwar  ein  Potential  der  Leiteroberflächen.  Der 
Sprung,  den  dajdn  an  diesen  Flächen  erleidet,  ist  dajdn 
selbst,  denn  im  Innern  der  Leiter  kann  Gleichgewicht  nur 
herrschen,  wenn  dort  a  constant,  also  die  Ableitung  nach 
der  inneren  Normale  gleich  Null  ist.   Somit  ist: 

(4)  -r-f1^*-*» 

x  '  4rcJ  r  dn 

und  Gleichung  (3)  wird: 

Wir  wollen  noch  definiren: 

/z>\  a  Ba  a  daQ 

(6)  -4*e  =  ^,  _4*eo=^> 


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G.  Helm.  173 

wodurch  wir  erhalten: 

(6b)  a  =  Jy  ds,       <tq  =f?±ds,        e  =  £%e0. 

Die  Function  a0  hat  sämmtliche  Eigenschaften  des  elec- 
trostatischen  Potentials,  welchem  also  in  unserer  Theorie  die 
Dilatation  des  Aethers  proportional  ist.  DerProportionalitäts- 
factor  ist  als  die  sogenannte  Dielectricitätsconstante  anzusehen : 

(7)  £t«l  +  4*jr;  4nK=-^~/. 

In  Medien,  in  welchen  C=  c  ist,  würde  eine  dielectrische 
Polarisation  nicht  stattfinden. 

Die  Gleichungen  für  das  dielectrische  Moment  erhalten 
wir,  wenn  wir  dessen  Componenten  UVW  definiren  durch: 

u  =  J^.dr1+  ?/0,  Jmo  =  0, 
v  =  J^y  drx  +  y0 ,       A  u0  =  0 , 

/W 
—  dti+WQ,        Aw0  =  Q. 

Denn  dann  wird  mit  Benutzung  von  (2),  (5)  und  (6): 

Um,        *  fi. 4l  =  ff*  ds, 

4itc'  dxj  r  4n  C*  axj  r 

„     C2-c»  d  Ce    ,       C'-c1  8  C e,  , 
F  -  1^  lg  J  T  tls  =  ~in C»-  älJ  r  rf*> 

Der  hier  auftretende  Factor  (C2  —  c2)/4^Ca  ist  nach  (7) 
gleich  -  K. 

Die  Grössen  e  und  e0  lassen  sich  noch  durch  die  di- 
electrischen  Momente  ausdrücken,  welche  an  den  Leiterober- 
flächen vorhanden  sind: 

e=  -  ~  2^  =  -         ( *7cos  (xn)  +  Kcosty  n)  +  fTcoB(zn)), 

(10)1  *  C 

e0  =  —  jjr—%  ( C/cos  (.r  n)  -f  Fcos  (yw)  -f  fVcos  (zn)) . 

So  lange  der  electrische  Gleichgewichtszustand  nicht 
eingetreten  ist,  gelten  für  den  Aether  der  Dielectrica  die 
elastischen  Differentialgleichungen,  welche,  wenn  man  durch 


f 

Au  = 

(8)  ■ 

A  v  = 

Ate  = 

(9) 


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174  G.  Hehn. 

die  Gleichungen  (8)  das  dieleetrische  Moment  einführt,  die 
Maxwell'sche  Form  annehmen: 


(11) 


.    rr      C3-c26(T      1    d-u  .     „ö<r0       1  ö5« 

A  Cl-c*da       1    ö3tc  -  _  ^  9tr0  1 

e2    o:      e2   ör  oz       e%  ot- 


Die  hier  entwickelte  Theorie  der  Dielectrica  schliesst 
sich  den  von  Faraday  herrührenden  und  von  Maxwell 
mathematisch  durchgeführten  Vorstellungen  an.  Sie  bietet 
eine  sehr  durchsichtige  Auffassung  der  Uebertragung  elec- 
trischer  Energie.  Ein  electrisch  geladener  Körper  ist  ein 
solcher,  der  das  umgehende  Medium  in  einen  Zustand  der 
Spannung  versetzt.  Ist  der  Körper  nicht  gleichzeitig  durch- 
strömt, so  geht  überhaupt  nichts  in  ihm  vor,  der  electro- 
statische  Vorgang  findet  (wie  .  besonders  Maxwell  scharf 
hervorhebt)  im  wesentlichen  nur  im  Dielectricum  statt.  Nen- 
nen wir  einen  Körper  positiv  electrisch,  der  das  umgebende 
Medium  verdünnt,  negativ  einen,  der  es  verdichtet.  Die  Ver- 
dünnung (bez.  Verdichtung)  <t  ist  der  Entfernung  r  vom 
Leiter  umgekehrt  proportional  und  direct  proportional  dem 
„Gefälle"  an  der  Leiteroberfläche,  d.  h.  dem  Differential- 
quotienten =  —\jAn*dajdn.  Dieses  Gefälle  stellt  die  elec- 
trische  Dichtigkeit,  die  Verdünnung  das  electrische  Potential 
dar.  Ein  positiv  electrischer  Körper  hat  ein  positives  Ge- 
fälle, da  er  den  umgebenden  Aether  verdünnt,  und  diese*  Ver- 
dünnung  nach  dem  Unendlichen  hin  zu  0  abnimmt.  In  der 
Umgebung  eines  solchen  positiven  Körpers  herrscht  also 
überall  positives  Gefälle  in  der  Richtung  vom  Körper  fort, 
negatives  in  der  entgegengesetzten.  Ein  zweiter  Leiter  wird 
daher  an  der  dem  ersten  zugewandten  Seite  negatives,  an  der 
abgewandten  positives  Gefälle  besitzen  und  demgemäss  elec- 
trisch influirt  sein. 

Die  electrische  Anziehung  und  Abstossung  erfordert  die 
Annahme,  dass  an  der  Leiteroberfläche  eine  beschleunigende 
Kraft  auf  die  Molecüle  des  Leiters  wie  auf  materielle  Punkte 
übertragen  wird,  deren  Componenten  sind: 


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G.  Helm.  175 

1  da   der  _       ^  SL  C t±  dg     _L      .  °°  e        f  fl  ([g 

An'dn  dx~       eidxJ~r    Sf   Tn  dn'  dif  ~      *l  dyJ  r  ' 

dv  d_  Cej_j 

Schliesslich  sei  bemerkt,  dass  nach  Formel  (7)  (abwei- 
chend von  dem  Maxwell'schen  Ergebniss)  die  Dielectricitäts- 
constante  l  +  47rÄ"nur  dann  dem  Quadrate  des  Brechungs- 
index proportional  ist,  wenn  in  allen  Medien  die  Fortpflan- 
zungsgeschwindigkeit für  Longitudinalwellen  die  gleiche  ist. 
Ob  dies  der  Fall,  kann  daher  durch  Vergleichung  der 
Diele ctricitätsconstante  und  des  Brechungsindex  experimentell 
entschieden  werden. 


Die  dargelegte  Auffassung  der  Naturerscheinungen  erklärt 
die  sogenannten  Fernewirkungen  durch  eine  Fortpflanzung 
der  Energie  in  demselben  Medium,  in  welchem  sich  die 
Energie  fortpflanzt,  die  wir  als  Licht  und  strahlende  Wärme 
kennen.  Durch  gewisse  transversale  Schwingungen  um  die 
natürliche  Gleichgewichtslage  pflanzt  der  Aether  die  letzt- 
genannten Formen  der  Energie  fort,  während  die  Fernewir- 
kungen bedingt  werden  durch  bleibende  Verrückungen  der 
Aethertheile  in  eine  neue,  die  betreffende  Fernewirkung 
charakterisirende  Gleichgewichtslage.  Der  Uebergang  aus 
einer  Gleichgewichtslage  in  die  andere  wird  durch  Trans- 
versal- und  Longitudinalschwingungen  herbeigeführt. 

In  ihrem  hier  dargelegten  Stadium  ist  unsere  Auffas- 
sungsweise noch  eine  mangelhafte,  sie  ist  nach  zwei  Rich- 
tungen hin  weiterer  Entwickelung  bedürftig.  Die  pondero- 
motorischen  Wirkungen  müssen  auch  nach  obiger  Darlegung 
noch  durch  so  viel  Receptionshypothesen  erklärt  werden,  als 
es  verschiedene  Arten  solcher  Fernewirkungen  gibt.  Auch 
muss  hypothetisch  angenommen  werden,  dass  sich  die  Mole- 
cüle  wie  materielle  Punkte  nach  den  Axiomen  der  Mechanik 
bewegen.  Ein  tieferes  Eindringen  in  die  Mechanik  des 
Aethers  dürfte  eine  Verminderung  der  Anzahl  dieser  Hypo- 
thesen herbeiführen.  Ferner  erübrigt  es,  die  molecularen 
Vorgänge  der  dargelegten  Auffassung  zu  unterwerfen.  Eine 
flüchtige  Betrachtung  einzelner  derselben  lässt  erwarten,  dass 


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176 


A.  Paalzow. 


für  ihre  Erklärung  gerade  die  Mechanik  des  Aet 
von  besonderem  Werthe  erweisen  wird.  Dabei 
eine  Erweiterung  unserer  Principien  nöthig  mache 
noch  radiale  Schwingungen  der  Molecüle,  bei  denen 
Volumen  periodisch  ändert,  heranzuziehen  sind. 

Aber  in  dem  jetzigen  Stadium  bereits  scheinen 
vorgetragenen  Anschauungen  ein  erhebliches  Stück  d 
der  mathematischen  Physik  näher  zu  führen:  alle 
tiven  Unterschiede  der  Materie  auf  Unterschiede 
wegungszustandes  zu  reduciren.    Denn   meine  D 
zeigt,  dass  zur  Erklärung  der  Fernewirkungen  und  d 
lung  nur  die  Annahme  eines  einzigen  Stoffes  (des  Aethe 
derlich  ist,  d.  h.  dass  für  diese  Erscheinungen  alle  Q 
die  man  einem  Stoffe  zuschreiben  kann,  einflusslos  sin 
der  einen,  dass  er  sich  bewegt,  oder  dass  im  Begriff 
nichts  anderes  gedacht  zu  werden  braucht,  als  „das  Bew 


XII.   Bemerkung  zu  der  Abhandlung 
Heber  ein  neues  Volumenometer1) ;  vonA.  Tat 

Herr  Dr.  v.  Baumhauer  schreibt  mir,  dass  er  ii 
Archiv.  Neerland.  III.  p.  385.  1868  ein  Volumenom 
schrieben  habe,  welches  dem  meinigen  identisch  glq| 

Ich  habe  weder  die  Beschreibung  noch  das  Ins 
selbst  gekannt,  finde  auch  in  den  Fortschritten  der 
keinen  Bericht  darüber. 

Herr  Dr.  v.  Baumhauer,  der  mir  jetzt  einen 
seiner  Beschreibung  zusendet,  sagt  von  dem  betreffen 
strument  selbst,  dass  es  dem  von  Regnault  cons 
ähnlich  sei.  Ich  kann  ihm  daher  nur  die  Priorität  i 
auf  die  Anwendung  des  Kautschukschlauches  zuer 
was  ich  hiermit  gern  thue. 

Selbst  wenn  ich  das  Instrument  gekannt  hätte, 
ich  keinen  Anstand  genommen  haben,  auch  das  mi 
dem  Rüdorff'schen  ähnliche,  zu  beschreiben,  da  ich 
quemer  finde,  und  das  schon  vor  Jahren  construirt 
auf  Wunsch  einiger  Collegen,  die  es  sich  angeschafft 
zu  publiciren. 

1)  Paalzow,  Wied.  Ann.  13.  p.  332.  1881. 

Druck  Ton  Metzger  &  Witt  ig  in  Leipzig. 


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iinü  Kid.  10  II  ,Ane.„ 


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. .  *  \  - 


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1881.  A  H  N  A  L  E  N  Jß  10. 

DER  PHYSIK  UND  CHEMIE. 

NEUE  FOLGE.   BAND  XIV. 


I.  Photometrische  Untersuchungen  über  Absorption 
des  Lichtes  in  isotropen  und  anisotropen  Medien; 

von  Carl  Pulfrlch. 

(Auszug  aus  der  Dissertation  nebst  Zusätzen.) 


Die  ältesten  Untersuchungen  über  die  Bestimmung  der 
Lichtabsorption  in  farbigen  Medien  liegen  uns  in  den  Arbei- 
ten von  Beer1)  und  Glan2)  vor.  Dieselben  beschränken 
sich  auf  die  Absorption  des  durch  rothes  Glas  gegangenen 
Lichtes  in  Salzlösungen  von  verschiedener  Concentration. 
Ausserdem  besitzen  wir  von  Bunsen  und  Roscoe3)  Ab- 
sorptionsmessungen an  Lösungen  von  gewöhnlicher  rother 
Tinte  und  endlich  solche  von  Zöllner4)  an  dunkelgrauen, 
aber  durchweg  klaren  Mischungen  verschiedener  Salzlösungen. 
Das  durch  diese  Arbeiten  festgestellte  Absorptionsgesetz, 
dass  das  Licht  bei  seinem  Durchgange  durch  jede  neue 
Schicht  immer  den  gleichvielten  Theil  seiner  Intensität  ver- 
liert, fand  0.  Hagen6)  auch  für  die  Krystalle  bestätigt 

Von  den  neueren  Untersuchungen  verdienen  besonders 
die  werthvollen  und  umfangreichen  Arbeiten  von  Vier  or  dt6) 
genannt  zu  werden;  diese  und  die  Messungen  von  Glan7), 


1)  Beer,  Pogg.  Ann.  86.  p.  78.  1852. 

2)  Glan,  Pogg.  Ann.  .141.  p.  68.  1870. 

3)  Bunsen  u.  Roscoe,  Pogg.  Ann.  101.  p.  247.  1857. 

4)  Zöllner,  Pogg.  Ann.  109.  p.  254.  1860. 

5)  0.  Hagen,  Pogg.  Ami.  106.  p.  331.  1859. 

6)  Vierordt,  „Die  Anwendung  des  Spectralapparates  zur  Messung 
des  farbigen  Lichtes",  Tüb.  1871.  „Die  Anw.  etc.  zur  Photometrie  der 
Absorptionsspectren",  Tüb.  1873.  „Die  Anw.  etc.  in  der  quantitativen 
Analyse",  Tüb.  1876. 

7)  Glan,  Wied.  Ann.  8.  p.  54.  1878. 

Ann.  <L  Phys.  u.  Chem.  N.  F.  XIV.  12 


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178 


C  Pulfrich. 


Gouy,  Trannin,  Govi,  Hüfner  und  Anderen  dehnen  sich 
auf  Licht  von  verschiedener  Wellenlänge  aus. 

In  der  vorliegenden  Arbeit  habe  ich  mir  die  Aufgabe  | 
gestellt,  genaue  Messungen  der  Absorptionscurven  einiger 
farbiger  Medien  auszuführen.  Die  Arbeit  zerfällt  in  vier 
Theile;  im  ersten  gebe  ich  das  angewandte  Beobachtungs- 
verfahren, im  zweiten  und  dritten  die  Ergebnisse  der  Beob- 
achtungen und  werde  mich  endlich  im  vierten  Theile  auf 
einen  Vergleich  der  Ketteler'schen  Dispersionstheorie  mit 
meinen  Beobachtungen  einlassen. 

Die  experimentellen  Untersuchungen  geschahen  in  dem 
hiesigen  Cabinet  unter  der  gütigen  Leitung  und  Beaufsich- 
tigung des  Hrn.  Prof.  Dr.  Ed.  Ketteier,  wofür  ich  ihm 
auch  an  dieser  Stelle  meinen  verbindlichsten  Dank  ausspreche. 

L   Das  Beobachtungsverfahren. 

1)  Die  benutzten  Apparate.  Für  die  Untersuchungen 
standen  mir  die  beiden  Spectrophotometer  von  Vierordt1) 
und  Glan2)  zur  Verfügung,  und  zwar  das  erstere  in  seiner 
einfachsten  ursprünglichen  Gestalt  mit  nur  zwei  beweglichen 
Platten;  das  letztere  ist  von  Schmidt  und  Haensch  in 
Berlin  verfertigt.  Der  Vierordt'sche  Apparat  hat  jedoch  nnr 
in  einem  Falle  Verwendung  gefunden.  Im  Uebrigen  sind  die 
mitgetheilten  Beobachtungen  alle  mit  dem  Glan'schen  Pho- 
tometer angestellt  worden. 

Das  Princip,  auf  welchem  dieser  Apparat  basirt3),  ist 
wie  dessen  Behandlung  hinlänglich  bekannt,  und  bedarf  nur 
das  benutzte  Exemplar  einer  kurzen  Besprechung.  Während 
beim  Vierordt'schen  Photometer  der  Quotient  der  Spalt- 
breiten das  Verhältniss  der  übrig  bleibenden  Lichtmenge  (is) 
zur  ursprünglichen  (=1)  misst4),  wird  bekanntlich  beimGlan'- 
schen  Photometer  ^  gefunden  nach  folgender  Formel: 

1)  a.  a.  0.  Tüb.  1873. 

2)  Glan,  Wied.  Ann.  1.  p.  851.  1877. 

3)  H.  C.  Vogel  hat  (Berl.  Monatsber.  p.  104.  1877)  den  GWschen 
Apparat  mit  einigen  Aenderungcn  zu  astro-physikalischeu  Zwecken  ver- 
wandt. 

4)  Ein  directer  Vergleich  der  beiden  Apparate  ergab  für  geringe  und 
mittlere  Absorptionen  Gleichheit  der  nach  den  verschiedenen  Methoden 


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C.  Pulfrich 


179 


h  =  J  ctSJ"  =  tg2«' .ctg2«, 

wo  a  den  Winkel  bedeutet,  um  den  das  Nicol  bis  zur  Gleich- 
heit der  beiden  Spectren  gedreht  werden  muss,  von  der  Stelle 
aus  gerechnet,  wo  das  ordentliche  Bild  verschwindet.1)  ax  und 
a  sind  zwei  Coefficienten,  welche  die  Schwächung  der  beiden 
Lichtbündel  im  Apparate  selbst  bezeichnen  und  dement- 
sprechend ist  d  der  zur  Erhaltung  gleicher  Helligkeit  nöthige 
Drehungswinkel  bei  gleich  beleuchteten  Spalten. 

Zum  Zwecke  der  Erreichung  einer  möglichst  gleichen 
Beleuchtung  wurde  der  Apparat  zuerst  mittelst  einer  Libelle 
auf  seine  horizontale  Stellung  geprüft  und  dann  die  Licht- 
quelle mit  dem  Spalte  in  gleiche  Höhe  gebracht.  Für  den 
speciellen  Fall,  dass  a^a,  wird  «  =  45°;  und  dieser  Werth 
resultirte  auch  in  den  meisten  Fällen,  a  wurde  vor  und 
nach  einer  jeden  Versuchsreihe  sorgfältig  bestimmt.  Machte 
sich  während  derselben  für  die  als  Lichtquelle  benutzte 
Petroleumflamme  eine  langsame  Aenderung  des  Winkels  d 
bemerkbar,  so  wurde  für  die  intermediären  Punkte  passend 
interpolirt.  —  Es  ergab  sich  ferner  der  Winkel  u  für  alle 
Strahlen  des  Spectrums  gleich.  Nur  im  äussersten  Roth 
(bei  Beginn  der  calorischen  Strahlen)  trat  eine  geringe  Ab- 
weichung ein.  Die  Ursache  dieses  letzteren  Umstandes 
dürfte  wohl  in  einer  ungleichen  Emissionsfähigkeit  der  beiden 
um  die  Breite  des  vorderen  Plättchens  voneinander  abstehen- 
den Flammenpartie en  zu  suchen  sein. 

Es  sei  hier  gleich  bemerkt,  dass  bei  Drehungen  des 
Nicols  sich  eine  Verschiebung2)  des  Spectrums  gegen  die 

bestimmten  Werthe  t.;  für  stärkere  Absorptionen  jedoch  fielen  die  nach 
Vieror dt  gefundenen  L  bedeutend  grösser  aus.  Gerade  da,  wo  das  Vier- 
ordt'sche  Photometer  in  seiner  vorliegenden  Gestalt  seine  Dienste  ver- 
sagte, entwickelte  das  Glan'sche  erst  recht  seine  Leistungsfähigkeit.  — 
Im  Uebrigen  wird  der  Vierordt'sche  Apparat  überall  da  brauchbar  sein, 
wo  die  Ab8orptionscurve  keine  zu  starken  Krümmungen  zeigt. 

1)  Zur  Bestimmung  dieses  Punktes,  welcher  für  das  benutete  Exemplar 
bei  +  0°16'  liegend  gefunden  wurde,  beobachtete  ich  mit  Erfolg  das 
Verschwinden  des  Na-  und  Li-Lichtes.  Dabei  war  die  untere  Hälfte  des 
weit  geöffneten  Doppelspaltes  durch  einen  Schirm  verdeckt 

•2)  Wegen  mangelnden  Parallelismus  der  Endflächen  des  Polarisations- 
prismas; vgl.  Glan,  Pflüger's  Archiv.  24«  p.  320.  1881. 

12* 


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180 


C.  Pulfrich. 


Scala  bemerkbar  machte.  Bis  zu  90°  ist  sie  ungefähr  gleich 
1  Seal  entheil  dem  rothen  Ende  des  Spectrums'  zu.  Die 
abgelesenen  Drehungswinkel  (ich  beschränkte  mich  auf  den 
L  Quadranten)  gehören  also  zu  mehr  oder  minder  nach  Blau 
verschobenen  Wellenlängen.  Insbesondere  tritt  dies  im  Roth 
stark  hervor.  Bei  den  weiter  unten  folgenden  Beobachtungs- 
reihen ist  dieser  lästige  Umstand  unberücksichtigt  geblieben; 
nur  bei  den  Turmalinen  (p.  199)  habe  ich,  wegen  der  Eigen- 
tümlichkeit der  Absorptionscurven  dieser  Krystalle,  die  Cor- 
rection  auf  eine  dort  angedeutete  Weise  vorgenommen. 
Immerhin  erleiden  die  übrigen  Curven,  wo  dieselbe  unter- 
blieben ist,  nur  geringe  Verschiebungen  nach  Blau.  Jedoch 
ist  klar,  dass  dieser  Umstand  eine  wesentliche  Rolle  bei  der 
Beurtheilung  der  Quotienten  Q  in  den  weiter  unten  folgen- 
den Tabellen  spielt.1) 

Infolge  der  verschiedenen  ordinären  wie  extraordinären 
Dispersion  des  Kalkspaths  war  eine  scharfe  Berührung  der 
beiden  Spectren  nur  für  eine  Farbe  möglich.  Um  sie  für 
jeden  beliebigen  Spectralbezirk  herzustellen,  musste  die  Lage 
des  Collimatorspaltes  etwas  geändert  und  demzufolge  das 
Fernrohr  von  neuem  eingestellt  werden.  Letzteres  hatte  nun 
aber  ein  Undeutlichwerden  der  Scala  zur  Folge;  dieselbe 
zeigte  bei  Bewegungen  des  Auges  nicht  unbeträchtliche  Ver- 
schiebungen gegen  die  Ocularblende.  Es  gab  dieser  Um- 
stand leicht  zu  Fehlern  in  der  Ablesung  von  Scalentheilen 
(resp.  X)  Anlass.  Um  dies  in  etwas  wenigstens  zu  vermeiden, 
wurde  (bei  Messungen  über  einen  nicht  zu  grossen  Spectral- 
bezirk) die  Stellung  der  Scala  zum  Fernrohr  so  regulirt, 
dass  für  die  Mitte  des  betreffenden  Feldes  Ocularblende, 
Scala  und  Spectrum  deutlich  erschienen  und  keine  Parallaxe 
zeigten.2) 


1)  Wollte  man  das  Nicol  nicht,  wie  bei  dem  benutzten  Exemplar,  am 
Collimatorrohr ,  sondern  am  Ende  des  Fernrohrs  anbringen,  so  würden 
jetzt  die  Scalentheile  genau  die  gleiche  Verschiebung  erhalten  bei  Dreh- 
ungen des  Nicols,  wie  das  Spectrum. 

2)  Sehr  zweckmässig  erscheint  mir  das  jüngst  von  einem  französi- 
schen Physiker  in  Anwendung  gebrachte  Verfahren,  das  Plättchen  am 
Spalte  durch  einen  schmalen,  verschiebbaren  Keil  zu  ersetzen.  Zweck 


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a  Pulfrich. 


181 


2)  Lichtquellen.  Als  solche  wurden  benutzt  Dru- 
mond'sches  Kalklicht  und  schliesslich  wegen  der  grösseren 
Constanz  Petroleumlicht.1)  Jeder  Tabelle  ist  die  jeweils  be- 
nutzte Lichtquelle  beigeschrieben. 

In  allen  Fällen  war  durch  Linsen  von  ziemlicher  Brenn- 
weite bewirkt,  dass  parallele  Lichtstrahlen  vertical  auffielen. 
Die  Flamme  (bis  zu  0,75  m  vom  Spalte  entfernt)  war  von 
einem  Kasten  umschlossen,  welcher  nur  Licht  zum  Photo- 
meter durchliess.  Hier  war  wiederum  durch  aufgestellte 
schwarze  Schirme  und  dem  Collimatorrohre  umgehängte 
Tücher  dem  auffallenden  Lichte  jeder  andere  Weg  als  allein 
durch  den  Apparat  versperrt.  Im  Augenblicke  der  Messung 
herrschte  vollständige  Dunkelheit  der  Umgebung.2)  Hervor- 
zuheben ist,  dass  ich  das  rechte  Auge  nur  zur  Einstellung 
auf  Gleichheit  der  beiden  Spectralfelder  benutzte.  Bei  den 
übrigen  Ablesungen  und  Notirungen  war  es  stets  mit  einem 
Tuche  verbunden. 

3)  Herstellung  der  Absorptionsgefässe.  Um  die 
Lichtschwächung  durch  Reflexion  zu  vermeiden,  benutzte  ich, 
so  weit  es  sich  um  Flüssigkeiten  handelte,  zuerst  folgendes 
Gefäss.  Durch  Combination  dreier  homogener,  planparalleler 
Glasplatten  wurde  ein  zur  Aufnahme  der  Flüssigkeit  be- 
stimmter Hohlraum  hergestellt.  Zwei  waren  aus  derselben 
Glasscheibe  geschnitten  und  stiessen  mit  ihren  scharfen 
Schnittflächen  genau  aneinander;  die  dritte,  grössere,  bildete 

und  Nutzen  hiervon  liegen  klar  auf  der  Hand.  Zunächst  werden  die  zur 
genauen  Einstellung  notwendigen  Verrückungen  am  Collimatorrohre  und 
Fernrohre  illusorisch,  indem  die  scharfe  Berührung  der  beiden  Spectren 
durch  einfaches  Hin-  und  Herschieben  des  Keiles  erreicht  wird.  Ausser- 
dem kommen  eventuelle  Verschiebungen  von  Scala  und  Farbe  (die  frei- 
lich bei  meinem  Apparate  nicht  auftraten),  vor  allem  aber  das  oben  ge- 
zeichnete Undeutlichwerden  der  Scala  vollständig  in  Wegfall.  Dem  Ex- 
periment bleibt  dann  noch  die  Entscheidung  überlassen,  ob  der  Umstand, 
dass  nun  theils  andere  Flammenparthieen  zur  Vergleichung  kommen,  von 
störendem  Einfluss  sein  kann. 

1)  Nach  Zöllner  bewahrt  die  Flamme  ihre  Constanz  1 bis  2  Stun- 
den hindurch. 

2)  Ueber  die  Vorsichtsmassregeln  siehe  Vierordt  a.  a.  0.;  ferner 
Helmholtz,  „Physiologische  Optik"  und  endlich  Vogel,  „Spectralana- 
lyse". 


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182 


C.  Pulfrich. 


die  Rückseite  des  Gefässes.  Es  entstand  so  eine  Doppel- 
schicht, bestehend  aus  einer  unteren  und  einer  genau  sich 
daran  anschliessenden  oberen  Schicht;  die  Dicke  der  letzte- 
ren konnte  mittelst  zwischen  gelegter  Messingstreifen  variirt 
werden.  Die  hierdurch  hervorgerufene  Dickendifferenz  $  (der 
Einfluss  der  Reflexion  ungleich  geschwächter  Lichtbündel 
an  der  hinteren  Glasfläche  möge  vernachlässigt  werden)  bil- 
dete somit  die  wirksame  Schicht;  sie  wurde  mit  einem  sehr 
feinen  Sphärometer  (500theilig,  1  Theil  =0,000  856  mm)  ge- 
messen. —  Jedoch  ist  dieses  Gefäss  nur  bei  den  Vorver- 
suchen und  den  in  Tab.  II  niedergelegten  Beobachtungen  be- 
nutzt worden.  Mängel  bezüglich  der  aneinander  stossenden 
Schnittflächen  obiger  Glasplatten  machten  es  namentlich  für 
den  Vierordt'schen  Apparat  wenig  brauchbar.  Bei  allen  fol- 
genden Versuchen  benutzte  ich  das  sog.  Schulz'sche  Gefäss1). 
Die  obere,  genau  horizontal  zu  stellende  Fläche  des  in  die  Zelle 
eingetauchten  Glaskörpers  projicirt  sich  auf  dem  Spalte  als 
haarscharfe  Linie.  Auch  liegt  nicht,  wie  es  bei  den  obigen 
Gefässen  (dieselben  werden  bei  der  Messung  durch  das  Sphä- 
rometer mehr  oder  weniger  zusammengepresst)  der  Fall  ist, 
die  Gefahr  einer  Aenderung  der  wirksamen  Schicht  vor. 

4)  Bestimmung  der  Wellenlängen.  —  Behand- 
lung des  Ocularsp altes.  Zur  Uebertragung  der  Scalen- 
theile  in  Wellenlängen  wählte  ich  den  Weg  der  graphischen 
Darstellung.  Zu  dem  Ende  wurden  etwa  löFraunhofer'sche 
Linien,  die  bekannten  Spectrallinien  der  Salze  K,  Li,  Na, 
Ca,  Ba,  Tl,  Sr  und  die  drei  Wasser  stofflinien  Ha,  Hß  und 
Hr  in  die  Scala  eingezeichnet;  die  ihnen  zukommenden  Wellen- 
längen wurden  dann  nach  den  Messungen  von  Thalen 
und  Sieben  als  Ordinaten  aufgetragen.  Die  in  sehr  grossem 
Maassstabe  ausgeführte  Zeichnung  gestattete  für  jeden  Theil- 
strich  der  Scala  die  zugehörige  Wellenlänge  bis  auf  wenige 
Einheiten  der  4.  Decimale  genau  abzulesen,  eine  für  meine 
Zwecke  hinreichende  Genauigkeit.  Vor  und  nach  einer  jeden 
Versuchsreihe  wurde  die  Lage  der  Na-Linie,  welche  stets 
auf  170  der  Glan'schen  Scala  stand,  genau  revidirt.    Tab.  I 


1)  II.  W.  Vogel,  Spectralanalyae,  p.  342. 


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C.  Pulfrich. 


183 


gibt  einige  Scalentheile  nebst  den  dazu  gehörigen  Wellen- 
längen L  —  Der  Ocularspalt  hatte  gewöhnlich  die  Breite 
eines  Scalentheiles.  Doch  musste  dieselbe  je  nach  dem  ge- 
wählten Spectralbezirk,  resp.  der  Steigung  der  Absorptions- 
curve,  entsprechend  variirt  werden.  Auch  erwies  es  sich  als 
zweckmassig,  im  Blau  den  Spalt  auf  das  Zwei-  bis  Dreifache 
zu  verbreitern. 

Wellenlängen.  .  Tab.  L 


Sc. 

Sc.  X 

Sc. 

1    »  1 

1  Sc. 

L1 

130 
135 
140 
145 
150 

0,7520 
0,7255 
0,7009 
0,6782 
0,6572 

155  0,6379 
160  0,6201 
165  1  0,6038 
170  0,5889 
175  0,5755 

180 
185 
190 
195 
200 

0,5630 
0,5514 
0,5407 
0,5307 
0.5212 

210 
220 
230 
240 
250 

0,5037 
0,4881 
0,4741 
0,4609 
0,4498 

5)  Berechnung  der  Extinctionscoefficienten  aus 
den  Lichtmengen  ib.  Durch  Absorption  wird  die  Amplitude 
der  in  das  ponderable  Mittel  eindringenden  Schwingungen  ver- 
mindert. Denken  wir  uns  das  Mittel  in  unendlich  viele  und  dünne 
Schichten  von  der  Breite  Jb  zerlegt  und  machen  ferner  die  An- 
nahme, dass  die  Abnahme  der  Excursion  dem  durchlaufenen 
Wege  Ah  und  dem  Amplitudenwerth  A  beim  Eintritt  in  die 
Schicht  proportional  sei,  so  ergibt  die  Entwickelung  für  den 
Endwerth  der  Amplitude  Av  nach  dem  Durchgange  durch 
eine  endliche  Schicht  von  der  Dicke  $,  die  Exponential- 


function : 


A*  —  A.e 


—  «•8 


Hierin  ist  e  die  Basis  des  natürlichen  Logarithmensystems. 
x  bedeutet  die  Absorptionsconstante,  welche  mit  dem  Ex- 
tinctionscoefficienten b/X  durch  die  Gleichung: 

2nb  A  -  " 

l        *'  X  ~  2n 

verknüpft  ist.  Ersetzt  man  nun  das  Quadrat  der  Amplitu- 
den durch  die  bezüglichen  Lichtintensitäten,  so  ergibt  sich 
(die  Anfangswerthe  A  und  i  gleich  1  gesetzt): 

h      -  H  S 

unter  M  den  Modulus  des  natürlichen  Logarithmensystems 
verstanden.  A  und  5  werden  beide  durch  1  mm  als  Einheit 
gemessen. 


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184 


C.  Pulfrich 


II.   Untersuchung  farbiger  Flüssigkeiten. 

Cyanin  in  Alkohol.  Cyanin  zeigt,  in  Alkohol  gelöst, 
einen  nahezu  symmetrischen  Absorptionsstreifen  bei  der 
Fraunhofer'schen  Linie  Z>;  die  Absorption  nimmt  dem  blauen 
Ende  des  Spectrums  zu  etwas  langsamer  ab. 

Das  benutzte  Cyanin  stammt  aus  der  Fabrik  von  Kahl- 
baum in  Berlin. "  Zur  Bestimmung  der  Concentration  diente 
eine  in  0,20  ccm  getheilte  Glasröhre.  Tab.  II  p.  185  gibt  die 
für  eine  Keihe  von  alkoholischen  Cyaninlösungen  ((7=1  bis 
C  m  gefundenen  Extinctionscoefficienten  e.  Die  Dicke 
der  wirksamen  Schicht  war  für  sämmtliche  Concentrationen 
l  =  1,044  mm.  Die  erste  Verticalcolumne  der  Tab.  II  ent- 
hält die  Scalentheile  des  Glan'schen  Apparates,  die  zweite 
die  zugehörigen  Wellenlängen  in  Tausendstel  Millimetern  ange- 
geben. Bei  den  gegebenen  Versuchsbedingungen  wurden  die 
mittleren  Partieen  des  Absorptionsstreifens  erst  durch  allmäh- 
liche Verdünnung  zugänglich.  Immerhin  ist  der  Verlauf  der 
Curven  ganz  interessant. 

Mittelst  eines  feinen  Meyerstein'schen  Spectrometers 
wurde  die  mittlere  Wellenlänge  Xm  für  sämmtliche  Concen- 
trationen bestimmt.  Die  gefundenen  Werthe  stehen  am 
Schluss  von  jeder  Verticalcolumne.  Ich  lege  auf  diese  Zahlen 
zwar  wenig  Gewicht;  sie  zeigen  aber  deutlich,  wie  sich  die 
scheinbare  Mitte  des  Absorptionsstreifens  mit  abnehmender 
Concentration  dem  rothen  Ende  zu  verschiebt.  Es  ist  dieses 
der  Unsymmetrie  des  Absorptionsstreifens  zuzuschreiben;  von 
einer  eigentlichen  Verschiebung  mit  wechselnder  Concentra- 
tion kann  natürlich  nicht  die  Eede  sein.  Die  gleiche  Er- 
scheinung tritt  ein,  wenn  bei  Anwendung  derselben  Lösung 
die  durchstrahlte  Schicht  variirt  wird,  während  dasjenige  h 
welches  dem  Maximum  der  Absorption  entspricht,  keine  Ver- 
schiebungen erleidet. 

Die  Temperatur  schwankte  während  einer  Versuchsreihe 
zwischen  17  und  21°  C.  Innerhalb  dieser  Grenzen  trat 
keine  merkliche  Einwirkung  der  Temperatur  auf  Absorption 
zu  Tage.  Die  Verdunstung  des  Alkohols  war  bei  der  schma- 
len Berührungsfläche  der  Flüssigkeit  mit   der  Luft  eine 


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C.  PitlfricL 


185 


geringe;  sie  wurde  durch  einen  aufgelegten  Deckel  auf  ein 
Minimum  beschränkt.1) 

Für  jeden  gewählten  Spectralbezirk  wurden  mindestens 
drei  Einzelmessungen  gemacht  und  daraus  das  Mittel  ge- 
nommen. Nach  Beendigung  einer  Versuchsreihe,  die  in  der 
Reihenfolge  vom  rothen  zum  blauen  Ende  des  Spectrums  ge- 
schah, wurden  rückwärts  einige  Controlbestimmungen  gemacht. 

Cyanin  in  Alkohol. 
Kalklicht.   8  =  1,044  mm.  Tab.  II  (s.  Taf.  III  Fig.  1  l2). 


Sc. 


k  : 


Conc. 
=  1 


Conc. 


Conc.  Conc. 


Conc    Conc.  Conc. 


—  1 


1« 


_  1 


32 


=  '/.. 


6  = 


k 


5  = 


b 
k 


6  = 


b 

k 


E  = 


b 
k 


h  = 


£  - 


b 
I. 


140 
144 

146,5 

148,5 

150 

152 

155 

157,5 

160 

162 

172 

175 

177,5 

ISO 

182,5 

ls.~> 

187,5 

190 

192,5 

195 

200 

205 

210 

215 

220 

225 

230 

240 

260 


0,7009 
0,6827 
0,6719 
0,6635 
0,6572 
0,6495 
0,6379 
0,6290 
0,6201 
0,6136 
0,5836 
0,5755 
0,5692 
0,5630 
0,5572 
0,5514 
0,5460 
0,5407 
0,5357 
0,5307 
0,5212 
0,5122 
0,5037 
0,4957 
0,4881 
0,4809 
0,4741 
0,4609 
0,4387 


0,0015 
0,0273 
0,0489 
0,0898 


0,0120 
0,02*6 
0,0487 
0,0910 


0.00*50 
(),O160 
0,0266 
0.0413 
0,0*45 


0,0097 
0.0169 
0,0250 
0,0492 
0,1314 


0,0035 
0,0091 
0,0145 
0,0283 
0,0747 
0,1391 
0,2790 


0,1990 

0,2162 

0,1252 

0,1605 

0,0964 

0,1156 

0,01500 

0,0879 

0,0379 

0,0332 

0,0135 

0,0073 

5715  5740 

0,1830 
0.1231 
0.0837 
0,0549 
0,0334 
0.0220 
0,0135 


0.2*35 
0.2201 
0,lf>94 
0,1423 

0.1068 
0,0630 
0,0392 
0^0238 
0,0139 


0,1709 
0,1503 
0,1140 
0,0905 
0,0816 
0.0442 
0,0260 
0,0200 


0,0030 
0,0066 
0,01*8 
0,0423 
0.0796 
0,1520 

0,2421 
0,1*54 
0.1499 
0.1240 
0,1043 
0,0855 
0,0711 
0,0572 
0,0406 
0,0349 
0,0220 
0,0162 
0,0080 


0,0015 
0,0053 
0.0148 
0,0314 
0,0650 
0,1000 

0,0762 
0,0643 
0,0500 
0,0424 
0,0370 
0,0330 
0,0247 

0,0150 
0,0097 
0,0063 


;.ot=  0,000  mm|  571 1 


5781 


5808      5839  5864 


588«) 


1)  Bei  leicht  flüchtigen  Lösungsmitteln  (siehe  weiter  unten  Schwefel- 
kohlenstoff und  Chloroform)  wurde  direct  nach  Füllung  des  Gcfässes  ein 
passender  Deckel  sorgfaltig  aufgekittet. 

2)  Zur  Erläuterung  dieser  und  der  folgenden  Figuren,  welche  die  be- 


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186 


C.  Pulfrich 


Im  Anschluss  hieran  lasse  ich  eine  Tabelle  folgen,  wel- 
che zwei  sehr  dünne  Cyaninlösungen  umfasst.  Ausser  den 
Werthen  e  sind  noch  die  gefundenen  Drehungswinkel  a  {ccf 
ist  ebenfalls  angegeben)  und  die  übrig  bleibenden  Licht- 
mengen ih  verzeichnet,  In  der  letzten  Columne  stehen  die 
Quotienten  Q  der  Extinctionscoefficienten.  Ich  wandte  ein 
dem  Glan'schen  Apparate  beigegebenes  Schulisches  Ab- 
sorptionsgefäss  an;  die  Dickenditferenz  der  beiden  Schichten 
(Dicke  des  Glaskörpers)  war  $  =  9,901  mm.  Als  Lichtquelle 
diente  hier  und  bei  den  folgenden  Versuchen  eine  gewöhn- 
liche Petroleumlampe  mit  Rundbrenner.  Bei  einiger  Uebung 


Cyanin  in  Alkohol. 


Petroleum  licht. 

j%  — 

Q 

=  9,901 

mm. 

Tab.  III  (s.  Taf.  III  F 

ig.  1  2. 

I.  Versuchsreihe 

n.  v 

ersuehsreihe 

Sc. 

l : 

a 

=  44°  22';  lm  = 

=  0,590 

u 

=  43° 55';  lm- 

=  0,590 

Q 

• 

h 

■ 

h 

b 

B=T 

rt 

1  "7 

152 

0,6495 

45« 

»  r 

0,945 

0,0004 

45°  15' 

0,911 

■  ■■  " 
0,0007 

1,75 

157 

0,6308 

47 

40 

0,794 

0,0018 

49 

39 

0,669 

0,0032 

1,77 

159,5 

0,6219 

52 

10 

0,577 

0,0044 

56 

55 

0,394 

0,0075 

1,70 

162 

0,6136 

58 

58 

0,346 

0,0085 

68 

3 

0,151 

0,0152 

1,78 

164 

0,6071 

65 

3 

0,207 

0,0127 

ff  C 

l  D 

42 

0,0602 

0,0226 

1,78 

167 

0,5979 

72 

5 

0,100 

0,0185 

81 

32 

0,0205 

0,0312 

1,69 
1,72 

169 

0,5920 

73 

26 

0,0846 

0,0199 

83 

0,0140 

0,0343 

172 

0,5836 

72 

23 

0,0965 

0,0188 

81 

55 

0,0187 

0,0320 

1,70 

173,5 

0,5795 

70 

2 

0,126 

0,0166 

79 

32 

0,0317 

0,0277 

1,67 

176,5 

0,5717 

65 

15 

0,203 

0,0128 

74 

53 

0,0676 

0,0216 

1,69 

179 

0,5655 

61 

17 

0,287 

0,0100 

70 

25 

0,118 
0,167 

0,0172 

1,72 

181,5 

0,5595 

59 

2 

0,344 

0,0086 

67 

3 

0,0144 

1,67 

186,5 

0,5482 

55 

16 

0,460 

0,0062 

61 

29 

0,274 

0,0104 

1,68 

191 

0,5387 

52 

38 

0,558 

0,0047 

191,5 

0,5377 

52 

15 

0,574 

0,0045 

55 

41* 

0,432 

0,0068 

1,51 

196 

0,5288 

49 

36 

0,693 

0,0029 

51 

 * 

0,608 

0,0040 

1,40 

201 

0,5194 

47 

58 

0,778 

0,0020 

48 

40* 

0,717 

0,0027 

1,35 

205 

0,5122 

46 

50 

0,841 

0,0013 

47 

15* 

0,792 

0,0019 

1,45 

210 

0,5037 

46 

3 

0,888 

0,0009 

obachteten  Absorptionscurven  darstellen,  möge  Folgendes  dienen.  Bei  den 
Abscissen  A  entspricht  eine  Einheit  der  dritten  Dec.  */,  mm  der  Zeich- 
nung. Zur  leichteren  Orientirung  sind  die  Ziffern  einiger  Scalentheile  bei- 
geschrieben. Bei  den  Ordinaten  e  ist  in  den  Figuren  1 1, 1 3, 1 4,  1 6, 1 7  u.  1  9 
Taf.  III  eine  Einheit  der  3.  Dec.  gleich  2, 3  mm  der  Zeichnung.  Die  Ordi- 
naten der  Fig.  1  i  sind  wie  die  der  Figuren  1  8,  in  zehnfach  kleinerem 
Massstabe  aufgetragen  worden. 


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C.  Pulfrich. 


187 


gelangte  ich  zuletzt  dazu,  den  Winkel  a  in  allen  Theilen  des 
Spectrums  bis  auf  5 — 7  Minuten  genau  zu  bestimmen;  erst 
im  blauen  Theile  stiegen  die  Beobachtungsfehler  bis  zu 
30  Minuten,  ja  im  letzten  Blau  und  Violett  bis  zu  1  bis  2 
Grad  an. 

Ein  Fehler  von  10  Minuten  in  der  Bestimmung  von  u 
hat  nun  aber  für  mittlere  Absorptionen  in  der  Grösse  i% 
eine  Ungenauigkeit  von  5  bis  6  Einheiten  der  dritten  Deci- 
male  zur  Folge.  Für  geringe  Absorptionen  stellt  sich  der 
Genauigkeitsgrad  für  is  bedeutend  geringer,  für  starke  hin- 
gegen bedeutend  höher  (vgL  die  Werthe  \  und  a  in  Tab.  III 
und  den  folgenden).  Für  die  Extinctionscoefficienten  e  macht 
sich  die  Sache  so,  dass  die  letzte  Ziffer  der  hingeschriebe- 
nen "Werthe  um  höchstens  zwei  Einheiten  unsicher  ausfallt. 
Dieser  Genauigkeitsgrad  gilt  für  Tab.  ELI  und  alle  folgenden 
Versuchsreihen,  wo  das  obige  Absorptionsgefäss(ä=  9,901mm) 
benutzt  worden  ist. 

Die  in  Tab  II  (p.  185)  verzeichneten  Extinctionscoeffi- 
cienten haben  einen  geringeren  Grad  von  Genauigkeit,  einer- 
seits wegen  Anwendung  des  Kalklichtes  und  andererseits 
wegen  der  dort  angegebenen,  sehr  geringen  Dickendifferenz  5. 
Derselbe  wird  nochbesonders  durch  den  p.  180  erwähnten  Um- 
stand herabgedrückt.  Ich  habe  deshalb  auch  in  Bezug  auf 
Tab.  II  darauf  verzichtet,  die  bezüglichen  Quotienten  Q  hin- 
zuzuschreiben. Die  Quotienten  Q  der  Tab.  III  sind  selbst- 
verständlich innerhalb  der  Beobachtungsfehler  gleich.1)  Der 
Mittelwerth  sämmtlicher,  mit  Ausschlus  der  vier  letzten,  ist 
1,717. 

Uebermangansaures  Kali.  Das  Absorptionsspectrum 
dieses  Salzes,  welches  in  sehr  starker  Verdünnung  fünf  selb- 
ständige Streifen  zeigt,  von  D  bis  ungefähr  F}  ist  photo- 
metrisch schon  von  Vierordt2)  untersucht  worden.  In  den 
Regionen  stärkerer  Absorption  musste  jedoch  Vierordt  wegen 
der  Unbrauchbarkeit  seines  Apparates  für  sehr  starke  Ab- 


1)  Vgl.  p.  180  oben. 

2)  Vierordt,  Die  Anwendung  des  Spectralapparates  etc.  p.  101. 
Tüb.  1873. 


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188 


C.  Pulfrich. 


Sorptionen1),  die  Lösungen  immer  mehr  verdünnen  (Conc. 
1,  Yi  un&  Ys)*  ^-us  ^en  gefundenen  Extinctionscoeffi- 
cienten  leitete  dann  Vierordt  das  Absorptionsverhältniss 
/  Co^entmtion  \  ^  ^  ^  ^  ^  dem  GWschen 
\  Extmcüonscoerncient/ 

Photometer  zwei  wässerige  Lösungen  (Conc.  1  und  von 
übermangansaurem  Kali  untersucht.  Die  Kesultate  stehen 
in  Tab.  IV.  Die  letzte,  mit  Q  überschriebene  Columne  gibt 
die  Quotienten  der  zusammengehörigen  Extinctionscoeffi- 
cienten.  Die  Bedeutung  der  übrigen  Columnen  ist  dieselbe 
wie  in  Tab.  III. 


Ue bemiaiigansaures  Kali. 
Petroleumlicht.   3  =  9,901  mm.  Tab.  IV  (s.  Taf.III  Fig.  1  3). 


Concentration  1 

Concentration  V* 

« 

'=45°  5' 

a 

'=  45°  5' 

Q 

Sc. 

k  : 

1 

• 

* 

b 

b 

« 

E=T 

€=T 

49° 

35' 

0,730 

0,0025 

46°  5' 

0,933 

0,0005 
0,0008 

o,uu 

1  tt.K 

U,OUoO 

52 

5 

0,610 

0,0040 

46 

35 

0,901 

«\  nn 
o,uu 

170 

0,5889 

56 

24 

0,444 

0,0065 

47 

25 

0,850 

0,0013 

5,00 

175 

0,5755 

74 

33 

0,0767 

0,0206 

51 

45 

0,626 

0,0038 

5,32 

177 

0,5705 

78 

45 

0,0398 

0,0259 

53 

55 

0,534 

0,0050 

5,18  I 

180 

0,5630 

79 

50 

0,0323 

0,0276 

54 

0,531 

0,0051 

5,41 

183 

0,5560 

84 

0,0111 

0,0361 

54 

32 

0,509 

0,0054 

6,66 

185 

0,5514 

85 

45 

0,0055 

0,0418 

57 

38 

0,404 

0,0073 

5,73 

187 

0,5471 

86 

30 

0,0038 

0,0448 

59 

50 

0,340 

0,0087 

5,15  II 
5,27 

190 

0,5407 

85 

52 

0,0052 

0,0422 

58 

42 

0,372 

0,0080 

193 

0,5347 

85 

55 

0,0051 

0,0424 

57 

47 

0,400 

0,0074 

5,73 

195 

0,5307 

86 

23 

0,0040 

0,0444 

58 

57 

0,365 

0^0081 

5,48 

198 

0,5250 

86 

29 

0,0038 

0,0447 

59 

41 

0,344 

0,0086 

5,18  m 

200 

0,5212 

85 

38 

0,0059 

0,0414 

58 

32 

0,377 

0,0078 

5,31 
5,57 

203 

0,5158 

83 

10 

0,0145 

0,0340 

55 

42 

0,469 

0,0061 

206 

0,5105 

83 

0,0151 

0,0337 

55 

50 

0,463 

0,0062 

5,44 

209 

0,5054 

83 

22 

0,0136 

0,0346 

55 

52 

0,462 

0,0062 

5,58  IV 

212 

0,5005 

79 

15 

0,0363 

0,0267 

215 

0,4957 

76 

2 

0,0622 

0,0223 

52 

5 

0,610 

0,0040 

5,56 

217 

0,4927 

74 

27 

0,0780 

0,0205 

218 

0,4911 

73 

44 

0,0857 

0,0198 

: 

-  V 

220 

0,4881 

73 

0,0940 

0,0190 

52 

35 

0,589 

0,0043 

4,42 

223 

0,4838 

71 

15 

0,116 

0,0173 

225 

0,4809 

66 

43 

0,186 

0,0135 

49 

0,746 

0,0024 

5,63 

230 

0,4741 

63 

5 

0,259 

0,0109 



240 

0,4609 

54 

47 

0,501 

0,0056 

46 

52 

0,882 

0,0010 

5,60 

250 

0,4493 

50 

35 

0,679 

0,0031 

- 

1)  Der  kleinste  Werth,  welcher  bei  Vierordt  (a.  a.  O.)  für  L  vor- 
kommt, ist  t  =  0,033;  in  der  Tab.  V  ist  der  kleinste  Werth  »s=  0,0038; 
vgl.  ferner  die  in  Tab.  IX  etc.  vorkommenden  Werthe  t"3 


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C.  Pulfrich. 


189 


Die  Tabelle  zeigt  deutlich  die  fünf  Absorptionsmaxima. 
Numerirt  man  dieselben  in  ihrer  Reihenfolge  von  Roth 
nach  Blau  mit  I,  II,.  .  V,  so  ergeben  sich  II  und  III  als 
ziemlich  gleich,  dann  folgt  abwärts  IV,  I  und  endlich  V. 
Die  gleiche  Reihenfolge  findet  Vi  er  or  dt;  bei  ihm  ist  III 
etwas  grösser  als  II. 

Aus  den  neueren  Untersuchungen  Gl  an'  s *)  geht  hervor, 
dass  die  Abhängigkeit  der  Absorption  von  der  Dichtigkeit 
—  bei  gleicher  durchstrahlter  Masse  —  des  absorbirenden 
Körpers,  wenn  überhaupt  vorhanden,  jedenfalls  sehr  gering 
sein  muss.  Es  ist  deshalb  der  Mittelwerth  von  Q  (=  5,39) 
identisch  mit  dem  Concentrationsverhältniss.  Die  Abwei- 
chungen sind  einfache  Beobachtungsfehler. 

Ueber  Verschiebungen  von  Absorptionsstreifen, 
welche  ein  Farbstoff  zeigt,  wenn  derselbe  in  verschiedenen 
Lösungsmitteln  gelöst  wird,  haben  vielfach  Kundt,  Hagen- 
bach u.  A.  experimentirt.  Es  gab  zu  den  folgenden  Ver- 
suchen der  Gedanke  Anlass,  zu  erfahren,  ob  nicht  viel- 
leicht neben  der  Verschiebung  auch  Aenderungen  in  der 
Gestalt  oder  Intensität  des  Absorptionsstreifens  eintreten 
würden. 

Ich  untersuchte  Cyanin  in  Alkohol2),  Terpentinöl, 
Chloroform  und  Schwefelkohlenstoff  (s.  Tab.  V  p.  190), 
und  ferner  Anilinblau  in  Wasser  und  Alkohol  (s.  Tab. 
VI  p.  191). 

Um  gleiche  Dichtigkeit  des  Farbstoffs  zu  erzielen,  fügte 
ich  zu  je  10  ccm  des  betreffenden  Lösungsmittels  immer 
fünf  gleiche  Tropfen  der  alkoholischen  Cyaninlösung ,  resp. 
der  wässerigen  von  Anilinblau.  In  Beziehung  auf  die  Ter- 
pentinöl- und  Schwefelkohlenstofflösungen  verdient  bemerkt 
zu  werden,  dass  beide  schon  am  Tage  nach  ihrer  Herstel- 
lung ihre  Farbe  verloren  hatten  und  durchsichtig  geworden 
waren. 


1)  Glan,  Wied.  Ann.  8.  p.  54.  1878. 

2)  Diese  Reihe  ist  identisch  mit  der  Versuchsreihe  II  in  Tab.  III. 
Den  neuen  Scalentheilcn  wurden  durch  graphisches  Interpoliren  die  ent- 
sprechenden e  gegeben. 


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190 


C.  Pulfrich. 


Es  ist  nach  diesen  Zahlen  die  Verschiebung  des  Ab- 
sorptionsstreifens nach  Roth  zu  bei  Cyanin  mit  gleichzeitiger 
Abnahme,  bei  Anilinblau  jedoch  mit  gleichzeitiger  Zunahme 
der  Absorption  verknüpft.1) 

Fehler  bezüglich  der  Concentration  können  bei  der 
Herstellung  der  Lösungen  stattgefunden  haben;  es  ist  des- 
halb schwer  zu  entscheiden,  ob  Dicht  vielleicht  hierin  der 
Grund  für  obige  Abweichungen  zu  suchen  ist. 

Dieses  weiter  und  genauer  zu  verfolgen,  bleibt  künftigen 
Versuchen  vorbehalten.  Der  Gegenstand  dürfte  noch  eine 
genaue  Berücksichtigung  und  Prüfung  verdienen. 


Cyanin. 

Petroleumlicht,   ä  =  9,901  mm.  Tab.  V  (s.  Taf.  III  Fig.  1  4). 


C  in 

C  m 

C  in 

C  in 

Sc. 

Ix 

Alkohol  Terpentinöl 

Chloroform 

Schwefelk. 

h 

b 

b 

b 

6=T 

fi==T 

fi=sT 

150 

0,6572 

0,0001 

0,0010 

0,0008 

0,0021 

152 

0,6495 

0,0004 

0,0026 

0,0021 

0,0041 

155 

0,6379 

0,0018 

0,0057 

0,0043 

0,0124 

157,5 

0,6290 
0,6201 

0,0045 

0,0115 

0,0086 

0,0183 

160 

0,0079 

0,0185 
0,0235 

0,0155 

0,0222 

162 

0,6136 

0,0152 

0,0194 

0,0222 

164 

0,6071 

0,0226 

0,0258 

0,0214 

0,0200 

166 

0,6008 

0,0289 

0,0259 

0,0216 

0,0173 

168 

0,5949 

0,0328 

0,0239 

0,0203 

0,0145 

170 

0,5889 

0,0337 

0,0208 

0,0172 

0,0121 

172 

0,5836 

0,0316 

0,0176 

0,0148 

0,0103 

175 

0,5755 

0,0246 

0,0136 

0,0110 

0,0082 

180 

0,5630 

0,0160 

0,0092 

0,0082 

0,0055 

185 

0,5514 
0,5407 

0,0115 

0,0067  0,0058 
0,0048    |  0,0039 

0,0036 
0,0022 

190 

0,0077 

0,5900 

0,6050 

0,6035 

0,6170 

1)  H.  W.  Vogel  gibt  für  Anilinblau  in  Alkohol  eine  hiervon  etwas 
abweichende  Curve  (siehe  dessen  Spectralanalyse  p.  286). 


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C.  Pulfrich.  191 


A  n  i  1  i  u  b  1  a  u. 

Petroleumlicht,   j  m  9,901  mm.  Tab.  VI  (s.  Taf.  III  Fig.  1  •). 


A. 

in  Wasser 

A. 

in  Alkohol 

Sa 

r 

a  = 

44°  20';  Äw 

=  0,592 

t 

a  = 

44°  15';  Xn 

=  0,599 

X  : 

• 

0 

■ 

h 

a 

£  BS  

n 

140 

0,7009 

. 

46° 

35' 

0,849 

0,0013 

145 

0,6782 

47° 

15' 

0,815 

0,0016 

50 

46 

0,632 

0,0037 

150 

0,6572 
0,6495 

52 

57 

0,544 

0,0049 
0,0064 

o7 



0,399 

0,0074 

152 

55 

35 

0,449 

60 



0,317 

0,0092 

155 

0,6379 

59 

35 

0,330 

0,0089 

64 

12 

0,222 

0,0121 

157 

0,6308 

62 

7 

0,267 

0,0106 

66 

40 

0,176 

0,0140 

160 

0,6201 
0,6136 

64 

24 

0,219 

0,0122 

69 

_ 

0,140 

0,0158 

162 

65 

15 

0,203 

0,0128 

69 

50 

0,128 

0,0165 

164 

0,6071 

65 

58 

0,190 

0,0134 

70 

23 

0.121 

0,0170 

166 

0,6008 

66 

27 

0,182 

0,013 1 

70 

25 

0,120 

0,01  »1 

168 

0,5949 

66 

50 

0,175 

0,0140 

70 

10 

0,123 

0,0168 

170 

0,5889 
0,5836 
0,5755 

66 

50 

0,175 

A   n«  JA 

0,0140 

69 

48 

0,128 
0,138 

0,01 6o 

172 

66 

27 

0,182 

0,013 1 

69 

8 

0,01  o9 

175 

65 

33 

0,197 

A    At  A4 

0,0131 

67 

22 

0,165 

0,0145 

180 

0,5630 

63 

55 

0,230 

0,0118 

64 

1 3 

X  o 

O  900 

0,0121 

183 

0,5560 

62 

10 

0,266 

0,0106 

62 

8 

0,265 

0,0107 

185 

0,5514 

61 

11 

0.289 

0,0100 

60 

32 

0,302 

0,0096 

188 

0,5450 

59 

17 

0,336 

0,0087 

58 

15 

0,363 

0,0081 

190 

0,5407 

58 

3 

0,372 

0,0079 

56 

47 

0,407 

0,0072 

195 

0,5307 

55 

25 

0,454 

0,0063 

53 

10 

0,534 

0,0051 

200 

0,5212 

52 

52 

0.548 

0,0048 

50 

42 

0,636 

0,0036 

205 

0,5122 

50 

45 

0,638 

0,0036 

49 

15 

0,705 

0,0028 

210 

0,5037 

49 

17 

0,708 

0,0028 

48 

5 

0,765 

0,0022 

220 

0,4881 

47 

44 

0,789 

0,0019 

47 

7 

0,820 

0,0016 

'230 

0,4741 

46 

55  0,835 

0,0015 

46 

15 

0,870 

0,0011 

III.    Untersuchung  einiger  dichroitischer  Präparate  und 

Krystalle. 

Veranlasst  durch  die  freundliche  Empfehlung  des  Gegen- 
stände« durch  Herrn  Prof.  Dr.  Ed.  Ketteier  habe  ich  mit 
einigen  mir  zugänglichen  Krystallen  und  künstlichen  Präpa- 
raten Absorptionsmessungen  vorgenommen. 

Ueber  Absorption  des  Lichtes  in  pleochromatischen 
Krystallen  haben  vielfach  Haidinger,  Beer,  Grailich, 
Bunsen1),  O.  Hagen2)  u.  A.  experimentirt8)  Haidinger's 

1)  Bunsen,  Pogg.  Ann.  128.  p.  100.  1866. 

2)  O.  Hagen,  Pogg.  Ann.  106.  p.  331.  1859. 

3)  Siehe  auch  von  Las  au  Ix,  Ueber  den  durch  Druck  an  den  Kry- 
stallen der  natürl.  Silberhaloide  hervorgerufenen  Dichroismus,  Sitzungs- 
ber.  der  schles.  Ges.  f.  vaterl.  Cultur.  26.  Febr.  1879. 


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192 


C.  Pulfrich. 


dichroskopische  Lupe  gestattet  den  Zusammenhang  der  Ab- 
sorption mit  der  Vibrationsrichtung  zu  erkennen.  Aus  den 
Versuchen  von  Beer1)  geht  hervor,  dass  sich  das  Absorp- 
tionsverhältniss  beider  Strahlen  für  verschiedene  Theile  des 
Spectrums  anders  gestaltet,  also  eine  Function  der  Wellen- 
länge ist.  Es  ergab  sich  in  den  meisten  Fällen  die  Thatsache, 
dass  dem  schnelleren  (schwächer  gebrochenen)  Strahle  eine 
geringere  Absorption  zukomme,  als  dem  langsameren  (stärker 
gebrochenen).  Abweichungen  hiervon  hat  Beer  beim  Idio- 
kras  (Vesuvian)  nachgewiesen;  für  den  einen  Theil  des  Spec- 
trums war  das  Absorptionsverhältniss  >1,  für  den  anderen 
<  1.    Dasselbe  fand  Grailich2)  beim  Apatit. 

0.  Hagen  hat  für  eine  Anzahl  pleochroitischer  Kry- 
stalle  durch  photometrische  Messung  das  Absorptionsverhält- 
niss für  einige  Wellenlängen  bestimmt.  Er  vermuthet,  „dass 
für  8ämmtliche  Krystalle,  welche  als  der  Babinet'schen  Regel: 
jeder  Krystall  absorbirt  mehr  den  Strahl  mit  der  kleineren 
Geschwindigkeit,  widersprechend  gefunden  werden,  das  Ab- 
sorptionsverhältniss für  einen  Theil  der  Farben  >  1,  für  den 
anderen  <  1  sei;  und  es  sei  möglich,  dass  die  Babinet'sche 
Regel,  unter  eine  präcisere  Form  gebracht,  doch  allgemein 
gültig  sei".  Um  hierüber  ins  Klare  zu  kommen,  stellte 
er  sich  die  Aufgabe,  ausser  dem  Verhältniss  der  Absorp- 
tionen, noch  jede  für  sich  allein  als  Function  von  X  zu 
bestimmen. 

Der  frühzeitige  Tod  Hagen's  hinderte  ihn,  seine  Ver- 
suche nach  dieser  Richtung  hin  fortzusetzen.  Dieselben  wür- 
den ihn  sehr  wahrscheinlich  zur  Entdeckung  der  anomalen 
Dispersion  geführt  haben,  welche  bekanntlich  erst  einige 
Jahre  später  durch  Le  Roux  geschah.  —  Die  seit  jener 
Zeit  vielfach  verbesserten  und  neu  erfundenen  Photometer 
haben  es  möglich  gemacht,  auf  dem  von  Hagen  vorgeschrie- 
benen Wege  weiter  zu  arbeiten. 

So  lässt  sich  mit  Leichtigkeit  schon  der  Glan'sche  Ap- 
parat zu  Messungen  verwenden. 

1)  Beer,  Pogg.  Ann.  82.  p.  429.  1851. 

2)  Krystallogr.-opt.  Untersuch.   Wien  u.  Olmütz,  p.  52.  1858. 


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C.  Pulfrich. 


193 


Zu  dem  Ende  ist  das  Präparat  vor  dem  Collimatorspalt 
so  lange  zu  drehen,  bis  seine  Hauptschnitte  mit  denen  des 
Kalkspaths  zusammen  fallen,  und  in  dieser  Stellung  zu  be- 
festigen. Man  hat  so  zwei  Spectren,  welche  die  Absorption 
des  Lichtes  in  den  beiden  Vibrationsrichtungen  darstellen. 
Durch  Drehen  des  Nicols  stellt  man  für  jeden  einzelnen 
Spectralbezirk  die  Gleichheit  der  Lichtstärke  wieder  her, 
und  es  bestimmt  sich  so  das  Verhältniss  v  der  beiden 
übrigbleibenden  Lichtmengen,  die  ich  mit  i'h  und  ij  bezeich- 
nen will. 

Rückt  man  jetzt,  ohne  an  der  Lage  der  bezüglichen 
Hauptschnitte  etwas  zu  ändern,  die  Platte  so  weit  in  die 
Höhe,  dass  sie  nur  die  obere  Hälfte  des  Spaltes  bedeckt, 
so  lässt  sich  ohne  Weiteres  i'h  (die  auffallende  Lichtmenge 
=  1  gesetzt)  bestimmen.  Um  is  zu  finden,  wäre  jetzt  die 
untere  Hälfte  des  Coilimatorspaltes  mit  der  Platte  wieder 
in  der  gleichen,  oben  definirten,  Lage  zu  bedecken.  Es  er- 
scheint jedoch  zweckmässiger,  die  Platte  auch  im  zweiten 
Falle  vor  der  oberen  Spalthälfte  anzubringen,  jetzt  aber  in 
einer  um  90°  gedrehten  Stellung.1) 

Nach  dieser  Methode  habe  ich  einige  dichroitische  Prä- 
parate und  Krystalle  untersucht.  Die  ersteren  sind  theils 
von  Wilh.  Steeg  in  Homburg  verfertigt,  theils  verdankt 
sie  das  hiesige  Laboratorium  der  Freundlichkeit  des  Frei- 
herrn  von  Seherr-Thoss.  Die  Ergebnisse  der  Beobach- 
tungen stelle  ich  im  Folgenden  zusammen. 

1.  Versuchsreihe.  Ziemlich  heller  Kautschuk  nach 
einer  Richtung  hin  ausgezogen  und  so  zwischen  zwei  Glas- 
platten eingekittet  (von  Freiherrn  v.  Seherr-Thoss). 

Schon  gewöhnlicher  Plattenkautschuk  zwischen  den 
Fingern  ausgezogen,  zeigt,  mit  der  dichroskopischen  Lupe  be- 
trachtet, auffälligen  Dichroismus,  der  zuerst  vonKundt2)  be- 

1)  Zu  bemerken  ist,  dass  die  directe  Bestimmung  von  v  nur  bei 
grösseren  Krystallplatten  oder  dicliroitischen  Präparaten  möglich  ist;  sind 
dieselben  kleiner  als  das  vor  dem  Collimatorspalte  befindliche  Plättchen, 
so  gestattet  der  Apparat  nur  die  Messung  der  Werthe  tj  und  tj . 

2)  Kundt,  Pogg.  Ann.  151.  p.  125.  1874. 

Ann.  d.  Phye.  u.  Chem.  N.  F.  XIV.  13 


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194 


C.  Pulfrich 


merkt  und  von  ihm  ..temporärer  Dichroismus"  genannt  wurde, 
da  die  Erscheinung  nur  so  lange  dauert,  als  der  an  sich  isotrope 
Körper  der  Zugkraft  ausgesetzt  ist.  Derjenige  Strahl,  dessen 
Schwingungen  in  die  Zugrichtung  fallen,  ist  der  am  stärksten 
absorbirte. 

Obige  Platte  zeigte,  durch  die  dichroskopische  Lupe 
betrachtet,  zwei  in  Beziehung  auf  Helligkeit  verschiedene, 
farblose  Bilder;  das  hellere  besass  einen  etwas  röthlichen 
Anflug. 

In  der  oben  angegebenen  Weise  mit  dem  Glan'schen 
Photometer  untersucht,  ergaben  sich  die  in  Tab.  VII.  p.  195 
stehenden  Resultate.  Die  Platte  war  vor  dem  Spalte  so 
befestigt,  dass  die  Zugrichtung  senkrecht  stand  zur  Längs- 
richtung des  Spaltes,  v  —  if/ij  ist  das  gefundene  Verhältniss 
der  übrig  bleibenden  Lichtmengen  ia'  und  i'f;  in  den  darauf 
folgenden  Columnen  stehen  die  beobachteten  Werthe  i'h  und 
if.  Vernachlässigt  man  den  constanten  Factor,  welcher  von 
der  Dicke  der  Platte  abhängt,  so  geben  die  negativen  Lo- 
garithmen von  i'&  und  die  Absorptionscoefticienten,  und 
deren  Differenzen  den  Logarithmus  von  w,  negativ  genommen. 
So  kann  der  direct  gefundene  Werth  v  zwar  nicht  dazu  dienen, 
aus  ihm  das  Absorptionsverhältniss  Q=  —  logij'/— logij  (siehe 
die  letzte  Columne)  in  den  beiden  Schwingungsrichtungen 
abzuleiten;  er  kann  aber  wohl  zur  Verificirung  der  Bestim- 
mungen —  logz'j  und  —  logij'  beitragen.  Berechnet  man  in 
Tab.  VII  aus  diesen  zwei  Werthen  durch  einfache  Subtraction 
—  logu,  so  treten  nicht  unbeträchtliche  Abweichungen  von 
dem  direct  beobachteten  Werthe  auf,  welche  zum  Theil  in 
einer  ungenauen  Bestimmung  des  Nullpunktes  (ce)  begründet 
sein  mögen;  grossentheils  aber  sind  dieselben  dem  Einfluss 
der  Lichtschwächung  durch  Reflexion  zuzuschreiben.  Bei  der 
directen  Vergleichung  beider  Spectren  fällt  dieser  Umstand 
ausser  Betracht,  da  die  Reflexion  für  beide  Lichtbündel  als 
gleich  betrachtet  werden  kann.  In  den  beiden  anderen 
Fällen  aber  ist  er  wohl  zu  berücksichtigen;  die  richtigen 
Extinctionscoefficienten  sind  etwas  kleiner  als  die  experi- 
mentell gefundenen. 


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a  Pulfrich.  195 
Kautschuk  (1.  Versuchsreihe). 


Petroleumlicht 

Tab.  VII. 

Sc.    |  i: 

»  1 

t" 
i 

-log/;' 

Q 

150  0,0572 
160  0,6201 
170  0.5.SS9 
180  0^5630 
190  0,5407 
200  0,5212 

0,558  0,607 
0,471  0,553 
0,438  0,525 
0,422  0,484 
0,406  0,448 
0,390  0,414 

0,310 
0,271 
0,249 
0,214 
0,185 
0,167 

0,217 
0,257 
0.280 
0.315 
0.349 
0,383 

0,509 
0,567 
0,604 
0,670 
0,733 
0,777 

2,345 
2,206 
2,157 
2,128 
2,100 
2,030 

In  beiden  Spectren  (siehe  die  Tabelle)  wächst  die  Ab- 
sorption dem  Blau  zu;  das  Absorptionsverhältniss  aber,  Q. 
nimmt  ab. 

2.  Versuchsreihe.  Oxalsaures  Chromoxydammo- 
niak J)  1.  in  Keilform  und  2.  in  Plattenform.  (Von W.Steeg.) 

Dieser  Körper  bot  in  mehrfacher  Hinsicht  interessante 
Erscheinungen. 

Hielt  man  den  Keil,  der  zwischen  zwei  Glasplättchen 
vermuthlich  eingekittet  war,  vor  das  Auge,  so  sah  man  zwei 
getrennte  Spectren,  einen  blauen  und  einen  rothen  Streifen, 
und  zwar  in  umgekehrter  Reihenfolge  als  beim  gewöhnlichen 
Glasspectrum.  Zuerst  vermuthete  ich,  es  sei  dies  die  Er- 
scheinung der  anomalen  Dispersion;  es  stellte  sich  aber  bald 
bei  Anwendung  von  polarisirtem  Lichte  heraus,  das  der  rothe 
Streifen  dem  ordinären,  der  blaue  dem  extraordinären  Spec- 
trum angehörte. 

Mit  der  dichroskopischen  Lupe  betrachtet,  zeigte  der 
Keil  ein  hellblaues  Bild  und  ein  zweites,  in  dünneren  Schich- 
ten mit  grau -grünlicher,  in  dickeren  mit  bräunlich -rother 
Färbung. 

Vor  den  .Spalt  des  Glan'schen  Photometers  gebracht, 
ergaben  sich  zwei  vollkommen  von  einander  verschiedene 
Absorptionsspectren.  Gemeinsam  ist  beiden  ein  schmaler, 
aber  stark  ausgesprochener  Absorptionsstreifen  zwischen  den 

l)  Das  sehr  verwandte  Oxalsäure  Chromoxydkali  ist  in  seinen  be- 
merken8werthen  optischen  Eigenschaften  zuerst  von  Brewster  (Pogg. 
Ami.  28.  p.  384.  1833)  untersucht  worden  und  heisst  daher  auch  Brew- 
ster'sches  Salz. 

13* 


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196 


C.  Pulfrich. 


Fraunhofer'schen  Linien  B  und  C}  zusammenfallend  mit  dem 
Theilstrich  139  der  Glan'schen  Scala.  Es  scheint  dies  der- 
selbe Streifen  zu  Bein,  welchen  H.  W.  Vogel1)  für  grüne 
und  violette  Modifikationen  des  Chromoxyds  zuerst  bemerkte. 
Beide  sind  jedoch  an  Intensität  merklich  verschieden. 

Dann  folgt  im  unteren  Spectrum  ein  schmaler,  sehr 
schwacher  Absorptionsstreifen  bei  145  und  ein  gleicher  im 
oberen  Spectrum  bei  148,5.2) 

Von  hier  an  steigt  in  beiden  Spectren  die  Absorptions- 
curve,  erreicht  ein  Maximum,  fällt  dann  wieder  bis  ungefähr 
200,  resp.  210,  um  endlich  dem  Violett  zu  wieder  anzusteigen. 
Die  photometrische  Prüfung  ergab  Gleichheit  der  beiden  Ab- 
sorptionen bei  186  — 190.  Von  hier  aus  gerechnet  dem 
Roth  zu  war  das  Absorptionsverhältniss  >1,  dem  Blau  zu 
dagegen  kleiner.  Die  beigegebene  Zeichnung  (Taf.  III. 
Fig.  le)  möge  ein  ungefähres  Bild  der  beobachteten  Er- 
scheinung geben.  Es  erklärt  sich  hieraus  das  Auftreten 
der  beiden  oben  erwähnten  (blauen  und  rothen)  Streifen:  im 
ersten  Falle,  bei  dem  am  wenigsten  abgelenkten  Spectrum, 
gehen  hauptsächlich  blaue,  im  zweiten,  bei  dem  am  meisten 
abgelenkten  Spectrum,  gehen  hauptsächlich  rothe  Strahlen 
durch. 

3.  Versuchsreihe.  Indigo  auf  einer  Glasplatte  gleich- 
mässig  vertheilt  und  in  bestimmter  Richtung  verrieben.  (Von 
Freiherrn  v.  Seherr-Thoss.) 

Die  dichroskopische  Lupe  ergab  ein  dunkel-  und  ein 
hellblaues  Bild,  letzteres  mit  röthlicher  Färbung.  Die  Zahlen 
in  Tab.  VIII  haben  die  gleiche  Bedeutung  wie  die  in  Tab.  VII 
und  sind  auf  dieselbe  Weise  gewonnen.  Jedoch  ist  tj'  nicht 
direct  beobachtet,  sondern  aus  v  und  ij  berechnet.  Auch 
hier  hat  die  Lichtschwächung  durch  Reflexion  »störenden  Ein- 
fluss.  Man  könnte  zwar  diesen  Uebelstand  durch  Eintauchen 
des  Präparates  in  ein  Gefäss  mit  Wasser  etwas  vermeiden; 
das  habe  ich  aber  unterlassen,  um  die  schönen  Präparate 
nicht  zu  beschädigen. 

1)  Vogel,  Spectralanalyse  p.  242  u.  245. 

2)  Ich  habe  mich  von  dieser  eigenthürnliehen  Erscheinung  zu  den 
verschiedensten  Zeiten  überzeugen  können. 


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C.  Pulfrich.  197 


Indigo  (3.  Versuchsreihe). 
Petroleumlicht.  Tab.  VIII. 


o  _ 
OC 

kl 

Mi 

= i 

'8 

i 

-log*, 

Q 

nerccnnei 

140 

0,7009 

_ 

0,3073 



0,513 





145 

0,6782 

0,2830 
0,1430 

0,2500 

0,0708 

0,602 

1,150 

1,911 

150 

0,6572 

0,1960 

0,0280 

0,708 

1,552 

2,193 

155 

0,6379 

0,1056 

0,1608 

0,0170 

0,794 

1,770 

2,230 

160 

0,6201 

0,0994 

0,1825 

0,0184 

0,878 

1,879 

2,140 

170 

0,5889 

0,1109 

0,1254 

0,0139 

0,902 

1,857 

2,059 

180 

0,5630 

0,1525 

0,1473 

0,0225 

0,832 

1,649 

1,982 

190 

0,5407 

0,2690 

0,2077 

0,0559 

■  0,683 

1,253 

1,834 

200 

0,5212 

0,4059 

0,2275 

0,0923 

0,643 

1,035 

1,609 

210 

0,5037 

0/.486 

0,2486 
0,2486 

0,1361 

0,605 

0,865 

1,431 
1,368 

220 

0,4881 

0,5995 

0,1491 

0,605 

0,827 

Die  beiden  Spectren  zeigen  der  Tabelle  zufolge  einen 
breiten  Absorptionsstreifen  ungefähr  bei  D.  Die  Curve  des 
Absorptionsverhältnisses  Q  hat  ein  Maximum  ungefähr  für 
X  =  0,6300. 

Von  den  übrigen  dichroitischen  Präparaten,  welche  ich  un- 
tersuchte, und  die  ebenfalls  durch  Freiherrn  v.Seherr-Thoss 
dargestellt  sind,  zeigte  namentlich  eins  das  Phänomen  des 
Dichroismus  sehr  deutlich;  es  war  dies  ein  Präparat,  welches 
durch  Aufstreichen  von  chrysamminsaurem  Kali  *)  in  einer  be- 
stimmten Richtung  erhalten  war.  Das  ordinäre  Bild  war  intensiv 
orangegelb,  das  extraordinäre  schwärzlich  purpurroth.  Es 
wurde  nun  diese  Platte  so  vor  dem  Spalte  des  Gltn'schen 
Apparates  angebracht,  dass  dessen  Längsrichtung  mit  der 
Strichrichtung  zusammenfiel;  im  oberen  Gesichtsfeld  war 
dann  die  ganze  blaue  Seite  absorbirt  bis  etwa  156,  im  un- 
teren nicht  so  weit,  bis  158.  Weitere  Eigentümlichkeiten 
der  beiden  Absorptionsspectren  Hessen  sich  mit  Sicherheit 
nicht  erkennen,  weil  die  aufgestrichene  Masse  nicht  voll- 
kommen homogen  vertheilt  war.  — 

4.  Versuchsreihe,  a)  grüner  Turmalin,  b)  rother 
Turmalin;  parallel  der  Axe  geschnitten. 

Da  bis  jetzt,  meines  Wissens,  keine  Bestimmungen  über 
die  Absorption  in  Turmalinkrystallen  vorliegen  (ausser  den 

1)  Siehe  den  sehr  interessanten  Aufsatz  von  M.  y.  Seherr-Thoss, 
Wied.  Ann.  6.  p.  270.  1879. 


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198 


G  Pulfrich. 


bekannten  von  0.  Hagen1),  so  theile  ich  im  Folgenden  die 
vollständigen  Versuchsreihen  mit.  Untersucht  wurden  zwei 
grüne  Turmalinplatten  und  eine  rothe  (s.  Tab.  IX,  X  und 
XI).  Von  den  grünen  war  die  erster e  (Dicke  $  =  2,511  mm) 
einer  neuen  Turmalinzange  des  Cabinets  entnommen,  ebenso 
der  rothe  Turmalin  (ein  dünnes  Plättchen,  auf  eine  Glas- 
platte aufgekittet;  Dicke  §  =  0,141  mm);  der  zweite  grüne 
Turmalin  war  ein  ungeschliffenes  Stück  (mittlere  Dicke 

I  =  3,01  mm). 

Mit  der  dichroskopischen  Lupe  untersucht,  ergab  sich 
für  das  II.  Spectrum  vollständige  Dunkelheit;  das  erstere 
war  grün,  resp.  roth  gefärbt. 

Zur  näheren  Erläuterung  der  Tabellen  diene  Fol- 
gendes: 

Wie  schon  früher  angedeutet,  wurde  hier  die  Correction 
der  Scalentheile  vorgenommen.  Zu  dem  Ende  wurde  die 
rothe  H- Linie  in  ihren  Stellungen  zwischen  zwei  Scalen- 
theilen  bei  verschiedenen  Drehungswinkeln  a  notirt;  die 
hieraus  construirte  Curve  gab  zu  jedem  Winkel  a  die  Ver- 
schiebung bis  auf  lj10  Sealentheil  genau. 

Was  nun  insbesondere  die  Resultate  der  Messungen  an- 
geht, so  war  eine  genaue  Bestimmung  nur  bei  Spectrum  I 
möglich.  Bei  dem  zweiten  musste  der  Ocularspalt  bis  zu 
10  Scalantheilen  verbreitert  werden,  wollte  man  überhaupt 
noch  Licht  wahrnehmen:  (vgl.  die  Lichtmengen  ih.2)  Zur  Con- 
trole  wurde  die  Bestimmung  von  u  =  i\fi\  vorgenommen  und 
daraus  mit  Hülfe  von  Spectrum  I  die  Daten  für  Spectrum 

II  berechnet.  Durchgeht  man  die  Tabellen  im  Einzelnen,  so 
zeigt  sich  oft  vollständige  Uebereinstimmung.  Die  übrigen 
Abweichungen  finden  ihre  Erklärung  in  fehlerhaften  Bestim- 


1)  Derselbe  konnte  mit  seinem  Apparat  nur  das  Absorptionsver  hält  - 
niss  Q  messen.  —  Seine  1858  veröffentlichte  Dissertation,  worin  wahr- 
scheinlich die  Zahlenwerthe  für  Turmalin  angegeben  sind,  ist  mir  leider 
nicht  zu  Gesicht  gekommen. 

2)  Man  sieht  zugleich,  dass  z.  B.  für  die  mittleren  Partieen  (Tab.  IX) 
sich  das  Verhältniss  der  übrig  bleibenden  Lichtmengen  zu  1 : 465  heraus- 
stellt, also  die  Benutzung  desTurmalins  zur  Polarisation  des  Lichtes  wohl 
gerechtfertigt  ist. 


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C.  Pulfrick. 


199 


mungen  des  Nullpunktes1)  und  des  Winkels  u.  Die  Reflexion 
an  den  Flächen  der  Krystalle  war  durch  Eintauchen  der- 
selben in  ein  planparalleles  Gefäss  mit  Alkohol  beseitigt. 


Grüner  Turmalin.  (4. 


I'etroleumlicht. 


2,51 1  mm. 


Versuchsreihe,  a.) 

Tab.  IX a.  (s.  Taf.lII  Fig.  1  7 


) 


e 

8  p  c  c  t  r  n  in  I 

Sc. 

'S  "u 

'  £  Ii 

X 

f=  b 

c  — 

et 

u 

i ' 

5 

142,5 

148,40 

0,6h55 

1  8' 

44" 

1  4 

l )  (X  )4 

0,1725 

145 

14o,<5 

0,6750 

b2 

13 

44 

OQ 
•»O 

0  0 1 R 

0,1275 

147,5 

14s.  1  5 

0,6650 

7!» 

14 

44 

'<S 
•  »o 

\  »,  1».  1,J 

0,1060 

150 

1 50,55 

0,6551 

76 

10 

44 

.Li 

0,0891 

!55 

155,40 

0,6365 

69 

12 

O  1  4T 

0,0616 

160 

160.25 

0,6193 

63 

28 

44 

•)o  , 

0,0443 

165 

165.20 

0,6031 

60 

0,334 1 

0,0351 

170 

170.15 

0,5885 

5* 

7 

0,384 

0,0303 

J  (0 

I  i    "7  \  1 

-  — 

Ol 

43 

44 

54 

0,397 

0,OJ;).> 

ISO 

180,15 

0,5(;_'T 

58 

15 

0,380 

0.0306 

185 

185,15 

0.5511 

58 

55 

0,862 

0,0322 

190 

190.15 

0,5404 

59 

5 

44 

55 

0,356 

0,0327 

195 

195,15 

0,5304 

59 

43 

0.389 

0,0M43 

200 

200,20 

0,5208 

60 

29 

0,319 

0,0362 

205 

205.20 

0,5118 

61 

15 

« 

56  , 

0,300 

0,0382 

210 

210,25 

0,5033 

62 

15 

0,276 

0,0409 

215 

215,25 

0,4953 

63 

10  |44 

0.250 

0,04  10 

220 

220,25 

0,4*77 

64 

0  i 

0.234 

0,0460 

230 

230.30 

0,4737 

66 

39*  |  .  . 

58 

0,186 

0,0534 

240 

240,35 

0,4604 

68  22* 

0,157 

0,0587 

250 

250,45 

0,4488 

73 

,  * 

4  1 

59 

0.093 

0.0752 

S  p  e  c  t  r  u  m  II 

«  =  44°  56' 


}s8°  20  0.000*4  0,224 
I 


88  19    0,00086  0,223 

j8S  19  I  0,00086  0,223 

ss  1«>   0,00086  0*223 

88  19  i  0,000S6'  0,223 


3,8 
6,2 
7,6 
7,0 
6,5 


Tab.  IXt 


Sc. 


«=44°56      *  =  i 


150  \ 

88° 

4'  * 

160  | 

87 

38 

170  j 

87 

18 

180  l 

87 

17 

190  ] 
200 

87 

42 

210  f 

88 

7  * 

0,001 1 
0,0017 
0.0022 
0,0022 
0,0016 
0,0010 


B  p  e  e  tr  um 

II 

Q 

•>r 
'i 

b 

e=  ;. 

89° 

16 

0,00016 

0,277 

4,4 

88 

39 

0,00056 

0,237 

6,7 

88 

18 

0,00088 

0,223 

7,6 

SS 

22 

0,00081 

0,22$ 

88 

40 

0,00054 

0,238 

6,8 

88 

58 

0,00032 

0,255 

6,7 

1)  Vgl.  die  Anm.  1  p.  179.  —  Die  Bestimmung  der  Werthe  «  bei 
Spectrum  II  gab  ein  Mittel  an  die  Hand,  diesen  Nullpunkt  zu  controli- 
ren,  indem  vor  und  hinter  90°  auf  Gleichheit  eingestellt  wurde.  Die  so 
gefundenen  Werthe  schwankten  zwischen  -}-0012'  und  -f  0°19',  Zahlen, 
zwischen  denen  die  früher  gefundene  genau  in  der  Mitte  steht. 


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200 


C.  Pulfrich 


Grüner  Turmalin.    (4.  Versuchsreihe,  a.) 
Petroleumlicht   5  -  3,01  mm.'  Tab.  X».  (s.  Taf.  III  Fig.  17.) 


Sc. 

l 

Spectrum  I 
«'=  44°  58' 

öC. 

; 

abgelesen 

in  Bexug  auf 

X : 

h 

— 

ff  (*c\rr\cr\ rt 

rt 

u 

e  ~  T 

147,5 

148,25 

._ 

0,6645 

82° 

47' 

0  016 

0  1098 
0  0H86 

150 

150,65 

0,6547 

79 

23 

0  035 

155 

155,45 

0,6363 

72 

37 

0,098 

0  0615 

160 

160,30 

0,6191 

66 

OK 

30 

0  187 

0  0443 

165 

165,20 
170,15 

0,6032 

62 

26 

0,272 

0,0343 
0,0294 

170 

0,5885 

60 

8 

0,329 

175 

175,15 

0,5751 

59 

44 

0,340 

0,0285 

180 

180,15 

1  Rt\  1  r; 
loO,  10 

0,5626 

60 

9 

0,329 

0,0294 

1 

loo 

0,5511 

60 

34 

0,318 

0,0303 

190 

190,20 

0,5403 

61 

10 

0,302 

0,0316 

200 

200,25 

0,5207 

64 

7 

0,235 

0,0383 

210 

210,30 

0,5032 

67 

33 

0,170 

0,0468 

220 

220,40 

0,4875 

71 

22 

0,113 
0,070 

0,0575 

230 

230,50 
240,65 

0,4734 

75 

10 

0,0703 

240 

0,4601 

78 

25* 

0,042 

0,0839 

Tab.  Xb. 

Sc. 

Spectrum  II 
rt'=44°2' 

Q 

«'=  45°  2 

v  V 

i 

a 

b 

€=ST 

140—240 
140-240 

87°  20' 

0,000  217 

88°  18' 
88°  26' 

■  ■ 

0,00088 
0,00074 

0,1859 
0,1906 

6,5 
6,7 

Rother  Turmalin    (4.  Versuchsreihe,  b.) 

Petrolenmlicfat   5=0,141  mm.  Tab.  XTa.  (s.  Taf.  III  Fig.  1  s.) 


Sc. 

ab- 


Sc. 


auf  a 


140 
145 
150 
1 55 
160 
165 
170 
175 
180 
185 
190 

e 

220 

230 


140,20 
145,15 
150,15 
155.15 
160,15 
165,15 
170,20 
175,20 
1 80,25 
185,25 
190,25 
200,30 
210,30 
220,35 
230,40 


0,7000 
0,6776 
0,6566 
0,6373 
0,6196 
0,6033 
0,5883 
0,5750 
0,5624 
0,5509 
0,5402 
0,5206 
0,5032 
0,4876 
0,4736 


Spectrum  I 
«  =  44°  47 


60°  39' 

58  44 

58  18 

58  4 

58  50 

59  40 

61  8 

62  38 

63  34 

64  34 

65  8 

66  28 

67  30 

68  22* 


0,295 
i  0,352 
0,375 
0,382 
0,360 
0,337 
0,299 
0,264 
0,243 
0,223 
0,212 
0,187 
j  0,169 
0,155 


0,689 
0,592 
0,553 
0,545 
0,576 
0,613 
0,681 
0,752 
0,797 
>  0,848 
0,876 
0,947 
1,005 
1,053 


Spectrum  II 
a'=  44°  47' 


b 
X 


Q 


|86°  44 
\l  26 


87  36 
87  40 


I 
I 
I 
I 
I 

J87  44 
|87  44 

jHT  42 

188  — 


0,0031 
0,0020 
0,0017 

0,0016 

0,0015 
0,0015 

0,0016 

0,0012 


3,256 
3,514 

3,589 

3,621 

3,654 
3,654 

3,639 


5,4 
6,4 

5,6 

4,8 

4,3 
4,0 

3,8 


3,795  3,7 


Digitized  by  Google 


C.  Pulfrich. 
Tab.  Xlb. 


201 


Sc.  i 


o : 

«'=44°  47' 


Spectrum  II 


6  =  T 


150  t 
160  ' 
170  | 
180  [ 

190 ; 

200  ! 


210 
230 


} 


84°  2' 

84  9 

84  5 

83  49 

83  54 

83  56 

83  59 


0,0108 
0,0103 
0,0106 
0,0115 
0,0113 
0,0111 
0,0100 


86( 

86 

87 

87 

87 


20* 
42 
1 
4 
22 


87  36 
87  43 


0,0039 
0,0034 
0,0028 
0,0027 
0,0022 
0,0018 
0,0016 


3,133 
3,205 
3,326 
3,334 
8,467 
3,573 
3,623 


5,7 
5,2 
4,4 
4,0 

3,8 
3,7 
3,6 


Bezüglich  der  Absorptionsspectren  haben  sich  als  cha- 
rakteristisch für  die  Turmalinkrystalle  die  beiden  Absorp- 
tionsstreifen im  Ultrablau  und  Ultraroth  (beim  ordinären 
Spectrum  sowohl  wie  beim  extraordinären)  herausgestellt, 
welche  sich  bis  ins  sichtbare  Spectrum  hinein  erstrecken 
und  dort  eine  Art  Kessel  bilden.  Bei  dem  rothen  Turmalin 
tritt  der  letztere  etwas  zurück.  Auch  bei  den  grünen  Tur- 
malinen  zeigt  sich  bezüglich  des  Streifens  im  Blau  eine  Ver- 
schiedenheit. 

Für  die  Quotienten  Q  ergibt  sich  beim  grünen  Turma- 
lin ein  Maximum  7,6  (resp.  6,7).  Beim  rothen  hingegen 
scheint  erst  an  der  rothen  Grenze  des  Spectrums  ein  Maxi- 
mum erreicht  zu  sein.  —  Ob  das  von  Hagen  vermuthete 
Gesetz,  „dass  das  Absorptionsverhältniss  Q  symmetrisch  sei 
in  Beziehung  auf  Amax.".  hier  seine  Bestätigung  findet,  lässt 
sich  mit  Sicherheit  nicht  entscheiden.  Dazu  müssten  noch 
die  Daten  von  Spectrum  II  genauer  bestimmt  werden  an 
dünner  geschliffenen  Krystallplatten. 

5.  Versuchsreihe.  Titanit,  parallel  der  Axe  ge- 
geschnitten, Dicke  j  =  4,233  mm  (s.  Tab.  XII). 

Die  dichroskopische  Lupe  ergab  für  das  zweite  Spectrum 
ein  rothbraunes  Bild,  während  das  erste  wasserhell  war,  mit 
einem  Stich  ins  Grünliche. 


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202  C.  Pulfrich. 


T  i  t  a  11  i  t.    (5.  Versuchsreihe.) 

l'etroleumlicht.    ;  =  4  233  nim.  Tab.  XII  i.  (s.  T 


Spectrum  I 
,e'=44M 

Spectrum  II 
»  -  44°  4' 

Sc. 

Q 

b 

e=T 

(t 

b 

147,5 

150 

155 

160 

170 

180 

190 

200 

21(1 

220 
230  | 
240| 

0,6077 
0,6572 
0,6379 
0,6201 
0,5890 
o,:»t;:;o 
0,5407 
0.5212 
0,5037 
0,4881 

0,4741 

53°  16 
o4  16 

55  25 

56  18 
55  56 
55  24 
55  20 
54  12 

54  22 

55  34 

57  12 

0,522 
0,485 
0.445 
0,417 
0,428 
0,446 
0,448 
0,487 
0,481 
0,440 

0,309 

0,0122 
0,0136 
0,0152 
0,0165 
0,0159 
0,0152 
0,0151 
0,0135 
0,0137 
0,0154 

0,0177 

59°  —  * 

_ 

62  48 
67  32 
70  52 
74  8 
76  2* 
76  54* 
78  57* 

_ 

0,340 

0,248 

0.160 

0,113 

0,0757 

0,0580 

0,0507 

0,0357 

0,0203 

0,0263 
0.0344 
0,0410 
0,0485 
0,0535 
0,0560 
0,0626 

1,49 

1,59 
2.18 
2,69 
3,21 
3,96 
4,08 
4,06 

Tab.  XIH. 


Sc. 

«  = 

a 

44°  4' 

v  —  — 
lt 

S  ji  e  c  t  r  u  m 

II 

Q 



a 

'? 

b 

SSST 

150 

47' 

—  — — 

1  40 

0,778 

57°  36' 

0,377 

0,0184 

1,35 
1,51 

160 

50 

33 

0.634 

62 

1 

0,265 

0,0250 

170 

46 

17 

0,414 

66 

32 

<M7r, 

0,0326 

2,05 

ISO 

62 

20 

0,258 

70 

41 

0,115 

0,0406 

2,67 

190 

66 

19 

0,180 

73 

39 

0,0807 

(».(1473 

3,13 

200 

68 

18 

0.148 

74 

29 

0,0722 

0,0494 

3,66 

210 

69 

53 

0,126 

*-  - 

45 

0,0605 

0,0528 

3,86 

220 

72 

4 

0,098 

77 

54 

0,0432 

0,0591 

3,90 

Die  Tabelle  bedarf  keiner  weiteren  Erläuterung.  In 


Spectrum  I  steigt  die  Absorption,  von  Eoth  aus  gerechnet, 
fallt  dann  wieder  langsam,  um  sieb  endlich  dem  Blau  zu 
wieder  zu  heben.  Das  zweite  Spectrum  zeigt  ein  continuirliches 
Steigen  der  Absorption  dem  Blau  zu.  Das  Absorptionsver- 
hältniss  Q  erreicht  erst  im  Blau  ein  Maximum.1)  — 

Von  den  übrigen  Krystallen,  von  denen  die  meisten 
wenig  zu  Messungen  geeignet  waren,  untersuchte  ich  noch 
einen  optisch  zweiaxigen  Krystall,  Epidot.  Dabei  wandte 
ich  auf  Vorschlag  von  Hrn.  Ketteier  versuchsweise  ein 
Verfahren  an,  welches  auf  der  Verbindung  eines  Kalkspaths 
mit  dem  Vierordt'schen  Doppelspalt  beruht: 

1)  Möglicherweise  hat  eine  ungenaue  Bestimmung  von  «'  die  Daten 
etwas  gegen  einander  verschoben. 


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(7.  Pttlfrich. 


203 


Das  Licht  geht  zunächst  durch  einen  horizontalen  Spalt, 
dessen  Breite  mittelst  einer  Mikrometerschraube  variirt  wer- 
den kann,  durchläuft  dann  ein  Kalkspathrhomboeder l)  von 
ziemlicher  Dicke  und  wird  mittelst  einer  Linse  von  grosser 
Brennweite  auf  einen  Schirm  geworfen;  auf  demselben  ent- 
stehen somit  zwei  vertical  übereinanderliegende  Bilder  des 
Horizontalspaltes.  Infolge  der  ungleich  starken  Dispersion 
des  Kalkspaths  für  beide  Strahlen  ist  —  ebenso  wie  beim 
Glan'schen  Apparate  —  eine  scharfe  Berührung  für  alle 
Farben  zugleich  nicht  möglich,  kann  aber  leicht  durch  Ver- 
schmälerung,  resp.  Verbeiterung  des  ersteren  Horizontal- 
spaltes für  jede  beliebige  Farbe  erzielt  werden.  Ist  dies 
erreicht,  so  wird  jetzt  an  Stelle  des  Schirmes  der  Vierordt'- 
sche  Doppelspalt  gebracht.  Bei  richtiger  Stellung  muss  die 
Trennungslinie  der  beiden  Spalthälften  genau  mit  derjenigen 
obiger  Spaltbilder  zusammenfallen.  Die  obere  Spalthälfte  ist 
somit  von  ordinärem,  die  untere  dagegen  von  extraordinärem 
Lichte  beleuchtet 

Nach  diesen  Vorbereitungen  schiebt  man  den  zu  unter- 
suchenden Krystall  zwischen  Doppelspalt  und  Kalkspath  so 
ein,  dass  seine  Hauptschnitte  mit  denen  des  Kalkspaths  zu- 
sammenfallen; es  gelangen  dann  die  vom  Krystall  in  den 
beiden  Schwingungsrichtungen  nicht  absorbirten  Lichtmengen 
zur  Vergleichung  und  können  in  der  von  Vierordt  ange- 
gebenen Weise  gemessen  werden.  Zunächst  erhält  man  bei 
vollständiger  Bedeckung  des  Doppelspaltes  direct  v  =  iJ'/jJ,  i'( 
und  i  J  'durch  Bedeckung  der  Spalthälften.  Mit  Bezugnahme  auf 
die  Bestimmung  von  i  J'  resp.  i'h  ist  zu  bemerken,  dass  der  Kalk- 
spath sehr  vortheilhaft  durch  ein  Nicol  ersetzt  werden  kann. 

Die  Schwierigkeiten  der  Ausführung  solcher  Messungen 
sind  nicht  grösser  als  bei  Absorptionsbestimmungen  von 
Flüssigkeiten  mit  dem  Vierordt'schen  Apparate.  Die 
Schwächung,  welche  der  Lichtstrahl  an  den  Flächen  des 
Kry stalls  durch  Reflexion  erleidet,  wird  auf  eine  schon 
früher  erwähnte  Weise  beseitigt:  man  steckt  den  Krystall 

1)  Die  Absorption  der  beiden  Liehtbtindel  im  Kalkspath  ist  nach  den 
Beobachtungen  von  Wild  als  gleich  zu  betrachten.  —  Die  Methode  eignet 
sich  auch  für  ein«  objective  Darstellung  des  Dichroisnius. 


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204 


C.  Pulfrich. 


in  ein  planparalleles  Gefäss,  in  welchem  sich  eine  farblose 
Flüssigkeit  von  möglichst  gleichem  Brechungsexponenten  be- 
findet. Eine  alle  Farben  gleichmässig  schwächende  Flüssig- 
keit, z.  B.  gewöhnliche  schwarze  Tinte,  lägst  sich  sehr  gut 
zur  Lichtschwächung  der  freien  Eintrittsspalte  verwenden 
und  ersetzt  so  die  von  Vi  er or  dt  empfohlenen  Rauchgläser. 
Die  Absorptionskraft  der  Flüssigkeit  für  die  Dicke  der  an- 
gewandten Krystallplatte  muss  natürlich  vorher  für  alle 
Spectralfarben  genau  bestimmt  werden. 

6.  Versuchsreihe.  Epidot,  ungefähr  2  mm  dick; 
parallel  der  Mittellinie  geschnitten. 

Die  Platte  war  in  ein  planparalleles  Gefäss  mit  Alkohol 
gesteckt.  Sonstige  Vorsichtsmaassregeln,  Rauchgläser  etc.,  habe 
ich  nicht  angewandt.  Die  ursprüngliche  Breite  des  Vierordf- 
schen Doppelspaltes  war  =  lOOTrommeltheile.  Zur  Berechnung 
der  Extinctionscoefficienten  —  logzj'  sind  die  aus  v  und  i'h  be- 
rechneten Werthe  i'J'  zu  Grunde  gelegt.  Die  Resultate  der  Be- 
obachtungen stehen  in  Tab.  XIII;  in  der  letzten  Columne  sind 
die  Quotienten  Qder  Extinctionscoefficienten  angegeben;  doch 
kommt  denselben  kein  grosser  Genauigkeitsgrad  zu. 


Kalklicht.  Epidot.   (6.  Versuchsreihe).  Tab.  XIII. 


Sc. 

X: 

<• 

* 

1 

» 
4 

-iogi; 

-log,-' 

beobachtet  berechnet 

0 

0,7155 

0,453 

0,656 

0,297 

0,183 

0,527 

j  2,87 

5 

0,6990 

0,375 

0,597 

0,200 

0,224 

0,224 

0,650 

2,90 

10 

0,6830 

0,291 

0,535 

0,160 

0,156 

0,272 
0,334 

0,808 
0,988 

2,97 

15 

0,6680 

0,222 

0,463 

0,103 

2,95 

20 

0,6555 

0,195 

0,404 

0,110 

0,0788 

0,394 

1,104 

2,80 

25 

0,6442 

0,180 

0,365 

0,0657 

0,438 

1,182 

2,70 

30 

0,6319 

0,166 

0,340 

0,110 

0,0564 

0,469 

1,248 

2,67 

40 

0,6094 

0,158 

0,313 

0,0494 

0,505 

1,306 

2,59 

50 

0,5889 

0,158 

0,300 

0,105 

0,0474 

0,523 

1,324 

2,53 

60 

0,5710 

0,180 

0,276 

0,110 

0,0497 

0,559 

1,304 

2,83 

70 

0,5550 

0,215 

0,248 
0,235 

0,121 

0,0533 

0,605 

1,273 

2,10 

80 

0,5420 

0,241 

0,120 

0,0566 

0,629 

1,247 

1,98 
1,95 

90 

0,5298 

0,243 

0,224 

0,117 

0,0544 

0,650 

1,264 

95 

0,5235 

0,224 

0,218 

0,0488 

0,662 

1,311 

1,98 

100 

0,5180 

0,191 
0,167 

0,206 

0,100 
0,090 

0,0393 

0,686 

1,405 

2,05 

110 

0,5080 

0,175 

0,0292 

0,758 

1,534 
1,595 

2,03 

120 

0,4983 

0,164 

0,155 

0,0254 

0,810 

1,97 

130 

0,4895 

0,130 

0,886 

140 

0,4807 

0,119 

~  I 

■ 

0,924 

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C  Pulfrich. 


205 


Die  beiden  Absorptionsspectren  zeigen  eine  Zunahme 
der  Absorption  dem  Blau  zu,  Q  dagegen  zwei  Maxima  und 
dazwischen  ein  Minimum. 

Mit  Hülfe  eines  Epidotprismas  (brechender  Winkel  un- 
gefähr =  21°  20'),  dessen  eine  Fläche  der  Mittellinie  der 
optischen  Axen  parallel  war,  habe  ich  die  Brechungsindices 
einiger  Strahlen  für  Spectrum  I  und  II  bestimmt.  Letzteres 
war  um  ungefähr  40'  stärker  abgelenkt;  nur  mit  Mühe  konn- 
ten einzelne  Messungen  gemacht  werden,  da  einerseits  die 
Absorption  zu  stark  war,  und  andererseits  sehr  viele  falsche 
innere  Reflexionen  auftraten.  Gefunden  wurden  folgende 
Zahlen  (die  Salze  wurden  in  der  Flamme  eines  Bunsen'schen 
Gasbrenners  verbrannt): 


Epidot.  Tab.  XIV. 


Spectral- 
linien 

a: 

Brechungsindices 

Spectrum  I 

Spectrum  II 

Li« 

0,6705 

1,7270 

1,7573 

Ho 

0,6562 

1,7277 

Na 

0,5889 

1,7328 

1,7640 

Tl 

0,5350 

1,7382 

HS 

0,4861 

1,7698* 

Die  Babinet'sche  Regel  findet  sich  also  auch  hier  im 
Grossen  und  Ganzen  bestätigt;  das  am  stärksten  abgelenkte 
Spectrum  ist  zugleich  am  stärksten  absorbirt.  Weitere  Eigen- 
tümlichkeiten bezüglich  der  Dispersionscurven  lassen  sich 
aus  diesen  Zahlen  nicht  ableiten. 

Bei  passender  Gelegenheit  gedenke  ich  diese  Arbeit 
fortzusetzen.  Dabei  wird  eine  allseitige  Bestimmung  der 
optischen  Constanten  der  Krystalle  und  insbesondere  die 
genaue  Messung  der  Extinctions-  und  Refractionscoefficienten 
in  den  Vordergrund  treten.  Zu  den  Refractionsbeobach- 
tungen  wird  wohl  am  besten  der  von  Ketteier  vorgeschla- 
gene „Fixator"  geeignet  sein.  Derselbe  hat  sich  bereits  bei 
farbigen  Flüssigkeiten1)  als  sehr  brauchbar  erwiesen. 

1)  Ketteier,  Wied.  Ann.  12.  p.  488.  1881. 


206  C.  Pulfrich. 

IV.    Prüfung  der  Ketteier  'sehen  Formeln. 

Nach  der  Kettelerschen  Theorie1)  bestehen  zwischen 
dem  Refractionscoefticienten  a,  dem  Extinctionscoefficienten  b 
und  der  Wellenlänge  ).  folgende  Relationen: 

m    2aA  _  -ff  2  _  ;•>  _  i  _  v  JAi  (*' ~  X™) 

W   x       r  (i*-iiy  +  gn* 1  "    ö  (*,-*i),-*-*9At' 

Hierin  bedeutet  Z>  die  Dispersionsconstante  und 
drückt  das  Mass  für  die  Wechselwirkung  zwischen  Aether- 
und  Körpertheilchen  aus;  ferner  ist  g  die  Reibungscon- 
stante  der  Körpermaterie,  nach  deren  Beschaffenheit  wir 
es  mit  durchsichtigen,  resp.  undurchsichtigen  Medien  zu 
thun  haben.  lm  ist  die  charakteristische  Wellenlänge  des 
betreffenden  Absorptionsstreifens.  Die  Summenzeichen  be- 
ziehen sich  auf  die  Anzahl  der  vorhandenen  Absorptionen. 

Durch  Einführung  eines  symbolisch  complexen  Brechungs- 
verhältnisses n .  —  a  +  b  Y  —  T  erhält  man  für  die  brechende 
Kraft: 

Sämmtliche  Formeln  umfassen  sowohl  normale  wie 
anomale  Dispersion  und  gestatten  ihre  Anwendung  auch 
auf  die  Hauptschnitte  von  Krystallen,  sofern  nur  D  für  sie 
verschieden  genommen  wird.  Man  erhält  infolge  dessen 
allgemein  zwei  gebrochene,  absorbirte  Strahlen  mit  je  einem 
verschiedenen  Refractions-  und  je  einem  verschiedenen  Ex- 
tinctionsindex. 

Denkt  man  sich  in  (I)  b  und  a  einzeln  als  Functionen 
von  X  entwickelt:  b  =  f(X)  und  a  =  F{X),  so  stellt  jede  dieser 
/Gleichungen  eine  Curve  dar;  die  erstere  heisse  die  Ab- 
sorptions-,  die  letztere  die  Refractionscurve. 

Jetzt  denke  man  sich  der  Einfachheit  halber  zunächst 


1 )  K  e  1 1  e  1  e  r,  Verhandl.  des  nat.  hist.  Vereins  f.  Rheinland  u.  Westfalen, 
36.  Jahrg.  IV.  Folge.  6.  p.  14.  1879;  Wied.  Ann.  7.  p.  117  u.  658.  1879. 

2)  Dieser  Ausdruck  ist  bereits  bei  versuchsweiser  Beschränkung  auf 
ein,  zwei  und  drei  Glieder  an  der  von  Maseart  gegebenen  Kaikspath- 
reihc  geprüft  worden  (Wied.  Ann.  12.  p.  367.  1881). 


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C.  JPulfrieh.  207 

ein  Mittel  mit  nur  einem  Absorptiosstreifen,  so  dass  die 
Summenzeichen  in  Wegfall  kommen. 

Die  dann  durch  die  Gleichung  (I  dargestellte  Ourve 
zeigt  ein  Maximum  für  die  Beziehung: 

(1) 

Würde  man  die  Quadrate  der  Wellenlängen  als  Abscissen 
behandeln,  so  wäre  die  so  gezeichnete  Absorptionscurve 
symmetrisch  in  Beziehung  auf  1%. 

Was  den  Verlauf  der  zweiten  Curve  angeht,  so  gibt  die 
Differentiation  ein  Maximum  und  ein  Minimum  von«2— b2  für: 

(2)  *J-tt=  ±fflm.lj 

Eine  experimentelle  Prüfung  der  Formeln  (I)  verlangt 
ausser  der  Kenntniss  der  Extinctionscoefficienten  (b)  die 
genaue  Bestimmung  der  Brechungsindices  («),  sowie  der 
Wellenlänge  Am.2) 

Beschränkt  man  sich  jedoch  —  wie  es  hier  meine  Ab- 
sicht ist  —  auf  Messung  der  Absorptionscurve  und  will 
nachher  mittelst  der  gefundenen  Constanten  die  Refractions- 
curve  berechnen,  so  ist  man  selbstverständlich  zur  Aufstellung 
*on  Näherungsformeln  gedrängt. 

Zuerst  führe  ich  statt  des  (Cauchy-Ketteler'schen)  Coef- 
ncienten  {^nbjX)i  den  (Bunsen-Wernike'schen)  Coefticienten 
2>t £j  ein,  setze  also  bjl  =  «;  ferner  sei  abkürzungsweise 
(ia  -      =  £  und  D .  A*  =  2)  gesetzt. 

Für  gelöste  Farbstoffe  mit  einem  Absorptionsstreifen 
wird  es  genügen,  das  Summenzeichen  auf  m  Glieder  auszu- 
dehnen, von  denen  sich  die  m  —  1  ersten  auf  das  Lösungs- 
mittel, das  m.  auf  den  gelösten  Farbstoff  beziehen  sollen. 

Bei  Beschränkung  auf  geringe  Concentrationen  wird  es 
erlaubt  sein,  in  (I)  links  die  kleinen  Aenderungen  des  a  von 
Farbe  zu  Farbe  zu  vernachlässigen;  versteht  man  unter  n0'  den 
mittleren  Index  des  Lösungsmittels  (z.  B.  für  hm),  so  schreibt 
sich,  sofern  man  sich  noch  c  angenähert  als  eine  Constante 


1)  Hat  nur  praktischen  Werth  für  sehr  kleine  6,  für  welche  b2  ver- 
nachlässigt werden  darf. 

2)  Ketteier,  Wied.  Ann.  12.  p.  481.  1881. 


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208 


C.  Pulfrich. 


denkt,  welche  insbesondere  die  Absorption  des  Lösungsmittel 
bestimmen  soll: 

(I.)    2n0'e  =  c  +  ya  **n*>      fl2  -  wo  +  et  +  gi^iff  • 

In  der  zweiten  Gleichung  ist  b*  vernachlässigt  worden; 
für  den  durch  den  Farbstoff  modificirten  Index  n  des  Lö- 
sungsmittels ist  der  unmodificirte  n0  gesetzt,  vermehrt  um 
eine  kleine  Constante  a. 

Mittelst  der  aus  drei  Beobachtungspaaren  berechneten 
Constanten  g2,  £  und  c  lässt  sich  dann,  vorausgesetzt  dass 
km  bekannt  ist,  der  beobachteten  Absorptionscurve  e  eine 
berechnete  gegenüberstellen. 

Die  zweite  Gleichung  von  (Ia)  bietet  die  Möglichkeit, 
sofern  man  n0  kennt  und  a  vernachlässigt,  auch  die  zuge- 
hörige Refractionscurve  näherungsweise  zu  bestimmen. 

Stimmen  insbesondere  beobachtete  und  berechnete  Ab- 
sorptionscurven  gut  überein,  so  mag  man  sich  mit  (Ia)  be- 
gnügen. Ist  dies  aber  nicht  der  Fall,  so  setze  man  die 
mittelst  der  zweiten  Gleichung  gefundenen  Werthe  a  (statt 
des  Mittelwerthes  n0')  in  die  erstere  ein.  Eine  nochmalige 
Berechnung  der  drei  obigen  Constanten  wird  dann  zu  neuen 
Absorptions-  und  Refractionscurven  führen,  und  man  darf 
nun  schon  von  vornherein  eine  grössere  Uebereinstimmung 
erwarten. 

Ich  werde  mich  im  Folgenden  auf  eine  Prüfung  dieser 
Formeln  an  den  im  zweiten  Theile  dargelegten  Beobach- 
tungen einlassen. 

Die  symmetrische  Form  obiger  Formel  lässt  zu  einem 
Vergleich  zwischen  Beobachtung  und  Theorie  nur  Körper 
mit  möglichst  symmetrischen  Absorptionssstreifen  zu.  Die 
angestellten  Rechnungen  beziehen  sich  demgemäss  blos  auf 
Cyanin  und  Anilinblau. 

Was  nun  insbesondere  Tab.  II.  p.  185  angeht,  so  ergab 
in  den  meisten  Fällen  eine  Berechnung  der  dort  verzeich- 
neten Curven  e  einen  negativen  Werth  für  die  Reibungscon- 
stante  g2.  Die  einfache  Betrachtung  des  Ausdrucks  (I)  zeigt 
aber,  dass  g%  stets  eine  positive  Grösse  sein  muss.  Augen- 
scheinlich ist  der  Einfluss  von  g2  in  der  Mitte  der  Ab- 


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C.  Pulfrich. 


209 


sorptionsstreifens  am  grössten;  es  sind  daher  zur  genauen 
Bestimmung  dieser  Constante  die  mittleren  e  unbedingt  er- 
forderlich. Da  diese  in  Tab.  II  fehlen,  so  bleiben  uns  von 
den  Cyaninreihen  nur  die  der  Tab.  III  übrig;  und  auf  diese, 
speciell  auf  die  erstere  Versuchsreihe,  beziehen  sich  die  fol- 
genden Rechnungen. 

Für  iL  wurde  der  Werth  A„  =  0,590  genommen  und 
\Lq  =  1,36  gesetzt.  Eine  mehrmalige  Durchführung  der  Rech- 
nung nach  Formel  (I»)  ergab  eine  sehr  schlechte  Ueberein- 
stimmung  zwischen  Beobachtung  und  Rechnung.  Die  Con- 
stante c  erhielt  stets  negative  Werthe,  sodass  die  berechnete 
Absorptionscurve  zu  beiden  Seiten  der  Mitte  noch  unter 
den  Werth  Null  herabstieg,  um  sich  einer  Geraden,  welche 
um  c  tiefer  liegt  als  die  Abscissenaxe ,  asymptotisch  zu 
nähern. 

Theoretisch  ist  das  Negativwerden  von  c  keiner  Deu- 
tung fähig.  Eine  experimentelle  Bestimmung  haben  bereits 
Wild  und  Glan  versucht.  Letzterer  fand  den  Schwächungs- 
coefficienten x)  des  Alkohols  für  eine  Schicht  von  1  cm  zu 
0,9915.  Eine  kleine  Umrechnung  ergibt  hieraus  den  Werth: 
f0  =  Jc/no' =  0,000  006  8,  eine  so  verschwindend  kleine  Zahl, 
dass  es  im  Folgenden  gestattet  sein  möge,  die  Absorption 
des  reinen  Lösungsmittels  zu  vernachlässigen. 

Die  angenäherte  Constante  c  lässt  sich  allgemein  auch 
auf  folgende  Weise  deuten,  wenn  wir  nämlich  ultrarothe  und 
ultraviolette  Absorptionen  zulassen. 

Man  nehme  demzufolge  für  Absorptionen  im  Ultraviolett 
=  sehr  klein  gegen  A,  für  solche  im  Ultraroth  km  —  A2 
sehr  gross  gegen  L    Unter  dieser  Annahme  schreibt  sich: 

J  X    ~  \     X*  +  tf  V  +  -  ljj  ¥.^3J  +  (Aa  -  A*)2  +  > 

1 a  ~b  ^^[^s^w^^^^r^w1^ 

Es  sei  nun  in  Beziehung  auf  Absorptionen  im  Violett 
klein  gegen  Aa,  dann  schreiben  sich  die  bezüglichen  Summan- 


1)  Dessen  Definition  siehe  Pogg.  Ann.  99.  p.  271.  1856. 

A»n.  d.  Phj*.  u.  Chem.  N.  F.  XIV.  14 


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210 


C.  Pulfrich. 


den  unter  Vernachlässigung  der  Quotienten  zweiter  Ord- 
nung: 

v-i  und  fr 

sei  ferner  g'i1  gross  gegen  l\  dann  sind  die  Summanden: 

^  —  S   und  w. 

Es  sei  ebenso  für  Absorptionen  im  Ultraroth  gP  klein 
gegen  H4,  so  resultirt: 

6  —  cA2    und  —  o  +/?/.2; 
endlich  sei  g'P  gross  gegen  ÄJ4,  so  wird: 

Folglich  hat  man,  wenn  man  zusammenfasst: 

^-KP  4-^4-^4-^4-^4- 
A    _AA  +^  +  A2  +  A«  +  ü2  +  <72r  ? 

(Ib)  1 

a*  -  b*  -  1  =  W  4-  ^  +  £  +  £r  4-  -grf^jr  . 

Was  zunächst  den  letzteren  Ausdruck  angeht,  so  stellt  der- 
selbe, bei  Vernachlässigung  des  letzten  Gliedes,  die  Dispersion 
der  sogen,  transparenten  Mittel  dar.1) 

Bezüglich  des  ersteren  Ausdruckes  glaube  ich  das  sanfte 
Abfallen  der  Absorption  von  Cyanin  dem  Violett  (nicht  dem 
Einfluss  eines  Streifens  in  jener  Spectralregion)  zuschreiben 
zu  müssen,  denn  ich  habe  selbst  bei  den  stärksten  Concen- 
trationen  ein  Wiederansteigen  der  Absorptionscurve  nicht 
beobachten  können ;  alle  nähern  sich  der  Abscissenaxe 
asymptotisch.2) 

Es  kann  demnach  von  Zusatzgliedern  der  Gleichung  (Ib) 
für  die  Absorptionscurve  keine  Rede  sein.  Ich  habe  nun 
trotzdem  versucht,  unter  Hinzunahme  einzelner  Glieder  für 
Cyanin  eine  grössere  Uebereinstimmung  zwischen  Beobach- 
tung und  Theorie  zu  erzielen;  ich  gebe  im  Folgenden  eine 

1)  Siehe  die  ausführlichen  Rechnungen  von  Kette ler,  Pogg.  Ann. 
140.  p.  1  u.  177.  1870. 

2)  Bei  Anilinblau  (vgl.  obige  Tab.)  ist  dies  nicht  der  Fall  dem  blauen 
Ende  des  Spectrums  zu. 


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C  Pulfrich. 


211 


kurze  Uebersicht  dieser  Bemühungen,  ohne  die  ausführlichen 
Rechnungen  tabellarisch  anzuführen: 

Zunächst  habe  ich  die  beiden  Glieder  A  und  C/A4  dem 
Absorptionsgliede  $)#/(£3  +  =  QgjN  hinzugefügt.  Dabei 
war  wieder  Xm  =  0,590.  Die  Rechnung  bezieht  sich  auf  die 
erste  Versuchsreihe  der  Tab.  III.  Die  aus  den  vier  Con- 
stanten <73,  C  und  A  berechnete  Absorptionscurve  zeigte 
zwar  den  Einfluss  des  Gliedes  Dß*,  und  zwar  in  der  Weise, 
dass  sie  sich  dem  Violett  zu  in  die  Höhe  hob;  die  Curve 
ging  aber  dem  Roth  zu  noch  unter  die  Abscissenaxe.  Hier 
erhielt  die  Constante  A,  ebenso  wie  früher  c  (p.209),  einen 
negativen  Werth.  Auch  im  einzelnen  herrschte  eine  schlechte 
Uebereinstimmung  zwischen  Beobachtung  und  Rechnung. 

Die  unter  Hinzunahme  der  Glieder  Cß*  und  Dß9  zu 
$}gjN  berechnete  Curve  zeigt  einen  ähnlichen  Verlauf;  hier 
ergab  sich  die  Constante  D  als  negativ. 

Die  verhältnissmässig  beste  Uebereinstimmung  zwischen 
Beobachtung  und  Rechnung  ergab  die  dreiconstantige  Formel, 
wo  Cß4,  das  einzige  Zusatzglied  bildete.  Die  durch  diese 
Formel  dargestellte  Absorptionscurve  kommt  in  der  Natur 
sehr  häufig  vor:  C/X*  repräsentirt  eine  einseitige  Absorption 
dem  Violett  zu;  mit  dieser  verbindet  sich  dann  ein  durch 
den  Ausdruck  %g)N  bestimmter  Absorptionsstreifen. 

Eine  Erklärung  der  Unsymmetrie  des  Absorptionsstrei- 
fens von  Cyanin  kann  nur  in  der  von  Ketteier1)  ausge- 
sprochenen und  vielfach  vertretenen  Anschauung  liegen,  dass 
man  es  nämlich  mit  unendlich  vielen,  continuirlich  einander 
folgenden  Gliedern  zu  thun  habe.  Für  eine  solche  Auf- 
fassung spricht  die  bekannte  Erscheinung,  welche  über- 
mangansaures Kali  bietet,  und  ferner  die  von  Kundt2)  an 
der  Untersalpetersäure  gemachte  Beobachtung,  dass  die  dem 
Spectrum  des  Dampfes  entsprechenden  Absorptionslinien  oder 
Liniengruppen  in  dem  Absorptionsspectrum  des  Körpers  in 
flüssigem  Zustande  als  schwarze  Banden  sich  wiederfinden.3) 

1)  Kette ler,  Pogg.  Ann.  160.  p.  478.  1877. 

2)  Kundt,  Pogg.  Ann.  141.  p.  157.  1870. 

3)  Vgl.  auch  den  Aufsatz  von  E.  Wiedeinann,  Wied.  Ann.  5. 
P-  500.  1879. 


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212 


C.  Pulfrich. 


Der  analytische  Ausdruck  hierfür  würde  der  sein,  dass 
an  Stelle  der  Summenzeichen  in  obigen  Formeln  Integral- 
zeichen treten. 

Wie  man  aber  auch  über  die  Constitution  des  Absorp- 
tionsstreifens (ob  einfach,  ob  zusammengesetzt)  urtheilen  möge, 
so  kann  man  doch  unsere  Aufgabe  dahin  präcisiren:  es  soll 
die  Absorptionscurve  möglichst  genau  durch  die  für  einfache 
Streifen  geltende  Formel  dargestellt  werden. 

Wir  wenden  uns  deshalb  zur  Betrachtung  der  einfachen 
zweiconstantigen  Formel: 

(in)  2<«-  • 

Am  wurde  wieder  =  0,590  gesetzt.  Je  nachdem  man  zur 
Berechnung  den  Constanten  g2  und  Qg  von  dem  einem  oder 
anderen  Beobachtungspaare  Gebrauch  macht  (Sc.  169  und 
181,5;  162  und  169),  erhält  man  verschiedene  Curven  (siehe 
Tab.  XV.  p.  213,  CoL  I  und  II).  In  den  mit  A  überschrie- 
benen  Columnen  stehen  die  Differenzen  zwischen  Beobach- 
tung und  Rechnung  in  Einheiten  der  letzten  Ziffer  von  «. 

Abgesehen  von  den  auftretenden  grossen  Differenzen  A 
zeigen  die  Constanten  g%  eine  ziemliche  Verschiedenheit 
(3:2);  auf  der  rothen  Seite  des  Absorptionsstreifens  ergibt 
sich  wegen  der  Unsymmetrie  desselben  ein  kleineres  g2  als 
auf  der  blauen. 

Zur  genauen  Bestimmung  von  g2  empfiehlt  es  sich,  zwei 
Beobachtungspaare  links  von  Aro  herauszuwählen,  die  Rech- 
nung mit  zwei  rechts  liegenden  zu  wiederholen  und  dann  aus 
beiden  gefundenen  Werthen  für  g2  das  Mittel  zu  nehmen. 
Man  erhält  schliesslich  für  Qg  vier  Werthe  und  nimmt  hier- 
aus wieder  das  Mittel. 

Die  Ergebnisse  dieses  auf  Tab.  III  Versuchsreihe  I  an- 
gewandten Verfahrens  stehen  in  der  mit  III  überschriebenen 
Columne  der  Tab.  XV.  A«  hatte  denselben  Werth  wie  oben; 
die  mit  einem  Sternchen  versehenen  Beobachtungen  haben 
zur  Constantenbestimmung  gedient.  Die  Uebereinstimmung 
ist  bedeutend  besser,  als  in  den  beiden  vorhergehenden  Co- 
lumnen; eine  vollständige  wird  überhaupt  infolge  der  Unsym- 
metrie des  Absorptionsstreifens  nicht  erzielt  werden  können. 


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C.  Pulfrich 


213 


Cyanin  in  Alkohol. 
(Tab.  III.    Versuchsreihe  I.) 


Tab.  XV. 


Sc. 


152 

157 

159,5 

162 

164 

167 

169 

172 

173,5 

176,5 

179  . 

181,5 

186,5 

191,5 

196 

201 

210 


b 


0,6495 
0,6308 
0,6219 
0,6136 
0,6071 
0,5979 
0,5920 
0,5836 
0,5795 
0,5717 
0,5655 
0,5595 
0,5482 
0,5377 
0,5288 
0,5194 
0,5037 


beob- 


0,0004 
0,0018 
0,0044 
0,0085 
0,0127 
0,0185 
0,0199 
0,0188 
0,0166 
0,0128 
0,0100 
0,0086 
0,0062 
0,0045 
0,0029 
0,0020 
0,0009 


berechnet 


0,0031 

0,0056 

0,0076 

0,0107 

0,0135 

0,01 78 

0,0199* 

0,0192 

0,0172 

0,0140 

0,0113 

0,0086* 

0,0063 

0,0044 

0,0035 

0,0029 

0,0020 


_ 


-27 
-38 
-32 
-22 
8 


+  7 
0 

-  4 

-  6 
-12 
-13 

0 

~  1 

+  1 

-  6 

-  9 
-11 


II 


b 

berechnet 


0,0021 

0,0040 

0,0056 

0,0085* 

0,0114 

0,0169 

0,0199* 

0,0185 

0,0153 

0,0111 

0,0087 

0,0067 

0,0043 

0,0027 

0,0021 

0,0017 

0,0012 


-17 
-22 
-12 
0 

+  13 
+  16 
0 

+  3 
+  13 
+  17 
+  13 
+  19 
4-19 
+ 18 
+  8 
+  3 
-  3 


III 


berechnet 


0,0025 

0,0046 

0,0064 

0,0095* 

0,0125 

0,0180* 

0,0207 

0,0186* 

0,0169 

0,0129 

0,0099 

0,0077* 

0,0051 

0,0034 

0,0027 

0,0022 

0,0015 


+ 
+ 


-21 
-2s 
-20 
-10 
2 
5 

-  8 
+  2 

-  3 

-  1 
+  1 
+  9 
+  11 
+  11 
+  2 

-  2 

-  6 


g*  =  0.00285 
$  .g  -  0,05371 


=  0,00175 
=  0,0331 


0,00203 
0,03991 


Da  X*  (die  charakteristische  Wellenlänge)  nicht  direct 
aus  der  Beobachtung  bestimmt  werden  kann,  2abß  (resp. 
2n0' «)  aber  sein  Maximum  für  =  )}m  —  y*  hat  und  in 
Beziehung  auf  dieses  ?.2  symmetrisch  ist,  so  führe  ich  statt 
/.*  diese  theoretische  Symmetrieabscissc  XM  ein  und  erhalte 
somit  einfacher: 

$-<7 


(IV) 


2n0'.6  = 


(i2  -  vtf  + 
(t  und  g2  sind  durch  die  Gleichung: 

(3)  *  =  ^ 


  \ 


8' 


'•L 


(-4) 


verknüpft. 


Gleichung  (IV)  wurde  der  Bequemlichkeit  wegen  den 
folgenden  Rechnungen  zu  Grunde  gelegt. 

Aenderung  der  Constanten  g2  und  X)  (=  DA^  mit 
der  Concentration.    In  der  folgenden  Tab.  XVI  p.  214 


214 


C.  Pulfrich. 


stelle  ich  die  Extinctionscoefficienten  und  die  Constanten  für 
beide  Versuchsreihen  der  Tab.  III  einander  gegenüber.  Bei 
dem  vorliegenden  geringen  Werthe  von  g2  konnte  der  Unter- 
schied von  VM  und  >U  vernachlässigt  werden,  ß  wurde  aus 
zwei  Beobachtungspaaren  rechts  und  dann  aus  zweien  links 
bestimmt,  und  schliesslich  aus  beiden  erhaltenen  Werthen  ß 
das  Mittel  genommen. 


Cyanin  in  Alkohol. 

(Tab.  III.)  Tab.  XVI. 


I.  Versuchsreihe 

• 

II.  Versuchsreihe 

oc. 

X  : 

e 

h 

b 

b 

S  =  T 

e^  x 

J 

8  —  T" 
A 

e  =  T 

A  i 

beobachtet 

berechnet 

beobachtet 

berechnet 

152 

0,6495 

0,0004 

0,0026 

—  22 

0,0007 

0,0043 

—  36 

157 

0,6308 

0,0018 

0,0048 

-30 

0,0032 

0^0082 

—50 

159,5 

0,6219 

0,0044 

0,0067 

-23 

0,0075 

0,0115 

—40 

162 

0,6136 

0,0085* 

0,0100 

-15 

0,0152* 

0,0171 

-19 

164 

0,6071 

0,0127 

0,0130 

-  3 

0,0226 

0,0223 

+  3 

167 

0,5979 

0,0185* 

0,0183 

+  2 

0,0312* 

0,0311 

+  1 

169 

0,5920 

0,0199 

0,0206 

-  7 

0,0343 

0,0350 

7 

172 

0,5836 

0.01  SS* 

0,0190 

-  2 

0,0320* 

0,0323 

-  8 

173,5 

0,5795 

0,0166 
0,0128 

0,0162 

+  4 

0,0277 

0,0278 

1 

176,5 

0,57 1 7 

0,0124 

+  4 

0,0216 

0,0212 

+  4 

179 

0,5655 

0,0100 

0,0095 

+  5 

0,0172 

0,0163 

+  9 

181,5 

0,5595 

0,0086* 

0,0075 

+  11 

0,0144* 

0,0122 

+  22 

186,5 

0,5482 

0,0062 

0,0050 

+  12 

0,0104 

0,0085 

+  19 

191,5 

0,5377 

0,0045 

0,0034 

+  11 

0,0068 

0,0058 

+  10 

196 

0,5288 

0,0029 

0,0027 

+  2 

0,0040 

0,0046 

-  6 

201 

0,5194 

0,0020 
0,0009 

0,0022 

-  2 

0,0027 

0,0037 

10 

210 

0,5037 

0,0015 

—  6 

0,0026 

=  0,00207 

=  0.00211 

%  =  0,04051 

-  0,06998 

In  Bezug  auf  die  Differenzen  A  von  Beobachtung  und 
Kechnung  gilt  dasselbe  wie  oben.1) 


1)  Nach  der  2.  Gleich.  (Ia)  p.  208  ist  die  Berechnung  der  ftefractions- 
curven  a  für  beide  Concentrationen  der  Tab.  III  durchgeführt  worden.  Die 
Werthe  n0  des  Alkohols  (für  die  Temperatur  17,4°  C.)  sind  durch  Inter- 
polation aus  den  Beobachtungsreihen  von  Sieben  (Wied.  Ann.  8.  p.  144. 
1879)  gewonnen.  Die  kleine  Constante  a  wurde  vernachlässigt.  Die 
Einwirkung  des  Absorptionsgliedes  ®2i(£*+g2X2)  (positiv  für  A>AW, 
negativ  für  X  <  X^  stellte  sich  aber  als  eine  derartig  geringe  heraus, 


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C.  Pulfrich. 


215 


Richten  wir  nun  unser  Augenmerk  auf  die  Constanten 
f  und  2).  Die  Reibungsconstante  g%  ändert  sich,  obiger 
Tabelle  zufolge,  sehr  wenig  mit  der  Concentration. 

Setzt  man  aber  g%  geradezu  constant,  sieht  also  die  Ex- 
tinction  in  allen  Theiien  des  Spectrums  als  eine  der  jewei- 
ligen Concentration  proportionale  an,  so  wird  die  Disper- 
sionsconstante  <3)  =  Z>^1  der  Concentration  direct  proportional 
sein;  es  würde  diese  Voraussetzung  mit  der  vielfach  gemach- 
ten und  vielfach  wieder  bestrittenen  Annahme  zusammen- 
fallen, dass  die  Extinctionscoefficienten  sich  verhalten  wie 
die  Gehalte  an  absorbirenden  Substanzen,  und  weiterhin, 
dass  eine  Dichtigkeitsvergrösserung  unter  gleichzeitiger  Ver- 
minderung der  durchstrahlten  Schicht  auf  die  Absorption  ■ 
ohne  Einfluss  sei. 

"Was  nun  speciell  unsere  Constanten  S  =  DX%  angeht, 
so  stehen  dieselben  im  Verhältniss: 

®L  -  !'524  -  1  712 
2>a       0,8904  "  L'il*' 

Dieser  Werth  ist  identisch  mit  dem  Concentrationsver- 
hältniss  1,717  (siehe  Tab.  III  p.  186);  die  Abweichungen  der 
Quotienten  Q  haben  wir  ja  als  einfache  Beobachtungsfehler 
hingestellt. 

Wir  können  somit  folgenden  Satz  aussprechen: 
In  Mitteln  mit  einem  Absorptionsstreifen  ist  g% 
nahezu  oder  völlig  constant  und  $)(=Z>A^)  der  Con- 
centration direct  proportional. 

Diese  Behauptung  ist  richtig  und  um  so  zutreffender, 
als  die  Concentrationen  und  ihre  Aenderungen  gering  sind. 
Jedenfalls  kommt  obigem  Satze  der  Gültigkeitsgrad  des 
Mariotte'schen  Gesetzes  zu. 

Neben  Cyanin  wurden  noch  die  Anilinblaulösungen 
einer  Berechnung  unterzogen  (siehe  Tab.  XVII  auf  p.  216). 


dass  selbst  im  Maximum,  resp.  Minimum  der  Refraction  der  berechnete 
Werth  a  sich  höchstens  um  10  Einheiten  der  5.  Decimale  von  »0  unter- 
schied. 


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216 


C.  Pulfrich. 


A  11  i  1  i  n  b  1  a  u. 
(Tab.  V.) 


Tab.  XVII. 


Anilinbluu  in  Wasser 

Anilinblau  in  Alkohol 

Sc 

;  • 
»•  * 

h 

h 

b 

b 



e  =  — 

e  =  Y 

beobachtet 

berechnet 

beobachtet 

berechnet 

140 

|  



A  —  A/  kO 

0, « 001» 

A  AA  1  O 

0,0013 

0,0032 

-}l 

14.) 

ii  i • —  _ ■  > 

(),b  «82 

0,6572 

0,0»  >1 1) 

A  A  A  O  C' 

0,0038 

-,  -  /  ß 

0,00.)  i 

f\  A/l  «1 

0,0041» 

— 12 

1  50 

0,0049 

0,0057 

0,00  i  4 
0,001*2 

0,00  i  4 

0 

lo2 

0,641>5 

0,0064 

0,006b 

—  ^ 

A  AAÜn 

0,0089 

+  3 

A  OMA 

0,6.1  *  9 

0,008t» 

1  l.t  II  )h4 

+  5 

0.01 21 

A  A1  1  1 

0,01 1 1 

i    -1  A 

+  io 

1  PL" 

15 1 

0,011)0 

0,0096 

i    1  ii 

+  10 

f  1  St  1  Iii 

0,01  40 

0,0 1 2  i 

i     1  O 

4-  l  o 

160 

0,6201 

M     /(I  Ott 

0,0122 

0,01 14 

+  8 

j  k  A1  CO 

0,0158 

0,0148 

162 

A  £?  1  Ol' 

0,6 1  36 

t  \  A1  »l  j 

0,01 2> 

0.0 12  4 

+  4 

0.OI60 

0,0161 

+  4 

164 

0,60 t 1 

0,0134 

0,0132 

+  2 

0,01  (0 

0,0168 

+  2 

166 

0,0 1J7 

0,013  ( 

A 

0 

0,01  4  1 

0,01  iO 

168 

0,o949 

0.01  40 

£\  £~\t  II 

0.014  1 

—  1 

t\  Iii  i  *  o 

0,01  <>S 

0.0 1  1 1 

o 

-  J 

1  »0 

0,.>8M» 

a  AI  Iii 

0,01  to 

0,0140 

0 

A  iii  er 

0,0165 

0.01  6  >) 

—  1 

l 

0,5836 

0,0 1 3  4 

0,01  '»> 

—  1 

A  AI  -.A* 

0,01  j9* 

A  III  RA 

0.0159 

0 

1  — 

! 

0,5  7  5o 

0,0131 

0,0130 

+  1 

0,0145 

0,0144 

4-  1 

1  ca 

0,5630 

0,0118 

0,0113 

-1-  5 

0,0121 

0,0121 

0 

183 

0,5560 

0,0106* 

0,0102 

+  4 

0,0107* 

0,0107 

0 

185 

0,5514 

0,0100 

0,0095 

+  5 

0,0096 

0,0099 

-  3 

188 

0,5450 

0^0087 

0,0086 

4-  1 

0,0081 

0,0088 

-  7 

190 

0,5407 

0,0079 

0,0078 

+  1 

0,0072 

0,0082 

-10 

195 

0,5307 

0,0063 

0,0067 

4 

0,0051 

0,0070 

.-19 

200 

0,5212 

0,0048 

0,0059 

-11 

0,0036 

0,0060 

-24 

205 

0,5122 

0,0036 

0,0051 

15 

0,0028 

0,0052 

—  24 

210 

0,5037 

0,0028 

0,0046 

-18 

0,0022 

0,0044 

-22 

220 

0,4881 
0,4741 

0,0019 

0,0037 

ls 

0,0016 

0,0038 

-22 

230 

0,0015 

0,0031 

16 

( ».00 1  1 

0.0032 

-21 

ff-  =  0,01298 
%  =  0,1711 


VC 


=  0,01143 
^  0,1926 


Für  Alkohol  war  gesetzt:  lß  =  0,599  und  ir0'=  1,36;  für 
"Wasser  =  0,592  und  n0'=  1,33.  Die  Uebereinstimmung 
ist  auch  hier  eine  ziemlich  gute,  wenn  man  von  den  beiden 
Enden  des  Absorptionsstreifens  absieht.  Hier  wie  bei  den 
Cyaninreihen  erheben  sich  die  berechneten  Absorptionscurven 
zu  beiden  Seiten  des  Streifens  in  charakteristischer  Weise 
über  die  beobachteten.  Möglicherweise  ist  der  Absorptions- 
streifen von  Anilinblau  aus  mehreren  Einzelstreifen  (mit  sehr 
kleinem  g2)  zusammengesetzt  (vgl.  unter  p.  211),  sodass  hier- 
durch die  auftretenden  grossen  Differenzen  ihre  Erklärung 
finden.  —  Die  Constante  g1  erhält  einen  ungefähr  fünfmal 


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C.  Pulfrich. 


217 


grösseren  Werth  als  für  Cyanin.1)  Dem  entspricht  eine 
grössere  Abflachung  bezüglich  der  Refractionscurve. 


Nachtrag.  In  einem  nach  Fertigstellung  dieser  Arbeit 
erschienenen  Aufsatze  von  0.  Hesse2)  hat  der  Verfasser 
ebenfalls  obige  Ketteler'sche  Formel  (III)  p.  212  einer  expe- 
rimentellen Prüfung  unterzogen.  Dieselbe  fusst  auf  der  Be- 
stimmung der  Absorptionscurven  von  Cyanin  in  Alkohol 
mittelst  des  Yierordt'schen  Apparates. 

O.  Hesse  findet  eine  wünschenswerthe  Uebereinstim- 
mung  zwischen  den  beobachteten  und  den  mittelst  zweier 
Beobachtungspaare  nach  obiger  Formel  berechneten  Extinc- 
tionscoefficienten.3)  Die  Constante  D  wächst  proportional 
mit  der  Concentration  C;  dagegen  sind  g%  und  k2m  „lineare 
Functionen"  von  C.  Die  von  0.  Hesse  beobachteten  Ab- 
sorptionscurven sind  symmetrisch;  der  Maximalpunkt  dersel- 
ben verschiebt  sich  jedoch  mit  abnehmender  Concentration 
dem  rothen  Ende  zu  (von  )^  =  0,5760  bis  /U,  =  0,5800  Tau- 
sendstel Millimeter). 

Abgesehen  von  meinen  Beobachtungen  kann  man  sich 
durch  einen  einfachen  Versuch  leicht  von  der  Unsymmetrie 
des  Absorptionsstreifens  von  Cyanin  in  Alkohol  überzeugen. 
Bewegt  man  nämlich  Cyaninlösung  in  einem  keilförmigen 
Gefäss  vor  dem  Spalt  des  Spectralapparates  hin  und  her,  so 
treten,  wenn  das  Fadenkreuz  zuvor  auf  die  Mitte  des  Ab- 
sorptionsstreifens im  normalen  Beugungsspectrum  eingestellt 


1)  Ketteier  hat  (Wied.  Ann.  11.  p.210.  1880)  mittelst  Construction 
die  durch  obige  Gleichungen  (I)  und  (II)  repräsentirten  Curven  unter 
allen  möglichen  Bedingungen  verfolgt.  Die  Abhängigkeit  der  Refraction 
von  der  Stärke  und  Ausdehnung  der  Absorption  ist  durch  die  beigefüg- 
ten Zeichnungen  klar  ersichtlich;  die  Constante  g*  wird  um  so  grösser, 
je  weiter  sich  die  Absorption  bei  gleicher  Mittelordinate  von  lM  erstreckt; 
sie  gibt  ein  Maass  für  die  Breite  des  Absorptiousstreifeus ,  während  $ 
(s=  Dk^)  die  Höhe  desselben  bestimmt. 

2)  0.  Hesse,  Wied.  Ann.  11.  p.  786.  1880. 

3)  Sehr  wahrscheinlich  aus  Verseheu  ist  ein  coustanter  Factor  ver- 
nachlässigt worden.  Die  b  (resp.  2  b)  haben  Werthe,  wie  sie  den  Metal- 
len zukommen. 


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218 


C.  Pulfrich. 


ist,  nicht  unbeträchtliche  Verschiebungen  der  scheinbaren 
Mitte  auf.  Dasjenige  k,  welches  dem  Maximum  der  Ab- 
sorption entspricht,  ist  für  alle  Concentrationen  constant;  ich 
finde  ?.m  =  0,5900;  denselben  Werth  gibt  Lommel  und  Sie- 
ben (0,5936)  an.  —  Andererseits  steht  eine  Verschiebung 
des  Absorptionsstreifens  mit  wechselnder  Concentration  in 
directem  Gegensatz  zu  dem  Gesetz  der  Proportionalität 
zwischen  Concentration  und  Extinctionscoefficient. 

Ich  füge  hieran  die  Mittheilung  eines  Versuchs,  mittelst 
Construction  die  Absorptionscurve  des  Cyanins  aus  zwei  Ein- 
zelstreifen hervorgehen  zu  lassen. 

Die  Ausführung  der  Construction,  wie  namentlich  der 
Rechnung,  aus  der  gegebenen  Totalcurve  die  Partialcurven 
abzuleiten,  setzt  immer  eine  gewisse  Willkür  voraus.  In 
Fig.  1  io  Taf.  III  sei  deshalb  blos  das  Zusammenwirken 
zweier  Absorptionsstreifen  dargestellt.  Die  componirenden 
Curven  sind  punktirt,  die  resultirende  ist  ausgezogen.  Es 
ist  hiermit  die  Möglichkeit  einer  derartigen  Zusammen- 
setzung des  Absorptionsstreifens  von  Cyanin  aus  zwei  Ein- 
zelstreifen erwiesen;  aber  es  ist  aus  Fig.  1  io  Taf.  III  er- 
sichtlich, dass  man  den  links  vom  grossen  liegenden  kleinen 
Berg  bei  den  vorliegenden  (von  Fuchsin,  siehe  Fig.  1  n 
Taf.  III  abweichenden)  Grössenverhältnissen  durch  kein  spec- 
troskopisches  Verfahren  jemals  selbständig  wird  nachweisen 
können.  Freilich  scheint  eine  kleine  Unregelmässigkeit  in 
dem  stetigen  Abfall  der  Absorptionscurve  nach  Blau  zu,  w«e 
sie  die  erste  Versuchsreihe  der  Tab.  III  gibt,  diesen  zweiten  * 
Streifen  anzudeuten.  Es  möge  dies  hier  genügen,  da  gerade 
dieser  Gegenstand  demnächst  eine  genaue  Beleuchtung  er- 
fahren wird. 

Bonn,  phys.  Cabinet  der  Univ.,  Juli  1881. 


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D.  Konowalow. 


219 


II.    Velber  die  Dampfspannung  von  gemischten 
Flüssigkeiten;  van  D.  Konowalow. 

Zweite  Abtheiliuig. 


Die  theilweise  in  einander  löslichen  Flüssigkeiten. 

Es  wurde  in  der  ersten  Abhandlung1)  immer  angenom- 
men, dass  die  Dampfspannung  eines  Flüssigkeitsgemisches 
nur  von  der  procentischen  Zusammensetzung  desselben  ab- 
hängt. Diese  Annahme  ist  dadurch  gerechtfertigt,  dass  die 
Grösse  der  Spannkraft  durch  ein  Gleichgewicht  bedingt  ist, 
welches  sich  zwischen  Dampf  und  Flüssigkeit  auf  der  Ober- 
fläche der  letzteren  herstellt.  So  lange  die  Beschaffenheit 
dieser  Oberfläche  unverändert  bleibt,  d.  h.  so  lange  die  pro- 
centische  Zusammensetzung  der  Flüssigkeit  unverändert  bleibt, 
bleibt  auch  die  Spannkraft  constant. 

Hat  man  dagegen  zwei  Flüssigkeiten,  die  sich  nicht 
vollständig  mischen,  und  bringt  man  sie  zusammen,  so  löst 
sich  jede  in  der  anderen  nur  so  weit,  bis  sie  gegenseitig  ge- 
sättigt sind.  Dieser  Sättigungsgrad  ist  für  eine  bestimmte 
Temperatur  eine  constante  Grösse  für  die  gegebenen  Flüs- 
sigkeiten. Denn,  da  die  Wirkung  zwischen  beiden  Flüssig- 
keiten nur  auf  der  Berührungsfläche  stattfindet,  kann  sie  nur 
von  der  Concentration  und  nicht  von  den  absoluten  Mengen 
der  Schichten  abhängen.  Bringt  man  das  Gemenge  solcher 
Flüssigkeiten  in  einen  abgeschlossenen  Raum  und  bestimmt 
den  Druck,  so  erhält  man  den  Druck,  welchen  die  Dämpfe 
der  oberen  Schicht  ausüben.  So  lange  die  Beschaffenheit 
der  oberen  Schicht  unverändert  bleibt,  bleibt  auch  die  Spann- 
kraft der  Dämpfe  unverändert.  Nun  können  wir  die  Be- 
schaffenheit dieser  Schicht  nicht  ändern,  wenn  wir  zu  der  un- 
teren, gleichfalls  gesättigten  Schicht  eine  beliebige  Menge  der 
Lösung  von  derselben  Concentration  zusetzen.  Bezeichnet 
man  also  das  Mischungsverhältniss  der  unteren  Schicht  durch 
n  und  die  zuerst  gegebenen  Mengen  der  Flüssigkeiten,  d.  h.  der 
überhaupt  zusammengebrachten,  durchs  und  B,  so  folgt  daraus 

1)  Konowalow,  Wied.  Ann.  14.  p.  34.  1881. 


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220 


D.  Konowalow. 


dass,  wenn  die  gegebenen  Mengen  von  A  und  B  bis  A+nx 
und  B  +  x,  oder  das  Mengenverhältniss  von  AjB  bis 
(^4  +  nx)/(B  +  x)  sich  ändern,  die  Spannkraft  des  Gemenges 
sich  nicht  ändert.  Wir  können  dies  Mengenverhältniss  auch 
so  ausdrücken:  A 

.  .  —  +  n 

A  +  nx  x 

B  +  x  ~  B_  ' 

X 

Da  die  obige  Ueberlegung  für  beliebig  grosse  x  gilt,  so  folgt 
daraus,  dass  die  Spannkraft  sich  nicht  ändern  wird,  wenn  das 
Mengenverhältniss  sich  von  AjB  bis  n/1  ändert.  Nimmt 
man  dagegen  die  untere  Schicht  allmählich  weg,  so  wird  das 
eben  so  wenig  Einfluss  auf  die  Dampfspannung  der  oberen 
haben.  Bezeichnet  man  das  Mengenverhältniss  der  oberen 
gesättigten  Schicht  durch  m,  so  folgt  daraus,  dass,  wenn  das 
gegebene  Mengenverhältniss  von  beiden  Flüssigkeiten  sich 
überhaupt  in  den  Grenzen  von  n/1  bis  m/1  ändert,  die 
Spannkraft  unverändert  bleibt.  Diese  Mengenverhältnisse 
n/1  und  m/1  entsprechen  den  gesättigten  Lösungen  der  Flüs- 
sigkeit A  in  B  und  B  in  A,  folglich  müssen  diese  ge- 
sättigten Lösungen  gleiche  Dampfspannung  haben. 
Allerdings  erreicht  man  nie,  streng  genommen,  im  ersten 
Fall,  dass  das  Gemenge  von  dem  Gewichtsverhältnisse: 

—  4-  n 

—  sich  auf  dem  oben  beschriebenen  Wege  in  eine 

—  +  l 

X 

Lösung  (vom  Verhältniss  n/1)  verwandelt,  doch  stört  das  den 
obigen  Schluss  nicht.  Denn  man  bedarf  nur  unendlich  klei- 
ner Aenderung  der  Temperatur,  um  ein  Gemenge  in  eine 
Lösung  und  umgekehrt  überzuführen,  wenn  die  Gewichtsver- 

hältnisse  der  beiden  -5         und  n/1  unendlich  nahe  anein- 

—  +  1 

X 

ander  sind,  da  bekanntlich  der  Löslichkeitsquotient  w/1  eine 
Function  der  Temperatur  ist. 

Von  der  Notwendigkeit  der  Existenz  zweier  Lösungen 
mit  gleicher  Spannkraft  für  theilweise  ineinander  lösliche 
Flüssigkeiten  kann  man  sich  auch  auf  folgende  Weise  über- 

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D.  Konowaloir. 


221 


zeugen.  Man  denke  sich  die  genannten  Flüssigkeiten  in  zwei 
oben  communicirenden  Gefassen  bei  einer  constanten  Tem- 
peratur. Mit  der  Zeit  muss  sich  ein  Gleichgewicht  her- 
stellen, dessen  Bedingungen,  Gleichheit  des  Druckes  und  der 
Zusammensetzung  des  Dampfes  sind.  Es  muss  also  jede  der 
Flüssigkeiten  so  viel  von  der  anderen  absorbiren,  dass  die 
entstandenen  Lösungen  dem  über  denselben  befindlichen 
Dampf  keinen  ihrer  Bestandtheile  abgeben;  d.  h.  dieser 
Dampf  ist  für  die  beiden  Lösungen  gesättigt. 

Die  in  der  ersten  Abhandlung  beschriebenen  Versuche 
mit  Wasser  und  Butylalkohol  haben  in  der  That  gezeigt, 
dass,  so  lange  man  beim  Zusammenmischen  der  genannten 
Flüssigkeiten  zwei  Schichten  hat,  die  Spannkraft  unabhängig 
von  der  Grösse  der  beiden  Schichten,  also  den  Mengenver- 
hältnissen der  Flüssigkeiten  ist.  Die  Spannungscurve  (als 
Function  der  procentischen  Zusammensetzung)  wird  also  für 
Flüssigkeiten  dieser  Art  in  der  Mitte  durch  eine  gerade  der 
Abscissenaxe  parallele  Linie  dargestellt,  deren  Endpunkte  den 
gesättigten  Lösungen  entsprechen.  Was  die  beiden  Seiten- 
äste der  Spannungscurve  betrifft,  so  ist  es  leicht,  auf  Grund 
der  in  der  ersten  Abhandlung  entwickelten  Ansichten  zu 
zeigen,  dass  sie  von  beiden  End-  t-o 
punkten  der  Geraden  aus  nicht 
zu  gleicher  Zeit  steigen  können, 
d.  h.  dass  die  Curve  das  Aussehen 
von  Figur  1  nicht  haben  kann. 
Denn  es  wurde  gezeigt,  dass  die 
Zusammensetzung   des  Dampfes 

und  der  Differentialquotient  der  I — 3  

Curve  durch  folgende  Bedingung  1b 
verbunden  sind:  F,S-  L 


l 

r 


wenn 


ds 


wenn  ^  <  0,    so  T^ 


a  A 
b  —  B  ' 


wo,  wie  früher,  *  die  Spannkraft,  p  der  Procentgehalt, 
ajb  das  Mischungsverhältniss  des  Dampfes,  AjB  das  der 
Flüssigkeit  sind.    Die  Curve  Fig.  1  würde  also  fordern,  dass. 


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222  D.  Konowalow. 

für  den  Punkt  (1)  ajb  <  AjB,  für  den  Punkt  (2)  a1ft1/>^1/51. 
Die  den  beiden  Punkten  entsprechenden  Lösungen  haben 
aber  die  gleiche  Zusammensetzung  des  Dampfes  ajb,  und 
zugleich  ist  A1jBl>  AB,  folglich  können  die  aufgestellten 
Ungleichungen  nicht  bestehen.    Demnach  können  also  die 


Fig.  2.  Fig.  3. 


Spannungscurven  nur  das  Aussehen  von  Fig.  2  oder  Fig.  3 
haben.  Die  Curve  Fig.  3  entspricht  dem  Fall  A1/Bl  >a/b>  AjB. 
d.h.  dem  Fall,  wenn  die  Zusammensetzung  des  Dampfes  zwischen 
denjenigen  der  beiden  gesättigten  Lösungen  liegt,  was  als  das 
Wahrscheinlichste  erscheint.  Daraus  folgt,  dass  die  Spannkraft 
eines  Gemenges  dieser  Art  nur  grösser  als  beide  oder  als 
eine  der  beiden  einzelnen  Spannungen  der  Bestand theile  sein 
kann. 

Die  vorstehenden  Betrachtungen,  welche  zu  dem  Resultate 
führen ,  dass  die  Dampfspannungen  der  gesättigten  Lösungen 
einer  Flüssigkeit  A  in  Flüssigkeit  B}  und  der  gesättigten  Lö- 
sung von  B  in  A  für  diejenige  Temperatur,  für  welche  die  Lö- 
sung gesättigt  worden,  die  gleiche  ist,  lassen  sich  nun  leicht  auf 
den  Fall  übertragen,  in  welchem  man  mehr  als  zwei  Flüssigkei- 
ten, oder  zwei  Flüssigkeiten  und  feste  Körper  zusammenbringt. 

Jedesmal,  wenn  man  mehrere  Flüssigkeiten  oder  Flüssig- 
keiten und  lösliche  feste  Körper  zusammenbringt,  und  es 
bilden  sich  zwei  getrennte  Schichten,  muss  die  Dampfspan- 
nung für  diese  beiden  Schichten  für  diejenige  Temperatur, 
für  die  die  Sättigung  erfolgte,  die  gleiche  sein. 

Um  diesen  Schluss  durch  die  Erfahrung  zu  prüfen,  habe 
ich  nach  der  in  meiner  ersten  Abhandlung1)  angegebenen 

l)  1.  c.  p.  34. 


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D.  Konoivalow. 


223 


Methode  die  Dampfspannungen  von  einigen  aus  zwei  oder  drei 
Flüssigkeiten  bestehenden  Gemengen,  die  sich  in  zwei  geson- 
derte Schichten  trennen,  untersucht,  und  zwar  so,  dass  die 
Dampfspannung  der  einzelnen  Schichten  gesondert  bestimmt 
worden  ist.  In  einigen  Versuchen  enthielten  die  Flüssig- 
keiten auch  gleichzeitig  Salze  gelöst. 

Alle  Versuche  sind  bei  gewöhnlicher  Temperatur  aus- 
geführt, da  die  Füllung  des  Apparates  und  Sättigung  der 
Flüssigkeiten  bei  höheren  Temperaturen  einige  Schwierigkeit 
bietet.  Die  Auswahl  der  Flüssigkeiten  ist  durch  zwei  For- 
derungen bedingt:  beträchtliche  Spannkraft  bei  gewöhnlicher 
Temperatur  und  leichte  Trennung  in  zwei  Schichten  nach 
dem  Schütteln. 

Die  zu  untersuchenden  Flüssigkeiten  wurden  in  einem 
Probeglas,  welches  in  ein  grosses  Bad  tauchte,  zusammen- 
gebracht. Nach  starkem  Schütteln  des  Glases  blieb  es 
stehen,  indem  man  dafür  sorgte,  dass  das  Bad  constante 
Temperatur  behielt.  Dann  wurden  die  beiden  sich  bildenden 
klaren  Schichten  getrennt  und  jede  in  je  einen  der  früher 
beschriebenen  Apparate  für  die  Messung  der  Dampfspannung 
eingebracht.  Die  Füllung  der  Apparate  geschah  in  der  in 
meiner  ersten  Arbeit  beschriebenen  Weise.  Nur  mussten 
die  Apparate  bei  dieser  Operation  in  ein  Bad  von  der  con- 
stanten  Temperatur,  bei  welcher  die  Sättigung  geschehen 
war,  getaucht  werden,  da  die  Löslichkeit  sich  mit  der  Tem- 
peratur ändert.  Sehr  flüchtige  Flüssigkeiten  wurden  in  eine 
mit  zwei  Röhren  versehene  Kugel  eingeschmolzen.  Nachdem 
die  Flüssigkeiten  gesättigt  waren,  wurden  die  Spitzen  abge- 
brochen und  die  getrennt  herausfliessenden  Schichten  direct 
in  die  Apparate  gebracht. 

Die  Beobachtung  geschah  möglichst  bei  derselben  Tem- 
peratur wie  die  Sättigung,  was  durch  leichtes  Erwärmen 
oder  Zusatz  von  kaltem  W  asser  zu  dem  Bade  erreicht  wurde. 
Ich  lasse  jetzt  die  erhaltenen  Zahlen  folgen. 

L    Aethyläther  und  Wasser. 
Obere  Schicht  Untere  Schicht 

1  ThL  Wasser  u.  33  Thle.  Aethyläther    1  Thl.  Wasser  u.  ^  Tbl.  Aethyläther 

TS  S 
19,8  432,2  430,1 


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224  Z).  Korwwalow. 

Spannkraft  des 


Wassers        Aethers  •) 

t  s  s 

19,8  17,2  429,8 

II.  Aethyläther,  Methylalkohol  und  Wasser. 

 s  

T  Obere  Schicht    Untere  Schicht 

15.6  359,1  358,5 

III.  Aethyläther,  Aethylalkohol  und  Wasser. 

5 

t  Obere  Schicht   Untere  Schicht 

18.8  366,8  365,0 

IV.  Aethyläther,  Propylalkohol  und  Wasser. 

s 

t  Obere  Schicht    Untere  Schicht 

15.7  242,3  244,2 

Bei  den  Versuchen  II,  III  und  IV  enthielt  die  obere 
Schicht  Aether  im  Ueberschuss,  die  untere  Wasser. 

V.    Schwefelkohlenstoff,  Methylalkohol  und 

Wasser. 

s 

t  Obere  Schicht    Untere  Schicht 

16.9  327,0  328,5 

Hier  bildet  der  Schwefelkohlenstoff  den  Hauptbestand- 
theil  der  unteren  Schicht. 

VI.  Methylalkohol,  Wasser  und  Potasche. 

s 

T  Obere  Schicht    Untere  Schicht 

18,2  59,8  59,6 

Die  untere  Schicht  besteht  hauptsächlich  aus  concentrirter 
Lösung  von  Potasche  in  Wasser,  die  obere  aus  einem  Gemisch 
von  Alkohol  und  Wasser. 

VII.  Aethylalkohol,  Wasser  und  Potasche. 

 s  

T  Obere  Schicht  *  Untere  Schicht 

16,7  32,35  32,5 

Diese  Zahlen  bestätigen  den  Schluss,  dass,  wenn  die 
Mischung  von  verschiedenen  festen  und  flüssigen 


1)  Nach  Regnault. 


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D.  Konoivalow 


225 


Körpern  zwei  Schichten  bildet,  Dampfspannung 
und  Zusammensetzung  der  Dämpfe  von  den  beiden 
Schichten  gleich  sind.  Die  Differenzen  der  oben  ange- 
führten Zahlen  lassen  sich  durch  die  Schwierigkeit  der  Ver- 
suche dieser  Art  durchaus  erklären.  Es  ist  nämlich  unmög- 
lich, die  Aenderung  der  Zusammensetzung  beim  Versuch 
völlig  zu  vermeiden.  Diese  Aenderung  wird  von  desto 
grösserem  Einfluss,  je  mehr  die  Spannkraft  der  einzelnen 
Flüssigkeiten  verschieden  ist,  und  je  weniger  sie  in  einander 
löslich  sind;  sodass  für  die  sehr  wenig  löslichen  Stoffe  die 
Richtigkeit  der  Regel  sich  nur  noch  sehr  schwer  prüfen 
lassen  würde.  Ich  will  jedoch  einen  Versuch  mit  zwei 
ausserordentlich  wenig  in  einander  löslichen  Körpern,  von 
denen  der  eine  sehr  flüchtig  ist,  mittheilen,  da  er  zeigt,  wie 
stark  Spuren  der  Beimischung  einer  Flüssigkeit  zu  einer 
anderen  die  Dampfspannung  der  letzteren  ändern.  Es  wurde 
nämlich  Wasser  mit  Schwefelkohlenstoff  zusammengeschüttelt 
und  nachher  durch  ein  nasses  Filter  filtrirt.  Bei  der  Mesung 
ergab  sich  für  die  Temperatur  20,8°  die  Spannkraft  S  —  44, 
nachdem  der  Dampfraum  verkleinert  wurde  5=56;  Wasser 
hat  bei  dieser  Temperatur  die  Spannkraft  S  =  18,2. 

Es  ist  jetzt  leicht,  gewisse  Schlüsse  bezüglich  der  Destil- 
lation der  geschichteten  Flüssigkeiten,  d.  h.  solcher,  die  beim 
Mischen  sich  in  zwei  Schichten  trennen,  zu  ziehen. 

Erster  Fall:  Es  seien  nur  zwei  Flüssigkeiten  zusammen- 
gebracht. Es  wurde  im  Vorigen  gezeigt,  dass  so  lange  das 
Gewichtsverhältniss  der  beiden  sich  in  bestimmten  Gren- 
zen ändert,  (m/1  und  w/1)  die  Flüssigkeiten  sich  bei  jeder 
Temperatur  sättigen  werden.  Die  Spannkräfte  der  beiden 
gesättigten  Lösungen  sind  aber  immer  einander  gleich,  folg- 
lich ist  die  Siedetemperatur  in  denselben  Grenzen  der  Zu- 
sammensetzung constant,  und  in  der  Kegel  niedriger  als  die 
jedes  Bestandtheiles. 

Zweiter  Fall:  Haben  wir  dagegen  drei  oder  mehr  Flüs- 
sigkeiten, so  wird  die  Erscheinung  complicirter.  Obwohl  die 
Spannkraft  der  beiden  Schichten  auch  hier  gleich  sein  muss, 
wird  doch  die  absolute  Grösse  der  Spannkraft  beim  Sieden  nicht 
mehr  constant.   Sie  hängt  von  den  Gewichtsverhältnissen  der 

Ann.  d.  Phy«.  u.  Cbem.  N.  P.  XIV.  15 


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226 


A.  Schuller. 


Flüssigkeiten  in  beiden  Schichten  ab.    Es  ist  nämlich,  im 
allgemeinen  nicht  möglich,  selbst  wenn  man  nur  drei  Sub- 
stanzen hat,  die  drei  Grössen  A,  B  und  C,  welche  die  Meng-en 
der  gemischten  Flüssigkeiten  bedeuten  mögen,  in  sechs  Theile 
in  der  Weise  zu  theilen,  dass  die  Quotienten  n  =  (A  —  ct)/ö7 
ri=*{A-a)jc  und  m  =  (B-b)ja,  m'=  (B  -  b)/{C—c),  wo  tl,  n'y 
m,  m'die  Gewichtsverhältnisse  der  Substanzen  in  beiden  Schieb- 
ten bedeuten  (n  und  n  in  der  einen,  und  m  und  m  in  der  anderen) 
bei  willkürlichen  Werthen  von  A,  J5und  C  constant  bleiben,  da 
wir  mehr  Gleichungen  (7)1)  als  Unbekannte  (6)  haben.  Diese 
Quotienten  werden  also  bei  der  Destillation  sich  ändern  und. 
folglich  auch  die  Spannkraft.    Die  Siedetemperatur  ist  mithin 
nicht  mehr  constant. 

In  vollkommener  Ueberein  Stimmung  hiermit  stehen  die 
Versuche  von  Pierre  und  Puchot2),  welche  eine  constante 
Siedetemperatur  für  zwei  geschichtete  Flüssigkeiten  und. 
eine  variable  für  drei  constatirt  haben, 

Physik.  Inst,  der  Univ.  Strassburg  i/E.,  Juli  1881. 


III.    lieber  die  Bildungswärme  des  Wassers; 
von  Alois  Schuller. 

(Vorgetragen  in  der  Sitzung  der  ungar.  Acad.  d.  Wiss.  am  20.  Juni  1881.) 


1.  Zu  meinem  Bedauern  bin  ich  gezwungen,  im  Interesse 
der  mit  Dr.  Vinzenz  Wartha  gemeinschaftlich  veröffent- 
lichten Arbeit3)  über  die  Verbrennungswärme  des  Wasser- 
stoffes aufzutreten,  da  Dr.  Karl  v.  Than  in  seinen  „Ther- 
mochemischen  Untersuchungen"4)  unser  Resultat  in  Frage 
stellt. 


1)  Die  vier  oben  angerührten  und  noch  drei:  A  —  a  =  a\  B  —  b  =  b\ 
C  —  c  =  c\  wo  a,  a ,  6,  b',  c,  c  Unbekannte  sind. 

2)  Pierre  u.  Puchot,  Ann.  de  chiin.  et  de  phys.  4.  p.  26. 

3)  Schüller  u.  Wartha,  Wied.  Ann.  2.  p.  371.  1877. 

4)  K.  v.  Than,  Wied.  Ann.  13.  p.  84,  bes.  p.  105.  1881. 


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A.  Schiller. 


227 


Vor  allem  sei  mir  erlaubt,  den  Unterschied  zwischen 
den  zwei  Verbrennungswärmen  zu  besprechen. 

Wir  bestimmten  die  Verbrennungswärme  des  H  für  den 
Fall,  dass  die  Verbrennung  unter  constantem  Druck  vor 
sich  geht,  und  fanden: 

Ep  =  34  126. 

Herr  Than  hingegen  bestimmte  wiederholt  die  Ver- 
brennungswärme bei  constantem  Volumen  und  fand  zuletzt 
419,274  Eiscalorien  oder: 

Ev  =  33483 

Wärmeeinheiten.  Unter  Wärmeeinheit  verstehe  ich  die  mitt- 
lere spec.  Wärme  des  Wassers  zwischen  0  und  1000.1) 
Ferner  behaupteten  wir,  dass: 

Ep~Ev  =  403, 
während  nach  Hrn.  Than: 

Ep  —  Ev  =  -j-  -f-  vApa 

sei,  wo  das  erste  A  424,  das  zweite  hingegen  jj,  bedeuten 
muss.  In  diesem  Ausdrucke  bedeutet  PV/A,  oder,  wenn 
man  A  =  jjj  setzt,  APV  diejenige  Wärme,  welche  die  noch 
unverbundenen  Gase  //  und  O  entwickeln,  während  sie  in 
das  angebliche  Vacuum  einströmen,  während  vApu  die  bei 
der  Condensation  des  Wasserdampfes  auftretende,  der  äusse- 
ren Arbeit  entsprechende  Wärme  darstellt. 

Was  diese  Abweichung  betrifft,  behaupte  ich  auch  jetzt, 
dass  Ep  —  Ev  =  403  mittleren  Calorien  ist.  Der  Unterschied 
rührt  nämlich  blos  von  der  äusseren  Arbeit  her,  welche  bei 
der  Verbrennung  unter  constantem  Druck  während  der  Vo- 
lumenänderung geleistet  wird,  und  diese,  da  sie  nur  einmal 
geleistet  wird,  darf  nur  einmal  in  Rechnung  gezogen  werden, 
wie  aus  der  folgenden  Betrachtung  erhellt. 

Es  bedeute  in  Fig.  2  Taf.  III  der  mit  ganzen  Strichen 
dargestellte  Theil  den  Apparat ,  der  zur  Verbrennung 
unter  constantem  Drucke  dient;  der  obere  Theil  reprä- 
sentire  die  beiden  Gasometer,  der  untere  das  Calorimeter  C 
mit  dem  im  Inneren  befindlichen  Brenner.  Während  der 
Verbrennung  entwickelt  sich  im  Calorimeter  die  mit  Ep  be- 

1)  L  c.  p.  364. 

15* 


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228  A.  Schuller. 


zeichnete  Wärme,  zugleich  sinken  die  Kolben  von  K  bis  A, 
und  unterdessen  wird  die  Arbeit  P  V  geleistet,  wenn  P  den 
constanten  Druck  und  V  die  Volumenänderung  bedeutet.  Man 
mag  sich  den  Vorgang  im  Brenner  wie  immer  vorstellen, 
jedenfalls  wird  nicht  mehr  äussere  Arbeit  geleistet  als  PV. 
Selbst  wenn  der  Druck  vom  normalen  wesentlich  verschieden 
wäre,  würde  sich  dieselbe  Arbeit  ergeben,  denn  es  ist  nach 
dem  Mariotte'schen  Gesetze  P.  F=Const.1)  —  Will  man 
auf  den  Fall  der  Verbrennung  bei  constantem  Volumen  über- 
gehen, so  braucht  man  nur  das  kleine  Calorimeter  C  durch 
das  grosse,  mit  unterbrochenen  Strichen  dargestellte  ersetzt 
und  die  Kolben  bei  K  befestigt  zu  denken.  Findet  nun  die 
Verbindung  der  Gase  statt,  so  entwickelt  sich  die  mit  Ev 
bezeichnete  Wärme,  welche  von  der  früheren  Ep  nur  um  den 
Betrag  AP  V  verschieden  sein  kann,  der  für  die  Massen- 
einheit Wasserstoff  403  C.  beträgt.  Selbstverständlich  ist 
die  äussere  Arbeit  in  causalem  Zusammenhange  mit  der 
Condensation  des  Wasserdampfes,  da  die  Volumenänderung 
hauptsächlich  hierdurch  bedingt  ist.  Man  kann  auch  mit 
Berücksichtigung  dieses  Umstandes  die  äussere  Arbeit  be- 
rechnen und  findet  natürlich  bei  richtiger  Behandlung  die- 
selbe Grösse.  Es  kann  aber  zu  keinem  richtigen  Resultate 
führen,  wenn  man  nach  Hr.  Than  die  der  Temperatur  0° 
entsprechende  Arbeit  in  Rechnung  zieht,  denn  diese  setzt 
voraus,  dass  die  Verflüssigung  erst  bei  0°  geschieht,  wäh- 
rend doch  in  unserem  Falle  ganz  ähnliche  Verhältnisse  ob- 
walten, wie  bei  den  zur  Bestimmung  der  Verdampfungswärme 
von  Regnault  ausgeführten  Versuchen,  wo  bei  dem  im 
Calorimeter  herrschenden  Drucke  von  760  mm  die  100°  ent- 
sprechende latente  Wärme  gemessen  wurde.  Die  dieser 
Temperatur  entsprechende  äussere  Arbeit  und  die  zur  Sät- 
tigung erforderliche  Verdichtungsarbeit  wäre  nun  in  Rech- 
nung zu  ziehen.  —  Jedenfalls  verschwindet  die  Ueberein- 
stimmung,  welche  Hr.  Than  zwischen  seiner  Verbrennungs- 
wärme und  der  aus  unserer  Bestimmung  von  ihm  berech- 
neten findet. 


1)  V  ist  sehr  nahe  gleich  dem  Grasvolumen. 


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A.  Schuller 


229 


2.  Ein  ähnlicher,  ebenso  wesentlicher  Unterschied  zeigt 
sich  in  der  Berechnung  der  wahren  Verbindungswärme  oder 
der  „chemischen  Energie"  des  Knallgases. 

Nach  Hrn.  Than  hätte  man  aus  der  bei  constantem 
Volumen  bestimmten  Verbrennungswärme  nur  die  0°  ent- 
sprechende innere  latente  Wärme  des  Wasserdampfes  ab- 
zuziehen, um  die  wahre  Verbindungswärme  zu  erhalten. 
Dabei  wird  aber  stillschweigend  vorausgesetzt,  dass  die  Ver- 
tiüssigung  erst  bei  0°  vor  sich  geht,  während  sie  bei  seinen 
Versuchen  schon  bei  96,4°  beginnen  musste.  Ueberdies  muss 
besonders  hervorgehoben  werden,  dass  die  innere  latente 
Wärme  bei  der  Verflüssigung  allein  gar  nicht  auftreten 
kann,  und  dass  im  fraglichen  Falle  die  gesammte  Dampf- 
wärme1) in  Betracht  gezogen  werden  muss. 

Da  bei  den  Versuchen  des  Hrn.  Than  der  Anfangs- 
und Endzustand  inbetreff  des  Aggregatzustandes  verschieden 
sind,  so  muss  man  auch  hier  die  Reihe  der  Umwandlungen 
sich  gesondert  denken,  sodass  der  eine  die  chemische  Ver- 
änderung umfassende  Theil  sich  auf  gasförmige  Bestandtheile 
und  auf  ein  gasförmiges  Produkt  bezieht.    Die  betreffende 
Berechnung  kann  mit  dem  zur  Verfügung  stehenden  Material 
nur  mit  roher  Annäherung  ausgeführt  werden,  indem  man 
sich  das  Gasgemisch  erst  auf  jene  96,4°  erhitzt  denkt,  wozu 
iVj  Calorien  erforderlich  seien,  dann  die  Verbindung  bewirkt 
und  den  Wasserdampf  bis  96,4°  abkühlen  lässt,  wobei  die 
wahre  Verbindungswärme  E  auftritt,  und  endlich  die  Con- 
densation  bis  0°  erfolgen  lässt,  was  iV2  Wärme  liefert.  Man 
hat  dann: 

Ev  =  -Nx  +  E+N2, 

wo  iVj  =  349,  N2  =  8,98  J2)  =  5352  ist,  daher 

E=EV  -  5003. 

Nach  Hrn.  Than  ist  Ev  =  33483,  daher  £=28  480. 
Dieser  Werth  ist  um  110  Calorien  grösser  als  der  von  Hrn. 
Than  mitgetheilte,  bleibt  aber  noch  immer  um  330  C.  hinter 
dem  von  uns  berechneten  zurück. 

1)  Zeuner,  Wämietheorie,  p.  270. 

2)  Zeuner,  1.  c.,  Tab.  lb. 


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230 


A.  Schuller. 


Was  nun  unseren  Werth  der  Energiedifferenz  zwischen 
Knallgas  und  Wassergas  betrifft,  so  wäre  auch  dieser  nach 
Hrn.  Than  unrichtig  berechnet.  Der  von  seiner  Seite  ohne 
weitere  Begründung  gemachte  Einwurf  dürfte  zwar  schon 
mit  dem  Gesagten  entkräftet  sein,  dennoch  will  ich  unser 
nur  kurz  angedeutetes  Verfahren  der  Berechnung  recht- 
fertigen. 

Denken  wir  uns  das  Calorimeter  und  den  Verbrennungs- 
apparat V  (Taf.  III  Fig.  3)  aus  je  zwei  Theilen  bestehend,  von 
denen  die  oberen  225°,  die  unteren  0°  besitzen.  Die  bei  0°  und 
760  mm  Druck  eintretenden  Gase  und  O  sollen  sich  im 
oberen  warmen  Theile  verbinden,  während  die  Condensation 
des  Wasserdampfes  im  unteren  kalten  Theile  erfolgen  soll. 
Dann  wird  das  einströmende  Gas  zur  Erwärmung  auf  225° 
Mx  Wärme  verbrauchen,  welche  bei  dem  thatsächlichen  Ver- 
suche von  den  schon  verbrannten  Gastheilen  herstammt; 
während  der  Verbrennung  unter  constantem  Drucke  ent- 
wickelt sich  die  Verbindungswärme  E  und  die  der  Verdich- 
tung von  3  auf  2  Raumtheile  entsprechende  Wärme  M¥ 
Die  Wärmezunahme  des  oberen  Calorimetertheiles  beträgt 
also  —  Mj  -f-  E  +  M2.  Nun  wird  der  entstandene  Wasser- 
dampf im  unteren  ebenfalls  gashaltigen  Theile  unter  dem 
Drucke  einer  Atmosphäre  zu  Wasser  condensirt,  wobei  die 
Wärme  M3  dem  Calorimeter  übergeben  wird.  Letztere 
Grösse  enthält  natürlich  jene  äussere  Arbeit,  welche  wäh- 
rend der  Condensation  des  Wasserdampfes  von  den  nach- 
strömenden Theilen  geleistet  wird;  sie  wurde  direct  den 
Versuchen  Regnault's  entnommen,  bei  denen  ganz  ähnliche 
Verhältnisse  obwalteten.1)  Nach  dem  Gesagten  ist  die  ge- 
sammte  Wärmeent Wickelung: 

-  Mx  +  E  +  M2  +  M3  =  E,, 
also:  E=  Ep  -  (M2  +  M3  -  MJ. 

Nach  Hrn.  Than  sollte  von  der  rechten  Seite  noch 
jene  Wärmemenge  abgezogen  werden,  „welche  durch  das 
Einströmen  der  Gase  im  Vacuum  erzeugt  wird".  Darunter 

kann  ich  nur  die  der  äusseren  Arbeit  entsprechende  Wärme 

  , 

1)  Regnault,  Mem.  de  l'acad.  des  scienc.  26.  p.  175.  1862. 


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A.  Schüller 


231 


verstehen,  denn  nur  diese  Arbeit  liefert  Wärme  beim  Ein- 
strömen ins  Vacuum.  Da  aber  in  M2  und  Mt  der  letzteren 
Gleichung  die  der  gesammten  Volumenveränderung  ent- 
sprechende Arbeit  berücksichtigt  ist,  so  glaube  ich  den  ohne- 
hin mit  nichts  begründeten  Einwurf  des  Hrn.  Than  beseitigt 
zu  haben.  Nach  alledem  besteht  ein  wesentlicher  Unter- 
schied zwischen  der  von  uns  veröffentlichten  wahren  Ver- 
bindungswärme (28  810)  und  der  von  Hrn.  Than  angege- 
benen (28370  =  355,245  Eiscal). 

3.  Schliesslich  will  ich  noch  zeigen,  wie  gross  der  that- 
sächliche  Unterschied  zwischen  den  beiden  Bestimmungen 
ist  Man  erkennt  diesen  frei  von  den  Mängeln  einer  un- 
sicheren Umrechnung,  wenn  man  die  von  Hrn.  Than  be- 
stimmte Verbindungswärme  E0  =  33483  um  403  Wärmeein- 
heiten, welche  der  äusseren  Arbeit  entsprechen,  vermehrt 
und  die  Summe  (33886)  mit  der  von  uns  gegebenen  Ver- 
brennungswärme Ep  =  34126  vergleicht.  Der  Unterschied  — 
hier  240  C  —  kann  nur  von  Unvollkommenheiten  der  be- 
folgten Methoden  herrühren.  Da  ich  nun  keine  Fehlerquelle 
kenne,  welche  bei  der  Verbrennung  unter  constantem  Drucke 
eine  ähnliche  Unsicherheit  verursachen  könnte,  so  bin  ich 
geneigt,  anzunehmen,  dass  die  von  Hrn.  Than  befolgte,  wohl 
noch  nicht  genug  erprobte  Methode,  trotz  der  sorgfältigen 
Ausführung  und  der  vollkommenen  Apparate  ähnlichen  Feh- 
lern unterworfen  sein  mag.  Denn  es  existiren  da  zwei 
Fehlerquellen,  von  deren  Tragweite  man  sich  kaum  einen 
Begriff  verschaffen  kann,  einmal  die  intensive  Lichtent- 
wickelung, dann  die  Erschütterung  während  der  Explosion, 
welche  der  Umgebung  des  Calorimeters  eine  gewisse  Arbeit 
übermitteln,  wodurch  dem  Calorimeter  eine  entsprechende 
Wärme  entzogen  wird.  Aus  diesem  Grunde  glaube  ich,  dass 
man  den  Resultaten  der  explosiven  Verbrennung  des  Knall- 
gases so  lange  kein  Vertrauen  schenken  kann,  bis  nicht 
Controlversuche  ausgeführt  sind,  bei  denen  die  erwähnten 
Fehlerquellen  vermieden  sind.  Diesbezüglich  habe  ich  ver- 
sucht, die  Verbrennung  des  Knallgases  in  verschlossenem 
Gefässe  langsam  zu  bewirken,  und  fand,  dass  dies  dadurch 
gelingt,  dass  man  einen  kleinen  Verbrennungsraum  anbringt, 


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232 


L.  Graetz. 


der  mit  dem  Gasraum  durch  eine  Silberschrotschicht  com- 
municirt. 

Leider  bin  ich  jetzt  nicht  in  der  Lage,  Wärmemessungen 
ausfuhren  zu  können,  und  so  muss  ich  mich  darauf  be- 
schränken, die  erwähnten  Umstände  als  mögliche  Fehler- 
quellen zu  bezeichnen. 

Budapest,  den  20.  Juni  1881. 


IV.    JJeber  die  Wärmeleitungsfähigkeit  von  Gasen 
und  ihre  Abhängigkeit  von  der  Temperatur1) ; 

von  L.  Graetz. 


§  1.  Während  die  einatomigen  Gase  physikalisch  defi- 
nirt  sind  durch  zwei  Constanten,  die  moleculare  Geschwin- 
digkeit und  die  moleculare  Weglänge,  gehört  zur  Bestimmung 
der  mehratomigen  Gase  ausser  diesen  noch  die  Kenntniss 
der  inneren  Kräfte  in  den  Molecülen.  Im  Fall,  dass  ein 
Gas  im  Gleichgewicht  ist,  steht  seine  intramoleculare  Energie 
in  einem  bestimmten  constanten  Verhältniss  zu  der  Energie 
der  progressiven  Bewegung.  Wie  sich  dagegen  die  intra- 
molecularen  Bewegungen  verhalten,  wenn  das  Gas  kineti- 
schen oder  thermischen  Einflüssen  unterworfen  wird,  wie 
durch  Reibung  und  Wärmeleitung,  wissen  wir  noch  nicht. 
Man  definirt  die  Reibung  als  bestehend  in  der  Uebertra- 
gung  des  Moments  der  progressiven  Bewegung.  Man 
erhält  aus  dieser  Definition  und  den  experimentell  gefunde- 
nen Reibungscoefficienten  die  moleculare  Weglänge  L  für  jedes 
Gas.  Es  entsteht  die  Frage:  wie  muss  man  die  Wärmelei- 
tungsfähigkeit der  Gase  definiren,  welchen  Antheil  muss  man 
der  intramolecularen  Energie  bei  der  Wärmeleitung  zuschrei- 
ben, um  aus  dieser  Definition  und  dem  experimentell  gefun- 
denen Werthe  des  Wärmeleitungsvermögens  denselben  Werth 
für  L  zu  erhalten.  Dieser  Weg  der  einseitigen  Definition 
ist  nicht  der  correcte,  aber  zur  ersten  Orientirung  erlaubt. 

1)  Habilitationsschrift.    München  1881. 


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L.  Graetz. 


233 


Bei  der  Einführung  der  intramolecularen  Energie  in  die 
Definition  der  Wärmeleitung  nehmen  Maxwell  und  Clau- 
sius  zwei  Grenzfälle  an.    Maxwell1)  legte  seiner  Berech- 
nung stillschweigend  die  Annahme  zu  Grunde,  dass  die  pro- 
gressive und  die  intramoleculare  Energie  sich  genau  in  dem- 
jenigen Verhältnisse  an  der  Wärmeleitung  betheiligen,  in 
welchem  sie  in  dem  Gase  stehen,  falls  es  im  Gleichgewicht 
ist,  oder  mit  anderen  Worten,  dass  die  Energie  der  intra- 
molecularen Bewegung  ebenso  schnell  fortgeleitet  wird  wie 
die  der  progressiven  Bewegung.  Aber  schon  die  ersten  Be- 
obachtungen Stefan  's  *)  zeigten,  dass  die  aus  dieser  An- 
nahme berechneten  Werthe  viel  zu  gross  sind,  und  schon 
Stefan  schloss  daraus,  dass  die  intramoleculare  Energie  sich 
weit  weniger  an  der  Wärmeleitung  betheiligt,  als  Maxwell 
annahm.    Boltzmann3)  bemerkte  dann,  dass  die  Versuche 
von  Stefan  und  W inkel mann  sich  im  ganzen  befriedigend 
darstellen  lassen  unter  der  Annahme,  dass  von  der  intra- 
molecularen Energie  nicht  verhältnissmässig  ebenso  viel  fort- 
geleitet würde,  wie  von  der  progressiven,  sondern  dass  von 
ihr  nur  3/is  ihre8  Betrages  weggeleitet  würden.  Ein  anderes 
Verhältniss  hat  0.  E.  Meyer4)  aufgestellt.    Da  die  mit  dem 
Stefan'schen  Apparate   erhaltenen  Zahlen,  wie  Stefan5) 
selbst  sagt,  nicht  ganz  exact  sind,  so  beweist  diese  Darstellung 
nur,  dass  die  Wärmeleitung  hauptsächlich  in  der  Ueber- 
tragung  von  progressiver  Energie  besteht.  Der  zweite  extreme 
Fall,  den  zuerst  Clausius6)  bei  seiner  Theorie  der  mole- 
cularen  Stösse  der  Berechnung  zu  Grunde  gelegt  hat,  ist  der, 
dass  die  Wärmeleitung  nur  von  der  Energie  der  progressi- 
ven Bewegung  abhängt,  und  dass  die  Molecüle  beim  Zusam- 
raenstoss  sich  nur  verschwindend  wenig  intramoleculare  Ener- 
gie mittheilen.  Auch  in  die  Maxwell'sche  Theorie  der  fünften 
Potenzen  hat  Boltzmann7)  später  diese  Annahme  eingeführt. 

1)  ~Maxwell,  Phil.  Mag.  (4)  35.  p.  216.  1868. 

2)  Stefan,  Wien.  Ber.  05.  (2)  p.  45.  1872  u.  72.  (2)  p.  69.  1875. 

3)  Boltzmann,  Wien.  Ber.  72.  (2)  p.  458.  1875. 

4)  0.  E.  Meyer,  Kinetische  Theorie  der  Gase,  p.  197.  1877. 

5)  Stefan,  Wien.  Ber.  72.  (2)  p.  73.  1875. 

6)  Clausius,  Pogg.  Ann.  115.  p.  1.  1868. 

7)  Boltzmann,  Wien.  Ber.  72.  (2)  p.  458.  1875. 


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234 


L.  Graetz 


Nach  der  Clausius'schen  Theorie  ist  der Wärmeleitungscoef- 
ficient,  wenn  man  das  Maxwell'sche  Vertheilungsgesetz  an- 
nimmt und  möglichst  streng  rechnet1): 

k  =  1,530  ij  cw, 

worin  ?j  der  Reibungscoefficient  und  cv  die  specifische  Wärme 
bei  constantem  Volumen  ist.  Aus  der  MaxweH'schen  Theorie 
folgt  nach  Boltzmann  für  diesen  Fall: 

k  =  j(x-  \)r,cv, 

worin  v.  das  Verhältniss  der  specifischen  Wärmen  cpjcv  ist. 
Die  nach  den  beiden  Theorien  berechneten  Werthe  für  k 
stimmen  im  allgemeinen  nicht  überein.  Bei  Luft,  H2 ,  N„ 
02,  CO,  NO  sind  aber  die  Differenzen  nicht  sehr  bedeutend. 
Für  die  drei  Gase,  Luft,  Wasserstoff  und  Kohlensäure,  die 
im  Folgenden  untersucht  sind,  stelle  ich  die  aus  beiden 
Theorien  berechneten  Zahlen  zusammen,  indem  ich  die  Werthe 
von  rt  und  cv  aus  der  Zusammenstellung  von  0.  E.  Meyer2) 
entnehme. 

k0  nach 

.  

Clausius  Boltzniaim 

Luft   0,000  049  2       0,000  048  8 

Wasserstoff  ....  0,000  349  7  0,000  330  1 
Kohlensäure  ....    0,000040  7       0,000  0304 

i 

Am  sichersten  ist  noch  der  Werth  für  Luft  zu  berech- 
nen, und  deshalb  wird  ein  Vergleich  der  experimentell  ge- 
fundenen Werthe  von  k0  für  Luft  mit  dem  berechneten  die 
Entscheidung  liefern  können,  welchen  Antheil  die  progres- 
sive Energie,  und  welchen  die  intramoleculare  Energie  an 
der  Wärmeleitung  hat.  Nun  ergeben  meine  Versuche  für 
Luft  den  Werth  k0  =  0,000  048  4 ,  und  die  Versuche  von 
Kundt  und  War  bürg3)  ergeben,  nachdem  der  Wasserwerth 
ihres  Thermometers  bestimmt  ist,  gerade  den  Werth  k0 
=  0,000049  2,  die  also  beide  mit  den  oben  berechneten 
Werthen  übereinstimmen.    Es  folgt  aus  diesen  Zahlen,  dass 

1)  0.  E.  Meyer  L  c.  p.  188. 

2)  ibid.  p.  193. 

3)  Kundt  u.  Warburg,  Pogg.  Ann.  156.  p.  198.  1875. 


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L.  Graetz. 


235 


die  der  Clausius'schen  Berechnung  zu  Grunde  liegende  An- 
nahme durch  die  Erfahrung  bestätigt  wird.  Bei  der  Wärrae- 
leitung tritt  die  intramoleculare  Energie  nur  in  unmessbar 
geringer  Menge  ins  Spiel,  vielmehr  besteht  die  Wärme- 
leitung in  der  Uebertragung  von  nur  progressiver 
Energie,  ebenso  wie  die  Reibung  in  der  Uebertra- 
gung des  Moments  nur  der  progressiven  Bewegung 
besteht.  In  diesem  Sinne  kann  man  kurz  sagen,  für  Rei- 
bung und  Wärmeleitung  verhalten  sich  auch  die 
mehratomigen  Molectile  wie  materielle  Punkte. 

Ausser  über  die  absoluten  Werthe  des  Wärmeleitungs- 
vermögens stellen  die  beiden  Theorien  noch  Forderungen 
auf  über  die  Abhängigkeit  der  Wärmeleitung  von  Druck 
und  Temperatur.  In  Bezug  auf  den  Druck  fordern  sie  beide 
die  Unabhängigkeit  des  Wärmeleitungsvermögens  von  dem- 
selben (natürlich  nur  bis  zu  einer  gewissen  unteren  Grenze). 
Diese  Forderung  ist  durch  die  Versuche  von  Stefan,  Kundt 
und  Warburg  und  Winkelmann1)  bestätigt.  Eine  Aus- 
nahme, die  Winkelmann2)  neuerdings  beim  Aethylen  con- 
statirt  haben  will,  lässt  sich  durch  die  von  ihm  nicht  be- 
rücksichtigte Absorption  der  strahlenden  Wärme  durch  das 
Aethylen  erklären,  wie  weiter  unten  gezeigt  werden  wird. 

In  Bezug  auf  die  Abhängigkeit  der  Wärmeleitung  von 
der  Temperatur  gehen  die  Forderungen  beider  Theorien 
auseinander.  Die  Clausius'sche  Theorie  verlangt,  dass  die 
Wärmeleitung  sich  ändere  wie  die  Wurzel  aus  -der  absoluten 
Temperatur,  die  MaxweH'sche,  dass  sie  sich  wie  die  absolute 
Temperatur  ändere.  Für  den  Reibungscoefficienten,  für  den 
die  beiden  Theorien  eben  diese  Abhängigkeit  von  der  Tem- 
peratur verlangen,  ergaben  die  Versuche  für  die  zweiatomi- 
gen Gase  ein  Steigen  mit  der  Temperatur  wie  T%  oder 
Erklärt  wird  diese  Abweichung  von  der  (Clausius'schen) 
Theorie  durch  eine  Verkleinerung  des  Molecularquerschnitts 
bei  höherer  Temperatur.  Diese  ad  hoc  gemachte  Erklärung, 
die  an  sich  etwas  recht  Unwahrscheinliches  hat3),  wird  hin- 

1)  Winkel  mann.  Pogg.  Ann.  150.  p.  497.  1875. 

2)  Winkel  mann,  Wied.  Ann.  11.  p.  474.  1880. 

3)  Gegen  diese  Erklärung  würde  auch  sprechen,  wenn  es  sich  be- 


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236 


Z,.  Graetz. 


fällig  gemacht  durch  die  im  Folgenden  sich  ergebende  That- 
sache,  dass  der  Wärmeleitungscoefticient  für  Luft  und  Wasser- 
stoff sich  höchstens  proportional  der  Wurzel  aus  der  abso- 
luten Temperatur  ändert.  Die  entgegengesetzten  Resultate 
Winkelmann's1),  der  Aenderungen  bis  zu  T2  gefunden 
hat,  rühren  von  verschiedenen  störenden  Umständen  her,  die 
später  angegeben  werden. 

§  2.   Metbode  und  Apparate. 

Alle  Versuche  über  Wärmeleitung  von  Gasen  sind  nach 
der  Dulong-Petit'schen  Methode  der  Abkühlung  angestellt 
worden.  Auch  bei  den  vorliegenden  Versuchen  musste,  nach- 
dem einige  andere  Methoden,  die  ich  versucht  hatte,  an  der 
ausserordentlichen  Temperaturleitungsfähigkeit  der  Gase  ge- 
scheitert waren,  auf  diese  Beobachtungsweise  zurückgegangen 
werden.  Die  Methode  leidet  an  dem  doppelten  Uebelstande, 
dass  1)  von  dem  Thermometergefäss  ausser  durch  Wärme- 
leitung auch  noch  durch  Strahlung  Wärme  abgegeben  wird 
und  dass  2)  die  aus  den  Versuchen  zu  berechnende  Wärme- 
leitungsconstante ,  die  sich  ja  mit  der  Temperatur  ändert, 
sich  auf  eine  nicht  leicht  anzugebende  Temperatur  bezieht. 
Die  Strahlung  suchte  Stefan  durch  Metallgefässe  mit  sehr 
geringer  Zwischenschicht  zu  verkleinern,  Winkelmann 
suchte  sie  durch  Differenzbeobachtungen  zu  eliminiren; 
Kundt  und  War  bürg  endlich,  wie  früher  Narr2),  bestimm- 
ten die  durch  Strahlung  übergeführte  Wärmemenge  direct, 
welches  offenbar  der  sicherste  Weg  ist.  Die  Variation 
der  Abkühlungsgeschwindigkeit  mit  der  Temperatur 
vernachlässigte  Stefan,  Winkelmann  suchte  sie  angenähert 
zu  berücksichtigen,  Kundt  und  Warburg  endlich  bestimm- 
ten sie  direct  aus  den  Beobachtungen  durch  Interpolation. 

Ein  dritter  Uebelstand  der  Methode,  auf  den  wohl  noch 

stätigte,  was  E.  Wie  de  mann  gefunden  hat  (Arch.  d.  scienc.  phye.  et 
nat.  56,  p.  273.  1876)  dass  der  Exponent  der  absoluten  Temperatur  bei 
höheren  Temperaturen  wieder  kleiner  wird.  Doch  da  die  Apparate  von 
Wiedemann  keine  absoluten  Werthe  ergeben,  so  muss  die  Bestätigung 
dieses  Verhaltens  abgewartet  werden. 

1)  Winkelmann,  Pogg.  Ann.  157.  p.  497.  1876  u.  150.  p.  177.  1876. 

2)  Narr,  Pogg.  Ann.  142.  p.  123.  1871. 


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L.  Graetz.  237 

nicht  aufmerksam  gemacht  worden  ist1),  ist  folgender.  Da 
bei  allen  Versuchen  ausser  der  durch  Leitung  übergeführten 
Wärmemenge  auch  noch  durch  Strahlung  Wärme  abgegeben 
wird,  so  ist  eine  einfache  Addition  und  Subtraction  dieser 
Wärmemengen  nur  dann  erlaubt,  wenn  die  Gase  die  strah- 
lende Wärme  nicht  theilweise  absorbiren.  Es  ist  weiter 
vorauszusetzen,  dass  Gase,  welche  bei  niederer  Temperatur 
wenig  Wärme  absorbiren,  bei  höherer  Temperatur  doch  eine 
mehr  oder  minder  beträchtliche  Absorption  zeigen  werden. 
Findet  aber  Absorption  statt,  so  ist  es  natürlich  nicht  mehr 
erlaubt,  von  der  gesammten  übergeführten  Wärmemenge  die 
durch  Strahlung  übergeführte  abzuziehen,  vielmehr  wird  der 
Vorgang  und  die  Berechnung  dann  viel  complicirter  (s.  §  8). 
Es  haben  meine'  Versuche  mit  Kohlensäure  bei  höherer 
Temperatur  Abweichungen  gezeigt,  die  ich  mir  nur  durch 
Absorption  der  strahlenden  Wärme  erklären  kann. 

Da  Apparate  aus  Metall,  wie  die  Stefan'schen .  bei 
höheren  Temperaturen  nicht  anzuwenden  sind,  so  wurden 
die  nachfolgenden  Beobachtungen  an  Glasapparaten  ange- 
stellt, und  es  wurde  aus  den  angegebenen  Gründen  die  Beob- 
achtungsweise von  Kundt  und  War  bürg  angewandt. 

Die  Beschreibung  eines  der  benutzten  Apparate  und  der 
speciellen  Beobachtungsmethode  ist  in  einer  früheren  Arbeit 2) 
angegeben,  in  der  auch  die  Zahlen  enthalten  sind,  die  zur 
Bestimmung  der  Strahlung  dienen.  Eine  Abbildung  ähnlicher 
Apparate  ist  in  Pogg.  Ann.  155.  Taf.  IX  Fig.  2  zu  finden; 
nur  sind  bei  meinen  Apparaten  die  Thermometer  in  den 
Hals  der  Kugel  eingeschmolzen. 

Im  Folgenden  sind  die  Beobachtungen  an  zwei  Apparaten 
von  Geissler's  Nachfolger  angegeben,  deren  Dimensionen 
folgende  sind.  Apparat  I     Apparat  II 

Radius  der  äusseren  Kugel  ra   2,9775  cm      2,8698  cm 

Radius  der  Thermometerkugel  rx  .   .    .    .     0,4230  „        0,4092  „ 

Länge  des  Stiels  l  15,6       „       14,7  „ 

Radius  des  Stiels  s   0,1753  „        0,1808  „ 

Gewicht  des  Hg  in  der  Kugel  bei  20°  C. .  2,2641  g  1,8979  g 
Gewicht  des  Glases  der  Kugel  g  .    .    .    .     0,3171  „        0,3060  „ 

1)  Beetz  berührt  diesen  Punkt  Wied.  Ann.  7,  p.  451.  1879. 

2)  Graetz,  Wied.  Ann.  11.  p.  913.  1880. 


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238 


L.  Graelz. 


Daraus  ergeben  sich  die  Wasserwerthe: 

Apparat  I        Apparat  II 
C0      0,13205  0,11717 
C'lo0    0,13311  0,11900 
C18,    0,13475  0,12054 

Da  die  specifische  Wärme  des  Glases  doch  an  einiger 
Unsicherheit  leidet,  so  wurde  die  Verringerung  des  Gewichtes 
des  Quecksilbers  in  der  Thermometerkugel  bei  höheren 
Temperaturen  nicht  in  Rechnung  gezogen.  Es  wird  aber 
an  den  betreffenden  Stellen,  wo  dies  in  Betracht  kommt, 
darauf  aufmerksam  gemacht  werden,  welchen  Einfluss  die 
Berücksichtigung  dieses  Umstandes  auf  das  Resultat  haben 
würde.  Zur  Berechnung  der  Wasserwerthe  ist  die  specifische 
Wärme  des  Quecksilbers  constant  angenommen  worden 
=  0,00332 l)  und  die  des  Glases  nach  Dulong  und  Petit2) 

bei  0°  0,177,  bei  100°  0,183,  bei  182°  0,188. 
Die  Thermometer  wurden  corrigirt  und  durch  Vergleich  mit 
einem  Normalthermometer  die  Temperaturen  auf  das  Luft- 
thermometer reducirt.  Die  angegebenen  Zahlen  sind  die 
reducirten.  Die  Correction  der  Thermometerangaben  wegen 
des  herausragenden  Fadens  wurde  nicht  angebracht. 

Nach  Beendigung  eines  Theiles  der  Versuche  wurde  an 
den  Apparat  I  eine  andere  Kugel  angeschmolzen,  deren 
Radius  r2  =  3,0011  cm  war.  Der  Apparat  mit  dieser  Kugel 
ist  als  Ia  bezeichnet. 

Die  Theorie  der  Versuche  ist  von  Kundt  und  Warburg 
ausführlich  gegeben  worden.  Sie  haben  auch  experimentell 
gezeigt,  was  Oberbeck3)  dann  theoretisch  bewiesen  hat,  dass 
man  die  Strömungen  in  den  Gasen  durch  Verringerung  des 
Druckes  beseitigen  kann. 

Die  Strahlung  wird  im  Folgenden  —  vollkommene 
Diathermansie  vorausgesetzt  —  als  unabhängig  von  der  Natur 
des  durchstrahlten  Mediums  vorausgesetzt.  Das  ist  sie  nach 
Clausius4)  und  Quintus  Icilius5)  nicht.    Doch  sind  die 

1)  Winkelmann,  Pogg.  Ann.  159.  p.  152.  1876. 

2)  Dulong  u.  Petit,  Ann.  d.  ehim.  et  de  phys.  7.  (1)  p.  148.  1817. 

3)  Oberbeck,  Wied.  Ann.  7.  p.  271.  1879. 

4)  Clausius,  Pogg.  Ann.  121.  p.  24.  1864. 

5)  Q.  Icilius,  Pogg.  Ann.  127.  p.  30.  1866. 


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L.  Graetz.  239 

* 

Brechungsexponenten  der  Gase  so  wenig  von  einander  ver- 
schieden, dass  diese  Vernachlässigung  erlaubt  ist. 

§  3.    Die  Beobachtungen. 

Im  Folgenden  sind  die  gesammten  Beobachtungen  an- 
gegeben, welche  ich  für  die  drei  Gase:  Luft,  Wasserstoff  und 
Kohlensäure  und  für  die  reine  Strahlung  mit  den  beiden 
Apparaten  erhalten  habe.  Die  Strahlungsbeobachtungen 
sind  unter  der  Rubrik  p  =  o  beigesetzt  Die  vollständige 
Zusammenstellung  der  Beobachtungen  lässt  einerseits  den 
Einfluss  der  Strömungen  erkennen,  und  zeigt  andererseits 
sofort,  welche  Beobachtungen  zur  Berechnung  der  Leitungs- 
coefficienten  genommen  werden  können. 

Tabelle  I  siehe  p.  240  bis  242. 

§  4.    Berechnung  der  Strahlungsbeobachtungen. 

Alle  Beobachtungen  lassen  sich,  wie  aus  dem  Folgenden 
ersichtlich  ist,  schon  recht  genau  darstellen  unter  der  An- 
nahme, dass  die  Abkühlungsgeschwindigkeit  die  Form  hat: 

v  =  v0  +  v1 1. 
Man  hat  danach  die  Differentialgleichung: 

-dt=cct(l  +  ßt)d&, 
worin  &  die  Zeiten  und  t  die  Temperaturen  bedeuten,  letztere 
gerechnet  von  der  Temperatur  des  Bades  an.    Das  Integral 
der  Gleichung  ist: 

wo  t0  die  Temperatur  für  #  =  o  ist. 

Nach  dieser  Formel  hat  man  aus  den  Beobachtungen 
die  a  und  ß  zu  berechnen,  und  die  so  gefundenen  a  geben 
die  Abkühlungsgeschwindigkeiten  für  die  Temperatur  des 
Bades  an.  Um  ß  aus  den  Beobachtungen  zu  berechnen, 
hat  man  durch  Interpolation  zwei  Paare  von  Temperaturen 
1  und  2  zu  bestimmen,  für  welche  &x  —  &2  denselben  Werth 
hat,  und  hat  dann,  wenn  diese  mit  mit  ^  t2  ^  f4  bezeichnet 
werden,  die  Gleichung  (auf  p.  243)1): 

1)  0.  E.  Meyer,  Pogg.  Ann.  142.  p.  514.  1871. 


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240 


L.  Graetz. 


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L.  Graetz. 


241 


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242 


L.  Graetz. 


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Zr.  Graetz. 


243 


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tt  +  t% 


Die  Berechnung  der  ß  aus  den  Beobachtungen  ist  keine 
sehr  genaue;  doch  ist  dies  nur  eine  Correctionsgrösse.  Ist 
ß  bekannt,  so  ergibt  sich  a  leicht  aus  der  Integralform  eL 
Die  Abweichung  der  berechneten  Werthe  von  den  beob- 
achteten erreicht  nie  1%  der  letzteren.  In  der  folgenden 
Tabelle  II  sind  die  Strahlungsbeobachtungen  aus  beiden 
Apparaten  für  die  niederen  und  mittleren  Temperaturen  so 
berechnet1): 

Tabelle  II. 

1.  Apparat  I. 


0,001  559 

<*  = 

0,0051 

t 

& 
beob. 

& 

berech. 

Diff. 

63,0 

0 

0 

57,8 

41 

42,1 

-M 

52,6 

88 

88,9 

-0,9 

47,4 

143 

142,6 

+0,4 

42,2 

204 

203,3 

+0,7 

37,0 
31,7 
26,5 

275 

273,5 

+  1,5 

356 

357,9 

-1,9 
-3,8 

454 

457,8 
585,6 

21,2 

587 

+  1,4 

0,003  756 

ß  = 

0,0039 

t 

& 
beob. 

& 

berech. 

Diff. 

163,6 

0 

0 

158,7 

17 

17,2 

-0,2 

153,8 

36 

36,3 
58,0 

-0,3 

148,8 

58 

±0,0 

143,9 

83 

81,9 

+  1,1 

138,9 

110 

109,6 

+0,4 

134,0 

142 

141,0 

+  1,0 
+0,2 

129,0 

179 

178,8 
224,5 

124,0 

224 

-0,5 

2.  Apparat  IL 


0,001  727 

(9-0, 

t 

beob. 

berech. 

60,6 

0 

0 

55,6 

37 

37,0 

50,5 

79 

79,2 

45,5 

126 

126,1 

40,5 

180 

179,7 

35,5 

242 

241,9 

30,5 

315 

315,5 

25,5 

404 

404,0 
515,2 

20,5 

517 

Diff. 


±0,0 
-0,2 
-0,1 
+  0,3 
+0,1 
-0,5 
±0,0 
+  1,8 


a,  =  0,003  858       ß  =  0,0067 


161,7 
156,6 
151,5 
146,4 
141,3 
136,3 
131,2 
126,2 
121,2 


beob. 

& 

berech. 

Diff. 

0 

0 

16 

15,9 

+0,1 
+0,2 

34 

33,8 

54 

54,1 

-0,1 

78 

77,2 

+0,8 

103 

103,6 

-0,6 

136 

135,4 

+0,6 

172 

173,0 

-1,0 

219 

221,2 

-2,2 

1)  Wenn  man  die  Strahlungsbeobachtungen  an  dem  zweiten  Ap- 
parat ebenso,  wie  es  in  der  erwähnten  früheren  Arbeit  geschehen  ist, 
zur  Prüfung  des  Stefan'schen  Strahlungsgesetzes  benutzt,  so  erhält  man 
für  das  absolute  Emmissionsvermögen  <t  [1012]  die  drei  Werthe  1,093, 
1,087,  1,097,  die  mit  den  früher  gefundenen  Zahlen  1,086,  1,057,  1,085, 
gut  übereinstimmen. 

16* 


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244 


L.  Graetz 


§  5.   Bestimmung  der  Wärmeleitungsfähigkeit  k0  für  Luft 
und  des  Temperaturcoöfficienten  y  derselben. 

Zur  Berechnung  der  Wärmeleitungsfähigkeit  der  Grase 
und  ihrer  Abhängigkeit  von  der  Temperatur  werden  im  Fol- 
genden aus  später  zu  erörternden  Gründen  nur  die  Beob- 
achtungen zwischen  60  und  20°  und  zwischen  160  und  120° 
benützt.  Es  müssen  dann  aus  der  Tabelle  I  diejenigen 
Beobachtungen  herausgenommen  werden,  bei  welchen  die 
Strömungen  keinen  Einfluss  mehr  haben.  Danach  können 
also  zur  Berechnung  der  Wärmeleitungsfähigkeit  der  Luft 
bei  0°  dienen  die  Beobachtungen  bei  p  =  19  und  p  =  9  beim 
Apparat  I  und  bei  p  =  35  und  p  =  5  beim  Apparat  II.  Die 
vollständige  Berechnung  dieser  Versuche  ist  enthalten  in: 


Tabelle  III. 
1.  Apparat  I. 


=  19 


«  = 

0,003  853 

<?- 

0,0016 

«  SS 

0,003  811 

ß- 

t 

& 
beob. 

& 

berech. 

Diff. 

t 

& 
beob. 

& 

berech. 

63,0 

0 

0 

63,0 

0 

0 

57,8 

20 

20,3 

-0,3 

57,8 

20 

20,6 

52,6 

43 

42,8 

+  0,2 
+  1,2 

52,6 

44 

43,3 

47,4 

69 

67,8 

47,4 

69 

68,5 

42,2 

96 

96,0 

±0,0 

42,2 

98 

97,0 

37,0 

128 

128,0 

±0,0 

37,0 

130 

129,4 

31,7 

166 

166,0 

±0,0 

31,7 

168 

167,9 

26,5 

210 

210,3 

-0,3 

26,5 

212 

212,7 

21,2 

265 

266,1 

-1,1 

21,2 

267 

269,1 

^  =  9 


0,0016 
Diff. 


—  0,6 
+  0,7 
+  0,5 
+  1,0 
+  0,6 
+  0,1 
-0,7 
-2,1 


2.  Apparat  II. 


p  =  35 


a  m 

0,004  188 

0,003  06 

«  = 

0,004  212 

0  =  0 

t 

& 
beob. 

& 

berech. 

Diff. 

t 

beob. 

& 

berech. 

60,6 

0 

0 

60,6 

0 

0 

55,6 

17 

17,4 

-0,4 

55,6 

50,5 

38 

37,2 

+  0,8 

50,5 

37 

37,0 

45,5 

59,5 

58,9 

+  0,6 

45,5 

60 

58,6 

40,5 

84 

83,5 

+0,5 

40,5 

83 

83,0 

35,5 

112 

111,7 

+  0,3 

35,5 

111 

111,1 

30,5 

144 

144,6 

-0,6 
±0,0 

30,5 

144 

143,8 

25,5 

184 

184,0 

25,5 

182 

183,0 

20,5 

233 

232,7 

+  0,3 

20,5 

231 

231,4 

p  =  5 


Diff. 


±0,0 
+  1,4 
±0,0 
-0,1 
+0,2 
-1,0 
-0,4 


Man  erkennt,  dass  die  berechneten  Werthe  sich  den 
beobachteten  gut  anschliessen.    Nimmt  man  also  diese  Dar- 


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L.  Graetz.  245 

Stellung  an,  dann  berechnet  sich  k0  aus  den  ce,  wie  man  aus 
der  Arbeit  von  Kundt  und  War  bürg  ersieht,  nach  der 
Formel: 

iL  a.). 

Nun  ist  für  den  Apparat  I  im  Mittel: 

a  =  0,003  832      a,  »  0,001  559. 

Daraus  folgt  ä0  =  0,000  048  44. 

Für  den  Apparat  II  ist  im  Mittel: 

a  =  0,004  200      a,  =  0,001  727. 

Daraus  folgt  k0  =  0,000  048  31. 

Als  Mittel  aus  beiden  Zahlen  erhält  man  also: 

*o  -  0,000  048  38  «J^mde  ' 

Dass  die  beiden  Werthe  nur  um  1/2°/o  von  einander 
abweichen,  ist  zufällig.  Eine  solche  Genauigkeit  lässt  die 
Berechnungsweise  nicht  zu. 

Dieser  Werth  von  k0  stimmt  gut  überein  mit  dem  aus 
den  Beobachtungen  von  Kundt  und  Warburg1)  sich  er- 
gebenden. Hr.  Prof.  Kundt  hatte  die  Freundlichkeit,  mir 
den  Originalapparat,  mit  dem  die  Beobachtungen  von  Kundt 
und  War  bürg  angestellt  worden  waren,  zu  überlassen,  um 
den  Wasserwerth  des  Thermometers  möglichst  genau  zu 
bestimmen,  was  nur  durch  Zerschneiden  des  Apparates  aus- 
führbar war.  Ich  erhielt  so  C0  =  0,161  34, 
und  daraus  ergibt  sich  Luft: 

Ä0  =  0,000  049  2  -    &ramm— • 
0       '  centim.  secunde 

Diese  Zahlen  stimmen  bis  auf  17s  °/o  überein,  während 
die  Abweichungen  von  den  Stefan'schen  und  Winkelmann'- 
schen  Werthen  12,  resp.  7°/0  betragen.  Wie  schon  in  der 
Einleitung  erwähnt,  verlangt  die  Clausius'sche  Berechnungs- 
weise gerade  diesen  absoluten  Werth  des  Wärmeleitungsver- 
mögens. 

Um  ferner  die  Abhängigkeit  der  Wärmeleitung  von  der 
Temperatur  zu  finden,  sind  ebenso  die  Versuche  bei  der 
mittleren  Temperatur  in  folgender  Tabelle  berechnet: 

1)  Kundt  und  Warburg,  Pogg.  Ann.  156.  p.  186.  1875. 


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246 


L.  Graetz 


Tabelle  IV, 
1.  Apparat  I. 


p  =  33 

V 

—  Q 

a  = 

0,006  393 

ß  = 

0,0018 

a  m 

0,006  393 

0,0018 

t 

beob. 

& 

berech. 

Diff. 

4 

& 
beob. 

berech. 

Diff. 

163,6 

0 

0 

163,6 

0 

0 

158,7 

11 

11,3 

-0,3 

158,7 

12 

11,3 

+  0,7 

153,8 

24 

23,7 

+  0,3 

153,8 

24 

23,7 

+  0,3 

148,8 

38 

37,6 

+0,4 

148,8 

38 

37,6 

+  0,4 

143,9 

53 

52,9 

+0,1 
+  0,5 

143,9 

53 

52,9 

+  o,i 

138,9 

71 

70,5 

138,9 

71 

70,5 

+  0,5 

134,0 

90 

90,2 

-0,2 

134,0 

90 

90,2 

—0,2 

129,0 

114 

113,7 

+  0,3 

129,0 

114 

113,7 
142,0 

+  0,3 

124,0 

141 

142,0 

-1,0 

124,0 

141 

-1,0 

2.  Apparat  II. 


V  = 

100 

P* 

«  m 

0,007  083 

ß  «  0,001  95 

0,006  890 

t 

& 
beob. 

& 

berech. 

Diff. 

& 
beob. 

161,7 

0 

0 

161,7 

0 

156,6 
151,5 

11 

10,8 

+0,2 

156,6 

11 

23 

22,8 

+0,2 

151,5 

23 

146,4 

36 

36,1 

+0,1 

146,4 

36,5 

141,3 

51 

51,0 

±0,0 

141,3 

51,5 

136,3 

67,5 

67,7 

-0,2 

136,3 

69 

131,2 

87 

87,4 

-0,4 

131,2 

89 

126,2 

110 

110,4 

-0,4 

126,2 

112 

121,1 

138 

139,0 

-1,0 

121,1 

140 

35 

ß  =  0,002  27 


berech. 
0 

10,9 
23,0 
36,5 
51,7 
68,7 
88,7 
112,1 
141,3 


Diff. 


+  0,1 
±0,0 
±0,0 
-0,2 
+  0,3 
+  0,3 
-0,1 
-1,3 


p  =  5 

a  =  0,006  363  ß 

m  0,003  86 

t 

& 
beob. 

berech. 

Diff. 

t 

&  & 
beob.  berech. 

Diff. 

161,7 

0 

0 

136,3 

70  69,5 

+  0,5 

156,6 

11 

10,9 

+0,1 

131,2 

90  90,2 

-0,2 

151,5 

23,5 

23,1 

+0,4 

126,2 

114,5  114,5 

±0,0 

146,4 

36 

36,7 

-0,7 

121,2 

144  145,0 

-1,0 

141,3 

52 

52,1 

-0,1 

Es  ergibt  sich  also  im  Mittel  zur  Berechnung  von  t\ 
aus  Apparat  I  a  =  0,006  393     a,  -  0,003  765 

und  daraus       =  0,000056  73, 
aus  Apparat  II  u  =  0,006  779    cc,  =  0,003  858 
und  daraus       =  0,000  057  96. 
Es  ist  also  im  Mittel: 


oo : 


Ä100  =  0,000  057  34     Jggg  x-  - 

100       '  centim.  secunde 


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L.  Grraetz. 


247 


Die  beiden  Werthe  von  k  für  0  und  100°  erlauben  die  Be- 
rechnung des  Temperaturcoefficienten  der  Luft  y  nach  der 
Formel:  Ä100  -  k0 (1  +  100 y). 

Es  ergibt  sich  daraus1): 

y  =  0,001 85. 

Die  Clausius'sche  Theorie  fordert  bekanntlich  für  y  den 
Werth  0,00183,  während  die  Maxwell'sche  0,003  66  fordert. 
Der  gefundene  Werth  liegt  sehr  nahe  an  dem  von 
Clausius  geforderten  Werthe.  Aus  jedem  Apparat  ein- 
zeln ergibt  sich: 

r  =  0,001  74    und    0,002  00. 

Die  Abweichungen  sind,  procentisch  genommen,  nicht  unbe- 
deutend. Die  Art  der  Berechnung  gestattet  aber  keine 
grössere  Genauigkeit.  Jedenfalls  aber  beweisen  die  Werthe. 
dass  die  Wärmeleitung  der  Luft  sich  nicht  in  glei- 
cher Weise  mit  der  Temperatur  ändert  wie  die  Rei- 
bung (für  diese  ist  ^=0,002  77),  sondern  viel  langsamer, 
und  zwar  ungefähr  so,  wie  es  die  Clausius'sche 
Theorie  verlangt. 

§  6.   Bestimmung  von  k0  und  y  für  Wasserstoff. 

Um  für  den  Wasserstoff  die  Beobachtungen  durch  eine 
quadratische  Formel  darzustellen,  reicht  das  Intervall  von 
40°  nicht  aus.  Um  das  ganze  Intervall  von  0  bis  160°  zu 
benutzen,  ist  es  nothwendig,  aus  den  Beobachtungen  erst  den 
Antheil  der  Strahlung  zu  eliminiren.  Wenn  sich  das  Ther- 
mometer um  ät  Grade  abkühlt  1)  durch  Strahlung  allein  in 
der  Zeit  A&B,  2)  durch  Strahlung  und  Leitung  zusammen  in 
der  Zeit  dann  kühlt  es  sich  durch  Leitung  allein  (in 

den  kleinen  Intervallen  Proportionalität  vorausgesetzt)  um 
At  Grade  ab  in  der  Zeit: 


1)  Wenn  die  Verringerung  des  Gewichtes  des  Quecksilbers  in  der  Ther- 
mometerkugel bei  100 0  in  Rechnung  gezogen  worden  wäre,  und  wenn  die 
specifische  Wärme  desselben  als  mit  steigender  Temperatur  abnehmend  an- 
genommen worden  wäre,  wie  Winkelmann  behauptet,  so  würde  y  noch 
kleiner  gefunden  worden  sein. 


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248  L.  Graetz. 

Auf  diese  Weise  kann  man  aus  den  Beobachtungen  an- 
genähert die  Strahlung  eliminiren.  Dies  ist  in  Tabelle  V 
für  die  Beobachtungen  am  Apparat  I  geschehen. 

Tabelle  V. 


I.   Temperaturen  zwischen  60  und  20°. 


t 

Luft  p  m  9 

Wasserst 
P 

^t  +  * 

—  99 

Kohlensäure 

p  =  6,5 

63,0 
57,8 
52,6 
47,4 
42,2 
37,0 
31,7 
26,5 
21,2 

0 

20 

44 

69 

1)8 
130 
168 
212 
267 

IL  1 

0 

39 

86 
136 
188 
248 
315 
399 
494 

^emperal 

0 

5 
11 
17,3 

23,3 

32. 

41 

52 
65 

m-en  zwiscl 

0 

6 
13 
20 
27 
37 
47 
59 
73 

ien  160  un 

0 
26 
55 
86 
122 
162 
209 
266 
336 

d  120°. 

0 

,1? 

222 
315 
413 
518 
645 
795 

t 

Luft  p  =  9 

Wassertoff  1  240 
p=     \  103 

Kohlensäure 
P  =  6,5 

*. 

*. 

*1 

163,6 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

158,7 

12 

43 

4 

5 

13 

58 

153,8 

24 

81 

8 

10 

27 

125 

148,8 

38 

118 

12,5 

16 

43 

183 

143,9 

53 

160 

17,5 

23 

60 

245 

138,9 

71 

213 

23,5 
29,5 

31 

80 

320 

134,0 

90 

262 

38 

102 

403 

129,0 
124,0 

114 

330 

36 

47 

129 

495 

141 

397 

46 

60 

161 

604 

Man  ersieht  aus  diesen  Tabellen,  dass  die  Strahlung  bei 
den  Beobachtungen  mit  Wasserstoff  keinen  grossen  Einfluss 
hat.  Man  kann  nun  die  Berechnung  mit  einem  beliebigen 
ß  anfangen,  aus  den  beiden  Beobachtungsreihen  damit  cc0 
und  «100  bilden,  aus  diesen  mit  Berücksichtigung  von  C0  und 
C100  einen  Werth  von  y  finden,  dann  das  diesem  entsprechende 
ß  zur  Berechnung  benutzen  u.  s.  f.  Auf  diese  Weise  erhält 
man  als  angenäherten  Werth  y  =  0,0015,  und  wenn  man  nun 


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L.  Graetz. 


249 


die  Berechnung  mit  ß  =  0,0008  ausführt ,  so  erhält  man  für 
den  Apparat  I: 

A0  =  0,000  3131, 
»wo- 0,0003538. 

Auf  dieselbe  Weise  erhält  man  aus  dem  Apparat  II: 

A0  =  0,000324  9, 

Ä100  =  0,000  384  9. 
Es  ist  also  im  Mittel: 

iL  =  0,000  319  0     f,gramm  . 

0        7  centim.  secunde 

^  =  0,000369  3, 
und  daraus  ergibt  sich: 

y  =  0,0016. 

Also  auch  beim  Wasserstoff  folgt  die  Wärme- 
leitung angenähert  dem  Clausius'schen  Gesetz,  wahr- 
scheinlicherweise ändert  sie  sich  noch  langsamer  mit  der 
Temperatur,  als  es  dieses  Gesetz  verlangt. 

Das  Verhältniss  der  Wärmeleitungsfähigkeiten  von  Luft 
und  Wasserstoff  ergibt  sich  aus  den  obigen  Zahlen  zu  6,59, 
während  die  Theorie  verlangt  kw/ki  =  7,1.  Berechnet  man 
ebenso  die  Beobachtungen  von  Kundt  und  Warburg  mit 
dem  Werthe  £  =  0.0008,  so  erhält  man  für  dieses  Verhält- 
niss den  Werth  6,75.  Diese  Abweichungen  von  der  Theorie 
können  ihren  Grund  in  geringen  Verunreinigungen  des  Was- 
serstoffs haben,  der  ja,  wenn  er  aus  Zink  und  Schwefelsäure 
bereitet  wird,  nur  schwer  von  allen  Kohlenwasserstoffen  zu 
befreien  ist. 

§  7.    Bestimmung  von  k0  und  y  für  Kohlensäure. 

Um  den  absoluten  Werth  des  Wärmeleitungsvermögens 
der  Kohlensäure  bei  0°  zu  berechnen,  sind  in  Tabelle  VI  wie- 
der die  betreffenden  Beobachtungen  mit  den  vollständigen 
Berechnungen  angegeben. 


250 


L.  Graetz. 


Tabelle  VI. 
1.  Apparat  I. 


P  = 

21 

(t  = 

0,003  030 

ß  = 

0,00152 

t 

beob. 

& 

berech. 

Diff. 

63,0 

0 

0 

57,8 

26 

26,0 

±0,0 
+  0,3 

52,6 

55 

54,7 

47,4 

86 

86,6 

-0,6 

42,2 

123 

122,5 

+  0,5 

37,0 

165 

163,5 

+  1,5 

31,7 
26,5 

212 

212,0 

±0,0 

268 

268,6 

-0,6 

21,2 

337 

339,6 

-2,6 

p  =  6,5 


a  =  0,003  048        ß  =  0,00154 


t 

beob. 

a. 
vT 

berech. 

Diff. 

63,0 

0 

0 

57,8 

26 

25,9 

+  0,1 

52,6 

55 

54,4 

+0,6 

47,4 

86 

86,1 

-0,1 

42,2 

122 

121,8 

+  0,2 

37,0 

162 

162,4 

-0,4 

31,7 

209 

210,6 

-1,6 

26,5 

266 

266,9 
337,5 

-0,9 
-1,5 

21,2 

336 

2.  Apparat  II. 


P  ■ 

=  10 

P 

=  1 

re  = 

0,003  290 

0,0035 

«  =  0,003  338  6 

ß~ 

0,0031 

t 

& 
beob. 

& 

berech. 

Diff. 

t 

& 
beob. 

& 

berech. 

Diff. 

60,6 

0 

0 

60,6 

0 

0 

55,6 

22 

21,8 

+0,2 

55,6 

21,5 

21,9 

-0,4 

50,5 

50,5 

46,5 

46,6 

-0,1 

45,5 

74 

73,6 

+0,4 

45,5 

74 

78,8 

+  0,2 

40,5 

104 

104,3 

-0,3 

40,5 

105 

104,6 

+  0,4 

35,5 

140 

139,4 

+  0,6 

35,5 

141 

140,0 

+  1,0 

30,5 

181 

181,1 

-0,1 

80,5 

182 

181,2 

+  0,8 

25,5 

229 

230,7 

-1,7 

25,5 

231 

230,5 

+  0,5 

20,5 

290 

292,2 

-2,2 

20,5 

291 

291,6 

-0,6 

Die  daraus  resultirenden  Werthe  von  a  mit  den  Werthen 
von  a8  combinirt,  geben  als  absoluten  Werth  des  Wärme- 
leitungsvermögens der  Kohlensäure  bei  0°: 

aus  Apparat  I   Ä0  =  0,000031 35, 
„        „       II   k0  =  0,000  030  48, 
im  Mittel  also: 

A0  =  0,000  030  91      fframm   .  . 

0        7  centim.  secunde 

Dieser  Werth  stimmt  zwar  ziemlich  gut  überein  mit  dem 
aus  der  Clausius'schen  Theorie  nach  den  neuesten  Zahlen 
von  Wüllner1)  berechneten  Werthe: 

Ä0  =  0,000031  5. 

Indess  ist  erstens  die  Kohlensäure  ein  schon  bei  niedri- 
gen Temperaturen  nicht  unbeträchtlich  absorbirendes  Gas, 


1)  Wüllner,  Wied.  Ann.  4.  p.  340.  1878. 


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L.  Graetz. 


251 


zweitens  aber  sind  auch  die  Differenzen  zwischen  den  Wer- 
then  von  a  für  die  Kohlensäure  und  die  reine  Strahlung 
nicht  mehr  so  gross,  dass  die  Werth  e  von  k  einen  grossen 
Anspruch  auf  Genauigkeit  haben  können.  Darauf  beruht 
es  auch  wohl,  dass  der  von  Kundt  und  War  bürg  erhaltene 
Werth  für  CO«,: 

k0  wm  0,000  029  0 

mit  dem  meinigen  nicht  gut  übereinstimmt.  Nach  den  obi- 
gen Versuchen  ist  die  Wärmeleitungsfahigkeit  der  Kohlen- 
säure bezogen  auf  die  der  Luft  als  Einheit  0,64,  wäh- 
rend Kundt  und  War  bürg  fanden  0,59.  Die  Theorie  ver- 
langt 0,66. 

Zur  Bestimmung  von  ^00  für  Kohlensäure  dient  die 
vollständige  Berechnung  in: 


Tabelle  VII. 

1.   Apparat  L 


p  =  22 

u  =  0,005  498        ß  =  0,00226 


t 

& 
beob. 

berech. 

Diff. 

163,6 

0 

0 

158,7 

13 

12,8 

+  0,2 

153,8 

27 

26,9 

+0,1 

+  0,2 

148,8 

43 

42,8 

143,9 

60 

60,2 

-0,2 

138,9 
134,0 

80 

80,3 

-0,3 

103 

103,0 

±0,0 
-1,0 

129,0 

129 

130,0 
162,5 

124,0 

161 

-1,5 

p  =  6,b 

«  =  0,005  504        ß  =  0,002  26 


t 

beob. 

& 

berech. 

Dift. 

163,6 

0 

0 

158,7 

13 

12,8 
26,9 

+  0,2 
+04 
+  0,3 

153,8 
148,8 

27 

43 

42,7 

143,9 

60 

60,1 

-0,1 

138,9 

80 

80,2 

-0,2 

134,0 

102 

102,8 

-0,8 

129,0 

129 

129,8 
162,3 

-0.8 
-1,3 

124,0 

161 

2.  Apparat  II. 


p  =  70 


«  =  0,005  595 

ß  = 

0,005  25 

t 

& 
beob. 

& 

berech. 

Diff. 

161,7 

0 

0 

156,6 

11,5 

11,6 

-0,1 

151,5 
146,4 

25 

24,5 

+0,5 
+  0,5 

39,5 

39,0 

141,3 

55,5 

55,6 

-o,i 

136,3 

74 

74,3 
96,7 

-0,3 

131,2 

97 

+  0,3 

126,2 
121,2 

122 

123,0 

-1,0 
-2,1 

154 

156,1 

«  =  0,005  891  5 

<*  = 

0,003  34 

t 

beob. 

& 

berech. 

Diff. 

161,7 

0 

0 

156,6 

12 

12,0 

±0,0 
+0,6 

151,5 

26 

25,4 

146,4 
141,3 

40,5 

40,8 

-0,3 

58 

57,7 
76,7 

+  0,3 

136,3 

76 

-0,7 

131,2 

99 

98,7 

+  0,3 

126,2 

124 

124,9 

-0,9 

121,2 

157 

157,8 

-0,8 

Digitized  by  Co 


252 


•  L.  Graetz. 


p  =  l 

t         &  & 

beob.  berech. 

161,7  0  0 

156,6  12  12,2 

151,5  26  25,7 

146,4  41  41,3 

141,3  58  58,4 

Aus  diesen  Zahlen  ergibt  sich: 

für  den  Apparat  I   A100  =  0,000  037  49, 
„     „         „       n    A100  =  0,000  037  90, 
also  im  Mittel: 

0,000  087  70  ssSai- 

Daraus  berechnet  sich  der  Temperaturcoefficient: 

r  =  0,0022, 

der  also  auch  bedeutend  kleiner  ist  als  der  entsprechende 
Coefficient  bei  der  Reibung  (y  =  0,0033). 

Aus  den  oben  angegebenen  Gründen  kann  ich  aber 
diesen  Zahlen  selbst  keine  grosse  Sicherheit  beilegen. 

§  8.   Einfluss  der  Absorption  der  strahlenden  Wärme  auf  die 

Beobachtungen. 

Wenn  in  einer  Substanz,  die  zwischen  zwei  unendlichen 
Ebenen  von  den  Temperaturen  ux  und  u0  liegt,  Wärme  nur 
durch  Leitung  übergeführt  wird,  so  ist  die  Temperaturer- 
höhung in  einer  Schicht  von  der  Dicke  dx  im  Abstand  x 
von  der  Ebene  ux  gegeben  durch: 

du  k  d*u  j 

1ia* ,s*iCd&a*' 

Viel  complicirter  wird  die  Gleichung,  wenn  die  Substanz 
theilweise  diatherman  ist.  Dann  wird  diese  Schicht  ausser 
dieser  Temperaturerhöhung  noch  eine  andere  erhalten  durch 
Absorption  der  strahlenden  Wärme,  und  sie  wird  eine  Tem- 
peraturerniedrigung erleiden  durch  eigene  Emission.  Der 
Zuwachs  an  Temperatur  setzt  sich  zusammen  1)  aus  der 
Absorption  der  von  den  Wänden  ausgestrahlten  Wärme, 
2)  aus  der  Absorption  der  von  jeder  Schicht  der  Substanz 
ausgesendeten  Wärme.  Es  seien  Qx  die  von  der  Fläche  uv 
Q0  die  von  der  Fläche  uQ  ausgestrahlten  Wärmemengen  von 


«  -  0,005  818  4        ß  =  0,003  34 


Diff. 

t 

a 
tT 

beob. 

Q. 

\T 

berech. 

Diff. 

136,3 

78 

77,6 

4-0,4 

-0,2 

131,2 

100,5 

99,9 

+0,6 

+  0,3 

126,2 

127,5 

126,5 

+  1,0 

-0,3 

121,2 

160 

159,8 

+0,2 

—0,4 

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L,  Graetz. 


253 


bestimmter  Farbe  X.  Es  sind  QY  und  Q0  Functionen  von  uv 
resp.  w0  und  l.  Es  sei  cti  die  von  einer  Schicht  von  der  Dicke 
1  absorbirte  Wärmemenge  dieser  Farbe,  also  —  log  (1  —  «i)  dx 
die  von  einer  Schicht  von  der  Dicke  dx  absorbirte  Wärme- 
menge. Dann  ist  die  Temperaturerhöhung  in  der  Schicht  dx 
im  Abstand  x  durch  die  Strahlung  von  den  Wänden: 

Es  sei  ferner  ikdy  die  von  einer  Schicht  dy  nach  einer  Seite 
ausgestrahlte  Wärmemenge  derselben  Farbe,  es  ist  dann  die 
Temperaturerhöhung  durch  die  innere  Strahlung: 

X  d 
1  0  * 

Es  ist  die  Temperaturerniedrigung  durch  Ausstrahlung  = 
2/()C.6xdx,  wir  haben  also  die  Gleichung: 

S  =  vc  %  -  (2       I1  -  «ar  «  +  (i  -  9 

x  d 

Es  sind  darin  a  und  €  Functionen  von  u,  also  auch 
Functionen  des  Ortes.  Ohne  auf  eine  nähere  Discussion 
dieser  Gleichung  hier  einzugehen,  die  späterer  Untersuchung 
überlassen  bleiben  soll,  kann  man  einen  einfachen  Schluss 
aus  ihr  ziehen.  Da  die  von  den  beiden,  der  Schicht  x  un- 
endlich benachbarten  Schichten  ausgesandten  und  von  der 
Schicht  x  absorbirten  Wärmemengen  allein  schon  beinahe 
gleich  sein  werden  der  von  der  Schicht  x  ausgestrahlten 
Wärmemenge  (da  sie  von  denselben  Farben  sind),  so  wird 
der  zu  cPu/dx2  hinzutretende  Ausdruck  wesentlich  positiv 
sein,  d.  h.  im  Falle  stationärer  Temperaturvertheilung  wird 
du/dx  >  0  sein. 

Die  Temperatur  fällt  nicht  nach  einer  geraden  Linie 
ab,  sondern  nach  einer  gegen  die  x-Axe  concaven  Curve. 

In  jedem  Punkte  ist  die  Temperatur  infolge  der  Ab- 
sorption eine  höhere,  als  sie  ohne  Absorption  sein  würde. 


254 


L.  Graetz 


Es  wird  also  in  einer  bestimmten  Zeit  weniger  Wärme  über- 
geführt, d.  h.  der  Leitungscoefficient  muss  scheinbar  zu 
klein  sein. 

Ausserdem  wird  natürlich  die  durch  Strahlung  von  der 
Fläche  in  derselben  Zeit  abgegebene  Wärmemenge  kleiner, 
wenn  das  Gras  absorbirt,  als  wenn  es  nicht  absorbirt.  Aus 
diesen  beiden  Gründen  muss  der  aus  den  Beobachtungen 
sich  ergebende  Werth  von  k  zu  klein  sein. 

Nun  ergeben  meine  Versuche  mit  Kohlensäure  zwischen 
den  Temperaturen  226  und  180°  einen  zu  kleinen  Werth 
von  k.  Eine  exacte  numerische  Berechnung  der  Beobach- 
tungen ist  jedoch  nicht  möglich,  weil  die  Abkühlungszeiten 
zu  klein  sind.  Man  erkennt  indess  die  Abweichung  bei  der 
Kohlensäure  sofort,  wenn  man  die  Strahlung  nach  der  in  §  6 
benutzten  Methode  eliminirt  und  die  Abkühlungszeiten  durch 
Interpolation  auf  dasselbe  Temperaturintervall  45—20°  (die 
Temperatur  des  Bades  gleich  0  gesetzt)  bezieht.  Man  erhält 
so  folgende  Zahlen  (aus  App.  I): 


0° 

100° 

182° 

Wasserstoff  . 

.  54" 

49" 

38" 

.  347" 

299" 

279" 

Kohlensäure  . 

.  564" 

460" 

482" 

Bei  Wasserstoff  und  Luft  nimmt  also  die  Wärmeleitungs- 
fähigkeit mit  steigender  Temperatur  stetig  zu,  bei  der  Kohlen- 
säure nimmt  sie  erst  zu,  dann  scheinbar  ab,  ein  Verhalten, 
welches  durch  die  Absorption  der  strahlenden  Wärme  in  der 
Kohlensäure1)  seine  volle  Erklärung  findet;  denselben  Gang 
zeigen  die  Beobachtungen  am  Apparat  II.  Bei  Luft  nimmt 
der  Wärmeleitungscoefficient  zwischen  100  und  182°  weniger 
zu  als  zwischen  0  und  100°.  Dies  kann  davon  herrühren, 
dass  die  Luft  nicht  von  ihrer  Kohlensäure  befreit  war.  Beim 
Wasserstoff  scheint  y  mit  steigender  Temperatur  erheblich 
zu  wachsen. 

Einige  Versuche,  die  ich  mit  Quecksilberdampf  angestellt 
habe,  scheinen  zu  beweisen,  dass  derselbe  die  strahlende 


1)  Tyndall,  Pogg.  Ann.  113.  p.  1.  1861.  Magnus,  Pogg.  Ann. 
112.  p.  497.  1861. 


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L.  Graetz. 


255 


Wärme  sehr  stark  absorbirt;  doch  sind  diese  Versuche  nicht 
sicher  genug,  um  genauere  Zahlen  mitzutheilen. 

Aus  den  angegebenen  Ueberlegungen  folgt,  dass  die 
Wärmeleitungsfähigkeit  von  absorbirenden  Gasen  und  Dämpfen 
sich  nach  der  Abkühlungsmethode  nicht  bestimmen  lässt. 

§  9.  Discussion  der  Resultate. 
Die  absoluten  Werthe  des  Wärmeleitungsvermögens  von 
Luft  und  Wasserstoff  bei  0°,  die  oben  gefunden  wurden,  stimmen 
ziemlich  überein  mit  den  von  Kundt  und  War  bürg  gefun- 
denen und  beweisen,  dass  bei  der  Wärmeleitung  die  innere 
Energie  der  Molecüle  nicht  ins  Spiel  kommt.  Die  Werthe 
von  Stefan  und  Winkelmann  sind  erheblich  zu  gross, 
wahrscheinlich  weil  die  Form  der  Apparate  nach  Stefan 
eine  genaue  Bestimmung  der  absoluten  Werthe  nicht  zulässt. 
Die  relativen  Werthe  von  k  sind  angenähert  so,  wie  es  die 
Theorie  verlangt.  Ein  erheblicher  Widerspruch  liegt  aber 
zwischen  den  von  mir  bestimmten  Temperaturcoefficienten 
und  den  von  Winkelmann  bestimmten  vor.  Die  Zahlen 
von  Winkelmann  sind  bedeutend  grösser  als  die  meinigen. 
Und  doch  lässt  sich  zeigen,  dass  die  oben  abgeleiteten  Werthe 
von  y  die  grössten  sind,  die  sich  aus  den  Beobachtungen  ent- 
nehmen lassen.  Falls  man  Correctionen  an  ihnen  anbringen 
will,  so  können  diese  den  Werth  von  y  nur  verkleinern, 
wodurch  der  Widerspruch  mit  Winkelmann  noch  grösser 
wird.  Es  lässt  sich  dies  leicht  z.  B.  an  den  Beobachtungen 
für  Luft  (Apparat  I)  zeigen,  indem  man  die  zur  Berechnung 
von  y  dienenden  Grössen  einzeln  untersucht.    Es  ist: 

100  y  =  K° C"°  _lt 
(«o  -  ««/> )  Co 

1)  Die  Strahlung  kann  nach  der  obigen  Methode  nur 
zu  grosse  Abkühlungsgeschwindigkeiten  a9  geben,  wenn  noch 
Leitung  durch  das  Gas  vorhanden  ist.  Wenn  also  die  Strah- 
lung nicht  ganz  genau  bestimmt  ist,  so  werden  die  a8  und 
wird  dadurch  auch  y  noch  kleiner. 

2)  Die  Beobachtungen  der  Wärmeleitung  und  Strah- 
lung zusammen  sind  sicher  auszuführen.  Die  Berechnung, 
die  weniger  sicher  ist,  gibt,  wie  Tabelle  III  und  IV 


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256  L.  Graetz. 

zeigen,  Werthe  von  cc,  die  sich  den  Beobachtungen  gut  an- 
schliessen.  Doch  sind  die  zurückberechneten  Zeiten  für  die 
letzten  Temperaturen  immer  etwas  zu  gross.  Eine  compli- 
cirtere  Formel  müsste  daher  noch  grössere  a  ergeben.  Da- 
durch würde  aber  y  noch  kleiner  werden. 

3)  Bei  der  Bestimmung  der  Wasserwerthe  ist  die 
Verringerung  des  Gewichtes  des  Hg  in  der  Kugel  bei  höhe- 
ren Temperaturen  nicht  berücksichtigt  worden.  Es  ist  auch 
nicht  das  Resultat  der  Winkelmann'schen l)  Beobachtung 
benutzt  worden,  dass  die  specifische  Wärme  des  Hg  mit 
steigender  Temperatur  abnimmt.  Berücksichtigt  man  diese 
beiden  Verhältnisse,  so  wird  C100  und  dadurch  auch  /  noch 
kleiner. 

Es  bleibt  also  das  Resultat  bestehen,  dass  die  Wärme- 
leitung der  Luft  sich  höchstens  proportional  der  Wurzel  aus 
der  absoluten  Temperatur  ändert.  Ebenso  sicher  ist  das 
Resultat  für  Wasserstoff.  Bei  der  Kohlensäure  kann  ich 
wegen  der  Kleinheit  der  Differenzen  und  wegen  des  Ein- 
flusses der  Absorption  meine  Zahlen  nicht  für  ebenso  sicher 
halten. 

Der  Grund  der  Differenzen  zwischen  den  Werthen  von 
Winkelmann  und  den  meinigen  liegt,  wie  ich  vermuthe, 
theils  in  der  Art  und  Weise  der  Winkelmann'schen  Berech- 
nung, theils  und  hauptsächlich  in  der  bei  Winkelmann 
nicht  vermiedenen  Leitung  des  Glases.  Als  Beweis  dafür 
mögen  folgende  Punkte  angeführt  werden: 

1)  Die  Winkelmann'schen  Beobachtungen  geben  nicht 
die  richtigen  absoluten  Werthe  von  k  für  0°  (resp.  7,5°). 
Berechnet  man  diese  Werthe  nach  der  Formel: 

wo  alle  auf  der  rechten  Seite  stehenden  Grössen  von  Winkel- 
mann angegeben  sind2),  so  erhält  man: 

aus  Apparat  I  k7  5  =  0,000  060  47 
aus  Apparat  III  k7fi  =  0,000  058  95, 

1)  Winkelmann,  Pogg.  Ann.  159.  p.  152.  1876. 

2)  Winkelmann,  Pogg.  Ann.  157.  p.  517.  531.  538.  1876  u.  Wied. 
Ann.  1.  p.  69.  1877. 


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L.  Graetz. 


257 


während  Winkelmann  selbst  früher  gefunden  hatte: 

Ä7t5  =  0,000  052  5, 
und  der  richtige  Werth  ist  k7j  =  0,000  049,  also  eine  Diffe- 
renz von  18°/0'    Sind  aber  die  absoluten  Werthe  von  k  nicht 
richtig,  so  hat  man  gar  keine  Schätzung  über  die  Genauig- 
keit der  Temperaturcoefticienten. 

2)  Meine  Beobachtungen,  nach  der  Winkelinann'schen 
Methode  berechnet,  ergeben  noch  viel  kleinere  Temperatur- 
coefticienten, als  sie  oben  angegeben  sind.  Ich  erhalte  z.B. 
für  den  Apparat  I: 

A  =    jJ     /fr     =  1>1 1 1  > 
und  damit  für  den  Temperaturcoefficienten : 

'  =  T^  =  0>0012- 
also  weit  weniger  als  die  Hälfte  des  von  Winkel  mann  ge- 
fundenen Werthes. 

3)  Die  Glasleitung  ist  bei  Winkelmann  nicht  vermie- 
den. Während  meine  Apparate  einen  Stiel  von  15  cm  Länge 
hatten  und  nicht  bis  über  die  Einschmelzung,  sondern  nur 
bis  zu  der  Mitte  des  Halses  eingetaucht  wurden,  mussten 
bei  den  Winkelmann'schen  Versuchen  die  Apparate  vollständig 
in  die  Bäder  eingetaucht  werden.  Dazu  hatte  der  Stiel  des  Ther- 
mometers nur  eine  Länge  von  0,4,resp.  1,2  cm.  Berechnet  man 
die  Wärmemenge,  welche  durch  das  Glas  z.  B.  bei  dem  Ver- 
suche mit  Luft1)  übergeführt  wurde,  indem  man  den  abso- 
luten Wärnieleitungscoefficienten  des  Glases  nach  den  Zahlen 
von  Peel  et2)  berechnet,  so  findet  man,  dass  durch  das  Glas 
etwa  10°/0  der  gesammten  Wärmemenge  übergeführt  wird. 
(Den  Querschnitt  des  Stiels  setze  ich  dabei  ebenso  gross  vor- 
aus, wie  bei  meinen  Apparaten).  Bei  meinen  Beobachtungen 
habe  ich  mich  überzeugt,  dass  ein  tieferes  oder  weniger  tiefes 
Eintauchen  auf  die  Abkühlungszeiten  ohne  Einfluss  ist.  Wie 
unregelmässig  aber  und  wie  wenig  exaet  zu  berechnen  der 
Einfluss  der  Glasleitung  ist,  zeigen  folgende  Zahlen,  die  mit 


1)  Winkelmann,  Pogg.  Ann.  157.  p.  510.  1876. 

2)  P6clet,  Tratte  de  la  chaleur.  1.  p.290.  Suppl.  105.  1843. 

Ann.  d.  Phys.  u.  Chero.  N.  F.  XI V.  17 


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258  L.  Graetz. 

einem  Apparat  mit  dickerem  und  kürzerem  Stiel  angestellt 
wurden.  Die  Zahlen  unter  I  wurden  erhalten,  wenn  der 
Apparat  bis  in  die  Mitte  des  Halses,  die  unter  II,  wenn  er 
über  die  Einschmelzung  eingetaucht  war. 

Wasserstoff  p  -  756       290         79         24       7,5  3,5 
I  44        60,6       63,5       63      66  70 

II  44        55,6       57         58      66  70,6 

Aus  diesen  Gründen  halte  ich  die  Winkelmann'schen 
Zahlen  für  unrichtig. 

Ferner  zeigen  die  obigen  Auseinandersetzungen  über 
den  Einfluss  der  Absorption,  dass  es  unmöglich  ist,  mit 
Apparaten  nach  Du  long  und  Petit  die  Wärmeleitungs- 
fähigkeit von  Gasen  und  Dämpfen,  welche  die  strahlende 
Wärme  absorbiren,  auf  die  gewöhnliche  Weise  zu  bestimmen. 
Die  so  erhaltenen  Zahlen  für  k  müssen  aus  doppeltem  Grunde 
zu  klein  sein.  In  der  That  geben  die  Versuche  von  Win- 
kelmann1) für  alle  absorbirenden  Substanzen  zu  kleine 
Werthe,  wie  die  folgenden  Zahlen  beweisen,  die  aus  der  Zu- 
sammenstellung von  0.  E.  Meyer2)  entnommen  sind. 

berechnet  beobachtet 

NaO    0,000  0425  0,000  0363 

CH4             829  647 

C2H4            542  414 

Ebenso  werden  die  von  Winkelmann3)  gefundenen  Werthe 
von  Alkoholdampf,  Ammoniak,  Aether  und  nach  den  neuen 
Versuchen  von  Tyndall4)  und  Röntgen6)  auch  von  Wasser- 
dampf alle  zu  kleine  Werthe  ergeben.  Für  Schwefelkohlen- 
stoff ist  nachgewiesen,  dass  sein  Dampf  die  strahlende  Wärme 
wenig  absorbirt.  Es  wäre  von  Interesse,  Reibung  und  Wärme- 
leitung desselben  zu  bestimmen,  um  zu  sehen,  ob  auch  bei 
diesem  complicirten  Molecül  die  innere  Energie  zu  der  Wärme- 
leitung nichts  beiträgt. 

1)  Winkelmann,  Pogg.  Ann.  15Ö.  p.  527.  1875. 

2)  0.  E.  Meyer,  Kinetische  Theorie  der  Gase.  p.  194. 

3)  Winkel  mann,  Pogg.  Ann.  159»  p.  186.  1876. 

4)  Tyndall,  Proc.  Koy.  Soc.  Febr.  1881. 

5)  Röntgen,  Ber.  der  Oberhess.  Ges.  f.  Natur-  u.  Heilkunde.  20. 
p.  52.  1881. 


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Graetz. 


259 


Die  Temperaturcoöfticienten  aller  dieser  absorbirenden 
Gase  und  Dämpfe,  für  welche  Winkelmann  zum  Theil 
enorm  grosse  Werthe  erhält  (für  Alkohol  z.  B.  y «  0,00615), 
müssen,  wie  man  aus  einer  Discussion  der  ihm  zur  Berech- 
nung dienenden  Formel  leicht  erkennt,  in  Wirklichkeit  viel 
kleiner  sein.  Ausserdem  geht  auch  in  diese  die  Glasleitung 
ein,  die  die  Resultate  unrichtig  macht. 

Ebenso  lässt  es  sich  durch  Absorption  erklären,  dass 
Winkelmann1)  beim  Aethylen  gefunden  hat,  dass  das- 
selbe bei  niederem  Druck  die  Wärme  besser  leitet  als 
bei  höherem.  In  der  That  wächst  die  absorbirte  Wärme- 
menge  mit  der  Dichte,  und  es  ist  also  die  scheinbare  Lei- 
tungsfähigkeit bei  höheren  Drucken  caeteris  paribus  eine 
kleinere  als  bei  niederen  Drucken.  Der  Unterschied  von 
1 3 °/0 ,  den  Winkelmann  dabei  gefunden  hat,  lässt  sich  voll- 
kommen dadurch  erklären. 

Es  scheint  mir  nach  den  bisherigen  Auseinandersetzungen 
bewiesen  zu  sein,  dass  wir  richtige  Werthe  für  die  Wärme- 
leitung mit  unseren  jetzigen  Methoden  nur  für  diejenigen 
Gase  und  Dämpfe  erhalten  können,  welche  bei  den  ange- 
wendeten Temperaturen  die  strahlende  Wärme  nicht  absor- 
biren.  Aber  auch  für  die  Gase,  wie  Luft  und  Wasserstoff, 
ist  die  Methode  der  Abkühlung  keine  gute,  da  die  Strahlung 
und  die  Abhängigkeit  der  Wärmeleitung  von  der  Tempera- 
tur eine  genauere  Bestimmung,  als  sie  in  der  vorliegenden 
Arbeit  gegeben  ist,  unmöglich  machen.  Es  müssen  neue 
Methoden  benutzt  werden,  welche  von  diesen  Mängeln  frei 
sind.  Ich  glaube,  dass  die  Schallgeschwindigkeit  in  engen 
Röhren,  welche,  wie  Kundt2)  bemerkt,  wahrscheinlich  durch 
die  Wärmeleitung  modificirt  wird,  eine  vortheilhafte  Methode 
zur  Bestimmung  der  Wärmeleitung  geben  wird.  Dazu  müsste 
aber  die  Theorie  der  Versuche  noch  weiter  gefördert  sein, 
da  die  Kirchhoffsche8)  Behandlung  derselben  die  Erschei- 
nungen nicht  völlig  wiedergibt. 

1)  Winkelmann,  Wied.  Ann.  11«  p.  474.  1880. 

2)  Kundt,  Pogg:  Ann.  135.  p.  543.  1868. 

3)  Kirchhoff,  Pogg.  Ann.  184.  p.  177.  1868. 

n* 


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260 


P.  Volkmann. 


Für  die  Gastheorie  gibt  die  vorliegende  Untersuchung 
hauptsächlich  folgende  Resultate: 

1)  Die  Wärmeleitung  besteht  bei  den  Gasen,  Luft, 
Wasserstoff  und  (bei  niederen  Temperaturen)  auch  Kohlen- 
lensäure  in  der  Uebertragung  von  nur  progressiver  Ener- 
gie. Die  intramoleculare  Energie  trägt  nur  unmessbar  wenig 
zur  Wärmeleitung  bei.  Die  Molecüle  verhalten  sich  also  bei 
der  Wärmeleitung  wie  materielle  Punkte. 

2)  Die  Abhängigkeit  der  Wärmeleitung  von  der  Tem- 
peratur ergibt  sich  aus  den  Versuchen  angenähert  so,  wie 
es  die  Clausius'sche  Theorie  verlangt.  Falls  Abweichungen 
von  derselben  vorhanden  sind,  so  können  diese  nur  derart 
sein,  dass  die  Wärmeleitung  sich  noch  langsamer  ändert  als 
nach  der  Wurzel  aus  der  absoluten  Temperatur. 

3)  Alle  Resultate  für  Gase  und  Dämpfe,  welche  Abwei- 
chungen von  den  aus  der  Theorie  berechneten  Werthen 
ergeben,  sind  nicht  beweiskräftig,  da  sie  nur  die  scheinbare 
Wärmeleitungsfähigkeit  infolge  der  Absorption  der  strahlen- 
den Wärme  ergaben. 

4)  Die  Abweichung  des  Temperaturcoefficienten  der  Rei- 
bung von  dem  aus  der  Theorie  berechneten  kann  ihren 
Grund  nicht  oder  nicht  allein  in  der  Abnahme  des  Mole- 
cülardurchmessers  mit  steigender  Temperatur  haben.  Es 
ist  vielmehr  eine  andere  Erklärung  für  diese  Thatsache  zu 
suchen. 

Phys.  Inst,  der  Univ.  Strassburg  i.  E.,  März  1881. 


V.   Zu  den  bisherigen  Beobachtungen  der  Aus- 
dehnung des  Wassers  durch  die  Wärme; 
von  Paul  Volkmann. 

(Mittheilungen  aus  dem  math.-physikal.  Inst,  in  Königsberg  i.  Pr.  Nr.  4). 

Seitdem  Miller  in  seiner  Abhandlung  über  das  engli- 
sche Pfund l)  die  damals  bekannten  und  besten  Beobachtungen 
über  die  Ausdehnung  des  Wassers  durch  die  Wärme  dis- 

1)  Miller,  Phil.  Trans.  146.  p.  788.  1856. 


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P.  Volkmann . 


2b  1 


cutirt  und  unter  Benutzung  des  von  Regnault  gefundenen 
Ausdehnungscoefficienten  des  Quecksilbers  reducirt  hat,  ist 
nicht  allein  eine  ganze  Reihe  neuer  Beobachtungen  über  die 
Ausdehnung  des  Wassers  angestellt  worden,  sondern  es  hat 
sich  auch  nach  genauerer  Berechnung  der  Regnault'schen 
Beobachtungen  über  die  absolute  Ausdehnung  des  Queck- 
silbers ein  nicht  unerheblich  grösserer  Werth  für  den  Aus- 
clehnungscoßfficienten  desselben  ergeben. 

Die  Beobachtungen  von  Regnault  wurden  von  Bosscha1) 
nach  der  Formel  Vt  =  V0eat,  von  Wüllner2)  und  Levy3) 
nach  der  Formel  Vt  =  F0(l  -f-  at  -f  bt2  +  ci3)  neu  berechnet. 
Bosscha  und  Wüllner  legten  dabei  jedem  Beobachtungs- 
resultate, welches  sich  als  Mittel  aus  zwei  bis  sechs  Einzel- 
messungen ergibt,  dasselbe  Gewicht,  Levy  ein  der  Anzahl 
der  Einzelmessungen  proportionales  Gewicht  bei.  Die  Aus- 
dehnung des  Quecksilbers  von  0  bis  100°  ist  nach: 


Diese  Werthe  geben  ein  Bild  davon,  wie  weit  genau  die 
Ausdehnung  des  Quecksilbers  für  0  bis  100°  bekannt  ist. 
Zu  dieser  Unsicherheit  tritt  noch  eine  andere,  wo  denn  die 
Höhe  der  communicirenden  Röhren  beginnt.  Regnault 
rechnet  bei  der  ersten  Anordnung  des  Beobachtungsappa- 
rates dieselbe  von  der  unteren  Kante,  Bosscha  und  die 
späteren  unter  der  Annahme  stattfindender  Strömungen  von 
der  Axe  der  oberen  horizontalen  Röhre.  Dadurch  werden 
die  obigen  Zahlenwerthe  noch  um  zwei  Einheiten  in  der 
fünften  Decimale  zweifelhaft. 

Die  Unsicherheit  in  der  Kenntniss  der  absoluten  Aus- 
dehnung des  Quecksilbers  überträgt  sich  auf  die  Bestimmung 
der  Ausdehnung  des  Wassers  durch  die  diiatometrische  Me- 
thode.   Wir  werden  jedoch  bei  der  Vergleichung  der  besten 


1)  Bosscha,  Pogg.  Ann.  Ergbd.  5.  p.  276.  1871. 

2)  Wüllner,  Pogg.  Ann.  163.  p.  440.  1874  u.  Lehrb.  d.  Experim.- 


Phys.  3.  p.  66.  1875. 

3)  Levy,  Ueber  die  Ausdehnung  des  Quecksilbers.  Inaug.-Diss. 
HaUe  1881. 


Regnault  0,018153 
Bosscha     0,018  241 


Wüllner  0,018  253 
Levy  0,018207 


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262 


P.  Volkmann, 


Beobachtungen  über  die  Ausdehnung  des  Wassers  eine 
etwas  grössere  Abweichung  finden,  als  sie  durch  die  Un- 
sicherheit in  der  Kenntniss  der  absoluten  Ausdehnung  des 
(Quecksilbers  bedingt  ist. 

Nach  dem  Gesagten  erscheint  es  bei  der  Wichtigkeit 
des  Gegenstandes  geboten  1)  von  neuem  in  die  Discussion 
der  bisher  anerkannten  Beobachtungen  der  Ausdehnung  des 
Wassers  zu  treten  und  2)  etwa  den  von  Levy  neu  berech- 
neten Ausdehnungscoefficienten  des  Quecksilbers  bei  der  Re- 
duction  der  Beobachtungen  zu  berücksichtigen. 

Die  Ausdehnung  des  Wassers  ist  nach  zwei  Methoden 
untersucht  worden.  Nach  der  einen,  der  hydrostatischen, 
wurde  derselbe  Körper  in  Wasser  von  verschiedenen  Tem- 
peraturen gewogen;  der  Gewichtsverlust  des  Körpers  ist  dann 
gleich  dem  Gewicht  des  von  dem  Körper  verdrängten  Was- 
sers. Bezeichnen  wir  denselben  bei  0°  mit  bei  t°  mit  g  , 
dann  ist  das  Volumen  des  Wassers  bei  t°,  bezogen  auf  das 
bei  0°  als  Einheit: 

i (1 + kt)- 

Hierin  bedeutet  k  den  Ausdehnungscoefficienten  des  Körpers. 
Die  Reduction  der  Volumina  auf  4°  als  Einheit  wird  meist 
erst  später  vorgenommen,  nachdem  die  Volumina  auf  0° 
als  Einheit  von  Grad  zu  Grad  berechnet  sind. 

Diese  Methode  ist  von  Hällström1),  Hagen2)  und 
Matthiessen3)  angewandt  worden.  Alle  drei  wandten  als 
Körper  Glas  an.  Sie  bestimmten  den  linearen  Ausdehnungs- 
coefficienten durch  Beobachtung  und  berechneten  daraus 
durch  Multiplication  mit  3  den  cubischen  Ausdehnungscoef- 
ficienten. Gegen  dieses  Verfahren,  bei  Glas  aus  dem  linea- 
ren Ausdehnungscoefficienten  auf  den  cubischen  zu  schliessen, 
hat  Regnault4)  Einwände  erhoben.  Indem  man  derselben 
Glassorte  verschiedene  Formen  gebe,  leide  die  Homogenität 
des  Glases,  und  die  Ausdehnung  desselben  dürfte  daher  in 


1)  Hällström,  Pogg.  Ann.  1.  p.  129.  1824. 

2)  Hagen,  Berl.  Ber.  p.  1.  1855. 

3)  Matthiessen,  Pogg.  Ann.  128.  p.  512.  1866. 

4)  Regnault,  Mem.  de  l'acad.  de  France.  21.  p.  274.  1847. 


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P.  Volkmann. 


verschiedenen  Richtungen  verschieden  sein;  sodann  bedürfe 
es  noch  Beobachtungen  zur  Prüfung  der  Annahme,  dass  die 
Ausdehnung  einer  Glashülle  sich  ebenso  verhielte,  wie  die 
einer  continuirlichen  Glasmasse  —  der  moleculare  Zustand 
könnte  in  beiden  Fällen  ein  anderer  sein.  Regnault  führt 
an  dieser  Stelle  keine  Beobachtungen  auf,  an  einer  anderen 
Stelle1)  weist  er  die  Ableitung  des  cubischen  Ausdehnungs- 
coefficienten aus  dem  linearen  damit  zurück,  dass  er  aus 
Beobachtungen  schliesst,  selbst  dieselbe  Glassorte  besitze 
nicht  gleichen  cubischen  Ausdehnungscoefficienten,  je  nach- 
dem sie  Röhrenform  hat  oder  zu  Kugeln  von  verschiedener 
Grösse  ausgeblasen  ist.  Regnault  zeigt  aber  auch,  dass 
die  Ausdehnung  eines  und  desselben  Glasapparates  (Röhre) 
zwischen  denselben  Temperaturgrenzen  nicht  immer  dieselbe 
ist  (es  variirt  100A  im  Maximum  um  0,00005)  und  macht  dazu 
die  richtige  Bemerkung,  dass  diese  Unregelmässigkeiten  es 
sind,  welche  die  Verschiebung  der  festen  Punkte  bei  Ther- 
mometern bewirken.  Dieses  Verhalten  des  Glases  ist  durch 
eine  Arbeit  von  Pernet2)  genauer  untersucht,  eine  Arbeit, 
deren  ich  bereits  bei  einer  anderen3)  Gelegenheit  gedacht 
habe.  Aus  den  Beobachtungen  von  Pernet  an  Thermo- 
metern aus  gewöhnlichem  Glase  lassen  sich  schon  die  Be- 
merkungen folgern,  welche  Crafts4)  neuerdings  gemacht  hat, 
dass  nach  vorangegangener  Erwärmung  die  Ausdehnung  des 
Glases  im  allgemeinen  kleiner  sei,  als  vor  derselben.  In 
Betreff  der  Regnault'schen  Beobachtungen,  welche  nicht  lange 
nach  Anfertigung  der  Ballons  aus  den  Röhren  angestellt  sein 
dürften,  trifft  diese  Bemerkung  für  leicht  schmelzbares  Glas 
zu,  für  schwerschmelzbare  Sorten  verhält  es  sich  gerade  um- 
gekehrt. 

Nach  dem  Bisherigen  muss  der  Regnault'sche  Einwand 
gegen  die  Ableitung  des  cubischen  Ausdehnungscoefficienten 
aus  dem  linearen  bei  Glas  als  zweifelhaft  und  eine  darauf 

1)  Regnault,  Pogg.  Ann.  55.  p.  584.  1842. 

2)  Pernet,  Ueber  die  Nullpunktsdepressionen  der  Normalthermo- 
meter. Inaug.-Diss.   Breslau  1875. 

3)  Volkmann,  Wied.  Ann.  13.  p.  210.  1881. 

4)  Crafts,  Compt.  rend.  91.  p.  371.  414.  576.  1880. 


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264 


P.  Volkmann. 


bezügliche  Beobachtung  als  wünsehenswerth  erscheinen:  Ich 
habe  an  einem  Glasrohre  gleichzeitig  die  lineare  und  cu- 
bische  Ausdehnung  zu  messen  versucht.  Das  Glasrohr  wurde 
an  einem  Ende  geschlossen,  an  dem  anderen  in  eine  feine 
Spitze  ausgezogen,  mit  Quecksilber  gefüllt  und  ausgekocht. 
Die  Beobachtung  wurde  mit  einem  Apparate  ausgeführt, 
der  nach  Angabe  des  Hrn.  Prof.  Voigt  für  das  hiesige 
mathem.-  physikalische  Institut  zur  Bestimmung  des  linearen 
Ausdehnungscoefficienten  von  Stäben  aus  verschiedenen  Me- 
talUegirungen  angefertigt  war. 

Ich  sehe  von  einer  Beschreibung  desselben  ab,  da  ich 
die  Beobachtungen  nur  als  vorläufige  gelten  lassen  möchte; 
hier  nur  soviel,  dass  das  Glasrohr  seiner  ganzen  Länge  nach 
mit  Ausnahme  der  ausgezogenen  Spitze  constanten  verschie- 
denen Temperaturen  ausgesetzt  wurde,  und  dass  die  Mikro- 
skope, mit  denen  die  lineare  Ausdehnung  gemessen  wurde, 
auf  einem  eigens  construirten  Comparator  in  bekanntem 
Abstand  voneinander  gehalten  wurden. 

Bezeichnen  wir  mit  lx  den  Abstand  der  angebrachten 
Marken,  deren  Verrückung  durch  die  Mikroskope  gemessen 
wurde,  bei  tx°  Q.\  mit  A  die  Verrückung  der  Marken  bei 
*2°,  so  ergibt  sich  der  lineare  Ausdehnungscoefficient  a  aus: 

^  Ii       1  +  atx 

Bezeichnen  wir  analog  mit  px  das  Gewicht  des  in  dem 
Bohr  enthaltenen  Quecksilbers  bei  tx  0  C,  mit  A  das  Gewicht 
des  bei  t2°  C.  austretenden  Quecksilbers,  mit  q  den  Aus- 
dehnungscoefficienten des  Quecksilbers,  so  ergibt  sich  der 
cubische  Ausdehnungscoefficient  k  aus: 

( 1  A\  1  +  1  +  *i . 
V     pj  i  +  gtt  ~~  \  +htx ' 

Der  lineare  Ausdehnungscoefficient  des  untersuchten 
Glasrohres  a  ergab  sich  aus  folgenden  Beobachtungen: 

lx  =  906  mm,  ^  =  14,95°,  *2  =  99,75°,  A  =  0,676  mm, 
/j  =  906  mm,    tY  =  14,7  °,      =  99,85°,    A  =  0,679  mm. 

Es  bestimmt  sich  a  im  Mittel  daraus  =  0,000008  82.  Das 
Dreifache  desselben  ist  also  0,000026  5. 


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P.  Volkmann. 


265 


Die  obere  Temperatur  t2  konnte  durch  einen  Dampf- 
kessel recht  constant  erhalten  werden.  Zur  Herstellung  der 
unteren  Temperatur  ^  wurde  die  Wasserleitung  der  Stadt 
benutzt;  jedoch  wechselte  die  Temperatur  derselben  zu  be- 
deutend, sodass  oft  die  Thermometer  an  den  beiden  Enden 
des  Glasrohres  um  1 0  differirten,  überhaupt  ein  Schluss  von 
den  Thermometern  auf  die  Temperatur  des  Glasrohres  un- 
sicher war.  Aus  diesem  Grunde  möchte  ich  den  Beobach- 
tungen noch  keine  endgültige  Bedeutung  beilegen. 

Gleichzeitig  mit  den  obigen  Beobachtungen  wurden  zur 
Bestimmung  des  cubischen  Ausdehnungscoefficienten  dessel- 
ben Glasrohres  folgende  Daten  gewonnen: 

Pl  =  256,5  g,  #,  =  14,7  °,  t2  =  99,75°,  A  =  3,326  g, 
Pl  =  256,5  g,    ^  =  15,05°,    t2  =  99,85°,    A  =  3,320  g. 

Bei  der  Angabe  von  px  ist  bereits  das  Gewicht  der  im 
capillaren  Bohre  in  freier  Luft  befindlichen  Quecksilber- 
menge in  Abzug  gebracht. 

Der  cubische  Ausdehnungscoefficient  des  Glasrohres  be- 
stimmt sich  dann,  je  nach  den  verschiedenen  Werthen  über 
die  Ausdehnung  des  Quecksilbers  von  Regnault,  Wüll- 
ner,  Levy: 

0,000  026  6,  0.000  027  4,  0,000  027  0, 
0,000  026  4,       0,000  027  2,       0,000  026  8. 

Diese  Zahlenwerthe  für  die  cubische  Ausdehnung  des 
Glasstabes  zeigen,  dass,  so  lange  die  Ausdehnung  des  Queck- 
silbers nicht  mit  grösserer  Sicherheit  bekannt  ist,  so  lange 
überhaupt  die  Frage  nach  dem  Zusammenhang  des  linearen 
und  cubischen  Ausdehnungscoefficienten  bei  Glas  endgültig 
nicht  entschieden  werden  dürfte.  Soviel  zeigt  jedoch  schon 
jetzt  die  Vergleichung  des  dreifachen  linearen  Ausdehnungs- 
coefficienten 0,000026  5  mit  den  obigen  Zahlenwerthen,  dass, 
wenn  überhaupt  ein  Unterschied  vorhanden,  er  jedenfalls 
kleiner  ist,  als  sich  ihn  Regnault  vorgestellt  hat. 

Ich  komme  nun  zur  Besprechung  der  nach  der  hydro- 
statischen Methode  angestellten  Beobachtungen  über  die 
Ausdehnung  des  Wassers. 


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266 


P.  Volkmann. 


Hüllst röm1)  Hess  sich  aus  derselben  Glasmasse  eine 
Röhre  und  eine  Kugel  verfertigen.  Mit  der*  Kugel  wurden 
die  Wägungen  ausgeführt,  an  der  Röhre  aus  Beobachtungen 
zwischen  +3  und  +30°  der  lineare  Ausdehnungscoefficient 
bestimmt.  Auf  den  von  allen  sonstigen  Beobachtungen  ab- 
weichenden Ausdehnungscoefficienten,  insbesondere  auf  die 
Grösse  des  Coefficienten  des  quadratischen  Gliedes,  ist  schon 
vielfach  aufmerksam  gemacht.  Hällström  wandte  zur  Be- 
stimmung desselben  ein  „dünnes"  Rohr  von  über  4  Fuss  Länge 
an,  und  zwar  wurde  dasselbe  mittelst  einer  Feder  gegen  eine 
feste  Wand  gedrückt.  Eine  infolge  des  Druckes  der  Feder 
eingetretene  Biegung  des  dünnen  Rohres  ist  vielleicht  die 
Ursache  des  abweichenden  Werthes  für  den  Ausdehnungs- 
coefficienten; wenigstens  musste  die  Feder  im  Sinne  einer 
Verkürzung  wirken,  wodurch  die  Ausdehnung  der  Röhre 
zwischen  0  und  30°  zu  klein  erhalten  wurde.  Infolge  davon 
werden  auch  die  Volumenwerthe  der  Gewichtseinheit  Wasser 
von  ihm  kleiner,  als  von  anderen  Beobachtern  gefunden  und 
können  daher  nicht  aufrecht  erhalten  werden. 

Hagen2)  Hess,  um  sicher  dieselbe  Glasmasse  zu  haben, 
aus  demselben  Rohr,  von  dem  er  den  linearen  Ausdehnungs- 
coefficienten bestimmt  hatte,  die  Kugel  blasen.  Das  Rohr 
wurde  dadurch  verschiedenen  Temperaturen  ausgesetzt,  indem 
Wasser  von  möglichst  constanter  Temperatur  dasselbe  durch- 
strömte. Hagen  nahm  dann  die  Temperatur  des  Wassers 
für  die  des  ganzen  Rohres  an.  Inwiefern  dies  richtig  ist, 
lässt  sich  aus  der  Differentialgleichung: 


ersehen.  Es  bestimmt  sich  die  Temperatur  von  der  der  um- 
gebenden Luft  an  gerechnet  für  jede  Stelle  des  Rohres  als 
Function  von  r  zu: 


d2& 


1  dfr 


r  dr 


—  o 


1)  Hällström,  Pogg.  Ann.  1.  p.  149.  1824. 

2)  Hagen,  Berl.  Ber.  p.  1.  1855. 


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P.  Volkmann. 


267 


Hierin  bedeutet  &t  die  innere  Temperatur  des  durch- 
strömenden Wassers,  R  den  äusseren,  Rx  den  inneren  Radius 
des  Rohres,  h  das  Ausstrahlungs-,  ä  das  Leitungsvermögen 
der  Röhrensubstanz.  Die  mittlere  Temperatur  der  Röhre 
ergibt  sich  hiernach: 

1      f  /         A-Blog  j  V 

Diese  mittlere  Temperatur  wäre  richtiger  für  die  Tem- 
peratur des  Rohres  zu  nehmen.  Das  Rohr  bei  Hagen, 
aus  dem  die  Kugel  geblasen  wurde,  hatte  die  Radien: 
R  =  1  cm,  Rl  =  0,7  cm.    Es  ist  da: 


Der  Quotient  kjh  bestimmt  sich  nach  den  Beobachtungen 
von  H.  Weber  bei  Eisen  zu  451,  bei  Neusilber  zu  266  [cm]. 
Für  Glas  sind  mir  keine  Bestimmungen  von  kjh  bekannt,  es 
ist  jedoch  anzunehmen,  dass  für  Glas  kjh  wesentlich  kleiner 
ist,  als  für  Metalle.  Die  von  Hagen  angegebenen  Ausdeh- 
nungscoefficienten  wären  jedenfalls  zu  vergrössern.  Die  Wä- 
gungen im  Wasser  werden  ferner  nicht  lange  nach  Herstel- 
lung der  Kugel  aus  der  Röhre  vorgenommen  sein}  der 
Ausdehnungscoefficient  würde  nach  den  früheren  Bemer- 
kungen dann  zu  verkleinern  sein. 

So  gross  nach  alle  diesem  die  Unsicherheit  in  der  Be- 
stimmung der  Ausdehnung  des  Glasballons  ist,  so  wird  die 
Vergleichung  der  von  Hagen  erhaltenen  Wasservolumina 
mit  denen  anderer  Beobachter  die  Entscheidung  für  die  Bei- 
behaltung der  Hagen'schen  Zahlenwerthe  bieten.  Es  zeigt 
sich  nun  eine  genügende  Uebereinstimmung  mit  anderen 
Beobachtungen;  die  beiden  angegebenen  Fehlerquellen  in  der 
Bestimmung  der  Ausdehnung  des  Glases,  die  in  entgegen- 
gesetztem Sinne  wirken,  scheinen  sich  demnach  aufgehoben 
zu  haben.  Die  von  Hagen  aufgestellten  Werthe  für  die 
Wasservolumina  werden  vermöge  der  grossen  Anzahl  von 
192  Beobachtungen  dazu  dienen,  bei  der  Aufstellung  der 


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268 


P.  Volkmann. 


mittleren  Zahlenwerthe  für  die  Wasservolumina  bei  ver- 
schiedenen Temperaturen  eine  ausgleichende  Rolle  zu  spielen. 
Die  bei  über  90°  angegebenen  Werthe  der  Wasservolumina 
erscheinen  zu  niedrig.  Als  Grund  dafür  führt  schon  Mat- 
thi essen  an,  dass  bei  hohen  Temperaturen  Hagen  keine 
besondere  Vorsichtsmaassregel  nahm,  um  die  Condensation 
des  Dampfes  auf  der  Oberfläche  des  Platindrahtes  zu  hindern, 
an  dem  die  Glaskugel  aufgehängt  war. 

Matthiessen1)  bestimmte  an  einem  dicken  Glasstabe 
zunächst  den  linearen  Ausdehnungscoefficienten  (dabei  wurden 
Nachwirkungsdilatationen2)  des  Glases  wahrgenommen).  Sodann 
wurden  von  dem  Glasstab  Stücke  abgeschnitten,  um  mit  ihnen 
die  Wägungen  in  Wasser  von  verschiedenen  Temperaturen 
auszuführen.    Bei  diesem  Verfahren  erscheint  die  Ableitung 
des  cubischen  Ausdehnungscoefficienten  aus  dem  linearen  am 
wenigsten  angreifbar.    Andererseits  ist  zu  bemerken,  dass 
sich  ein  massives  Glasstück  weniger  für  die  Untersuchung 
der  Ausdehnung  des  Wassers  eignet,  als  eine  hohle  Glas- 
kugel, indem  jenes  nicht  so  schnell  die  Temperatur  der  um- 
gebenden Flüssigkeit  annehmen  wird.    Auch  erscheint  die 
Grösse  der  in  Anwendung  gekommenen  Glasstücke  (15  ccm) 
für  den  vorliegenden  Zweck  zu  gering.    Die  Kugel  von 
Hagen  nahm  den  Raum  von  130  ccm  ein. 

Matthiessen  theilt  drei  Versuchsreihen  mit,  jede  an 
einem  anderen  Glassttick  angestellt.  Er  gibt  den  Vortheil 
auf,  Wägungen  bei  0°  vorzunehmen,  indem  diese  Temperatur 
sich  am  leichtesten  constant  herstellen  lässt,  woher  es  sich 
auch  empfiehlt,  zunächst  das  Volumen  bei  0°  als  Einheit  zu 
Grunde  zu  legen.  Er  bezieht  die  Volumina  von  vornherein 
auf  4°,  hat  aber  nur  in  der  ersten  Versuchsreihe  eine  Wä- 
gung bei  4°  vorgenommen.  Um  die  zwei  letzten  Versuchs- 
reihen zu  ver werth en,  bleibt  ihm  nichts  anderes  übrig,  als 
aus  den  fünf  ersten  Beobachtungen  der  ersten  Reihe  das 
Volumen  der  Gewichtseinheit  Wasser  für  jede  erste  Beob- 
achtung der  beiden  anderen  Reihen  zu  berechnen.  Dadurch 

1)  Matthiessen,  Pogg.  Ami.  128.  p.  512.  1866. 

2)  L  c.  p.  521. 


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P.  Volkmann. 


269 


aber  wird  jenen  fünf  Beobachtungen  der  ersten  Reihe  ein 
zu  bedeutender  Einfluss  eingeräumt.  So  dürfte  denn  bei  der 
Berechnung  der  Ausdehnung  des  Wassers  eigentlich  nur  die 
erste  Reihe  in  Betracht  kommen,  welche  aber  zur  Aufstel- 
lung einer  Tabelle  zu  wenig  Daten  enthält;  es  liegen  z.  B. 
zwischen  den  Temperaturen  4  und  20°  nur  drei  Beobach- 
tungen vor. 

Matthiessen  stellt  für  alle  drei  Beobachtungsreihen 
zwei  Interpolationsformeln  auf.  Bei  der  Berechnung  der 
ersten  für  Temperaturen  zwischen  4  und  32°  unterdrückt  er 
die  Beobachtungen  bei  19,75  und  20,90°,  da  sich,  wie  er  sagt, 
„durch  vorausgegangene  Berechnung  ihre  Fehlerhaftigkeit 
unzweifelhaft  herausgestellt  hatte".  Es  sind  dies  gerade  zwei 
Beobachtungen,  welche  sich  den  von  anderen  Beobachtern 
gefundenen  Werthen  am  meisten  anschliessen;  die  von 
Matthiessen  angegebenen  Volumina  zwischen  10  und  34° 
fallen  nämlich  bedeutend  höher  aus,  als  sämmtliche  von  an- 
deren Beobachtern  gefundenen  Werthe.  Eine  neue  Berech- 
nung der  Beobachtungen  von  Matthiessen,  ohne  irgend 
eine  auszuschliessen,  hat  unter  Zugrundelegung  der  Miller'- 
schen  Form  log  Vt  =  «(f-  3,94)2  +  b  (t-  3,94)3  Hr.  Studiosus 
Valentin  ausgeführt,  jedoch  bleiben  auch  hier  die  Werthe 
zwischen  10  und  30°  zu  hoch.  Ich  kann  einen  Grund  zu 
dieser  Abweichung  nur  in  der  Kleinheit  der  Glasstücke, 
sowie  in  der  geringen  Anzahl  der  in  Betracht  kommenden 
Beobachtungen  sehen.  Bei  höheren  Temperaturen  ist  die 
Ausdehnung  des  Wassers  regelmässiger.  Hier  genügen  weniger 
Beobachtungen,  demgemäss  ergeben  sich  auch  hier  die  Mat- 
thiessen'schen  Beobachtungen  in  besserer  Uebereinstimmung 
mit  anderen. 

Die  zweite  Methode,  nach  der  die  Ausdehnung  des  Was- 
sers durch  die  Wärme  bestimmt  ist,  die  dilatometrische, 
besteht  in  der  Beobachtung  der  scheinbaren  Ausdehnung  des 
Wassers  in  einem  Dilatometer.  Das  wahre  Volumen  des 
Wassers  bei  t°,  bezogen  auf  das  bei  0°  als  Einheit,  ergibt 
sich  nach  drei  Arten  der  Beobachtung: 


(T+  r)  (1  +  hj) 
V 


(F+»)(l  +*0 
P 


P0  (1  +  kt) 
Pt 


* 


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270 


P.  Volkmann. 


Hierin  bedeutet  V  das  Volumen  des  in  dem  Dilatometer 
enthaltenen  Wassers  bei  0°,  v  die  Anzahl  Theilstriche,  um 
welche  sich  das  Wasser  bei  t°  scheinbar  ausdehnt,  P  das 
Gewicht  des  eingeschlossenen  Wassers,  P0  und  Pt  die  Ge- 
wichte des  Wassers  bei  0°  und  t°  bis  zu  derselben  Marke, 
endlich  k  den  cubischen  Ausdehnungscoefficienten  des  Dila- 
tometers. 

Bei  den  Methoden  1  und  2  werden  die  Volumina  durch 
Auswägung  mit  Quecksilber  bestimmt.  Ein  Vortheil  der 
Methode  1  und  3  ist,  dass  nur  die  Verhältnisse  der  Volu- 
mina, resp.  der  Gewichte  vorkommen.  Die  Methode  2  setzt 
das  specifische  Gewicht  des  Quecksilbers  und  mithin  die 
Dichtigkeit  des  Wassers  bei  0°  als  bekannt  voraus. 

Der  cubische  Ausdehnungscoefficient  des  Glases  wird 
durch  die  Beobachtung  der  scheinbaren  (dt)  und  der  Kennt- 
niss  der  absoluten  Ausdehnung  des  Quecksilbers  (St)  be- 
stimmt.   Es  ist: 

dt  =  Jt  +  ht  +  ktAt. 

Die  meisten  Beobachter  setzten  das  Dilatometer  mit 
Quecksilber  gefüllt  nur  den  Temperaturen  0  und  100°  aus. 
Rossetti1)  hat  dagegen  eingewandt,  dass  man  die  Ausdeh- 
nung des  Glases  nicht  linear  mit  der  Temperatur  setzen 
dürfe.  Er  hat  bei  seinen  Beobachtungen  die  Ausdehnung 
der  Dilatometer  von  25  zu  25°  bestimmt.  Rechnet  man  die 
von  ihm  gefundenen  Ausdehnungscoefficienten  unter  Zugrunde- 
legung der  von  Levy  angegebenen  Werthe  für  die  Ausdeh- 
nung des  Quecksilbers  um,  so  fällt  der  Einwurf  fort.  Es 
bestimmen  sich  die  Ausdehnungscoefficienten: 

Rossetti  Levy 

0  -  25       0,000  024  H  0,000  026  5 

0  -  50       0,000  025  1  0,000  026  4 

0  —  70      0,000  025  4  0,000  026  3 

0  —  1 00     0,000  026  2  0,000  026  7 

Endlich  zeigen  die  Beobachtungen  der  linearen  Ausdeh- 
nung des  Glases  von  Hagen  und  Matthiessen,  dass  die 
Annahme  einer  linearen  Function  der  Temperatur  für  die 


1)  Rossetti,  Pogg.  Ann.  Ergbd.  5.  p.  259.  1871. 


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P.  Volk  mann. 


271 


Ausdehnung  zwischen  0  und  100°  zu  dem  vorliegenden  Zweck 
ausreichend  ist. 

Despretz1)  hat  seine  Beobachtungen  nach  dem  ersten 
Verfahren  mit  mehreren  Dilatometern  angestellt,  er  gibt  aber 
nur  einen  Werth  für  den  cubischen  Ausdehnungscoefficien- 
ten  des  Glases 2)  an.  Es  geht  daraus  hervor,  dass  nicht  für 
jedes  Dilatometer  der  cubische  Ausdehnungscoefficient  be- 
stimmt wurde,  wie  es  alle  späteren  Beobachter  getban  haben. 
Aus  der  Vergleichung  der  mit  vier  Instrumenten  beobach- 
teten Volumina3)  ergibt  sich  denn  auch,  dass  z.  B.  dem 
Dilatometer  der  ersten  Reihe  ein  grösserer  Ausdehnungs- 
coefficient zukommen  dürfte  als  dem  Dilatometer  der  vier- 
ten Reihe.  Aus  diesem  Grunde  kann  den  Beobachtungen 
von  Despretz  nicht  das  Gewicht  beigelegt  werden,  wie  den 
späteren.  Zwar  heben  spätere  Beobachter,  wie  Matthiessen, 
die  Uebereinstimmung  ihrer  Werthe  mit  denen  von  Des- 
pretz gerade  hervor,  ohne  jedoch  zu  bedenken,  dass  seinen 
Bestimmungen  noch  der  alte  Dulong-Petit'sche  Werth  der 
Ausdehnung  des  Quecksilbers  zu  Grunde  lag.  In  Wahrheit 
ergeben  die  Depretz'schen  Beobachtungen  im  Vergleich  zu 
anderen  alle  zu  grosse  Volumina. 

Sehr  zahlreich  sind  die  Beobachtungen  von  Pierre4) 
nach  dem  ersten  Verfahren.  Er  wandte  drei  Dilatometer 
an  und  bestimmte  für  jedes  den  Ausdehnungscoefficienten 
des  Glases.  Es  sind  der  Untersuchung  der  Ausdehnung  des 
Wassers  zwischen  0  und  100°  acht  Beobachtungsreihen  ge- 
widmet, und  die  genaue  Berechnung  derselben  durchFranken- 
heim6)  zeigt,  wie  gut  die  Reihen  in  sich  stimmen.  Dagegen 
gelang  es  Frankenheim  nicht,  für  grössere  Intervalle,  wie 
z.  B.  Kopp  es  gethan  hat,  Interpolationsformeln  aufzustellen. 
Man  könnte  geneigt  sein,  dies  auf  constante  Fehler  zurück- 
zuführen, die  den  einzelnen  Beobachtungsreihen  anhaften. 
Eine  Vergleichung  der  Pierre'schen  Werthe  mit  anderen 
zeigt  mit  Ausnahme  der  Volumina  für  20—50°  (entsprechend 

1)  Despretz,  Ann.  de  chim  et  de  phys.  70.  p.  5.  1839. 

2)  L  c.  p.  15.         3)  1.  c.  p.  19—23. 

4)  Pierre,  Ann.  de  chim.  et  de  phys.  (8)  15.  p.  325.  1845. 

5)  Frankenheim,  Pogg.  Ann.  8tt.  p.  451.  1852. 


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272 


P.  Volkmann 


der  siebenten  Reihe  von  Pierre)  grössere  Zahlenwerthe,  als 
es  dem  Mittel  aus  den  besten  Beobachtungen  entspricht.  Es 
mag  dies  daher  rühren,  dass  mit  den  drei  Dilatometern  nicht, 
wie  bei  Kopp,  das  ganze  Intervall  von  0 — 100°  gleichmassig 
untersucht  wurde,  sondern  mit  jedem  nur  kleinere  Intervalle, 
dabei  konnten  dann  Fehler  in  der  Bestimmung  der  Aus- 
dehnung des  Glases  einen  grösseren  Einfluss  gewinnen.  Un- 
entschieden bleibt  auch  aus  der  Darstellung,  ob  für  jedes 
Dilatometer  das  Volumen  des  Wassers  bei  0°  bestimmt  oder 
ob,  wie  bei  Matthiessen,  die  Reihen  aufeinander  bezogen 
wurden.  Die  meisten  Beobachter  sind  der  Ansicht,  dass  die 
Pierre'schen  Beobachtungen  für  höhere  Temperaturen  (von 
50°  an)  zu  grosse  Volumina  geben.  —  Endlich  will  ich  noch 
auf  einen  mir  nicht  unwesentlich  erscheinenden  Unterschied 
der  Beobachtungsart  aufmerksam  machen.  Alle  anderen  be- 
obachteten mit  offenen  Dilatometern,  Pierre  schmolz  wäh- 
rend des  Auskochens  das  Dilatometer  zu,  sodass  also  der 
Raum  über  der  Flüssigkeit  luftleer  war. 

Mit  sehr  grosser  Sorgfalt  sind  die  Beobachtungen  von 
Kopp1)  gleichfalls  nach  dem  ersten  Verfahren  an  drei  Dila- 
tometern angestellt.  Vergleicht  man  die  beobachteten  und 
berechneten  Werthe  der  Volumina  Wasser  bei  den  einzelnen 
Dilatometern,  so  ist  die  Differenz  der  Werthe  bei  B  über- 
wiegend negativ,  bei  C  überwiegend  positiv,  D  nimmt  eine 
mittlere  Stellung  ein.  Demnach  scheint  der  Ausdehnungs- 
coefficient  des  Dilatometers  B  zu  klein,  von  C  zu  gross  be- 
stimmt zu  sein.  Eine  solche  Vergleichung  zeigt,  wie  wichtig 
es  ist,  bei  derartigen  Untersuchungen  mehrere  Apparate  zu 
benutzen,  und  wie  vortheilhaft  die  Beobachtungen  von  Kopp 
sich  dadurch  z.  B.  von  denen  von  Hagen  unterscheiden. 
Aehnliche  Bemerkungen,  wie  hier  bei  Kopp,  kann  man  auch 
bei  Matthiessen  an  den  mit  drei  verschiedenen  Glasstticken 
angestellten  Beobachtungsreihen  machen. 

Die  Beobachtungen  vonJolly2)  beruhen  auf  einer  Ver- 
bindung des  mit  1.  und  3.  bezeichneten  Verfahrens.  Zur  leich- 


1)  Kopp,  Pogg.  Ann.  72.  p.  1.  1847. 

2)  Jolly,  Ber.  d.  Acad.  zu  München,  p.  141.  1864. 


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P.  Volkmann. 


273 


teren  Füllung  und  Reinigung  waren  die  Dilatometer  ausein- 
ander zu  nehmen.  Die  Röhre  war  in  den  Hals  der  Kugel 
eingeschliffen,  und  zwar  wurde  zu  den  Beobachtungen  das 
Ende  der  Röhre  schwach  eingefettet.  Wenn  dadurch  auch 
einer  der  Uebelstände  vermieden  wird,  die  Mendelejeff *) 
bei  Gelegenheit  der  Beschreibung  von  Pyknometern  hervor- 
gehoben hat,  darauf  beruhend,  dass  die  Flüssigkeit  vermöge 
des  Ueberdrucks  um  die  eingeschliffene  Stelle  austritt,  so 
bleibt  der  andere  bestehen,  dass  das  Volumen  des  Gefasses 
durch  die  Lage  der  eingeschliffenen  Röhre  bestimmt  wird, 
die  nicht  immer  ganz  dieselbe  Stellung  einnimmt.  Insbe- 
sondere wird  bei  verschiedenen  Temperaturen  die  Tiefe,  bis 
zu  der  die  Röhre  in  den  Hals  der  Kugel  gesteckt  werden 
kann,  leicht  eine  verschiedene  sein,  zumal  wenn  beiden  Theilen 
ein  nicht  ganz  gleicher  Ausdehnungscoefh'cient  zukommt.  So 
scheint  bei  Jolly  bei  höheren  Temperaturen  die  Röhre  tiefer 
in  den  Hals  der  Kugel  gesteckt  zu  sein,  als  bei  niedrigen. 
Das  Gewicht  des  Wassers  pt  ist  dann  bei  höheren  Tempe- 
raturen geringer,  das  Volumen  Wasser  ergibt  sich  mithin 
nach  der  Formel  vt—  (/'o/Pj)  (1 -M*)  zu  gross.  Uebrigens  hat 
Jolly  keine  Interpolationsformeln  für  seine  Beobachtungen 
berechnet,  vielmehr  sind  die  Beobachtungen  von  Grad  zu 
Grad  angestellt.  Erwähnen  nur  will  ich  die  in  der  Jolly'- 
schen  Abhandlung  enthaltenen  Beobachtungen  von  Henrici, 
die  auf  dem  dritten  Verfahren  basiren.  Es  sind  ihrer  zu 
wenige,  als  dass  darnach  eine  Tafel  mit  einiger  Sicherheit 
aufgestellt  werden  könnte. 

Nach  dem  zweiten  Verfahren  sind  die  Beobachtungen 
von  Rossetti2)  angestellt.  Der  Nachtheil  dieser  Methode 
gegenüber  den  anderen  ist  bereits  oben  angegeben,  er  tritt 
hier  um  so  mehr  hervor,  als  die  Volumina  der  Dilatometer 
falsch  bestimmt  sind.  Es  wird  zwar  bei  der  Auswägung 
mit  Quecksilber  das  Gewicht  der  von  dem  Quecksilber  ver- 


1)  Mendelejeff,  Pogg.  Ann.  ISO.  p.  125.  1869. 

2)  Rossetti,  Atti  dell'  Istituto  Veneto  (3)  12.  p.  73.  1866—1867;  13. 
p.  1078.  1867—1868.    Im  Auszug  Pogg.  Ann.  Ergbd.  5.  p.  258.  1871. 

Ann.  d.  Pbji.  u.  Chem.  N.  P.  XIV.  18 


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274 


P.  Volkmann. 


drängten  Luft  in  Rechnung  gezogen,  das  von  den  Gewichten 
selbst  verdrängte  Luftvolumen  aber  überall  unberücksichtigt 
gelassen.  Auf  p.  94  der  ersten  Abhandlung  befinden  sich 
folgende  Angaben  für  das  Instrument  15: 

Barometer  755,94  mm,    Temperatur  8,0°  C. 

Gewicht  des  Instruments,  gefüllt  mit  Quecksilber 

von  0°C.  bis  zum  Theilstrich  100    894.587  g 

Gewicht  des  Instruments  gefüllt  mit  Luft  .    .    .     53,487 ,, 

also  Gewicht  , des  Quecksilbers  in  Luft    .    .    .    841,100  g 

Das  Gewicht  der  vom  Quecksilber  verdrängten  Luft  wird 
dann  richtig  zu  0,077  g  berechnet. 

Nun  aber  werden  folgende  unrichtigen  Schlüsse  gezogen: 

1)  Gewicht  des  Instruments  ohne  Luft  bis  zum 
Theilstrich  100    53.410  g 

2)  Gewicht  des  Quecksilbers  im  Vacuum    .    .  841,177  „ 

3)  Volumen  des  Instruments  bis  zum  Theilstrich 

100  bei  0°   61,86974  ccm 

« 

Rechnen  wir  das  specifische  Gewicht  der  Gewichtsstücke 
zu  8,4  (Messing),  so  ergibt  sich  2)  das  Gewicht  des  Queck- 
silbers im  Vacuo  841,052  g  und  demnach  3)  das  Volumen 
61,860  ccm.  Eigenthümlich  erscheint  die  erste  Angabe  und 
veranlasst  zu  folgender  Bemerkung:  Wenn  ich  ein  offenes 
Gefäss  in  Luft  wäge  —  ob  dasselbe  übrigens  offen  oder 
durch  einen  Glasstöpsel  geschlossen  ist,  ist  gleichgültig,  so 
lange  die  Dichtigkeit  der  Luft  aussen  und  innen  gleich  ge- 
setzt wird,  wie  es  Rossetti  thut  —  so  wird  jedenfalls  die 
darin  befindliche  Luft  nicht  mit  gewogen,  es  kann  füglich 
von  dem  Gewichte  des  Instruments  ohne  Luft  nicht  ge- 
sprochen werden.  Etwas  anderes  wäre  es,  das  Gewicht  des 
Instruments  im  leeren  Räume  anzugeben,  dann  käme  aber 
nicht  das  von  dem  Instrument  umschlossene,  sondern  das 
von  der  Glaswand  verdrängte  Volumen  in  Betracht. 

In  ähnlicher  Weise  mögen  auch  die  Wasserwägungen 
falsch  berechnet  sein.  Es  fehlen  die  näheren  Angaben,  um 
die  Werthe  verificiren  zu  können.    Wenn  auch  schliesslich 


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P.  Volkmann. 


275 


die  von  Rossetti  von  Grad  zu  Grad  aufgestellten  Werthe 
der  Volumina  Wasser  den  von  anderen  Beobachtern  gege- 
benen mehr  oder  weniger  sich  nähern,  6p  glaube  ich  nach 
dem  Mitgetheilten  doch  dieselben  in  der  am  Ende  dieser 
Arbeit  gegebenen  Tafel  nicht  aufnehmen  zu  müssen. 

Es  erübrigt  jetzt  noch ,  für  die  Beobachtungen  von 
Pierre,  Kopp  und  Jolly  die  Reductionen  anzugeben.  Die 
beiden  ersten  nehmen  den  Dulong-Petit'schen ,  Jolly  den 
Regnault'schen  Werth  für  die  Ausdehnung  des  Quecksilbers. 
Legen  wir  die  Berechnung  der  Regnault'schen  Beobach- 
tungen durch  Levy  zu  Grunde,  so  sind  unter  Benutzung  der 
in  den  Arbeiten  enthaltenen  Angaben  die  Werthe  von: 

Pierre  um  4-0,000  001  S7  / 
Kopp  „  +0,000  001  94/ 
Jolly      „    4-0,000  000  54/ 

zu  vermehren.  Die  Temperatur,  bei  der  das  Wasser  seine 
grösste  Dichtigkeit  hat,  bestimmt  sich  darnach  bei  Pierre 
zu  +3,74°,  bei  Kopp  zu  +8,94°  C.  Der  von  Joule  und 
Playfair1)  nach  einer  directen  hydrostatischen  Methode  be- 
obachtete Werth  -f- .3,945  ist  also  mit  dem  Kopp'schen 
identisch  und  dürfte  der  zuverlässigste  sein.  Hagen  fand 
4-3,87°. 

Ich  stelle  nun  die  Werthe  der  Volumina  Wasser,  be- 
zogen auf  das  Volumen  bei  4°  als  Einheit  nach  Hagen. 
Matthiessen,  Pierre,  Kopp  und  Jolly  zusammen,  und 
zwar  sind  dabei  schon  die  erwähnten  Correctionen  angebracht. 
Für  die  höheren  Temperaturen  theile  ich  die  Werthe  nur 
von  5  zu  5°  und  nur  auf  fünf  Decimalstellen  mit.  Die 
eingeränderten  Zahlenwerthe  müssen  nach  dem  früher  Mit- 
getheilten als  weniger  sicher  bezeichnet  werden  und  sind 
dalier  bei  Aufstellung  der  mittleren  Volumina  unberücksich- 
tigt geblieben. 


1)  Joule  u.  Play  fair,  Pogg.  Ann.  71,  p.  574.  1847. 


18* 


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276 


P.  Vohmann. 




/ 

Hagen 

M atthiessen 

Pierre 

Kopp 

Jolly 

1 

0 

.4      rt  rt        |  .  \  H 

1, 0001 2« 

1,0001 11 

1,000115 

1,000124 

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0b7 

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125 

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117 

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197 

180 

174 

1  i  \ 

10 

269 

271 

278 

258 

257 

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3b9 

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371 

349 

340 

12 

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453 

13 

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14 

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343 

525 

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950 

932 

947 

22 

214b 

25  1 

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2153 

21b2 

28 

374 

488 

385 

385 

389 

24 

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731 

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621 

627 

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1,0028  . 

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1,00288 

1,00287 

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425 

434 

424 

424 

425 

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35 

587 

592. 

585 

588 

584 

40 

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773 

770 

772 

765 

4o 

97b 

975 

97  b 

974 

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1197 

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1198 

1190 

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438 

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580 

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895 

;t<;2 

885 

903 

85 

322b 

3232 

3304 

3217 

3239 

90 

571 

581 

b57 

569 

587 

95 

[  9291 

943 

4021 

940 

951 

100 

l 42971 

4816 

.  395 

4330 

431b 

Die  noch  übrig  gebliebenen  Abweichungen  sind  unbe- 
deutend. Als  mittlere  Werthe  für  die  Volumina  und  Dich- 
tigkeiten des  Wassers  ergeben  sich  folgende  Werthe: 


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P.  Volkmann. 


277 


Volumen 


Diff. 


0 
1 
2 
3 
4 
5 
6 

l 

9 
10 

11 
12 


1,000122 

067  ! 

028  ; 

007  | 
000 
008 
031 
067 
118 
181 
261 
350 
456 


55 
39 
21 
7 
8 
23 
36 
51 
63 
80 
89 
106 
114 


0,999878 
933 
972 
993 
1,000000 
0,999992 
969 
933 
882 
819 
739 
650 
544 


/      Volumen  Diff. 


i 


13 
14 

15 
16 
17 
18 
19 
20 
21 
22 
23 
24 
25 


1,000570 
703 
847 
997 
1162 
339 
527 
731 
939 
2156 
383 
621 
868 


133 
144 

150 
165 
177 
188 
204 
208 
217 
227 
238 
247 


Dichtig- 
keit 


0,999430 
297 
154 
004 

8839 
663 
475 
272 
065 

7849 
623 
386 
140 


Für  die  höheren  Temperaturen  hegnüge  ich  mich,  die 
mittleren  Werthe  für  die  Volumina  mitzutheiien. 


t 

Volum. 

t 

Volum. 

t 

Volum. 

25 

1,00287 

50 

1,01197 

80 

1,02891 

30 

0425 

55 

1436 

85 

3225 

35 

0586 

60 

1694 

90 

3574 

40 

0770 

65 

1967 

95 

3941 

45 

0974 

70 

2261 

100 

4323 

75 

2572 

Diese  mittleren  Zahlenwerthe,  welche  die  Dichtigkeit, 
resp.  die  Volumina  des  Wassers  bis  auf  0,1°  C.  genau  wie- 
dergeben dürften  —  das  zeigt  die  Vergleichung  der  von  den 
verschiedenen  Beobachtern  aufgeführten  Volumina  —  sind 
kleiner  als  die  von  Miller  angegebenen;  es  rührt  dies  daher, 
dass  Miller  die  Beobachtungen  von  Despretz  und  Pierre 
vollständig  aufgenommen  hat.  Auch  Rossetti  hat  mittlere 
Zahlenwerthe  aufgeführt,  indem  er  sämmtliche  Beobachtungen 
von  Despretz  an  zusammenfasste ,  aber  er  hat  weder  die 
Beobachtungen  auf  denselben  Ausdehnungscoefficienten  des 
Quecksilbers  reducirt,  noch  denselben  ein  verschiedenes  Ge- 
wicht beigelegt. 

Mit  dieser  Aufstellung  der  mittleren  Zahlenwerthe  ist 
der  Zweck  der  vorliegenden  Arbeit  erreicht.  Die  Mühe,  aus 
diesen  mittleren  Zahlenwerthen  eine  empirische  Formel  ab- 
zuleiten, welche  die  Ausdehnung  des  Wassers  von  0  —  25°, 


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278 


Volkmann 


wie  bei  Miller,  oder  gar  von  0 — 100°,  wie  bei  Rossetti, 
darstellt,  schien  mir  in  keinem  Verhältniss  zum  Gewinn  zu 
stehen;  wird  man  doch  bis  auf  0,1°  C.  —  so  weit  also  die 
Dichtigkeit  des  Wassers  sicher  ist  —  mit  Leichtigkeit  Werth e 
aus  der  Tafel  interpoliren  können. 

Geben  wir  noch  einen  kurzen  Ueberblick  über  die  bis- 
herigen Arbeiten: 

Hällström  hat  das  Verdienst,  die  ersten  einigermassen 
exacten  Beobachtungen  angestellt,  insbesondere  die  Methode 
der  kleinsten  Quadrate  auf  die  Beobachtungen  angewandt  zu 
haben.    An  der  Hand  dieser  Methode  hat  er1)  die  Unzu- 
länglichkeit der  Arbeiten  von  Munke  und  Stampfer  nach- 
gewiesen.   Ein  weiterer  Fortschritt  lag  in  der  gleichzeitigen 
Anwendung  mehrerer  Beobachtungsapparate,  für  die  aber 
einzeln  die  Ausdehnungscoefticienten  bestimmt  werden  muss- 
ten.    Es  war  dann  auch  ferner  erforderlich,  dass  die  Beob- 
achtungen an  jedem  Apparate  für  sich  eine  geschlossene 
Reihe  bildeten,  insbesondere  die  Fundamentalbestimmungen 
bei  0°  (resp.  4°)  enthielten,  ein  Vortheil,  der  von  Mat- 
thiessen  und  vielleicht  auch  von  Pierre  unbeachtet  ge- 
lassen wurde.    Jolly  gibt  allein  an,  seine  Thermometer  mit 
dem  Luftthermometer  verglichen  zu  haben,  aber  die  Abwei- 
chung seiner  Werthe  bei  50°  von  den  übrigen  äussert  sich 
gerade  in  dem  entgegengesetzten  Sinne,  wenn   wir  nach 
Recknagel  den  Stand  des  Quecksilberthermometers  bei 
50°  um  0,2°  zu  hoch  annehmen.  —  Die  Temperatur  der 
grössten  Dichtigkeit  des  Wassers  ist  nach  den  besten  Be- 
obachtungen zu  -f  3,94°  C.  zu  setzen. 

Alle  Beobachtungen  geben  die  Ausdehnung  des  Wassers 
nicht  direct,  bei  allen  ist  die  Ausdehnung  des  Glases  in 
Rechnung  zu  ziehen,  wodurch  vermöge  des  eigenthümlichen 
Verhaltens  des  Glases  eine  gewisse  kleine  Unsicherheit  in 
die  Zahlenwerthe  für  die  Volumina  hineinkommt.  Indess 
ist  bei  der  Uebereinstimmung  der  bisherigen  besten  Beob- 
achtungen eine  wesentliche  Aenderung  der  angegebenen 
Werthe  nicht  zu  erwarten.    Es  liegt  kein  Bedürfniss  vor, 


1)  Hällström,  Pogg.  Ann.  34.  p.  220.  1835. 


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H.  Clausais. 


279 


die  Ausdehnung  des  Wassers  von  neuem  auf  den  bisherigen 
Wegen  zu  untersuchen,  dagegen  wäre  der  Versuch  nicht  ab- 
zuweisen, auf  demselben  Wege,  auf  dem  Regnault  die  ab- 
solute Ausdehnung  des  Quecksilbers  bestimmt  hat,  beruhend 
auf  dem  Satze  von  den  communicirenden  Röhren,  auch  die 
absolute  Ausdehnung  des  Wassers  zu  beobachten. 

Königsberg  i.  Pr.,  Juli  1881. 


VI.   lieber  die  theoretische  Bestimmung  des  Dampf- 
druckes und  der  Volumina  des  Dampfes  und  der 
Flüssigkeit;   von  R.  Clans  ins. 


§  1.  Wenn  man  ein  Gas  bei  constanter  Temperatur 
mehr  und  mehr  zusammendrückt,  so  beginnt,  wie  man  weiss, 
bei  einem  gewissen  Drucke  die  Condensation,  welche  sich 
ohne  Druckzunahme  vollzieht,  und  erst,  wenn  sie  beendet 
ist,  bedarf  es  zu  noch  weiterer  Volumenverminderung  einer 
Vermehrung  des  Druckes,  welcher  dann  in  starkem  Verhält- 
nisse wachsen  muss.  Neben  diesem  wirklichen  Verlaufe  der 
Sache  hat  bekanntlich  J.  Thomson  einen  anderen  Vorgang 
ersonnen,  der  zwar  in  der  Wirklichkeit  nicht  stattfinden  kann, 
weil  die  in  ihm  vorkommenden  Gleichgewichtszustände  zum 
Theil  labil  sind,  der  aber  theoretisch  doch  denkbar  ist,  näm- 
lich eine  Volumenänderung,  bei  der  die  ganze  Masse  als 
tortwährend  homogen  vorausgesetzt  wird,  und  der  Druck 
sich  demgemäss  stetig  ändert.  Die  Curve,  welche  für  diesen 
letzteren  Vorgang  die  der  Volumenänderung  entsprechende 
Druckänderung  darstellt,  kann  man  kurz  die  theoretische 
Isotherme  nennen.  Die  wirkliche  Isotherme  unterscheidet 
sich  von  ihr  dadurch,  dass  auf  einer  gewissen  Strecke,  welche 
bei  der  Zusammendrückung  dem  Condensationsprocesse  und 
umgekehrt  bei  der  Ausdehnung  dem  Verdampfungsprocesse 
entspricht,  die  gekrümmte  Linie  durch  eine  der  Abscissenaxe 
parallele  gerade  Linie  ersetzt  ist.  Diese  Gerade  muss,  wie 
sich  aus  dem  zweiten  Hauptsatze  der  mechanischen  Wärme- 


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280 


R.  Clausius. 


theorie  nachweisen  lässt,  so  liegen,  dass  die  bei  der  Ver- 
dampfung gethane  äussere  Arbeit  gleich  derjenigen  ist,  welche 
bei  derselben  Volumenzunahme  gethan  werden  würde,  wenn 
der  Druck  sich  nach  der  theoretischen  Isotherme  änderte.1) 
Diesen  über  die  Lage  der  Geraden  geltenden  Satz  kann 
man  nun  anwenden,  um  aus  der  allgemeinen,  für  alle  Vo- 
lumina geltenden  theoretischen  Druckformel  denjenigen  Druck 
abzuleiten,  welchen  der  gesättigte  Dampf  ausübt.  Die  erste 
hierüber  veröffentlichte  Untersuchung,  welche  mir  bekannt 
geworden  ist,  findet  sich  in  einem  interessanten  Aufsatze  von 
van  der  Waals*).  Der  Verf.  hat  zwar  von  der  vollstän- 
digen Mittheilung  seiner  Rechnungen  und  der  aus  ihnen 
hervorgegangenen  Endgleichungen  Abstand  genommen,  weil 
die  ersteren  zu  langwierig  und  die  letzteren  zu  verwickelt 
und  ausserdem  nur  für  einen  beschränkten  Theil  der  Curven 
gültig  seien,  hat  aber  eine  Reihe  daraus  gezogener  wichtiger 

1)  Als  ich  in  meinem  Aufsatze  über  das  Verhalten  der  Kohlensäure 
(Wied.  Ann.  9.  p.  337.  1880)  die  Lage  der  Geraden  in  der  oben  ange- 
gebenen Weise  bestimmte,  betrachtete  ich  die  betreffende  Frage  als  eine 
noch  offene.  Dabei  hatte  ich  meine  Kenntniss  von  Max  well  fs  Ansich- 
ten aus  der  Quelle  geschöpft,  die  als  die  maassgebendste  betrachtet 
werden  musste,  nämlich  aus  seinem  Werke  über  die  Wärmetheorie,  und 
zwar  aus  der  letzten  von  ihm  bearbeiteten,  i.  J.  1875  erschienenen  Auf- 
lage. In  dieser  Auflage  hat  er  eine  in  den  früheren  Airflagen  ausge- 
sprochene, vom  Obigen  abweichende  Ansieht  fortgelassen,  ohne  jedoch 
eine  andere  Ansicht  an  deren  Stelle  zu  setzen,  woraus  ich  natürlich 
schliessen  musste,  dass  er  jene  Ansicht  als  unrichtig  erkannt,  aber  noch 
keine  ihn  mehr  befriedigende  gewonnen  habe.  Nachträglich  habe  ich 
durch  eine  gütige  Mittheilung  des  Hrn.  van  der  Waals  erfahren,  dass 
Maxwell  noch  an  einem  anderen  Orte  über  die  Sache  gesprochen  und 
dort  eine  mit  dem  Obigen  übereinstimmende  Ansicht  geäussert  hat,  näm- 
lich in  einem  am  18.  Febr.  1875  in  der  Chemical  Society  gehaltenen 
Vortrage,  welcher  dann  in  „Nature"  vom  4.  u.  11.  März  1875  abgedruckt 
ist.  Weshalb  Maxwell  die  dort  geäusserte  Ansicht  in  der  in  demselben 
Jahre  erschienenen  neuen  Auflage  seines  Werkes  nicht  erwähnt  hat,  ist 
mir  unbekannt. 

2)  Van  der  Waals,  Onderzoekingen  omtrent  de  overeenstemmeude 
eigenschappen  der  normale  verzadigden-damp-en  vloeistoflijnen ,  Amster- 
dam 1880:  auch  aufgenommen  in  die  von  Roth  veröffentlichte  Ueber- 
setzung  des  Buches :  Over  de  continuiteit  van  den  gas-en  vloeistoftoestand, 
Leipzig  18S1. 


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R.  Clausius. 


281 


Folgerungen  zusammengestellt.  Eine  andere  ebenfalls  sehr 
werthvolle  Untersuchung  über  den  Gegenstand  ist  in  neuester 
Zeit  von  Planck  veröffentlicht1),  worin  sowohl  die  allge- 
meinen Gleichungen  als  auch  ihre  specielle  Anwendung  auf 
Kohlensäure  mitgetheilt  sind. 

Auch  ich  hatte  mich  schon,  bevor  ich  diese  Untersu- 
chungen kennen  lernte,  seit  längerer  Zeit  mit  demselben 
Gegenstande  beschäftigt,  und  der  Abschluss  meiner  Unter- 
suchung war  nur  durch  die  Beschwerlichkeit  der  numerischen 
Rechnungen  verzögert,  welche  zur  Vergleichung  der  theore- 
tischen Formeln  mit  den  Beobachtungsdaten  nöthig  waren. 
Nachdem  nun  aber  jene  Untersuchungen  von  van  der  Wa als 
und  Planck  veröffentlicht  sind,  glaube  ich  auch  mit  der 
Veröffentlichung  der  meinigen  nicht  länger  zögern  zu  dürfen, 
und  ich  will  mir  erlauben,  in  diesem  Aufsatze  zunächst  die 
allgemeinen,  von  der  Natur  der  einzelnen  Stoffe  unabhängigen 
Formeln  und  eine  darauf  bezügliche  Zahlenreihe  mitzutheilen, 
indem  ich  mir  vorbehalte,  die  Anwendungen  auf  bestimmte 
Stoffe  in  einem  anderen  Aufsatze  folgen  zu  lassen. 

§  2.  Die  Formel,  welche  ich  in  meinem  Aufsatze  über 
das  Verhalten  der  Kohlensäure  zur  Darstellung  des  Druckes 
als  Function  von  Volumen  und  Temperatur  im  Anschlüsse 
an  frühere  von  anderen  Autoren  aufgestellte  Formeln  ge- 
bildet habe,  lautet: 


worin  pf  v  und  T  Druck,  Volumen  und  absolute  Temperatur, 
und  Ä,  c,  a  und  ß  Constante  bedeuten.  Diese  Formel  habe 
ich  zunächst  für  Kohlensäure  durch  Vergleichung  mit  den 
Beobachtungsresultaten  von  Andrews  gebildet  und  habe 
nur  als  Vermuthung  hinzugefügt,  dass  sie  sich  bei  anderer 
Bestimmung  der  Constanten,  ohne  sonstige  Aenderung,  auch 
auf  die  übrigen  Gase  anwenden  lassen  werde.  Als  ich  nun 
aber  den  Versuch  machte,  sie  auf  solche  Stoffe,  für  welche 
ausgedehnte  und  zuverlässige  Reihen  von  Beobachtungsdaten 
vorliegen,  insbesondere  auf  den  Wasserdampf  anzuwenden, 

1)  Planck,  Wied.  Ann.  18.  p.  535.  1881. 


(1) 


Tip  +  ßf 


c 


282 


R.  Clausiiis. 


fand  ich,  dass  zur  Herstellung  einer  genügenden  Ueberein- 
stimmung  doch  noch  eine  weitere  Aenderung  mit  der  Formel 
vorgenommen  werden  muss,  und  zwar  eine  Aenderung,  die 
ich  früher,  als  ich  mich  nur  mit  der  Kohlensäure  beschäf- 
tigte, schon  einmal  im  Auge  hatte,  von  der  ich  damals  aber 
wegen  der  Unsicherheit  derjenigen  Beobachtungsdaten,  auf 
welche  ich  sie  hätte  gründen  müssen,  zurückgekommen  war. 
Es  muss  nämlich  an  die  Stelle  des  im  letzten  Gliede  vor- 
kommenden Bruches  c/T  eine  allgemeinere  Temperaturfunction 
mit  mehr  unbestimmten  Constanten  gesetzt  werden. 

Da  für  die  hier  zunächst  beabsichtigten  allgemeinen  Ent- 
wicklungen die  genauere  Kenntniss  der  Temperaturfunction 
noch  nicht  nöthig  ist,  so  wollen  wir  uns  vorläufig  damit  be- 
gnügen, sie  durch  Einführung  eines  neuen  Zeichens  anzu- 
deuten. Zur  Bequemlichkeit  der  Bechnungen  ist  es  aber 
zweckmässig,  dieses  neue  Zeichen  nicht  so  zu  wählen,  dass 
es  einfach  an  die  Stelle  des  Bruches  c/T  zu  setzen  ist,  son- 
dern so,  dass  es  eine  andere,  diesen  Bruch  enthaltende 
Grösse  vertritt.  Dazu  wollen  wir  der  Gleichung  (1)  folgende 
Form  geben: 

p  1  c 

R  T  ~~  V-'a  ~  WT^^Tß?  1  I 
und  hierin  möge  der  Bruch 

c     ,     .    27    +  $ 
RT2  durch       8>  | 

ersetzt  werden,  worin  &  die  unbestimmt  gelassene  Tempe- 
raturfunction bedeuten  soll,  von  der  vorläufig  nur  soviel 
gesagt  werden  möge,  dass  sie  für  T  =  0  ebenfalls  den  Werth 
o,  und  für  die  kritische  Temperatur  den  Werth  1  hat.  Durch 
diese  Substitution  geht  die  vorige  Gleichung  über  in: 

K)  RT     v-u     8fr(v  +  ßf 

Um  diese  Gleichung  auf  den  Verdampfungsprocess  an- 
zuwenden, wollen  wir  den  Druck  des  gesättigten  Dampfes 
zur  Unterscheidung  mit  P  bezeichnen  und  für  das  Volumen 
des  gesättigten  Dampfes  und  der  unter  demselben  Drucke 
stehenden  Flüssigkeit  die  auch  sonst  von  mir  gebrauchten 


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R.  Claushts.  283 

Zeichen  s  und  a  anwenden.  Da  nun  die  Gleichung  sowohl 
für  die  Flüssigkeit  als  auch  für  den  gesättigten  Dampf  gelten 
muss,  so  können  wir  aus  ihr  folgende  zwei  Gleichungen  bilden: 

P  1         27  [a  +  0) 


(3) 
(4) 


RT      G-a     8,'/(r7  +  $2 

P   =     1        27  («  +  £L 
ÄT     *-«     80- + 

Um  ferner  auszudrücken,  dass  die  bei  der  Verdampfung 
geleistete  äussere  Arbeit  gleich  derjenigen  sein  muss,  welche 
man  bei  derselben  Volumenzunahme  erhalten  würde,  wenn 
der  Druck  sich  nach  der  theoretischen  Isotherme  und  der 
ihr  entsprechenden  Formel  änderte,  hat  man  zu  setzen: 


s 


P(s  —  a )  m  J  pdv , 

und  wenn  man  hierin  für  /;  den  durch  die  Gleichung  (2)  be- 
stimmten Werth  setzt,  dann  die  Integration  ausführt  und  die 
so  entstehende  Gleichung  noch  mit  /?  T  dividirt,  so  kommt: 

(5)       -g  T  (f  -  t)  «  lOg  _  -  — gyü  (—^ 

Der  Bequemlichkeit  wegen  wollen  wir  noch  folgende 
vereinfachte  Zeichen  einführen: 


(6) 


RT> 

w  =  6  —  «;         W  =  s  —  #, 

dann  lauten  die  Gleichungen  (3),  (4)  und  (5): 

(I)  17-1-  27' 


i»      8t9-(»t<  +  j-)* 

(Iii)    fl(r-^-i*^Ä(-4--  * )■ 

?ü       8  it  Vto  +  y      ff  +yj 

Diese  drei  Gleichungen  sind  es,  welche  man  zur  Rech- 
nung anzuwenden  hat,  indem  sich  aus  ihnen  die  Werthe  von 
II,  w  und  W  für  jeden  Werth  von  &  bestimmen  lassen,  was 


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284 


R.  Clausius. 


dann  weiter,  wenn  &  als  Function  von  T  bekannt  ist,  dazu 
führt,  die  Werthe  von  77,  w  und  W  auch  für  jeden  Werth 
von  T  zu  bestimmen. 

§  3.    Wollte  man  die  Rechnung  so  ausführen,  dass  man 
die  drei  Grössen  77,  w  und  W  direct  als  Functionen  von  & 
auszudrücken  suchte,  so  würde  man  eine  transcendente  Glei- 
chung zu  behandeln  haben,  welche  sich  in  geschlossener  Form 
nicht  auflösen  lässt.    Es  ist  daher,  wie  Planck  ganz  richtig 
sagt,  besser,  zunächst  alle  vier  Grössen  77,  w,  W  und  &  als 
Functionen  einer  zweckmässig  gewählten  neuen  Veränder- 
lichen zu  bestimmen.    Planck  hat  als  solche  neue  Verän- 
derliche eine  Winkelgrösse  (p  gewählt,  welche  er  vorläufig 
noch  mit  einer  anderen  Grösse  r  vereinigt  und  mit  dieser 
zusammen  durch  folgende  Gleichungen  definirt  hat: 

JT=rco82?.        to  =  rsin2J« 
2 '  2 

Ich  habe  dagegen  in  meinen  Rechnungen  einfach  die  in 
Gleichung  (III)  vorkommende  Grösse  \og(Hrjw)  als  die  neue 
Veränderliche  gewählt,  welche  ich  mit  X  bezeichnet  habe. 

Bevor  wir  dieses  Zeichen  in  die  obigen  Gleichungen 
einführen,  wollen  wir  dieselben  noch  etwas  umgestalten.  Aus 
(I)  und  (II)  folgt  ohne  weiteres: 

J  21  y   J  27>_  _ 

w      8&(w'+y)*  ~~  W  S#(Jr+>)2' 

und  hieraus  ergibt  sich: 

Jl  _  1 

27  y  _      g  w   

S&~~  _1  1  ' 

(w  +  r)2  W+rl* 

oder  umgeformt: 

27  y     ( ff +  + 
[  }  Sä  ~~  Ww(W+  w  +  2y) 

Wenn  man  diesen  "Werth  von  21yjS&  in  die  Gleichung  (I) 
einsetzt,  so  erhält  man: 

~  w      Ww(JV+w  +  2y) 


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R.  Clausius. 


285 


welchen  Ausdruck  man  umformen  kann  in: 

Was  endlich  die  Gleichung  (III)  anbetrifft,  welche  jetzt 
in  folgender  Anordnung  geschrieben  werden  möge: 

log  —  -  U  (IV-  w)  +  |^  f— 1  , 

so  geht  dieselbe,  wenn  man  für  27^/8i9-  und  //  die  unter 
(7)  und  (8)  gegebenen  Werthe  setzt  und  dann  noch  einige 
Reductionen  vornimmt,  in  folgende  über: 

m       '  iM  w  -  (^~w)  (Ww  +  yiv+r*) 

W  106  w  -  fr«?  ( jfir+  tr  +  ~2  y) ' 

Auf  diese  letzte  Gleichung  wollen  wir  nun  die  Gleichung: 

W 

(10)  A  m  log  — 

und  die  aus  ihr  sich  ergebende  Gleichung: 

(11)  W=wex 
anwenden,  wodurch  wir  erhalten: 

;     fi     \\  +  r (**  +  !) 

A~l  +  l)  +  2/]  ' 

oder  anders  geschrieben: 

Diese  Gleichung  lässt  sich  leicht  nach  w  auflösen  und  gibt: 

....  \~2Xtr>--^ 

(13)  w,y— T-R_-I, 

und  hieraus  ergibt  sich  gemäss  (11)  sofort  weiter: 

.  l_2A*-*-e-2* 

(14)  ^-^T^  +  ft  +  qr-*' 

Um  die  Grösse  //  zu  berechnen,  kann  man,  wenn  die 
Grössen  w  und  keinmal  berechnet  sind,  die  Gleichung  (8)  an- 
wenden. Will  man  aber  //  als  Function  von  l  darstellen,  so  hat 
man  in  (8)  für  w  und  JTdie  unter  (13)  und  (14)  gegebenen  Aus- 
drücke zu  setzen  und  erhält  dann  nach  einigen  Reductionen: 


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28(5 


B.  Clausius. 


e-V  -  2  +  (X  +  2) .  [(1  -  f*)»  -  V-e-  >•] 
K    1  y{\  -e-')(\-2le->- -e~*'f 

Zur  Bestimmung  der  letzten  Grösse  &  ergibt  sich  aus  (7): 

27;  ^(Wr4-^  +  2jO 

und  wenn  man  hierin  für  10  und  W  ihre  Werthe  aus  (13) 
und  (14)  einsetzt,  so  erhält  man: 

n*   9.  ?! c*=  2 +J*  + 2) nl]  (i-2^-;  -^-n)2 

K   ]     1  ~~  8  (1  -  r-4)  (a  -  1  (1  -      - ' 

Durch  die  Gleichungen  (13),  (14),  (15)  und  (17)  ist  er- 
reicht, was  beabsichtigt  wurde,  nämlich  die  vier  Grössen  u\ 
Wy  11  und  &  durch  eine  und  dieselbe  Grösse  X  auszu- 
drücken. 

§  4.  Will  man  die  gefundenen  Ausdrücke  in  Reihen 
entwickeln,  die  nach  Potenzen  von  X  fortschreiten,  so  stösst 
man  auf  ein  eigenthümliches  Verhalten.  In  fast  allen  Fac- 
toren,  welche  in  den  Zählern  und  Nennern  vorkommen, 
heben  sich  die  von  X  unabhängigen  und  die  mit  niederen 
Potenzen  von  X  behafteten  Glieder  auf,  sodass  alle  Zähler 
und  Nenner  ziemlich  hohe  Potenzen  von  X  zu  Factoren  haben, 
die  sich  dann  freilich  in  den  Brüchen  aufheben.  Die  ein- 
zelnen, die  Factoren  darstellenden  Reihen  lauten  folgeuder- 
maassen: 

»^'-i'+ä14 -••••) 

i-2  +  (A  +  2)r- -  »4+ ^ -■■■■) 
1  -MH  -  r*  =  ll>  (I  -  *  Jj  !•  +  g  i* -  •  •  •  •) 


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R.  Clausius.  287 

Wendet  man  diese  Ausdrücke  auf  die  Gleichungen  (13) 
und  (14)  an  und  führt  in  diesen  noch  die  angedeutete  Divi- 
sion und  Multiplication  aus,  so  erhält  man: 

(18)  •-y(2-A+^-3>+2S~t^-8.5Vt>.»+....) 

(19)  ir-r  (•+*  +  2>+  H\#+ 35V  7 >•»+  ••••)• 

Man  sieht  hieraus,  was  sich  auch  anderweitig  als  nothwen- 
dig  nachweisen  lässt,  dass  die  Glieder  mit  geraden  Potenzen  von 
A  in  beiden  Ausdrücken  gleich  und  die  Glieder  mit  ungeraden 
Potenzen  gleich  und  den  Vorzeichen  nach  entgegengesetzt 
sind.  Man  kann  daher  zwei  neue  Grössen  M  und  N  ein- 
führen, welche  nur  gerade  Potenzen  von  l  enthalten,  nämlich: 


(20) 


und  dann  setzen: 

(2 1 )     w  —  M  —  NX ,  (22)      W  -  M  +  NL 

Aus  den  beiden  letzten  Gleichungen  folgt: 

(23)     W>»r  =  2  M,  (24)    Ww  =  M°-  -  N*-  V-, 

woraus  ersichtlich  ist,  dass  die  Summe  und  das  Product  aus 
den  beiden  Grössen  W  und  w  nur  gerade  Potenzen  von  /. 
enthalten.  Da  nun  in  den  unter  (8)  und  (16)  gegebenen  Aus- 
drücken von  77  und  &  die  Grössen  W  und  w  nur  in 
den  Verbindungen  zu  Summe  und  Product  vorkommen,  so 
folgt  daraus,  dass  auch  die  Grössen  77  und  #  nur  gerade 
Potenzen  von  A  enthalten.  Hierdurch  ist  bedingt,  dass  in 
der  Nähe  der  kritischen  Temperatur,  wo  X  sich  dem  Werthe 
Null  nähert,  die  Grössen  77  und'#  sich  wesentlich  anders 
verhalten,  als  die  Grössen  W  und  u\  worauf  wir  weiterhin 
noch  zurückkommen  werden. 

§  5.  Die  bisher  entwickelten  Gleichungen,  welche  die 
vier  Grössen  wt  W,  77  und  &  als  Functionen  von  X  dar- 
stellen, bestimmen  natürlich  dadurch  indirect  auch  den  Zu- 
sammenhang, in  welchem  jede  der  drei  Grössen  w,  JT  und 


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288  R.  Clausus. 

II  mit  der  Grösse  &  steht;  aber  diese  indirecte,  durch  eine 
dritte  Grösse  vermittelte  Bestimmung  genügt  den  Anfor- 
derungen nur  unvollständig.  Gewöhnlich  betrachtet  man  bei 
Untersuchungen  über  den  Verdampfungsprocess  die  Tem- 
peratur als  das  Gegebene  und  will  aus  ihr  unmittelbar  den 
Dampfdruck  und  die  Volumina  des  Dampfes  und  der  Flüs- 
sigkeit herleiten.  In  diesem  Sinne  müssen  wir  daher  unsere 
Bestimmungsart  noch  vervollständigen.  Da  in  unseren  bisheri- 
gen Entwickelungen  die  Temperatur  nicht  explicite  vorkommt, 
sondern  nur  die  noch  unbestimmt  gelassene  Temperatur- 
function  &y  so  ist  vorläufig  die  Bestimmung  an  diese  Tem- 
peraturfunction  &  zu  knüpfen,  und  wir  müssen  uns  die  Auf- 
gabe stellen,  es  so  einzurichten,  dass  sich  aus  dem  Werthe 
von  &  in  möglichst  einfacher  Weise  die  entsprechenden 
Werthe  von  «?,  IV  und  77  ergeben.  Das  habe  ich  dadurch 
zu  erreichen  gesucht,  dass  ich  eine  Tabelle  berechnet  habe, 
welche  für  die  verschiedenen,  um  je  ein  Hundertstel  fort- 
schreitenden Werthe  von  &  die  entsprechenden  Werthe  von 
X  angibt.  Aus  dieser  Tabelle  kann  man  X  durch  Interpo- 
lation für  jeden  beliebigen  Werth  von  &  leicht  bestimmen, 
und  wenn  X  bekannt  ist,  so  kann  man  mit  Hülfe  der  obigen 
Formeln  w,  W  und  77  direct  berechnen. 

Zur  Berechnung  der  Tabelle  habe  ich  zunächst  X  durch 
eine  Reihe  dargestellt,  welche  nach  Potenzen  einer  von  \f 
abhängenden  Grösse  fortschreitet.  Dazu  schien  mir  am 
geeignetsten  folgende  Grösse: 

(25)  x  ==  Vi 

welche  sich  in  gleicher  Weise,  wie  A,  bei  Annäherung  an 
die  kritische  Temperatur  dem  Werthe  Null  nähert.  Die 
betreffende  Reihe  lautet: 

(26)  X  =  Gx  +  3,24#3  +  2,880  171  6*6  +  2,885  628r7  +  

Bevor  von  der  Anwendung  dieser  Reihe  zur  Rechnung 
die  Rede  ist,  möge  eine  schon  aus  ihrer  Form  sich  ergebende 
Folgerung  eingeschaltet  werden,  welche  sich  an  die  am 
Schlüsse  des  vorigen  Paragraphen  gemachte  Bemerkung  an- 
schlies8t.  Wie  man  sieht,  enthält  die  Reihe  nur  ungerade 
Potenzen  von  .r,  und  daraus  ergibt  sich  sofort,  dass  diejenige 


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R.  Claus ius. 


289 


Reihe,  welche  X2  darstellt,  nur  gerade  Potenzen  von  x  ent- 
halten kann.  Da  ferner,  wie  oben  besprochen,  die  Grösse  // 
bei  der  Entwickelung  nach  X  nur  gerade  Potenzen  von  X 
enthält,  so  kann  sie  dem  vorigen  nach  bei  der  Entwickelung 
nach  x  nur  gerade  Potenzen  von  x  enthalten,  während  die 
Reihen,  welche  die  Grössen  w  und  W  darstellen,  auch  Glieder 
mit  ungeraden  Potenzen  und  darunter  ein  Glied  erster  Ord- 
nung enthalten.  Nun  ergeben  sich  aus  (25)  für  die  Diffe- 
rentiaicoefficienten von  x  und  x*  nach  #  folgende  Ausdrücke: 

welche  sich  in  ihrem  Verhalten  bei  der  Annäherung  an  die 
kritische  Temperatur,  für  welche  0=1  ist,  dadurch  wesent- 
lich von  einander  unterscheiden,  dass  der  erstere  unendlich 
gross  wird,  während  der  letztere  endlich  bleibt  In  eben 
dieser  Weise  müssen  sich  nach  dem  vorher  Gesagten  auch 
die  nach  &  genommenen  Differentiaicoefficienten  der  Grösse 
ic  und  W  von  dem  Differentiaicoefficienten  der  Grösse  11 
unterscheiden.  Es  möge  hier  gleich  hinzugefügt  werden, 
dass  dasselbe  auch  für  die  nach  T  genommenen  Differentiai- 
coefficienten gilt,  und  es  folgt  daraus,  dass  bei  der  Annähe- 
rung an  die  kritische  Temperatur  die  Volumina  der  Flüssig- 
keit und  des  Dampfes  Aenderungen  erleiden,  welche  im  Verhält- 
niss  zur  Temperaturänderung  unendlich  gross  sind,  während  die 
Aenderung  des  Dampfdruckes  im  Verhältniss  zur  Temperatur- 
ünderung  endlich  bleibt.  Auf  diesen  eigenthümlichen  Unter- 
schied hat  schon  van  der  Waals  aufmerksam  gemacht. 

Mit  Hülfe  der  obigen  Reihe  habe  ich  X  für  diejenigen 
Werthe  von  #  und  x  berechnet,  für  welche  jene  Gliederzahl 
ausreicht,  um  den  gewünschten  Grad  von  Genauigkeit  zu 
erzielen.  Für  grössere  Werthe  von  x,  und  somit  kleinere 
Werthe  von  &,  bin  ich  auf  die  Gleichung  (17)  zurückge- 
gangen, aus  welcher  sich  für  gegebene  Werthe  von  X  die 
entsprechenden  Werthe  von  &  berechnen  lassen,  und  welche 
unter  Anwendung  eines  Näherungsverfahrens  auch  umgekehrt 
dazu  dienen  kann,  für  gegebene  Werthe  von  &  die  ent- 
sprechenden Werthe  von  X  zu  bestimmen. 

Ann.  <L  Phjs.  u.  Chem.  N.  F.  XI V.  19 


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290 


R.  Clausius. 


Die  in  dieser  Weise  berechnete  Tabelle,  in  welcher  zur 
Erleichterung  der  Interpolation  auch  die  Differenzen  zwischen 
je  zwei  aufeinander  folgenden  Zahlen  hinzugefügt  sind,  folgt 
nachstehend.  Wenn  man  aus  dieser  Tabelle  den  zu  einem  ge- 
gebenen Werthe  von  &  gehörenden  Werth  von  A  entnommen 
hat,  so  kann  man  mit  dessen  Hülfe,  wie  schon  gesagt,  die 
entsprechenden  Werthe  von  iv,  W  und  II  aus  den  obigen 
Gleichungen  direct  berechnen.  Auch  hat  es,  nachdem  die 
Tabelle  für  l  einmal  berechnet  ist,  keine  Schwierigkeit  weiter, 
für  mj,  W  und  II  Tabellen  von  gleicher  Art  zu  berechnen, 
welche  für  dieselbe  Reihe  von  Werthen  von  &  die  entspre- 
chenden Werthe  dieser  Grössen  angeben. 


il 

A 

i> 

X 

'  I 

i 

 _ 

4 

0 

0,05 
0,10 
0,11 
0,12 
0,13 
0,14 
0,15 

U,  10 

0,17 
0,18 
0,19 
0,20 
0,21 
0,22 
0,23 
0,24 
0,25 
0,26 
0,27 
0,28 
0,29 
0,30 
0,31 
0,32 
0,33 
0,34 
0,35 
0,36 
0,37 
0,38 
0,39 

00 
67,4947 
33,7185 
30,6469 
28,0867 
25,9197 
24,0618 
22,4511 

91  OJ.I9 

19,7968 
18,6901 
17,6995 
16,8074 
16,0000 
15,2655 
14,5944 
13,9788 
13,4119 
12,8882 
12,4028 
11,9516 
11,5309 
11,1376 
10,7691 
10,4230 
10,0971 
9,7896 
9,4989 
9,2235 
8,9621 
8,7135 
8,4767 

3,0716 

2,5602 

2,1670 

1,8579 

1,6107  | 

1,4099 

1,2444 

1,1067  j 

0,9906 

0,8921 

0,8074 

0,7345 

0,6711 

0,6156 

0,5669 

0,5237 

0,4854 

0,4512 

0,4207 

0,3933 

0,3685 

0,3461 

0,3259 

0,3075 

0,2907 

0,2754 

0,2614 

0,2486 

0,2368 

0,39 
0,40 
0,41 
0,42 
0,43 
0,44 
0,45 
0,46 

0,48 
0,49 
0,50 
0,51 
0,52 
0,53 
0,54 
0,55 
0,56 
0,57 
0,58 
0,59 
0,60 
0,61 
0,62 
0,63 
i  0,64 
0,65 
0,66 
0,67 
0,68 
0,69 
0,70 

8,4767  " 

8,2507 

8,0348 

7,8280 

7,6296 

7,4392 

7,2561 

7,0797 

D,«fU,JO 

6,7453 
6,5864 
6,4326 
6,2834 
6,1387 
5,9980 
5,8612 
5,7278 
5,5978 
5,4709 
5,3469 
5,2256 
5,1068 
4,9904 
4,8761 
4,7639 
4,6535 
4,5448 
4,4377 
4,3321 
4,2279 
4,1248 
|  4,0229 

0,2260 

0,2159 

0,2068 

0,1984 

0,1904 

0,1831  J 

0,1764 

0,1701 

0,1643  1 

0,1589  i 

0,1538 

0,1492  1 

0,1447 

0,1407 

0,1368 

0,1334  1 

0,1300 

0,1269 

0,1240 

0,1213 

0,1188 

0,1164 

0,1143 

0,1122 

0,1104 

0,1087 

0,1071 

0,1056 

0,1042 

0,1031 

0,1019 

0,70 
0,71 
0,72 
0,73 
0,74 
0,75 
0,76 
|  0,77 

U,<8 

0,79 
0,80 
0,81 
0,82 
0,83 
0,84 
0,85 
0,86 
0,87 
0,88 
1  0,89 
1  0,90 
1  0,91 
1  0,92 
0,93 
!  0,94 
1  0,95 
0,96 
0,97 
0,98 
0,99 
1 

4,0229 
3,9220 
3,8219 
3,7225 
3,6238 
3,5255 
3,4277 
3,3301 

3,1353 

3,0376 

2,9398 

2,8414 

2,7424 

2,6425 

2,5416 

2,4393 

2,3354 

2,2295 

2,1212 

2,00995 

1,89517 

1,77604 

1,65147 

1,52001 

1,37956 

1,22688 

1,05653 

0,85786 

0,60327 

0 



0,1009 

0,1001 

0,0994 

0,0987 

0,0983 

0,0978 

0,0976 

0,0974 

0,0974 

0,0977 

0,0978 

0,0984 

0,0990 

0,0999 

0,1009 

0,1023 

0,1039 

0,1059 

0,1083 

0,1112 

0,11478 

0,11918 

0,12457 

0,13146 

0,14045 

0,15268 

0,17035 

0,19867 

0,25459 

0,60327 

Bonn,  August  1881. 


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H.  Lorberg. 


291 


VII.    Hebet*  Wärmeleitung  in  einem  System  von 
Cylindern,  und  über  die  experimentelle  Bestim- 
mung der  Leitungsfähigkeit  des  Wassers; 
van  H.  Lorberg  in  Strassburg. 


In  einem  kürzlich  in  dieser  Zeitschrift  veröffentlichten 
Aufsatze  hat  F.  Weber1)  eine  interessante  und  allem  Anschein 
nach  äusserst  zweckmässige  Methode  zur  Bestimmung  des 
Wärmeleitungsvermögens  der  Flüssigkeiten  theoretisch  ent- 
wickelt und  die  Resultate  ihrer  experimentellen  Durchfüh- 
rung mitgetheilt.    Der  Wunsch,  über  die  Leistungsfähigkeit 
dieser  Methode  ein  sichereres  Urtheil  zu  gewinnen,  als  das 
nach  den  von  Weber  mitgetheilten  Rechnungen  und  Beob- 
achtungen möglich  ist,  hat  mich  veranlasst,  das  Problem  der 
Wärmebewegung  in  einem  System  verschiedenartiger,  anein- 
ander gesetzter  Cylinder  ganz  allgemein  zu  behandeln,  ohne 
Zuhülfenahme  einiger  von  Weber  gemachten  vereinfachen- 
den Annahmen,  welche  nur  unter  den  von  ihm  gewählten 
Versuchsbedingungen  mit  hinreichender  Annäherung  gültig 
sind,  und  deren  Einfluss  auf  das  Endresultat  sich  im  voraus 
nicht  genau  angeben  lässt.    Um  diese  Annahmen  mit  mög- 
lichster Kürze  und  Klarheit  bezeichnen  zu  können,  will  ich 
zunächst  die  Grundgleichungen  des  Problems  aufstellen,  so- 
wie sich  dieselben  aus  den  von  Poisson  in  seiner  „Theorie 
mathematique  de  la  Chaleur"  entwickelten  Principien  ergeben. 
Es  seien  zwei  Cylinder  vom  Radius  q  mit  ihren  Grundflächen 
aufeinander  gesetzt;  das  System  habe  anfangs  in  allen  Punk- 
ten die  Temperatur  u0  erhalten  und  sei  dann  in  einen  Raum 
versetzt,  der  mit  einer  auf  der  Temperatur  0°  erhaltenen 
Hülle  umgeben  ist,  während  die  untere  Fläche  des  unteren 
Cylinders  auf  der  Temperatur  0°  erhalten  wird.  Sind  dann  x 
und  r  die  Entfernungen  eines  Punktes  von  der  unteren  Grund- 
fläche des  unteren  Cylinders  und  von  der  gemeinschaftlichen 
Axe,  u  die  Temperatur  in  einem  Punkte  des  unteren  Cylin- 


Einleitung. 


1)  H.  F.  Weber,  Wied.  Ann.  10,  p.  103  u.  304.  1880. 

19* 


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292 


H.  Lorberg. 


ders  (bei  Weber  einer  zwischen  zwei  Kupferplatten  befind- 
lichen Flüssigkeitslamelle  von  der  sehr  geringen  Dicke  |),  ux 
die  Temperatur  in  einem  Punkt  des  oberen  Cylinders  (bei 
Weber  der  oberen  Kupferplatte  von  der  Dicke  JfJ,  k,  C,  S 
die  Leitungsfähigkeit,  specifische  Wärme  und  Dichtigkeit 
des  unteren  Cylinders,  klf  Clt  Sx  dasselbe  für  den  oberen 
Cylinder,  h  und  hi  die  äussere  Leitungsfähigkeit  gegen  Luft, 
hQ  eine  analoge  Co  n  st  ante,  welche  die  äussere  Leitungsfahig- 
keit  der  zwei  Cylinder  gegeneinander  angibt,  so  ist: 

f-rx  du        k    A  du.        k.  A 

■"-•)      (II)    £  +  £«-0,       &  +  £«,-<>, 

für  r  =  0)    (III)    u  =  0, 

für  .-t+fc)      (IV)  ^+{^0, 

fer*»fi    (V)  (V.)  Ä^  =  Ä0(Wl^w), 

für  t  =  0)  (VI)    u  =  «,«  w0. 

Weber  setzt  nun  die  Temperatur  an  der  Berührungs- 
fläche der  Flüssigkeit  und  des  Kupfers  in  beiden  Körpern 
als  gleich  voraus,  ersetzt  also  die  GL  (Va)  durch  die  Gl. 
u  =  während  nach  Poisson  an  der  Berührungsfläche 
zweier  verschiedenartiger  Körper  eine  Discontinuität  der 
Temperatur  stattfinden  muss,  falls  nicht  dieConstante  h0  =  cc 
ist.  Die  Frage,  ob  eine  solche  Discontinuität  stattfindet,  ist 
bekanntlich  experimentell  von  verschiedenen  Beobachtern  in 
gerade  entgegengesetztem  Sinne  beantwortet  worden,  in  ver- 
neinendem von  G.  Wiedemann1)  für  zwei  Metalle,  in  be- 
jahendem von  Angström2)  für  zwei  Metalle,  von  Despretz8) 
für  zwei  Flüssigkeiten;  für  eine  experimentelle  Erledigung 
der  Frage  sind  indessen  diese  Beobachtungen  nicht  ausrei- 
chend, die  letzteren  schon  aus  dem  Grunde,  weil  jede  genauere 
Angabe  über  die  Art  der  Beobachtung  fehlt.    Eine  theore- 


1)  G.  Wiedemann,  Pogg.  Ann.  95.  p.  337.  1855. 

2)  Angström,  Pogg.  Ann.  88.  p.  165.  1853. 

3)  Despretz,  Pogg.  Ann.  142.  p.  626.  1871. 


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H.  Lorberg.  293 

tische  Begründung  der  Richtigkeit  der  Annahme  Weber's 
werde  ich  im  folgenden  Paragraphen  zu  geben  versuchen. 
Ferner  setzt  Weber  in  GL  (V): 

du       u  ux 

er  nimmt  also  die  Flüssigkeitslamelle  als  so  dünn  an,  dass  sich 
u  =  qz  setzen  lässt,  wo  q  von  x  unabhängig  ist.  Es  ist  nun 
schwer,  im  voraus  zu  bestimmen,  wie  dünn  die  Flüssigkeits- 
schicht behufs  der  Zulässigkeit  dieser  Annahme  sein  muss; 
h  wird  durch  eine  Summe  von  Gliedern  von  der  Form  sin  qx 
bestimmt,  wo  die  Constanten  q  die  Wurzeln  einer  transcen- 
denten  Gleichung  sind,  und  nur  eine  Untersuchung  dieser 
Wurzeln  nach  der  strengen  Theorie  kann  ergeben,  unter 
welchen  Umständen  dieselben  klein  genug  sind,  um  sin  qx 
=  qx  setzen  zu  können;  in  der  That  findet  Weber.1) 
u  =  A  sin  qx  e-'ttU,  wo  q2  =  4,778 a)  ist,  woraus  wegen  g  =  0,231 
für  x  =  |  folgt: 

u_  =  du  tg  q £  _  j  du 
£     '  dx    q£  1  dx 

Infolge  der  erwähnten  Annahme  Weber's  lässt  sich 
nun,  wie  man  sieht,  die  Temperatur  der  Kupferplatte  unab- 
hängig von  der  der  Flüssigkeit  bestimmen,  und  es  ergibt 
sich,  dass  dieselbe  mit  grosser  Annäherung  eine  blosse 
Function  der  Zeit  ist.  Was  dann  weiter  die  Temperatur  u 
der  Flüssigkeit  betrifft,  so  stellt  Weber  als  die  an  ihrer  Be- 
rührungsfläche mit  der  Kupferplatte  geltende  Bedingung  die 
auf,  dass  die  von  der  Kupferplatte  verlorene  Wärmemenge, 
welche,  wenn  Mx  ihre  Masse  bezeichnet,  =  —  M1Cl(du1jdt) 
=  —  Mj^Qidujdt)  gesetzt  werden  kann,  aus  zwei  Theilen 
besteht,  von  denen  der  erste  die  durch  ihre  freie  Endfläche 
und  Seitenfläche  Ft  ausgestrahlte  Wärme,  also  =  hv  Fl  ux 
ä^Z^m,  der  zweite  die  durch  die  Berührungsfläche  F  an 
die  Flüssigkeit  abgegebene  Wärme,  also  —  kF(du/dx)  ist. 
Weber  stellt  also  für  die  Berührungsfläche  die  Gleichungen  auf: 

(a)  « -/(Pi  (b)    -MiC^-h^u  +  kF^, 

1)  Weber,  L  c.  p.  123. 

2)  Weber,  L  c.  p.  122. 


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294 


H.  Lorberg. 


neben  welchen  die  ersten  Gleichungen  (I)  und  (II),  sowie 
die  Gleichungen  (III)  und  (VI)  zur  Bestimmung  von  u  die- 
nen. Nach  den  Gl.  (a)  und  (b)  würden  aber  die  an  der  Be- 
rührungsfläche stattfindenden  Werthe  u%  und  {dujda)t  blosse 
Functionen  der  Zeit  werden,  woraus  mittelst  der  Gl.  (I), 

nämlich :  dht     CSdu     d*u      1_  du, 

dx2       k   dt      dr*      r  dr 

dasselbe  für  (cPujdx2)*,  durch  Differentiation  der  vorstehen- 
den Gleichung  dasselbe  für  ((Pu/dx3)^  und  so  fort  für  sämmt- 
liehe  Differentialquotienten  von  u  nach  #  folgen  würde;  mit- 
hin würde  für  jedes  x  u  von  r  unabhängig  sein,  was  den 
Gl.  (I)  und  (II)  *)  widerspricht.  Hiernach  lassen  sich  die  von 
Weber  aufgestellten  Gleichungen  nicht  streng  lösen,  da  sie 
nur  unter  der  Annahme  einer  nach  den  Seiten  hin  unend- 
lichen Ausdehnung  der  Platten  miteinander  vereinbar  sind, 
welche  Annahme  auch  die  von  Weber  für  dieselben  gegebene 
Lösung2)  voraussetzt.  Wenn  auch  bei  Flüssigkeiten,  bei 
denen  wir  den  Werth  des  äusseren  Leitungsvermögens  nicht 
kennen,  die  Berücksichtigung  der  am  Rande  stattfindenden 
Strahlung  kein  grosses  physikalisches  Interesse  hat,  so  kann 
doch  für  den  Fall,  dass  man  die  Methode  z.  B.  auf  schlecht 
leitende  Metalle  anwenden  wollte,  eine  Berücksichtigung 
jenes  Umstandes  wünschenswerth  sein.  Da  ausserdem  an 
der  Berührungsfläche  jedenfalls  die  Gl.  (V)  gelten  muss,  so 
bildet  die  Annahme,  es  sei  in  Gl  (b)  dujdx  von  0  verschie- 
den, einen  Widerspruch  gegen  die  Voraussetzung  der  Kupfer- 
platte als  eines  isothermen  Raumes;  setzt  man  aber  in  GL 
(b)  du/dr  =  Q,  so  folgt  das  unmögliche  Resultat  u*  —  0,  so- 
wie denn  auch  ohne  Rechnung  einleuchtet,  dass,  wenn  die 
Kupferplatte  ein  in  strengem  Sinne  isothermer  Raum  wäre, 
an  ihrer  Berührungsfläche  mit  der  Flüssigkeit  kein  Wärmefluss 
und  folglich  auch  im  Inneren  der  Flüssigkeit  keine  Wärme- 
bewegung (abgesehen  von  der  Strahlung  durch  die  Seiten- 
fläche) stattfinden  könnte. 

Schliesslich  ist  noch  die  Voraussetzung  nicht  streng  er- 
füllt, dass  die  Unterseite  der  Flüssigkeit  schon  von  Beginn 

1)  H.  F.  Weber,  1.  c.  p.  118  u.  119,  Gl.  (1)  u.  (5). 

2)  1.  c.  p.  120,  Gl.  (8)  u.  p.  121,  Gl.  (9). 


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H.  Lorberg. 


295 


der  Beobachtung  an  die  constante  Temperatur  0°  der  Um- 
gebung habe.  Die  zwischen  zwei  Kupferplatten,  von  denen 
die  obere  ungefähr  1  cm,  die  untere  0,5  cm  dick  war,  befind- 
liche Flüssigkeitslamelle  wurde  in  einem  bestimmten  Moment 
auf  eine  Eisplatte  herabgelassen  und  sofort  mit  einer  „dauernd 
auf  0°  abgekühlten"  Kappe  von  Kupferblech  umgeben.  Dabei 
mus8te  nun  in  derselben  Weise  wie  die  obere  Kupferplatte 
auch  die  untere  und  damit  die  Unterseite  der  Flüssigkeit 
erst  allmählich  die  Temperatur  0°  annehmen;  das  Problem 
war  eigentlich  das  dreier  Cy  linder,  von  denen  der  unterste 
an  seiner  Unterseite  auf  der  constanten  Temperatur  0°  er- 
halten wird.  Auch  dass  die  Hülle  genau  dieselbe  Temperatur 
wie  die  Unterseite  der  unteren  Kupferplatte  haben  sollte,  ist 
nicht  verbürgt;  bezeichnen  wir  die  Temperatur  der  Hülle 
mit  0,  die  der  Eisplatte  mit  —  r,  so  entsteht  aus  dieser 
Temperatur  —  r  eine  stationäre  Temperatur  in  den  Cylin* 
dern,  welche  zu  der  unter  der  Voraussetzung  r  =  0  berech- 
neten variabeln  Temperatur  zu  addiren  ist;  das  theoretische 
Problem  wird  also  durch  diesen  Umstand  nicht  tangirt,  wohl 
aber  —  und  zwar  in  nicht  unbeträchtlichem  Maasse  —  die 
Berechnung  der  Beobachtungen,  wie  ich  in  §  6  zeigen  werde. 

Die  im  Folgenden  behandelte  Aufgabe  dürfte  auch  als 
Beispiel  der  Behandlung  des  meines  Wissens  bis  jetzt  noch 
nicht  streng  gelösten  Problems  der  Wärmebewegung  in  einem 
heterogenen  Körper  vielleicht  nicht  ganz  ohne  mathematisch- 
physikalisches Interesse  sein;  dieselbe  nicht  auf  zwei  Körper 
zu  beschränken,  dazu  gab  nach  dem  vorstehend  Bemerkten 
das  Weber'sche  Problem  selbst  Anlass.  Ich  schliesse  an 
diese  theoretische  Untersuchung  eine  Berechnung  der  Lei- 
tungsfahigkeit  des  Wassers  aus  den  Weber'schen  Beobach- 
tungsresultaten, sowie  eine  Herleitung  dieser  Resultate  aus 
den  von  Weber  mitgetheilten  Beobachtungsreihen. 

§1.  Ueber  die  Bedingungsgleichungen  der  Temperaturbewegung 
an  der  Berührungsfläche  zweier  verschiedenartiger  Körper. 

Für  die  Berührungsfläche  zweier  verschiedenartiger  Kör- 
per mit  den  Temperaturen  u  und  u  stellt  Poisson1)  die 
Gleichungen  auf: 

lj  Poisson,  Theor.  math.  de  la  Chal.,  p.  127. 


29tf 


H.  Lorberg. 


(1) 


k 


du 


=  k 


,du- 
dN 


wo  k  und  A  die  Leitungsfähigkeiten  sind,  während  dN  das 
Element  der  vom  ersten  zum  zweiten  Körper  gerichteten 
Normale  der  Berührungsfläche  bezeichnet,  und  er  wendet 
diese  Gleichungen  auf  den  Fall  einer  mit  einer  sphäri- 
schen Schicht  aus  anderem  Stoffe   bedeckten  Kugel  an.1) 
Für  andere  Fälle  ist  meines  Wissens  das  Problem  der  Tem- 
peraturbewegung in  einem  homogenen  Körper  noch  nicht 
streng  behandelt  worden;  da  aber  bisher  die  Fourier-Poisson- 
sche  Theorie  allen  Problemen  der  Temperaturbewegung  zu 
Grunde  gelegt  worden  ist,  so  erscheint  es  unerlässlich,  sich 
hinsichtlich  der  Gültigkeit  der  Grenzgleichungen  (1),  nach 
denen  an  der  Berührungsfläche   zweier  verschiedenartigen 
Körper,  falls  nicht  q  =  00  ist,  eine  Discontinuität  der  Tem- 
peratur stattfinden  würde,  schlüssig  zu  machen.    Ein  Zweifel 
an  der  Richtigkeit  dieser  Gleichungen  wird  nun  schon  durch 
die  Erwägung  veranlasst,  dass  sie  doch  jedenfalls  auch  gültig 
sein  müssten,  wenn  die  zwei  Körper  von  derselben  Beschaf- 
fenheit sind,  d.  h.  im  Inneren  eines  Körpers;  in  diesem  Falle 
würden  sie  aber,  da  dann  v!  —  u  unendlich  klein  sein  würde, 
entweder  in  k(dujdN)  =  0  übergehen,  d.  h.  es  würde  im  Inneren 
des  Körpers  gar  kein  Wärmefluss  stattfinden;  oder  es  müsste 
die  Constante  q  im  Inneren  eines  Körpers  unendlich  gross 
sein;  dann  wäre  aber  —  wie  das  auch  die  folgende  Rechnung 
bestätigen  wird  —  kein  Grund  einzusehen,  weshalb  sie  an 
der  Berührungsfläche  zweier  verschiedenartiger  Körper  einen 
endlichen  Werth  haben  sollte.   Poisson's  Begründung  dieser 
Gleichungen  ist  im  wesentlichen  folgende;  dabei  können  wir 
die  Berührungsfläche  als  eine  auf  der  #-Axe  senkrechte 
Ebene  und  die  Temperatur  als  eine  blosse  Function  von  x 
und  der  Zeit  annehmen,  da  sie  in  der  Nähe  der  Berührungs- 
fläche in  der  Richtung  der  Normalen  sich  möglicherweise 
sehr  rasch  ändern  kann,  dagegen  in  den  der  Berührungsfläche 
parallelen  Richtungen  nur  geringe  Aenderungen  erfahren 
wird.    Denken  wir  uns  in  dem  ersten  Körper  senkrecht  auf 
dem  Element  w  der  Berührungsfläche  einen  Cylinder  von  der 

l)  1.  c.  p.  300  ff. 


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H.  Lorbery 


297 


sehr  geringen  Länge  «,  welche  aber  grösser  ist,  als  die  Grenze  / 
der  inneren  Strahlung,  so  erhält  derselbe  durch  den  Strah- 
lungsau stausch  mit  demjenigen  Theile  des  ersten  Körpers, 
welcher  auf  der  anderen  Seite  der  durch  seine  zweite  Grund- 
fläche w  gelegten,  der  Berührungsfläche  parallelen  Ebene 
liegt,  einen  Wärmezuwachs  Wwy  wo  W  die  durch  w  gehende 
Wärmefluth,  also:  W  —  —  kdu 

dx 

ist;  durch  den  Strahlungsaustausch  mit  dem  zweiten  Körper 
erfahrt  er  einen  Wärmeverlust  gleich  der  durch  w  gehenden 
Wärmen* uth  ff>,  wo: 

gesetzt  werden  kann,  wobei  g  „vom  Stoff  der  zwei  Körper 
abhängt  und  möglicherweise  auch  eine  symmetrische  Function 
von  u  und  u  ist".  Der  ganze  Wärmezuwachs  des  Cylinders 
ist  also,  wenn  C  und  S  die  specifische  Wärme  und  Dichtig- 
keit bezeichnen: 

ff-  ^=-A^-?(«-«')  =  £.CS^  =  0. 

Den  Ausdruck  tV0  =  q(u  —  u)  gibt  Poisson  ohne  Be- 
gründung; offenbar  hat  er  denselben  analog  dem  entsprechen- 
den für  die  Berührungsfläche  eines  festen  oder  flüssigen 
Körpers  mit  Luft  geltenden  Ausdruck  gebildet,  den  er 
—  p(u —  £)  setzt1),  wobei  er  hinzufügt:  „£  est  une  tempera- 
ture,  qui  sera  la  valeur  de  u  pour  laquelle  le  flux  de  chaleur 
serait  nul;  sans  la  definir  autrement,  nous  l'appellerons  en 
general  la  temperature  exterieureu.  Eine  klare  Bedeutung 
hat  aber  diese  „äussere  Temperatur"  £  nur  in  dem  Falle, 
wo  die  den  Körper  umgebende  Luftschicht  von  einer  auf 
der  constanten  Temperatur  £  erhaltenen  Hülle  umschlossen 
ist;  dann  kann  man  bekanntlich  sowohl  den  Wärmeverlust 
durch  den  Strahlungsaustausch  mit  der  Hülle,  als  auch  den 
durch  Leitung  in  der  Luft  in  erster  Annäherung  proportional 
mit  m  —  S  setzen,  mag  man  nun  den  ersteren  nach  dem  Du- 
long-Petit'schen  Strahlungsgesetz  oder  nach  einem  anderen, 
z.  B.  dem  von  Stefan2)  aufgestellten,  bestimmen.  Bei  der 
Erkaltung  eines  Körpers  im  freien  Luftraum  erhält  man 

1)  1.  c.  p.  123.      2)  Stefan,  Wien.  Ber..  79.  p.  391.  1879. 


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298  H.  Lorberg. 

für  JV0  einen  Ausdruck  von  der  Form  p  (u  —  £)  unter  der 
Voraussetzung,  dass  die  Temperatur  in  einer  sehr  dünnen 
Luftschicht  von  der  des  erkaltenden  Körpers  u  bis  zu  der 
des  freien  Luftraumes  £  continuirlich  abnimmt.  Berechnet 
man  dagegen  die  oben  mit  fV0  bezeichnete  Grösse  nach  den 
Poisson'schen  Principien  für  zwei  sich  berührende,  stark  ab- 
sorbirende,  d.  h.  feste  oder  flüssige  Körper,  so  findet  man 
einen  ganz  anderen  Ausdruck.  Bezeichnen  wir  nämlich  die 
Entfernung  zweier  Molecüle  m,  m  der  zwei  Körper  mit  r, 
ihre  Volumina  mit  dv  und  dv,  die  Temperaturen  der  zwei 
Molecüle  mit  u  und  u\  denjenigen  Bruchtheil  der  von  m 
ausgestrahlten  Wärme,  welcher  das  Molecül  m  erreicht,  mit 
/?,  die  Dichtigkeiten  und  AbsorptionscoSfficienten  der  zwei 
Körper,  welche  wir  in  erster  Annäherung  als  innerhalb  des 
Körpers  constant  werden  annehmen  dürfen,  mit  p,  q  und 
q',  g\  die  von  der  Beschaffenheit  der  Körper  unabhängige 
Temperaturfunction,  welche  das  Verhältniss  des  Emissions- 
vermögens zum  Absorptionsvermögen  angibt,  mit  F(u)y  so  ist 
nach  Poisson  der  Wärmeverlust  von  m  durch  den  Strah- 
lungsaustausch mit  m: 

Es  sei  nun  m  ein  Molecül  des  oben  betrachteten  Cylin- 
ders,  m  irgend  ein  Molecül  des  zweiten  Körpers,  g  und  g 
ihre  Entfernungen  von  der  Berührungsfläche,  77'  die  Ent- 
fernung des  Molecüls  m  von  der  x-Axe,  &  der  Winkel 
zwischen  r  und  der  a?-Ae,  1  / cos  fr  =  p ;  dann  ist  dv  =  wd£, 

TT  =  7?  '/  4<  d£  =  2«  «  +  «1^  du  dl  =  2n*£  rf|' . 

r" 

p  =  e~~  ^fit+f'i'tlj 

l        00  v 

also:    WQ  =  iQqg'q'f  rfg J**£ Jr-^fl+^«(Ä- JV)  rf|', 

mithin,  da  nach  der  Definition  der  Grenzen  /  und  /'  der 
inneren  Strahlung:    e~wl  =  g-f'«'*'  =  0  zu  setzen  ist: 

OD  l  (' 


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H.  Lorberg.  299 

Bezeichnen  wir  nun  die  Werthe  von  u  und  u'  an  der 
Berührungsfläche  mit  w0  und  w0'  und  entwickeln  u  —  u0  und 
u  —  u0  nach  Potenzen  von  £  und  f: 


X 


i  T1 
so  wird:  /"(«)  =         +  .X  F'J^1  („  _  „j  =  ^.g  +  „2«.|n, 


1 


i  i 
i  i 

also:     oq Je-*iMtF(n)</£=  ^  Fm0)+  oq  "«/'"^^Sr 


O  *  0 

oder  da:  f«-«|VS-         -«-«.^  0  B*         =  f", 

o  0 

3, 


1  1  1 


also  schliesslich: 

(a)  ^=i(^-^„'))+i»2""2((;;r  ,/;>). 

wo  (s)ei  — F»(«0)(^)o,  o1'-J?'«)cl'-F'K')(£')<. 

o^jr.  {ao)C2+}^(„0)Cl'  =  j/-'  («,,)  (^)o+iF2(„o)^)o2u.8.  w. 

Nehmen  wir  den  zweiten  Körper  als  aus  demselben 
Stoffe  wie  den  ersten  bestehend  an,  so  muss  der  vorstehende 
Ausdruck  in  den  der  Wärmefiuth  W  im  Inneren  des  Körpers 
übergehen;  in  diesem  Falle  wird  a2n  =  ain,  a2n  +  i  = 
~  a2n  +  i,  also: 

oder  mit  Vernachlässigung  der  dritten  und  höheren  Potenzen 
der  sehr  kleinen  Grösse  l/gq: 

(b)  woA=3^F'(«), 


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300  //.  Lorberg. 

was  mit  dem  von  Poisson1)  berechneten  Werth  überein- 
stimmt Bezeichnen  wir  bei  zwei  verschiedenartigen  Körpern 
die  den  Temperaturen  w0  und  u0'  entsprechenden  Werthe 
von  k  und  k'  mit  ä0  und  k0'  und  setzen  |  (Fu0  —  Fu0')  =  a, 
so  können  wir  mit  Vernachlässigung  der  höheren  Potenzen 
die  Gl.  (a)  schreiben: 

(c)  r. —!*.(£). -JV(£l  +  «. 

Danach  ist  der  Wärmezuwachs  des  oben  betrachteten 
Cylinders  und  eines  gleichlangen  entsprechenden  Cylinders 
im  zweiten  Körper: 

Sind  die  zwei  Körper  von  demselben  Stoff,  so  müssen 
diese  Gleichungen  in  die  der  Wärmebewegung  im  Inneren 
eines  Körpers  übergehen;  in  der  That  ist  in  diesem  Falle 
a  =  0.  und  beide  Gleichungen  fallen  zusammen  in  die  Glei- 
chung. ejL(k—\  —  e 

dx  \   dx  J        '  dt 

Sind  dagegen  die  zwei  Körper  verschieden,  so  gibt  die 
Addition  der  Gleichungen  (d),  indem  man  die  mit  der  un- 
endlich kleinen  Grösse  e  multiplicirten  Glieder  weglässt: 

(2)  -Ä£+*'^  =  °> 

wodurch  nach  der  ersten  der  Gleichungen  (d)  a  von  der 
Ordnung  e  wird;  diese  Gleichung  reducirt  sich  mithin  auf 
a  =  0,  d.  h.: 

(2J  u0  =  < . 

Die  Gleichungen  (2)  und  (2a)  sind  mithin  an  die 
Stelle  der  Poisson'schen  Gleichungen  (1)  zu  setzen. 

§  2.    Allgemeine  Lösung  des  Problems  der  Temperaturbewe- 
gung für  ein  System  von  Cylindern. 

Wir  denken  uns  eine  beliebige  Anzahl  n  von  Cylindern 
von  gleichem  Radius  und  verschiedenem  Stoff  mit  ihren 

l)  L  c.  p.  102. 


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(1) 


H.  Lorberg.  301 

Grundflächen  aufeinander  gesetzt;  das  ganze  System  habe 
eine  in  allen  Punkten  gleiche  Anfangstemperatur  u0  und 
werde  in  einem  bestimmten  Moment  in  einen  Luftraum  ver- 
setzt, der  mit  einer  auf  einer  constanten  Temperatur,  welche 
wir  mit  0  bezeichnen,  erhaltenen  Hülle  umgeben  ist,  während 
die  untere  Grundfläche  des  untersten  Cylinders  auf  der  con- 
stanten  Temperatur  0  erhalten  wird.  Für  irgend  einen 
dieser  Cylinder,  den  iten  von  unten  an,  sei  k{  die  (als  von 
der  Temperatur  unabhängig  betrachtete)  Leitungsfähigkeit, 
Q  und  Si  die  spec.  Wärme  und  Dichtigkeit,  hi  das  äussere 
Leitungsvermögen  der  Seitenfläche  gegen  Luft,  £.  die  Dicke,. 
u{  die  Temperatur  zur  Zeit  /  in  einem  Abstände  r  von 
der  gemeinschaftlichen  Axe  und  einem  Abstände  §.x.  von 
der  unteren  Grundfläche  des  betreffenden  Cylinders;  für  den 
obersten  Cylinder  sei  h  das  äussere  Leitungsvermögen,  wel- 
ches von  dem  der  Seitenfläche  verschieden  sein  kann.  Wir 
setzen  ferner  für  i  =  1,2, ...n: 


d*u        d*u       1  du  a 

Dann  sind,  mit  Berücksichtigung  der  Erörterungen  des  §  1, 
die  Grundgleichungen: 

(I)    ^  -  fliM«i,  (II)       +  ßiUi  =  0  für  r  =  Qt 


(III)  Ui  =  ui+U    Si^  =  <*£+1  für.ri=l,  .rl+1  =  0(i=l,2,...n-l). 


(IV)    Wl  =  0  für  r,  =0,        (IV.)    ~n  +  At/n  =  0  für 

ft 


(V)  Ui  =  u0  fur  '  = 

Wir  bezeichnen  mit  J(z)  die  von  Lommel  mit  J°(z) 
bezeichnete  Bessel'sche  Function  erster  Art  und  Oter  Ord- 

o 

d.  h.  das  für  z  =  0  endlich  bleibende  particuläre  Integral  der 
Differentialgleichung : 


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302  H.  Lorberg. 

dz-       z  dz 

und  mit  J\z)  =  —  dJ/dz  die  entsprechende  Bessel'sche  Func- 
tion erster  Ordnung;  ferner  mit  pu  eine  der  unendlich  vielen 
Wurzeln  der  Gleichung: 

(2)  PixJJPir)_  =   ß  und  setzen. 


fUv  Jf«       tf*  d 

sin  arj 

(4)  qp,,  =  #fr  £-+  C-t  cos  [qi% iTj). 

Vit 

Dann  werden  die  Gl.  (I)  und  (II)  erfüllt  durch  den  Ausdruck: 

(A)      s-^z-z^  '2^}-9v 

wo  sich  die  Summation  nach  r  auf  sämmtliche  Wurzeln  der 
Gl.  (2),  die  Summation  nach  a  und  s  auf  sämmtliche  Wurzeln 
einer  gewissen  Gleichung  für  n29$  bezieht.  {i]t  und  Agt  sind 
von  i  und  r  unabhängig;  qit,  Bix,  Cix  sind,  wie  sich  weiter 
unten  ergeben  wird,  zugleich  von  a  und  s  abhängig  und 
sollten  daher  eigentlich  mit  qa.*  bezeichnet  werden,  ich  lasse 
aber  zur  Vereinfachung  die  oberen  Indices  fort.  Die  Glei- 
chungen (III)  gehen  über  in: 


(a) 


^(Pit-)/      8in?.  \  ^(fi+i.,--) 

Nun  ergibt  sich  aus  bekannten  Eigenschaften  der  Bessel- 
schen  Functionen  leicht  folgender  Satz:  „Soll  für  alle  Werthe 
von  r  zwischen  0  und  q: 

4.7) 

sein,  wo  das  Summenzeichen  sich  auf  sämmtliche  Wurzeln 
pt  der  Gl.  (2)  bezieht,  so  muss: 


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(6) 


H.  Lorberg.  303 
sein."    Schreiben  wir  also  die  Gleichungen  (a)  in  der  Form: 

_  4..-r)  _  4.+,,-) 

und  setzen: 

(5)   a^  2=^«i       ßi  —  ßi+l  888  «Ii 

l  +    v  ■ 

so  folgt  aus  (b)  mittelst  bekannter  Eigenschaften  der  BesseP- 
schen  Functionen: 

Dadurch  gehen  die  Gleichungen  (a)  über  in: 

i?i+i.I=2()  €i  di  Xi+lft  SS  -~  ~~  -  (Bir  cos^ir.-  Gm  qix.  siny,v), 

2\  i         sin  Q-  i  \ 

Schliesslich  gehen  die  Gl.  (IV)  über  in: 

(6a)  ClT  =  0, 

.  8in?„z 
C08?nT  +  A     -■  - 

(6b)       Cnt=HnxBHX,    wo  //nT  = 


Aus  den  Gl.  (6)  lassen  sich  unter  Berücksichtigung  von  (6a) 
Bix  und  Cix  linear  durch  2?lx.  ausdrücken,  in  der  Form: 

(7)  Bix  =  ^2 P;z  0lt.,       Cix  =  «2  Bu 
wodurch  die  Gl.  (6b)  übergeht  in: 

(8)  r^(Hnx  rxnx.  -  QJ,)A,«0. 

Ist  J  die  Determinante  dieses  Systems  linearer  Glei- 
chungen, in  denen  für  r  und  x  alle  den  Wurzeln  />ir  ent- 
sprechenden Zahlen  0,  l,...oo  zu  setzen  sind,  so  folgt  aus 

(8)  die  Gleichung: 

(9)  A  =  0, 


« 


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304 


H.  Lorberg. 


welche,  wenn  man  darin  alle  den  verschiedenen  Werthen  von 
i  und  r  entsprechenden  Constanten  qit  nach  (3)  durch 
ausdrückt,  in  eine  transcendente  Gleichung  für  übergeht, 
auf  deren  Wurzeln  sich  die  Summation  nach  a  und  s  in  der 
GL  (A)  bezieht;  durch  diese  Wurzeln  sind  dann  nach  (3) 
sämintliche  Grössen:  \ 


bestimmt.  Wenn  wir  ferner  einem  der  CoSflicienten  B\x- 
einen  willkürlichen  Werth  geben,  z.  B.  B\a  =  1  setzen,  was 
wegen  des  in  dem  Ausdruck  (A)  vorkommenden  Factors  Aot 
gestattet  ist,  so  ergeben  sich  aus  den  Gleichungen  (8)  alle 
übrigen,  einer  bestimmten  Wurzel  w|t  entsprechenden  Coef- 
ficienten  B\ZJ  und  endlich  aus  den  Gleichungen  (7)  sämmt- 
liche  dieser  Wurzel  entsprechende  Coefficienten  l?lt,  CJt. 

Schliesslich  sind  noch  die  Coefficienten  Aat  der  Glei- 
chung (A)  mittelst  der  Anfangsbedingung  u{  =  u0  für  t  =  0,  d.  h.: 

a2  '2      j^I       oder  kürzer:  ff2 a2 j4"yl<"==:1 

zu  bestimmen;  dies  geschieht  mittelst  eines  bekannten,  sich 
mit  Leichtigkeit  aus  dem  Green'schen  Theorem  ergebenden 
Satzes  von  Poisson,  nach  welchem  die  Summe  der  über  je 
einen  der  Körper  (dessen  Volumenelement  dv^  sei)  ausgedehn- 
ten Integrale: 


ist,  wenn  6,  s  und  </,  s  sich  auf  zwei  verschiedene  der 
möglichen  Werthe  von  fj£9  beziehen.  Soll  nämlich  für 
t  =  0: 


n 


1 


5-2-2^ 


sein,  so  folgt  aus  (c): 


also: 


(10) 


ff*  — 


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H.  Lorberg.  305 

n  n 

wo:      Zat  m  «2  £,  f  -  «2  6  f  (M")2  1 

i  i  ^ 

mithin  in  unserem  Falle,  wo  dv{  =»  2nr  dr .          /<  =  1  ist, 

1  0  0 

1                               0  0 


Nun  ist :    JV  (p, ,  J)  rrfr  =  £  J*     ,)  =  ^  /(p, ,) , 

0 


(d)  fj\r»$j(p^)rdr-o, 

0 

wenn  r  und  x  verschieden  sind, 

9 

f[J(p<*l)Jrdr=  2i7tJ(P>W>  mithiD: 

0 


(11) 


0 

i  r2sinH?n 


1  0 
n 

2 


1 


Ann.  d.  Phji.  u.  Chem.  N.  F.  XIV.  20 


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306 


H.  Lorberg. 


Aus  der  Gl.  (c)  folgt  noch  in  bekannter  Weise,  dass 
sämmtliche  Wurzeln  pl,  der  Gl.  (9),  mithin  zufolge  der  Gl.  (3) 
auch  sämmtliche  Constanten  q\x  reell  sind.  Es  sind  mithin, 
auch  wenn  die  qU  negativ  sind,  die  Coefficienten  der  Unbe- 
kannten B  und  C  in  den  Gl.  (6),  also  auch  diese  Grössen 
selbst,  folglich  auch  die  Functionen  yix  der  Gl.  (A)  reell. 

Somit  ist  das  Problem  auf  die  Auflösung  der  trans- 
cendenten  Gl.  (9)  und  des  linearen  Gleichungssystems  (8) 
zurückgeführt.  Die  in  der  Natur  vorkommenden  Werthe 
der  Grössen  h/k  =  ß  sind  sehr  klein;  so  ist  z.  B.,  cm  und 
Minute  als  Einheiten  genommen ,  für  Kupfer  k  =  50 l) ,  h  = 
0,006 2),  also  £  =  0,00012;  für  Eisen  £  =  0,000943 3) ;  daher 
lässt  sich  diese  Auflösung  ohne  Schwierigkeit  mit  jedem  ge- 
wünschten Grade  der  Näherung  bewerkstelligen.  Ich  will  die 
Eechnung  im  folgenden  §  mit  Vernachlässigung  der  zweiten 
und  höheren  Potenzen  der  ß  durchführen.  Ueber  A  =  £  ß 
mache  ich  vorläufig  keine  Annahme,  da  dasselbe  je  nach  der 
Grösse  von  £n  alle  möglichen  Werthe  von  0  bis  oo  haben 
kann. 

Ich  schliesse  hieran  einige  Bemerkungen  über  die  Wur- 
zeln der  Gl.  (2).  Dass  dieselben  sämmtlich  reell  sind,,  folgt 
aus  der  Gl.  (d);  dass  sie  paarweise  gleich  und  von  entgegen- 
gesetztem Zeichen  sind,  folgt  unmittelbar  aus  der  Form  der 
Gleichung;  in  (A)  sind  nur  die  positiven  Wurzeln  zu  nehmen. 
Bezeichnet  man  mit  za  eine  der  unendlich  vielen  positiven 
Wurzeln  der  Gl.  J{z)  =  0,  welche  bekanntlich  ebenfalls  sämmt- 
lich reell  und  paarweise  gleich  und  von  entgegengetzteni 
Zeichen  sind,  und  zerlegt  die  Function  zJ1(z)/J(z)  in  Partial- 
brüche: 

0 

so  sieht  man  sofort,  dass  diese  Function  beständig  wachsend 
zwischen  z  —  0  und  z  —  z0  —  0  von  0  zu  +  oo ,  zwischen  zs 
4-0  und  za  +  i—  0  von  —  oo  zu  +oo  übergeht,  also  in  jedem 

1)  H.  F.  Weber,  Berl.  Ber.  1880. 

2)  H.  F.  Weber,  Wied.  Ann.  10.  p.  129.  1880. 

3)  Kirchhoff  u.  Hansemann,  Wied.  Ann.  9.  p.  15.  1880. 


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H.  Lorberg. 


307 


dieser  Intervalle  ein-  und  nur  einmal  =  oß  wird;  die  Gl.  (2) 
hat  also  unendlich  viele  reelle  Wurzeln ,  von  denen  die  kleinste 
p0  zwischen  0  und  zw  von  den  übrigen  je  eine  pt  zwischen  z, 
und  z,+  i  liegt,  und  zwar  hinter  der  in  diesem  Intervall  liegen- 
den Wurzel  n,  der  Gl.  J\z)  =  Q.  Um  p,  in  eine  nach  Potenzen 
von  gß—c  fortschreitende  Reihe  zu  entwickeln,  setzen  wir: 

V\  —  z  —  n]  +  ^i c  +  <*2 c2  +  ^3 cS  + 
Nun  ist  bekanntlich,  wenn  wir  die  BesseFsche  Function  wter 
Ordnung  mit  Jn(z)  bezeichnen: 

dnj{yz)       (_1}n  d»(VzJHVz))  n_!  - 

=vvzrJ  (v  z)>  -  Ts  1  (2y^J 

wodurch  die  Gl.  (2)  oder  V~z  J1  (]/*)  —  cJfl/i)  übergeht  in: 


1  »  8 

Ä*Z  jr;- (^+dic+--) — —  oder 


0 


(e)      .|(.l^^[i^Ä  +  4t+..JP+« 

-(()1+^c+...)n]=0, 

woraus  sich  durch  Gleichsetzung  der  Coefficienten  gleich- 
hoher Potenzen  von  c  die  ö  berechnen  lassen.  Man  erhält 
auf  diesem  Wege: 

d1=2,  *,  =  <),  «5,=  -  JL,  d4  =  ^etc. 


Für  die  kleinste  Wurzel  p0  gelten  diese  Werthe  nicht,  da 
n0  =  0  ist;  man  hat  für  diesen  Fall  in  (e): 

zu  setzen,  wodurch  sich  ergibt: 

*i«2,   <)2=-J,    ^-»4,    ^«-jfc  etc. 
Es  ist  also: 

j  p.»  =  2e/5  -  J  (pfl»  +  4(pAT  -  ili  toÄ*  +  -  ■ 
(12)      |  P>  «.*  +  2      -  ~i  (c/?)3  +  £  (e/*)1  +  •  - 

20* 


308 


F.  Auerbach, 


Die  ersten  Werthe  der  n.  sind: 

^=3,8316,    tt2=  7,0156,    jt3=  10,1,    rc4  =  13,3,    tt6  =  16,4, 

rc6  =  19,6,    ;t7  =  22,7, 

und  —  9T„  nähert  sich  mit  wachsendem  s  abnehmend  un- 
begrenzt dem  Werthe  n.  Da  hiernach  die  Coefficienten  der 
Potenzen  von  gß  in  (12)  eine  rasch  abnehmende  Reihe  bil- 
den, so  kann  man  wegen  der  Kleinheit  von  ß  bei  nicht 
übermässig  grossem  Werthe  von  o  die  Ausdrücke  (12)  auf 
die  ersten  Glieder  beschränken. 


Ueber  die  magnetische  Nachwirkung; 
von  Felix  Auerbach. 


1.  Unter  den  Hypothesen,  welche  der  Poisson'schen,  und 
ebenso  jeder  anderen,  bisher  streng  durchgeführten  Theorie 
des  Magnetismus  zu  Grunde  liegen,  befindet  sich  auch  diese, 
dass  der  magnetische  Zustand,  in  welchem  ein  Körper  zu 
irgend  einer  Zeit  sich  befindet,  nur  abhängig  sei  von  den 
zu  dieser  Zeit  auf  ihn  wirkenden  Kräften.  Diese  Hypo- 
these ist  in  keinem  Falle  streng,  in  vielen  Fällen  aber  auch 
nicht  näherungsweise  erfüllt,  und  als  die  Ursache  hiervon 
lässt  sich  eine,  wie  es  scheint,  in  der  Natur  sehr  verbreitete 
Erscheinung,  die  Nachwirkung,  betrachten. 

2.  Unter  Nachwirkung  kann  man  zweierlei  Erscheinungen 
verstehen;  erstens  solche,  welche  darin  bestehen,  dass  der  Zu- 
stand einesKörpers  während  der  Wirkung  einer  con- 
stanten  Kraft  oder  nach  deren  Auf  hör  en  sich  ändert; 
und  zweitens  solche,  wonach  die  von  einer  Kraft  in  einem 
Körper  erzeugte  Wirkung  zwar  constant,  ihrem 
Betrage  nach  aber  nicht  nur  von  der  Grösse  der 
Kraft,  sondern  auch  von  den  vorher  wirksam  ge- 
wesenen Kräften,  resp.  von  den  durch  diese  her  vor  ge- 


(Fortsctzung  im  nächsten  Heft.) 


VIII.   Magnetische  Untersuchungen. 

Zweite  Abhandlung: 


V 


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F.  Auerbach. 


309 


rufenen,  vorhergegangenen  Zuständen  des  Körpers 
abhängig  ist.  Im  Gebiete  der  Elasticität  sind  beide 
Klassen  von  Nachwirkungserscheinungen  seit  längerer  Zeit 
bekannt;  der  Name  der  „magnetischen  Nachwirkung" 
findet  sich  zuerst  bei  F.  Kohlrausch,  bei  Gelegenheit 
elastischer  Untersuchungen1);  der  Erste  aber,  welcher  diese 
Erscheinungen  als  solche  ins  Auge  fasste,  war  Fromme2), 
und  zwar  handelt  es  sich  hier  um  die  Nachwirkung  zweiter 
Art;  für  diejenige  erster  Art  habe  ich3),  ohne  jene  Bezeich- 
nungen von  Kohl  rausch  und  Fromme  zu  kennen,  mich 
desselben  Ausdrucks  bedient.  Zur  zweiten  Art  magnetischer 
Nachwirkung  gehören  übrigens  auch  zwei  längst  bekannte, 
nur  nicht  als  solche  erkannte  Erscheinungen,  nämlich  erstens 
ein  gewisser  Kreisprocess,  welcher  sicherlich  vielen  Beob- 
achtern im  Gebiete  der  magnetischen  Erscheinungen  aufge- 
lallen  ist,  auf  welchen  z.  B.  O.  E.  Meyer- und  ich4)  bei  Ge- 
legenheit einer  Untersuchung  der  Gramme'schen  Maschine 
hingewiesen  haben,  welcher  aber  erst  von  Warburg5)  ein- 
gehend studirt  worden  ist.  Von  diesem  Kreisprocess  wird 
hier  noch  die  Rede  sein.  Der  andere  oben  gedachte  Fall 
ist  die  Erscheinung  des  permanenten  Magnetismus,  dessen 
Natur  als  Nachwirkungsphänomen  sich  im  Laufe  der  folgen- 
den Betrachtungen  deutlich  herausstellen  wird. 

3.  In  der  vorliegenden  Abhandlung  ist  ausschliesslich 
von  der  Nachwirkung  zweiter  Art  die  Rede.  Die  allge- 
meinste, hier  zu  beantwortende  Frage  lautet:  Wie  hängt 
der  von  einer  äusseren  Kraft  t  erzeugte  oder,  reser- 
virter  ausgedrückt,  der  ihr  entsprechende  Magne- 
tismus m8)  von  den  vorhergegangenen  Kräften  JY... 
JP...JZ1  resp.  von  den  ihnen  entsprechenden  vorher- 
gegangenen Zuständen  M1...MP...M%  ab?  Diese  Frage 


1)  F.  Kohlrausch,  Pogg.  Ann.  128.  p.  4.  1866. 

2)  Fromme,  Wied.  Ann.  4.  p.  88.  1878. 

3)  Auerbach,  Wied.  Ann.  5.  p.  489.  1878. 

4)  0.  E.  Meyer  u.  Auerbach,  Wied.  Ann.  8.  p.  498.  1879. 

5)  War  bürg,  Ber.  d.  Nat.  Ges.  zu  Freiburg  i/Br.  8.  p.  1.  1881. 

6)  Unter  Magnetismus  schlechthin  ist  hier  stets  der  ganze  Magne- 
tismus verstanden. 


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310 


F.  Auerbach 


habe  ich,  so  viel  ich  weiss,  zum  ersten  mal  systematisch 
zu  beantworten  gesucht.  Da  sie  complicirter  ist,  als  sie  auf 
den  ersten  Blick  zu  sein  scheint,  so  habe  ich  zunächst  das 
in  erster  Linie  Wesentliche  ins  Auge  gefasst;  aus  demselben 
Grunde  betrachte  ich  zunächst  nur  das  Qualitative  der  Er- 
scheinungen und  hebe  die  Messungen  und  Tabellen  bis  für 
später  auf. 

Die  Versuchsanordnung  war  der  bei  meiner  ersten  mag- 
netischen Untersuchung1)  benutzten  gleich.  Der  meist  be- 
nutzte weiche  Eisenkörper  war  ein  Hohlcy linder  von  148,1  mm 
Länge  und  17,8  mm  Dicke;  die  Dicke  des  Mantels  betrug 
1,6  mm,  diejenige  jeder  der  beiden  Endplatten  1,5  mm. 
Magnetisirende  Kraft  und  Magnetismus  sind  im  Folgenden 
in  willkürlicher  Einheit  (Scalentheilen)  angegeben.  Der  Eisen- 
stab blieb  während  jener  Versuchsreihe  in  der  Spirale  und 
wurde  vor  Erschütterungen  möglichst  geschützt. 

4.  Zunächst  wurde  der  Kraft  i  nur  eine  einzige  Kraft 
J  vorausgeschickt.  Erhielt  dieselbe  verschiedene  positive 
Werthe,  so  zeigte  sich,  dass  m  constant  war  für  alle  «/<*, 
dagegen  variabel  für  alle  J  >  i,  und  zwar  nahm  m  mit  J  in 
diesem  Falle  zu.  Der  constante  Werth  von  m  für  0  <  J  <  i 
möge  vorläufig  der  Normal  wer  th,  die  Abweichung  von  ihm 
die  Nachwirkung  genannt  werden.  Hieraus  könnte  man  ge- 
neigt sein,  zu  schliessen,  dass  nur  grössere  Kräfte  auf  kleinere 
Nachwirkung  ausüben,  nicht  aber  umgekehrt.  Dass  dieser 
Schluss  nicht  allgemein  richtig  ist,  findet  man  schon,  wenn 
man  nun  dem  J  verschiedene  negative  Werthe  gibt;  es  ist 
dann  m  kleiner,  als  wenn  J  positiv  und  kleiner  als  i  ist, 
und  zwar  desto  kleiner,  je  kleiner  (im  algebraischen  Sinne, 
nicht  absolut,  wie  stets  im  Folgenden)  J  ist.  Dass  aber  auch 
die  in  dem  Gebiete  zwischen  0  und  t  liegenden  J  Nach- 
wirkung ausüben  können,  und  dass  dieselbe  hier  nur  nicht 
zur  Geltung  gelangt,  lehrt  das  Folgende. 

5.  Man  schicke  jetzt  nämlich  der  Kraft  i  zwei  Kräfte 
Jx  Jt  voran.  Der  Werth,  welchen  m  haben  würde,  wenn 
nur  iT,  voranginge,  sei  mx ;  die  entsprechende  Bedeutung  habe 


1)  Auerbach,  Wied.  Ann.  11.  p.  353.  1880. 


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F.  Auerbach 


mr   Dann  findet  man  Folgendes:  Beim  Vorangehen  beider 
Kräfte  erhält  m  den  Werth  mx,  wenn  J2  zwischen  Jx  und  i 
liegt,  dagegen  den  Werth  m2,  wenn  dies  nicht  der  Fall  ist, 
wenn  also  Jx  entweder  jenseits  Jx  oder  jenseits  i  liegt.  Im 
ersten  Falle  will  ich  sagen:  Jlt  im  zweiten  J2  sei  für  die 
Nachwirkung  massgebend.    Es  folgt  hieraus,  dass  J2, 
welches  dem  i  unmittelbar  vorgeht,  nicht  immer  auf  dasselbe 
Nachwirkung  ausübt,  selbst  dann  nicht  immer,  wenn  es 
grösser  als  i  ist.    Dies  zeigt,  weshalb  bei  den  zuerst  ausge- 
führten Versuchen  kleinere  J  keine  Nachwirkung  zeigen.  Da 
nämlich  vor  jedem  J  der  Strom  unterbrochen  wurde,  so  ist 
die  vollständige  Reihe  der  Kräfte  in  diesem  einfachsten 
Falle  0,  J,  it  und  es  üben  J  <  i  deshalb  keine  Nachwirkung 
aus,  weil  sie  zwischen  der  zweitvorhergehenden  Kraft  0  und  i 
liegen.    In  der  That:  in  der  Reihe  0,  Jl9  Jit  i,  wo  Jx  >  i, 
J2  <  i  ist,  kommt  die  Nachwirkung  von  J2  zur  Geltung,  J2 
ist  für  die  Nachwirkung  massgebend,  obgleich  es  kleiner 
als  i  ist. 

6.  Wenn  mehr  als  zwei  Kräfte  J  vorangehen,  z.  B.  deren 
drei,  so  bleibt  noch  ein  durch  den  Versuch  zu  entscheiden- 
der Zweifel  bestehen.  Es  sind  drei  Fälle  möglich.  In  der 
Reihe  0,  J19  J2,  J3,  i  kann  erstens  jedes  der  J  der  Grösse 
nach  zwischen  seinen  zeitlichen  Nachbarn  liegen;  dann  hat 
m  den  Normalwerth  m0.  Zweitens  können  zwar  Jx  und  J2 
zwischen  0  und  i,  J3  aber  ausserhalb  liegen;  dann  ist  J9 
massgebend,  und  es  wird  m  =»  m3.  Dasselbe  gilt  überhaupt 
immer  dann,  wenn  J2  und  J3  auf  verschiedenen  Seiten  von 
i  liegen.  Liegt  J3  zwischen  J2  und  i,  aber  nicht  J2  zwischen 
Jx  und  t,  so  erhält  man  m21  und  in  dem  für  Jx  entsprechen- 
den Falle  mr  Das  alles  lässt  sich  von  vornherein  angeben  und 
wird  durch  den  Versuch  bestätigt.  Es  kann  aber  auch  der 
dritte  Fall  vorkommen,  dass  Jx  nicht  zwischen  0  und  i9  J% 
zwischen  Jx  und  i,  aber  wiederum  nicht  J9  zwischen  J2  und 
i  liegt,  dass  also  entweder: 

0<J1>J2<J.i>  i(J2  >  i),oderO  >  JX<J2>J3<  i{J2<i) 

ist;  und  in  diesem  Falle  muss  der  Versuch  entscheiden,  ob 
Jx  oder  J3  für  die  Nachwirkung  massgebend  ist.  Er  lehrt, 


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312 


F.  Auerbach, 


dass  «Tg  nur  dann  massgebend  ist,  wenn  es  nicht  nur  ausser* 
halb  des  Intervalls  J2  bis  i,  sondern  auch  ausserhalb  des 
Intervalls  Jx  bis  i  liegt.1) 

7.  Hiermit  sind  alle  möglichen  Fälle,  nicht  nur  für 
drei,  sondern  auch  für  beliebig  viele  vorangehende  Kräfte 
erledigt,  und  man  erhält  das  folgende  Gesetz,  welches  ich, 
um  mich  bequem  darauf  beziehen  zu  können,  das  Grundge- 
setz der  magnetischen  Nachwirkung  nenne: 

Wenn  der  Kraft  t,  welche,  unmittelbar  auf  die 
Kraft  0  folgend,  den  Magnetismus  mQ  erzeugen 
würde,  eine  Reihe  von  Kräften  Jx,,.J9m,,JB  voran- 
geht, so  entspricht  ihr  ein  anderer  Magnetismus 
tw,  welcher  sich  von  mQ  um  die  Nachwirkung  Ö 
unterscheidet.  Für  diese  Nachwirkung  ist  die  erste 
der  vorangehenden  Kräfte  Jx  so  lange  massgebend, 
als  alle  folgenden  J  der  Grösse  nach  zwischen  ihr 
und  i  liegen,  und  dasselbe  gilt  von  jeder  folgenden 
Kraft  Jy  falls  sie  nicht  selbst  in  dem  bezeichneten 
Intervalle  liegt. 

Der  zweite  Theil  dieses  Satzes  ist  so  gefasst,  als  ob  die 
Versuchsreihe  eben  erst  in  der  Ausführung  begriffen  wäre. 
Statt  dessen  kann  man  diesem  zweiten  Theil  auch  folgenden, 
dem  vollendeten  Versuche  besser  entsprechenden  Ausdruck 
geben:  Unter  den  vorangehenden  Kräften  ist  für  die 
Nachwirkung  massgebend  die  erste  derjenigen 
Kräfte,  auf  welche  nur  noch  der  Grösse  nach 
zwischen  ihr  und  der  Kraft  i  liegende  Kräfte  folgen. 

8.  Enthielte  dieser  Satz  die  genaue  und  vollständige 
Beschreibung  der  magnetischen  Nachwirkung,  so  würde  es 
keine  Schwierigkeit  haben,'  dieselbe  nunmehr  auch  messen- 
den Versuchen  zu  unterwerfen.  Aber  keines  von  beiden  ist 
der  Fall.  Die  erste  und  wesentlichste  Abweichung  vom 
Grundgesetze  ist  folgende.  Es  ist  zwar  stets  die  durch  das- 
selbe bestimmte  unter  den  vorangehenden  Kräften  für  die 
Nachwirkung  massgebend,  aber  nicht  immer  sind  die 

1)  Die  obige,  etwas  complicirte  Ausdrucksweise  vereinfacht  sich, 
wenn  man  blos  positive  Werthe  in  Betracht  zieht. 


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F.  Auerbach. 


313 


übrigen  ganz  ohne  Einfluss,  und  zuweilen  erreicht  dieser 
Einflu8s  eine  beträchtliche  Grösse.  Es  hat  dann  bei  Aus- 
übung der  Kräfte  0,  Jx . . .  i  der  Magnetismus  m  keinen  der  Werthe 
to0,  m1...,  sondern  den  Werth  w*,  welcher  einem  dieser 
Werthe  mk  nur  mehr  oder  weniger  nahe  kommt.  Das  zeigt 
sich  z.  B.,  wenn  man  für  ein  gegebenes  t  den  Magnetismus 
to  als  Function  des  vorangehenden  J  ermitteln  soll.  Es 
werde  i  als  positiv  vorausgesetzt  und  mit  dem  grössten 
Werthe  von  «/,  welcher  überhaupt  zur  Anwendung  gelangen 
soll,  etwa  Jl01  begonnen.  Das  hat  keine  Schwierigkeit;  man 
findet  m10.  Lässt  man  nun  die  Kräfte  J9,  i  wirken,  sodass 
die  vollständige  Reihe  derselben  JJ0  i  J9  i  ist,  so  entsteht 
die  Frage:  liefert  diese  Reihe  m10  oder  m9?  Das  Grundge- 
setz lässt  hier  unentschieden,  ob  J10  oder  J9  massgebend 
ist;  denn  auf  Jw  folgt  i,  also  eine  gerade  an  der  Grenze 
des  Intervalls  J10  bis  i  gelegene  Kraft,  und  es  ist  zweifel- 
haft, ob  die  Grenzen  einzuschliessen  oder  auszuschliessen 
sind.  Nehmen  wir  für  einen  Augenblick  an,  sie  seien  ein- 
zuschliessen, die  Reihe  J10  i  J9  i  liefert  dann  den  Werth 
w10;  die  Reihe  Jl0  i—e  J9  i  aber  den  Werth  m9,  also  einen 
um  eine  endliche  Grösse  verschiedenen  Werth,  selbst  wenn 
«  unendlich  klein  ist;  es  würde  also  ein  Sprung  in  dem 
Werthe  von  m  stattfinden.  Dasselbe  Resultat  würde  man 
auch  bei  Ausschluss  der  Grenzen  erhalten.  Diese  Be- 
trachtung macht  es  schon  von  vornherein  unwahrscheinlich, 
dass  das  Grundgesetz  streng  gelte.  Die  Erfahrung  bestätigt 
diesen  Schluss;  sie  zeigt,  dass  der  Werth,  welchen  m  in  der 
Reihe  der  Kräfte  Jl0  i  J9  i  erhält,  zwischen  m10  und  7«9 
liegt,  freilich  viel  näher  an  m10,  und  in  diesem  Sinne  kann 
man,  in  erster  Annäherung,  sagen,  dass  im  Grundgesetze  die 
Grenzen  einzuschliessen  sind. 

Jedenfalls  ist  klar,  dass  aus  der  Reihe  J10  i  J9  i  der 
Werth  von  m9  sich  nicht  ableiten  lässt.  Man  muss  vielmehr 
eine  Kraft  J0  <  i  einschieben,  also  die  Reihe  J10  i  J0  Jg  i 
anwenden.  Hier  sieht  man  sich  einer  anderen  Schwierigkeit 
gegenüber,  zwar  ist  nunmehr  J9  für  die  Nachwirkung  mass- 
gebend, aber  J0  ist  nicht  ganz  ohne  Einfluss,  und  für  ver- 
schiedene J0  erhält  man  den  Werth  von  m9  etwas  ver- 


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314  K  Auerbach. 

i 

schieden.    Man  kann  auch  diese  Schwierigkeit,  wenigstens 
nahezu,  beseitigen,  wenn  man,  wie  ich  sagen  will,  den  in 
Bezug  auf  die  Reihe  J9  i  stationären  Zustand  her- 
beiführt; zu  diesem  Zwecke  lässt  man  nach  der  Wirkung 
von  J10  und  i  nur  einmal  JQJ  dann  aber  wiederholt  J9  und  i 
abwechselnd  wirken,  bis  m  einen  constanten  Werth  annimmt; 
es  geschieht  dies,  je  nach  den  Grössenverhältnissen,  schon 
nach  dem  zweiten  oder  erst  nach  viel  häufigerem  Wechsel 
von  J9  und  i.    Der  dann  sich  ergebende  Werth  m9  ist  von 
der  Wahl  von  J0  fast,  wenn  auch  nicht  gänzlich,  unabhängig; 
man  kann  daher  z.  B.  J0  =  0  setzen   und  erhält  so  den 
wahren  Werth  von  rnQ.1)  In  ähnlicher  Weise  bestimmt  sich 
m%  u.  s.  w.    Dagegen  ist  der  Werth  J0  =  0  nicht  mehr 
brauchbar,  sobald  das  J%  dessen  Nachwirkung  zu  bestimmen 
ist,  z.  B.  J51  kleiner  als  i  ist;  denn  da  J5  zwischen  0  und 
i  liegt,  würde  man  m0,  und  nicht  m5  erhalten;  man  muss 
hier  ein  J0  >  i  wählen.  Am  einfachsten  wird  der  letzte  Theil 
der  Bestimmung,  für  welchen  das  nachwirkende  J  <  0  ist; 
hier  ist  überhaupt  keine  zweitvorhergehende  Kraft  nöthig; 
die  Reihe  J_i  i        i  J—$         gibt  vielmehr  schon  ohne 
weiteres,  besser  aber  noch  bei  Herbeiführung  des  stationären 
Zustandes  für  jedes  Werthepaar  die  wahren  Magnetismen 
m_i  m_2  m_s  u.  s.  w. 

9.  Auf  diese  Weise  erhält  man  eine  im  allgemeinen  be- 
friedigende Reihe  von  Werthen  von  m  als  Function  von  J. 
Nur  die  Werthe  zu  beiden  Seiten  von  J—i  scheinen  sich 
nicht  fehlerfrei  an  einander  anschliessen  zu  wollen.  Es  ist 
nicht  schwer,  den  Grund  dieser  Erscheinung  aufzufinden. 
Wenn  nämlich  die  beiden  der  Kraft  i  zunächst  vorangehen- 
den Kräfte  Jk  Ji  zu  verschiedenen  Seiten  von  i  liegen,  so 
muss  nach  dem  Grundgesetze  die  letztere,  Ji,  massgebend  für 
die  Nachwirkung  sein;  sie  ist  es  auch  meist  in  erster  Linie, 
und  in  gewissen  Fällen  sogar  fast  streng,  nämlich  dann,  wenn 
sie  sich  von  t  um  einen  grösseren  Betrag  unterscheidet  als 
«4;  wenn  sie  dagegen  umgekehrt,  im  Vergleich  zu  Jk,  sehr 

■ 

1)  Im  Folgenden  ist  stets  die  Herstellung  des  in  Bezug  auf  die  be- 
treffende Kräftefolge  stationären  Zustandes  vorausgesetzt. 


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F.  Auerbach. 


315 


nahe  an  i  liegt,  wenn  also,  abgesehen  vom  Vorzeichen,  Jt—  i 
klein  gegen  Jk—i  ist,  dann  erlangt  Jk  einen  beträchtlichen, 
ja  bis  zum  Ueberwiegen  steigenden  Einfluss  auf  die  Nach- 
wirkung.   Es  ist  dies,  wie  leicht  eingesehen  werden  kann, 
eine  Erweiterung  derjenigen  Abweichung  vom  Grundgesetze, 
welche  stattfindet,  wenn  unter  den  vorangehenden  Kräften 
J  die  Kraft  i  selbst  sich  befindet,  und  welche  oben  (8)  be- 
trachtet wurde.    So  kommt  es,  dass  z.  B.  zur  Bestimmung 
von  w6  die  Reihe  der  Kräfte  0  J6  i  (wo  i= Js  sei)  unbrauch- 
bar wird,  weil  JQ  im  Vergleich  zu  0  so  nahe  an  i  liegt,  dass 
es  nicht,  wie  es  nach  dem  Grundgesetze  der  Fall  sein  müsste, 
massgebend  für  die  Nachwirkung,  wenigstens  nicht  aus- 
schliesslich massgebend  ist.     Eine   ähnliche  Schwierigkeit 
stellt  sich  der  Bestimmung  von  mv  oder,  allgemeiner  ausge- 
drückt, der  Bestimmung  von  m  für  Werthe  von  J,  welche 
um  weniges  kleiner  als  i  sind,  entgegen.  Die  Herbeiführung 
des  stationären  Zustandes,  d.  h.  die  öftere  Wiederholung 
der  nachwirkenden  Kraft  und  der  Kraft  i  vermindert  zwar 
den  Einfluss  der  zweitvorhergehenden  Kraft  Jw  hebt  ihn  aber 
bei  weitem  nicht  auf.  Uebrigens  tritt  der  stationäre  Zustand 
in  diesen  Fällen  ungewöhnlich  spät  ein,  und  zugleich  macht 
sich  in  auffallenderer  Weise  als  sonst  diejenige  Erscheinung 
bemerkbar,  welche  in  einer  Veränderung  von  m  während  der 
Wirkung  der  constanten  Kraft  i  besteht,  und  welche  im 
Eingänge  dieser  Abhandlung  als  Nachwirkung  erster  Art  be- 
zeichnet wurde.    Hiervon  abgesehen  ist  das  Ergebniss  der 
soeben  durchgeführten  Betrachtung  dies,  dass  von  zwei 
vorangehenden  Kräften,  welche  auf  verschiedenen 
Seiten  der  beeinflussten  i  liegen,  die  zweite  nur 
dann   ausschliesslich   massgebend   für   die  Nach- 
wirkung ist,  wenn  sie  weiter  als  die  erste  von  i  ab- 
liegt; in  jedem  anderen  Falle  bestimmen  beide  ge- 
meinschaftlich den  Werth  von  m\   dass  die  erste 
allein  massgebend  wäre,  kommt  nicht  vor. 

10.  Bevor  ich  zum  Ausgangspunkte  dieser  Betrachtung 
zurückkehre,  d.  h.  zeige,  wie  man  trotzdem  alle  Werthe  von 
m  hnden  könne,  muss  ich  auf  den  dem  eben  betrachteten 
gegenüberstehenden  Fall,  wo  beide  J  auf  derselben  Seite  von 


316 


F.  Auerbach. 


i  liegen,  kurz  eingehen.  In  diesem  Falle  sind  die  Abwei- 
chungen vom  Grundgesetze  viel  geringere.  Sie  sind  sogar  meist 
sehr  klein  und  werden  nur  dann  etwas  grösser,  wenn  die 
zweite  vorangehende  Kraft  J  dem  i  sehr  nahe  kommt. 
Während  nämlich  in  allen  anderen  Fällen  die  erste  aus- 
schliesslich und  streng  massgebend  für  die  Nachwirkung 
ist,  gewinnt  in  diesem  Falle  auch  die  zweite  einen  geringen 
Einfluss.  Dass  sie  einen  beträchtlichen  oder  gar  überwiegen- 
den Einfluss  gewinne,  wie  in  dem  gegenüberstehenden  Falle 
das  erste  J,  kommt  nicht  vor;  geschweige  denn,  dass  sie 
massgebend  für  die  Nachwirkung  würde. 

Diese  zweite  Annäherung  an  die  Wirklichkeit  ist  schon 
eine  im  Allgemeinen  sehr  befriedigende.  Es  lässt  sich  aber 
doch  zuweilen  der  Einfluss  auch  einer  dritten  und  weiteren 
unter  den  vorangehenden  Kräften  nachweisen.  Man  kann 
hiernach  schliesslich  dem  zweiten  Theile  des  Grundgesetzes, 
am  besten  im  Anschluss  an  die  zweite,  ihm  oben  (7)  ge- 
gebene Gestalt  eine  modificirte  Fassung  geben;  ich  unter- 
lasse es  aber,  weil  sie  ziemlich  verwickelt  wird,  ohne  doch 
allen  in  Betracht  kommenden  Verhältnissen  Ausdruck  zu  geben. 

11.  Nunmehr  kehre  ich  zu  der  Aufgabe  zurück,  für 
irgend  ein  gegebenes  i  den  Magnetismus  m  als 
Function  von  J  (resp.  M)  zu  bestimmen.  Am  besten 
erwies  sich  hierzu  schliesslich  das  folgende  Verfahren.  Es 
sei  z.  B.  z=  10;  dann  wurde  die  Reihe  der  Kräfte: 

11.10.8.10.13.10.6.10.15.10.4.10.  u.  s.  w. 

ausgeübt,  und  so  mll}  m8,  miz  u.  s.  w,  bestimmt.  Allgemein 
gesagt,  es  wurden  die  nachwirkenden  Kräfte,  mit  der  beein- 
flussten  abwechselnd,  in  solcher  Reihenfolge  angewendet,  dass 
jede  folgende  im  Vergleich  zur  vorhergehenden  auf  der 
anderen  Seite  der  beeinflussten  Kraft  und  von  dieser  weiter 
ab  lag  als  jene.  Nach  dem  oben  Auseinandergesetzten  ist 
in  diesem  Falle  jede  der  Kräfte  nahezu  ausschliesslich  für 
die  Nachwirkung  auf  den  unmittelbar  auf  sie  folgenden 
Magnetismus  massgebend,  namentlich  nachdem  durch  mehr- 
fache Aufeinanderfolge  jedes  J  und  i  (11  und  10,  8  und  10) 
in  jedem  Falle  der  stationäre  Zustand  herbeigeführt  ist. 

i 

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317 


Auf  diese  Weise  erhält  man  die  Nachwirkungen  der  ver- 
schiedenen J  wenigstens  relativ  richtig,  wenn  es  auch  möglich 
ist,  dass  sie  alle  noch  mit  einem  absoluten  Fehler  behaftet 
sind;  denn  es  lässt  sich  nicht  umgehen,  dass  vor  der  Kraft 
11,  der  ersten,  welche  man  absichtlich  ausübt,  schon  andere 
Kräfte,  bei  neuen  Eisenstäben  ohne  permanenten  Magnetis- 
mus z.  B.  die  Kraft  Null  gewirkt  habe. 

12.  Ich  habe  auf  diese  Weise  für  eine  Reihe  voni-Werthen 
die  Abhängigkeit  des  ganzen  Magnetismus  m  von  der  nach- 
wirkenden, und  zwar  möglichst  ausschliesslich  nachwirkenden 
Kraft  J  bestimmt  und  die  Resultate  auf  Taf.  III  Fig.  4 
graphisch  dargestellt.  Die  Abscissen  geben  die  Werthe  von 
J,  die  Ordinaten  die  Werthe  von  m.  Der  jeder  Curve  ent- 
sprechende Werth  von  i  ist  derselben  beigefügt.  Der  An- 
blick dieser  Curven  lehrt  Folgendes:  Jede  derselben  besitzt 
bei  derjenigen  Abscisse,  weicher  der  Werth  J=i  entspricht, 
einen  Inflexionspunkt;  je  höher  die  Curve  im  ganzen  liegt,  desto 
weiter  nach  rechts  liegt  der  Inflexionspunkt;  rechts  von  ihm  er- 
hebt sich  die  Curve  über  die  durch  den  Inflexionspunkt  gezogene 
Horizontalaxe,  links  sinkt  sie  unter  dieselbe  herab;  in  beiden 
Theilen  aber  kehrt  sie  dieser  Axe  ihre  concave  Seite  zu; 
für  unendlich  grosse  negative  und  positive  Abscissen  nähert 
sie  sich,  wie  es  scheint,  asymptotisch  je  einer  der  Horizontal- 
axe parallelen  Geraden.  Was  hiervon  besonders  hervorzu- 
heben ist,  ist  dies:  Der  einzige  ausgezeichnete  Punkt  jeder 
Curve  ist  ihr  Inflexionspunkt;  keinem  anderen  Punkte, 
auch  nicht  dem  Schnittpunkte  der  Curve  mit  der  Ordinaten- 
axe,  d.  h.  dem  Punkte  mit  der  Abscisse  Null,  kommt  eine 
besondere  Bedeutung  zu.  Dasselbe  gilt  von  den  entsprechen- 
den Werthen  des  Magnetimus  m.  Wenn  daher  oben  (4)  der- 
jenige Werth  von  w,  welcher  der  Kraft  i  entspricht,  falls 
die  Kraft  Null  vorherging,  als  der  Normalwerth  des  der 
Kraft  i  entsprechenden  Magnetismus  bezeichnet  wurde,  so 
ist  diese  Bezeichnung  jetzt  fallen  zu  lassen.  Wenn  über- 
haupt einer,  so  ist  vielmehr  derjenige  Werth  von  m  als  sein 
Nor  mal  werth  zu  bezeichnen,  welcher  der  Kraft  i  ent- 
spricht, falls  die  nachwirkende  Kraft  ebenfalls  die  Kraft  i 
ist.  Eine  solche  ist  aber  nach  den  obigen  Regeln  nur  dann 

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318 


F.  Auerbach. 


für  die  Nachwirkung  massgebend,  wenn  keine  andere  Kraft 
vorherging.  Daraus  ergibt  sich,  dassraj  derjenige  Magne- 
tismus i st,  welcher  unter  Wirkung  der  Kraft  i  be- 
obachtet werden  würde,  wenn  diese  Kraft  von  jeher 
auf  den  Körper  gewirkt  hätte.  Natürlich  ist  dies  ein 
idealer  Fall;  man  kann  aber  trotzdem  den  Werth  dieser 
Grösse  auf  indirectem  Wege  mit  beliebiger  Genauigkeit  be- 
stimmen. Es  ist  dies  ein  Weg,  genau  entgegengesetzt  dem- 
jenigen, welcher  oben  (11)  zur  Ableitung  der  Abhängigkeit 
zwischen  J  und  m  angegeben  wurde.  Es  sei  ein  Körper  mit  dem 
der  Kraft  J  entsprechenden  Magnetismus  M  gegeben,  und  es 
werde  verlangt,  für  ihn  den  der  Kraft  i  entsprechenden  Normal- 
magnetismus rrii  zu  bestimmen.  Man  lässt  dann  zunächst 
eine  Kraft  J'  wirken,  welche  auf  der  anderen  Seite  von  i 
liegt  als  J,  dem  t  aber  um  einen  Betrag  e  näher.  Dann 
lässt  man  die  Kraft  wirken,  welche  auf  derselben  Seite  von 
t  liegt  wie  J,  dem  i  aber  um  2e  näher,  u.  s.  w.,  d.  h.  man 
lässt,  wenn  beispielsweise  J>i  ist,  die  Reihe  der  Kräfte: 

2i-J  +  e,  J—2e,  2i-J+3e,  J-4e... 

wirken;  je  kleiner  hierin  c  gewählt  wird,  desto  genauer  stellt 
der  Endwerth,  dem  man  erhält,  wenn  man  bis  zu  den 
Kräften: 

2i—  J  +  xe  =  J  —  xe 

vorgeht,  den  Normalmagnetismus  rrii  dar. 

13.  Die  Curven  bestehen,  wie  sich  ferner  zeigt,  aus  zwei 
zur  Deckung  zu  bringenden,  im  Inflexionspunkte  zusammen- 
stossenden  Theilen;  für  Kräfte  J,  welche  auf  beiden  Seiten 
von  i  in  gleichem  Abstände  von  diesem  liegen,  ist  also  die 
Nachwirkung  die  gleiche  und  entgegengesetzte.  Ich  glaube 
dies  ganz  ausdrücklich  hervorheben  zu  sollen,  weil  bisher 
von  vielen  Seiten  angenommen  wurde,  dass  Nachwirkung  nur 
von  grösseren  auf  kleinere  Kräfte  stattfinde.  AuchFromme1). 
welcher  die  Allgemeingültigkeit  dieser  Annahme  bestreitet 
gibt  sie  doch  noch  für  denjenigen  Fall  zu,  welcher  oben 
als  der  stationäre  Zustand  betrachtet  wurde.  Es  handelt 
sich  bei  Fromme  zwar  um  eine  scheinbar  ganz  andere  Er- 

1)  Fromme,  L  c.  p.  83. 


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F.  Auerbach, 


319 


scheinung,  als  die  hier  in  Rede  stehende  ist.  In  der  That 
kommt  sie  aber  auf  diese  zurück.  Fromme  lässt  nach  ein- 
maligem Wirken  einer  Kraft  J  (oder  auch  nach  mehrmaligem 
Wirken  derselben)  eine  andere  Kraft  i,  und  zwar  mit  wieder- 
holten Impulsen  wirken ;  das  ist  nicht  anders  ausführbar,  als 
durch  jedesmaliges  Einschalten  einer  anderen  Kraft,  und 
zwar  offenbar,  obgleich  es  nicht  positiv  ausgesprochen  ist, 
der  Kraft  Null;  auch  die  gleichzeitig  ausgeführte  Bestimmung 
des  permanenten  Magnetismus  machte  diese  jedesmalige 
Unterbrechung  des  Stromes  erforderlich.  Das  Resultat  dieser 
Versuche,  dass  bei  den  ersten  Impulsen  der  Magnetismus 
sich  ändert,  und  erst  bei  den  späteren  constant  wird,  erklärt 
sich  nach  dem  Obigen  einfach  daraus,  dass  durch  jeden  der 
ersten  Impulse  die  Reihe  der  vorhergehenden  Kräfte  eine 
andere  wird;  zuerst  ist  sie  J7  Null;  beim  zweiten  Impulse  ist 
sie  J,  Null,  i,  Null,  u.  s.  w.  Die  Nachwirkung  (im  hier  ge- 
brauchten Sinne  des  Wortes)  ändert  sich  also  und  wird  erst 
constant,  wenn  die  Kräfte  Null  und  i  häutig  mit  einander  ab- 
gewechselt haben. 

Die  Ursache,  welche  die  Ansicht  von  der  Unfähigkeit 
kleinerer  Kräfte,  auf  grössere  nachzuwirken,  veranlasst  hat, 
ist  hiernach  in  dem  Umstände  zu  suchen,  dass  die  Kraft 
Null  beliebig  eingeschaltet  wurde,  ohne  Berücksichtigung  der 
Frage,  ob  diese  Einschaltung  nicht  etwa  von  Einfluss  sei. 
Dass  ein  solcher  Einfluss  vorhanden  ist,  und  dass  er  in  der 
Verdeckung  der  Nachwirkung  kleinerer  Kräfte  auf  grössere 
besteht,  ergeben  meine  oben  (4)  angegebenen  Versuche.  Nach 
den  in  den  Curven  dargestellten  Resultaten  aber  ist  es  er- 
sichtlich, dass  ein  Unterschied  in  der  Nachwirkung  grösserer 
und  kleinerer  Kräfte  gar  nicht  stattfinden  kann,  einfach  des- 
halb nicht,  weil  es  in  Bezug  auf  einen  gegebenen  magneti- 
schen Zustand  m  was  die  Nachwirkung  betrifft,  gar  kein 
grösser  und  kleiner,  sondern  nur  ein  einerseits  und  ein 
andererseits  gibt,  und  dass  der  einzige  Unterschied  dieser 
beiden  Seiten,  dass  nämlich  auf  der  einen  Seite  der  Werth 
Null  liegt,  für  die  Nachwirkung  nicht  in  Betracht  kommt. 

14.  Freilich  gibt  es  eine  unter  den  Curven,  für  welche 
der  Nullpunkt,  d.  h.  der  Schnittpunkt  mit  der  Ordinatenaxe 


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320 


F.  Auerbach. 


eine  besondere  Bedeutung  hat;  nämlich  diejenige  Curve,  für 
welche  i'=0  ist,  für  welche  also  der  Infiexionspunkt  in  den 
Nullpunkt  fällt.  Diese  Curve  gibt  an,  welchen  Magnetismus 
ein  Stab  besitzt,  auf  welchen  augenblicklich  keine  Kraft 
wirkt,  auf  den  aber  vorher,  und  zwar  ausschliesslich,  die  Kraft 
J  gewirkt  hat.  Die  Curve  stellt  also  die  Nachwirkung  auf  den 
Magnetismus  Null  dar,  sie  ist  nichts  anderes  als  die  Curve 
des  permanenten  Magnetismus,  dargestellt  als 
Function  der  Kraft,  welche  ihn  erzeugt  hat.  Der 
permanente  Magnetismus  stellt  sich  hier  mit  völliger  Klar- 
heit als  ein  Specialfall  magnetischer  Nachwirkung 
heraus,  und  seine  Gesetze  sind  dieselben  wie  die  Gesetze  der 
Nachwirkung  überhaupt.  So  lautet  z.  B.  sein  Grundgesetz, 
entsprechend  dem  allgemeinen  in  seiner  zweiten  Form  (7): 
Für  den  nach  dem  Wirken  einer  Reihe  von  Kräften 
zurückbleibenden1)  Magnetismus  ist  die  erste  der- 
jenigen Kräfte  massgebend,  aufweiche  nur  noch,  dem 
absoluten  Werthe  nach,  kleinere  und  mit  demselben 
Vorzeichen  behaftete  Kräfte  folgen.  Wie  das  allge- 
meine Grundgesetz,  so  gilt  auch  dies  specielle  nur  näherungs- 
weise; und  wie  die  Abweichungen  dort  besonders  beträcht- 
lich werden,  wenn  die  nachwirkenden  Kräfte  der  beein- 
fiussten  nahe  kommen,  so  werden  sie  es  hier,  wenn  die  Kräfte 
klein  sind.  Folgt  z.  B.  auf  eine  grosse  positive  eine  kleine 
negative  Kraft,  so  ist  nicht,  wie  es  nach  dem  Grundgesetze 
sein  müsste,  letztere  ausschliesslich,  sondern  die  erstere  ist 
auch  von  Einfluss,  und  zuweilen  von  sehr  erheblichem  oder 
gar  überwiegendem,  je  nach  den  Grössenverhältnissen  der 
beiden  Kräfte.  Ich  beabsichtige,  in  einer  folgenden  Ab- 
handlung den  permanenten  Magnetismus,  als  eine  Art 
magnetischer  Nachwirkung,  eingehender  zu  betrachten  und 
zu  untersuchen,  welche  Bedeutung  die  zahlreichen  über  ihn 
vorliegenden  Erfahrungsthatsachen  bei  dieser  Auffassungs- 
weise gewinnen;  ich  unterlasse  es  daher,  hier  darauf  einzu- 
gehen. 


1)  Der  Uebereinstimmung  mit  6.  Wiedemann's  Bezeichnung  wegen 
wird  hierfür  der  Ausdruck  „permanent"  (statt  remanent  )  benutzt  werden. 


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F.  Auerback 


321 


15.  Wenn  man  die  Inflexionspunkte  sämmtlicher  Curven 
mit  einander  verbindet,  so  erhält  man  eine  Curve,  welche 
die  Abhängigkeit  des  Normalmagnetismus  mj  von 
der  wirkenden  Kraft  darstellt.  Man  hat  bisher  immer 
nur  die  Abhängigkeit  des  Magnetismus  schlechthin  von  der 
wirkenden  Kraft  untersucht,  die  Nachwirkung  also  vernach- 
lässigt. Man  fand  dabei  anfangs1),  dass  der  Magnetismus 
zunächst  proportional  mit  der  Kraft,  später  aber  langsamer 
als  diese  wachse  und  schliesslich  einem  Maximum  (Sätti- 
gungspunkt) sich  nähere.  Vervollständigt  man  die  diese  Ab- 
hängigkeit darstellende  Curve  durch  ihren  gleichgestalteten 
negativen  Theil,  so  erhält  man,  wie  man  leicht  einsieht,  eine 
Curve,  welche  sich  von  einer  Nachwirkungscurve  nur  dadurch 
unterscheidet,  dass  die  Ordinaten,  absolut  genommen,  grössere 
sind.  Die  Nachwirkung  hängt  also  in  genau  derselben  Weise 
von  der  nachwirkenden  Kraft,  wie  die  Wirkung  von  der 
wirkenden  Kraft  ab;  nur  sind  die  wirkenden  Kräfte  und 
ihre  Wirkungen  dort  vom  Nullpunkt,  die  nachwirkenden 
Kräfte  aber  hier  von  der  wirkenden  Kraft  und  dement- 
sprechend die  Nachwirkungen  von  dem  beeintlussten  Magne- 
tismus aus  nach  beiden  Seiten  zu  rechnen.  Die  Nach- 
wirkung hängt  also  in  derselben  Weise  von  der 
Differenz  der  wirkenden  und  der  nachwirkenden 
Kraft  ab,  wie  die  Wirkung  von  der  wirkenden  Kraft. 
In  Bezug  auf  die  Curve  der  magnetischen  Wirkung  haben 
bekanntlich  die  neueren  Versuche  *)  ergeben,  dass  der  Magne- 
tismus für  mittlere  Kräfte  schneller  und  erst  für  grosse 
langsamer  steigt  als  diese.  Die  vollständige  Curve  erhält 
dadurch  ausser  dem  in  die  Ordinatenaxe  fallenden  Inflexions- 
punkte deren  noch  zwei,  nämlich  je  einen  auf  der  positiven  und 
negativen  Seite.  Es  ist  möglich,  dass  auch  die  Nachwirkungs- 
curven  bei  empfindlicheren  Versuchsmethoden  diese  Gestalt 
erhalten;  indessen  gelang  es  mir  nicht,  hierüber  Sicherheit 
zu  erlangen. 

16.  Bei  Berücksichtigung  der  Nachwirkung  muss  man, 
um  ein  reines  Bild  der  Beziehung  zwischen  Magnetismus  und 

1)  G.  Wiedeinann,  Galv.  (2)  2.  p.  329  ff. 

2)  G.  Wiedemann,  Galv.  (2)  2.  p.  343-355. 

Ann.  d.  Phys.  n.  Chem.  N.  F.  XIV.  21 


■ 


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F.  Auerbach. 


wirkender  Kraft  zu  gewinnen,  für  jede  Kraft  den  Normalmagne- 
tismus bestimmen.  In  jedem  anderen  Falle,  z.  B.  wenn  man  die 
Kräfte  einfach  der  Grösse  nach  oder  in  umgekehrter  Reihen- 
folge wirken  lässt,  erhält  man  eine  durch  Nachwirkung  ge- 
trübte Beziehung,  und  folglich,  da  die  Nachwirkung  jedes- 
mal eine  andere  ist,  auch  jedesmal  eine  andere  Curve.  In- 
dess  ist  nach  den  oben  entwickelten  Kegeln  der  Nachwirkung 
einleuchtend,  dass  bei  regelmässiger  Aufeinanderfolge  der 
Kräfte,  also  entweder  in  steigender  oder  in  fallender  Reihe, 
für  die  Gestalt  der  Curve  nur  ihr  Anfangspunkt  wesentlich 
massgebend,  der  Einfluss  der  anderen  Kräfte  aber  ein  sehr 
unbedeutender  ist.  Es  ist  also  in  erster  Annäherung  gleich- 
giltig,  ob  z.  B.  die  Kräfte  0,  5,  10,  15,  20  oder  die  Kräfte 
0,  1,  2,  3, ...  20  ausgeübt  werden:  Die  Curve  erhält  in  beiden 
Fällen  nahezu  dieselbe  Gestalt.  Um  über  den  Unterschied 
der  beiden  beispielsweise  angeführten  Fälle  Klarheit  zu  er- 
langen, hat  man  zu  erwägen,  dass  streng  genommen  in  beiden 
Fällen  nicht  nur  die  Kräfte  0,  1 ...  20,  sondern  alle  zwischen 
0  und  20  gelegenen  Kräfte  ausgeübt  werden;  denn  man  kann 
eine  Stromstärke  nur  allmählich,  wenn  auch  mit  grosser  Ge- 
schwindigkeit in  eine  andere  überführen;  die  beiden  Fälle 
unterscheiden  sich  also  nur  durch  die  Zeitdauer  der  Wirkung 
der  Kräfte.  Dies  hat  mich  veranlasst,  zu  untersuchen,  ob 
überhaupt  die  Zeitdauer  einer  Kraft  auf  ihre  Nach- 
wirkung von  Einfluss  sei.  Das  Resultat  war,  in  Ueber- 
einstimmung  mit  dem  Resultate  Fromme's  bei  seinen  Im- 
pulsversuchen1), negativer  Art.  Ausgeschlossen  sind  dabei 
nur  Zeitdauern  von  solcher  Länge,  dass  die  Nachwirkung 
erster  Art,  d.  h.  die  allmähliche  Veränderung  des  Magne- 
tismus während  der  Wirkung  einer  constanten  Kraft,  in 
hervorragender  Weise  sich  bemerklich  macht  (vgl.  unten  20). 

17.  Jedenfalls  folgt  aus  dem  Angeführten,  dass,  wie  bei 
(scheinbar)  discontinuirlicher  Aufeinanderfolge  von  Kräften 
die  Zwischenkräfte,  so  auch  bei  continuirlicher  Aenderung 
der  Kraft  die  Geschwindigkeit  ohne  Einfluss  auf  die 
Nachwirkung  ist,  wenigstens  muss  dieser  Einfluss  klein 

1)  Fromme,  L  c.  p.  91. 


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F.  Auerbach, 


323 


sein  gegen  die  Grösse  der  Nachwirkung  selbst.  Für  einen 
speciellen  Fall  wird  dieser  Schluss  durch  die  Versuche 
Warburg's1)  bestätigt;  für  den  allgemeinen  Fall,  dass  eine 
beliebige  Kraft  J  einer  beliebigen  anderen  vorhergehe,  habe 
ich  die  Bestätigung  durch  eigne  Versuche  erhalten. 

Ein  feiner  Neusilber-  oder  Messingdraht  wurde  um  einen 
Glasstab  spiralig  gewunden,  dieser  Glasstab  central  in  eine 
weitere  Glasröhre  gestellt  und  durch  Quetschhähne  Vorsorge 
dafür  getroffen,  dass  in  den  Hohlcy linder  zwischen  Röhre 
und  Stab  Quecksilber  mit  beliebiger  Geschwindigkeit  ein- 
fliessen  und  aus  ihm  mit  beliebiger  Geschwindigkeit  aus- 
üiessen  konnte.  Diese  Geschwindigkeit  wurde  in  jedem  Falle 
nicht  gleichmässig,  sondern  in  der  Weise  variabel  herge- 
stellt, dass  die  Aenderung  der  Stärke  eines  durch  die 
Spirale  geschickten  Stromes  möglichst  gleichmässig  wurde. 
Der  Magnet  des  Magnetometers  kam  meist  nicht  ganz  zur 
Ruhe;  es  wurden  daher  jedesmal  einige  Umkehrpunkte  der 
übrigens  kleinen  Schwingungen  bestimmt.  Die  Stromstärke 
konnte  auf  diese  Weise  bis  auf  das  Zehnfache  ihres  kleinsten 
Werthes  gesteigert  werden.  Die  Geschwindigkeit  ihrer 
Aenderung  andererseits  variirte  zwischen  wenigen  Secunden 
und  Stunden.  Trotzdem  konnte,  weder  für  J>  i  noch  für 
J  <  i  ein  Einfluss  der  Geschwindigkeit  auf  die  Nachwirkung 
mit  Sicherheit  ermittelt  werden.  Die  Versuche  sind  aller- 
dings schwierig;  namentlich  ist  es  nicht  leicht,  dafür  zu 
sorgen,  dass  jedesmal  die  Kraft  J  wirklich  ausschliesslich 
für  die  Nachwirkung  massgebend  sei;  es  darf  aber  jeden- 
falls geschlossen  werden,  dass  in  erster  Annäherung  die  Ge- 
schwindigkeit ohne  Einfluss  sei. 

18.  Diese  Betrachtung  führt  mich  auf  den  oben  (2  und 
17)  erwähnten  Kreisprocess  von  Warburg.  Magnetisirt 
man  einen  Stab  erst  durch  eine  Reihe  steigender,  sodann 
durch  dieselbe  Reihe  fallender  Kräfte,  so  erhält  man,  graphisch 
dargestellt,  statt  einer  Curve  deren  zwei,  welche  den  höchsten 
Punkt  und,  bei  geeigneter  Vorbearbeitung  des  Stabes,  auch 
den  tiefsten  Punkt  gemeinsam  haben.    Ist  der  Ausgangs- 


1)  Warburg,  L  c.  p.  7. 

21  * 


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324  F.  Auerbach. 


punkt  z.  B.  der  Nullpunkt,  so  ist  zu  letzterem  nur  erforder- 
lich, dass  vor  Beginn  der  Versuche  eine  Kraft,  grösser  als 
alle  bei  diesen  selbst  auszuübenden  gewirkt  habe.  Dass  die 
beiden  Curven  nicht  zusammenfallen,  ist  nach  dem  Obigen 
klar;  sie  weichen  beide,  und  zwar  nach  entgegengesetzten 
Seiten,  von  der  Cur ve  der  Normalmagnetismen  ab;  die  eine, 
bei  steigenden  Kräften  erhaltene,  wurde  durch  die  negative 
Nachwirkung  der  Minimalkraft  Null  herabgedrückt,  die  andere, 
bei  fallenden  Kräften  erhaltene  durch  die  positive  Nach- 
wirkung der  Maximalkraft  heraufgeschoben.  Ich  habe  diesen 
Kreisprocess  bei  meinem,  den  meisten  obigen  Versuchen  zu 
Grunde  liegenden  Stabe  wiederholt  und  gefunden,  dass  die  beiden 
Curven  in  der  That  erheblich  abweichen,  dass  aber  ihre  Ab- 
weichung nur  von  der  Lage  ihrer  beiden  Endpunkte,  nicht 
aber  von  irgend  einem  anderen  Umstände  beeinflusst  wird. 

19.  Kürzlich  ist  eine  Abhandlung  von  Fromme1)  er- 
schienen, welche  sich  gleichzeitig  auf  die  Versuche  des  Ver- 
fassers selbst,  von  denen  oben  (13)  die  Rede  war,  und  auf 
den  Kreisprocess  von  War  bürg  bezieht.  Hiernach  ist  der- 
selbe, in  Uebereinstimmung  mit  meiner  Auffassung,  als  eine 
Nachwirkungserscheinung  zu  betrachten.  Aber  wie  ich  meine, 
nicht  als  eine  Erscheinung  von  Nachwirkung  im  Sinne  der 
Fromme'schen  Impulsversuche,  sondern  in  dem  hier  be- 
handelten Sinne.  Fromme  gibt  dies  auch  zu,  indem  er 
seine  Definition  der  Nachwirkung  ändert,  und  zwar,  wie  die 
folgende  Darstellung  zeigt,  fundamental  ändert.  Der  Ver- 
such sei  folgender :  Ein  Stab  sei  der  Kraft  J  —  467  ausge- 
setzt, welche  continuirlich  bis  i  —  369  abnehme;  nunmehr 
sei  m  (dem  i  entsprechend)  =  m0  =  418.  Nun  wurde  t  =»  0 
und  wieder  =369  gemacht;  es  fand  sich  m  =  =  307; 
wiederum  i  auf  0  und  zurück  auf  369  gebracht,  ergab  m  = 
wi3  =  300  u.  s.  w.  Schliesslich  wurde  m  constant,  und  es  darf 
angenommen  werden,  dass  dieser  constante  Werth  nicht  weit 
unter  300  lag;  er  sei  etwa  mn  =  290.  In  seiner  ersten  Ab- 
handlung nannte  Fromme  die  Differenz  wij  —  mn  =  307 
—  290  =  17  die  Nachwirkung  der  Kraft  i\  in  dieser  zweiten 

1)  Fromme,  Gött.  Nachr.  p.  119.  1881. 


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F.  Auerbach. 


325 


Abhandlung  führt  er  dagegen  die  Differenz  m0  —  mH  =  418 
-  290  =  128  als  Nachwirkung  der  Kraft  J  ein,  also  eine 
fast  zehnmal  so  grosse  Zahl.  Nunmehr  ist  seine  Difinition 
mit  der  meinigen  zum  Theil  in  Uebereinstimmung;  ich  sage 
zum  Theil;  die  Differenz,  welche  in  beiden  Fällen  der  De- 
finition zu  Grunde  gelegt  wird,  ist  nunmehr  dieselbe;  aber 
während  Fromme  diese  Differenz  als  Nachwirkung  der 
Kraft  J  bezeichnet,  ist  sie  für  mich,  wie  leicht  ersichtlich,  die 
Summe  der  absoluten  Werthe  der  Nachwirkungen  der  Kräfte 
J  und  0,  denn  es  ist  wi0  =  418  der  der  Kraft  i  entsprechende 
Normalmagnetismus,  vermehrt  um  die  Nachwirkung  der  Kraft 
i,  entsprechend  ist  mn  der  Normalmagnetismus,  vermindert 
durch  die  negative  Nachwirkung  der  Kraft  Null;  die  Zwischen- 
werthe  m19  m2  u.  s.  w.  entstehen  dadurch,  dass  hier  zwar 
die  Kraft  Null,  weil  sie  weiter  von  i  absteht  als  J ,  für  die 
Nachwirkung  in  ganz  überwiegender  "Weise  massgebend,  dass 
aber  doch  die  Kraft  J  noch  nicht  ganz  ohne  Einfluss  auf 
die  Nachwirkung  ist  Man  wird  nicht  erheblich  fehl  gehen, 
wenn  man  annimmt,  dass  für  diesen  Stab  der  der  Kraft 
i  sc  369  entsprechende  Normalmagnetismus  etwa  w{  =  390 
ist1);  die  Nachwirkung  der  Kraft  J  wird  dadurch  N{  (J)  = 
418  —  390  =  28,  also  viel  kleiner,  als  das,  was  Fromme 
jetzt  als  Nachwirkung  bezeichnet;  die  Nachwirkung  der 
Kraft  Null  andererseits  wird  Nt  (0)  =  290  -  390  =  -  100. 

20.  Wenn  angegeben  wurde,  dass  die  Geschwindigkeit 
in  erster  Annäherung  ohne  Einfluss  auf  die  Nachwirkung 
sei,  so  gilt  das  in  dem  Falle  nicht,  wo  die  Aenderung  des 
Magnetismus  so  schnell  erfolgt,  dass  man  sie  als  eine  plötz- 
liche bezeichnen  kann.  Schon  seit  längerer  Zeit  ist  be- 
kannt, dass  plötzliches  Unterbrechen  des  magnetisirenden 
Stromes  den  permanenten  Magnetismus  kleiner  ausfallen 
lässt,  als  allmähliches  Unterbrechen.  Genauer  untersucht 
hat  Fromme2)  diese  Erscheinung,  und  zwar  in  der  Weise, 
dass  er  den  Stab  entweder  in  der  Spirale  magnetisirte,  resp. 


1)  Die  in  einer  späteren  Abhandlung  zu  machenden  quantitativen 
Angaben  über  die  Gesetze  der  Nachwirkung  rechtfertigen  diese  Zahl. 

2)  Fromme,  Wied.  Ann.  5.  p.345.  1878.  Gott.  Nachr.  p.  127.  1881. 


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326  F.  Auerbach. 

entmagnetisirte  (plötzliche  Zustandsänderung)  oder  aber  in 
die  geschlossene  Spirale  behutsam  hineinsteckte,  resp.  aus 
ihr  herauszog.  Statt  des  zweiten  Verfahrens  habe  ich,  um 
den  Stab  an  seinem  Orte  belassen  zu  können,  das  erste  mit 
der  Modifikation  angewendet,  dass  ich  Widerstände  allmäh- 
lich aus-,  resp.  einschaltete.  Nach  Fromme's  eigener  An- 
gabe erhält  man  so  fast  die  Resultate  des  zweiten  Verfahrens. 
Ein  specieller  Fall  des  Fromme'schen  Phänomens  ist  der, 
wo  schon  die  allmähliche  Stromöffnung  einen  sehr  kleinen 
permanenten  Magnetismus  liefert;  in  diesem  Falle  kann  der 
plötzliche  Strom8chluss  sogar  einen  permanenten  Magnetis- 
mus von  entgegengesetztem  Vorzeichen  liefern.1)  Aber  die 
Fromme'sche  Erscheinung  ist  selbst  nur  ein  specieller  Fall 
einer  anderen  allgemeineren,  welche  ich  nach  meinen  bezüg- 
lichen Beobachtungen  in  den  folgenden  Satz  zusammenfassen 
kann:  Bei  plötzlicher  Aenderung  der  magnetisirenden  Kraft 
fällt  der  der  zweiten  Kraft  entsprechende  ganze  Magnetismus 
grösser  oder  kleiner  aus,  als  bei  allmählicher  Aenderung,  je 
nachdem  die  zweite  Kraft  grösser  oder  kleiner  ist  als  die 
erste.  Dieser  Satz  enthält  in  sich  auch  die  andere,  von 
Fromme  beobachtete  Thatsache,  dass  das  ganze  von  einer 
Kraft  erregte  Moment  sich  gerade  umgekehrt  verhält,  wie 
das  permanente;  es  ist  nämlich  hier  wiederum  stillschweigend 
vorausgesetzt,  dass  der  Kraft  die  Kraft  Null  vorhergehe. 
Auch  habe  ich,  in  Uebereinstimmung  mit  Fromme,  beob- 
achtet, dass  der  Einfluss  der  Plötzlichkeit  des  Stromschlusses, 
resp.  der  Stromöffnung  viel  beträchtlicher  ist  bei  dem  per- 
manenten, als  bei  dem  ganzen  Magnetismus,  und  dann  allge- 
mein gefunden,  dass  er  bei  plötzlich  steigender  Kraft  geringer 
ist  als  bei  plötzlich  abnehmender;  indess  möchte  ich  hierauf 
aus  gewissen  Gründen  kein  grosses  Gewicht  legen. 

Was  die  Ursache  der  in  Rede  stehenden  Erscheinung 
betrifft,  welche  ich  mit  Fromme  für  eine  specifisch  magne- 
tische zu  halten  geneigt  bin,  so  beschränke  ich  mich  hier 
darauf,  zu  zeigen,  wie  dieselbe  auf  Grund  von  gleichzeitig 
stattfindenden  Nachwirkungsvorgängen  erster  Art  (2)  als  ein 

1)  v.  Waltenhofen,  Wien.  Ber.  (2)  48.  p.564.  1863.  Righi,  Coinpt. 
Rend.  90.  p.  688.  1880.    Nuovo  Cim.  (3)  8.  p.  102.  1881. 


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F.  Auerbach. 


327 


Fall  von  Nachwirkung  der  zweiten,  hier  betrachteten  Art 
sich  darstellt  Wenn  man  nämlich  die  magnetisirende  Kraft 
plötzlich  erhöht,  so  erhält  man  ein  magnetisches  Moment, 
welches  mit  der  Zeit  abnimmt,  und  zwar  erst  rasch,  dann 
langsamer,  und  sich  schliesslich  einem  constanten  Werthe 
nähert,  welcher  immer  noch  grösser  ist,  als  der  bei 
allmählicher  Herstellung  derselben  Kraft  aus  der- 
selben anderen  sich  ergebende  von  vornherein  nahe- 
zu constante  Werth.  Ebenso  ergibt  plötzliche  Verminde- 
rung der  Kraft  einen  Magnetismus,  welcher  allmählich  steigt, 
ohne  doch  den  bei  allmählichem  Uebergange  sich  ergebenden 
Werth  zu  erreichen.  Nimmt  man  vor  der  Hand  den  ersten 
Theil  dieser  Erscheinung,  welcher  sich  auf  den  ersten  vor- 
übergehenden Werth  des  Magnetismus  bezieht,  als  gegeben 
an,  so  folgt  der  zweite  Theil,  wonach  die  definitiven  Magne- 
tismen bei  plötzlicher  und  bei  allmählicher  Kraftänderung  ver- 
schieden ausfallen,  unmittelbar.  Denn,  seien  M  und  m  die 
beiden  definitiven  Magnetismen  (der  vorhergehende  und  der 
nachfolgende)  bei  allmählicher  Kraftänderung,  M  und  rrip  die- 
selben bei  plötzlicher,  und  sei  M >  wi,  so  ist  zu  beweisen, 
dass  vip  <  m  ist;  es  entsteht  aber  mp  im  zweiten  Falle  nicht 
direct  aus  M,  sondern  zwischen  beiden  findet  der  Werth 
mp  —  €  statt,  wo  c  eine  positive  Grösse  ist.  Dieser  Zustand 
liegt  aber  auf  der  entgegengesetzten  Seite  von  rrip  wie  M, 
ist  also  nicht  ohne  Einfluss  auf  den  Werth  von  wiy,  wenn 
auch,  in  Anbetracht  der  Kleinheit  von  e  gegen  M  —  mp,  nach 
dem  Grundgesetze  M  in  erster  Reihe  massgebend  für  die 
Nachwirkung  ist.  Hiernach  muss  mp  kleiner  sein  als  m, 
welcher  Werth  direct  aus  M  entsteht  oder  doch  nur  durch 
Vermittelung  von  der  Grösse  nach  dazwischen  liegenden 
Magnetismen,  welche  nach  dem  Grundgesetze  ohne  Einfluss 
auf  die  Nachwirkung  sind.  Aehnlich  ist  der  Beweis  zu 
führen,  dass,  wenn  M  <  m,  mp  <  m  ist.  Man  kann  hiernach 
den  Satz  aufstellen:  Wenn  eine  Kraft  Jy  welcher  der  Magne- 
tismus M  entspricht,  in  die  Kraft  i,  welcher  der  Magnetismus 
m  entspricht  übergeht,  so  ist  die  Geschwindigkeit  nur  in  dem 
Falle  von  Einfluss  auf  den  definitiven  Werth  von  m,  wenn  sie 
so  gross  ist,  dass  m  diesen  definitiven  Werth  nicht  sofort, 


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328 


F.  Auerbach. 


sondern  erst  durch  Abnahme  oder  Zunahme  von  dem  Werthe 
m  +  c,  je  nachdem  m  >  M  oder  m  <  M  ist,  annimmt.  Oder: 
Die  Geschwindigkeit  der  Kraftänderung  ist  auf  die 
Nachwirkung  zweiter  Art  nur  dann  von  Einfluss, 
wenn  sie  so  gross  ist,  dass  sie  eine  Nachwirkung 
erster  Art  veranlasst.  Auf  diesen  Zusammenhang  beider 
Arten  von  Nachwirkung  näher  einzugehen,  wird  bei  Be- 
trachtung derjenigen  erster  Art  der  Ort  sein. 

21.  Von  welcher  Bedeutung  die  magnetische  Nachwirkung 
auch  für  solche  magnetische  Erscheinungen  ist,  welche  an- 
scheinend mit  ihr  in  gar  keinem  Zusammenhange  stehen, 
und  bei  welchen  daher  auf  sie  bisher  keine  Rücksicht  ge- 
nommen worden  ist,  zeigt  das  die  Beziehung  zwischen  Kraft 
und  Magnetismus  betreffende  Folgende.  Nach  Wiedemann 
und  anderen  nimmt  bei  Magnetisirung  durch  aufsteigende 
Kräfte  i  der  temporäre  Magnetismus  t  nicht,  wie  Weber's 
Theorie  annimmt,  anfangs  proportional  mit  t,  sondern  er 
nimmt  zuerst  schneller  als  i,  und  dann  erst  langsamer 
als  i  zu.  Der  Quotient  t.i  nimmt  also  erst  zu,  dann  ab. 
Es  ist,  soviel  mir  bekannt,  bisher  nicht  gefragt  worden,  ob 
dieselbe  Erscheinung  auch  bei  Anwendung  fallender  Kräfte 
sich  zeige;  auch  Warburg,  aus  dessen  Zahlen  diese  Frage, 
für  die  von  ihm  benutzten  Stäbe,  sich  hätte  entscheiden 
lassen,  ist  auf  sie  nicht  eingegangen.  Ich  habe  daher  auf 
sie  meine  Aufmerksamkeit  gerichtet  und  gefunden,  dass  der 
Quotient  t:i  bei  Anwendung  fallender  Kräfte  desto  grösser 
ist,  je  kleiner  i  ist,  dass  also  in  diesem  Falle  ein  In- 
f lexionspunkt1)  nicht  existirt.  Dass  dieses  Resultat 
sich  nicht  auf  mein  Material  beschränkt,  ergiebt  ferner  der 
Umstand,  dass  die  Tabellen  Warburg's  zu  demselben 
interessanten  Ergebnisse  führen;  und  speciell  die 
Tabelle  II  für  den  Draht  Nr.  1  zeigt  weiter,  dass  es  nicht 
nur  für  solche  Fälle  gilt,  in  denen  der  Nullpunkt  der  Aus- 
gangspunkty  beziehlich  der  Endpunkt  ist,  sondern  dass  jeder 

1)  Der  hierfür  vielfach  gebrauchte  Ausdruck  „Wendepunkt"  hat 
mathematisch  eine  ganz  andere  Bedeutung  und  gibt  daher  vielfach  zu 
Missverständnissen  Anlass. 


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F.  Auerbach. 


329 


beliebige  Punkt  diese  Rolle  übernehmen  kann;  nur  ist  dann 
natürlich  Kraft  wie  Magnetismus  von  ihm  aus  zu  rechnen. 
Uebrigens  ist  es  zur  einfachen  Constatirung  der  in  Rede 
stehenden  Thatsache  nicht  nöthig,  die  Tabellen  Warburg's 
zu  berechnen;  seine  graphischen  Darstellungen  zeigen  schon 
deutlich,  dass  nur  der  steigende,  nicht  aber  der  fallende 
Zweig  der  Curven  einen  Inflexionspunkt  besitzt.  Ich  habe, 
um  eine  weitere  Bestätigung  zu  erlangen,  schliesslich  noch 
für  den  von  mir  benutzten  Hohlstab  mit  der  möglichsten 
Genauigkeit  die  Curve  der  Normalmagnetismen  für  ver- 
schiedene Kräfte  bestimmt,  indem  ich  mich  des  oben  (12) 
angegebenen  Verfahrens  bediente.  Ich  fand,  dass  der 
Quotient  m :  i  (welcher  mit  dem  Quotienten  t :  i  identisch 
war)  für  alle  Werthe  von  i,  abgesehen  von  kleinen,  unregel- 
mässigen Schwankungen,  denselben  Werth  hatte,  und  dass, 
wenn  ich  nun  noch  grössere  t  anwendete,  der  Quotient  t:i 
sofort,  wenn  auch  sehr  langsam,  abnahm. 

Nach  Feststellung  dieser  Thatsache  liegt  es  nahe,  in  der 
Nachwirkung  der  Kraft  Null  (oder  irgend  einer  anderen  An- 
fangskraft) auf  die  steigenden  magnetischen  Zustände  die 
Ursache  des  anfangs  immer  schnelleren  Steigens  derselben  zu 
suchen.  In  der  That  muss  diese  Nachwirkung  die  Magne- 
tismen herabdrücken,  und  zwar  anfangs  stärker  als  später, 
einmal  weil  der  EinÜuss  der  Kraft  Null  kleiner  und  kleiner 
wird  und  zweitens,  weil  die  für  kleine  Kräfte  einflusslosen 
Zwischenkräfte  für  grössere  Kräfte  einen  wenn  auch  kleinen, 
erhöhenden  Einnuss  erlangen.  Da,  wo  die  Nachwirkung  von 
dem  Einflüsse  der  beginnenden  magnetischen  Sättigung  an- 
fängt übertroffen  zu  werden,  liegt  der  -Inflexionspunkt  der 
Curve.  Umgekehrt  verhält  es  sich  bei  fallenden  Kräften; 
hier  wirken  die  Entfernungen  von  dem  Sättigungszustande 
und  die  Nachwirkung  der  grösseren  Kräfte  auf  die  kleineren 
in  gleichem  Sinne;  beide  bewirken,  dass  die  Magnetismen 
schneller  und  schneller  fallen;  es  kann  daher  ein  Inflexions- 
punkt nicht  entstehen. 

22.  Es  wurde  oben  (15)  darauf  hingewiesen,  dass  die  Curven 
der  Wirkung  und  der  Nachwirkung  magnetischer  Kräfte  die 
nämliche  Gestalt  besitzen.   Wenn  diese  Uebereinstimmung 


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330  F.  Auerbach. 

in  qualitativer  Hinsicht  eine  vollständige  sein  soll,  so  müssen 
auch  die  Nachwirkungscurven  von  dem  Inflexionspunkte  aus 
zunächst  zunehmend  steigen,  resp.  fallen  und  erst  dann,  nach- 
dem auf  jeder  Seite  ein  weiterer  Infiexionspunkt  erreicht  is^ 
in  abnehmendem  Maasse.  Ich  wies  oben  bereits  auf  meine 
Versuche,  dies  zu  entscheiden,  hin.  In  der  That  habe  ich 
bei  Erhöhung  der  Genauigkeit  der  Versuche  eine  solche 
Gestalt  immer  dann  erhalten,  wenn  es  nicht  vollständig  ge- 
lungen war,  die  Nachwirkung  der  Kraft  J  von  jeder  anderen 
Nachwirkung  befreit  zu  erhalten.  Gelang  dies  aber  durch 
jedesmalige  sorgfältige  Herstellung  der  Normalwirkung  der 
nachwirkenden  Kräfte,  so  nahm  die  Curve  die  einfachere  Ge- 
stalt an,  die  Nachwirkung  wuchs  proportional  und  dann 
langsamer  und  langsamer,  gerade  wie  die  Wirkung  selbst, 
d.  h.  der  Magnetismus  sich  nach  dem  Obigen  verhält,  wenn 
jedesmal  sein  Normalwerth  hergestellt  wird. 

23.  Es  bleibt  mir  übrig,  theils  als  Belege  für  die  ange- 
führten Erscheinungen,  theils  um  ihrer  selbst  willen  einige 
quantitative  Angaben  zu  machen.  Ich  muss  um  Nach- 
sicht bitten,  wenn  ich  diese  Mittheilung  noch  verschiebe. 
Es  scheint  mir  wünschenswerth,  die  mir  vorliegenden 
Messungen  theils  durch  noch  exactere  zu  ersetzen,  theils  zu 
vervollständigen,  namentlich  in  Hinsicht  des  stofflichen 
Materials.  Messungen  im  Gebiete  der  magnetischen  Nach- 
wirkung sind  ausserordentlich  zeitraubend;  es  lässt  sich  das 
beispielsweise  daraus  ersehen,  dass  jede  einzelne  Messung, 
z.  B.  die  eines  Magnetismus,  in  eine  grosse  Anzahl  von 
Messungen  zerfällt,  falls  es  darauf  ankommt,  nicht  den 
Magnetismus  schlechthin,  sondern  seinen  Normalwerth  zu 
erhalten.  Auch  sind  zur  exacten  Bestimmung  der  ver- 
schiedenen Grössen  mehrfache  und  ausgedehnte,  gut  ver- 
glichene Widerstandsscalen  erforderlich.  Ich  hoffe  trotzdem 
in  kurzem  einige  zuverlässige  Messungen  angeben  und  an 
diese  interessante  quantitative  Betrachtungen  zur  Vervoll- 
ständigung obiger  qualitativer  anknüpfen  zu  können.  Hier 
will  ich  nur  eins  hervorheben:  Die  magnetische  Nach- 
wirkung ist  durchaus  nicht  sehr  klein  gegen  die 
magnetische  Wirkung  derselben  Kraft;  das  Einzige, 


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Ph.  v.  Jolly, 


331 


was  sich  allgemein  sagen  Iiis  st,  ist.  dass  die  Nachwirkung 
stets  kleiner  als  die  Wirkung  ist;  zwischen  dieser 
Grenze  und  der  Grenze  Null  kann  sie  alle  Werthe  annehmen ; 
ja,  wie  hervorgehoben,  ist  es  sogar  nicht  leicht,  der  Grenze 
Null  nahe  zu  kommen. 

24.  Was  endlich  die  Frage  nach  der  inneren  Natur  der  mag- 
netischen Nachwirkung  betrifft,  so  kann  derselben  erst  nach 
Betrachtung  sämmtlicher  einschlägiger  Erscheinungen,  insbe- 
sondere der  magnetischen  Nachwirkung  erster  Art,  näher 
getreten  werden.  Der  Zweck  der  vorliegenden  Abhandlung 
ist  nur,  zu  zeigen,  welche  Vereinfachung  die  Einführung  des 
vorläufig  unbestimmt  bleibenden  Begriffes  der  Nachwirkung 
in  die  Beschreibung  der  magnetischen  Erscheinungen  bringt, 
und  welche  diejenige  Vereinfachung  naturgemäss  noch  be- 
deutend übertrifft,  welche  schon  bisher  durch  Einführung  des 
Begriffs  des  temporären  Magnetismus,  als  der  Differenz  aus 
ganzem  und  zurückbleibendem,  vielfach  erreicht  worden  ist. 

Breslau,  26.  Juli  1881. 


IX.    Die  Anwendung  der  Wage  auf  Probleme  der 
Gravitation;  von  Ph.  v.  Jolly. 

Zweite  Abhandlung. 

(Aus  den  Abh.  d.  k."  bayer.  Acad.  d.  Wiss.  II.  Cl.  14.  Bd.  II.  Abth.;  mit- 

getheilt  vom  Hrn.  Verf.) 


Die  mittlere  Dichtigkeit  der  Erde. 

In  einer  ersten  Abhandlung1)  über  die  Anwendung  der 
Wage  auf  Probleme  der  Gravitation  habe  ich  einerseits  die 
Resultate  des  Studiums  dieses  Messinstrumentes,  und  anderer- 
seits eine  Anwendung  desselben  zum  Nachweis  der  Gewichts- 
abnahme der  Körper  mit  ihrer  Entfernung  vom  Erdmittel- 
punkte mitgetheilt.    Es  war  mir  seither  Gelegenheit  gegeben, 

1)  Ch.  v.  Jolly,  Abhand.  der  k.  bayer.  Acad.  d.  Wiss.  II.  Cl.  18. 


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332 


Ph.  v.  Joüy 


die  Versuche  in  grösserem  Maasstabe  zu  wiederholen  und 
Abänderungen  der  Versuche  in  einer  am  Schlüsse  der  frühe- 
ren Abhandlung  angedeuteten  Weise  eintreten  zu  lassen. 

Die  Räumlichkeiten,  die  mir  durch  die  Liberalitat  der 
Universitätsverwaltung  zur  Verfügung  gestellt  wurden,  waren 
die  eines  von  drei  Seiten  freistehenden  Thurmes.  Das  Stie- 
genhaus ist  geräumig,  die  Treppen  sind  an  den  Umfassungs- 
mauern in  die  Höhe  geführt  und  lassen  in  der  Mitte  einen 
freien  Raum  von  1,5  m  Seite  und  25  m  Höhe.  Wage  und 
Ablesefernrohr  wurden  oben  erschütterungsfrei  aufgestellt. 
Von  jeder  der  oberen  Schalen  führte  ein  Draht,  geschützt 
durch  eine  Röhre  von  Zinkblech,  durch  das  Stiegenhaus 
herab.  An  den  unteren  Enden  waren  zweite  Schalen  auf- 
gehängt. Der  Abstand  der  oberen  und  unteren  Schalen 
ergab  sich,  mit  einem  Stahlmessband  gemessen,  zu  21,005  m. 
Der  Thurm  steht  auf  massivem  Boden,  er  ist  nicht  unter- 
wölbt. Der  Abstand  des  unteren  Wagekastens  vom  Fuss- 
boden des  Thurmes  ist  1,02  m.  Es  war  also  Raum  zum 
Aufbau  einer  Bleikugel  von  1  m  Durchmesser  unter  einer 
der  unteren  Wagschalen  gegeben. 

Ein  Körper  von  der  oberen  Schale  in  die  untere  Schale 
gebracht,  erfährt  in  all  seinen  Punkten  eine,  der  Annäherung 
an  den  Erdmittelpunkt  entsprechende  Gewichtszunahme. 
Seine  Gewichtszunahme  ist  entsprechend  seiner  Beschleuni- 
gungszunahme. Zeigt  sich  eine  Differenz  zwischen  Rech- 
nung und  Beobachtung,  so  ist  die  Ursache  der  Abweichung 
aufzusuchen. 

Wird  unter  der  einen  der  unteren  Schalen  eine  Blei- 
kugel aufgestellt,  so  wird  ein  von  der  oberen  in  die  untere 
Schale  gebrachter  Körper  eine  weitere  Beschleunigungszu- 
nahme erfahren,  welche  durch  die  Annäherung  des  Körpers 
an  den  Mittelpunkt  der  Bleikugel  bedingt  ist.  Sein  Gewicht 
wird  also  grösser  werden  als  dies  ohne  den  Zug  der  Blei- 
kugel der  Fall  wäre.  Die  Differenz  der  Gewichtszunahmen 
mit  und  ohne  unterlegte  Bleikugel  bezeichnet  die  Grösse 
des  Zuges  der  Bleikugel,  und  der  Quotient  dieses  Zuges  und 
des  Zuges  der  Erde  allein  gibt  unter  Benutzung  des  Gra- 
vitationsgesetzes das  Mittel  ab,  die  Dichtigkeit  der  Erde 


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PK  v.  Jolly.  333 

mit  der  Dichtigkeit  des  .Bleies,  und,  da  die  Dichtigkeit  des 
Bleies  bekannt  ist,  die  mittlere  Dichtigkeit  der  Erde  zu  be- 
stimmen. 

In  der  Beurtheilung  der  Versuchsresultate  ist  in  An- 
schlag zu  bringen,  dass  München  auf  einer  Hochebene  ge- 
legen ist  und  eine  Höhe  von  515  m  über  der  Meeresober- 
fläche besitzt. 

Im  allgemeinen  sind  folgende  Fälle  zu  unterscheiden: 

1.  Fall.  Der  Beobachtungsort  liegt  auf  einer  Tiefebene 
von  nur  unbedeutender  Erhebung  über  dem  Meeresniveau. 

Bezeichnet  h  den  senkrechten  Abstand  der  oberen  von 
der  unteren  Schale,  R  den  Radius  der  Erde,  g  die  Beschleu- 
nigung eines  Punktes  in  der  Entfernung  R  vom  Erdmittel- 
punkt, g  die  Beschleunigung  in  der  Entfernung  R  +  A,  so 
hat  man  nach  dem  Gravitationsgesetz: 

g_  _  (R  +  hy  _  2Ä 
*  R^  R  ' 

wobei  h2/R2  als  eine  im  Verhältniss  zu  h/R  sehr  kleine 
Grösse  weggelassen  ist. 

Da  die  Gewichte  gleicher  Massen  proportional  der  Be- 
schleunigung ihrer  Punkte  sind,  so  hat  man,  wenn  durch  Q 
und  Q  die  Gewichte  eines  Körpers  in  der  unteren  und 
oberen  Station  bezeichnet  werden: 

+  also:  Q-e-**«'. 

2.  Fall.  Der  Beobachtungsort  liegt  auf  einer  Hoch- 
ebene von  der  Höhe  H  über  dem  Meeresniveau. 

Die  Beschleunigung  g  eines  Punktes  der  Hochebene  in 
der  Richtung  nach  dem  Erdmittelpunkte  setzt  sich  zusammen 
aus  der  Beschleunigung  durch  die  Schwere  der  Erde  in  der 
Entfernung  R  -f  Hy  und  aus  der  Resultirenden  der  aus  den 
materiellen  Punkten  des  Festlandes  in  gleicher  Richtung  be- 
wirkten Beschleunigung.  Bezeichnet  wieder  g  die  Beschleu- 
nigung am  Meeresniveau,  und  y  die  durch  den  Zug  des  Fest- 
landes bewirkte  Beschleunigung,  so  hat  man: 

R*  (*  2H\ 


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334 


Ph.  v.  Jolly. 


Schon  Poisson1)  hat  gelegentlich  der  Feststellung  des 
Einflusses  des  Festlandes  auf  die  Länge  des  Secundenpendels 
den  Werth  von  y  unter  Voraussetzung  gleichförmiger  Er- 
hebung und  gleichförmiger  Dichtigkeit  des  Festlandes  in 
Rechnung  gezogen.  Werden  die  Ordinaten  eines  Punktes 
des  Festlandes  von  dem  in  der  Hochebene  gelegenen  Punkte 
aus  nach  dem  Erdmittelpunkte  mit  x  und  in  der  dazu  senk- 
rechten Richtung  mit  y  bezeichnet,  so  ist  die  Resuitirende 
des  Zuges  eines  Ringes  vom  Radius  y,  der  Breite  dy  und 
der  Höhe  dx\ 

,  2nyxdxdy 
P*     (ya  +  ara)3  9 

wo  p  den  Zug  eines  Punktes  in  der  Entfernungseinheit,  und 
g  die  mittlere  Dichtigkeit  des  Festlandes  bezeichnet.  Das 
Integral  dieses  Ausdruckes,  in  den  Grenzen  #=0  bis  z=H, 
und  y=0  bis  y  —  A  genommen,  gibt: 

y  =p.2nQ'{A  +  H  -  Y  A2  +  W) . 
Ist  die  Höhe  des  Festlandes  nur  klein  im  Verhältniss 
zur  horizontalen  Ausdehnung  desselben,  so  kann  H2  gegen 
A2  vernachlässigt  werden,  und  man  erhält: 

y  =  p  2n  g  H. 

Die  Beschleunigung  eines  in  senkrechtem  Abstände  A 
über  dem  Festlande  gelegenen  Punktes  wird  durch  Integra- 
tion in  den  Grenzen  x  —  H  und  x  =  H  4-  Ä  erhalten.  In 
dem  Falle,  in  welchem  auch  11+  k  klein  ist  im  Vergleiche 
zur  horizontalen  Ausdehnung  des  Festlandes,  erhält  man 
wieder: 

y  =  p2n g  H. 

Für  nur  kleine  Abstände  von  der  Oberfläche  ist  also  y 
unabhängig  von  dem  Abstände  h  vom  Festlande. 

Die  Beschleunigung  g,  welche  ein  Punkt  im  Meeres- 
niveau durch  den  Zug  der  Punkte  der  Erde  vom  Radius  R 
und  der  mittleren  Dichtigkeit  g  erfährt,  ist  nach  dem  Gra- 
vitationsgesetz :  g  —p\nRg. 

Der  Quotient  von  y  und  g  ist: 

  9      2  Q  B 

1)  Poisson,  Trait6  de  Mecanique  V  p.  492. 


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Ph.  v.  Jolly.  335 

Führt  man  den  hieraus  hervorgehenden  Werth  von  y  in 
die  Gleichung  von  g  ein,  so  erhält  man: 

In  der  senkrechten  Höhe  A  über  dem  Pestlande  ist  die 
Beschleunigung: 

indem  der  Werth  von      wenn  h  nur  klein  ist,  gegen  die 
horizontale  Ausdehnung  des  Festlandes  ungeändert  bleibt. 
Der  Quotient  von  g  und  g"  ist: 

S*      1     M\*     2  q)  -  2A 

wobei  alle  Glieder  mit  Potenzen  von  hjR  und  von  HhjR1  als 
sehr  klein  gegen  A/Ä  weggelassen  sind. 

Bezeichnet  man  die  Gewichte  eines  Körpers  in  der  un- 
teren und  in  der  oberen  Station  durch  Q'  und  Q",  so  er- 
hält man: 

f  =  l+2J,     also  C-Q"=2Ä/. 

Der  Einfiuss  der  Centrifugalkraft  ist  dabei,  wie  im 
Falle  I,  ausser  Betracht  gelassen,  weil  die  Beschleunigung 
durch  die  Centrifugalkraft  an  sich  ein  so  kleiner  Bruchtheil 
der  Schwere  ist,  dass  die  Differenz  der  Beschleunigungen 
durch  die  Centrifugalkräfte  in  der  oberen  und  unteren  Station 
und  die  hiermit  in  Verbindung  stehende  Gewichtsänderung 
mit  Wagen  dermaliger  Construction  nicht  mehr  zu  erken- 
nen ist. 

3.  Fall  Der  Beobachtungsort  liegt  auf  einem  Fest- 
lande unregelmässiger  Gestalt  in  der  Höhe  H  über  dem 
Meeresniveau. 

Legt  man  durch  den  Beobachtungsort  eine  zum  Radius  der 
Erde  senkrecht  stehende  Ebene,  so  erhält  man  einen  unter  und 
einen  über  dieser  Ebene  liegenden  Theil  des  Festlandes  und 
der  Objecto,  Häuser  etc.,  die  es  trägt.  Statt  der  irgendwie 
vertheilt  liegenden  Punkte  des  über  und  unter  der  Ebene 


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336 


Ph.  v.  Jolly. 


gelegenen  Festlandes  kann  eine  Masse  von  der  mittleren 
Dichtigkeit  q  und  der  Höhe  H  über  dem  Meere  substituirt 
gedacht  werden,  welche  eine  den  zerstreut  liegenden  Punk- 
ten gleich  wirkende  Beschleunigungscomponente  besitzt,  und 
ebenso  können  die  über  der  Ebene  zerstreut  liegenden  und 
aufwärts  ziehenden  Punkte  durch  eine  Masse  von  der  mitt- 
leren Dichtigkeit  q"  eretzt  gedacht  werden. 

Um  noch  genauer  an  die  bei  den  Versuchen  vorliegen- 
den Bedingungen  anzuschliessen,  soll  q"  die  mittlere  Dich- 
tigkeit der  Schicht  vom  Orte  der  Beobachtung  aus  bis  zur 
Höhe  h  bezeichnen,  während  durch  g  die  Beschleunigung  am 
Meeresniveau,  durch  g  die  eines  Punktes  des  Festlandes  in 
der  Höhe  H  und  durch  g"  die  in  der  Höhe  h  über  dem  Fest- 
landspunkte ausgedrückt  wird. 

Die  Beschleunigung  g  unterscheidet  sich  von  der  im 
Falle  2  bestimmten  dadurch,  dass  sie  um  den  Betrag  der 
Componente  des  Zugs  der  in  der  Höhenschicht  h  gelegenen 
Punkte,  und  ferner  um  den  Betrag  der  etwa  über  k  gelege- 
nen Punkte  vermindert  wird.    Ihr  Ausdruck  hat  die  Form: 

wo  y  und  /  die  Beschleunigungen  bezeichnen,  welche  die  in 
der  Schicht  von  der  Höhe  A,  und  die  höher  als  h  gelegenen 
Punkte  erzeugen. 

Die  Beschleunigung  eines  in  der  Höhe  h  über  dem  Aus- 
gangspunkte gelegenen  Punktes  ist  ausgedrückt  durch: 

indem  die  aus  den  Punkten  der  Schicht  von  der  Höhe  h 
hervorgehende  Componente  gleiche  Richtung  mit  dem  Zuge 
der  Schwere  der  Erde  besitzt. 

Aus  der  Verbindung  der  Gleichungen  für  g  und  <f 
leitet  sich  ab: 


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/%.  v.  Jolly. 


337 


wo  wieder  die  Glieder  mit  höheren  Potenzen  von  h/R  gegen 
die  mit  h/R  vernachlässigt  sind. 

Bezeichnen  wieder  Q'  und  Q"  die  Gewichte  gleicher 
Massen  in  der  unteren  und  oberen  Station,  so  hat  man: 

q-  «'2i(i-4v)' 

4.  Fall.  Der  Beobachtungsort  ist  auf  einer  Hochebene 
in  der  Höhe  H  über  dem  Meeresniveau  gelegen.  Unter  einer 
der  unteren  Schale  ist  eine  Bleikugel  vom  Radius  r  aus 
Bleibarren  aufgebaut.  Auf  der  Schale  befindet  sich  ein  mit 
Quecksilber  gefüllter  Glaskolben.  Der  Glaskolben  hat  Kugel- 
gestalt, und  der  Abstand  des  Mittelpunktes  dieser  Kugel 
vom  Mittelpunkte  der  Bleikugel  ist  a. 

Nach  dem  Gravitationsgesetz  ist  die  von  der  Bleikugel 
in  der  Entfernung  a  erzeugte  Beschleunigung: 

wo  p  die  von  einem  Punkte  in  der  Entfernungseinheit  er- 
zeugte Beschleunigung  und  S  die  Dichtigkeit  des  Bleies  be- 
zeichnet. 

Die  Beschleunigung  eines  in  der  senkrechten  Höhe  «  +  r 
über  der  Hochebene  gelegenen  Punktes  durch  den  Zug  der 
Erde  ist  unter  Berücksichtigung  des  Zuges  der  Hochebene 
im  Falle  2  gefunden  zu: 

,-,(i_,2±i±d  +  Jf}). 

Die  Beschleunigung  g  am  Meeresniveau  lässt  sich  nach 
dem  Gravitationsgesetz  ausdrücken  durch: 

g  =p\nR(). 

Man  erhält  durch  Einführung  dieses  Werthes  in  der 
Gleichung  für  g"  für  den  Quotienten  p,  und  g"\ 

ju        rÖ  r* 

wo  wieder  alle  Glieder  weggelassen  sind,  in  welchen  im  Nen- 
ner R  mit  einer  höheren  Potenz  als  der  ersten  auftritt. 

Bezeichnet  m  die  Masse  des  Quecksilbers,  so  ist  mp.  das 
Gewicht,  welches  unter  alleinigem  Zuge  der  Bleikugel,  und 

Ann.  d.  Phj».  u.  Chem.  N.  f.  XIV.  22 

A 

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33« 


Ph.  v.  Jolly. 


mg"  das  Gewicht,  welches  unter  alleinigem  Zuge  der  Erde 
die  Quecksilberkugel  besitzt.  Werden  mit  q  und  Q  diese 
Gewichte  bezeichnet,  so  erhält  man: 

Jt  «  isr-  •  ^5     una  hieraus     ö  —  r£ •  •  -§ .  —  • 
Q      Rq   a*  R    al  q 

Die  Wag  e. 

Die  Leistungsfähigkeit  der  Wage  ist  bedingt  durch 
Empfindlichkeit  und  Richtigkeit  derselben.  Nach  beiden 
Richtungen  ist  demnach  die  Wage  zu  prüfen. 

Die  Wage,  die  ich  benutzte,  ist  für  eine  Maximal- 
belastung von  5  kg  construirt.  Die  Länge  des  Balkens  ist 
60  cm,  sein  Gewicht  ist  724  g.  In  der  Mitte  und  senkrecht 
zur  Länge  des  Balkens  ist  ein  kleiner  Spiegel  mit  dem  Bal- 
ken verbunden.  Dem  Spiegel  gegenüber  ist  in  einer  Ent- 
fernung von  3,5  m  eine  in  Millimeter  getheilte  Scala  aufge- 
stellt, und  die  Ablesung  erfolgt  mit  dem  Ablesefernrohr. 

Die  Durchbiegung  des  Balkens,  welche  unter  einer  Be- 
lastung von  5  kg  eintritt,  hat  zum  Erfolg,  dass  die  End- 
schneiden und  Mittelschneide  nicht  mehr  in  gleicher  Ebene 
liegen;  die  Empfindlichkeit  der  Wage  wird  hierdurch  be- 
trächtlich vermindert.  Die  Durchbiegung  wurde  zunächst 
durch  directe  Messung  ermittelt.  Die  eine  der  Endschneiden 
lag  an  einer  unveränderlich  befestigten  Achatplatte,  die  andere 
wurde  mit  5  kg  belastet.  Die  Durchbiegung,  gemessen  unter 
Anwendung  eines  Fühlhebels,  ergab  sich  zu  0,52  mm,  betrug 
also  auf  jeder  Seite  0,26  mm.  Metallplättchen  gleicher  Dicke 
wurden  zur  Erhöhung  der  Schneiden  den  Endprismen  unter- 
legt. Die  Empfindlichkeit  der  Wage  zeigte  sich  bei  der 
mit  5  kg  belasteten  Wage  nahezu  übereinstimmend  mit  der 
der  nicht  belasteten  Wage.  Ein  Zulagegewicht  von  10,068  mg 
bewirkte  bei  der  Maximalbelastung  von  5  kg  einen  Ausschlag 
von  26,54  mm. 

Zu  Gewichtsstücken  wurden  mit  Quecksilber  gefüllte 
Glaskolben  benutzt.  Die  Luftgewichte  wurden  unter  Anwen- 
dung des  von  Regnault  für  Gas  wägungen  angegebenen 
Verfahrens  eliminirt,  d.  h.  es  wurden  zunächst  vier  Glas- 
kolben von  gleichem  Volumen  und  gleichem  Gewicht  herge- 


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Pk.  v.  Jolhj. 


339 


stellt.  Zwei  der  Kolben  wurden  mit  Quecksilber  gleichen 
Gewichtes  gefüllt,  und  hierauf  wurden  alle  vier  Kolben  an 
der  Glasbläserlarape  zugeschmolzen.  Die  vier  Kolben  in  den 
vier  Wagschalen  verdrängen  also  rechts  und  links  stets 
gleiche  Luftgewichte,  welches  auch  immer  die  Aenderung 
des  Barometerstandes  etc.  sein  mag. 

Die  Thüren  des  oberen  und  der  unteren  Wagekasten 
sind  in  der  Art  construirt,  dass  die  Fugen  durch  Gummi- 
bänder geschlossen  werden  konnten,  ähnlich  wie  Deckel  und 
Büchse  durch  Anlegung  breiter  Gummibänder  verbunden 
werden. 

Das  Versuchsverfahren  ist  höchst  einfach.  In  einem 
ersten  Falle  sind  die  beiden  gefüllten  Kolben  in  den  oberen 
»Schalen,  die  leeren  in  den  unteren,  während  in  einem  zweiten 
Falle  einer  der  Kolben  der  oberen  Station  mit  dem  leeren 
Kolben  der  unteren  Station  vertauscht  wird,  also  eine  An- 
näherung an  den  Erdmittelpunkt  erfährt,  der  gleich  ist  dem 
senkrechten  Abstände  der  beiden  Schalen.  Die  Gewichts- 
zunahme, die  hiermit  eintritt,  wird  durch  Zulagegewichte 
bestimmt.  Die  Gewichtsstücke,  die  ich  als  Zulagegewichte 
verwendete,  sind  Platinbleche  von  50,  20  und  10  mg.  Die  Ab- 
weichungen des  Nominalwerthes  dieser  Gewichtsstücke  von 
ihrem  wirklichen  Werthe  wurden  unter  Zugrundelegung  eines 
Normalkilogramms,  einer  Copie  des  Berliner  Kilogramms,  be- 
sonders ermittelt.  Es  ergab  sich,  in  Milligrammen  ausgedrückt: 


Bei  allen  exacten  Messungen  nehmen  die  Orientirungs- 
versuche  die  grössere  Zeit  und  Mühe  in  Anspruch.  Es 
kommt  eben  darauf  an,  die  unvermeidlichen  Fehlerquellen 
aufzudecken  und  zuzusehen,  auf  welche  Grenzen  dieselben 
eingeengt  werden  können.  Es  war  vorauszusehen,  dass  in 
den  21  m  langen  Röhren,  die  den  oberen  und  unteren  Wage- 
kasten verbinden,  die  Luft  nur  schwierig  in  einem  für  exacte 
Wägungen  genügend  ruhigen  Zustand  sich  erhalten  lasse. 
In  der  That  kam,  so  lange  die  unteren  Wagschaien  in  ge- 
meinsamen Wagekasten  aufgehangen  waren,  die  Wage  gar 
nicht  zum  Ausschwingen.    Erst  nachdem  für  jede  der  unte- 


4 


Nominal  werth  50 
Wirklicher  Werth    5  »,025  2 


20  10 
20,058  10,068 


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340 


Ph.  v.  Jolly 


ren  Schalen  besondere  Kasten  benutzt,  und  die  Fugen  der 
Wagethüren  durch-  Gummibänder  geschlossen  waren,  konnte 
die  Wage  zum  Ausschwingen  gebracht  werden.  Aber  auch 
jetzt  noch  erzeugten  kleine  Temperaturdifferenzen,  wie  solche 
etwa  durch  Anlegen  der  Hand  an  einer  der  Röhren  ein- 
treten, erneuert  Schwingungen  des  Wagebalkens.  Die  Röh- 
ren wurden  daher  mit  schlechten  Wärmeleitern  umgeben, 
nämlich  in  Stroh  eingebunden;  und  die  Wagekasten  wurden 
mit  Pappkasten  überstülpt.  Die  Schwingungen  der  Wage 
verlaufen  nun  in  grosser  Regelmässigkeit,  und  die  aus  den 
Schwingungsbogen  abgeleiteten  Einsteliungspunkte  zeigten 
nach  wiederholten  Arretirungen  und  Auslösungen  keine  Dif- 
ferenzen, die  2  mm  überschreiten,  sich  aber  oft  nur  in  den 
Zehnteln  der  Millimeter  bewegen.  Doch  ist  auch  hier  ein 
Ausnahmsfall  namhaft  zu  machen.  Mit  jeder  rasch  sich  voll- 
ziehenden Aenderung  des  Hygrometerstandes,  und  ebenso 
mit  jeder  raschen  Temperaturänderung  des  Beobachtungs- 
raumes treten  wieder  Unregelmässigkeiten  in  den  Schwin- 
gungen ein.  Sie  kennzeichnen  sich  dadurch,  dass  nach  wie- 
derholten Arretirungen  und  Auslösungen  die  aus  den  Schwin- 
gungsbogen abgeleiteten  Einstellungen  grössere  Abweichungen, 
zuweilen  bis  zu  10  mm,  zeigen.  An  solchen  Tagen  ist  über- 
haupt eine  exacte  Wägung  nicht  ausführbar. 

Der  Einfluss  raschen  Wechsels  im  Feuchtigkeitsgehalt 
und  in  der  Temperatur  des  Beobachtungsraumes  auf  die 
Einstellung  der  Wage  wurde  einem  eingehenden  Studium 
unterzogen.  Die  relative  Feuchtigkeit  des  Beobachtungs- 
raumes ist  an  sich  beträchtlich,  sie  ist  im  Mittel  740/0-  Die 
geringste,  innerhalb  eines  Jahres  beobachtete  Feuchtigkeit 
war  57  °/0 ,  die  höchste  94  %•  Oft  ist  wochenlang  der  Hygro- 
meterstand nur  Schwankungen  von  wenigen  Procenten  unter- 
worfen, dann  folgen  Tage  mit  schroffen  Uebergängen,  sodass 
im  Verlaufe  von  sechs  Stunden  Differenzen  bis  zu  14% 
auftreten  können.  Man  kann  bei  sehr  hohen  und  bei  ge- 
ringeren Hygrometerständen  gleich  exacte  Wägungen  aus- 
führen, nur  die  eine  Bedingung  eines  anhaltend  gleichen 
Hygrometerstandes  muss  erfüllt  sein.  Werden  in  dem  oberen 
und  in  dem  unteren  Wagekasten  Schalen  mit  Chlorcalcium 


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Ph.  v.  Jolly. 


341 


aufgestellt,  so  sinkt  die  relative  Feuchtigkeit  der  in  der 
Wage  enthaltenen  Luft  auf  beiläufig  40%  zurück,  während 
die  Luft  im  äusseren  Räume  noch  70°/0  zeigt.  Die  Wage 
ist  eben  selbst  unter  Anwendung  des  Verschlusses  mit 
Gummibändern  nicht  luftdicht  verschlossen,  durch  Diffusion 
treten  fortdauernd  Dämpfe  ein,  ein  rascher  Wechsel  des 
Feuchtigkeitsgehaltes  des  äusseren  Raumes  macht  sich  da- 
her, wenn  auch  im  verminderten  Grade  im  Inneren  der 
Wage  geltend,  und  die  Verschiedenheiten  in  der  Einstel- 
lung der  Wage  sind  in  der  relativ  trockenen  Luft  beinahe 
von  gleichem  Betrage  wie  in  der  nicht  ausgetrockneten 
Luft. 

Rasch  sich  vollziehende  Temperaturwechsel  sind  ebenso 
von  merkbarem  Einfluss  auf  die  Einstellung  der  Wage. 
Ein  sehr  einfacher  Versuch  macht  den  Einfluss  der  Tera- 
peraturdifferenz  der  Gewichtsstücke  auf  den  Ausschlag  der 
Wage  erkennbar.  Die  Temperaturerhöhung,  welche  einem 
der  Gewichtsstücke  durch  die  Handwärme  in  wenigen  Secun- 
den  ertheilt  wird,  ist  ausreichend  um  das  Gewichtsstück 
scheinbar  leichter  erscheinen  zu  lassen.  Erst  wenn  wieder 
Gleichheit  der  Temperatur  der  Stücke  rechts  und  links  ein- 
getreten ist,  spielt  die  Wage  wieder  an  derselben  Stelle 
ein.  Ist  die  Temperatur  der  einen  der  Röhren  der  Wage 
auch  nur  eben  nachweisbar  höher  wie  die  der  anderen  Röhre, 
so  ändert  sich  der  Ausschlag  der  Wage  im  Sinne  einer  Ge- 
wichtsabnahme der  relativ  wärmeren  Seite.  Inwieweit  diese 
Abnahme  durch  Strömungen  der  Luft  oder  durch  die  an 
der  Oberfläche  haftenden,  durch  die  Temperatur  bedingten 
Mengen  von  Luft  und  Dampf  bewirkt  sind,  bleibt  dabei 
unerörtert.  Vielleicht  gibt  die  bekannte  Erscheinung  eines 
gut  ausgekochten  Barometers  eine  Vorstellung  von  der  Ur- 
sache des  eintretenden  Wechsels  der  Gewichte,  stets  zeigen 
sich  in  der  Barometerleere  die  Quecksilberdämpfe  an  der 
relativ  kälteren  Stelle  der  Glasröhre  reichlicher  condensirt. 
Wie  dem  immer  sein  mag,  je  gleichförmiger  und  unverän- 
derlicher die  Temperatur,  um  so  unveränderlicher  ist  auch 
die  Stelle  des  Einspielens  der  Wage. 

Die  Aufstellung  der  Wage  im  Thurm  bringt  es  mit 


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342 


Ph.  v.  Jolly, 


sich,  dass  die  eine  der  Röhren  den  Fenstern  des  Thurmes. 
die  andere  der  Wand  näher  gelegen  ist.  Bei  stetigem  Sin- 
ken der  äusseren  Temperatur  sinkt  auch  die  Temperatur  im 
Thurm,  aber  rascher  in  der  den  Fenstern  näher  stehenden 
Röhre.  Der  Unterschied  ist  unbedeutend,  aber  erkennbar 
am  Thermometer,  er  verschwindet,  wenn  die  äussere  Tem- 
peratur sich  nur  unbedeutend  und  sehr  allmählich  ändert. 
Die  Einstellung  der  Wage  ändert  sich  in  entsprechender 
Weise;  sinkt  die  äussere  Temperatur,  so  verschiebt  sich 
der  Einstellungspunkt  in  dem  Sinne  einer  Gewichtszunahme 
auf  der  Seite  der  tieferen  Temperatur.  Der  Verlauf  kehrt 
sich  um  bei  wachsender  Temperatur.  An  Tagen  geringer 
Temperaturwechsel,  bei  ruhiger  Luft  und  bedecktem  Him- 
mel sind  die  Abweichungen  in  der  Einstellung  der  Wage 
nach  wiederholten  Arretirungen  und  Auslösungen  am  kleinsten. 

Eine  Vergleichung  der  der  Zeit  nach  weit  auseinander 
liegenden  Beobachtungen  zeigt  Verschiedenheiten  in  der  Ein- 
stellung der  Wage,  die  bald  nach  der  einen,  bald  nach 
der  anderen  Seite  hin  liegen,  und  die  weder  von  der  Tem- 
peratur, noch  von  einer  etwaigen  Aenderung  der  Prismen- 
schneiden abhängen.  Sie  treten  sehr  deutlich  in  Beobach- 
tungen auf,  die  um  ein  halbes  Jahr  auseinander  liegen,  die 
etwa  bei  gleichen  Temperaturen,  im  Frühjahr  und  im  Herbst, 
gemacht  sind,  und  haben  ohne  Zweifel  ihren  Grund  in  der 
Oxydation  der  Aufhängedrähte.  Die  Drähte  sind  von  Mes- 
sing und  sind  galvanoplastisch  vergoldet.  Die  unvermeidlichen 
Biegungen  und  Wiedergeraderichtung  der  Drähte  bringt  es 
mit  sich,  dass  der  galvanoplastische  Ueberzug  nicht  genügend 
intact  bleibt.  Platindrähte  würden  solche  Aenderungen  aus- 
schliessen.  Ich  bin  nicht  zur  Anwendung  derselben  über- 
gegangen, indem  es  sich  zeigte,  dass  die  Oxydationen  nicht 
stetig  fortschreitend,  sondern  periodisch,  meistens  nach  höhe- 
ren Hygrometerständen  der  Luft,  auftreten.  Die  zwischen- 
liegenden Pausen  unveränderten  Zustandes  reichen  aus  zur 
Ausführung  exacter  Wägungen. 

Die  Ausdehnungscoefficienten  der  beiden  Hebelarme  der 
Wage  ergaben  sich  als  vollkommen  gleich.  Wagebalken 
so  beträchtlicher  Dimensionen,  wie  solche  für  Belastungen 


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Ph.  v.  JoUy 


343 


von  5  kg  erforderlich  8ind,  sichern  demnach  gleiche  Mole- 
cularspannungen  der  beiden  Hebelarme. 

Ueberraschend  trat  die  Unveränderlichkeit  der  Stahl- 
schneiden entgegen.  In  Jahr  und  Tag  ist  die  Empfindlich- 
keit der  Wage  trotz  unausgesetzten  Gebrauches  in  keiner 
erkennbaren  Weise  geändert.  Die  Stahlschneiden  haben  eine 
Länge  von  3  cm,  der  Prismenwinkel  ist  45°.  Unter  einer 
Belastung  von  5  kg  wurde  während  fünf  Tagen  ohne  erneuerte 
Arretirung,  also  bei  ungeänderten  Drehaxen,  der  Ausschlag 
der  Wage  von  Tag  zu  Tag  notirt,  und  in  darauf  folgenden 
fünf  Tagen  wurden  die  Ablesungen  nach  vorausgegangener 
Arretirung  und  Auslösung  vollzogen.  Die  Abweichungen  im 
Ausschlage  der  Wage  überschritten  in  keinem  Falle  2  mm. 
Die  Versuche  wurden  im  August  1879,  in  einer  Zeit  an- 
dauernd gleichförmiger  Beschaffenheit  der  Atmosphäre  aus- 
geführt. Im  weiteren  Verlaufe  wurden  grössere  Abwei- 
chungen notirt,  die  ich  zunächst  einer  Aenderung  der  Stahl- 
schneiden zuschrieb.  Nach  erneuertem  Abschleifen  der  Pris- 
men und  ebenso  nach  Einsetzen  neuer  Prismen  war  der  Ver- 
lauf ein  ähnlicher,  jedoch  stellte  sich  unzweideutig  heraus, 
dass  je  nach  der  Beschaffenheit  der  Atmosphäre  periodisch 
die  Abweichungen  im  Ausschlage  in  aufeinander  folgenden 
Versuchen  grösser  oder  kleiner  auftreten,  dass  also  dieselben 
nicht  durch  Veränderungen  der  Stahlschneiden  herbeige- 
führt sind. 

-  Die  Achatplatten  wurden  nach  bekanntem  optischen 
Verfahren  auf  ihre  Ebenheit  geprüft,  und  die  möglichst  un- 
veränderliche Auflage  auf  gleicher  Linie  der  Unterlage  war 
dadurch  gesichert,  dass  durch  die  Art  der  Führung  der 
Arretirungs Verrichtung  auch  jede  laterale  Bewegung  und 
Verschiebung  ausgeschlossen  war.  Die  Spiegelablesung  gibt 
Gelegenheit  zu  prüfen,  in  wie  weit  dies  jeweils  erreicht  ist, 
und  unter  Anwendung  von  Stellschrauben  wird  die  erforder- 
liche Correctur  in  der  Führung  bewirkt. 

Die  VVägungen. 

Die  an  der  Wage  gemachten  Erfahrunngen  geben  die 
Richtschnur  ab  für  das  Verfahren  bei  den  Wägungen. 


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344 


Ph.  v,  Jolly. 


Die  Wägungsmethode  war  die  der  Wägung  mit  Tara. 
Auf  den  Schalen  der  einen  Seite  war  einer  der  gefüllten 
Kolben  in  der  oberen,  einer  der  leeren  Kolben  in  der  un- 
teren Station  aufgestellt,  während  in  den  Schalen  der  anderen 
Seite  abwechselnd  der  gefüllte  und  der  leere  Kolben  ver- 
tauscht wurden.  Die  Gewichtszunahme,  welche  mit  der  Ver- 
setzung des  gefüllten  Kolbens  von  der  oberen  in  die  untere 
Station  eintritt,  wurde  durch  Zulagegewicht  gemessen.  Die 
Bestimmung  der  Grösse  des  Ausschlages  stützt  sich  auf  je 
10  einzelne  Versuche,  sie  ist  nämlich  das  arithmetische 
Mittel  der  Ausschläge,  die  in  zehn  aufeinander  folgenden 
Arretirungen  und  Auslösungen  beobachtet  wurden.  An  Ta- 
gen, an  welchen  die  Differenzen  der  beobachteten  Ausschläge 
2  mm  überschreiten,  wurde  jede  weitere  Messung  eingestellt 
Es  kam  vor,  namentlich  an  Tagen  raschen  Temperatur- 
wechsels und  hoher  Hygrometerstände,  dass  während  einer 
ganzen  Woche  keine  exacte  Wägung  ausgeführt  werden  konnte. 

Die  Beobachtungen  wurden  sämmtlich  an  gleichen  Ta- 
gesstunden ausgeführt;  die  eine  Beobachtungsreihe  vormittags 
9  Uhr,  die  zweite  nach  vertauschten  Kolben  vormittags  11  Uhr. 
Zwischen  der  ersten  und  zweiten  Beobachtungsreihe  muss 
schon  deshalb  eine  Pause  von  mindestens  einer  Stunde  ein- 
gehalten werden,  weil  mit  dem  Vertauschen  der  Kolben 
unvermeidlich  Temperaturdiiferenzen  eingeleitet  werden,  die 
zu  ihrer  Ausgleichung  reichlich  eine  Stunde  Zeit  erfordern. 

Ein  Beispiel  wird  das  eingehaltene  Verfahren  deutlicher 
zum  Ausdruck  bringen.  Ich  entnehme  hinzu  aus  dem  Beob- 
achtungsjournal eine  am  16.  September  1879  ausgeführte  Mes- 
sung. Die  Tarakolben  befinden  sich  in  allen  Versuchen  in  den 
Schalen,  die  am  Hebelarm  rechts  aufgehangen  sind.  In  den 
am  Hebelarm  links  aufgehangenen  Schalen  war  in  einem 
ersten,  mit  I  bezeichneten  Falle  der  gefüllte  Kolben  in  der 
oberen,  und  in  dem  mit  II  bezeichneten  Falle  in  der  unteren 
Schale  aufgestellt.  Im  Falle  I  war  in  der  oberen  Schale 
rechts  das  Platinblech  mit  dem  Nominalwerth  20  mg,  und 
im  Falle  II  das  Platingewicht  mit  dem  Nominalwerth  50  mg 
zugelegt.  Die  in  aufeinander  folgenden  beobachteten  Ein- 
stellungen waren: 


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Ph.  v.  Jolly. 


345 


Fall   I:      135,42  133,74  134,82  134,87  133,42  134,90 

134,78  134,42  134,70  133,98  Mittel:  134,505, 

Fall  II:      138,16  139,82  138,80  138,94  138,43  140,08 

139,42  139,72  139,00  138,22       Mittel:  139,109. 

Die  Differenz  beider  Ausschläge  ist  4,604.  In  Normal- 
gewicht ausgedrückt,  ist  das  Zulagegewicht  im  Falle  II 
50,025  mg,  im  Falle  I  nur  20,058  mg.  Die  Differenz  ist 
29,967  mg.  Die  Prüfung  der  Empfindlichkeit  der  Wage 
ergab,  dass  durch  ein  Zulagegewicht  von  10,068  mg  eine 
Aenderung  des  Ausschlages  von  26,54  mm  eintritt.  Die 
Differenz  von  4,604  im  Ausschlage  bezeichnet  hiernach  eine 
weitere  Gewichtsdifferenz  von  (4,604/26,54) .  10,068=  1,746  mg, 
und  die  Gewichtszunahme,  die  eintritt,  wenn  der  gefüllte 
Kolben  von  der  oberen  in  die  untere  Station  gebracht  wird, 
beträgt  29,967  +  1,746  =  31,713  mg. 

Die  Erwartung,  dass  die  Unterschiede  der  als  Mittel- 
werthe  aus  je  10  Beobachtungen  erhaltenen  Ausschläge 
4  Zehntel  eines  Millimeters  an  der  Ablesungsscala  nicht 
überschreiten  werde,  zeigte  sich  nicht  erfüllt.  Die  Unter- 
schiede von  Tag  zu  Tag  sind  beträchtlicher  und  erreichen 
im  extremsten  Falle  2  mm  an  der  Scala.  Erst  die  Mittel 
aus  je  10  in  der  angegebenen  Weise  erhaltenen  Ausschläge 
geben  übereinstimmendere  Zahlen.  Die  Werthe  der  Aus- 
schlagsdifferenzen, welche  unter  Anwendung  stets  gleicher 
Zulagegewichte  50,025  mg  und  20,0586  im  Falle  II  und  I 
erhalten  wurden,  sind  in  folgender  Tabelle  niedergelegt: 

Juni  1879    Juli  1879    August  1879    Sept.  1879    Oct.  1879 


4,60 

4,82 

5,12 

3,84 

5,32 

4,78 

4,25 

4,22 

4,42 

4,54 

3,79 

3,75 

4,89 

5,00 

5,00 

5,19 
4,39 

3,79 

4,00 

5,64 

4,58 

5,18 

4,89 

4,03 

4,62 

4,63 

4,34 

3,79 

4,89 

;,.o;> 

4,58 

4,05 

4,51 

3,53 

4,55 

4,56 

4,58 

4,54 

4,04 

5,01 

5,02 

4,63 

4,05 

5,40 

4,35 

4,52 

3,95 

4,58 

5,76 

3,91 

Mittel 

4,602 

4,448 

4,490 

4,549 

4,572 

Das  Mittel  dieser  50  Ausschläge,  von  denen  jeder  auf 
je  10  Arretirungen  der  Fälle  I  und  II  sich  stützt,  ist  4,532. 


346 


Ph.  v.  Jolly. 


Diesem  Ausschlage  entspricht  ein  Gewichtszuschlag  von 
(4,532 . 10,068)/26,54  =  1,7 19  mg.  Die  Gewichtszunahme,  welche 
der  mit  Quecksilber  gefüllte  Kolben  erfährt,  wenn  er  von 
der  oberen  Schale  in  die  untere  Schale  gebracht  wird,  ist 
demnach: 

50,025  -  20,059  +  1,718  =  31,686  mg. 

Alle  Bemühungen,  durch  günstiger  gelegene  Beobach- 
tungszeiten eine  grössere  Uebereinstimmung  in  den  Aus- 
schlagsdifferenzen zu  erzielen,  scheiterten  daran,  dass  ein 
vollkommen  stabiler  Zustand  der  Temperatur  und  des  Feuch- 
tigkeitsgehaltes der  Luft  für  die  Zeit  der  Beobachtungen, 
die  im  Mittel  eine  halbe  Stunde  für  je  10  Auslösungen  be- 
trägt, nicht  zu  erzielen  war. 

Die  vielfach  bei  den  Wägungen  gemachten  Erfahrungen 
zeigen,  dass  alles,  was  eine  grössere  Gleichförmigkeit  der 
Luft  sichert,  auch  eine  grössere  Uebereinstimmung  in  den 
Ausschlagsdifferenzen  erhöht.  Bei  bedecktem  Himmel,  ruhi- 
ger Luft,  constantem  Hygrometer-  und  Thermometerstande 
sind  die  Ausschlagsdifferenzen  die  minimalsten.  Die  Fenster 
des  Thurmes  sind  nach  Nordwest  gelegen,  sie  werden  in  den 
späteren  Nachmittagstunden  von  der  Sonne  erreicht.  Es 
sind  dies  die  Stunden,  in  welchen  in  dem  gegebenen  Locale 
exacte  Wägungen  geradezu  unausführbar  sind.  Nach  Norden 
gelegene  Fenster  würden  ohne  Zweifel  eine  grössere  Sta- 
bilität der  Atmosphäre  im  Thurme  sichern,  und  der  Aus- 
führung exacter  Wägungen  würden  damit  mindere  Schwierig- 
keiten entgegenstehen. 

Die  unvermeidlichen,  von  der  Construction  der  Wage 
abhängigen  Fehler,  wie  etwa  die  kleinen  Aenderungen  in  den 
Auflagelinien,  welche  nach  jeder  neuen  Auslösung  auftreten 
können,  war  ich  nicht  im  Stande  gesondert  zum  Ausdrucke 
zu  bringen.  Es  würde  dies  vielleicht  bei  Wägungen  im  luft- 
leeren Räume  möglich  sein.  Für  die  in  Frage  stehenden 
Wägungen  blieb  nichts  übrig,  als  die  Gesammteintiüsse  auf 
möglichst  kleine  Werthe  einzuengen,  und  durch  Vermehrung 
der  einzelnen  Beobachtungen  exactere  Mittelzahlen  zu  er- 
zielen.   In  der  That  stützt  sich  die  oben  angegebene  Ge- 


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Ph.  v.  Jolhj. 


347 


wichtszunahme  auf  50  unter  möglichst  gleicher  Beschaffenheit 
der  Atmosphäre  erhaltene  Differenzen  der  Gewichte,  und 
jeder  Ausschlag  für  die  Fälle  I  und  II  ist  selbst  wieder  das 
Mittel  von  10  Einzelbeobachtungen,  denen  jeweils  Arretirung 
und  Auslösung  voranging.  Die  Anzahl  der  Einzelbeobach- 
tungen ist  also  für  jede  der  Stationen  500. 

Die  beobachtete  Gewichtszunahme  von  31,686  mg  gibt 
im  Vergleich  mit  der  nach  dem  Gravitationsgesetz  zu  be- 
rechnenden das  Mittel  ab,  die  local  sich  geltend  machenden 
Einflüsse  zum  Ausdrucke  zu  bringen. 

In  den  einleitenden  theoretischen  Erörterungen  ist  für 
den  Fall,  in  welchem  der  ßeobaehtungsort  auf  einer  Hoch- 
ebene gelegen  ist,  die  Gewichtsdifferenz,  welche  einer  Höhen- 
differenz h  entspricht,  ausgedrückt  durch: 

In  dem  besonderen  Falle  der  Beobachtungen  ist: 
der  senkrechte  Abstand  der  Wagschalen  h  =  21,005  m, 
das  Gewicht  des  Quecksilbers  Q„  =  5  009  450  mg, 
der  Radius  der  Erde  in  der  Breite  48°  8 °, :  R  «  6  365  722  m. 

Es  berechnet  sich  hiernach  die  Gewichtsdifferenz  zu: 

Die  beobachtete  Differenz  ist  nur  31,686  mg.  Schon  die 
früher  unter  minder  günstigen  Bedingungen  ausgeführten 
Messungen1)  ergaben  eine  Abweichung  in  gleichem  Sinne. 
Es  unterliegt  wohl  keinem  Zweifel,  dass  local  sich  geltend 
machende  Anziehungen  die  Ursache  der  Abweichung  sind. 
Der  Universitätsthurm  liegt  an  einer  der  tieferen  Stellen  der 
Stadt,  mehr  als  10  m  tiefer  als  der  Bahnhof,  er  ist  von 
grossen  monumentalen  Bauten  umgeben,  und  die  Gebäude 
der  Stadt  überragen  beträchtlich  die  Sohle  des  Thurmes. 
Alles  wirkt  zusammen  zu  einem  nach  aufwärts  gerichtetem 
Zuge  in  dem  Falle,  in  welchem  das  Gewicht  sich  in  der  un- 
teren Schale,  und  zu  einem  abwärts  gerichteten  Zuge,  in  dem 


1)  Ph.  v.  Jolly,  Abh.  d.  k.  bayer.  Akad.  d.  Wies.,  13.  Abth.  1. 


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348 


Ph.  v.  Jolly. 


Falle,  in  welchem  das  Gewicht  sich  in  der  oberen  Schale 
befindet.  Die  Gewichtsdifferenz  wird  daher  um  den  gleichen 
Betrag  vermindert  erscheinen.  Die  mittlere  Dichtigkeit, 
welche  eine  über  der  Hochebene  gleichförmig  verbreitete 
Schicht  materieller  Punkte  besitzen  müsste,  um  die  gleiche 
Action  wie  die  zerstreut  liegenden  Punkte  auszuüben,  lässt 
sich  nach  der  für  den  Fall  3  der  Einleitung  aufgestellten 
Gleichung  berechnen.  Es  ergab  sich  dort,  dass,  wenn  g  die 
mittlere  Dichtigkeit  der  Erde,  g"  die  mittlere  Dichtigkeit 
der  Schicht  an  der  Höhe  h  bezeichnen,  die  Gewichtsdifferenz 
ausgedrückt  ist  durch: 


Die  beobachtete  Gewichtsdifferenz  Q  —  Q„  ist  31,686  mg, 
die  numerischen  Werthe  von  h,  Q/y,  R  sind  bereits  angegeben. 
Man  erhält  hiernach  g'jg  =  0,0277,"  und  hieraus,  wenn  die 
mittlere  Dichtigkeit  der  Erde  sich  zu  5,69  ergeben  sollte, 
g"  =  0,157  für  die  mittlere  Dichtigkeit  einer  Schicht  von 
der  Höhe  h,  welche  einen  mit  den  zerstreut  liegenden  Punkten 
gleichen  Zug  ausüben  würde. 


Die  Erörterungen  des  Falles  4  der  Einleitung  sind 
massgebend  für  das  Programm  der  auszuführenden  Versuche. 
Alles  kommt  darauf  an,  mit  welcher  Exactheit  die  Gewichts- 
zunahme des  Quecksilberkolbens  sich  bestimmen  lässt,  welche 
eintritt,  wenn  eine  Bleikugel  gegebener  Grösse  unter  der 
unteren  Schale,  in  der  der  Kolben  sich  befindet,  aufge- 
gestellt  wird. 

Die  Gewichtszunahme,  welche  der  Kolben  erfährt,  wenn 
derselbe  von  der  oberen  in  die  untere  Schale  gebracht  wird, 
ist  bereits  ermittelt  und  zu  31,686  mg  gefunden.  Durch  den 
Zug  der  Bleikugel  tritt  eine  Erhöhung  des  Gewichtes  ein. 
Die  Differenz  der  Gewichte  ist  der  Zug,  welchen  das  Queck- 
silber unter  alleiniger  Wirkung  der  Bleikugel  erfährt.  Aller- 
dings wirkt  auch  die  Bleikugel  auf  den  Quecksilberkolben 
in  dem  Falle,  in  welchem  sich  derselbe  in  der  oberen  Schale 
befindet.    Da  aber  die  Entfernung  43  mal  grösser  ist,  und  die 


Die  mittlere  Dichtigkeit  der  Erde. 


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Pk.  v.  Jolly. 


349 


Abnahme  des  Zuges  quadratisch  wächst,  so  berechnet  sich 
selbst  bei  einer  Bleikugel  von  5775  kg  und  einem  Queck- 
silbergewicht von  5  kg  der  Zug  in  dieser  Distanz  nur  zu 
0.0OO3  mg,  einer  mit  der  Wage  bei  solcher  Belastung  nicht 
mehr  messbaren  Grösse. 

Die  Versuche  wurden  genau  in  gleicher  Weise  wie  bei 
den  Wägungen  ohne  unterlegte  Bleikugel  ausgeführt,  auch 
waren  die  gleichen  Platinbleche  als  Zulagegewicht  benutzt. 
Die  Empfindlichkeit  der  Wage  wurde  erneuert  geprüft  und 
ergab  sich  als  ungeändert,  d.  h.  ein  Platinblech  von  10,068  mg 
erzeugte  wie  früher  eine  Vergrösserung  des  Ausschlages  von 
26,54  mm  an  der  Scala. 

Die  Differenzen  der  Ausschläge,  je  nachdem  der  Queck- 
silberkolben in  der  oberen  oder  in  der  unteren  {Schale  auf- 
gestellt war,  sind  in  folgender  Tabelle  niedergelegt: 


Nov.  1879 

Dec.  1879 

Jan.  1880 

Juni  1880 

Juli  1880 

5,95 

6,18 

5,72 

6,07 

5,68 

5,56 

5,70 

6,23 

5,89 

6,01 

6,09 

6,06 

6,01 

6,44 

6,72 

6,60 

5,86 

5,79 

6,24 

6,48 

6,29 

6,08 

6,55 

5,80 

6,24 

5,60 

6,07 

6,33 

6,06 

6,00 

6,05 

6,16 

6,10 

6,52 

5,43 

6,33 

5,98 

6,40 

6,18 

5,71 

5,90 

6,59 

6,06 

5,70 

5,85 

6,47 

6,09 

5,81 

6,06 

6,42 

Mittel:  6,084 

6,077 

6,100 

6,094 

6,074 

Das  Mittel  aller  50  Ausschlagsdifferenzen  ist  6,0858,  d.  h. 
der  Ausschlag  ist  in  dem  Falle,  in  welchem  der  Quecksilber- 
kolben sich  in  der  unteren  Schale  befand,  um  6,0858  Scalen- 
theile  grösser,  als  wenn  er  in  die  obere  Schale  gebracht  war. 
Diesem  Ausschlage  entspricht  eine  Gewichtszunahme  von 
6,0858 . 10,068/26,54  =  2,308  mg.  Nachdem  aber  in  dem  Falle, 
in  welchem  der  Kolben  in  der  unteren  Schale  aufgestellt  war, 
auf  der  Schale  des  anderen  Hebelarmes  ein  Platingewicht 
von  50,025  mg,  und  in  dem  Falle,  in  welchem  der  Kolben 
in  der  oberen  Schale  sich  befand,  ein  Platingewicht  von  nur 
20,058  mg  zugelegt  war,  ist  die  Gesammtgewichtszunahme, 
welche  mit  der  Versetzung  des  Kolbens  von  der  oberen  in 
die  untere  Schale  eintritt,  ausgedrückt  durch: 

50,025  -  20,058  +  2,308  -  32,275  mg. 


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350  Fh.  v.  Jolly. 

Ohne  Aufstellung  der  Bleikugel  unter  der  unteren  Schale 
war  die  Gewichtszunahme  31,686  rag.  Die  Bleikugel  erzeugt 
also  eine  Gewichtszunahme  von  32,275  —  31,686  =  0,589  mg. 

Die  theoretische  Erörterung  des  4.  Falles  der  Einleitung 
ergab  zur  Bestimmung  der  mittleren  Dichtigkeit  der  Erde 
die  Gleichung: 

Q  ~~   B   *  a2  '  q  ' 

In  derselben  ist: 

q  ib  0,589  mg,     Q  =  5  009  450  mg,     R  *=  6  365  722  m. 

Der  Werth  des  Radius  r  der  Bleikugel  wurde  direct 
durch  Messung  bestimmt.  Auf  die  Kugel  wurde  eine  Glas- 
platte gelegt  und  horizontal  eingestellt.  Der  Abstand  der- 
selben vom  Boden,  auf  welchem  die  Kugel  ruhte,  ergab  den 
Durchmesser  der  Kugel  zu  0,995  m.    Es  ist  also: 

r  =  0,4975  m. 

Der  Abstand  a  des  Mittelpunktes  des  kugelförmigen 
Quecksilberkolbens  vom  Mittelpunkt  der  Bleikugel  ist  gleich 
dem  Halbmesser  der  Bleikugel  0,4975  m  plus  dem  Halb- 
messer der  Quecksilberkugel  0,0445  m,  plus  dem  Abstände 
der  beiden  Kugeloberflächen  von  einander,  der  durch  einen 
zwischengeschobenen  mit  Theilung  versehenen  Keil  gemessen 
und  zu  0,0266  m  gefunden  wurde.    In  Summa  ist  also: 

a  =  0,5686  m. 

Das  specitische  Gewicht  des  verwendeten  Bleies  wurde 
an  Probstückchen  wiederholt  gemessen  und  zu  11,198  ge- 
funden. Da  die  Kugel  aus  115  Stücken  zusammengesetzt 
ist,  die  —  wie  sorgfältig  die  Stücke  auch  immer  einander 
angepasst  sind  —  unvermeidlich  Zwischenräume  übrig  lassen, 
so  wurde  das  mittlere  specifische  Gewicht  der  Kugel  direct 
aus  Volumen  und  Gewicht  der  Kugel  berechnet.  Das  Ge- 
wicht der  115  Stücke  ist  5775,2  kg,  und  der  Durchmesser 
ist  0,995  m.    Man  erhält  hiernach: 

<?=  11,186. 

Dieses  mittlere  specifische  Gewicht  der  Kugel  ist  nur 
um  weniges  kleiner  als  das  specirische  Gewicht  der  Blei- 
proben; ohne  Zweifel  ist  es  richtiger  mit  diesem  mittleren 
specilischen  Gewicht  zu  rechnen. 


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Ph.  v.  Jolhj. 


351 


Durch  Einführung  der  Zahlenwerthe  erhält  man: 

$  =  5,692. 

Der  wahrscheinliche  Fehler  im  Werth  von  q  =  0,589  mg 
berechnet  sich  zu  ±  0,0070.  Er  macht  sich  in  dem  Werth 
von  g  schon  in  der  zweiten  Decimale  geltend,  und  zwar  in 
der  Art,  dass  der  wahrscheinliche  Fehler  in  dem  für  y  er- 
haltenen Werthe  ±  0,068  nicht  überschreiten  wird. 

Die  Schwierigkeiten,  welche  exacten  Wägungen  durch 
den  so  häufigen  Wechsel  in  Dampfgehalt  der  Atmosphäre 
sich  entgegensetzen,  könnten  vielleicht  unter  Anwendung  von 
Metallkugeln  gemindert  erscheinen.  Die  direct  ausgeführten 
Versuche  haben  dies  nicht  bestätigt.  Es  wurden  vier  hohle 
Messingkugeln  gleichen  Gewichtes  und  gleichen  Durchmessers 
hergestellt.  Zwei  dieser  Kugeln  wurden  mit  Blei  ausgegos- 
sen, und  hierauf  wurden  sämmtliche  Kugeln  luftdicht  ge- 
schlossen und  galvanoplastisch  mit  Gold  überzogen.  Das 
Versuchsverfahren  war  das  gleiche  wie  bei  den  Glaskolben. 
Die  Abweichungen  der  Mittel  der  Differenzen  der  Gewichte 
der  oberen  und  unteren  Station  waren  nicht  geringer,  als 
unter  Anwendung  der  Glaskolben. 

Die  Resultate  der  früheren  Messungen. 

Die  verschiedenen  Methoden,  welche  zur  Bestimmung 
der  mittleren  Dichtigkeit  der  Erde  angewendet  wurden, 
führten  zu  Resultaten,  die  unter  sich  und  mit  dem  eben 
gewonnenen  Resultate  mehr  oder  minder  annähernd  über- 
einstimmen. 

Maskelyne  hat  das  Verdienst,  die  Frage  zuerst  auf- 
genommen zu  haben.  Die  von  ihm  in  Anwendung  gebrachte 
Methode  stützt  sich  auf  die  Messung  der  Ablenkung  des 
Bleilothes  durch  ein  isolirt  stehendes  Gebirge.  Die  erforder- 
lichen geodätischen  und  astronomischen  Messungen  wurden 
in  den  Jahren  1774  —  79  ausgeführt,  und  ergaben  in  den 
darauf  gestützten  Rechnungen  für  die  Erddichte  die  Zahl: 

4,713. 

Die  Bergmasse,  deren  ablenkende  Action  gemessen  wurde, 
ist  petrographisch  aus  Quarzit,  Glimmerschiefer,  Hornblende- 
schiefer und  Kalkstein  zusammengesetzt,  ohne  dass  das  Ver- 


352 


Ph.  v.  Jolly. 


hältniss  der  einzelnen  Bestandteile  anders  als  schätzungs- 
weise angegeben  werden  kann.  Die  darauf  sich  stützende 
Zahl  der  Erddichte  ist  also  abgesehen  von  den  unvermeid- 
lichen Messungsfehlern  noch  mit  einer  weiteren  Unsicherheit 
behaftet. 

Cavendish  verdankt  man  die  Einführung  der  Torsions- 
wage zur  Lösung  des  gleichen  Problemes.  Durch  seine  in 
den  Jahren  1797  —  98  augeführten  Messungen  gelangte  er 
für  die  Erddichte  zu  der  Zahl: 

5,48. 

Reich  in  Freiberg  kam  unter  Anwendung  des  gleichen 
Verfahrens,  aber  mit  mehrfachen  Verbesserungen  des  Mess- 
apparates, zu  der  Zahl:  5,49, 

und  nach  wiederholter  Revision,  in  der  Publication  vom 
Jahre  1837,  zu  der  Zahl:  5,58. 

Francis  Baily  benutzte  ebenfalls  die  Methode  von 
Cavendish  und  erhielt  für  die  mittlere  Erddichte: 

5,66. 

A.  Cornu  und  J.  ß.  Baille1)  finden  dagegen  ebenfalls 
unter  Anwendung  der  Methode  von  Cavendish  die  Zahl: 

5,56. 

Carlini  führte  eine  dritte  Methode  ein,  nämlich  die 
der  Pendelschwingungen.  Aus  dem  Unterschiede  der  Pen- 
delschwingungen auf  dem  Gipfel  und  dem  Fusse  eines  Berges 
wird  das  Verhältniss  der  Masse  des  Berges  zu  der  der  Erde 
abgeleitet.  Carlini  kam,  gestützt  auf  seine  im  Jahre  1824 
auf  dem  Mont  Cenis  ausgeführten  Versuche,  zu  dem  Re- 
sultate: 4,837. 

Airy  stützte  seine  Untersuchungen  ebenfalls  auf  Pen- 
delschwingungen, die  in  einem  1180  par.  Fuss  tiefen  Schacht 
und  an  der  Mündung  des  Schachtes  ausgeführt  wurden.  Er 
erhielt  nach  der  im  Jahre  1856  .gemachten  Publication  die 
Zahl:  6,623. 

In  Rechnungen  von  Airy  ist  die  mittlere  Dichtigkeit  der 
Erdrinde  zu  2,75  zu  Grunde  gelegt.  S.  Haughton  hält  diese 
Zahl  für  zu  gross,  indem  der  grössere  Theil  des  Schachtes 


1)  J.  B.  Baille,  Compt.  rend.  80.  1878. 


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Ph.  v.  Jolly, 


353 


unter  dem  Meeresniveau  liege,  und  begründet,  dass  es  rich- 
tiger sei,  die  Zahl  2,059  für  die  mittlere  Dichtigkeit  der 
wirksamen  Schicht  einzuführen.  Die  von  Airy  erhaltene 
Zahl  reducirt  sich  hierdurch  auf: 

5,480. 

Im  Jahre  1877,  auf  der  Naturforscherversammlung  in 
München,  zeigte  ich  die  Versuchsanordnung  vor,  nach  welcher 
unter  Anwendung  der  Wage  Probleme  der  Gravitation  zur 
Lösung  gebracht  werden  können.  Die  zunächst  erzielten 
Resultate  wurden  in  den  Denkschriften  der  bayer.  Academie 
der  Wissenschaften  publicirt,  und  zugleich  wurde  der  Weg 
bezeichnet,  auf  welchem,  gestützt  auf  Wägungen,  die  mittlere 
Dichtigkeit  der  Erde  bestimmt  werden  könne.  Im  Jahre 
1878  wurden  unter  Benutzung  einer  für  5  kg  Maximalbe- 
lastung construirten  Wage  und  nach  Beschaffung  einer  Blei- 
kugel von  1  m  Durchmesser  die  orientirenden  Versuche  in 
dem  zur  Disposition  gestellten  Thurme  ausgeführt,  denen  im 
Jahre  1879—80  die  definitiven  Messungen  folgten.  Das  für 
die  Erddichte  erhaltene  Resultat: 

5,692 

ist  grösser  als  das  mit  der  Torsionswage  erhaltene,  selbst 
wenn  man  die  wahrscheinliche  Fehlergrenze  in  Betracht  zieht. 

Hr.  J.  H.  Poynting  hat  ebenfalls  unter  Anwendung 
der  Wage  aus  der  Gewichtszunahme,  welche  ein  an  einem 
der  Hebelarme  der  Wage  aufgehangener  Körper  durch 
Annäherung  einer  Bleikugel  von  170  kg  erfährt,  die  mittlere 
Dichtigkeit  der  Erde  abgeleitet.  Er  erhält  nach  der  gemachten 
Publication1)  als  Mittel  aus  11  Versuchen  die  Zahl  5,69.  Da 
die  Einzelwerthe  zwischen  4,4  und  7,1  schwanken,  so  ist  die 
Mittelzahl  noch,  mit  entsprechend  grossen  wahrscheinlichen 
Fehlern  behaftet.  Die  von  mir  erhaltene  Zahl  kann  daher 
zunächst  nicht  als  eine  Bestätigung  der  Poynting'schen  be- 
trachtet werden.  Hr.  Poynting  hat  eine  Wiederholung  der 
Versuche  unter  Anwendung  einer  exacteren  Wage  und  voll- 
ständigerer Ausschliessung  störender  Wirkungen  in  Aussicht 
gestellt,  ist  aber  bis  hierher  mit  der  Arbeit  nicht  zum  Ab- 
schlüsse gelangt. 

1)  J.  iL  Poynting.  Proe.  Roy.  Boc.  "2*.  p.  2.  1878. 
Ann.  d.  Phjs.  u.  Chem.  N.  F.  XIV.  23 


_  igle 


354 


Ph.  v.  Jollt/. 


Die  Wägungsfehler  werden  in  um  so  engere  Grenzen 
eingeschlossen,  je  constanter  Feuchtigkeit  und  Temperatur 
während  der  Dauer  der  Wägungen  in  oberer  und  unterer 
Station  der  Quecksilberkolben  sich  erweisen.  In  dem  Thurme, 
in  welchem  ich  die  Wägungen  ausführte,  waren  die  Be- 
dingungen für  exacte  Wägungen  nicht  gerade  ungünstig,  aber 
auch  nicht  so  günstig,  wie  sie  mit  nach  Norden  gelegenen 
Fenstern  zu  erwarten  sind.  Unter  den  vielen  WägungeD. 
die  ich  ausführte,  waren  auch  solche  mit  sehr  günstigen 
äusseren  Bedingungen,  die  sich  sofort  auch  dadurch  kenn- 
zeichneten, dass  nach  wiederholter  Vertauschung  der  Kolben 
beinahe  exact  übereinstimmende  Ausschläge  der  Wage  auf- 
traten. Würde  ich  nur  diese,  freilich  nur  auf  fünf  Fälle 
sich  stützenden  Zahlen  zu  Grunde  legen,  so  würde  die  mitt- 
lere Dichtigkeit  der  Erde  sich  zu  5,693  mit  dem  wahrschein- 
lichen Fehler  von  ±  0,011  berechnen. 

Es  ist  nicht  meine  Absicht,  die  Versuche  erneuert,  etwa 
unter  geänderter  Aufstellung  der  Wage,  aufzunehmen.  Je- 
denfalls würde  ich  aber  die  Anwendung  der  Bleikugel  von 
1  m  Durchmesser  und  der  Maximalbelastung  von  5  kg  bei- 
behalten. Die  mit  dem  Durchmesser  der  Kugel  wachsende 
Anziehung  lässt  den  stets  gleichen  Wägungsfehler  im  End- 
resultat kleiner  erscheinen,  und  die  Empfindlichkeit  der  Wage 
nimmt  in  kleinerem  Grade  ab  als  die  Belastung  der  Wage 
wächst. 

Die  mit  der  Wage  erhaltene  mittlere  Dichtigkeit  der 
Erde  weicht  von  dem  mit  der  Torsionswage  erhaltenen 
Mittel  um  nahezu  2%  ab.  Es  kann  sein,  dass  ein  Theil 
dieser  Differenz  in  dem  geologischen  Bau  der  Erde  begründet 
ist,  dass  etwa  unter  der  Trümmermasse,  welche  die  Hoch- 
ebene von  Bayern  bildet,  festes  Gestein  von  grösserer  Dichtig- 
keit sich  hinzieht.  Erst  die  Ausführung  ähnlicher  Messungen 
an  anderen  Orten  wird  darüber  Aufschluss  bringen. 

Ein  anderer  Punkt  kann  dagegen  jetzt  schon  sicher  ge- 
stellt werden.  Die  Versuche  mit  unterlegter  Bleikugel  waren 
zum  Theil  im  Januar  1880  bei  einer  Temperatur  von  —  8,6  °C 
zum  Theil  im  Juli  bei  einer  Temperatur  von  4-21°  C,  also 
bei  einer  Temperaturdifferenz  von  29,6 0  ausgeführt,  die  Wä- 


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A.  Wüllner. 


355 


gungsresultate  zeigen  aber  keine  grösseren  Abweichungen 
als  solche,  welche  innerhalb  der  unvermeidlichen  Fehler  der 
Wägungen  liegen.  Es  besteht  also  in  der  Temperaturdif- 
ferenz von  29,6°  keine  erkennbare  Differenz  zwischen  der 
Anziehung  des  Bleies  und  des  Quecksilbers. 


X.    Veber  die  Spectra  des  Wasserstoffs  imd  des 
Acetylens;  von  A.  Will  In  er. 

L 

1.  Das  von  mir  im  Jahre  1868  zuerst  ausführlich  be- 
schriebene1) Bandenspectrum  des  Wasserstoffs  wurde  von 

o 

Angström  im  Jahre  1871  als  das  Spectrum  eines  Kohlen- 
wasserstoffs bezeichnet.2)  Die  von  mir  im  Jahre  1871  mit- 
getheilten  Versuche  über  die  Spectra  der  kohlehaltigen 
Gase8),  speciell  des  Aethylens  und  des  Grubengases  wiesen 
das  Unzulässige  der  Ängström'schen  Behauptung  nach,  in- 
dem ich  zeigte,  dass  sich  bei  allen  kohlehaltigen  Gasen  die 
eigenthümlichen  fünf  Banden  zeigten,  die  ich  infolge  dessen 
als  die  charakteristischen  Kohlenbanden  bezeichnete.  In  den 
Kohlenwasserstoffen  waren  es  die  bei  den  Wellenlängen: 

5,61       5,20       4,83  4,51 
beginnenden  Banden,  die  sich  vorzugsweise  bemerkbar  mach- 
ten und  bei  wachsender  oder  minimaler  Gasdichte  als  Reste 
des  Spectrums  übrig  blieben,  wenn  alles  sonst  verschwun- 
den war. 

Von  diesen  Kohlenbanden  zeigt  das  Spectrum  des  Wasser- 
stoffs nichts,  noch  auch  bleibt  ihnen  Aehnliches  als  Rest  des 
Spectrums,  sei  es,  dass  man  durch  zunehmende  Dichtigkeit 
oder  Anwendung  sehr  geringen  Druckes  das  Spectrum  des 
Gases  sich  verdunkeln  lässt,  gleichgültig,  ob  man  enge  oder 

1)  Wüllner,  Pogg.  Ann.  135.  p.  497.  1868. 

2)  Äugström,  Pogg.  Ann.  144.  p.  300.  1871. 

3)  Wüllner,  Pogg.  Ami.  144.  p.  481.  1871. 

23* 


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356 


A.  W'uttner. 


weite  Röhren  anwendet.  Das  Wasserstoffspectrum  verdun- 
kelt sich  gleichmässig,  einzelne  grüne  Linien  sind  das  zuletzt 
Sichtbare. 

Trotzdem  ist  noch  neuerdings  von  Hrn.  Schuster  in 
den  Reports  der  Brit.  Ass.  vom  vorigen  Jahre  in  seinem 
Bericht  über  den  jetzigen  Stand  unserer  Kenntniss  der 
Spectralerseheinungen  es  als  fraglich  hingestellt,  ob  das  be- 
treffende Spectrum  nicht  das  eines  Kohlenwasserstoffes  sei, 
und  Hr.  Ciamician1)  behauptet  auf  Grund  eines  Ausspruches 
von  Berthelot,  wie  er  angibt,  es  sei  das  Spectrum  des 
Acetylens. 

Zwar  lässt  die  einfache  Ueberlegung,  dass  das  Acetylen 
einen  erheblich  höheren  Gehalt  an  Kohle  hat  als  das  Aethy- 
len,  diese  Behauptung  von  vornherein  als  unwahrscheinlich 
erkennen;  denn  wenn  selbst  das  Grubensgas  mit  seinem  so 
geringen  Gehalte  an  Kohle  die  Anwesenheit  derselben  durch 
die  charakteristischen  Banden  erkennen  lässt,  so  wird  das 
Acetylen  sicher  die  Anwesenheit  der  Kohle  nicht  verleugnen. 
Trotzdem  lag  für  mich  in  der  ausgesprochenen  Behauptung, 
dass  das  Bandenspectrum  des  Wasserstoffs  dasjenige  des 
Acetylens  sei,  eine  hinreichende  Veranlassung,  das  Spectruni 
des  Acetylens  zu  untersuchen. 

2.  Das  zu  den  Versuchen  benutzte  Acetylen  hatte  Hr. 
Dr.  Lacoste,  Privatdocent  der  Chemie  an  unserer  Hochschule, 
die  Güte,  für  mich  aus  Acetylenkupfer  zu  bereiten.  Das  Acety- 
len wurde  in  einer  Glocke,  die  oben  mit  einem  Glashahn 
versehen  war,  über  Quecksilber  aufgefangen.  Die  Glocke 
wurde  durch  eine  angekittete  Glasröhre  mit  einem  weiten, 
mit  wasserfreier  Phosphorsäure  versehenen  Rohre  verbunden, 
welch  letzteres  wieder  durch  angekittete  Glasröhren  mit  den 
Spectralröhren  in  Verbindung  gesetzt  war.  Von  letzteren 
führten  dann  die  erforderlichen  Röhren  zu  der  Quecksilber- 
luftpumpe. Von  den  Spectralröhren  hatten  zwei  die  gewöhn- 
lich von  mir  benutzte  Form;  die  capillaren  Theile  derselben 
hatten  eine  Länge  von  3  cm,  während  die  ganzen  Röhren 
12  cm  lang  waren.  Das  dritte  hatte  die  in  umstehender  Figur 


1)  Ciamician,  Wien.  Ber.  82.  p.  425.  1880. 


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A.  Wüllner. 


357 


dargestellte  Form,  es  bestand  gewissermaßen  aus  drei  2  cm  im 
Lichten  weiten  und  10  cm  langen  Spectralröhren,  die  in 
ihrer  Mitte  durch  Röhren  gleicher  Weite  und  je  10  cm  Länge 
miteinander  verbunden 


tigen  lassen,  da  es  in  ganz  V         Y  y 

vortrefflicher  Weise  den     ^  * 
Einfluss  der  Dicke  der 

strahlenden  Schicht  erkennen  lässt.  Bei  solchen  Gasen,  die 
in  weiten  Röhren  nur  sehr  lichtschwache  und  deshalb  un- 
vollkommen ausgebildete  Spectra  geben,  wenn  man  eine  2  cm 
dicke  Schicht  des  Gases  vor  den  Spalt  bringt,  erhält  man 
sehr  schön  ausgebildete  Bandenspectra,  wenn  man  in  der 
Länge  AB  durch  die  Röhre  sieht,  also  eine  26  cm  dicke 
Schicht  des  leuchtenden  Gases  vor  dem  Spalte  hat.  Ich  werde 
deshalb  in  einer  nächsten  Notiz  auf  die  Verwendung  dieses 
Rohres  zurückkommen,  in  welcher  ich  mich  mit  Versuchen 
des  Hrn  Wesendonck1)  zu  beschäftigen  habe. 

Um  die  Röhren  mit  reinem  Acetylen  zu  fällen,  wurde 
zunächst  das  ganze  Röhrensystem  bis  zu  dem  Hahne  der 
das  Acetylen  enthaltenden  Glocke  auf  das  sorgfältigste  leer 
gepumpt,  dann  mehrfach  mit  Acetylen  ausgespült  und  schliess- 
lich der  grösste  Theil  des  Acetylens  in  das  mit  Phosphor- 
säure versehene  Rohr  übergeführt,  aus  welchem  es  dann 
nach  Bedarf  in  die  Spectralröhren  übergeführt  wurde. 

3.  Lässt  man  den  Inductionsstrom  durch  die  Spectral- 
röhre  gehen,  wenn  das  Acetylen  in  denselben  einen  Druck 
von  1  —  2  mm  hat,  so  leuchtet  das  Gas  mit  ziemlich  hellem 
grünlichweissen  Lichte,  sowohl  in  dem  weiten  Rohre,  als  in  den 
engen  Röhren.  Benutzte  man  in  dem  weiten  Rohre  die 
26  cm  lange  Gasschicht,  so  Hess  sich  in  diesem  ein  ebenso 
vollständig  ausgebildetes,  nur  etwas  weniger  helles  Spectrum 
als  in  den  capillaren  Röhren  beobachten.  Ein  Blick  auf  das 
Acetylenspectrum  zeigte  dann,  dass  eine  Verwechselung  des- 

1)  Wesendonck,  Berl.  Monatsber.  p.  791.  1880. 


waren.  Die  Länge  AB  be- 
trug demnach  etwa  26  cm. 
Ich  hatte  das  Rohr  schon 
vor  längerer  Zeit  anfer- 


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358 


A.  miliner. 


selben  mit  demjenigen  des  Wasserstoffes  noch  sehr  viel  we- 
niger möglich  ist  als  bei  dem  Spectrum  des  Aethylens  und 
des  Grubengases.  Zunächst  treten  die  schon  erwähnten 
charakteristischen  Kohlencannelirungen  beginnend,  mit  der 
Wellenlänge: 

5,61  5,20  4,83  4,51  4,39, 
hell  hervor,  die  beiden  ersten  mit  der  zarten  aus  dem  Koh- 
lensäurespectrum bekannten  Schraffirung.  Weiter  aber  ist 
das  Spectrum  im  Roth,  Orange  und  Gelb  dem  Spectrum 
der  Kohlensäure  oder  des  Kohlenoxyds  viel  ähnlicher  als 
dem  des  Wasserstoffes,  während  bei  Aethylen  und  Grubengas 
dieser  Theil  des  Spectrums  dem  des  Wasserstoffes  sehr  ähn- 
lich, wenn  nicht  ihm  ganz  gleich  ist.  Ich  habe  deshalb  diesen 
Theil  des  Spectruras  ziemlich  genau  ausgemessen  und  gebe 
im  Folgenden  die  Beschreibung  desselben.  Die  Ablenkungen 
sind  mit  demselben  Flintglasprisma  bestimmt,  das  ich  zu 
meinen  Messungen  über  die  Veränderungen  des  Stickstoff- 
spectrums verwandt  habe. 

Nähere  Beschreibung  des  Spcctrums  Ablunkung  ^JJjJ" 

Das  Spectrum  beginnt  mit  einem  ziemlich  hellen 


61° 

38' 

>  t 

6,620 

so  ziemlich  an  derselben  Stelle,  an  der  auch  das 
Spectrum  der  Kohlensäure  beginnt    Das  Feld 

61° 

46 

't 

6,507 

auf  der  Mitte  dieses  Feldes  ist  schwach  eine  helle 

Linie  zu  sehen,  wohl  Hn  =  6,567.    Nach  einem 

61° 

48' 

9* 

6,475 

ein  zweites  helles  Feld,  welches  ziemlich  gleichmäßig 

61° 

56' 

*  t 

6,369 

reicht.    Es  folgt  ein  5'  breites,  dunkles  Feld,  auf 

61° 

59' 

00" 

6,330 

liegt.    Es  beginnt  dann  wieder  ein  helles  Feld  bei 

62° 

1 

50" 

6,305 

62« 

r 

25" 

6,235 

durch  eine  helle  Linie  begrenzt  ist.    In  dem  dann 

folgenden  3'  breiten  dunklen  Räume  liegt  bei  . 

62  < 

9' 

25" 

6,204 

eine  helle  Linie.   Mit  weicher  Grenze  beginnt  bei 

62« 

10' 

25" 

6,192 

eine  Bande,  welche  durch  eine  Doppellinie    .    .  .| 

62° 
62° 

14' 
16' 

50" 
15" 

6,136 
6,124 

begrenzt  ist.    In  dem  sich  anschliessenden  dunklen 

62° 

18' 

25" 

6,097 

eine  scharfe  helle  Linie.   Weiter  beginnt  bei.    .  . 

62« 

19' 

45" 

6,089 

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A.  Wüllner. 


359 


Nähere  Beschreibung  des  Speetrums  . 

mit  breiter  weich  begrenzter  heller  Linie  ein  sehr 
helles,  orange  gefärbtes  Feld,  welches  mit  anfangs 
langsam,  später  rascher  abnehmender  Helligkeit  * 
13'  breit  ist.    Auf  demselben  liegen  bei .    .    .  .\ 

zwei  helle  Linien  und  ausserdem  bei  

eine  helle  Linie. 

Es  folgt  ein  bei  

beginnendes ,  streifig  sehattirtes  Feld ,  das  etwa  1 1 ' 

breit  ist  und  mehrere  helle  Linien  zeigt  bei    .  . 


Ablenkung 


Wellen- 


62° 

24 

15" 

6,037 

.20 

AC\" 
MI 

o,U-o 

62° 

29* 

35'' 

5,978 

62° 

38' 

10'' 

5,804 

62° 

49' 

00" 

5,873 

62° 

43' 

40'* 

5,838 

63° 

9' 

00" 

5,609 

Die  letzte  dieser  Linien  begrenzt  das  Feld  an  seiner 

brechbareren  Seite.    Das  Spectrum  setzt  sich  in 

dieser  Weise  in  schön  schattirten,  auch  schwache 

Liinien  zeigenden  Feldern  fort,  die  einzeln  zu  be- 
schreiben nicht  erforderlich  ist,  bis  bei  .... 
die  bekannte,  in  allen  Spectren  kohlehaltiger  Gase 

sich  zeigende  grüngelbe  Cannelirung  auftritt,  die 

feine  Schraffirung  zeigend,  welche  auf  den  Canue- 

lirungen  besonders  im  Spectrum  der  Kohlensäure 

und  des  Kohlenoxydgases  so  schön  sichtbar  ist. 

Die  Cannelirung  ist  jedoch  ganz  erheblich  schmaler 

als  im  Spectrum  der  Kohlensäure,  ihre  Breite  be- 
tragt nicht  ganz  9'  bei  der  Kohlensäure  14  '.  Sie 

wird  durch  eine  scharfe  Linie  begrenzt  bei.  .  . 
Es  folgt  dann  ein  breites  grünes  Feld,  welches  ähn- 
lich wie  das  erste  Wasserstoffspectrum  eine  grosse 

Zahl  von  Linien  zeigt.  Dann  beginnt  bei  .  .  . 
die    ebenfalls  wie   im  Kohleusäurespectrum  fein 

sclu-affirtc  grüne  Bande,  welche  indess  ebenso 

wie  die  gelbgrüne,  nur  halb  so  breit  ist,  wie  bei 

der  Kohlensäure.   Gleiches  gilt  von  den  folgenden 

Kohlenbanden,  der  blauen  beginnend  bei    .    .  . 

der  ersten  violetten   . 

der  zweiten  violetten  

Zwischen  diesen  Banden  ist  das  Spectrum  wie  bei 

Aethylen  und  Grubengas  dem  Bandenspectrum 

des  Wasserstoffes  ähnlich,  wenn  auch  im  Einzelnen 

sich  manche  Unterschiede  zeigen. 

4.  Ich  brauche  nach  dieser  Beschreibung  nur  auf  wenige 
Punkte  aufmerksam  zu  machen,  um  hervortreten  zu  lassen, 
dass,  wie  es  bei  dem  hohen  Kohlegehalt  des  Acetylens  zu 
erwarten  war,  das  Spectrum  von  dem  des  Wasserstoffs  sich 


63°  17'  48"  5,550 


64°    5'  20"  5,200 


65°  12' 

00" 

4,834 

66°  31' 

0" 

4,510 

67°  6' 

0" 

4,393 

360 


A.  IVüttner. 


in  viel  höherem  Maasse  unterscheidet,  als  die  Spectra  des 
Aethylens  und  des  Grubengases.  Während  bei  diesen  wesent- 
lich das  Auftreten  der  charakterischen  Kohlenbanden  das 
Spectrum  als  das  eines  kohlehaltigen  Gases  erkennen  lassen, 
ist  hier  die  ganze  rothe,  orange  und  gelbe  Partie  dem 
Spectrum  der  Kohlensäure  viel  ähnlicher  als  dem  des 
Wasserstoffs.  Das  Wasserstoffspectrum  beginnt  erst  bei 
/.  =  6,45,  zwischen  seinem  Beginn  und  Ha  =  6,567  ist  ein 
breiter  dunkler  Raum;  das  Spectrum  des  Acetylens  beginnt 
dagegen,  wie  das  der  Kohlensäure,  bei  X  —  6,62  und  Ha  ent- 
spricht der  Mitte  des  ersten  bis  X  =  6,507  reichenden  Feldes. 
Weiter  besteht  das  Spectrum  im  rothen  und  gelben  aus 
mehr  oder  weniger  breiten  gleichmässigen  beleuchteten 
Feldern,  während  das  Wasserspectrum  ähnlich  wie  das  des 
in  einem  starken  electrischen  Flammenbogen  verdampfen- 
den Eisens  aus  einer  bandenartigen  Häufung  von  Linien  be- 
steht. 

5.  Das  Spectrum  des  Acetylens  ist  nicht  von  langer 
Dauer.  Unter  Abscheidung  von  Kohle  verliert  das  Licht 
allmählich  seine  griinlichweisse  Färbung  und  wird  röthlich- 
weiss.  Im  Spectrum  verschwinden  zuerst  die  Schraffirungen 
auf  den  grünen  Cannelirungen,  während  die  Cannelirungen 
selbst  an  Breite  abnehmen,  dann  geht  im  Roth  und  Gelb 
das  Spectrum  in  dasjenige  des  Wasserstoffs  über,  und 
schliesslich  verschwinden,  wenn  das  Licht  die  röthlichweisse 
Farbe  angenommen  hat,  auch  die  Kohlencannelimngen  im 
Grün  und  Blau,  das  Spectrum  wird  fast  ganz  das  des 
Wasserstoffs.  Die  Zersetzung  ging  in  dem  Spectralrohr  mit 
capillarem  Zwischenstück  erheblich  rascher  vor  sich  als 
in  dem  weiten  und  langen  Rohr.  Im  ersteren  wurde  die 
Zersetzung  schon  nach  einer  Stunde  sehr  bemerkbar,  einmal 
begonnen,  war  sie  ziemlich  rasch  beendigt,  sodass  die  letzten 
Messungen  mit  dem  zweiten  Spectralrohr  gemacht  werden 
mussten.  In  dem  weiten  und  langen  Rohr  wurde  sie  auch 
etwa  nach  einer  Stunde  bemerkbar,  schritt  dann  aber  viel 
langsamer  vor,  sodass  in  diesem  das  Spectrum  ganz  durchge- 
messen werden,  und  so  erkannt  werden  konnte,  dass  das  weite 
Rohr,  wenn  man  die  26cm  lange  Gasschicht  nahm,  trotz 


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A.  W'üllner. 


361 


viel  geringerer  Helligkeit  des  Gases,  dasselbe  Spectrum  zeigte 
wie  das  enge  Rohr. 

Wenn  die  Wände  der  Röhren  und  die  Eleetroden  ein- 
mal mit  ausgeschiedener  Kohle  bedeckt  waren,  und  man 
dann  neues  Acetylen  unter  1 — 2  mm  Druck  in  die  Röhren 
liess,  so  zersetzte  sich  dasselbe  äusserst  schnell,  in  wenigen 
Minuten  war  das  grünlichweisse  Licht  röthlichweiss  gewor- 
den. Bei  wachsendem  Drucke  dauerte  die  Zersetzung  des 
Gases  erheblich  länger,  sodass  man  bei  15 — 30  mm  Druck 
in  dem  Rohre  mit  capiliarem  Zwischenstück  das  Acetylen- 
spectrum  wieder  ganz  gut  beobachten  konnte,  jedoch  nur 
kurze  Zeit,  da  dass  capiilare  Rohr  von  dem  abgesetzten 
Kohlenstoff  ganz  undurchsichtig  wurde.  In  dem  2  cm  weiten 
ßohre  konnte  man  aber  das  Acetylenspectrum  bis  zu  grösseren 
Drucke  verfolgen,  wenn  man  ein  Electrodenpaar  benutzte,  das 
nur  10  cm  weit  voneinander  entfernt  war,  also  etwa  die  Röhre  A. 

Die  Aenderungen  des  Spectrums  sind  wie  die  bei  allen 
kohlehaltigen  Gasen;  der  Lichtschwäche  der  Entladung  ent- 
sprechend, zieht  sich  das  Spectrum  wesentlich  auf  die  hell- 
sten und  deshalb  schmalen  Theile  der  Cannelirungen,  die  bei 
den  Wellenlängen: 

5,60       5,20       4,83   .  4,51 
beginnen,  zurück.    Zwischen  derselben  ist  wenig,  und  vor 
derselben  im  Roth  und  Gelb  ist  kaum  etwas  zu  sehen. 

IL 

In  meiner  ersten  Abhandlung  über  die  Spectra  des 
Wasserstoffs1)  habe  ich  ein  zweites  Linienspectrum  be- 
schrieben, welches  sich  in  Wasserstoffröhren  entwickelte, 
wenn  das  Gas  auf  möglichst  geringen  Druck  gebracht  wurde. 
Wie  ich  dort  beschrieben  habe,  färbte  sich  das  Licht  der 
Röhre  plötzlich  schön  Grün  und  gab  ein  aus  sechs  Linien- 
gruppen im  grünen  bestehendes  Spectrum.  Da  ich,  wenn  die 
Röhren  mit  anderen  Gasen,  Stickstoff  oder  Sauerstoff  ge- 
füllt waren,  dieses  Spectrum  nicht  fand,  sah  ich  es  als  ein 
solches  des  Wasserstoffs  an.   Nach  meinen  Versuchen  über 


1)  Wüllner,  Pogg.  Ann.  135.  p.  497.  1868. 


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362 


A.  JVüllner. 


die  allmähliche  Ueberführung  des  Bandenspectrums  des 
Stickstoffs  in  ein  Linienspectrum  lag  die  Vermuthung  nahe, 
dass  dieses  Linienspectrums  ebenfalls  ein  aus  dem  Banden- 
spectrum  des  Wasserstoffs  hervorgehendes  sei,  in  derselben 
Weise,  wie  ich  es  bei  dem  Stickstoff  gefunden  habe.  Ich 
habe  deshalb  mit  Wasserstoff  die  Versuche  in  derselben 
Weise  wie  mit  Stickstoff  durchgeführt,  dabei  aber  gefunden, 
dass  das  Spectrum  nicht  vom  Wasserstoff,  sondern  von  ver- 
dampftem Glase  herrührt.  Wenn  man  in  so  engen  Röhren, 
wie  ich  sie  bei  diesen  Versuchen  verwandte,  den  Wasserstoff 
immer  weiter  und  weiter  verdünnt,  zieht  sich  allerdings 
das  Wasserstoffspectrum  auf  einige  grüne  Partien,  resp. 
Linien  zurück.  Zwischen  diesen  traten  dann  die  Linien  des 
früheren  Spectrums  hervor,  aber  nicht  in  der  ganzen  Breite 
des  Spectrums,  sondern  nur  an  einzelnen  Stellen,  sodass 
zwei  oder  drei  Streifen  das  Spectrum  in  seiner  ganzen  Länge 
durchzogen,  in  welcher  sich  diese  Linien  zeigten.  In  dem 
capillaren,  vor  dem  Spalt  befindlichen  Theile  des  Spectral- 
rohres  sah  man  an  den  betreffenden  Stellen  ein  schmales, 
hin  und  her  spielendes  grünes  Licht,  während  sonst  die 
Röhre  in  dem  schwachen  der  geringen  Gasdichte  entsprechen- 
den Lichte  leuchtete.  Ich  vermuthe,  dass  dieses  grüne  Licht  und 
dem  entsprechend  die  Linien  an  den  entsprechenden  Stellen 
des  Spectrums  von  an  den  betreffenden  Stellen  verdampfendem 
Glaseherrühren.  Eine  von  Geissler  bezogene  Fluorsilicium 
enthaltende  Röhre  zeigte  ein  ähnliches  Linienspectrum  im 
Grün.  Die  vor  der  Lampe  durch  Zusammenfallenlassen 
weiterer  Röhren  hergestellten  so  engen  capillaren  Röhren 
sind  unmöglich  an  allen  Stellen  von  gleicher  lichter  Weite. 
An  den  engsten  Stellen  wird  dann  nach  längerem  Durch- 
gehen des  Stromes  die  Temperatur,  wenn  die  Röhren  Wasser- 
stoff enthalten,  eine  so  hohe,  dass  das  Glas  hinreichend  ver- 
dampft, um  jenes  grüne  Licht  zu  geben.  Nur  bei  Wasser- 
stofffüllung wird  die  Temperatur  des  Glases  eine  so  hohe,  wie 
bei  keinem  anderen  Gase;  enthalten  die  Röhren  ein  anderes 
Gas,  so  treten  höchstens  die  Natriumlinien  von  aus  dem 
Glase  verdampfendem  Natrium  auf. 

Aachen,  10.  August  1881. 


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A.  Wüüner. 


363 


XI.   Einige  Bemerkungen  zu  den  Versuchen  des 
Hm,  Wesendonek  über  Spectra  der  Kohlenstoff- 
Verbindungen;  von  A.  Wüllner. 


Herr  Wesendonek  hat  in  den  Monatsberichten  der 
Berliner  Academie  für  September  und  October  1880  p.  791 
eine  vorläufige  Mittheilung  über  Versuche  betreffend  die 
Spectra  der  Kohlenstoffverbindungen  gegeben,  welche  nach 
seiner  Meinung  bei  den  kohlehaltigen  Gasen  und  Dämpfen 
ein  gerade  entgegengesetztes  Verhalten  zeigen  als  meine  Theorie 
der  Doppelspectra  es  verlangt.  Nach  seiner  Meinung  geben 
diese  Gase  und  Dämpfe  in  dicken  Schichten,  durch  das  po- 
sitive Büschellicht  beleuchtet,  ein  Linienspectrum,  im  electri- 
schen  Funken  ein  Bandenspectrum. 

Da  Herr  Wesendonek  seine  Mittheilung  als  eine  vor- 
läufige bezeichnet,  und  da  nach  meiner  Auffassung  eine  vor- 
läufige Mittheilung  eine  kurze  Mittheilung  abgeschlossener 
Versuche,  nicht  eine  Mittheilung  vorläufiger  Versuche  ist,  so 
habe  ich  mich  bis  jetzt  jeder  Bemerknng  zu  dieser  vor- 
läufigen Mittheiluns  enthalten,  indem  ich  glaubte,  dass  der 
vorläufigen  Mittheilung  die  vollständige  bald  folgen  würde. 
Ich  glaubte  das  umsomehr  thun  zu  dürfen,  da  ich  annahm, 
dass  Herr  Wesendonek  bei  Ausarbeitung  seiner  Versuche 
Anlass  haben  würde,  die  frühere  Literatur  über  die  Spectra  der 
Kohlenstotfverbindungen  in  Betracht  zu  ziehen;  ich  vermuthete, 
dass  ich  dann  jeder  Bemerkung  zu  der  vorläufigen  Mittheilung 
überhoben  wäre.  Indess  bis  heute,  fast  ein  Jahr  nach  der 
Datirung  der  Mittheilung,  ist  eine  weitere  Publica tion  des 
Herrn  Wesendonek  mir  nicht  zu  Gesicht  gekommen,  ich 
muss  daher,  um  nicht  den  Verdacht  aufkommen  zu  lassen, 
dass  ich  den  Versuchen  eine  Beweiskraft  gegen  meine  Theorie 
der  Doppelspectra  beilege,  doch  jetzt  zu  denselben  bemerken, 
dass  das  von  Herrn  Wesendonek  vorläufig  Mitgetheilte 
schon  recht  vollständig  vor  10  Jahren  von  mir  beschrieben 
ist  in  meiner  Abhandlung  über  die  Spectra  kohlehaltiger 
Gase.1)  Meine  Beschreibung  bezieht  sich  allerdings  auf  das 

1)  Wüllner,  Pogg.  Ann.  1U.  p.  481.  1871. 


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364 


A.  W'ÜUner. 


Verhalten  der  Gase,  nicht  der  Dämpfe.  Indess  dass  die 
Dämpfe  sich  nicht  anders  verhalten  als  die  Gase,  sagt  Herr 
Wesendonck  selbst,  indem  er  am  Schlüsse  seiner  Mit- 
theilung hinzufügt,  dass  ganz  ebenso  wie  die  Dämpfe  sich 
das  einzige  von  ihm  untersuchte  kohlehaltige  Gas,  die 
Kohlensäure,  verhalte ;  ich  habe  mich  auch  selbst  davon  über- 
zeugt, indem  ich  die  Versuche  mit  Terpentinöl  wieder- 
holt habe. 

Die  kohlehaltigen  Gase  geben  im  positiven  Büschellicht, 
wenn  dasselbe  hell  genug  ist,  stets  ein  schön  ausgebildetes 
Bandenspectrum  mit  den  bekannten  Kohlenbanden.  Ver- 
dunkelt man  das  Licht,  indem  man  bei  Anwendung  von 
Spectralröhren  mit  capillarem  Zwischenstück  den  Druck  der 
Gase  vergrössert,  oder  indem  man  weite  Röhren  benutzt,  so 
zieht  sich  das  vollausgebildete  Bandenspectrum  immer  mehr 
auf  die  Beginne  der  Kohlenbanden  zurück,  welche  den  Wellen- 
längen: 


entsprechen,  und  welche  schliesslich  so  schmal  werden,  dass 
man  sie  als  nach  der  violetten  Seite  hin  abschattirte  Linien 
ansehen  kann.  Diese  infolge  der  Verdunklung  des  Lichtes 
schliesslich  allein  sichtbaren  Reste  des  Bandenspectrums  sind 
die  Linien  des  vom  positiven  Büschellicht  gelieferten  Linien- 
spectrums  des  Herrn  Wesendon c k.  Ich  konnte  im  Spectrum 
des  Terpentinöldampfes  in  einem  2  cm  weiten  Rohr  die 
Bandenbeginne  5,61,  5,20,  4,83  messen,  während  ein  Spectral- 
rohr  mit  capillarem  Zwischenstück  ein  leidlich  helles  voll- 
ständiges Kohlenwasserstoffspectrum  zeigte.  Das  Licht  des 
Terpentinöldampfes  bleibt  auch  schwach,  wenn  man  die  in 
meiner  Notiz  über  das  Acetylenspectrum  beschriebene  Röhre 
anwendet,  in  der  man  durch  eine  26  cm  lange  Dampfschicht 
hindurchsehen  kann;  es  gelang  mir,  selbst  mit  Anwendung 
von  Kältemischung,  nicht,  es  dahin  zu  bringen,  dass  das 
Licht  gleichmässig  die  ganze  Röhre  erfüllte.  Ich  konnte 
auch  dort  nur  eine  geringe  Vermehrung  des  Spectrums  er- 
halten, wesentlich  waren  es  die  etwas  breiteren  Bandenbe- 
ginne. 

Indess  Herr  Wesendonck  sagt  selbst,  dass  die  Kohlen- 


5,61 


5,20 


4,83 


4,51 


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A.  Wällner. 


365 


säure  dasselbe  zeige  wie  die  Dämpfe;  Kohlensäure,  deren 
Druck  in  den  Röhren  man  sehr  viel  besser  reguliren  kann, 
als  das  für  irgend  einen  Dampf  möglich  ist,  bietet  deshalb 
ein  vortreffliches  Mittel,  um  mit  einem  einzigen  Versuche 
das  Linienspectrum  des  Herrn  Wesendonck  in  seiner  wahren 
Bedeutung  zu  erkennen.  Füllt  man  die  von  mir  in  meiner 
Mittheilung  über  das  Aectylenspectrum  beschriebene  Röhre 
mit  Kohlensäure  unter  dem  Drucke  von  wenigen  Millimetern 
und  lässt  dann  den  Strom  durch  die  ganze  Röhre  gehen,  in- 
dem man  an  dem  einen  Ende  die  obere,  an  dem  anderen  die 
untere  Electrode  benutzt,  so  kann  man  in  derselben  Ent- 
ladung das  Bandenspectrum  der  Kohlensäure  oder  die  Linien 
des  Herrn  Wesendonck  sehen.  Hebt  man  den  Spalt  des 
Collimatorrohre8  so  hoch,  dass  nur  die  obere  Hälfte  des 
Rohres  von  2  cm  Durchmesser  vor  demselben  ist,  so  sieht 
man  wesentlich  nur  die  Beginne  der  Kohlenbanden,  senkt 
man  den  Spalt,  sodass  man  durch  die  26  cm  lange  Schicht 
des  leuchtenden  Gases  sieht,  so  erhält  man  das  schön  aus- 
gebildete Bandenspectrum.  Der  Versuch  zeigt  gerade  in  sehr 
hübscher  Weise  den  Einfluss  der  Dicke  der  strahlenden 
Schicht,  wie  ich  ihn  bei  meiner  Theorie  der  Doppelspectra 
voraussetze,  in  seiner  vollen  Reinheit,  da  wir  hier  bei  der- 
selben Entladung  überall  Röhren  von  gleicher  Weite,  also 
auch  überall  dieselbe  Temperatur  des  Gases  haben. 

Um  das  von  Herrn  Wesendonck  dem  electrischen 
Funken  zugeschriebene  Bandenspectrum  in  seiner  wahren 
Bedeutung  erkennen  zu  lassen,  wird  es  genügen,  folgende 
Sätze  aus  meiner  bereits  erwähnten  Abhandlung  über  die 
Spectra  der  kohlehaltigen  Gase  hervorzuheben.  In  Pogg. 
Ann.  144.  p.  494.  1871  beschreibe  ich  die  Spectraler- 
scheinungen  der  Kohlensäure  bei  Einschaltung  einer  Leydener 
Flasche  folgendermassen: 

—  —  „Erst  bei  einem  Funken  von  12  mm  ist  die 
Wirkung  der  Flasche  continuirlicher.  In  dem  dann  er- 
scheinenden Spectrum  ist  alles  Roth  und  Gelb  verschwunden, 
das  Spectrum  beginnt  im  Gelbgrünen  bei  63°  8'  30".  An 
Stelle  der  ohne  Flasche  bei  63°  10'  erscheinenden  Cannelirung 
bildet  sich  auf  schwach  beleuchteten  Grunde  eine  Gruppe 


366 


A.  Wullner 


von  5  äquidistanten  hellen,  sehr  feinen  Linien,   die  erste 
derselben  liegt  bei  63°  8'  30",  die  zweite  bei  63°  15'.  Die 
erste  der  Linien  scheint  auch  schon  ohne  Flasche  da  zu 
sein  und  nur  wegen  Verdunklung  des  hellen  Hintergrundes 
deutlicher  zu  werden;  deshalb  macht  es,  wenn  die  Flasche 
wirkt,  ganz  den  Eindruck,  wie  wenn  die  gelbgrüne  Cannelirung 
um  5'  nach  rechts  verschoben  würde  und  zerriss.   Von  da 
ab  ist  das  Gesichtsfeld  dann  dunkel  bis  zu  der  §.  27  er- 
wähnten grünen  Cannelirung,  welche  ohne  Flasche  bei  64°  7 
beginnt.   Wenn  die  Flasche  wirkt,  so  wird  diese  Gannehrung 
um  6'  nach  rechts  verschoben,  sodass  dass  Gesichtsfeld  bis 
64°  13'  vollständig  dunkel  ist.  Die  Cannelirung  zerfällt  dann 
in  4,  auf  hellem  Grunde  liegende,  je  6'  voneinander  entfernte 
helle  Linien,  oder  wie  man  es  auch  auffassen  kann,  in  drei  helle, 
durch  scharfe  helle  Linien  getrennte  und  begrenzte  ^Felder. 
Weiterhin  ist  das  Gesichtsfeld  wieder  verdunkelt,  die  ohne 
Flasche  sichtbare  blaue  Cannelirung  bei  65°  14'  verschwindet 
vollständig,  und  es  erscheint  eine  Gruppe  von  4  Linien, 
deren  erste  bei  65°  36',  deren  zweite  bei  65°  42',  und  deren 
letzte  bei  65°  51'  liegt;  die  letzte  scheint  eine  Doppellinie 
zu  sein.  Die  weiterhin  im  Blau  und  Violett  liegenden  hellen 
Partien  verschwinden  vollständig,  und  statt  dessen  treten 
an  vorher  dunklen  Stellen  sehr  wenig  helle  Linien  und 
Gruppen  auf,  die  nicht  zu  messen  sind." 

Das  ganz  analoge  Verhalten  des  Aethylens  beschreibe 
ich  am  a.  0.  p.  511  u.  514.  Wie  man  sieht,  hat  sich  Hr. 
Wesendonck  dadurch  täuschen  lassen,  dass  die  beiden 
grünen  Liniengruppen,  welche  bei  5,62  und  bei  5,16  begin- 
nen, auf  einem  hellen  Hintergrunde  liegen.  Wie  ich  dort 
beschrieben  habe,  wird  bei  Anwendung  höheren  Druckes 
der  ganze  Hintergrund  des  Linienspectrums  hell,  und  wir 
erhalten  schliesslich  das  unschattirt  continuirliche  Spectrum, 
indem  die  Linie,  wie  ich  schon  damals  mich  ausdrückte,  in 
dem  hellen  Hintergrunde  versinken. 

Aachen,  den  10.  August  1881. 


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K.  H.  Schellbach. 


307 


XII.   Das  Minimum  der  Ablenkung  eines  Licht- 
strahls im  Prisma;  von  K.  H.  Schellbach. 


Der  Weg  des  Strahles  sei  SQQ&]  alles  Uebrige  ist  aus 
der  richtig  gezeichneten  und  bezeichneten  Figur  verständlich, 
sodass  also  der  Winkel 
QTU  oder  A  die  Ab- 
lenkung  des  Strahles 
bezeichnet. 

Nimmt  man  den 
Durchmesser  des  um 
das  Dreieck  QQR  be- 
schriebenen Kreises  als 
Maasseinheit  an,  so  ist 
jede  Seite  der  Sinus 
des  gegenüberliegenden 

Winkels,  daher  liefert  das  Dreieck  QQfR  die  Gleichung: 

sin  ß2  4-  2  sin ß  sin  ß'  cos/?  +  sin  ß'2  =  sin/?2. 
Es  ist  aber: 

sin  u  =  n  sin  ß    und    sin  a  =  n  sin  ß'} 
daher  sogleich: 

sin  «2  -f  2  sin  a  sin  a  cos/?  4-  sin  a2  =  n2  sin/?2. 
Nun  ergibt  sich  leicht: 

sin  a2  4-  sin  a2  —  1  —  cos  (a  +  »')  cos  (a  —  ce) 
und:  2  sin  a  sin  a  *=  cos  (a  —  a )  —  cos  («  +  ec). 

Setzt  man  diese  Werthe  in  die  letzte  Gleichung  ein,  so 
findet  man  sogleich: 

(cos /?  -f  cos  («  —  a))  (cos/?  —  (<*  4-  a))  =  (n2  —  1) sin/?2, 

oder:  cos  {a  4-  cc )  =  cos/?  (**-!)  smp' 

v  y  r     cos  p  +  cos  («  -  a  ) 

Der  Bruch  ist  für  a  =  a  ein  Miniraum,  also  cos  («4-«')  ein 
Maximum,  daher  k  +      ein  Minimum. 

Es  ist  aber  ß  4-  /?  und  «  4-  «'=  ^1  4- /?.  Für  a'  =  a, 
also  ß  —  ß  hat  man  daher: 

sin  \  (A  +  p) 

71  —  : — :  • 

sin 


J 


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368 


E.  Wiedmann, 


XIII.   Beitrüge  zur  Geschichte  der  Nat 
schuften  bei  den  Arabern,  VI.; 
von  JEilhard  Wiedemann. 

Man  nimmt  meist  an,  dass  die  Realität  der  Alche 
die  Verwandlung  von  unedlen  Metallen  in  edle,  von 
Orientalen  allgemein  acceptirt  worden  sei.    Dem  ist  a 
durchaus  nicht  so.  Einige  ihrer  hervorragendsten  Geleh 
waren  anderer  Ansicht.    In  seinen  Prolegomenen  behan 
Ibn  Khaldün,  nachdem  er  die  Principien  der  Alchemis 
besprochen,  folgende  Punkte:  die  Umwandlung  der  Me 
ist  unmöglich,  der  Stein  der  Philosophen  kann  nicht  e : 
ren,  das  Studium  der  Alchemie  ist  verderblich.  S 
eigenen  Anschauungen  interessiren  uns  weniger,  wohl  a 
dass  er  Avicenna  und  seine  Schule  als  Gegner  der  AI 
mie  aufführt.    Während  AbüNasiralFaräbi,  ein  älte 
Philosoph,  annahm,  dass  alle  Metalle  zu  derselben  Gr 
tung  gehören  und  sich  nur  in  den  Accidentien  unterschei 
wonach  eine  Veränderung  dieser  ineinander  möglich  wr 
erklärt  Avicenna1),  dass  die  Metalle  sich  der  Gattung 
unterscheiden  und  dass  ihre  specifischen,  von  Gott  ersch 
nen  Difierenzen  daher  nicht  durch  chemische  Operation! 
veränderbar  sind.    Dem  hält  dann  ein  anderer  hervorrag 
der  Alchemist  Togair  entgegen,  dass  die  Aufgabe 
Alchemie  es  gar  nicht  sei,  den  Metallen  diese  Differenzen 
ertheilen,  sondern  sie  nur  in  der  Weise  zu  verändern,  dass 
befähigt  werden,  dieselben  aufzunehmen;  was  durch  Vermit 
lung  des  Elixirs  geschieht.  Ausser  Avicenna  hat  sich  au 
AI  Kindi,  sein  grosser  Vorgänger,  gegen  die  Alchemie  ai 
gesprochen ;  wir  kennen  wenigstens  die  Titel  folgender  Sehrt 
ten:  Offenbarung  der  Betrügereien  der  Alchemisten  und  ü" 
die  Falschheit  der  Behauptungen  der  Alchemisten,  die 
als  sicher  hinstellen  und  über  ihre  Betrügereien. 

1)  Durch  diese  Nachricht  wird  auch  wohl  definitiv  bewiesen,  d 
das  lateinisch  erhaltene  alchemistische  Werk,  de  anima,  nur  pseudepig 

Ehisch  ist.    Die  handschriftlich  erhaltenen  und  Avicenna  zugesd 
enen  arabischen  Abhandlungen  de  anima,  behandeln,  wie  sich  schon 
den  Kapitelüberschriften  ergibt,  rein  philosophische  Fragen. 

Druck  von  Metzger  1  Wittig  in  Leipzig. 


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1881.  ANN  ALEN  .«11. 

DER  PHYSIK  UND  CHEMIE. 

NEUE  FOLGE.   BAND  XIV. 


I.  Bemerkungen  über  die  Klangfarbe; 
van  Dr.  Rudolph  Kaenig  in  Paris. 


I)  Harmonische  Töne  und  Theiltöne. 

Unter  den  Tönen,  in  welche  sich  die  von  einem  vibri- 
renden  Körper  ausgehende  Klangmasse  zerlegen  lässt,  muss 
man  die  harmonischen  Töne  und  die  Theiltöne  unterschei- 
den. Letztere  entstehen  dadurch,  dass  der  Körper  gleich- 
zeitig mehrere  Schwingungsarten  ausführt,  welche  verschie- 
denen Tönen  zukommen,  die  er  auch  einzeln  hervorzurufen 
im  Stande  ist,  während  die  harmonischen  Töne  ihren  Ur- 
sprung in  der  Zerlegung  der  von  der  Pendelbewegung  ab- 
weichenden Schwingungsform  des  Körpers  bei  einem  ein- 
zigen Schwingungsmodus  in  einfache  Pendelbewegungen  haben. 
Diese  Theiltöne  und  harmonischen  Töne  unterscheiden  sich 
ihrer  Natur  nach  voneinander  dadurch,  dass  die  letzteren 
die  harmonischen  Schwingungszahlen  stets  in  absoluter  Rein- 
heit geben,  die  Schwingungszahlen  der  Theiltöne  dagegen  in 
Wirklichkeit  sich  immer  nur  mehr  oder  weniger  den  ihnen 
theoretisch  zukommenden  Werthen  nähern,  und  dieser  Unter- 
schied in  der  Natur  beider  Gattungen  von  Tönen  lässt  sich 
bei  allen  tönenden  Körpern  nachweisen,  ihre  Theiltöne  mögen 
unharmonisch  sein  oder  theoretisch  mit  Tönen  der  harmo- 
nischen Reihe  zusammenfallen. 

Von  der  absoluten  Reinheit  der  harmonischen  Intervalle 
der  Töne,  welche  die  Klänge  solcher  Körper  bilden,  die 
keine  Theiltöne  hervorbringen,  wie  z.  B.  der  durchschlagen- 
den Zungen,  überzeugt  man  sich,  indem  man  zwei  Unisono- 
grundtöne um  eine  Schwebung  verstimmt  und  dann  die  Schwe- 
bungen der  Obertöne  zählt;  man  constatirt  dann,  dass  die 

letzteren  in  der  That  genau  im  Verhältniss  der  Ordnungs- 
Ann,  d.  Phjt.  n.  Ctaem.  N.  F.  XIV.  24 


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370 


R.  Koenig. 


zahlen  dieser  Töne  an  Frequenz  zunehmen,  und  beobachtet 
man  harmonische  Töne  gleicher  Ordnung  beim  Zusammen- 
klange zweier  Unisonogrundtöne  mit  reiner  Stimmung,  so 
findet  man  diese  auch  wieder  immer  im  reinen  Einklänge 
miteinander;  wendet  man  diese  Beobachtungsmethode  jedoch 
bei  Theiltönen  an,  so  lässt  sie  in  allen  Fällen  die  erwähnten 
Abweichungen  derselben  von  den  ihnen  theoretisch  zukom- 
menden Werthen  erkennen. 

Beispiele  für  unharmonische  Theiltöne  findet  man  bei 
Stimmgabeln  und  bei  Platten,  und  bei  beiden  bemerkt  man 
stets,  dass  die  Theiltöne  weder  mit  dem  Grundtone,  noch 
untereinander  in  einem  ganz  festen  Verhältniss  stehen,  denn 
die  Theiltöne  gleicher  Ordnung  bei  zwei  Stimmgabeln,  deren 
Grundtöne  im  reinen  Einklänge  sind,  lassen  immer  mehr 
oder  weniger  schnelle  Stösse  hören,  und  hat  man  die  Töne 
zweier  Platten  für  dieselbe  Klangfigur  genau  im  Unisono  ge- 
stimmt, so  findet  man  die  Töne  derselben  für  andere  Klang- 
figuren auch  wieder  nicht  mehr  im  reinen  Einklänge. 

Theiltöne,  welche  theoretisch  mit  harmonischen  Tönen 
zusammenfallen,  findet  man  zuerst  bei  Orgelpfeifen;  aber 
sowohl  bei  den  offenen  wie  bei  den  gedackten  Pfeifen  wei- 
chen sie  beträchtlich  von  den  harmonischen  Schwingungs- 
zahlen ab,  indem  sie  eine  mit  den  Ordnungszahlen  der  Ober- 
töne progressiv  zunehmende  Erhöhung  über  die  Töne  der 
harmonischen  Reihe  erkennen  lassen.  Schon  Wertheim 
bemerkte,  dass  man  bei  der  Bestimmung  des  Grundtones 
einer  Pfeife  durch  einen  ihrer  Obertöne  immer  eine  um  so 
grössere  Schwingungszahl  für  diesen  erhielte,  als  man  einen 
höheren  Oberton  anwendete,  und  ich  selbst  fand  bei  einer 
offenen  Pfeife  von  2,33  m  Länge  und  0,12  m  Breite  und  Tiefe, 
dass  die  Erhöhung  des  achten  Theiltones  über  den  achten  har- 
monischen Ton  schon  beinahe  eine  ganze  Secunde  erreichte, 
sodass  er  fast  mit  dem  neunten  harmonischen  Tone  zusammenfiel. 

Ferner  fallen  auch  die  Theiltöne  der  Saiten  theoretisch 
mit  den  harmonischen  zusammen,  und  auch  bei  diesen  lassen 
sich  Abweichungen  von  der  absoluten  Reinheit  der  Inter- 
valle wahrnehmen,  welche  bei  langen,  dünnen  Metallsaiten 
allerdings  nur  sehr  gering,  und  auch  ziemlich  schwer  direct 


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R.  Koenig. 


371 


zu  beobachten  sind.  Die  Saite  durchläuft  nämlich  fast 
immer,  wenn  sie  nach  der  Erregung  sich  selbst  überlassen 
bleibt,  die  Bahn  einer  Ellipse,  wodurch  Variationen  in  der 
Intensität  des  Tones  erzeugt  werden,  welche  die  Bestimmung 
sehr  kleiner  Tonunterschiede  vermittelst  der  Stösse  von 
Hülfsgabeln  fast  unmöglich  machen,  wie  auch  durch  diese 
Form  der  Bewegung  Beobachtungen  mit  dem  Vibrations- 
mikroskop sehr  erschwert  werden.  Die  Verhältnisse  ändern 
sich  jedoch  sofort,  wenn  man  mit  Saiten  zu  thun  hat,  welche 
den  theoretischen  Bedingungen  einer  idealen  Saite  weniger 
gut  entsprechen,  wie  dieses  z.  B.  bei  den  Darmsaiten  der 
musikalischen  Instrumente  der  Fall  ist.  Wenn  man  an  einer 
1  m  langen  dünnen  Stahlsaite  etwa  in  einem  Drittel  ihrer 
Länge  ein  Wachskügelchen  von  nur  ungefähr  der  Grösse 
eines  Stecknadelkopfes  befestigt,  reicht  diese  künstlich  be- 
wirkte Unregelmässigkeit  in  ihrer  Structur  schon  hin,  die 
harmonischen  Verhältnisse  zwischen  ihren  Theiltönen  be- 
trächtlich zu  verstimmen,  und  stimmt  man  mit  dieser  Saite 
eine  andere  im  Unisono  und  bringt  auf  beiden  Theiltöne 
gleicher  Ordnung  hervor,  so  hört  man  diese  deutlich  mitein- 
ander schlagen,  wie  man  umgekehrt  auch,  wenn  man  zwei 
Theiltöne  gleicher  Ordnung  im  Unisono  gestimmt  hat,  wieder 
die  Grundtöne  nicht  mehr  im  Einklang  findet.  Die  Unregel- 
mässigkeiten in  der  Form  sowohl  als  auch  in  der  Dichtig- 
keit der  Materie,  welche  man  bei  den  Darmsaiten  vorfindet, 
sind  aber  immer  weit  beträchtlicher,  als  diese  an  der  Stahl- 
saite künstlich  bewirkte  Abweichung  von  den  normalen  V er- 
hältnissen,  da  zwischen  den  Tönen  der  beiden  Hälften  einer 
Violinsaite  oft  Unterschiede  von  einem  halben  bis  zu  einem 
ganzen  Tone  stattfinden,  und  man  wird  daher  unbedingt  an- 
nehmen können,  dass  im  allgemeinen  bei  den  Darmsaiten 
der  musikalischen  Instrumente  die  Theiltöne  immer  merklich 
von  der  Reinheit  der  harmonischen  Intervalle  abweichen. 
Wenn  der  Grundton  einer  solchen  Saite  von  einem  ihrer 
Theiltöne  begleitet  ist,  so  wird  also  die  Form  ihrer  Schwin- 
gungen eine  beständige  Umwandlung  erfahren  müssen,  und 
dieses  nimmt  man  in  der  That  wahr ,  wenn  man  in 
einem  solchen  Falle  die  Bewegung  der  Saite  direct  auf- 

24* 


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372 


Ä.  Koenig. 


zeichnet.  Eine  solche  Aufzeichnung  ist  in  Fig.  I  wieder- 
gegeben. Sie  wurde  mit  einer  Stahlsaite  erhalten,  in  der 
zugleich  der  Grundton  und  die  Octave  erregt  waren,  welche 
Töne  hier  nur  sehr  wenig  von  der  absoluten  Reinheit  des 


Figur  L 


Intervalles  abwichen,  jedoch  schon  in  hinreichender  Weise, 
um  den  allmählichen  Wechsel  der  Phasendifferenz  zwischen 
beiden  deutlich  zu  zeigen.  Um  die  lange  Linie,  welche 
diese  Aufzeichnung  bildete,  bequemer  in  den  Text  einschal- 
ten zu  können,  ist  sie  in  der  Figur  in  fünf  übereinander 
disponirten  Stücken  dargestellt  worden.  Weitere  Beispiele 
für  die  allmähliche  Umwandlung  der  Schwingungsform  bei 
Saiten,  die  zwei  oder  mehrere  ihrer  Eigentöne  zugleich 
geben,  finden  sich  auch  unter  den  zahlreichen  Aufzeichnungen 
der  Schwingungsbewegungen  gestrichener  Saiten,  welche  Cl. 
Neumann  veröffentlicht  hat.1) 

Wenn  aber,  wie  alle  diese  Tonschriften  zeigen,  bei 
Saiten,  welche  die  Bedingungen  einer  idealen  Saite  nicht  ge- 
nügend erfüllen,  das  gleichzeitige  Auftreten  des  Grundtones 
und  eines  oder  mehrerer  Theiltöne  Schwingungsbewegungen 
hervorruft,  welche  sich  beständig  transformiren,  so  geht  hier- 
aus auch  hervor,  dass,  wenn  die  aufeinander  folgenden  Schwin- 
gungen solcher  Saiten  keine  Veränderungen  zeigen,  aber 
ihre  Formen  von  der  Sinuscurve  abweichen,  diese  Abwei- 
chung nicht  eine  Folge  der  Coexistenz   einer  Reihe  von 

l)  Cl.  Neumann,  Wien.  Ber.  20.  Jan.  1870.   Taf.  I  Fig.  1—4. 


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B.  Koenig. 


373 


T  heil  tönen  sein  kann,  sondern  dass  die  Saite  in  solchem 
Falle  in  ihrer  ganzen  Länge  ohne  Unterabtheilungen  schwingt. 

Im  allgemeinen  pflegt  die  Abweichung  der  Schwingungen 
eines  Körpers,  während  er  nur  einen  seiner  Eigentöne  gibt, 
von  der  einfachen  Pendelbewegung  um  so  grösser  zu  sein, 
und  sein  Klang  somit  auch  aus  um  so  zahlreicheren  und 
stärkeren  harmonischen  Tönen  zu  bestehen,  als  die  Ampli- 
tuden seiner  Vibrationen  im  Verhältniss  zu  seinem  Quer- 
schnitt beträchtlicher  sind.    So  kann  man  die  harmonischen 
Töne  bei  Stimmgabeln  nur  wahrnehmen,  wenn  diese  lange 
und  dünne  Zinken  haben  und  mit  verhältnissmässig  weiten 
Amplituden  schwingen,  während  bei  dickarmigen,  kurzen 
Stimmgabeln  sie  so  schwach  werden,  dass  sie  sich  gar  nicht 
mehr  nachweisen  lassen.    Bei  Saiten,  wo  im  Verhältniss  zu 
ihrem  Durchmesser  die  Schwingungen  gewöhnlich  eine  be- 
trächtliche Weite  haben,  und  wenn  sie  gestrichen  werden, 
auch  die  Wirkung  des  Bogens  in  ihnen  eine  von  der  Pendel- 
bewegung sehr  abweichende  Schwingungsform  erzeugt,  ist  es 
daher  nicht  auffallend,  dass  man  fast  immer  in  ihrem  Klange 
zahlreiche  und  starke  harmonische  Töne  hören  kann,  welche 
mit  den  Theiltönen  ebenso  wenig  zu  thun  haben  als  die 
starken  harmonischen  Töne,  welche  man  im  Klange  der 
durchschlagenden  Zunge  bemerkt,  von  irgend  welchen  Unter- 
abtheilungen der  Zungen  herrühren.    Hiermit  ist  natürlich 
nicht  gesagt,  dass  die  Schwingungen  der  Theiltöne  nicht 
auch  wirklich  die  Schwingungen  des  Grundtons  bei  Saiten 
begleiten  und  somit  einen  beträchtlichen  Bestandtheil  ihres 
Klanges  bilden  können,  und  bei  der  ausserordentlichen  Leich- 
tigkeit, mit  welcher  besonders  lange  Saiten  in  Schwingungen 
mit  Unterabtheilungen  gerathen,  wird  dieses  sogar  sehr  oft, 
vornehmlich  wenn  die  Saiten  durch  Anschlagen  oder  Reissen 
erregt  werden,  der  Fall  sein,  doch  zeigen  obige  Betrach- 
tungen, dass  man  eben  diese  Töne  nicht  mit  den  harmoni- 
schen, welche  aus  der  Zerlegung  in  einfache  Pendelbewe- 
gungen der  nur  einem  Eigenton  der  Saite  zukommenden 
Schwingungen  entstehen,  verwechseln  müsse,  wie  es  gewöhn- 
lich gethan  wird. 


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374 


R.  Koenig. 


» 

2)  Einfluss  der  Phasendifferenz  der  harmonischen  Töne  auf 

die  Klangfarbe. 

Würden  Klangfarben  nur  durch  den  Zusammenklang 
von  Theiltönen  eines  vibrirenden  Körpers  hervorgebracht 
werden,  so  hätte  man  bei  ihnen  nach  dem  Einfluss  der 
Phasendifferenz  nicht  weiter  zu  fragen,  da  das  charakteristi- 
sche eines  solchen  Tongemisches  gerade  in  dem  beständigen 
Wechsel  der  Phasendifferenz  der  einzelnen  Töne  untereinan- 
der bestehen  möchte.  Da  jedoch  die  harmonischen  Töne, 
in  welche  sich  die  von  einfachen  Pendelbewegungen  abwei- 
chenden Einzelschwingungen  zerlegen  lassen,  durchaus  reine 
Intervalle  bilden,  so  ist  die  Lage  nach  dem  Einfluss  der 
Phasendifferenz  bei  diesen  Klängen  bekanntlich  darum  von 
der  grössten  Wichtigkeit,  weil,  je  nachdem  ein  solcher  Ein- 
fluss stattfindet  oder  nicht,  die  vor  den  Untersuchungen  von 
Helmholtz  über  diesen  Gegenstand  gewöhnliche  Annahme, 
dass  die  Klangfarbe  von  der  Form  der  Schwingungen  ab- 
hänge, beizubehalten  ist,  oder  dahin  abgeändert  werden  muss, 
wie  Helmholtz  es  gethan,  dass  dieselbe  Klangfarbe  sehr 
verschiedenen  Formen  entsprechen  kann,  wenn  nur  diese 
Formen,  in  einfache  pendelartige  Schwingungen  zerlegt,  die 
gleichen  Töne  in  gleicher  Stärke  geben. 

Schon  beim  Zusammenklange  zweier  Unisonotöne,  bei 
denen  der  Einfluss  der  Phasendifferenz  so  bedeutend  ist,  dass 
durch  ihn  die  ganze  Tonmasse  zerstört  werden  kann,  hat 
man  bekanntlich  besondere,  sorgfältig  hergerichtete  Dispo- 
sitionen nöthig,  um  die  Interferenzerscheinungen  deutlich 
hervortreten  zu  lassen,  und  wollte  man  dieselben  untersu- 
chen, während  man  eine  grössere  Anzahl  Unisonotöne,  also 
etwa  acht  Unisonostimmgabeln  zusammenklingen  Hesse,  so 
würde  man  sehr  wenig  deutliche  Resultate  erhalten.  Unter- 
suchungen über  den  Einfluss  der  Phasendifferenz  beim  Zu- 
sammenklange einer  ganzen  Reihe  von  harmonischen  Tönen 
werden  daher  noch  mehr  erfordern,  unter  den  günstigsten 
Verhältnissen  angestellt  zu  werden,  bei  denen  es  möglich 
ist,  die  passendsten  Fälle  der  Phasendifferenz  zu  beobachten, 
wenn  man  diesen  Einfluss  zur  deutlichen  Erscheinung  bringen 
will.    Es  ist  ferner  zu  bemerken,  dass  man  die  zu  unter- 


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R.  Koenig. 


375 


suchenden  Klangfarben,  wenn  sie  nur  wenig  von  einander 
verschieden  sind,  eigentlich  immer  gleich  für  eine  ganze 
Reihe  von  Grundtönen,  statt  nur  für  einen  einzigen  her- 
stellen müsste,  wenn  das  Ohr  dieselben  einigermassen  gut 
soll  beurtheilen  können,  denn  die  Fähigkeit  des  Ohres,  kleine 
Unterschiede  in  der  Klangfarbe  wahrzunehmen,  existirt  mei- 
stens nur  für  den  Fall,  dass  diese  Klangfarben  von  ihm  an 
den  Tönen  einer  ganzen  Melodie  vernommen  werden.  Spielt 
man  z.  B.  eine  Melodie  in  ganz  gleicher  Weise  auf  zwei  an 
Güte  sehr  verschiedenen  Geigen,  so  ist  der  Unterschied  höchst 
fühlbar,  während  man  ihn  bei  Angabe  nur  eines  Tones  auf 
denselben  beiden  Instrumenten  oft  kaum  bemerken  kann, 
und  ebenso  erscheinen  die  Unterschiede  in  der  Klangfarbe 
von  Orgelpfeifen,  welche  alle  auf  denselben  Ton  gestimmt 
sind,  aber  verschiedenen  Registern  der  Orgel  angehören,  oft 
äusserst  gering,  während  diese  Register  bei  der  Ausführung 
von  Musikstücken  einen  sehr  merklich  verschiedenen  Cha- 
rakter haben.  Es  findet  hier  in  der  Beurtheilung  der  Klang- 
farbe also  etwas  Aehnliches  statt,  wie  bei  der  Beurtheilung 
der  Tonhöhe  schnell  verklingender  Töne,  etwa  der  Töne  der 
bekannten  Holzbrettchen,  welche,  der  Reihe  nach  auf  den 
Fussboden  geworfen,  ganz  deutlich  die  Tonleiter  hören  lassen,  . 
während  schon  ein  besonders  gut  geübtes  Ohr  dazu  gehört, 
die  Tonhöhe  eines  einzelnen  Brettchens  zu  erkennen. 

Dass  die  Phasendifferenz  zwischen  den  harmonischen 
Tönen  überhaupt  einen  Einfluss  auf  die  Klangfarbe  haben 
müsse,  dafür  spricht  schon  die  blosse  Thatsache,  dass  ge- 
störte harmonische  Intervalle  Stösse  hören  lassen,  ganz  ab- 
gesehen davon,  welchen  Ursprung  man  diesen  zuschreiben 
mag.  In  der  That,  während  der  Schwebungen  eines  harmo- 
nischen Intervalles  empfängt  das  Ohr  einen  periodisch  wech- 
selnden Eindruck,  und  ein  solcher  kann  beim  Zusammenklange 
zweier  harmonischer  Töne,  die  nie  einen  Stosston  erzeugen, 
nur  dadurch  hervorgerufen  werden,  dass  entweder  beide  Töne 
zugleich  an  Intensität  periodisch  zu-  und  abnehmen,  dass  sie 
dieses  abwechselnd  thun,  oder  dass  nur  einer  der  beiden 
Töne  allein  periodisch  seine  Intensität  wechselt.  In  den 
letzten  beiden  Fällen  würde  also  dass  Intensitätsverhältniss 


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R.  Koenig. 


zwischen  beiden  Tönen,  und  folglich  auch  die  Klangfarbe, 
während  einer  Schwebung  zugleich  mit  der  Phasendifferenz 
beständig  verändert  werden,  und  wäre  es  ein  gleichmässiges 
Anschwellen  und  Abnehmen  beider  Töne,  welches  die  Pe- 
riodicität  des  Eindruckes  bedingte,  so  möchte  allerdings  die 
Klangfarbe,  so  lange  sie  nur  aus  diesen  beiden  Tönen  be- 
stände, während  der  ganzen  Dauer  der  Schwebung  dieselbe 
bleiben,  sie  würde  aber  dann  wieder  sofort  Umwandlungen 
erleiden,  wenn  zu  diesen  beiden  Tönen  noch  ein  anderer 
hinzuträte,  dessen  Intensität,  während  sie  Schwebungen  aus- 
führten, unverändert  bliebe.  Helmhol tz  nennt  zwar  den 
während  einer  Schwebung  zwischen  zwei  nicht  ganz  rein  in 
der  Octave  gestimmten  Tönen  erzeugten  Wechsel  in  der 
Klangfarbe  eine  nur  „scheinbare  Ausnahme"1)  von  der  von 
ihm  aufgestellten  Regel,  dass  die  Phasendifferenz  ohne  Ein- 
flus8  auf  die  Klangfarbe  sei,  weil  sich  „dieser  Wechsel  auf 
Veränderung  der  Tonstärke  eines  der  Töne  zurückfuhren 
lasse",  wenn  jedoch  die  Klangfarbe  gerade  durch  die  har- 
monischen Töne  und  ihre  relative  Intensität  bedingt  werden 
soll,  und  dieses  Intensitätsverhältniss  durch  den  Phasenunter- 
schied wirklich  geändert  wird,  so  ist  auch  ihr  Einfluss  auf 
die  Klangfarbe  natürlich  ein  thatsächlicher  und  nicht  nur 
ein  scheinbarer.  Es  kann  hiernach  also  die  Frage  nicht 
mehr  sein,  ob  die  Phasendifferenz  der  harmonischen  Töne 
überhaupt  einen  Einfluss  auf  die  Klangfarbe  äussere,  sondern 
nur  noch,  wie  gross  derselbe  unter  verschiedenen  Umständen 
sein  könne,  und  wie  viel  das  Ohr  davon  wahrzunehmen  im 
Stande  ist. 

Die  Anwendung  von  Stimmgabeln  mit  Resonanzröhren 
für  diese  Experimente  ist  mit  grossen  Schwierigkeiten  ver- 
bunden, da  es  selbst  mit  Hülfe  der  von  Helmholtz  gege- 
benen Regel3)  schwer  ist,  eine  sichere  Schätzung  der  Phasen- 
differenz der  Töne  zu  machen,  welche  man  durch  die  Ver- 
stimmung der  Resonanzröhren  hervorruft.  Es  liegt  nämlich 
dieser  Regel  die  Voraussetzung  zu  Grunde,  dass  die  Be- 


1)  Helmholtz,  Tonempfindungen  4.  p.  207.  1877. 

2)  1.  c.  p.  202. 


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R.  Koenig 


377 


wegung  der  Stimmgabeln  selbst  immer  durchaus  ohne  Pha- 
sendifferenz stattfindet  und  auch  nicht  durch  die  Resonanz-  » 
röhren  beeinflusst  wird,  was  man  jedoch  nicht  unbedingt 
annehmen  kann.  Die  Experimente,  welche  ich  hierüber  an- 
gestellt habe,  waren  nicht  ausgedehnt  genug,  um  das  allgemeine 
Gesetz  des  Verhaltens  einer  electrisch  bewegten  Gabel  unter 
dem  Einflüsse  eines  mehr  oder  weniger  verstimmten  Reso- 
nators so  vollständig  erkennen  zu  lassen,  als  frühere  von 
mir  angestellte  Versuche  die  Einwirkung  einer  resonirenden 
Luftmasse  auf  eine  freischwingende  Gabel  gezeigt  hatten, 
sie  reichten  jedoch  aus,  im  allgemeinen  die  Existenz  einer 
solchen  Einwirkung  darzuthun,  wie  folgendes  Beispiel  zeigt. 

Stimmte  eine  electrische  Gabel  c  (ttf3),  während  sie 
durch  ein  freischwingendes  Vibrationsmikroskop  c  (ut2),  beob- 
achtet wurde,  in  der  absolut  reinen  Octave  mit  diesem,  wenn 
die  dicht  hinter  ihr  disponirte  Resonanzröhre  geschlossen 
war,  und  wurde  diese  dann  geöffnet,  so  verringerte  sich  die 
Amplitude  ihrer  Schwingungen  plötzlich  fast  um  die  Hälfte, 
und  zugleich  begann  die  optische  Figur  sich  zu  bewegen, 
und  zwar  ziemlich  schnell,  sodass  sie  eine  halbe  Drehung 
schon  in  etwa  sechs  Secunden  ausführte,  dann  immer  lang- 
samer, bis  sie  nach  20  Secunden  ungefähr  drei  Viertel  einer 
Drehung  erreicht  hatte,  worauf  sie  schliesslich  wieder  zur 
Ruhe  gelangte.  Wurde  die  Resonanzröhre  darauf  von  neuem 
geschlossen,  so  nahmen  die  Schwingungen  der  Gabel  wieder 
ihre  frühere  Amplitude  an,  ohne  dass  aber  dabei  eine  ähnliche 
Drehung  der  Figur,  etwa  in  entgegengesetzter  Richtung,  als 
die  vorher  beobachtete,  bemerkt  wurde. 

Es  läge  nun  der  Gedanke  nahe,  die  Töne  der  Stimm- 
gabeln ohne  Resonatoren  direct  durch  gleichlange  Röhren- 
leitungen zum  Ohre  zu  führen  und  dann  beliebige  Phasen- 
differenzen durch  passende  Verlängerungen  dieser  Leitungen 
herzustellen,  wie  bei  dem  bekannten  Interferenzapparate; 
doch  abgesehen  davon,  dass  auch  diese  Röhren  unter  Um- 
ständen wie  Resonatoren  wirken  könnten,  empfängt  das  Ohr 
am  Ende  einer  solchen  Leitung  nicht  Fortpflanzungswellen, 
die  an  ihm  vorüberziehen,  sondern  es  bilden  sich  in  der 
Röhre  immer,  wenn  ihre  Länge  gleich  einer  ungeraden  Anzahl 


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R.  Koenig. 


Viertelwellen  ist,  stehende  Wellen,  und  das  Ohr  befindet  sich 
dann  in  einem  Knoten  derselben,  sodass  derselbe  Ton  in 
diesen  Fällen  ausserordentlich  viel  stärker  vernommen  wird, 
als  bei  den  Zwischenstellungen  der  Auszugsröhre,  und  man 
also  eine  Leitungsröhre  nie  verlängern  kann,  ohne  auch  die 
Intensität  des  beobachteten  Tones  zu  verändern.  —  Um  sich 
hiervon  zu  überzeugen,  hat  man  nur  eine  Stimmgabel  TT  vor 
einem  Ende  der  ausziehbaren  Röhre  des  schon  erwähnten 
Interferenzapparates  zu  disponiren  und  das  andere  Ende 
durch  einen  Kautschukschlauch  mit  dem  Ohre  zu  verbinden; 
verlängert  man  dann  die  Leitung,  so  hört  man  die  Stellen 
grösster  Intensität  sehr  deutlich  und  sieht,  dass  die  Ver- 
längerung von  einer  zur  anderen  etwa  0,32  m  beträgt. 

Aus  diesen  Gründen  ist  bei  Untersuchungen  über  den 
Einfluss  der  Phasendifferenz  der  Obertöne  auf  die  Klang- 
farbe, der  Anwendung  von  Reihen  electrisch  bewegter  Stimm- 
gabeln in  Verbindung  mit  Resonatoren  oder  Leitungsröhren 
die  von  Wellensirenen  bei  weitem  vorzuziehen. 

Bei  der  Wellensirene  wird,  wie  ich  dieses  schon  in  einer 
früheren  Arbeit1)  beschrieben  habe,  eine  bestimmte  Schwin- 
gungsbewegung in  der  Luft  dadurch  erzeugt,  dass  eine  diese 
Bewegung  darstellende  Curve,  welche  am  Rande  eines  Me- 
tallstreifens  ausgeschnitten  ist,  vor  einer  schmalen  Windspalte 
vorbeigleitet  und  diese  somit  nach  ihrem  Gesetze  periodisch 
verkürzt  und  verlängert,  man  kann  also  einen  aus  bestimm- 
ten harmonischen  Tönen  bestehenden  Klang  entweder  da- 
durch erzeugen,  dass  man  die  Composition  der  diesen  har- 
monischen Tönen  zukommenden  Wellenlinien  ausfuhrt  und 
gegen  die  auf  solche  Weise  entstandene  Wellencurve  durch 
die  Windspalte  bläst,  oder  indem  man  gleichzeitig  jeden  der 
harmonischen  Töne  gesondert  für  sich  durch  Anblasen  ein- 
facher, ihren  Schwingungszahlen  zukommender  Sinuscurven 
hervorruft. 

Bei  sämmtlichen  Wellenlinien,  welche  ich  für  die  Unter- 
suchungen vermittelst  der  ersten  Methode  construirte,  betrug 
die  Länge  der  Sinusoide  des  Grundtones  0,84  m,  und  die 


^  R.  Koenig,  Wied.  Ann.  12.  p.  335.  1881. 


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R.  Koenig. 


379 


aus  der  Composition  der  verschiedenen  harmonischen  Wellen- 
linien erhaltenen  Curven  wurden  photographisch  auf  die  für 
die  Experimente  passende  Grösse  reducirt.  Diese  Curven, 
an  den  Rändern  von  Messingstreifen  ausgeschnitten,  die  um 
Räder  befestigt  waren,  rotirten  vor  Windspalten,  die  mit 
einem  sehr  grossen  Luftreservoir  in  Verbindung  standen  und 
durch  Tasten  beliebig  geöffnet  oder  geschlossen  werden 
konnten. 

In  Fig.  II,  III  und  IV  enthält  jede  Horizontallinie  in 
verjüngtem  Maassstabe  vier  Wellencurven,  wie  sie  aus  der 
Composition  derselben  harmonischen  Sinuscurven  entstehen, 
wenn  diese  alle  mit  ihren  Anfangspunkten,  einem  Viertel, 
der  Hälfte,  und  drei  Viertel  ihrer  Wellenlänge  zusammen- 
fallen, welche  Fälle  ich  im  Folgenden  immer  kurz  mit  Pha- 
sendifferenz 0,  J,  |  und  |  bezeichnen  werde.  Unter  jeder 
Wellenlinie  sind  die  harmonischen  Töne  nebst  ihren  Inten- 
sitäten (J)  verzeichnet,  welche  den  Sinuscurven  entsprechen, 
aus  deren  Composition  sie  entstanden  ist.  In  Fig.  III  c,  dr 
bedeutet  H  die  absolute  Höhe  der  componirten  Sinuscurven. 
Alle  Curven  mussten  natürlich  immer  in  der  Weise  in  die 
Ränder  der  Metallstreifen  eingeschnitten  werden,  dass  ihre 
Wellenberge  in  diese  wie  Thäler  einschnitten,  und  ihre  Wellen- 
thäler  wie  Berge  stehen  blieben,  denn  es  sind  die  Einschnitte, 
welche  die  Windspalten  öffnen  und  somit  die  Intensitäts- 
maxima  der  Luftwellen  erzeugen,  während  die  vorstehenden 
Spitzen  sie  verkürzen  und  somit  die  Minima  bilden.  Gibt 
man  hierauf  nicht  Acht,  so  kann  man  sich  leicht  in  der 
Phasendifferenz  um  eine  halbe  Doppelschwingung  irren  und 
also  z.  B.  eine  Composition  harmonischer  Sinuscurven  mit 
der  Phasendifferenz  \  für  die  Composition  mit  der  Phasen- 
differenz J  halten. 

Lässt  man  vorerst  den  Grundton  nur  von  seiner  Octave 
gleicher  Intensität  begleiten,  so  erhält  man  bei  der  Phasen- 
differenz \  den  stärksten,  und  bei  der  Phasendifferenz  \  den 
schwächsten  Klang,  während  die  Klänge  bei  den  Phasen- 
differenzen 0  und  j  zwischen  beiden  stehen. 

Beim  Zusammenklange  der  ersten  acht  harmonischen 
Töne  von  gleicher  Intensität,  Fig.  II  a,  sind  die  Unterschiede 


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380 


R.  Koenig. 


in  der  Intensität  und  der  Klangfarbe  bei  den  verschiedenen 
Phasendifferenzen  noch  weit  beträchtlicher.  Die  ganze  Klang- 
masse ist  am  lautesten  und  schärfsten  bei  der  Phasendif- 
ferenz {,  am  schwächsten  und  sanftesten  bei  der  von  j.  Zwi- 
schen beiden  stehen  wieder  die  Klänge  mit  den  Phasendif- 
ferenzen 0  und  }. 


Figur  II. 


Beim  Zusammenklang  der  Töne  1,  3,  5,  7  gleicher  In- 
tensität, Fig.  11^,  ist  die  Wellenform  bei  den  Phasenunter- 
schieden 0  und  J  dieselbe,  und  ebenso  die  bei  den  Phasen- 
differenzen von  {  und  f.  Letztere  gibt  einen  starken,  näseln- 
den Klang,  wogegen  bei  den  Phasendifferenzen  0  und  J  der 
Klang  äusserst  schwach  wird,  weicher  und  weniger  näseln«! 
erscheint. 

Es  ist  natürlich  sehr  schwer,  eine  genaue,  deutliche  Be- 
schreibung solcher  Klangunterschiede  zu  geben,  doch  kann 
man  sich  mitunter  dadurch  helfen,  dass  man  die  betreffenden 
Klänge  für  denselben  Grundton  mit  Vocalen  vergleicht,  mit 
denen  man  ihre  Aehnlichkeit  leicht  auffindet,  wenn  man  si 
nachzusingen  versucht.  So  Hess  sich  die  aus  dem  Zusammen- 
klang der  vier  ungeradzahligen  harmonischen  Töne  ent- 
stehende Klangfarbe  bei  einer  gewissen  Höhe  des  Grund- 
tones sehr  gut  mit  einem  ae  vergleichen,  welches,  wenn  keine 
Phasendifferenz  zwischen  den  Tönen  stattfand,  mehr  nach 
dem  e  hinneigte,  während  beim  Zusammenfallen  aller  Viertel- 
wellen in  diesem  ae  das  a  mehr  hervortretend  war. 


k 


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R.  Koenig. 


381 


0 

t 


Klangfarben,  wie  die  bisher  untersuchten,  bei  denen  alle 
harmonischen  Töne  gleiche  Intensität  mit  dem  Grundtone 
haben,  dürften  in  Wirklichkeit  wohl  kaum  von  irgend  einem 
tönenden  Körper  direct  erzeugt  werden,  und  hat  man  solche 
Klänge  für  musikalische  Zwecke  nöthig,  so  erzeugt  man  sie 
daher  dadurch,  dass  man  eine  ganze  Reihe  einzeln  hervor- 
gebrachter harmonischer  Töne  zugleich  erklingen  lässt,  wie 
n  den  Mixturen  der  Orgel,  sie  sind  daher  nicht  Klang- 
farben im  eigentlichen  Sinne  des  Wortes  und  eher  Zusam- 
menklänge zu  nennen.  Sehr  häutig  werden  dagegen  Klänge 
von  vibrirenden  Körpern  direct  hervorgebracht,  bei  denen 
die  Intensität  der  harmonischen  Töne  nach  einem  bestimm- 
en Gesetze  regelmässig  abnimmt,  so  z.  B.  von  Zungenpfeifen 
ohne  Ansatzröhren,  von  Saiten,  die  nur  mit  einem  ihrer 
Eigentöne  schwingen,  und  von  sehr  dünnarmigen,  langen 
Stimmgabeln. 


Figur  III. 


Die  Curven,  welche  aus  der  Composition  der  Sinusoiden 
entstehen,  die  einer  solchen  Reihe  von  Tönen  mit  regel- 
mässig abnehmender  Intensität  entsprechen,  gehen  immer 


Di 


382 


R.  Koenig. 


schliesslich  in  eine  sehr  einfache,  continuirlich  auf-  und  ab- 
steigende Wellenlinie  über.  Bei  der  Grösse,  in  welcher  ich 
meine  Curven  ausführte,  musste  ich,  im  Falle  die  Intensität 
der  harmonischen  Töne  im  umgekehrten  Verhältniss  ihrer 
Ordnungszahlen  angenommen  wurde,  Fig.  III«,  in  der  Con- 
struction  bis  zum  elften  Tone  gehen,  um  dieser  einfachen 
Form  praktisch  so  nahe  als  möglich  zu  kommen;  verringerte 
ich  jedoch  die  Intensität  der  harmonischen  Töne  von  einein 
zum  anderen  immer  um  die  Hälfte,  so  wurde  die  einfache 
Form  praktisch  schon  beim  sechsten  Tone  erreicht.  Die 
Curve,  welche  aus  dieser  letzten  Composition  entstand,  habe 
ich  in  Fig.  III  nicht  gegeben,  da  sie  so  wenig  von  der  vor- 
hergehenden, Fig.  III  a  verschieden  ist,  dass  bei  dem  kleinen 
Maassstabe  der  Unterschied  kaum  zu  bemerken  gewesen  sein 
würde. 

Auch  diese  beiden  Klänge  mit  harmonischen  Tönen  von 
regelmässig  abnehmender  Intensität  hatten  wie  die  Zusam- 
menklänge harmonischer  Töne  von  gleicher  Stärke  die  lau- 
teste und  schärfste  Färbung  bei  der  Phasendifi'erenz  J  und 
die  schwächste  und  sanfteste  bei  der  Phasendifferenz  |,  wäh- 
rend die  Klangfarben  der  Phasendifferenzen  0  und  \  sowohl 
in  Bezug  auf  die  Stärke  als  auch  auf  die  Schärfe  zwischen 
beiden  standen. 

Mit  den  Wellencurven,  Fig.  III  c,  welche  aus  der  Com- 
position einer  Reihe  von  acht  harmonischen  Wellen  entstan- 
den sind,  deren  absolute  Höhe  sich  immer  von  einer  zur 
anderen  um  die  Hälfte  verringert,  erhält  man  wieder  ganz 
ähnliche  Resultate  wie  mit  den  Curven  Fig.  III«,  d.  h.  die 
Phasendifferenz  \  erzeugt  den  stärksten,  schärfsten,  und  die 
Phasendifferenz  f  den  schwächsten,  weichsten  Klang. 

Die  zwei  allein  aus  ungeraden  harmonischen  Tönen  zu- 
sammengesetzten Klänge,  Fig.  Ulb  und  d,  sind  bei  der 
Phasendifferenz  \  und  j  beide  stärker  und  schärfer  als  bei 
der  Phasendifferenz  0  und  J. 

Fiine  dritte  Klasse  bilden  die  Klänge,  bei  welchen  die 
harmonischen  Töne  nicht  regelmässig  an  Stärke  abnehmen, 
sondern  abwechselnd  bald  schwächer,  bald  stärker  sind.  Sie 
vwerden  gewöhnlich  nicht  von  den  vibrirenden  Körpern  direct 


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R.  Koenig. 


383 


hervorgebracht,  sondern  dadurch,  dass  einzelne  Töne  der 
durch  einen  vibrirenden  Körper  erzeugten,  an  Intensität 
regelmässig  abnehmenden  harmonischen  Reihe  durch  die 
Resonanz  anderer  Körper  verstärkt  werden,  wie  dieses  bei 
Zungenpfeifen  der  Fall  ist,  über  denen  Schallröhren  befestigt 
sind,  oder  bei  der  menschlichen  Stimme,  die,  im  Kehlkopfe 


Figur  IV. 


erzeugt,  durch  die  Resonanz  der  Luftmasse  in  der  Mundhöhle 
modificirt  wird.  Dieser  Art  von  Klängen  entsprechen  die 
Ourven  Fig.  IV  a,  b  und  c,  bei  deren  Construction  ich  für 
die  harmonischen  Töne  die  Intensitäten  angenommen  hatte, 
welche  sie  nach  Auerbach  bei  den  Vocalklängen  Ou,  (K 
A  mit  dem  Grundtone  c  (ut2)  haben  sollen,  nämlich  für  On, 
Fig.  IV  a,  indem  die  Intensität  der  ganzen  Tonmasse  gleich 
100  gesetzt  wird,  1  =27,  2  =  25,  3  =  14,  4  =  22,  5  =  7,  6  =  4, 
7  =  1;  für  0,  Fig.  IV  b,  1  =  9,  2=16,  3  =  36,  4  =  14,  5=12, 
6  =  9,  7  =  4,  8  =  1,  und  für  A,  Fig.IVc,  1  =  5,  2  =  7,  3  =  12, 
4  =  20,  5=15,  6  =  30,  7  =  7,  8  =  4,  9=1.  —  Ich  untersuchte 
diese  drei  Klänge  nur  bei  den  Phasendifferenzen  0  und  }, 
und  fand  dabei  immer  die  Klänge  stärker  und  schärfer  bei 


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384 


R.  Koenig. 


der  Phasendifferenz  J,  als  bei  der  PhasendifFerenz  0,  doch 
war  der  Unterschied  nicht  in  allen  drei  Fällen  gleich  gross, 
sondern  am  bedeutendsten  bei  Fig.  IV«  und  am  geringsten 
bei  Fig.  IV  c. 

Beiläufig  sei  übrigens  hier  erwähnt,  dass  diese  drei 
Curven  in  Bezug  auf  die  Nachahmung  der  Vocale  ungenü- 
gende Resultate  geben ,  nur  mit  Fig.  IV  c  erhielt  man  bei 
kurzer,  stossweiser  Hervorbringung  des  Klanges  ein  erträg- 
lich gutes  Ay  jedoch  nicht  für  den  Grundton  c,  sondern 
wenn  dieser  in  die  Gegend  von  /  (fa2)  und  g  (sol^)  fiel. 

Für  die  Wiederholung  dieser  Experimente  dient  am 
zweckmässigsten  ein  Apparat  mit  drei  Radern  und  sechs 
Wellencurven,  von  denen  vier  die  Composition  derselben  acht 
harmonischen  Töne  mit  den  Phasendifferenzen  0,  J,  }  und  } 
darstellen,  und  zwei  die  Composition  der  ersten  vier  unge- 
raden harmonischen  Töne  mit  den  Phasendifferenzen  0  und 
}.  Man  kann  dann  sowohl  den  Unterschied  in  der  Klang- 
farbe beobachten,  welcher  allein  durch  die  Phasendifferenz 
bedingt  wird,  wie  auch  zwei  aus  verschiedenen  harmonischen 
Tönen  bestehende  Klänge  miteinander  vergleichen.  Die  sechs 
Röhren  mit  den  Windspalten  zum  Anblasen  der  Curven 
sind  auf  einer  gemeinsamen  Windlade  über  Schiebern  be- 
festigt, welche  gestatten,  sie  nach  Belieben  zu  öffnen  und  zu 
schliessen,  und  es  ist  unnöthig,  für  diese  Windlade  die 
grossen  Dimensionen  beizubehalten,  welche  ihr  für  die  Unter- 
suchungen gegeben  waren. 

Wie  man  aus  den  Figuren  II,  III  und  IV  ersieht,  ent- 
stehen aus  der  Composition  einer  Reihe  harmonischer  Sinus- 
curven  in  den  Wellenlinien  oft  grosse  Steilheiten,  und  man 
könnte  daher  geneigt  sein,  auf  Grund  dieses  Umstände s  an- 
zunehmen, dass  die  Form  der  Luftwellen,  wie  sie  durch  die 
hier  angewendete  Methode  erzeugt  wurden,  nur  wenig  den 
Curven  entsprach,  gegen  welche  man  die  Windspalte  richtete. 
Da  jedoch  die  Wellenstreifen  keineswegs  so  dicht  vor  den 
Windspalten  rotiren,  dass  sie  in  Wirklichkeit  den  Ausfluss 
der  Luft  aus  diesen  hindern  könnten,  selbst  in  den  Augen- 
blicken, in  denen  sie  mit  ihren  höchsten  Wellenbergen  vor 
ihnen  vorübergehen,  so  dürften  die  etwaigen  Druckverände- 


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R.  Koenig. 


385 


rungen  in  der  Luftmasse  der  Windlade  wohl  praktisch  zu 
vernachlässigen  sein,  ganz  fällt  aber  dieser  Einwand  gegen 
die  Genauigkeit  der  Methode  fort,  wenn  man  die  Klänge, 
welche  man  den  Untersuchungen  unterwirft,  aus  einzeln  her- 
vorgebrachten harmonischen  einfachen  Tönen  bildet,  die  durch 
das  Anblasen  von  Sinuscurven  erzeugt  werden. 

Der  erste  Apparat,  welchen  ich  nach  diesem  Principe 
mit  sechszehn  einfachen  Tönen  für  Untersuchungen  über  die 
Klangfarbe  in  den  Jahren  1867  und  1868  construirte,  war 
bestimmt,  durch  ein  Uhrwerk  getrieben  zu  werden,  und  es 
musste  daher  der  rotirende  Theil,  der  in  einem  Cylinder- 
mantel  bestand,  in  welchem  sich  die  Oetinungen  befanden, 
deren  Ränder  aus  Sinuscurven  gebildet  waren,  möglichst 
leicht,  also  in  Aluminium  ausgeführt  werden.  Bei  dem  neuen 
Apparate  ist  diese  Leichtigkeit  einer  grösseren  Solidität  ge- 
opfert worden.  Er  ist  in  Fig.  V  ohne  das  Fussgestell  mit  dem 
Schwungrade,  der  Kurbel  und  dem  Pedal  dargestellt. 

Die  Sinuscurven,  welche  die  ersten  sechszehn  harmoni- 
schen Töne  darstellen,  sind  an  den  Rändern  von  sechszehn 
Messingringen  ausgeschnitten,  deren  Diameter  vom  ersten  bis 
zum  letzten  progressiv  grösser  werden,  und  welche  in  einer 
gewissen  Entfernung  hintereinander  auf  einem  stufenförmigen 
Kegel  von  Gusseisen  befestigt  sind,  der  auf  einer  Axe  sitzt. 
Beim  Rotiren  gehen  diese  Sinuscurven  an  Windspalten  vor- 
über, durch  welche  sie  angeblasen  werden.  Es  entstehen 
hierdurch  einfache  Töne,  so  lange  die  Spalten  sich  in  ihrer 
ursprünglichen  Lage,  d.  h.  in  der  Richtung  des  Radius  be- 
finden, oder  Klänge,  bei  denen  die  Grundtöne  von  einer 
Reihe  regelmässig  an  Intensität  abnehmender  harmonischer 
Töne  begleitet  sind,  wenn  man  diesen  Spalten  eine  schräge 
Stellung  gibt. 

Die  Windröhren  sind  auf  einer  Platte  montirt,  auf  wel- 
cher sie  in  concentrirten  Spalten  verschoben  werden  können, 
um  die  Herstellung  beliebiger  PhasenditFerenzen  zwischen 
den  einzelnen  Tönen  zu  gestatten.  Diese  Verschiebungen 
werden  vermittelst  kammartig  ausgeschnittener  Platten  be- 
wirkt, welche  man  auf  einem  um  die  Axe  des  Apparates 
drehbaren  Hebelarme  befestigt,  und  gegen  deren  Zähne  die 

Ann.  d.  Phys.  u.  Chem.  N.  F.  XIV.  25 


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386 


R.  Koenig. 


Windröhren  durch  Kautschukbänder  gedrückt  werden.  Be- 
wegt man  diesen  Hebelarm  aufwärts  bis  zu  einer  bestimmten 
Höhe,  so  hebt  man  dabei  sämmtliche  Windspalten  in  die 
durch  die  Form  des  Kammes  vorher  bestimmte  Lage. 


Figur  V. 


Die  Windröhren  stehen  durch  Kautschukschläuche,  welche 
ihre  Verschiebungen  nicht  hindern,  mit  einer  Windlade  in 
Verbindung,  und  der  Wind,  welcher  durch  Niederdrücken 


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R.  Koch«! 


387 


der  Tasten  in  die  Köhren  getrieben  wird,  geht  auf  seinem 
Wege  in  der  Windlade  durch  Löcher,  die  man  durch  Schie- 
ber mehr  oder  weniger  schliessen  kann,  um  somit  seine  In- 
tensität und  also  auch  die  der  Töne  beliebig  zu  reguliren. 

Um  dem  Grundtone  mehr  Kraft  zu  geben,  der,  durch  eine 
einzige  Spalte  angeblasen,  wegen  seiner  Tiefe  verhältnissmässig 
nur  schwach  ist,  kann  man  den  Wind  gegen  seine  Sinus- 
curven  nicht  allein  durch  eine  Windspalte  blasen  lassen, 
welche  wie  die  aller  anderen  Töne  angeordnet  ist,  sondern 
auch  noch  durch  vier  Windröhren,  die  auf  einem  gemein- 
samen Windkasten  stehen,  welcher  direct  durch  eine  Röhre 
mit  der  Windlade  in  Verbindung  steht. 

Man  erhält  Töne,  welche  von  der  Reinheit  der  harmo- 
nischen Intervalle  abweichen,  um  Theiltöne  nachzuahmen, 
indem  man  Windröhren  auf  einem  um  die  Axe  des  Appa- 
rates drehbaren  Hebelarme  befestigt  und  diesen  in  der  Rich- 
tung der  Rotationsbewegung  der  Sinuscurve  bewegt,  wenn 
man  die  Töne  der  Curven,  gegen  welche  man  bläst,  vertiefen 
will,  oder  ihn  eine  entgegengesetzte  Bewegung  machen  lässt, 
wenn  man  diese  Töne  zu  erhöhen  wünscht. 

Der  Apparat  ist  auf  einem  starken  Gestelle  von  Guss- 
eisen  montirt  und  wird  durch  ein  Schwungrad  in  Bewegung 
gesetzt,  welches  entweder  mit  der  Hand  vermittelst  einer 
Kurbel  oder  mit  dem  Fusse  durch  ein  Pedal  gedreht  wird. 
Man  fängt  damit  an,  dasselbe  erst  ganz  langsam  mit  der 
Hand  in  Bewegung  zu  setzen,  worauf  man  dann  die  Rota- 
tionsgeschwindigkeit allmählich  so  lange  vergrössert,  bis  die 
Töne  die  gewünschte  Höhe  erreicht  haben.  Diese  Geschwin- 
digkeit kann  man  dann  sehr  leicht  mit  dem  Pedal  unter- 
halten, und  es  gelingt  sogar,  sie  recht  constant  zu  bewahren, 
Dank  der  beträchtlichen  Masse  des  Kegels  von  Gusseisen. 
Natürlich  könnte  man  auch  jede  andere  Triebkraft  anwen- 
den, um  den  Apparat  in  Bewegung  zu  setzen. 

Fig.  VI  zeigt  die  ursprüngliche  Disposition  der  Luft- 
spalten auf  zwei  Radien  vor  den  Sinuscurven  der  gerad- 
zahligen und  der  ungeradzahligen  Töne.  Ist  der  Kegel  so 
gestellt,  dass  sich  vor  der  immer  unverändert  fest  blei- 
benden Spalte  des  ersten  Tones  ein  Gipfel  der  Sinuscurve 

25* 


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388 


R.  Koenig. 


befindet,  so  liegen  zugleich  auch  alle  anderen  Spalten  vor 
Wellengipfeln  und  werden  also  im  selben  Augenblicke  ge- 
schlossen werden,  sodass  alle  ihre  Töne  mit  |  ihrer  Wellen- 
länge zusammenfallen. 


O 


Figur  VI. 


Will  man  die  Compressionsmaxima  aller  Töne  zusam- 
menfallen lassen,  so  dreht  man  zu  diesem  Zwecke  den  Kegel, 
bis  die  Spalte  des  ersten  Tones  vor  einem  Wellenthale  der 
ausgeschnittenen  Curve  zu  stehen  kommt;  die  Spalten  der 


O 


Figur  VII. 


ungeraden  Töne  befinden  sich  dann  auch  alle  vor  Wellen- 
thälern  ihrer  Curven  und  werden  also  zugleich  mit  der  Spalte 
des  Grundtones  geöffnet,  die  unverrückten  geradzahligen 
Spalten  befinden  sich  dagegen  im  selben  Augenblicke  vor 
Wellengipfeln  ihrer  Curven  und  werden  folglich  geschlossen, 
sie  müssen  also  jede  um  eine  halbe  Curvenlänge,  nach  den 
punktirten  Stellen  Fig.  VII,  verschoben  werden.  Ist  dies 
geschehen,  so  fallen  dann  alle  Töne  mit  J  ihrer  Wellenlänge 
zusammen. 

Sollen  alle  Töne  ohne  Phasendifferenz  zusammenklingen, 
und  hat  man  die  erste  Spalte  vor  den  Anfangspunkt  ihrer 
Wellencurve  gestellt,  so  befinden  sich  von  den  anderen 


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R.  Koenig. 


389 


Spalten  nur  noch  die  5.,  9.  und  13.  von  selbst  in  der  ihnen 
zukommenden  Lage,  und  alle  anderen  müssen  nach  den  punk- 
tirten  Stellen  verschoben  werden,  wie  Fig.  VIII  zeigt,  auf 
der  auch  der  hierzu  dienende  Kamm  mit  dem  Hebelarme 
dargestellt  ist. 


Figur 


Würde  man  die  Rotationsrichtung  der  Curven  umkeh- 
ren, so  erhielte  man  bei  derselben  Stellung  der  Spalten  den 
Zusammenklang  der  Töne  bei  der  Phasendifferenz  J;  um 
jedoch  die  Klangfarbe  desselben  Zusammenklanges  bei  den 
Phasendifferenzen  0  und  J  bequem  vergleichen  zu  können, 
müssen  die  Spalten  sich  von  der  vorhergehenden  Disposition 
auch  noch  nach  den  Fig.  IX  angezeichneten  Stellen  ver- 
schieben lassen. 


Figur  IX. 


Für  die  ungeraden  Spalten  sind  diese  dieselben  wie  bei 
der  Phasendifferenz  0,  und  es  erfordern  daher  nur  die  Spal- 
ten der  geraden  Töne  eine  Verrückung,  welche  hier  für  die 
Spalten  8,  12  und  16  um  die  Länge  einer  ganzen  Wellen- 
curve  grösser  angegeben  ist,  als  nöthig  gewesen  wäre,  wenn 


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390 


R.  Koenig, 


man  sie  aus  ihrer  ursprünglichen  Lage  nur  bis  zu  den  nächst 
gelegenen,  der  erforderten  Bedingung  entsprechenden  Punkten 
hätte  verschieben  wollen.  Stellt  man  aber  die  Spalten  erst 
für  die  Phasendifferenz  0  ein,  indem  man  den  Kamm  von 
Fig.  VIII  auf  der  Platte,  welche  alle  Windröhren  trägt,  be- 
festigt, so  werden  diese  ersten  Punkte  der  drei  angegebenen 
Curven  durch  ihn  verdeckt,  und  man  könnte  folglich  nicht 
vermittelst  eines  auf  dem  Hebelarme  für  die  Phasendifferenz 
|  angebrachten  Kammes  die  betreffenden  Spalten  an  sie  hin- 
schieben. 

Fügt  man  zu  dem  Grundton  erst  nur  noch  die  Octave 
hinzu,  so  ist  die  Klangmasse  am  lautesten  bei  der  Phasen- 
differenz J,  und  hat  zugleich  in  ihrem  Charakter  etwas  Tie- 
feres, als  ob  in  ihr  der  Grundton  mehr  vorherrschend  wäre, 
sie  ist  am  schwächsten  bei  der  Phasendifferenz  f.  Achtet 
man  nur  auf  die  Octave,  während  man  den  Wechsel  in  der 
Phasendifferenz  ausführt,  so  scheint  dieselbe  bei  den  Phasen- 
differenzen {  und  j  ungefähr  gleich  stark  zu  sein,  jedoch  sehr 
merklich  schwächer  zwischen  beiden. 

Klänge,  welche  nur  aus  Tönen  der  un geradzahligen 
harmonischen  Reihe  bestehen,  deren  Intensitäten  sein  möger, 
welche  sie  wollen,  sind  bei  den  Phasendifferenzen  j  und  J 
immer  lauter  und  schärfer,  als  bei  den  Phasendifferenzen  0 
und  |,  lassen  jedoch  unter  sich  nicht  den  geringsten  Unter- 
schied wahrnehmen,  wie  auch  die  Klänge  bei  0  und  J  unter 
sich  identisch  sind.  An  und  für  sich  ist  dieses  allerdings 
ein  selbstverständliches  Resultat,  da  in  diesen  Fällen  die 
aus  der  Composition  aller  Töne  entstehenden  Wellencurven 
durchaus  gleich  sind,  wie  die  Figuren  II  b,  III  b,  d  zeigen, 
es  hat  aber  hier  seine  Wichtigkeit  als  eine  Probe  für  die 
Zuverlässigkeit  der  Leistungen  des  angewendeten  Apparates. 

Klänge  aus  harmonischen  Tönen  zusammengesetzt,  welche 
sowohl  der  gerad-,  als  der  ungeradzahligen  Reihe  angehö- 
ren, sind  bei  der  Phasendifferenz  f  am  schwächsten  und  bei 
der  Phasendifferenz  \  am  stärksten  und  schärfsten,  und  dies 
stimmt  mit  den  Resultaten  überein,  die  das  Anblasen  von 
Curven  ergeben  hatte,  welche  die  ganzen  Klänge  darstellten. 

Die  Klänge  bei  den  Phasendifferenzen  0  und  J,  welche 


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R.  Koenig. 


391 


in  Bezug  auf  die  Intensität ,  als  auch  auf  die  Schärfe  zwi- 
schen den  Klängen  mit  den  Phasendifferenzen  j  und  {  liegen, 
scheinen  untereinander  auch  nicht  ganz  gleich  zu  sein,  wie 
man  dieses  eigentlich  erwarten  sollte,  da  sie  durch  dieselbe 
Curve  dargestellt  werden,  welche  nur  nach  verschiedenen 
Richtungen  hegt  (Fig.  II,  III  und  IV).  Bei  den  Experi- 
menten, bei  welchen  die  den  ganzen  Klang  darstellenden 
Curven  angeblasen  wurden,  schien  mir  dieser  Unterschied 
zweifelhaft  zu  sein,  und  was  ich  davon  bemerkte,  glaubte  ich 
irgend  welcher  Unvollkommenheit  des  angewendeten  Appa- 
rates zuschreiben  zu  können;  doch  Hessen  unter  den  sehr 
zahlreichen,  aus  einzelnen  Tönen  zusammengesetzten  Klänge, 
welche  ich  beobachtete,  beim  plötzlichen  Phasenwechsel  von 
0  zu  J  viele  einen  recht  merklichen  Unterschied  vernehmen, 
welcher  nicht  einem  Fehler  des  Apparates  zugeschrieben 
werden  konnte;  denn  entfernte  ich  aus  dem  Klange  auf  ein- 
mal alle  geraden  Töne  und  wiederholte  mit  dem  neuen,  nur 
noch  aus  ungeraden  Tönen  bestehenden  Klange  dasselbe 
Experiment,  so  war  ein  solcher  Unterschied  nie  mehr  zu 
spüren.  Darnach  scheint  in  der  That  die  Wirkung  auf  das 
Ohr  eine  andere  zu  sein,  wenn  in  den  Luftwellen  ein  sehr 
plötzlich  erzeugtes  Compressionsmaximum  allmählich  ab- 
nimmt, oder  wenn  die  Compression  erst  allmählich  bis  zu 
diesem  Maximum  zunimmt  und  dann  sehr  plötzlich  wieder 
verschwindet. 

Dieses  Ergebniss  hat  jedoch  nöthig,  noch  weiter  an  ver- 
schiedenen, in  ihrer  Composition  genau  bestimmten  Klängen 
geprüft  zu  werden;  ganz  bestimmt  geht  dagegen  aus  allen 
vorstehenden  Untersuchungen  folgendes  Gesetz  hervor: 

Die  Composition  einer  Anzahl  harmonischer  Töne,  welche 
sowohl  der  gerad-,  als  auch  der  ungeradzahligen  Reihe  an- 
gehören, erzeugt,  ganz  unabhängig  von  der  relativen  Inten- 
sität dieser  Töne,  immer  den  stärksten  und  schärfsten  Klang 
bei  der  Phasencoincidenz  von  }  ihrer  "Wellenlängen,  den 
schwächsten  und  sanftesten  bei  der  Phasencoincidenz  von  j 
ihrer  "Wellenlängen,  und  die  Klänge  bei  den  Phasendifferen- 
zen 0  und  £  stehen  sowohl,  was  ihre  Intensität,  als  auch  was 
ihre  Schärfe  anlangt,  immer  zwischen  beiden. 


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R.  Koenig 


Die  Composition  einer  Anzahl  harmonischer  Töne,  welche 
nur  der  ungeradzahligen  Reihe  angehören,  gibt  bei  den  Pha- 
sendifferenzen J  und  j  einen  gleichen  Klang,  und  ebenso 
einen  gleichen  Klang  bei  den  Phasendifferenzen  0  und  J,  der 
Klang  bei  den  Phasendifferenzen  }  und  |  ist  aber  stärker 
und  schärfer,  als  der  bei  den  Phasendifferenzen  0  und  |. 

Wenn  demnach  auch  wirklich  die  Klangfarbe  haupt- 
sächlich durch  die  Anzahl  und  die  relative  Intensität  der 
harmonischen  Töne  bedingt  wird,  in  welche  sie  sich  zerlegen 
lässt,  so  ist  der  Einfluss  der  Phasendifferenz  zwischen  diesen 
harmonischen  Tönen  auf  dieselbe  doch  keineswegs  so  gering, 
dass  er  ganz  zu  vernachlässigen  wäre.  —  Man  wird  ungefähr 
sagen  können,  wenn  der  Wechsel  in  der  Anzahl  und  rela- 
tiven Intensität  der  harmonischen  Töne  Verschiedenheiten 
in  der  Klangfarbe  hervorruft,  wie  sie  an  Instrumenten  be- 
merkt werden  können,  welche  verschiedenen  Familien  an- 
gehören, oder  wie  sie  bei  der  menschlichen  Stimme  als  ver- 
schiedene Vocale  gehört  werden,  so  ist  doch  der  Wechsel 
in  der  Phasendifferenz  zwischen  diesen  harmonischen  Tönen 
noch  immer  im  Stande,  mindestens  so  grosse  Unterschiede 
in  der  Klangfarbe  hervorzurufen  als  verschiedene  Instrumente 
derselben  Gattung,  und  gleiche  Vocale,  von  verschiedenen 
Stimmen  gesungen,  erkennen  lassen. 

Ich  glaube,  dass  die  blosse  Beschreibung  des  Fig.  V 
dargestellten  Apparates,  der  mir  bei  vorstehenden  Unter- 
suchungen gedient  hat,  ausreichen  wird,  um  erkennen  zu 
lassen,  dass  derselbe  auch  für  viele  andere  Experimente, 
vornehmlich  aber  für  die  künstliche  Nachahmung  von  Klang- 
farben durch  den  Zusammenklang  einfacher  harmonischer 
Töne  und  Theiltöne  geeignet  ist.  Man  gebietet  mit  dem- 
selben in  der  That  über  sechszehn  harmonische  einfache  Töne 
für  jeden  beliebigen  Grundton,  von  denen  jeder  sich  sofort 
in  einen  Klang  mit  regelmässig  an  Stärke  abnehmenden 
Obertönen  umwandeln  lässt.  Man  kann  ausserdem  die  In- 
tensität jedes  dieser  Töne  nach  Belieben  reguliren  und  zwi- 
schen allen  Tönen  jeden  gewünschten  Gangunterschied  her- 
stellen.   Es  ist  schliesslich  bis  zu  einem  gewissen  Grade 


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C.  v.  Titan.  393 

auch  möglich,  jeden  dieser  rein  harmonischen  Töne  in  einen 
etwas  verstimmten  oder  selbst  in  einen  unharmonischen  Ton 
zu  verwandeln,  wie  dies  für  die  Composition  von  Ton- 
massen nothwendig  ist,  in  denen  unharmonische  oder  nicht 
ganz  rein  harmonische  Theiltöne  enthalten  sind. 

Indem  ich  mit  dem  Apparate  ganz  willkürlich  die  ver- 
schiedensten Tongemische  bildete,  erhielt  ich  öfters  den  Vo- 
calen  sehr  ähnliche  Klänge,  doch  hatten  bis  jetzt  meine 
genaueren  Untersuchungen  über  die  Klangfarbe  nur  den 
oben  erörterten  Einfluss  der  Phasendifferenz  der  harmoni- 
schen Töne  auf  dieselbe  zum  Gegenstande. 

Paris,  Juli  1881. 


II.    lieber  die  Vergleichung  der  Ergebnisse 
calorimetrischer  Messungen1);  von  Carlv.  Than. 


Seit  mehreren  Jahren  mit  der  Vervollkommnung  der 
calorimetrischen  Methode  von  Bunsen  beschäftigt,  habe  ich 
sehr  oft  die  Xothwendigkeit  einer  sicheren  Vergleichung  der 
Ergebnisse  derselben  mit  denen  des  Wassercalorimeters 
empfunden.  Um  diese  Vergleichung  zu  ermöglichen,  muss 
vor  allem  der  Begriff  der  Wärmeeinheit  festgestellt  sein. 
Man  definirt  diese  Einheit  gewöhnlich  als  jene  Wärmemenge, 
welche  die  Temperatur  der  Masseneinheit  des  Wassers  von 
0  auf  1°  erhöht.  Bei  der  Messung  der  Wärmemengen  mit- 
telst des  Wassercalorimeters  misst  man  aber  in  Wirklichkeit 
die  Wärmemengen  in  den  Intervallen  zwischen  6  und  25° 
am  häufigsten  um  15°  herum.  Dies  setzt  stillschweigend 
voraus,  dass  die  spec.  Wärme  des  Wassers  bei  den  genann- 

1)  Dieser  Aufsatz  ist  der  ungarischen  Acadeinie  der  Wissenschaften 
in  der  Sitzung  vom  20.  Juni  angemeldet  und  wird  mit  Genehmigung  der- 
selben erst  im  nächsten  Herbst  der  genannten  Acadeinie  ausführlich  vor- 
gelegt. 


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C.  v.  Than. 


teil  höheren  Temperaturen  denselben  Werth  wie  bei  0°  hat. 
Die  8pec.  Wärme  des  Wassers  bei  0°  ist  aber  so  gut  wie 
unbekannt,  nachdem  die  neueren  Untersuchungen  ganz  ausser 
Zweifel  gestellt  haben,  dass  die  spec.  Wärme  des  Wassers 
ähnlich  wie  die  anderer  Flüssigkeiten  mit  der  Temperatur  nicht 
unerheblich  veränderlich  ist.    Zufolge  dieses  Umstandes  ist 
eigentlich  die  factische  Wärmeeinheit  die  mittlere  spec.  Wärme 
des  Wassers  zwischen  den  oben  genannten  Grenzen.  Da 
diese  auch  innerhalb  dieser  engen  Grenzen  sicher,  obwohl 
unerheblich  veränderlich  ist,  so  muss  man  gestehen,  dass  der 
factischen  Einheit  gerade  die  nothwendigsten  Attribute  einer 
bestimmten  Einheit,  nämlich  die  Unveränderlichkeit  und  die 
sichere  Bestimmbarkeit  abgehen.  Aus  ähnlichen  Erwägungen 
habe  ich  vorläufig  zur  Einheit,  wenigstens  für  die  Angaben 
des  Bunsen'schen  Eiscalorimeters ,  die  „Eiscalorie"  vorge- 
schlagen, welche  alle  Vorzüge,  die  man  von  einer  Einheit 
billigerweise  verlangen  kann,  vereinigt.  Allein  um  diese  Ein- 
heit mit  der  Wassercalorie  vergleichen  zu  können,  müsste 
vor  allem  die  latente  Schmelzwärme  des  Wassers,  in  der  ge- 
wöhnlichen Wärmeeinheit  ausgedrückt,  sehr  genau  bekannt 
sein.    Da  dies  leider  gar  nicht  der  Fall  ist,  war  eine  sichere 
Vergleichung  der  Angaben  der  Eis-  und  Wassercalorimeter 
bisher  eigentlich  unmöglich.  Um  diesem  grossen  Uebelstande 
abzuhelfen;  welcher  der  allgemeinen  Anwendung  der  vorzüg- 
lichsten aller  calorimetrischen  Methoden  im  Wege  stand, 
habe  ich  einige  Versuche  angestellt,  durch  welche  ich  diesen 
Zweck,  wie  ich  glaube,  ziemlich  sicher  erreicht  habe. 

Ich  suchte  mit  möglichster  Genauigkeit  jene  Quecksilber- 
menge zu  bestimmen,  welche  durch  das  Eiscalorimeter  ein- 
gesogen wird,  wenn  man  ein  gewogenes  Stück  reinen  Silbers, 
das  bis  zum  Siedepunkte  des  Wassers  erhitzt  ist,  in  dasselbe 
bringt.  Die  spec.  Wärme  des  Silbers  zwischen  100  und 
8,5  bis  13°  C.  ist  von  ßegnault  mit  Hülfe  des  Wasser- 
calorimeters  sehr  genau  bestimmt  worden.  Es  lässt  sich 
daher  aus  den  oben  erwähnten  Bestimmungen  mit  Hülfe  der 
Ergebnisse  der  Regnault'schen  Versuche  sehr  einfach  die 
Quecksilbermenge  berechnen,  welche  der  factisch  gebrauch- 
ten Wärmeeinheit  entspricht.    Ist  man  im  Besitze  dieses 


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C.  v.  Than. 


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Werthes,  so  ist  man  im  Stande,  die  Ergebnisse  des  Eiscalo- 
rimeters  in  gewöhnlichen  Wärmeeinheiten  oder  umgekehrt 
mit  dem  Grade  der  Genauigkeit  auszudrücken,  mit  welcher 
man  die  fragliche  Quecksilbermenge  bestimmt  hat.  Ich  ent- 
schied mich  zur  Erreichung  dieses  Zweckes  für  die  Wahl 
des  Silbers  hauptsächlich  aus  folgenden  Gründen.  Vor  allem, 
weil  dasselbe  am  leichtesten  chemisch  rein  zu  erhalten  ist; 
ausserdem  besitzt  dasselbe,  geschmolzen,  einen  stabilen  mole- 
cularen  Zustand,  sodass  ich  voraussetzen  konnte,  dasselbe 
würde  am  meisten  mit  dem  Materiale,  welches  Regnault  zu 
seinen  Versuchen  benutzte,  seinen  physikalischen  und  chemi- 
schen Eigenschaften  nach  tibereinstimmen.  Das  Silber  ist 
ferner  einer  der  besten  Wärmeleiter,  und  ist  schon  aus  die- 
sem Grunde  anzunehmen ,  dass  dasselbe  wegen  der  sehr 
raschen  Ausgleichung  der  Temperatur  im  Wassercalorimeter 
eines  der  Metalle  sein  muss,  deren  specifische  Wärme  durch 
Regnault' s  classische  Beobachtungen  am  genauesten  ge- 
messen worden  ist. 

Das  zu  den  Beobachtungen  verwendete  Silber  wurde 
durch  electroly tische  Reduction  aus  frisch  gefälltem,  ganz 
reinem  Chlorsilber  in  einer  grossen  Platinschale  dargestellt. 
Die  Schale  diente  als  negativer  Pol,  während  den  positiven 
ein  Stab  aus  reinem  Zink  bildete.  Unter  dem  mit  Salzsäure 
angesäuerten  Wasser  waren  die  beiden  Pole  durch  ein  Dia- 
phragma von  Pergamentpapier  getrennt.  Nach  der  Reduc- 
tion und  dem  vollkommenen  Auswaschen  des  reducirten  Sil- 
bers wurde  dasselbe  mittelst  des  Knallgasgebläses  auf  reiner 
Kohle  zu  einem  runden  Klumpen  geschmolzen.  In  einer 
kleinen,  flachgeschlagenen  Erhöhung  des  Klumpens  wurde 
tangential  ein  rundes  Loch  gebohrt,  das  ganze  an  der  Ober- 
fläche glatt  polirt  und  mit  einem  kleinen  silbernen  Haken 
aus  demselben  Material  versehen.  Die  chemische  Unter- 
suchung ergab  nicht  die  geringste  nachweisbare  Menge  der 
Verunreinigung  durch  fremde  Metalle.  Das  Gewicht  des 
Silberstückes  wurde  nach  der  Methode  der  Doppelwägung 
vor  den  Versuchen  und  nach  der  Beendigung  derselben 
sorgfältig  bestimmt.  Dieses  Gewicht  betrug,  auf  den  luft- 
leeren Raum  bezogen: 


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C.  v.  Thon. 


am  Anfange  der  Versuche  21,28739  g 
nach  Beendigung  derselben  J2 1,28703  „ 

im  Mittel  21,28721  g" 

welche  Zahl  bei  den  später  folgenden  Berechnungen  verwendet 
worden  ist. 

Der  Erhitzungsapparat  Fig.  1  Taf.  IV  war  sehr  einfach 
und  dem  Principe  nach  dem  von  Regnault  benutzten  ähn- 
lich.1) Er  bestand  aus  einer  2  cm  weiten  und  etwa  40  cm 
langen,  an  beiden  Enden  offenen  Glasröhre  <z,  welche  mit 
einer  an  den  Enden  verjüngten  weiteren  Röhre  b  von  etwa 
4  cm  Durchmesser  umgeben  war.  Die  beiden  verjüngten 
Enden  dieser  Umhüllungsröhre  waren  mit  Hülfe  von  Kaut- 
schukröhren nach  Art  der  Liebig'schen  Kühler  durch  Bind- 
faden luftdicht  verbunden.  Nahe  am  oberen  Ende  der  Um- 
hüllungsröhre bei  c  leitete  man  beim  G-ebrauche  des  Appa- 
rates aus  einem  Kolben  durch  ein  langes  Kautschukrohr 
Wasserdampf  in  den  Zwischenraum  der  beiden  Röhren.  Das 
condensirte  Wasser,  sowie  der  Ueberschuss  des  Dampfes 
sind  am  unteren  Ende  bei  d  durch  ein  angebundenes  weites 
Kautschukrohr  abgeführt  worden.  Am  oberen  Ende  des  inne- 
ren durchlaufenden  Glasrohres  war  in  einem  gut  schliessen- 
den  Korke  ein  über  20  Jahre  altes  Normalthermometer  von 
Geis  sl  er  so  eingesteckt,  dass  die  letzten  Zehntel  des  100. 
Grade§  über  dem  Korke  mit  einem  Fernrohr  noch  deutlich 
abzulesen  waren.  Neben  dem  Thermometer  befand  sich  im 
Korke  noch  ein  sehr  dünnes,  etwas  seitlich  gebogenes  Glas- 
röhrchen e,  in  welches  das  Ende  eines  glatten  Fadens  mit- 
telst eines  kleinen  Stöpsels  eingeklemmt  war.  Das  andere 
Ende  dieses  Fadens  war  am  Thermometer  angebunden.  Mit 
diesem  Faden  war  die  Silberkugel  /  während  des  Erhitzens 
aufgehängt.  Zur  Isolirung  gegen  Wärmeverluste  war  der 
ganze  Apparat  mit  einer  dicken  Lage  von  feiner  Baumwolle 
#  g  sorgfältig  umgeben  und  endlich  zur  Abhaltung  der  Strah- 
lung mit  einem  Mantel  aus  glänzendem  Pappendeckel  h  ver- 
sehen. Man  erhitzte  nun  den  Kolben  und  leitete  1  bis 
Stunden  lang  einen  gleichmässigen,  nicht  zu  raschen  Dampf- 


1)  Regnault,  Ann.  de  chim.  et  de  phys.  78.  p.  20.  1840. 


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C.  v.  Than. 


397 


ström  durch  den  Erhitzungsapparat  und  beobachtete  in  Inter- 
vallen von  etwa  fünf  Minuten  den  Stand  des  Thermometers. 
Nachdem  die  Temperatur  längere  Zeit,  meistens  20  bis  30',  bis 
auf  0,01°  constant  war,  brachte  man  den  ganzen  Erhitzungsappa- 
rat, ohne  den  Dampfstrom  zu  unterbrechen,  senkrecht  über  die 
Mündung  des  Eiscalorimeters.  In  diesem  Momente  entfernte 
ein  Gehtilfe  den  Kork  i  von  dem  unteren  Ende  des  Erhitzungs- 
apparates. Zu  gleicher  Zeit  öffnete  man  den  oberen  kleinen 
Stöpsel,  machte  dadurch  den  eingeklemmten  Faden  frei 
und  veranlasste  so,  dass  die  Silberkugel  in  wenigen  Augen- 
blicken, ohne  irgend  einen  Wärmeverlust  zu  erleiden,  in  das 
Calorimeter  hineinfiel.  Während  dieser  Operationen  ist  es 
unbedingt  nöthig,  dass  die  ganze  Oberfläche  des  Schnees  im 
Eisschranke  durch  eine  Bretterwand  bedeckt  wird,  welche 
nur  über  der  Mündung  des  Calorimeters  eine  Oeffhung  hat. 
Ohne  diese  Vorsicht  ist  es  beinahe  unvermeidlich,  dass  der 
ganze  Erhitzungsapparat,  namentlich  aber  das  Silber,  durch 
Strahlung  etwas  Wärme  verliert. 

Das  Thermometer  im  Erhitzungsapparate  diente  blos 
dazu,  um  sich  zu  überzeugen,  dass  der  innere  Ranm  schon 
längere  Zeit  eine  völlig  constante  Temperatur  angenommen 
hatte.  Die  genaue  Bestimmung  der  Temperatur  des  erhitzten 
Silbers,  welche  das  wichtigste  Element  bei  diesen  Messungen 
war,  geschah  auf  folgende  Weise.  Das  grosse  Manometer, 
dessen  Einrichtung  ich1)  beschrieben  habe,  ist  durch  OefF- 
mmg  der  entsprechenden  Hähne  in  ein  Barometer  verwan- 
delt worden.  Nachdem  die  ganze  Quecksilbersäule  in  leb- 
hafte Schwingungen  versetzt  worden  war,  wufde  in  dem 
Momente,  wo  die  Silberkugel  in  das  Calorimeter  hineinge- 
worfen war,  einer  der  unteren  Hähne  geschlossen  und  so  der 
Stand  des  Barometers  fixirt.  Dann  wurde  die  Höhe  der 
Quecksilbersäule,  nachdem  die  Temperatur  derselben  vor 
und  nach  dem  Ablesen  bestimmt  worden,  mit  allen  am  an- 
geführten Orte  beschriebenen  Vorsichtsmaassregeln  bis  auf 
0.02  mm  genau  gemessen.  Aus  dem  reducirten  Barometer- 
stande wurde  dann  die  Siedetemperatur  des  Wassers  berech- 


1)  C.  v.  Than,  Wied.  Ann.  13.  p.  93  —  95.  1881. 


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C.  v.  Than. 


net.  Die  calorimetrische  Messung  der  von  der  Silberkugel 
abgegebenen  Wärmemenge  geschah  in  dem  mit  dem  Thermo- 
staten combinirten  Eiscalorimeter  genau  in  derselben  Weise, 
wie  früher  die  der  Verbrennungswärme  des  Knallgases.  Alle 
Wägungen  des  eingesogenen  Quecksilbers,  wie  auch  die  bei 
dem  Gange  des  Calorimeters ,  sind  auf  den  luftleeren  Raum 
reducirt  worden.  Um  möglichst  genaue  Resultate  zu  erhal- 
ten, hat  man  ausser  dem  Angeführten  hauptsächlich  darauf 
zu  achten,  dass  die  Silberkugel  möglichst  trocken  angewendet 
werde,  ferner  dass  der  Dampfstrom  im  Erhitzungsapparate 
continuirlich,  aber  nicht  zu  heftig  ist,  namentlich  aber,  dass 
die  Kugel  mindestens  1  —  1 1/2  Stunden  lang  erhitzt  werde, 
und  das  Hineinwerfen  möglichst  schnell  und  ohne  Wärme- 
verlust erfolge.  Damit  die  Silberkugel  das  Calorimeter  beim 
Hineinwerfen  nicht  beschädige  und  nicht  ganz  auf  den  Boden 
desselben  zu  liegen  komme,  war  in  die  Eprouvette  des  Ca- 
lorimeters eine  3  —  4  cm  hohe  Spirale  aus  starkem  Silber- 
draht hineingestellt,  welche  am  oberen  Ende  einen  kleinen 
Korb  aus  Platindraht  trug,  in  den  die  Kugel  hineinfiel.  Zur 
vollständigen  Ausgleichung  der  Temperatur  musste  die  Silber- 
kugel, wie  ich  mich  durch  besondere  Versuche  überzeugte, 
mindestens  l1^  Stunden  lang  im  Calorimeter  verweilen.  Alle 
Rechnungen  wurden  dreimal  revidirt.  Die  Ergebnisse  von 
sieben  gut  gelungenen,  mit  allen  Vorsichtsmaassregeln  aus- 
geführten Beobachtungen  sind  in  der  folgenden  Tabelle  zu- 
sammengestellt Hier  bedeutet  tx  die  Temperatur  des  Baro- 
meters, bx  den  unmittelbar  beobachteten,  b  den  auf  0° 
reducirten  Barometerstand,  tll  die  direct  am  Thermometer 
beobachtete  Temperatur,  t  die  aus  dem  Barometerstande 
berechnete  Temperatur  des  Silbers,  v  und  n  den  Gang  dea 
Calorimeters  vor  und  nach  dem  Versuche,  d.  h.  die  Aende- 
rung  des  Gewichtes  der  Quecksilbergefässe  in  Milligrammen 
pro  Minute,  wobei  +  ein  Gefrieren,  —  ein  Schmelzen  im  Calori- 
meter anzeigt.  hx  bedeutet  endlich  die  gesammte  eingesogene 
Quecksilber  menge,  während  h  die  100  Graden  entsprechende 
Quecksilbermenge  in  Milligrammen  zeigt. 


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C.  v.  Than. 


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1 120,68°, 750,88  748,07 1 99,63°  99,562°,  +0,07069  +0,08650  1848,88  1856,512 
II  121,57°  749,32  746,49  99,56°  99,500°  +0,12014  +0,12812  1847,68  1856,960 

III  20,89°  749,83  747,08' 99,59°,  99,523°  +0,07123  +0,09267  1843,13]1851,964 

IV  21,12°  746,82|744,05  99,48°|  99,412°  -0,21453  -0,19092  1844,91,1855,822 
V  20,80°  748,34  745,61  99,51°,  99,464°  -0.28625  -0,18917  1844,91  1854,852 

VI  21,72°  749,05  746,20  99,57°  99,488°  -0,06817  -0,06133  1845,67  1855,170 
VII 1 20,29°  755,70  753,00  99,81°,  99,740°,     —  *)    |  -0,074001850,57,1855,394 

Mittel  1855,237 

Wie  man  sieht,  beträgt  die  grösste  Abweichung  vom 
Mittel  etwa  0,1  %•  Dieses  Resultat  zeigt  also,  dass,  wenn 
die  bei  den  Versuchen  verwendete  Silbermenge  auf  100° 
erhitzt  in  den  Calorimeter  geworfen  wird,  genau  1855,24  mg 
Quecksilber  eingesogen  werden.  Bezeichnet  man  das  Ge- 
wicht des  Silbers  mit  m  und  jene  Quecksilbermenge  in 
Milligrammen,  welche  durch  die  Abkühlung  von  1  g  Silber 
um  1°  durch  das  Eiscalorimeter  eingesogen  werden,  mit  q, 
so  hat  man: 

=  1Ö7TT5  =   2128,721   =  °>871526  • 

Regnault2)  bestimmte  in  fünf  gut  übereinstimmenden 
Beobachtungen  die  spec.  Wärme  des  Silbers  mit  den  Maxi- 
malabweichungen von  0,05739  und  0,05685  im  Mittel  zu 
c  —  0,05701.  Die  äussersten  Temperaturgrenzen  des  Wasser- 
calorimeters  waren  bei  diesen  Beobachtungen  Regnault's 
6,4  und  14°,  die  mittleren  Grenzen  aus  allen  Beobachtungen 
berechnet  8,5  und  13°.  Da  die  wahre  specifische  Wärme 
des  Wassers  nach  den  Untersuchungen  von  Pfaundler  und 
Platter3)  in  der  Nähe  von  7°  jedenfalls  in  grösserem  Maasse 
zunimmt  als  gegen  13°,  so  wird  man  nicht  fehlgehen,  wenn 
man  annimmt,  dass  die  Einheit  der  obigen  Zahl  Regnault's 
die  wahre  specifische  Wärme  des  Wassers  bei  etwa  15°  C. 
ist.  Diese  Temperatur  ist  aber  gerade  jene,  um  welche 
herum  die  meisten  Messungen  mit  dem  Wassercalorimeter 

1)  Konnte  durch  einen  Unfall  nicht  gewogen  werden,  zur  Correction 
wurde  blos  n  benutzt. 

2)  Regnault,  Ann.  de  chhn.  et  de  phys.  73.  p.  38.  1840. 

3)  Platter,  Pogg.  Ann.  141.  p.  550.  1870. 


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400 


C.  17.  Than. 


ausgeführt  wurden.  Der  Quotient  q\c  gibt  also  jene  Queck- 
silbermenge in  Milligrammen  qf  welche  vom  Eiscalorimeter 
eingesogen  werden,  wenn  man  in  dieses  jene  Wärmemenge 
einführt,  welche  von  lg  Wasser  von  15°  C.  bei  der  Ab- 
kühlung um  1°  abgegeben  werden.  Diese  Quecksilbermenge 
beträgt: 

q  =  l  =  15,28725  mg. 

Dieses  Gewicht  ist  also  der  Quecksilberwerth  der  ge- 
wöhnlichen Wärmeeinheit.  Will  man  daher  die  Angaben 
des  Eiscalorimeters  in  jene  des  Wassercalorimeters  umsetzen, 
so  braucht  man  nur  die  in  Milligrammen  ausgedrückte  Queck- 
silbermenge <7,  welche  vom  Eiscalorimeter  eingesogen  worden 
ist,  mit  q  zu  dividiren,  um  die  entsprechende  Anzahl  der 
gewöhnlichen  Wärmeeinheiten  mit  grosser  Schärfe  zu  erhal- 
ten. Bei  der  Umsetzung  der  Wassercalorien  genügt  es,  die- 
selben nur  mit  q  zu  multipliciren,  um  jene  Quecksilbermenge 
zu  berechnen,  welche  durch  die  in  gewöhnlichen  Wasserca- 
lorien ausgedrückte  Wassermenge  in  das  Eiscalorimeter  ein- 
gesogen werden.  Bezeichnet  man  die  Anzahl  der  lögradigen 
Wassercalorien  mit  k]5,  so  hat  man  die  folgenden  einfachen 
Beziehungen  Qjq  =  und  q.kn=  Q  zu  dem  Zwecke  dieser 
Umsetzung  zu  benutzen. 

Um  mich  zu  überzeugen,  ob  bei  der  Bestimmung  der 
Constante  q  keine  wesentlichen  Fehler  begangen  worden  sind, 
habe  ich  Hrn.  Ferdinand  Molnar  veranlasst,  unter  meiner 
Aufsicht  einige  Controlversuche  auszuführen.1)  Derselbe 
bestimmte  nach  der  von  mir  befolgten  Methode  in  drei  Ver- 
suchen die  specifische  Wärme  des  reinen  geschmolzenen 
Bleies  und  in  zwei  Versuchen  die  spec.  Wärme  des  Was- 
sers. Die  Gewichte  des  eingesogenen  Quecksilbers  ^  sind 
nicht  auf  den  luftleeren  Raum  reducirt.  Die  Beobachtungs- 
angaben sind  in  der  beiliegenden  Tabelle  zusammengestellt. 
Hier  bedeutet  g  das  Gewicht  der  betreffenden  Substanz,  auf 
den  luftleeren  Raum  reducirt,  Q  den  Quecksilberwerth  in 

1)  Hrn.  Molnar  liabc  ich  in  die  Handhabung  des  Eiscalorimeters 
vollkommen  eingeweiht,  er  war  mir  bei  meinen  Beobachtungen  vielfach 
behülflich. 


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C.  v.  Thun. 


401 


Milligrammen  für  die  Masseneinheit  der  Substanz  bei  der 
Abkühlung  um  1 0  C.  Die  übrigen  Buchstaben  haben  die 
obige  Bedeutung. 

tx        bx        b        t  v  n  hx     |      Q       lm  yfatf 


I  1  Blei  .  .  19,9147  21,30°  753,76  751,77  99,68°  -  0,0961  -0,2511  952,90  0,48003  | 
1    Blei  .  .  19,9020  21,45°|753,92  751,31  99,68° -0,1780 --0,2652  951,80|  0,47978]  j  0,48003 


I  Blei  .  .  19,9020  22,20°, 752,52  749,83  99,62° 
,r  Wasser')  1,7018  18,20°  753,06  750,84  99,66° 
•r   Wasser    1,7018  18,90°  752,96  750,65  99,66° 


+  0,0109  -  0,1345  952,44'  0,48030 
-0,1520  -0,0726  2614,54  15,4158  \ 
+  0,0113  +0,0667  2613,74  15,4167  j 


Berechnet  man  aus  den  erhaltenen  Resultaten  die  spec. 
Wärmen  nach  Qjq  in  Wassercalorien,  so  kann  man  die  so 
erhaltenen  Werthe  zur  Controle  mit  den  von  K  e  g  n  a  u  1 1 
beobachteten  spec.  Wärmen  vergleichen,  wie  dies  in  der 
folgenden  Zusammenstellung  dargestellt  ist. 

Blei  Wasser 

Spec.   Wärme   im  Eiscalori- 

meter  bestimmt   0,031401  Bf.  a.  3  Beob.  1,00844  M.  a.  2  Beob. 

Spec.  Wärme  im  Wassercalo- 

rimeter  nach  Kegnault  .  0,03140  M.  a.  8  Beob.  1,0080  M.  a.  2  Beob. 
Mittlere  Temperaturgrenzeu 

im   Wassercalorimeter  bei 

Regnault   11-14°                   6,6  —  15,6° 

Wie  man  sieht,  sind  die  Zahlen  nahezu  identisch,  woraus 
folgt,  dass  die  obige  Bestimmung  von  q  richtig  ist.  Man 
kann  hiernach  die  Vergleichung  der  Angaben  des  Eiscalori- 
meters  mit  jenen  des  Wassercalorimeters  mit  Sicherheit  be- 
werkstelligen. 

Es  wäre  sehr  wünschenswerth,  die  Anomalien  in  der 
specifischen  Wärme  des  Wassers  in  der  Nähe  des  Dichtig- 
keitsmaximums, die  durch  die  Versuche  von  Pfaundler  und 
Platter2)  angedeutet  wurden,  sowie  die  Aenderung  der  spec. 


1)  Das  Wasser  war  in  einer  dünneu  Glasröhre  von  0,936  g  Gewicht 
enthalten,  dessen  durch  directe  Versuche  ermittelter  Quecksilberwerth 
290,22  mg  betrug.  Da  die  Gewichte  des  Wassers  und  Glases  nur  bis 
auf  0,2  mg  mit  Sicherheit  bestimmt  waren,  so  erklärt  sich  aus  diesem 
Umstände,  dass  die  gefundene  Zahl  etwas  von  der  durch  Hrn.  Schuller 
und  Wartha  gefundenen  abweicht. 

2)  Platter,  Pogg.  Ann.  L  c.  p.  550.  1870. 

Aun.  d.  Phys.  u.  Chem.  N.  F.  XIV.  26 


15,4163 


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402 


C.  v.  Than. 


Wärme  desselben  überhaupt,  namentlich  aber  zwischen  den 
Grenzen,  innerhalb  welchen  (8 — 20°)  die  meisten  Messungen 
im  Wassercalorimeter  ausgeführt  wurden,  in  dem  Eiscalori- 
meter  zu  studiren.  Diese  letzte  Aufgabe  suchte  ich  beim 
Beginne  der  gegenwärtigen  Arbeit  zu  lösen.  Allein  alle  Be- 
mühungen scheiterten  an  der  vollkommenen  Unzuverlässigkeit 
der  thermometri8chen  Messungen  bei  so  schwierigen  Beobach- 
tungen. Aus  diesem  Grunde  musste  ich  die  Lösung  dieser 
Aufgabe,  welche  mehr  einem  Physiker  vom  Fach  entspricht, 
aufgeben,  und  mich  mit  der  oben  entwickelten  Lösung,  welche 
den  praktischen  Zwecken  übrigens  vollkommen  entspricht, 
begnügen.  Die  zu  dem  oben  angedeuteten  Zwecke  unter- 
nommenen zahlreichen  Versuche  ergaben  im  Gegentheile, 
dass  die  nach  meiner  Methode  mit  Umsicht  ausgeführten 
Messungen  im  Eiscalorimeter  zur  genauen  Bestimmung  der 
Temperatur  wohl  mehr  geeignet  sind,  als  die  besten  ther- 
mometrischen  Temperaturbestimmungen.  Ich  glaube,  es  Hesse 
sich  auf  diese  Art  endlich  eine  den  Physikern  gewiss  sehr 
erwünschte  scharfe  Methode  zur  sicheren  Bestimmung  der 
Temperatur  erreichen. 

Aus  den  bisher  mit  dem  Eiscalorimeter  angestellten 
wenigen  Beobachtungen  kann  die  Abhängigkeit  der  spec. 
Wärme  des  Wassers  von  der  Temperatur  allgemein  nicht 
festgestellt  werden.  Doch  lässt  sich  mit  Hülfe  des  obigen 
Werthes  von  q  und  aus  dem  von  den  Hrn.  Schuller  und 
Wartha  bestimmten1)  Quecksilberwerthe  Q  der  mittleren 
spec.  Wärme  des  Wassers  (zwischen  0  — 100°)  das  Verhält- 
niss  zwischen  diesem  mittleren  zu  dem  wahren  Werthe  bei 
15°  C.  mit  Sicherheit  wenigstens  für  diese  eine  Temperatur 
ableiten.  Durch  Vergleichung  dieses  Verhältnisses  mit  den 
bisherigen  Angaben  lässt  sich  dann  einigermassen  ein 
Schluss  auf  die  mehr  oder  minder  wahrscheinliche  Richtig- 
keit derselben  ziehen.  Die  genannten  Herren  haben  Q  = 
15,442  mg  gefunden,  daher: 

1)  Schuller  u.  Wartha,  Wied.  Ann.  2.  p.  368.  1877. 


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C  v.  Than. 


403 


Das  Verhältniss  der  mittleren  (0—  100 °l  spec.  Wärme  c0_  lt)0      f„  100 
des  Wassers  zu  der  wahren  spec.  Wärine  c,5  bei  15°  C.  c15 

Q        15  442 

Nach  den  Beobachtungen  mit  dem  Eiscalorimeter  -  =  —  ~  --    =  1,01012 

^  q  lo,28725 

Berechnet  nach  den  Formeln  von  Reg nault1)  =  1,00419 

„  „     „        „       „  Bosscha2)  =  1,00767 

„  „     „        ,,  Wüllner  u.  Münchhausen3)  =  1,00867 

„     „        „       „  Pfaundler  u.Baumgärtner4)  =  1,01056 


Die  letztere  Zahl  ist,  wie  man  sieht,  beinahe  identisch 
mit  der  ersteren,  indem  dieselbe  nur  um  0,04%  grösser  ist, 
während  die  anderen  verhältnissmässig  grössere  Abweichungen 
zeigen.  Ueberlegt  man,  dass  die  grösste  Unsicherheit  bei 
den  Bestimmungen  der  spec.  Wärme  des  Wassers  haupt- 
sächlich von  der  Unzuverlässigkeit  der  thermometrischen 
Bestimmungen  herrührt,  von  welchen  die  erste  Zahl  am 
wenigsten  abhängig  ist,  so  kann  man  vorläufig  annehmen, 
dass  die  Pfaundler'sche  Zahl  unter  den  bisherigen  Angaben 
der  Wahrheit  am  nächsten  zu  stehen  kommt.  Ich  habe  dies 
schon  früher6)  aus  anderen  Gründen  gefolgert. 

Endlich  lässt  sich  mit  Hülfe  der  Zahl  q  auch  die  latente 
Schmelzwärme  des  Wassers  /  mit  Sicherheit  in  gewöhnlichen 
Wassercalorien  berechnen.  Man  braucht  zu  diesem  Behufe 
nur  jene  Quecksilbermenge  Q,  welche  beim  Schmelzen  von 
1  g  Eis  in  das  Eiscalorimeter  eingesogen  wird,  durch  den 
Quecksilberwerth  einer  lögradigen  Wassercalorie,  d.h.  durch 
<]  zu  dividiren.  Man  hat  also  /  —  Qjq,  wo  Q  —  (e—u}')q' 
wenn  e  und  w  beziehungsweise  die  spec.  Volumina  des  Eises 
und  des  Wassers,  q  aber  das  spec.  Gewicht  des  Quecksilbers 
bei  0°  bedeuten.  Aus  den  classischen  Versuchen  von  Bun- 
sen8)  über  das  spec.  Gewicht  des  Eises  geht  nämlich  hervor, 
dass  <•'=  1,090822,  w  -  1,000 120.    Nach  Regnault  ist 


1)  Regnault,  Mem.  de  l'Acad.  21.  p.  746.  1847. 
.2)  Bosscha,  Poggx  Ann.  Jubelbd.  p.  557.  1874. 

3)  Wüllner  u.  Münchhausen,  Wied.  Ann.  1,  p.  592.  1877  u.  10. 
p.  289.  1880. 

4)  Pfaundler  u.  Baumgartner,  Müllcr-Pouillet,  Lehrb.  der 
Phys.,  bearb.  von  Pfaundler,  8.  Aufl.  2.  p.  319.  1879. 

5)  C.  v.  Than,  Wied.  Ann.  13.  p.  102.  1881. 

6)  Bimsen,  Pogg.  Ann.  141.  p.  7.  1870. 

26* 


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404 


C.  v.  Thon. 


13,596.  Hiernach  ist  Q=  1233,182.  Den  Werth  von  q 
habe  ich  oben  zu  15,28725  gefunden,  also  ist: 

/  =  80,667  W.-E. 

Die  Wärmemenge  also,  die  zur  Verwandlung  der  Mas- 
seneinheit Eis  von  0°  in  flüssiges  Wasser  von  derselben 
Temperatur  erforderlich  ist,  beträgt  in  Wärmeeinheiten  von 
15°  ausgedrückt  80,667.  Dieser  Werth  ist  eigentlich  der- 
selbe, welchen  Bunsen  in  anderen  Einheiten  ausgedrückt 
zu  80,025  bestimmt  hat.  Der  Quecksilberwerth  der  Bunsen'- 
schen  Einheit  war  nämlich  =  15,410.  Will  man  daher  seine 
Zahl  mit  der  oben  gefundenen  vergleichen,  so  muss  man 
dieselbe  mit  dem  Verhältnisse  der  beiden  Einheiten  multip- 
liciren.  In  diesem  Falle  hat  man  (15,410/15,2873). 80,025  = 
80,667.  Jene  Zahl,  welche  ich  früher  zum  Behufe  der  Ver- 
gleichung  der  Verbrennungswärme  des  Wasserstoffs  mit  den 
Ergebnissen  der  Versuche  der  Herren  Schul ler  und  Wartha 
benutzt  habe  ist  mit  Hülfe  der  Pfaundler'schen  Formel  für 
das  Verhältniss  der  mittleren  und  wahren  spec.  Wärme  des 
Wassers  in  etwas  anderer  Weise  abegeleitet  worden.  Da 
das  Verhältniss  nach  der  Formel  des  Hrn.  Pfaundler  mit 
dem  aus  q  abgeleiteten  übereinstimmt,  ist  auch  die  mit  Hülfe 
derselben  berechnete  latente  Schmelzwärme,  nämlich  80,702, 
nur  um  0,04%  verschieden. 

Der  oben  gefundene  Werth  ist  nicht  unwesentlich  grösser, 
als  die  nach  der  Mischungsmethode  gefundenen  zuverlässig- 
sten Zahlen,  nämlich: 

nach  Regnault   79,24  W.-E. 

„  Person   80,00  „ 

„  Hess   80,34  „ 

„  meinen  Beobachtungen  80,667  „ 

Abgesehen  von  den  Schwierigkeiten  der  thermometri- 
schen  Messungen  sind  die  älteren  Zahlen  von  den  bisher 
nicht  gehörig  sicher  festgestellten  spec.  Wärmen  des  Wassers 
und  Eises  abhängig,  die  sonach  bei  verschiedenen  Annahmen 
verschieden  ausfallen  mussten.  Die  von  mir  abgeleitete  Zahl 
ist  von  allen  diesen  Annahmen,  sowie  auch  von  einer  jeden 

1)  C.  v.  Than,  Wied.  Ann.  13.  p.  102.  1881. 


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C  v.  Thun. 


405 


absoluten  thermometrischen  Messung1)  unabhängig,  verdient 
daher  mehr  Vertrauen  als  die  früheren  Werthe.  Will  man 
die  früher  von  mir  vorgeschlagenen  Eiscalorien  *)  in  gewöhn- 
liche, d.h.  in  Wassercalorien  von  15°  verwandeln,  so  braucht 
man  die  Anzahl  der  Eiscalorien  natürlich  nur  mit  80,667 
zu  multipliciren. 


Nachdem  durch  die  vorhergehende  Untersuchung  die 
Vergleichung  der  Angaben  des  Eis-  und  Wassercalorimeters 
mit  Sicherheit  ermöglicht  ist,  hat  es  für  mich  das  grösste 
Interesse  gehabt,  die  im  Eiscaloriineter  von  mir  bestimmte 
Verbrennungswärme  des  Wasserstoffs  mit  den  Resultaten 
anderer  Forscher  zu  vergleichen.  Die  bisher  in  dieser  Be- 
ziehung angestellten  Beobachtungen  sind  unter  drei  wesent- 
lich verschiedenen  Versuchsbedingungen  ausgeführt  worden. 
Man  kann  dementsprechend  diese  Versuche  in  folgende  drei 
verschiedene  Gruppen  eintheilen.  Die  Verbrennung  geschah 
nämlich: 

1)  in  vollständig  geschlossenen  Gefässen  bei  den  Ver- 
suchen des  Hrn.  Andrews  und  bei  den  meinen; 

2)  in  vollständig  offenen  G-efässen  bei  den  Messungen 
des  Hrn.  J.  Thomsen; 

3)  in  unvollkommen  geschlossenen  Gefässen  bei  den  Be- 
obachtungen der  Herren  Favre  und  Silbermann,  ferner 
bei  denen  der  Herren  Schuller  und  Wartha,  sowie  bei 
den  älteren  Versuchen. 

Will  man  diese  drei  Gruppen  von  Versuchen  miteinander 
vergleichen  und  die  Resultate  derselben  für  die  Wissenschaft 
mit  Sicherheit  verwerthen,  so  muss  man  vor  allem  bedenken, 
dass  diese  wesentlich  verschiedenen  Bedingungen  die  Resul- 
tate der  Beobachtungen  auch  wesentlich  verschieden  beein- 


1)  Die  thermometrischen  Messungen  von  Regnaul  t  bei  der  Bestim- 
mung der  spec.  Warme  des  Silbers,  die  den  Werth  von  q  beeinflussen, 
sind  nur  relative,  nur  einige  Grade  umfassende  Beobachtungen  mit  einem 
und  demselben  Thermometer,  die,  wie  Regnauit  ausdrücklich  erwähnt, 
sehr  sorgfältig  calibrirt  waren  und  nach  seiner  Art  der  Beobachtung  ge- 
wiss nicht  der  Unzuverlassigkeit  zu  zeihen  sind. 

2)  1.  c.  p.  97. 


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406  C.  v.  Than. 

flussten,  sie  daher  unmittelbar  gar  nicht  miteinander  zu  ver- 
gleichen sind.  Zur  Erleichterung  dieser  Vergleichung  müssen 
wir  bei  allen  Beobachtungen  die  Anfangs-  und  die  End- 
zustände, namentlich  den  Druck  und  die  Temperatur  des 
Knallgases  und  die  Temperatur  des  gebildeten  Wassers  auf 
dieselben  Zustände ,  am  besten  auf  den  Druck  einer  Atmo- 
sphäre und  auf  0°  reduciren.  Dann  muss  man  bei  jeder 
dieser  Gruppen  gründlich  untersuchen,  aus  welchen  Quellen 
die  bei  den  verschiedenen  Versuchsbedingungen  gemessenen 
Wärmemengen  stammen.  Wenn  dies  in  allen  Fällen  klar 
gestellt  worden  ist,  können  wir  im  Sinne  des  ersten  Haupt- 
satzes der  mechanischen  Wärmetheorie  die  Beziehungen 
zwischen  den  Aenderungen  der  Energie  und  den  beobachteten 
Wärmemengen  in  Gleichungen  ausdrücken,  welche  den  Zu- 
sammenhang zwischen  den  einzelnen  Versuchsgruppen  deut- 
lich darstellen  und  eine  eigentliche  Vergleichung  derselben 
erst  ermöglichen. 

Die  bequemste  Form  des  ersten  Hauptsatzes  der  mecha- 
nischen Wärmetheorie  ist  zu  unserem  Zwecke  die  folgende 

(a)  Q  =  A(AJ+AF+S), 

worin  Q  die  bei  den  einzelnen  Versuchen  entstandene  und  im 
Calorimeter  gemessene  Wärmemenge  A  das  Wärmeäquiva- 
lent der  Arbeitseinheit,  d.  i.  ^  AJ  drückt  die  Grösse 
der  Aenderung  der  inneren  Energie,  AF  die  Aenderung  der 
Energie  der  fortschreitenden  Bewegung  aus.1)  Die  Summe 
dieser  beiden  AJ  -f-  AF  stellt  also  in  den  zu  betrachtenden 
Fällen  die  Aenderung  der  totalen  Energie  des  Systems  dar. 
S  bedeutet  endlich  die  Summe  der  Arbeiten  der  Keactions- 
kräfte  des  Systems,  in  welchem  Falle  natürlich  die  Summe  der 
Arbeiten  der  äusseren  normal  auf  die  Oberfläche  des  Systems 
wirkenden  Kräfte  =  —  S  vorausgesetzt  wird.  Der  Satz 
wird  also,  auf  unsere  Fälle  angewendet,  folgendermassen 
lauten : 

1)  Die  kinetische  Energie  der  absoluten,  d.  h.  der  nicht  zum  Schwer- 
punkte des  Systems  relativen  Bewegung.  Es  ist  darunter  dasjenige  zu 
verstehen,  was  E.  Verdet  (Theor.  mec.  de  la  chaleur  1.  p.  18)  mit 
dem  Ausdruck  „energie  actuelle  de  mouvement  sensible"  bezeichnet. 


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C.  v.  Than. 


407 


Die  von  dem  verbrennenden  Knallgase  an  das 
Calorimeter  abgegebene  Wärmemenge  ist  aequiva- 
lent  der  Aenderung  seiner  totalen  Energie,  ver- 
mehrt um  den  Betrag  der  äusseren  Arbeit,  welche 
durch  die  Reactionskräfte  des  brennenden  Knallga- 
ses gegen  die  äusseren  Druckkräfte  geleistet  wurde. 

1)  Dies  vorausgeschickt,  untersuchen  wir  jetzt  den  ersten 
und  einfachsten  Fall,  wo  das  Knallgas  in  vollkommen  ge- 
schlossenen Gefässen  verbrennt.  Da  hier  eine  fortschrei- 
tende Bewegung  des  Systems  undenkbar,  und  in  dem  voll- 
kommen geschlossenen  Gefässe  nur  eine  zum  Schwerpunkte 
relative  Bewegung  möglich,  ist  AF=Q.  Ebenso  ist  das 
Spiel  der  äusseren  Kräfte  vollkommen  ausgeschlossen,  daher 
ist  in  der  Gleichung  (a)  auch  S  =  0.  Wenn  wir  zur  Cha- 
rakterisirung  der  Versuchsbedingung  die  dem  Calorimeter 
abgegebene  Wärmemenge  Q,  da  diese  durch  die  Verbren- 
nung bei  constantem  Volumen  entstand,  mit  Ev  bezeichnen, 
haben  wir  nach  der  Substitution  in  (a): 

(1)  .  EV=AAJ. 

Es  rührt  daher  in  diesem  Falle  die  gesammte  an  das 
Calorimeter  abgegebene  Wärmemenge  nur  von  der  Aende- 
rung der  inneren  Energie  AJ  her. 

2)  Damit  wir  die  mechanischen  Vorgänge  bei  der  Ver- 
brennung des  Knallgases  in  einem  vollkommen  offenen  Ge- 
fässe, wie  dies  bei  den  Versuchen  von  Hrn.  Jul. Thomsen 
der  Fall  war,  richtig  beurtheilen  können,  müssen  wir  die 
einzelnen  Vorgänge  näher  in  Betracht  ziehen.  Denken  wir 
uns  mit  Hülfe  der  Fig.  2  Taf.  IV,  dass  zwei  Volumina 
Wasserstoff  und  ein  Volumen  Sauerstoff  in  den  beiden  Gaso- 
metern H  und  0  durch  die  leichten  Kolben  K  und  o',  die  ohne 
Reibung  beweglich  gedacht  werden,  eingeschlossen  sind.  Der 
Druck  der  beiden  Gase  soll  der  einer  Atmosphäre  =  P,  die 
Summe  der  Volumina  =  V  sein.  Bei  den  Versuchen  des  Hrn. 
Th  omsen1)  sind  durch  die  Röhren  h  und  o  Wasserstoff-  und 
Sauerstoffgas  unter  dem  Drucke  der  äusseren  Atmosphäre, 
zufolge  des  Ueberdruckes  einer  kleinen  Flüssigkeitssäule, 

1)  Thomsen,  Pogg.  Ann.  148.  p.  368.  1873.  , 


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408  C  v.  Than. 

welche  in  der  Figur  etwa  durch  das  Gewicht  der  beiden 
Kolben  dargestellt  wird,  in  die  Verbrennungskammer  k  hin- 
eingeleitet. Die  Kammer  war  unter  das  Wasser  des  Calo- 
rimeters  c  getaucht.  Diese  Verbrennungskammer  commu- 
nicirte  durch  das  offene  Rohr  N  mit  der  äusseren  Atmo- 
sphäre und  war  zur  Zurückhaltung  der  entweichenden  Wasser- 
dämpfe aussen  mit  einem  offenen,  gewogenen  Chlorcalciumrohr 
verbunden.  Denken  wir  nun,  dass  in  der  schon  vorher  mit 
Wasserstoff  gefüllten  Verbrennungskammer  der  Sauerstoff 
angezündet,  und  sodann  die  oben  bezeichnete  Menge  der 
beiden  Gase  hineingeleitet  wird.  In  dem  Momente,  in  wel-  « 
ehern  die  beiden  Gase  in  der  Flamme  zusammentreffen,  ver- 
binden sie  sich  zu  Wasserdampf  von  hoher  Temperatur,  wel- 
cher in  der  geräumigen  Kammer  (500  cem)  aufsteigt  und  die 
Flamme  frei  lässt.  Durch  Vermittelung  der  Röhre  N  und 
der  die  Flamme  umgebenden  permanenten  Gase,  welche  die- 
selbe auch  durchdringen,  ist  die  Flamme  dem  äusseren  Drucke 
-allseitig  unterworfen,  daher  findet  hierbei  innerhalb  der  Flamme 
eine  Volumen  Verminderung  von  1(3,  im  Verlaufe  der  ganzen  Ver- 
brennung also  eine  Verminderung  von  l/a  V statt-  Die  durch 
die  Reactionskräfte  des  brennenden  Knallgases  gegenüber  dem 
äusseren  Drucke  P  verrichtete  Arbeit  ist  daher  1/3  PV.  Der  , 
gebildete  Wasserdampf  von  hoher  Temperatur  kühlt  sich 
dann  ab,  und  bald  darauf  geht  die  Condensation  desselben  vor 
sich.  Die  hierbei  durch  die  Reactionskräfte  des  Wasser- 
dampfes gegen  den  äusseren  Druck  der  Atmosphäre  verrich- 
tete Arbeit  beträgt  2/3  PV,  sonst  findet  hier  keine  äussere 
Arbeit  statt.  Mochte  die  Condensation  des  Wasserdampfes 
bei  höherer  oder  niedrigerer  Temperatur  stattfinden,  so 
konnten  bei  den  Versuchen  des  Hrn.  Thomsen  die  einströ- 
menden Gase  keine  wahrnehmbare  Geschwindigkeit  erlangen. 
Da  nämlich  dem  Drucke  +P  der  einströmenden  Gase  wäh- 
rend der  ganzen  Dauer  der  Verbrennung  durch  die  offene 
Röhre  N  der  negative,  aber  vollkommen  gleiche  Druck  der 
äusseren  Luft  —  P  entgegenwirkte,  konnte  eine  Energie  der 
fortschreitenden  (oder  wahrnehmbaren)  Bewegung,  wenn  wir 
von  dem  verschwindend  kleinen  Ueberdrucke  der  geringen 
Wassersäule  absehen,  nicht  zu  Stande  kommen.    Daher  ist 


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C.  v.  Than. 


409 


F  und  JF=  0.  Man  kann  also  in  diesem  Falle  die  gesammte 
äussere  Arbeit  durch  das  Product  aus  dem  Drucke  und 
dem  verschwundenen  Volumen  des  Knallgases  darstellen. 

Die  Aenderung  der  inneren  Energie  ist  bei  dem  be- 
schriebenen Vorgange  gleich  dem  unter  (1)  angeführten,  da 
der  Voraussetzung  gemäss  der  Anfangs-  und  Endzustand 
dieselben  sind.  Stellen  wir  alle  mechanischen  Veränderungen, 
welche  die  dem  Calorimeter  abgegebene  Gesammtwärme  E'p 
bei  den  Thomsen'schen  Versuchen  beeinflussen,  tibersichtlich 
zusammen,  so  haben  wir: 

a)  die  an  das  Calorimeter  abgegebene  Wär- 
memenge  Q  —  Ep 

b)  die  Aenderung  der  inneren  Energie    .    .        =  AJ 

c)  die  Aenderung  der  Energie  der  fortschrei- 
tenden Bewegung  AF  =  0 

d)  die  bei  der  Verbrennung  geleistete  äussere 


Nach  der  Substitution  in  der  Gleichung  (a)  verwandelt 
sich  diese  in: 


Diese  Gleichung  drückt  aus,  dass  bei  den  Versuchen  des 
Hrn.  Thomsen  die  an  das  Calorimeter  abgegebene  Wärme- 
menge äquivalent  ist  der  Aenderung  der  inneren  Energie, 
vermehrt  um  die  Arbeit,  welche  die  Reactionskräfte  des 
Knallgases  gegen  den  äusseren  Druck  verrichtet  haben. 

3)  Gehen  wir  endlich  zur  Betrachtung  der  dritten  Ver- 
suchsreihe über,  so  wollen  wir  die  Versuche  der  Herren 
Schuller  und  Wartha1),  denen  übrigens  jene  der  Herren 
Favre  und  Silbermann  ganz  analog  sind,  mit  dem  Vorher- 
gehenden vergleichen.  Die  Versuchsbedingungen  waren  bei 
diesen  Beobachtungen,  obwohl  scheinbar  ähnlich,  in  zwei 
Punkten  wesentlich  verschieden  von  denen,  die  bei  dem  Vor- 
hergehenden in  Betracht  kamen.  Erstens  war  das  Rohr  N 
während  der  Verbrennung  geschlossen,  zweitens  war  die  Ver- 
brennungskammer sehr  klein  und  die  Temperatur  des  Calo- 
rimeters  sehr  niedrig,  nämlich  0°.  Die  beiden  Röhren  h  und 

1)  Schuller  u.  Wartha,  Wied.  Ann.  2.  p.  372—374.  1877. 


Arbeit 


(2) 


e;=a{jj+  pv). 


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410 


C.  v.  Than. 


o  des  Apparates  der  Herren  Schuller  und  Wartha  Fig.  3 
Taf.  IV  denken  wir  uns  wieder  mit  den  beiden  Gasometern 
wie  früher  verbunden  und  das  einströmende  Sauerstoffgas 
angezündet.  Der  in  der  Flamme  gebildete  Wasserdampf 
steigt  in  die  Höhe,  er  wird  aber  durch  die  Nähe  der  null- 
gradigen  Wände  der  sehr  kleinen  Verbrennungskammer  von 
etwa  4,5  ccm  ausserordentlich  rasch  auf  die  Nähe  von  0° 
abgekühlt.  Der  Dampf  wird  zufolge  dessen  schwerer  als  das 
Wasserstoffgas  und  strömt  an  den  eiskalten  Wänden  der 
Kammer  abwärts,  sodass  sehr  bald  eine  Wasserdampl- 
atmosphäre  rings  um  die  ganze  Flamme  gebildet  wird.  Im 
Inneren  der  Flamme  wird  fortwährend  heisser  Wasserdampf 
erzeugt,  während  oben  und  seitlich  dieser  Dampf  unausge- 
setzt sehr  rasch  abgekühlt  wird.  Hierdurch  stellt  sich  ein 
eigenthümlicher  Gleichgewichtszustand  ein,  dessen  Wesen 
darin  besteht,  dass  im  Inneren  der  Flammenatmosphäre  war- 
mer Wasserdampf  enthalten  ist,  welcher  von  einer  sehr  be- 
deutend abgekühlten  Wasserdampfschicht  umgeben  ist.  Die 
beiden  Gase  sind  durch  diese,  den  äusseren  Druck  dämpfende 
und  hemmende  Atmosphäre  voneinander  getrennt.  Der  Wasser- 
stoff kann  nur  durch  Diffusion  zu  dem  einströmenden  Sauer- 
stoff gelangen.  Da  aber  von  diesem  wieder  nur  so  viel  ein- 
strömt, als  zu  Wasser  verbrennen  kann,  verzögert  sich  die 
Verbrennung  ausserordentlich.  Diese  Verzögerung  wird  schon 
dadurch  wahrscheinlich,  dass  bei  den  Versuchen  der  Herren 
Schuller  und  Wartha  zur  Bildung  von  1,37  g  Wasser 
durchschnittlich  23/4  Stunden  erforderlich  waren.  Zufolge 
dessen  findet  die  Abkühlung  des  Wasserdampfes  relativ  noch 
energischer  statt,  das  schliessliche  Resultat  davon  ist,  dass 
die  Flamme  in  einer  Atmosphäre  von  Wasserdampf  mit  an 
den  äusseren  Schichten  sehr  niedriger  Spannung  eingeschlos- 
sen ist.  Infolge  dessen  dehnt  sich  die  Flamme  stark  aus  und 
kühlt  sich  zugleich  bedeutend  ab. 

Diesen  Umständen  ist  es  zuzuschreiben,  dass  die  Flamme 
durch  diese  Atmosphäre  gewissermassen  für  den  äusseren 
Druck  abgesperrt  ist.  Denn  der  äussere  Druck  kann  nur  die 
geringe  Spannung  der  äussersten  abgekühlten  Wasserdampf- 
schicht überwinden,  die  fortwährend  neu  erzeugt  wird.  Die  Fort- 


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C.  v.  Thun 


411 


pflanzung  des  Druckes  bis  zu  der  Flamme,  wo  die  eigentliche 
chemische  Verbindung  stattfindet,  ist  vollständig  gehemmt. 
Demzufolge  kann  keine  Contraction,  sondern  wegen  der 
chemischen  Vereinigung  der  beiden  Gase  zu  Wasserdampf 
nur  eine  Abnahme  der  Spannung,  ähnlich  wie  in  einem  ver- 
schlossenen Gefässe,  eintreten.  Die  Arbeit  der  Contraction, 
die  bei  dem  Thomsen'schen  Versuche  \PV  betrug,  wird  hier 
=  0  sein.  Dass  der  Druck  in  der  Flammenatmosphäre  ein 
sehr  geringer  war,  beweist  am  sichersten  folgende  Aeusserung 
der  Herren  Schuller  und  Wartha1):  „Ausser  dem  klei- 
nen inneren  Flammenkern  war  noch  eine  grosse,  kugelför- 
mige, rein  blaue  Flamme  sichtbar,  welche  scheinbar  von  so 
geringer  Temperatur  war,  dass  selbst  die  hineinragenden 
feinen  Platindrähtchen  nicht  ins  Glühen  geriethen." 

Untersuchen  wir  nun  näher,  welchen  Einfluss  diese  Ver- 
suchsbedingungen auf  die  übrigen  Antheile  der  in  der  Ver- 
brennungskammer durch  äussere  Einwirkungen  erzeugten 
Wärme  ausgeübt  haben.  Da  die  beiden  einströmenden  Gase, 
deren  Druck  um  einige  Millimeter  höher  als  der  einer  Atmo- 
sphäre war2),  durch  die  oben  charakterisirte  Dampfatmo- 
sphäre voneinander  getrennt  waren,  musste  die  Condensation 
des  Dampfes  nothwendig  in  der  äussersten  kältesten  Schicht, 
also  jedenfalls  bei  niederer  Temperatur,  stattfinden.  Bei 
dieser  niederen  Temperatur  konnte  die  Tension  des  Wasser- 
dampfes olfenbar  nur  wenige  Millimeter  betragen.  Bei  der 
geringen  Spannung  des  sich  condensirenden  Wasserdampfes 
sind  auch  die  Reactionskräfte  desselben  gering,  sie  üben  also 
nur  auf  einen  geringen  Bruchtheil  der  gesammten  äusseren 
Druckkraft  ihre  Reaction  aus.  Während  dieser  Condensation 
wird  die  äussere  Arbeit  §  PK  verrichtet.3) 

1)  Schuller  u.  Wartha,  1.  c.  p.  373.  2.  Aiim. 

2)  Im  Mittel  war  bei  den  vier  zur  Berechnung  des  mittleren  Resul- 
tates benutzten  Versuchen  nach  den  Angaben  der  Herren  Schüller 
und  Wartha  der  Druck  der  einströmenden  Gase  =  767,5  mm.  Da  aber 
der  Druck  bei  den  einzelnen  Versuchen  und  ausserdem  auch  der  Druck 
des  Wasserstoffs  wegen  der  verschiedenen  Höhe  der  beiden  Gasometer 
von  dem  des  Sauerstoffs  etwas  verschieden  war,  lässt  sich  der  mittlere 
Druck  nicht  genau  ermitteln. 

3)  Diese  Arbeit  ist  dem  Werthe  nach,  wenn  man  die  Condensation 


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412 


C.  v.  Than. 


Gesetzt,  der  gesammte  Druck  der  einströmenden  Gase 
betrage  P  +  p  und  die  Condensation  soll  bei  t°  vor  sich 
gehen,  bei  welcher  der  entgegengesetzte  Druck  des  gesättig- 
ten Wasserdampfes  der  Grösse  nach  ebenfalls  p  ist,  so  strö- 
men die  Gase  offenbar  mit  der  Druckdifferenz  P  in  die 
Flammenatmosphäre  gerade  so  ein,  als  wenn  sie  mit  dem 
Drucke  P  in  einen  luftleeren  Raum  einströmen  würden.  Aus 
der  lebendigen  Kraft  dieser  Bewegung  entsteht  eine  Wärme- 
*  menge,  deren  Arbeitsäquivalent  =  PV  ist.  Es  entsteht  näm- 
lich hierdurch  eine  Energie  der  fortschreitenden  (oder  Diffu- 
sions)-Bewegung  F,  und  da  schliesslich  die  Geschwindig- 
keit in  dem  ruhenden  Wasser  =0  wird,  ist  die  Aenderung 
dieser  Energie  gleich  F.  Das  Arbeitsäquivalent  dieser  Ener- 
gieänderung ist  aber,  wie  ich  früher  gezeigt  habe1),  da  die 
Druckdifferenz  das  Volumen  der  einströmenden  Gas  V 
ist,  gleich  PV  also  ist  AF  —  PV.  Die  Ursache  dessen,  wes- 
halb hier  diese  Energie  der  fortschreitenden  Bewegung  zu 
Stande  kommt,  ist  zum  Theil  die  hemmende  Wirkung  der 
kühlen  Dampfatmosphäre,  hauptsächlich  aber  der  Umstand, 
dass  der  Hahn  N  geschlossen  war,  wodurch  die  Druckcom- 
ponente  —  P,  welche  bei  den  Versuchen  Thomsen's  die 
Entstehung  der  genannten  Bewegungsenergie  und  der  ent- 
sprechenden Wärmemenge  verhinderte,  vollständig  ausgeschlos- 
sen war.2) 


bei  0°  vor  sich  gehend  denkt,  sehr  nahe  =  8,98  p .  m,  wo  p  den  der  Ten- 
sion des  Wasserdampfes  entsprechenden  Druck  auf  1  qm  Oberfläche,  u 
aber  die  Differenz  der  spec.  Volumina  des  gesättigten  Wasserdampfes  und 
des  flüssigen  Wassers  bei  derselben  Temperatur  bedeuten. 

1)  C.  v.  Than,  Wied.  Ann.  13.  p.  99.  1881. 

2)  Dass,  in  dem  Falle  diese  Componente  —  P  fehlt,  wirklich  durch 
das  blosse  Einströmen  der  Gase,  die  am  angeführten  Orte  abgeleitete 
Wärmemenge  APV  entsteht,  kann  ich  ausser  der  theoretischen  selbstver- 
ständlichen Ableitung  auch  noch  durch  eine  directe  Messung  bestätigen, 
die  ich  bei  meinem  noch  im  Jahre  1878  ausgeführten  Versuche  über  die 
Verbrennungswärme  des  Knallgases  bei  niederem  Drucke  gelegentlich  ge- 
macht habe.  Es  mag  dieser  Versuch,  den  ich  sonst  nicht  zu  veröffent- 
lichen gedachte,  mitgetheilt  werden.  Ein  Glasgciäss,  dessen  Hahn  (wie 
Wied.  Ann.  13.  Taf.  I  Fig.  2)  von  aussen  zu  reguliren  war,  stand  durch 
einen  im  Eisschranke  auf  0°  gekühlten  grösseren  Behälter  mit  der  Röhre 


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C.  v.  Thon. 


413 


Wie  man  aus  dem  Gesagten  sieht,  lässt  sich  bei  diesen 
abnormen  Versuchsbedingungen  durch  das  Product  aus  der 
Volumenänderung  des  Knallgases  und  dem  Drucke  desselben, 
also  durch  PV,  das  Arbeitsäquivalent  jener  Wärmemengen, 
welche  durch  äussere  Einflüsse  in  der  Flammenatmosphäre 


n  (Fig.  1  1.  c.)  in  Verbindung.  Das  Gefäss  wurde,  während  es  sich 
im  Eiscalorimeter  befand,  mit  der  Geissler'schen  Pumpe  möglichst  luft- 
leer gemacht.  Der  Hahn  wurde  sodann  geschlossen,  und  nachdem  sich 
die  Abkühlung  im  Calorimeter  ausgeglichen  hatte,  wurde  der  Gang  des 
Calorimeters  v=  +0,02512  genau  gemessen.  Während  dieser  Zeit  wurde 
der  ganze,  an  der  erwähnten  Stelle  abgebildete  Apparat  bis  auf  das  im 
Calorimeter  befindliche  luftleere  Gefäss  mit  Knallgas  von  einer  halben 
Atmosphäre  Druck  gefüllt.  Nun  wurde  der  Hahn  des  Gefasscs  ein  wenig 
geöffnet,  sodass  an  dem  kleinen  Schwefelsäuremanometer  ß  eben  eine  ge- 
ringe Hin-  und  Herbewegung  der  Flüssigkeit  sichtbar  war.  Das  grosse 
Manometer  o  wurde  fortwährend  beobachtet  und  durch  häufige  Unter- 
brechung des  electrolysirenden  Stromes  das  Knallgas  in  dem  Maasse  ent- 
wickelt, dass  der  äussere  Druck  fortwährend  genau  eine  halbe  Atmo- 
sphäre war.  Eine  halbe  Stunde  nach  Beendigung  des  Einströmens  wurde 
der  Enddruck  am  Manometer  genau  festgestellt,  welcher  (P),  auf  0°  reducirt, 
=  379,84  mm  betrug.  Darauf  wurde  die  eingesogene  Quecksilbermeuge 
h  =  18,618  mg  und  der  Gang  des  Calorimeters  n  =  4-  0,02779  bestimmt. 
Die  Dauer  des  Versuches  war  190',  daher  die  gesammte  während  des  Ein- 
strömens eingesogene  Quecksilbermenge  H  =  23,645  mg.  Diese  entsprechen 
Hjq  »  1,5467  gewöhnlichen  Wärmeeinheiten.  Das  Volumen  des  luftleeren 
Gefasses  war  V  =  127,428  ccm.  Berechnet  man  nach  der  Formel 
Q  =  PVjE  das  Wärmeäquivalent  der  Arbeit  PV  mit  2?=  424,  so  findet 
man  1,5521,  während  JE  =■  425,  das  von  vielen  Forschern  angenommen 
wird,  1,5484  W.-E.  gibt,  welche  Zahl  mit  der  beobachteten  nahezu  iden- 
tisch ist.  Dieser  Versuch  zeigt,  welche  Genauigkeit  mit  der  verbesserten 
eiscalorimetrischen  Methode  zu  erreichen  ist  Eigentlich  diente  diese  Mes- 
sung als  Vorversuch  zur  genauen  Bestimmung  des  mechanischen  Aequi- 
valentes  der  Wärme.  Man  hat  nämlich  E  —  PV/Q.  Da  lüerbei  gar 
keine  thermometrische  Messung  nothwendig  ist,  wird  diese  Bestimmung 
sicherer  als  alle  bisherigen.  Ich  beabsichtige,  diese  Messung  mit  Appa- 
raten, welche  die  gehörigen  Dimensionen  besitzen,  nächstens  auszuführen. 
Macht  man  die  Berechnung  nach  den  obigen  Angaben,  so  ergibt  sich 
E  m  425,47. 

Man  sieht  hieraus,  dass,  wenn  eine  bestimmte  Gasmenge  unter 
dem  Drucke  P  in  ein  luftleeres  Gefäss  von  dem  Volumen  V  einströmt, 
also  in  einen  Raum,  wo  die  Druckcomponente  -P  fehlt;  die  der 
Arbeit  PV  äquivalente  Wärmemenge  erzeugt  wird,  ohne  dass  das  ein- 
strömende Gas  sein  Volumen  und  seine  Endtemperatur  geändert  hätte. 


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414 


C.  r.  Than. 


erzeugt  werden,  ohne  einen  wesentlichen  Irrthum  zu  begehen, 
bestimmen. 

Die  Aenderung  der  inneren  Energie  wird  bei  den  Ver- 
suchen der  Herren  Schuller  und  Wartha,  sowie  bei  denen 
der  Herren  Favre  und  Silbermann,  wenn  sonst  die  An- 
fangs- und  Endzustände  die  gleichen  waren,  dieselbe  bleiben 
wie  bei  den  früher  betrachteten  Versuchen.  Wenn  wir  hier- 
nach alle  mechanischen  und  thermischen  Aenderungen  bei 
der  dritten  Gruppe  der  Beobachtungen  zusammenfassen,  so 
haben  wir: 

a)  die  an  das  Calorimeter  abgegebene  und 
gemessene  Wärmemenge  Q  =  Ep 

b)  die  Aenderung  der  inneren  Energie  .    .        =  AJ 

c)  die  Aenderung  der  Energie  der  fortschrei- 
tenden Bewegung  AF=z  PV 

d)  die  bei  der  Condensation  des  Wasser- 
dampfes verrichtete  (die  eigentliche)  äussere  Arbeit    S  =  \PV. 

Nach  der  Substitution  in  Gleichung  (a)  folgt  dann: 


Diese  Gleichung  drückt  aus,  dass  die  im  Calorimeter  ge- 
messene Wärmemenge  äquivalent  der  Aenderung  der  inneren 
Energie  ist,  vermehrt  um  die  Aenderung  der  Energie  der 
fortschreitenden  Bewegung,  die  durch  das  Einströmen  der 
Gase  bei  der  constanten  Druckdifferenz  P  in  die  Flammen- 
atmosphäre  hervorgebracht  wird,  und  endlich  vermehrt  um 
die  eigentliche  äussere  Arbeit,  welche  hier  wegen  des  Feh- 
lens der  Contraction  %PV  beträgt.  Dies  kommt  im  Resul- 
tate genau  auf  dasselbe  heraus,  als  wenn  die  Gase  unter 
dem  Drucke  einer  Atmosphäre,  während  sie  verbrennen,  in 
einen  luftleeren  Kaum  einströmten,  welcher,  auf  0°  abgekühlt, 
den  gesättigten  Wasserdampf  bei  dieser  Temperatur  gerade 
fassen  kann,  worauf  man  den  Wasserdampf  bei  dem  con- 
stanten Drucke  von  4,6  mm  zu  flüssigem  Wasser  comprimirt. 
Durch  den  ersten  Act  wird  ausser  der  Aenderung  der  inne- 
ren Energie  die  Wärmemenge  APV,  durch  den  zweiten 
8,98  Apu  —  §  APV  erzeugt.  In  dieser  leichter  verständlichen 


(3) 


El-  A(AJ+  PV+IPV). 


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C.  v.  Than. 


415 


Weise  habe  ich  den  complicirten  Vorgang  in  meiner  früheren 
Arbeit  ausgedrückt.1) 


Löst  man  die  durch  diese  Betrachtungen  erhaltenen  drei 
Gleichungen  (1),  (2),  (3)  in  Bezug  auf  AJ  auf,  so  erhält  man: 

AJ  =  E,,      AJ  =  E;  -  APV,      AJ=  E'i  -  (1  +  |)  APV. 

Durch  Vergleichung  derselben  untereinander  folgt: 

(4)  Ev  =  E'P-  APV, 

(5)  J£  =  E;  -  (1  +  })  APV,  ferner: 

(6)  e;  =  e9+  apv,  (7)     e'p  =  e;-iapv. 

Nach  diesen  Gleichungen  kann  man  die  Ergebnisse  der 
verschiedenen  Beobachtungen  vergleichen.  Da  aber  dieselben 
auf  der  Voraussetzung  beruhen,  dass  die  Anfangs-  und  End- 
zustände bei  allen  Versuchen  gleich  sind,  müssen  wir  vor 
allem  die  Resultate  jener  Versuche,  bei  welchen  die  Grenz- 
temperaturen von  0°  verschieden  waren,  auf  diese  Temperatur 
reduciren.  Bezüglich  des  Druckes  braucht  man  keine  Ee- 
duction  auszuführen,  da  der  Anfangsdruck  bei  allen  Ver- 
suchen derselbe  war,  und  der  Enddruck  ohnedem  von 
keinem  messbaren  Einflüsse  ist.  Glücklicherweise  sind  die 
erwähnten  Reductionen  leicht  möglich,  da  die  betreffenden 
Forscher  die  Versuche  mit  allen  Details  veröffentlicht  haben. 
Leider  ist  dies  mit  den  in  der  neueren  Zeit  durch  Hrn. 
Berthelot2)  gemachten  Messungen  über  die  Bildungswärme 
des  Wassers  nicht  der  Fall,  weshalb  dieselben  hier  nicht 
berücksichtigt  werden  können.  Um  diese  Reduction  der 
Verbrennungswärmen  E%,  welche  bei  der  Anfangstemperatur 
ty  und  der  Endtemperatur  t%  bestimmt  wurden,  auf  0°  vor- 
zunehmen, muss  man  Folgendes  überlegen.  Da  die  Gase  vor 
der  Verbrennung  mit  der  Temperatur  der  Luft  t  in  die  Ver- 


1)  C.  v.  Than,  Wied.  Ann.  13.  p.  101—103.  1881.  In  diesen  Auf- 
satz haben  sich  leider  kleine  Schreibfehler  in  der  Bezeichnung  einge- 
schlichen. Die  Glieder  Apu  sollten  überall  mit  Axpu  bezeichnet  sein, 
wo  Ax  =  T^T  ist.  Auf  p.  103  muss  statt  375,43  gelesen  werden  575,43, 
in  der  17.  Reihe  i  statt  l,  ebenso  im  linken  Gliede  der  darauf  folgenden 
Gleichung. 

2)  Berthelot,  Compt.  rend.  41.  p.  1241.  1881. 


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41ü 


C.  V:  Than. 


brennungskammer  gelangt  sind,  enthielten  sie,  wenn  w  das 
Gewicht,  c  die  spezifische  Wärme  des  Knallgases  bedeutet, 
eine  um  wct  grössere  Wärmemenge,  als  wenn  sie  mit  0°  in 
das  Calorimeter  gelangt  wären.  Diese  Wärmemenge  muss 
also  von  der  beobachteten  abgezogen  werden.  Wenn  ferner 
die  Endtemperatur  t2  betrug,  so  enthielt  das  gebildete  Wasser, 
da  die  Hälfte  der  Temperaturerhöhung  von  lx  auf  t2  schon 
berücksichtigt  worden,  um  Jtt'(^  +  h)  niehr  Wärme,  als  wenn 
dasselbe  bis  auf  0°  abgekühlt  geworden  wäre.  Diese  Wärme- 
menge muss  also  zu  der  beobachteten  hinzu  addirt  werden. 
Ausserdem  muss  man  auch  jene  sehr  kleine  Wärmemenge 
r  hinzufügen,  welche  als  latente  Wärme  der  in  dem  leeren 
Räume  des  Calorimeters  vorhandenen  geringen  üampfmenge 
enthalten  war.  Endlich  muss  man  das  Gewicht  des  Wassers 
auf  den  luftleeren  Raum  reduciren,  wie  dies  bei  meinen 
und  den  Versuchen  der  Herren  Schuller  und  Wartha  schon 
geschehen  ist.  Letztere  Reduction  ist  sehr  annähernd  für 
w  Gramme  Wasser  durch  Multiplication  der  beobachteten 
Verbrennungswärme  mit  1,00 106 l)  zu  erreichen.  Wenn  man 
die  auf  diese  Art  umgerechnete  Verbrennungswärme  mit  Eo 
bezeichnet,  so  hat  man  für  alle  diese  Reductionen  die  Gleichung: 

(8)  Et  ~  1,00 106 E\l  +         +/2)  +  r-  wct. 

Bei  den  Versuchen  des  Hrn.  Andrews2)  ist  r  =  o.  da 
die  Gase  vor  und  nach  der  Verbrennung  feucht  waren,  da 
ferner  die  Gase  vor  der  Verbrennung  die  Anfangstemperatur 
des  Calorimeters  f,  angenommen  haben,  ist  t—^  zu  setzen. 
Die  Reduction  auf  den  luftleeren  Raum  ist  schon  berück- 
sichtigt. Da  endlich  die  Zahl  des  Hrn.  Andrews  sich  auf 
einen  Gewichtstheil  Wasserstoff  bezieht,  ist  auch  die  Berück- 
sichtigung der  Stas'schen  Atomgewichte  überflüssig.  Man 
hat  also  eigentlich  für  diesen  Fall  die  Reductionsformel 
El  =  +  lw(t2  -f-  tj)  —  wc^.  Bei  vier  Messungen  von  Hrn. 
Andrews  waren  im  Mittel  ££=33808,  m>  =  8,98,  tx  =  18,50ü. 
*2  =  20,575°.   Also  ist: 

£2  =  33  888,40  W.-E.  Andrews. 

1)  F.  Kohlrausch,  Leitf.  d.  pr.  Phys.  3.  Aufl.  p.  229.  1877. 

2)  Andrews,  Pogg.  Ann.  76.  p.  81.  1848. 


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C.  v.  Than. 


417 


Favre  und  Silbermann1)  haben  bei  der  Berechnung 
der  Verbrennungswärme  die  ganze  gebildete  Wassermenge, 
welche  bei  jedem  ihrer  sechs  Versuche  im  Mittel  3,245  g  betrug, 
zu  dem  Wasserwerthe  des  Calorimeters  m  2077  g  hinzuaddirt. 
Bei  der  Reduction  ihrer  Zahl  auf  El  ist  in  Folge  dessen 
nur  die  Hälfte  des  gebildeten  Wassers  hinzuzusetzen. 
Ferner  haben  sie  als  Aequivalentgewicht  des  Wassers  9 
statt  der  Stass'schen  Zahl  8,98  angenommen.  Berücksichtigt 
man  diese  beiden  Umstände,  so  ergibt  sich,  da  die  mittlere 
Temperaturerhöhung  bei  ihren  Messungen  5,9723°  C.  betrug, 
statt  der  üblichen  Zahl  34462  für  E^  =  34  353,3  W.-E.  Bei 
ihren  Versuchen  war  im  Mittel  t=  9,014,  ^=  6,028,  *8  = 
12,000,  r  =  1,94 2),  w  =  8,98.  Es  ergibt  sich  aus  diesen  An- 
gaben nach  (8): 

E°0  =  34  426,23  W.-E.   Favre  und  Silbermann. 

Nach  dem  Mittel  aus  sieben  Beobachtungen  (einem  ein- 
fachen und  zwei  dreifachen  Versuchen)  des  Herrn.  Jul. 
Thomsen3)  ist  die  Verbrennungswärme  des  Wasserstoffes, 
mit  Berücksichtigung  der  Stass'schen  Aequivalentgewichte, 
also  Et,  =  34  103,5.  Bei  seinen  gesammten  Beobachtungen 
waren  im  Mittel  t  =  18,18ü,  tx  =  16,1507°,  f2  =  20,3094.  Der 
Werth  von  r  =  7,56.4)  Hiernach  folgt  aus  der  Gleichung  (8): 
El  m  34  217,51  W.-E.  Thomsen. 

Die  Herren  Schul ler  und  Wartha  haben  im  Mittel 
aus  vier  Versuchen  gefunden,  dass  bei  der  Bildung  von  8,98  g 
Wasser  in  ihrem  Apparate  vom  Eiscalorimeter  526,971  g 
Quecksilber  eingesogen  werden.6)  Dividirt  man  diese  Zahl 
mit  dem  oben  gefundenen  Werthe  von  q  =  0,015  287  25,  so 
erhält  man: 

=  34 471,28  W.-E.    Schuller  und  Wartha. 

1)  Favre  und  Silbermann,  Ann.  de  chim.  et  de  phys.  [3]  84. 

p.  395.  1852. 

2)  Das  Volumen  der  Verbrennungskammer  betrug  etwa  90  ccm. 

3)  J.  Thomsen,  Pogg.  Ann.  148.  p.  368  —  375.  1873. 

4 1  Das  Volumen  der  Verbrennungskammer  war  500  ccm.  Die  latente 
Wärme  des  bei  20,3 0  darin  enthaltenen  Dampfes  betragt  bei  3  Versuchen 
16,08  W.  E.  für  18,98  g  Wasser,  also  für  8,98  g  die  obige  Zahl. 

5)  Schuller  und  Wartha,  Wied.  Ann.  2.  p.  378.  1877. 

Ann.  d.  Phys.  o.  Chem.   N.  F.  XIV.  27 


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C.  v.  Than. 


Ich  selbst  habe  bei  der  Bildung  von  8,98  g  Wasser 
in  verschlossenen  Gefässen  als  Mittel  aus  fünf  Versuchen 
419,274  Eiscalorien  erhalten.1)  Um  diesen  Werth  in  ge- 
wöhnlichen Wärmeeinheiten  auszudrücken,  braucht  man  nur 
die  Zahl  mit  der  oben  gefundenen  latenten  Schmelzwärme 
des  Wassers  /  =  80,667  zu  multipliciren.  Hierdurch  er- 
hält man: 

El  =  33  821,78  W.-E.  Than. 

In  der  folgenden  Uebersicht  sind  die  gewonnenen  Zah- 
len nach  den  oben  angenommenen  Versuchsgruppen  zusam- 
mengestellt. 

.     T  .   Anzahl  der     Verbrennung«-  r\«<r«-a...  Differenz  Die  Verbrennung*- 

im  Jahre  Beobachtungen       wärme  Differenz    ln  %       kammer  war 


1848    Andrews    4  JSV  =  33888,40  W.-E.  —  —     I  l)  vollkommen 

1881    Than...    5  Ev  =33821,78  „   „  4-66,62  +0,19  1  geflossen 

1873    Thomson    7  ^=34217,51   „  „  -  -       2)  Toloff^men 

1852    Favre  u. 

Silbermann  6  ^'  =  34426,23  „  „  I  8)  unvoilkom- 


1877    Schuller  I     men  offen 

u.  Wartha   4    .££  =  34471,28  „   „     -45,05  -0,14 

Man  sieht,  dass  die  von  verschiedenen  Forschern  nach 
derselben  Versuchsgruppe  ausgeführten  Beobachtungen,  wo 
solche  vorliegen,  recht  gut  übereinstimmen.  Nachdem  auf 
diese  Art  alle  bisher  detaillirt  veröffentlichten  Werthe  der 
Verbrennungswärme  des  Wasserstoffes  auf  dieselben  Anfangs- 
und Endzustände  reducirt,  und  alle  auf  dieselbe  Einheit 
bezogen  dargestellt  sind,  können  wir  darauf  die  oben  ge- 
fundenen Gleichungen  (4)  —  (7)  anwenden  und  die  einzelnen 
Versuchsergebnisse  mit  einander  vergleichen.  In  diesen  Glei- 
chungen ist  A  =  ^v  P=  10  333  000  g,  F=  0,016  737  67  cm8), 
der  Werth  von  A  PV  =  407,90  Grammcalorien  von  15°  C. 
Nimmt  man  bei  dieser  Vergleichung  zum  Ausgangspunkte 
meinen  Werth  Ev  als  den  einfachsten,  von  jeder  äusseren 
Arbeit  freien  an,  und  benutzt  man  zu  diesem  Zwecke  die 
Gleichungen  (4)  und  (5),  so  erhalten  wir  folgende  Resultate: 


1)  C.  v.  Than,  Wied.  Ann.  18.  p.  98.  1881. 

2)  Der  Unterschied  des  Volumens  von  8,98  g  Knallgas  und  Wasser 
bei  0°  und  0,76  m  Druck. 


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C.  v.  Than.  419 

Verbrennungs  wärme  des  Wasserstoffes  bei  constantem   Differenz  Differenz 

Volumen  =  Ev  in  Calor.    in  0  0 

1)  Das  directe  Ergebniss  der  Versuche  von 

Than   33821,78       —  — 

2)  Das  directe  Ergebniss  der  Versuche  von 

Andrews   33888,40    4-66,62  +0,19 

3)  Berechnet  nach  Gl.  (4)  aus  den  Versuchen 

von  Thomsen   33809,61    -11,97  -0,04 

4)  Berechnet  nach  Gl.  (5)  aus  den  Versuchen 

von  Favre  und  Silbermann     .    .    .    33746,40    -75,38  —0,22 

5)  Berechnet  nach  Gl.  (5)  aus  den  Versuchen 

von  Schuller  und  Wartha   ....    33791,40    —30,38  —0,09') 

Es  ist  nicht  ohne  Interesse,  diese  Versuche  auch  so  zu 
vergleichen,  dass  man  dieselben  auf  die  des  Hrn.  Jul. 
Thomsen  bei  constantem  Drucke  bezieht,  was  mit  Hülfe 
der  Gleichungen  (6)  und  (7)  sehr  leicht  geschehen  kann. 

Verbrennungswärme  des  Wasserstoffes  bei       E       Differenz  Differenz 
constantem  Drucke  p       in  Calor.    in  °/0 

6)  Das  directe  Ergebniss  der  Versuche  von 

Thomsen   34217,51       —  - 

7)  Berechnet  nach  Gl.  (6)  aus  den  Versuchen 

von  Than   34229,68    +12,17  +0,04 

8)  Berechnet  nach  Gl.  (6)  aus  den  Versuchen 

von  Andrews   34296,50    +78,99  +0,23 

9)  Berechnet  nach  Gl.  (7)  aus  den  Versuchen 

von  Favre  und  Silbermann     .    .    .    34154,30    -63,21  -0,19 
10)  Berechnet  nach  Gl.  (7)  aus  den  Versuchen 

von  Schuller  und  Wartha  ....    34199,30    -22,21  —0,07 

Die  Ueberein8timmung  dieser  verschiedenen  Zahlen  ent- 
spricht genau  der  bei  den  einzelnen  Beobachtungen  ange- 
wendeten Vorsichtsmaassregeln  und  der  Zuverlässigkeit  der 
befolgten  calorimetrischen  Methoden.  Diese  Uebereinstim- 
mung  lässt  bei  den  Beobachtungen  von  Thomsen,  Schüller - 
Wartha  und  mir  nichts  zu  wünschen  übrig.  Die  beiden 
letzteren  Zahlen  wurden  bekanntlich  mit  dem  Eiscalorimeter 
ausgeführt,  also  mittelst  eines  Instrumentes,  dessen  Zuver- 

1)  Nach  meiner  früheren  Berechnung  war  der  Unterschied  -0,11%. 
Diese  unbedeutende  Abweichung  rührt  theils  von  den  weniger  verläss- 
lichen Werthen,  die  früher  verwendet  wurden,  theils  von  den  unvermeid- 
lichen kleinen  Rechnungsfehlern  her. 

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420 


C.  v.  Than. 


lässigkeit  nach  den  bisher  gemachten  Erfahrungen  wohl  jeden 
Zweifel  ausschliesst.  Die  Zahl  des  Hrn.  Thomsen  verdient 
unter  den  mit  dem  Wassercalorimeter  gemachten  Versuchen 
nicht  nur  deshalb  mehr  Vertrauen,  weil  die  Correctionen  der 
Warmeverluste  nach  besseren  Methoden  erfolgte,  wie  bei 
denen  von  Andrews  und  Favr e-Silbermann,  sondern 
deswegen,  weil  die  Anzahl  der  Beobachtungen  eine  zahlreiche 
war  (7),  und  weil  bei  seinen  Versuchen  sich  grosse  Wasser- 
mengen (etwa  19  g)  gebildet  hatten,  welche  mit  mehr  Sorg- 
falt gewogen  wurden,  wie  dies  bei  den  früheren  Versuchen 
der  Fall  war.  Die  Fehler  in  der  Bestimmung  der  Menge 
des  gebildeten  Wassers  beeinflussen  aber  bei  kleineren  Was- 
sermengen die  Resultate  mehr,  als  die  kleinen  Differenzen 
in  der  befolgten  Methode  der  Correctionen  bei  der  Berech- 
nung der  Wärmeverluste  des  Wassercalorimeters. 

Am  entschiedensten  beweisen  aber  diese  Zahlen,  dass 
die  früher  geschilderte  Beziehung  der  drei  Versuchsgruppen 
eine  richtige  ist.  Man  darf  nach  dem  Mitgetheilten  die 
factisch  vorhandene  Differenz  von  254  Calorien  oder  0,74  °/0 
bei  den  Versuchen  der  Herren  Thomsen  und  Schuller- 
Wartha  den  Beobachtungsfehlern  nicht  zuschreiben,  welche 
sich  nach  obiger  Auffassung  auf  22  Calorien,  d.  i.  auf  0,07  °/0 
des  ganzen  Werthes  der  Verbrennungswärme  reducirt.  Mit 
anderen  Worten,  man  darf  die  in  unvollkommen  offenen 
Grefässen  bestimmte  Verbrennungs wärme,  also  die  Versuche 
der  Herren  Favre-Silbermann  und  Schuller-Wartha, 
nicht  als  die  Verbrennungswärme  bei  constantem  Drucke 
ansehen.  Bei  diesen  Versuchen  war  der  äussere  Druck  offen- 
bar bedeutend  grösser,  als  der  Druck  des  Dampfes  in  der 
Schicht  der  Dampfatmosphäre,  wo  die  Condensation  statt- 
fand, worauf  es  eben  ankommt.  Diese  irrthümliche  Ver- 
wechselung der  beiden  Versuchsgruppen,  zu  denen  sich  auch 
noch  häufig  jene  hinzugesellte,  als  ob  überhaupt  kein  prin- 
cipieller  Unterschied  zwischen  den  drei  verschiedenen  Ver- 
suchsgruppen vorhanden  wäre,  verursachte  leider  so  lange 
Zeit  den  Widerspruch,  welcher  bei  den  Angaben  der  ver- 
schiedenen Forscher  gerade  bei  diesem  Fundamentalwerthe 
der  Thermochemie  unlösbar  zu  sein  schien.    Ich  glaube,  dass 


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C.  v.  Than.  421 

es  mir  durch  die  oben  entwickelten  Grundsätze  gelungen  ist, 
diese  scheinbaren  Widersprüche  endgültig  zu  lösen. 

Sehr  bedauerlich  sind  die  Consequenzen  dieser  Verwech- 
selung unter  anderem  bei  den  Berechnungen  der  Bildungs- 
wärmen organischer  Verbindungen,  namentlich,  wenn  sie  eine 
grössere  Anzahl  Wasserstoffatome  im  Molecül  enthalten.  Die 
Verbrennungswärme  solcher  Verbindungen  ist  bei  constantem 
Drucke  ausgeführt  worden,  sofern  ihre  Verbrennungswärme 
wegen  der  Bildung  der  nicht  condensirbaren  Kohlensäure 
überhaupt  nicht  unter  Bedingungen  bestimmt  werden  kann, 
welche  jenen,  die  bei  der  Verbrennung  des  Wasserstoffes 
nach  der  dritten  Versuchsgruppe  realisirt  waren,  entsprechen. 
Bei  der  Berechnung  der  Bildungswärme  solcher  Verbindun- 
gen wurde  für  je  einen  Gewichtstheil  Wasserstoff  eine  um 
272  W.-E.  *=\APV  zu  grosse  Zahl  verwendet,  sofern  man 
die  Favre-Silbermann'sche  Zahl  benutzt  hat.  Dieser  Fehler 
beträgt  bei  Verbindungen  mit  12  Atomen  Wasserstoff  mehr 
als  3000  W.-E.,  welche  in  einzelnen  Fällen  einen  sehr  an- 
sehnlichen Theil  der  gesammten  Bildungswärme  ausmachen 
kann.  Alle  diese  Zahlen  bedürfen  also  einer  gründlichen 
Revision,  damit  die  weiteren  Fortschritte  der  Thermochemie 
durch  solche  Irrthümer  nicht  ernstlich  gefährdet  werden. 

Von  nun  an  darf  man  daher  die  Favre-Silbermann'schen. 
sowie  die  Schuller-Wartha'schen  Zahlen  zu  solchen  Berech- 
nungen nicht  verwenden.  Die  Resultate  mahnen  neuerdings 
daran,  wie  dies  die  Geschichte  der  Wissenschaft  schon  so 
oft  gelehrt  hat,  dass  zu  einem  wirklichen  gesunden  Fort- 
schritte, namentlich  bei  einem  so  neuen  Wissenszweige,  wie 
die  Thermochemie,  der  Wissenschaft  durch  eine  bedächtige 
und  gewissenhafte  Prüfung  der  Fundamentalthatsachen  mehr 
gedient  wird,  als  durch  eine  zu  hastige  Anhäufung  von  zwei- 
felhaften Angaben,  welche  der  richtigen  Erkenntniss  oft  un- 
absehbare Hindernisse  in  den  Weg  legen. 

Als  Ergebniss  der  vorhergehenden  Untersuchungen  stellt 
sich  also  heraus,  dass  bei  0°  und  bei  dem  Drucke  von  einer 
Atmosphäre  die  Verbrennung  des  Wasserstoffes  und  die 
ßildungswärme  des  Wassers  (von  17,96  Gewichtsthln.)  fol- 
gende Werthe  haben: 


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422 


C.  v.  Than 


Verbrennungewärme  Bildungswärme 
bei  constantem  Volumen  Ev  =  33821,78  W.-E.  67643,56  W.-E. 
bei  constantem  Drucke  E  =    34217,51  W.-E.      68435,02  W.-E. 


Hr.  A.  Schul ler  hat  in  der  Sitzung  der  ungarischen 
Academie  der  Wissenschaften  vom  20.  Juni  L  J.  in  einem 
Vortrage:  „Ueber  die  Bildungswärme  des  Wassers"  die  Be- 
hauptung aufgestellt,  dass  der  Unterschied  zwischen  der  Ver- 
brennungswärme des  Wasserstoffes  nach  den  von  ihm  und 
Hrn.  Wartha  ausgeführten  Versuchen1)  einerseits  und  nach 
meinen  Beobachtungen  andererseits  nicht  APV +  \APV 
sein  könne,  wie  ich  dieselbe  früher  experimentell  gefunden 
habe2),  sondern  nur  APV  betragen  müsse.  Da  aber  meine 
Versuchsresultate  dann  mit  denen  der  seinigen  nicht  in 
'  Uebereinstimmung  zu  bringen  waren,  so  mussten  nach  seiner 
Ansicht  meine  Resultate  die  fehlerhaften  sein.  Ohne  irgend 
welche  Thatsachen  beizubringen,  erklärt  Hr.  Schuller,  dass 
meine  noch  wenig  erprobte  Methode  mit  Fehlern  behaftet 
sei,  welche  die  Abweichung  unserer  Resultate  erkläre. 

Hr.  Schuller  behauptet  ferner,  dass  meine  Berechnung 
der  wahren  chemischen  Energie  unrichtig  sei,  weil  es  nach  ihm 
nicht  einerlei  wäre,  ob  sich  der  während  der  Verbrennung 
im  geschlossenen  Gefässe  gebildete  Wasserdampf  bei  0°  oder 
bei  96,4°  condensirte.  Da  dies  mit  dem  bekannten  Satze,  dass 
die  Aenderung  der  inneren  Energie  durch  den  Anfangs-  und 
Endzustand  vollkommen  bestimmt  ist  und  in  keiner  Weise 
von  den  Zwischenzuständen  abhängt,  in  offenbarem  Wider- 
spruche steht,  bedarf  diese  Einwendung  keiner  weiteren 
Widerlegung. 

Die  sonst  wichtige  Frage  nach  der  wahren  chemischen 
Energie  ist  bei  dem  gegenwärtigen  Stande  der  Wissenschaft 
noch  so  zu  sagen  eine  offene,  nicht  einmal  bestimmt  definirte. 
So  lange  noch  viele  wichtige,  hierher  gehörige  Thatsachen  mit 
Sicherheit  nicht  festgestellt  sind,  ist  eine  Discussion  derlei 
noch  nicht  spruchreifen  Fragen  für  die  Wissenschaft  wenig 
erspriesslich  und  bewirkt  oft  mehr  Verwirrung  als  Klärung. 

1)  Schuller  und  Wartha,  Wied.  Ann.  2,  p.  371.  1877. 

2)  C.  v.  Than,  Wied.  Ann.  18.  p.  101.  1881. 


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C.  v.  Than. 


423 


Von  höchster  Bedeutung  ist  aber  gegenwärtig  für  die  Wis- 
senschaft die  Begründung  sicherer  Methoden  und  Thatsachen 
bezüglich  der  bei  den  chemischen  Processen  entstehenden 
Wärmemengen.  Dies  war  der  ausgesprochene,  von  der  Aca- 
demie  unterstützte  Zweck  meiner  Untersuchungen.  Da  Hr. 
Schuller  gerade  die  richtige  Lösung  dieser  Aufgabe  durch 
seine  obenerwähnte  Behauptung  angegriffen  hat,  lege  ich 
blos  auf  die  Widerlegung  dieser  Behauptung  ein  Gewicht, 
umsomehr,  da  dann  die  übrigen  Einwendungen  als  einfache 
Consequenzen  notwendigerweise  hinfällig  werden. 

Hr.  Schul ler  geht  bei  der  Begründung  seiner  obigen 
Behauptung  von  der  nicht  bewiesenen  Annahme  aus,  dass 
bei  seinen  Versuchen  der  Druck  im  Inneren  der  Flammen- 
atmosphäre in  den  Dampfschichten,  wo  sich  die  Conden- 
sation  vollzieht,  genau  gleich  dem  äusseren  Drucke  war; 
ferner  von  der  weiteren  Annahme,  dass  unter  seinen  Ver- 
suchsbedingungen eine  Contraction  während  der  Verbrennung 
stattfinde.  Nach  dem,  was  ich  im  Vorhergehenden  unter  den 
Punkten  2)  und  3)  über  diese  Versuchsbedingungen  ausein- 
andergesetzt habe,  sind  aber  die  fraglichen  Annahmen  voll- 
kommen unzulässig.  Man  muss  im  Gegentheil  auf  Grund 
meiner  Versuche  über  die  Verbrennungswärme  des  Wasser- 
stoffes bei  constantem  Volumen  annehmen,  dass  eine  Con- 
traction bei  den  Versuchen  der  Herren  Schul  ler  und 
Wartha  nicht  stattfinden  konnte,  und  dass  eine  bedeutende 
Druckdifferenz  zwischen  dem  äusseren  Drucke  der  einströ- 
menden Gase  und  der  Spannung  des  sich  condensirenden 
Wasserdampfes  vorhanden  gewesen.  Hieraus  folgt,  dass  das 
Wärmeäquivalent  der  bei  der  Condensation  des  Wasser- 
dampfes geleisteten  eigentlichen  äusseren  Arbeit  \APV  ist; 
während  durch  die  Druckdifferenz  eine  Energie  der  fort- 
schreitenden Bewegung  erzeugt  wird,  deren  Wärmeäquivalent 
A PV  beträgt,  sodass  im  ganzen  der  thatsächlich  von  mir 
experimentell  gefundene  Unterschied  von  APV  +\APV 
zwischen  unseren  Versuchen  vorhanden  sein  muss.  Der 
Irrthum,  welchen  Hr.  Schuller  durch  seine  obigen  Annah- 
men begangen  hat,  ist  genau  auf  denselben  Grund  zurück- 
zuführen, welcher  den  Widerspruch  zwischen  den  bekannten 


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424 


C.  v.  Than. 


Versuchen  von  Hirn1)  und  Regnault  über  die  latente 
Wärme  des  Wasserdampfes  verursacht  hat.  Dies  ist  von 
E.  V erdet2)  sehr  klar  beschrieben  und  erklärt.  Hier  sieht 
man  ganz  deutlich,  warum  die  Versuche  von  Hirn  mit  den 
Regnault'schen  Versuchen  im  Widerspruche  sind.  Es  ist 
dies  ein  getreues  Bild  der  fehlerhaften  Bedingungen,  welche 
bei  den  Versuchen  der  Herren  Schuller  und  Wartha  rea- 
lisirt  waren.  Zufolge  dessen  ist  Hr.  Schuller  nicht  berech- 
tigt, seine  Versuchsbedingungen  mit  denen  der  Regnault'schen 
Versuche  über  die  latente  Wärme  des  Wasserdampfes ,  auf 
welche  er  sich  mit  besonderer  Vorliebe  bezieht,  zu  identifi- 
ciren.  Bei  den  Versuchen  von  Regnault  war  bekanntlich 
die  grösste  Sorgfalt  darauf  verwendet,  und  auch  alle  Bürg- 
schaften waren  dafür  vorhanden,  dass  der  Druck  in  allen  Thei- 
len  seines  ausgedehnton  Apparates  überall  vollkommen  gleich 
sei,  dass  daher  die  Condensation  des  Dampfes  in  der  mit 
der  äusseren  Atmosphäre  direct  communicirenden  und  sehr 
geräumigen  Condensationskammer  (etwa  6  lit.)  nur  unter 
solchen  Umständen  stattfinden  könne,  unter  welchen  die 
Möglichkeit  der  Erlangung  einer  bedeutenden  Geschwindig- 
keit des  einströmenden  Dampfes  zufolge  von  Druckdifferen- 
zen vollkommen  ausgeschlossen  war.  Diese  Bedingungen 
waren  bei  den  Versuchen  der  Herren  Schuller  und  Wartha 
hauptsächlich  dadurch,  dass  die  Verbrennungskammer  sehr  klein 
und  auf  0°  gekühlt  gewesen,  während  der  Hahn  N abgeschlossen 
war,  gerade  so  wie  bei  den  Hirn'schen  Versuchen,  nicht  er- 
füllt Es  kommt  offenbar  in  dieser  Beziehung  auf  dasselbe 
heraus,  ob  Wasserdampf  oder  verbrennendes  Knallgas  in  die 
geschlossene  Condensationskammer  unter  bedeutender  Druck- 
differenz eingeführt  wird.  Verdet  spricht  sich  in  dieser  Be- 
ziehung folgendermassen  aus:  „Toute  mesure  calorimetrique 
dans  laquelle  ii  s'est  produit  une  Variation  d'energie  sensible 
un  peu  considerable  sans  qu'on  en  ait  tenu  compte  est  une 
experience  defectueuse."    An  einer  anderen  Stelle  sagt  er: 


1)  Hirn,  Rech,  sur  l'equiv.  niec.  de  la  chal.  p.  154.  167.  1858. 

2)  E.  Verdet,  Theor.  mec.  de  la  chal.  1.  p.  67  und  73.  Paris  1868 
(deutsche  Bearb.  von  Rühlmann,  1.  p.  216). 


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C.  v.  Than. 


425 


„Cest  seulement  dans  le  cas  des  vapeurs  que  des  erreurs 
ont  pu  et  peuvent  encore  etre  commises.  Tout  experience 
sur  les  chaleurs  latentes  de  Vaporisation,  oü  Ton  n'applique 
pas  ä  la  vapeur  qui  se  condense  un  travail  exterieur  pre- 
cisement  egal  au  travail  qu'  eile  a  developpe  en  se  formant, 
est  vicieuse  en  un  point  essentiel  et  ne  peut  donner  de 
resultat  certain  etc."  Dies  ist  der  wahre  Grund,  weshalb 
nach  der  Auffassung  des  Hrn.  Schuller  unsere  Versuche 
nicht  übereinstimmen  können,  geradeso  wie  die  Versuche 
von  Hirn  und  Regnault.  Verdet2)  und  Zeuner8)  spre- 
chen ihr  Bedauern  darüber  aus,  dass  man  in  ähnlichen 
Fällen  die  aus  der  vernichteten  lebendigen  Kraft  hervor- 
gebrachten Wärmemengen,  welche  eben  die  Versuche  un- 
sicher machen,  nicht  berechnen  könne.  Ist  meine  Inter- 
pretation richtig,  so  verschwindet  diese  Unsicherheit  und 
die  Versuche  der  Herren  Schuller  und  Wartha  sind 
dann  für  die  Wissenschaft  zu  verwerthen. l) 

'Um  Gewissheit  zu  erlangen,  unterwarf  ich  zur  endgül- 
tigen Erledigung  der  obschwebenden  Frage,  dieselbe  einer 
neuen  experimentellen  Prüfung.  Zu  diesem  Behufe  stellte 
ich  nach  der  Bestimmung  des  Quecksilberwerthes  der  ge- 
wöhnlichen Wärmeeinheit  jene  Vergleichung  der  Angaben 
verschiedener  Forscher  bezüglich  der  Verbrennungswärme 
des  Wasserstoffes  an,  welche  ich  im  Vorhergehenden  be- 
schrieb. Aus  Gründen,  die  ich  dort  namhaft  gemacht  habe, 
ist  daran  nicht  zu  zweifeln,  dass  die  Versuchsbedingungen 
des  Hrn.  J.  Thomsen  genau  jenen  Bedingungen  entsprechen, 
die  Kegnault  bei  der  Messung  der  latenten  Wärme  des 
Wasserdampfes  beobachtet  hat.  Gerade  diese  Bedingungen 
sind  aber  bei  den  Versuchen  der  Herren  Schuller  und 
Wartha,  sowie  bei  denen  von  Favre-Silbermann,  wie 
ich  oben  nachgewiesen  habe,  nicht  erfüllt  gewesen.  Ist  dies 
richtig,  so  muss  der  Unterschied  zwischen  meinen  Versuchs- 
resultaten und  jenen  des  Hrn.  Thomsen  gerade  APV  sein, 


1)  Verdet,  1.  c.  Note  J  zu  der  Einleitung. 

2)  Verdet,  1.  c.  p.  67. 

3)  Ze  uner,  Lehrb.  der  mech.  Wärmetheorie  -*  p.  265.  1866. 


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426 


H.  Lorberg. 


wie  dies  Hr.  Schuller  für  seine  Beobachtungen  in  Anspruch 
nimmt.  Andererseits  muss  der  Unterschied  zwischen  der 
Thomsen'schen  Zahl  und  dem  Ergebnisse  der  Versuche  von 
den  Herren  Schuller  und  Wartha  genau  \APV  betragen. 
Dies  ist  wirklich  der  Fall,  denn  die  auf  diese  Art  berech- 
neten Verbrennungswarmen  bei  constantem  Drucke  zeigen 
im  ersteren  Falle  nur  0,04  °/0,  im  zweiten  0,07  °/0  Differenz, 
also  Differenzen,  die  bei  Vergleichung  experimentell  bestimm- 
ter Werthe  überhaupt  nichts  zu  wünschen  übrig  lassen. 

Da  nach  dem  Obigen  die  Einwendungen  und  Behaup- 
tungen des  Hrn.  Schuller  nur  daraus  entspringen  konnten, 
dass  er  das  Wesen  seiner  eigenen  Versuche  nicht  richtig  auf- 
gefasst  hat,  so  betrachte  ich  diese  Einwendungen  auf  Grund 
der  in  dieser  Abhandlung  beigebrachten  Thatsachen  als 
widerlegt.  Aus  denselben  Thatsachen  geht  für  die  Richtig- 
keit der  von  mir  befolgten  Methode  und  der  dadurch  er- 
haltenen Verbrennungswärme  des  Wasserstoffes  von  neuem 
eine  jeden  Zweifel  ausschliessende  Bestätigung  hervor. 

Payerbach,  Juli  1881. 


HI.   Ueber  Würmeleitung  in  einem  System  von 
CyUndern,  und  über  die  experimentelle  Bestim- 
mung der  Leitungsfähigkeit  des  Wassers; 

von  JET.  Lorberg  in  Strassburg.  ,  1>T  ^ 

(Fortsetzung  von  p.  308.) 


§  3.   Näherungsweise  Berechnung  bis  zur  ersten  Potenz 

der  ß  incl. 

Nach  den  Gl.  (12)  ist  ganz  allgemein: 

wo  in  ßixix  alle  Glieder  zusammengefasst  sind,  welche  in  # 
und  ßi+i  von  höherer  als  der  ersten  Ordnung  sind.  Dadurch 
gehen  die  .Gl.  (6)  über  in: 


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H.  Lorberg. 


427 


Bi+i  ,  =  Si    *7'T   (cos  gix  Bi%  -  qix  sin  qix  Cix) 

^  cos  g.  .  B{ T  -git.Bingit.  Ci9. 

(13)  /riny,-,  \ 

— ^-J?it.+  C08?|X.  ClT, 

wo  *2  bedeutet,  dass  in  der  Summe  das  Glied  r'=  r  aus- 
zulassen  ist.    Wir  schreiben  diese  Gleichungen  abkürzend: 

Bi+itl  =  bix  Bit  4-  cit  Cix  -f  ef  i '^>&|T-  -ß.  t  +<mv  d  i 

T 


(13.) 


Die  Auflösungen  dieser  Gleichungen,  unter  Berücksich- 
tigung der  Gl.  Ci,  =  0,  erhalten  ganz  allgemein  die  Form: 


(14) 


Bix  =  aixB\x  +  €  »2«fx  Bix  , 

T 

Cix  =  aix  l?ix  +  £  t 'S  «iz  #u  , 


wo  c  ein  Factor  von  der  Ordnung  der  «,  oder  ß{  ist,  und  die 
Gl.  (6b)  geht  über  in: 

(#nt"m  —  anx)B\x  —  —  er^(Hnxa'nx  —  aiT.)^i,.. 

x 

Setzen  wir  nun  Bia=  1,  so  gibt  die  letzte  Gleichung: 
(a)  #»0rt«a-«»o=  -  er^(Hnaanx.-  anx)Bu-, 

und  wenn  t  von  (T  verschieden  istL 

(Hnt  (inj  —  anx)  B\x 
=  -t(Hnx  ano  -  «;,)  -  e       (4,       -  *'nt  •)  A... 


(b) 


Die  letzte  Gl.  zeigt,  dass  für  jedes  von  6  verschiedene 
t  2?iT  von  der  Ordnung  e,  also  die  rechte  Seite  der  Gl.  (a) 


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428 


H.  Lorberg. 


von  der  Ordnung  «2  ist;  mit  Vernachlässigung  von  e2  erhal- 
ten wir  also  aus  (a)  und  (b)  an  Stelle  der  allgemeinen  Glei- 
chungen (9)  und  (8): 

(I)  Hn„an  -  ana  =  0, 

-ff« ,    .,  —  <*'. 


(ii) 


nu 


(t  von  <t  verschieden), 


Bu  =  Ii       Cit  "0  für  jedes  r, 
und  weiter  aus  (14)  für  i>1: 

B{9  =  </»„  ,  =as  «if<  . 

Was  die  wirkliche  Darstellung  der  aix  etc.  betrifft,  so  folgt 
aus  (18 »)  und  (14),  wenn  wir  den  Index  r  zur  Abkürzung 
fortlassen: 

(c)  ai+i  =  b{  ai  +  a  cei ,  =  Yi  ca  ■+■     «i , 
woraus,  wenn  wir: 

(d)  X - 1,  pS-!  =  -  i~~  r>  +  *h-i) -  ;>;_,  = 

setzen,  für  die  a,  die  Recursionsgleichung  folgt: 
Aus  letzterer  Gl.  ergibt  sich: 

alt  =  1 ,        a2t  =  b\x. 

wo  Py_%,  Pf-t  nacn  der  gewöhnlichen  Bezeichnungsweise 
Unter determinanten  der  Determinante  P  =  2  =F  />5  •  •  •  PZ  Z  l  = 1 
sind,  in  welcher  p\_2,  p\_v  p\  die  in  Gl.  (d)  angegebenen 
Werthe  haben,  während  alle  übrigen  Elemente  =  0  sind. 
Ferner  folgt  aus  (c): 


(15) 


(15.) 


«Ii  *  0,  «2  t  ==  (#lt  . 


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H.  Lorberg.  429 
Endlich  geben  die  GL  (13,)  und  (14),  wenn  wir: 

~  (b'io  aia  +  c'iu  Ui„)  =  rlo,  [ßi9  <na  +  y'io  aia)  =  gia 

e  c 

setzen : 

a'i+i.o  0  bi%  ö-0+cit  ti9+ri9t       ct'i+\,a  =  #i  «i»  +  /«x      +  Pia, 
woraus: 

und  hieraus: 
1 

«i.=  7— j'i-i,,-/3i-i..H-1..+ci-i..-7— -r,-!,. 

S —  l,i  — 1,»  '  S  —  l,t 

Hierin  ist  mit  dem  angenommenen  Grade  der  Annäherung 
nach  (13)  und  (13,)  zu  setzen: 

Air-  1  (nur  A<o-l-Je/Ji), 
A'+l  T     =  Vit  =  1  (nur  i/,o  =  1  -  !<>«,), 


(17) 


öix  —  $i  v,  t  cos  qit ,      ei  t  —  —  öi  Vi x  qit  sin  qit , 
sin 

ßix  =  Vix—l  >      /'it=  l'iT  COS  ?it, 


ff         2n  8m?<^ 


Schliesslich  gehen  die  Gleichungen  (11)  und  (11,)  über  in: 

n 


(18) 


wobei  für  a  =  0  das  zweite  Glied  in  wegfallt. 


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430  H.  Lorberg. 

Für  n  =  3,  den  Fall  des  Weber'schen  Problems,  ergibt  sich 
aus  den  vorstehenden  Formeln,  wenn  man  tg  qitiqir  =  Git  setzt: 

diT  =  1 ,  €t\x  =  0, 

sin  y  j 

«2  *  =  bX  t  =  ^  V!  r  COS      „   Cf2  r  =       r  =  Vi  r      -  > 

(19)  {  ^i- 

a3z  =  *lT^2r  +  ^ltC,2r  =  ^Vflrl'2rC085'lrCOS^2r(^l  ~ ?2r£lxG8t) 
<*3x  =  *lt^2r  +  /?lc^2r  =  Vi  «  *  2  «  COS  ?lx  COS  qt  ,  (ft  ,  +  <?1  ^2t) 

und  die  Gl.  (I)  zur  Bestimmung  von  fjL0,  geht  über  in: 

(20)  lg8  i-  2tf-  =  <?2  i  =  (32  H*a< 

ft.-— ,    qh- $!{-}—?-)■ 

Der  Fall  n  =  2  ist  in  dem  Falle  n  =  3  enthalten,  wenn 
man  £i  =  0,  also  yit  =  0,  l/£i  =  0  setzt,  wodurch  die  Gl.  (20) 
übergeht  in:  G2a  =  <*2  Hiu. 

Dass  alle  Wurzeln  |U*,  der  Gl.  (20)  reell  sind,  ist  schon 
oben  bewiesen.  Dass  sie  aber  auch  sämmtlich  positiv  sind, 
wie  es  sein  muss,  wenn  sie  eine  physikalische  Bedeutung 
haben  sollen,  folgt  mit  Hülfe  der  Gl.  (3)  daraus,  dass  nicht 
alle  drei  Grössen  q?0  <  0  sein  können,  da  dann  die  linke 
Seite  der  Gl.  (20)  positiv,  die  rechte  negativ  sein  würde. 
(Dasselbe  lasst  sich  von  der  allgemeinen  Gl.  (I)  durch  Ver- 
wandlung von  anajana  in  einen  Kettenbruch  zeigen).  Für 
alle  Werthe  von  q2  von  — oo  bis  +00  ist  G  eine  wach- 
sende, H  eine  abnehmende  Function  von  q2  oder  p2  zwischen 
je  zwei  Grenzen,  zwischen  denen  sie  nicht  unendlich  wird. 
Die  Function:  „  ,  ,  „ 

p  Gi  +  0i6ra 

wird  nur  unendlich,  wenn  der  Nenner  0  wird,  d.  h.  wenn 
08*802  =  <?i0ictg0i  *st;  diese  Gleichung  hat  in  jedem  Inter- 
vall q2  =  n(2n—  l)/2 ,  n(2n  +  l)/2  wenigstens  eine  Wurzel. 
Setzen  wir  nun  F=  Gt-\-  K,  wo: 

Jl    „Iß"  N 

so  ist  nach  dem  oben  Bemerkten  N  eine  abnehmende  Function 
von  fA2j  also  geht  zwischen  je  zwei  solchen  Wurzeln Ä'und  folglich 


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H.  Lorberg.  431 

auch  F  von  —  oo  zu  4-00,  während  H  abnimmt;  mithin  hat 
die  Gl.  (20)  zwischen  je  zwei  Wurzeln  der  Gleichung  q2t%q% 
=  ölqlctgql  wenigstens  eine  (reelle)  Wurzel. 

§  4.    Wasser  zwischen  zwei  Kupferplatten. 

Setzen  wir  j-J^  m  x,  so  wird,  wenn  der  erste  und  dritte 
Cylinder  von  demselben  Stoße  sind,  q1=*xq9,  l/^=x^2. 
Bezeichnen  wir  von  jetzt  an  der  Bequemlichkeit  halber  die 
auf  den  zweiten  Körper  (das  Wasser)  bezüglichen  Grössen 
mit  k  etc.,  die  auf  den  dritten  (die  obere  Kupferplatte)  be- 
züglichen mit  kx  etc.  und  setzen: 

*>  M-l  Ä-« • 

also:  |i  =  -  , 

so  gellt  die  Gl.  (20)  über  in: 

tg  qa  +  ^  tg  (aftj  i     ^  tggltf 

(22)   v-l^-r  -  5  — r— ?U-t  ■  oder: 

(22.)  **'  =S<p(q„),  wo: 

A 

i-tgywtgxj^H-  — (tgft.  +  tgKfu) 

(22b)  ^ — : — " — ;  Titjv^i 

Dabei  ist  nach  Gl.  (3),  wenn  sich  qut,  qu$  auf  irgend 
eine  Wurzel  pj,  der  Gl.  (22)  beziehen,  und  wenn  wir: 

2, 


(23) 


f!  (^f!.  -  P?)  =     =  *i  +  J (°I  -  l)  setzen, 
(24)  tf.  -  «'  ($  +  ff)  -  «?  (^r  +  %")  •      woraus : 

(24.)  7!..- -(».*.-  #.'). 

Die  Dimensionen  der  Cylinder  mögen  etwa  denjenigen 
entsprechen,  welche  Weber  bei  seinen  Versuchen  anwandte; 


432 


H.  Lorberg 


bei  diesen  war  (cm  und  Minute  als  Einheiten  genommen) 
0  =  8,  |- 0,231,  f,  =  1,023,  x  =  0,5;  jedenfalls  wollen  wir 
weder  noch  als  sehr  gross  voraussetzen.  Für  die 
Leitungsfähigkeit  k  des  Wassers  will  ich  den  Werth  nehmen, 
der  sich,  wie  ich  in  §  5  und  6  zeigen  werde,  aus  den  We- 
ber'schen  Beobachtungen  als  der  wahrscheinlichste  ergibt, 
k  =  0,08317  für  eine  Temperatur  von  etwa  4°  (der  von 
Lundquist  nach  der  Angström'schen  Methode  gefundene 
Werth  ist  für  40°  k  =  0,09333);  für  ^  und  hx  nehme  ich  die 
schon  in  §  2  angegebenen  Werthe.  Ueber  den  Werth  von 
Ä,  die  äussere  Leitungsfähigkeit  des  Wassers,  scheinen  keine 
Bestimmungen  vorzuliegen,  und  es  lässt  sich  darüber  um  so 
weniger  etwas  angeben,  als  darin  auch  der  Effect  der  Ver- 
dampfung an  dem  freien  Rande  der  Wasserlamelle  enthalten 
sein  muss,  welcher  möglicherweise  die  Temperaturerniedrigung 
durch  Strahlung  bedeutend  überwiegt.  Ich  will  daher  ß  — 
hjk  unbestimmt  lassen;  wäre  h  gleich  dem  Strahlungsvermö- 
gen des  Kupfers  =  0,006,  so  würde  ß  =  0,0725  sein;  jedenfalls 
wird  man  ß  beträchtlich  kleiner  als  1  annehmen  dürfen.  Dem- 
nach ist,  wenn  wir  die  für  die  Dimensionen  der  Weber'schen 
Beobachtungen  geltenden  Zahlen  in  Klammern  beifügen: 

Ä  =  «2  =  0,08317,  f=l,  £  =  0,8262,  h,  =0,006,  0,00012, 

«5  =  60,52,  <?= 0,001 66. (  =  0,00733),  «  =  1,2103 . 1  (  =  0,2733), 

X-       =  0,00012 .  £  (=  0,00012),  x  <  1  (=  J) . 
a)  a  =  0.    Hier  ist: 

fr0*~  —  (0,0877-/9)  (  =  0,0012-0,1611.  h). 

Ist  #02>0,  so  muss  «2>0  sein,  da  sonst  nach  (24 a)  auch 
«j2<0  sein  würde,  was  nach  dem  zu  Ende  des  vorigen  § 
Bemerkten  nicht  möglich  ist;  sollte  in  diesem  Falle  eine 
Wurzel  fcf<0  existiren,  so  würde  «<#0<jr/2,  also  die 
linke  Seite  der  Gl.  (22)  >0,  dagegen  die  rechte  <0  sein; 
es  gibt  daher  keine  Wurzel  qx  2  <  0.  Ist  dagegen  fr02  <  0  = 
—  #2,  so  ist  nach  (23)  &2  <(^2/Q2)2oß]  sollte  es  nun  eine 
Wurzel  g2<0  geben,  so  müsste: 

ft»>0  und  <i*»<^^.2P/»<*« 


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//.  Lorberg. 


433 


sein;  in  diesem  Intervall  ist  aber  tgq/q<\,  dagegen  nach 

(22b): 

also  jedenfalls  >  1.  Sämmtliche  dem  Werthe  a  =  0  ent- 
sprechende Wurzeln  q2  und  qx  2  der  Gl.  (22)  sind  also  positiv. 
Nun  ist  nach  (24a): 

?.  =  \  t  V<F-  -V,  «-o  j/JK  =  o;o37 . 

(mit  den  Weber'schen  Dimensionen  =0,16); 

ist  also,  wie  wir  annehmen  wollen,  |i/|<10,  so  ist  qx  <Jy, 
also  bis  q  —  \n  \%\^qx  <  ff/2,  mithin  (p{qx)  (in  welchem  wir 
das  mit  d2&02  multiplicirte  Glied  des  Nenners  vernachlässigen 
können)  beständig  abnehmend;  da  nun  von  q  =  0  bis  q  — 
7i/2tgq/q  von  1  bis  oo  beständig  wächst,  während  <p(qx) 
anfangs  —  \fl  bis  —  oo,  dann  von  +  oo  an  beständig  ab- 
nimmt, so  liegt  in  dem  Intervall  q  —  0  bis  q  —  ff/2  eine  ein- 
zige Wurzel. 

Eine  zweite,  und  nur  eine,  liegt  in  dem  Intervall  y  = 
ir/2,  3.  wo  tgqjq  von  —00  bis  -f- oo  wächst,  während 
qp(7j)  abnimmt;  für  diese  Wurzel  ist  nach  Gl.  (24) /*2>  {a2j£2)  n2f 
mithin  bei  den  Dimensionen  der  Weber'schen  Versuche 
fi2  >  15,  sodass  schon  nach  einer  Minute  das  betreffende 
Glied  auf  weniger  als  ein  Milliontel  seines  Anfangswerthes 
herabsinkt;  man  kann  daher  dieses  und  umsomehr  alle  fol- 
genden Glieder  schon  nach  .30"  vernachlässigen. 

Wir  haben  hiernach  nur  die  kleinste  Wurzel  q  der  Gl. 
(22 a)  zu  berechnen.  Indem  wir  zunächst  {r02  und  X  vernach- 
lässigen, ergibt  sich,  dass,  wenn  |1/|<10  ist,  der  der  klein- 
sten Wurzel  q  entsprechende  Werth  von  ql  so  klein  ist,  dass 
man  mit  einem  Fehler  <4 . 10~6  tg^  -fjft3  setzen  kann, 
wodurch  die  Gleichung  mit  Vernachlässigung  von  <)2,  XS, 
Xftf2  übergeht  in: 

(25)  i?tg0-l~~**a+iAHJ^ 
Setzt  man  also  q2=q02+x,  wo  q0  die  kleinste  Wurzel  der  Gl.: 

Ann.  d.  Phje.  u.  Chera.   N.  F.  XIV.  28 


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434  H.  Lorberg. 


(26)  qtgq  =  a=i 


(27)  »  +  setzt, 


ist,  so  wird,  wenn  man: 

I 

2      '  2« 

-  i»**-ilß+i)t-HI- 

Vernachlässigen  wir  in  dem  Factor  der  letzteren,  an 
sich  schon  sehr  kleinen  Grösse  den  sehr  kleinen  Bruch  3 
gegen  1 ,  so  erhalten  wir  schliesslich  die  den  Werthen  er  — 
s  =  0  entsprechenden  Werthe: 


(iii) 


(in.) 


+  4 


Mit  den  Dimensionen  der  Weber'schen  Beobachtungen, 
wobei: 

«  =  0,2733,  ?02  =  0,2501 

ist,  gibt  dies: 

'  q2  =  0,2539  -  0,1472 .  \  ,  q2=  0,00662-0,00002  . 4-  • 

'S  f 


(28) 


fi2  =  0,3940  +  0,02  •  i-  • 


Der  Radius  g  kommt  in  dem  Ausdruck  von  q2  nur  in 
den  Verbindungen  p/g.hjk  und  |8/^.ä/A  vor,  in  u2  nur  in 
den  Verbindungen  hjp  und  Ä/p,  hat  also  wegen  der  Klein- 
heit von  hx  und  h  nur  einen  sehr  geringen  Einfluss.  k  kommt 
in  q2  nur  in  den  Verbindungen  a2/a18  =  ^1/^.Ä/Ä1  und  [(2/p-f- 
1  /{jJÄj /Cj  —  2/o.A/f]  |2//t,  in  ju2  nur  in  er sterer  Verbindung 
vor;  Ztj  nur  in  der  Verbindung  Mit  sehr  grosser  An- 

näherung wird  daher  q2  von  k  und  Äj  unabhängig  =*  q02, 


i 


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H.  Lorberg.  435 

ju2  proportional  mit  a%  und  unabhängig  von  Aj,  sodass  bei 
Versuchen  mit  verschiedenen  Flüssigkeiten  der  durch  die 
Beobachtung  bestimmte  Exponent  geradezu  als  Maass  der 
Constante  a2  =  £/{  betrachtet  werden  kann.  Ferner  ergibt 
sich  leicht,  dass  sämmtliche  Wurzeln  /uj ,  der  Gl.  (22)  mit 
dem  Wachsen  einer  der  Grössen  g,  |u  g  abnehmen,  dass 
also  mit  wachsenden  Dimensionen  der  Platten  der  Tempe- 
raturablauf langsamer  wird. 

b)  g>  0.    Hier  kann  man  nach  (23)  setzen: 


•v=£(:v-i)*.>, 


also  mit  den  Weber'schen  Zahlen  &„  =  0,7801 .  nu.  Für 
<r=l  ist  =  2,993  =  171°,  die  kleinste  Wurzel  q  liegt 
zwischen  tt/2  und  &l  (genauer  zwischen  \n  und  Ja),  und  für 
dieselbe  ist  q^  <  0,  /a2  =  ^(n^jg2  +  q  >  9,  sodass  das 
betreffende  Glied  schon  in  1'  auf  weniger  als  0,0001  seines 
Anfangs werthes  herabsinkt.  Die  zweite  Wurzel  ist  >  n\  für 
a  >  1  sind  die  Wurzeln  noch  grösser.  Die  den  Werthen  ' 
<r  >  0  entsprechenden  Glieder  des  Ausdruckes  (A)  in  §  2 
können  daher  weggelassen  werden,  umsomehr,  als  für  o  >  0 
nach  den  GL  (18),  (11)  und  (IIa)  Aut  von  der  Ordnung  der 
ß  ist. 

Wenn  wir  also  die  Temperatur  erst  etwa  nach  Verlauf 
einer  Minute  vom  Beginn  an  betrachten,  so  wird  dieselbe 
durch  das  dem  Werth  ff«i«0  entsprechende  Glied  des 
Ausdruckes  (A)  in  §  2  dargestellt,  also  durch:  t 


(IV) 


(V2^-~)r      sin(?i0^)  1 


Da  die  Coefficienten  C«,  nach  den  Gl.  (II»)  des 

§  3  mit  e  =  ß  —  ß1  multiplicirt  sind  und  ausserdem  die  Fac- 
toren  von  e  (wenigstens  in  «j  und  u.6)  bei  den  Dimensionen 
der  Weber'schen  Versuche  sehr  klein  sind,  so  können  wir 
die  mit  diesen  Coefficienten  multiplicirten  Glieder  vernach- 

28* 


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436 


IL  Lorberg. 


lässigen;  setzen  wir  für  ai0  und  ai(i  die  Werthe  der  Gl.  (19) 
ein,  wenden  wieder  die  zu  Anfang  dieses  Paragraphen  ein- 
geführten geänderten  Bezeichnungen  an  und  setzen: 


A 


00 

xÖ 


1  + 


so  erhalten  wir  für  die  Temperatur  der  unteren  Kupferplatte, 
des  Wassers  und  der  oberen  Kupferplatte: 

sin  xqxx 


?1 


*o  \ 


cos 


sin  ?.r 


4-  (5  — — - *l  cos  q x  I 
9i  ) 


u 


3 


sin  o-  .  sin  x 
 1  cosx?t  +<?  cos? 


,  .  sin 

COSft  +  A 


iST1—  [C0S^(1-J 


+  —  sin  (1 


-*)] 


wo  7,  ^  und  jtt3  die  in  den  Gl.  (III)  und  (IIIa)>  resp.  (28) 
angegebenen  Werthe  sind,  und  wo  x  das  Verhältniss  der 
Dicke  der  unteren  Kupferplatte  zu  der  der  oberen,  .r  für 
jede  Platte  den  durch  ihre  Dicke  dividirten  Abstand  eines 
Punktes  von  ihrer  unteren  Fläche  bedeutet.  Wegen  der 
Kleinheit  der  Grössen  q1 2  =  0,00662  und  X  —  0,0001  bei  den 
Dimensionen  des  Weber'schen  Apparates  schwankt  der  letzte 
Factor  des  Ausdruckes  von  uv  während  x  von  0  bis  1  wächst, 
nur  zwischen  1  und  1  —  0,0034;  die  obere  Kupferplatte  kann 
daher  in  der  That,  wie  es  Weber  voraussetzt,  mit  grosser 
Annäherung  als  ein  isothermer  Raum  angenommen  werden. 
Von  derselben  Ordnung  ist  die  Abweichung  der  Temperatur 
der  Unterseite  der  Wasserlamelle  von  0°,  welche  letztere 
Weber  voraussetzt;  ihr  Verhältniss  zu  der  Temperatur  der 
Oberseite  ist  nämlich  nach  (IVa): 

^  sin  x  qt 

—  =3  _X_ -te^ii  =  o,0038 . 

■qx  älUq  qx 


sin  q  t 

^  *-  C08  xqx  -f  6  COS? 


sm  x  i 


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H.  Lorberg. 


437 


Die  Gleichung  für  q,  welche  Weber  aus  seinen  in  der 
Einleitung  besprochenen  Voraussetzungen  ableitet1),  lautet 
mit  unseren  Bezeichnungen: 

«V  \q     St'  ti 
während  die  Gl.  (25)  geschrieben  werden  kann: 

1     ,  .   .  [7  2        l\  h,       2  h  1 

+  !*-[(!  +  *)  fj  ^+»§]ä« 

welche  bei  Vernachlässigung  von  ä,  A,  a*/aj  mit  der  Weber'- 
sehen  Gleichung  übereinstimmt. 

§5.   Berechnung  der  Leitungsfähigkeit  des  Wassers  aus  den 

Beobachtungen  Webers. 

Weber  begann  die  Beobachtung  2J'  nach  dem  Moment, 
wo  das  aus  den  zwei  Kupferplatten  und  der  dazwischen  be- 
findlichen Wasserlamelle  bestehende  und  auf  der  Zimmer- 
temperatur befindliche  System  in  den  mit  der  Hülle  von  der 
Temperatur  0  umgebenen  Raum  gebracht  und  auf  eine  Eis- 
platte aufgesetzt  war;  nach  dieser  Zeit  sind,  wie  im  vorigen 
Paragraphen  gezeigt  wurde,  alle  Glieder  der  Ausdrücke  (A) 
des  §  3  mit  Ausnahme  des  dem  Werthe  <r  =  0,  s  =  0  ent- 
sprechenden vollkommen  unmerklich  geworden,  sodass  von 
da  an  die  Temperaturen  durch  die  Gl.  (IV)  des  vorigen 
Paragraphen  dargestellt  werden,  d.  h,  durch  Ausdrücke  von 
der  Form:        u  =  Ce-*{ ,      ux  =     <rt** , 

wo  C  und  Cj  Functionen  der  Coordinaten  sind.  Die  Tem- 
peratur Mj  eines  bestimmten  Punktes  der  oberen  Kupfer- 
platte wird  proportional  der  Galvanometerablenkung  #  ge- 
setzt (wobei  es  ganz  gleichgültig  ist,  welchen  Punkt  man  dazu 
wählt;  dass  Cx  nahezu  von  den  Coordinaten  unabhängig  ist, 
kommt  selbstverständlich  nicht  in  Betracht);  sind  dann  xn 
und  rn  +  i  die  Ablenkungen  nach  n  und  w  +  1  Minuten,  so 
folgt  aus  der  vorstehenden  Gleichung: 
M   10log.rB  -  10logTM  +  i  =  Mft*, 

1)  L  c.  p.  121. 


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438  H.  Lorberg. 

wo  M—  0,43429  der  Modul  der  dekadischen  Logarithmen  ist. 
Um  a2  direct  durch  den  so  beobachteten  Werth  von  p2  aus- 
zudrücken, benutzen  wir  die  Gl.  (III*)  des  vorigen  Paragra- 
phen, aus  welcher  folgt: 


(V)  a» 


wo  «,  q0,  N  durch  die  ÖL  (26)  und  (27)  bestimmt  sind. 

Dieser  Ausdruck  zeigt,  in  welcher  Weise  k  von  der 
beobachteten  Grösse  p.2  und  von  den  Constanten  des  Appa- 
rates abhängt.  q0  ist  von  beiden  Leitungsfähigkeiten  unab- 
hängig; bei  dem  Weber'schen  Apparate  war  a  —  0,2733, 
q02  bs  0,2501.  Die  Leitungsfähigkeit  ^  der  Metallplatten 
kommt,  ausser  in  Verbindung  mit  der  sehr  kleinen  Grösse 
Äj,  nur  im  Nenner  vor;  ein  Fehler  dk^  in  der  Bestimmung 
von      gibt  in  a2  einen  procentischen  Fehler: 

z.  B.  ein  Fehler  von  5°/0  in  *i  (so  viel  betragen  ungefähr  die 
äussersten  Abweichungen  der  verschiedenen  Bestimmungen 
der  Leitungsfähigkeit  des  Kupfers  vom  Mittel)  gibt  in  k  nur 
einen  Fehler  von  0,03°/0>  was  als  ein  besonderer  Vorzug  der 
Methode  anzusehen  ist.  Dagegen  gibt  ein  Fehler  von  n°/0 
in  der  Bestimmung  der  Grössen  jul,  £,  gj,  £,  f,  auch  einen 
Fehler  von  ungefähr  n%  in  a2.  Z.  B.  Weber  setzt  £,  =  0,8262, 
während  Wüllner1)  Jj  =  0,8079  angibt;  diese  Abweichung 
=  0,022  würde  in  a2  eine  Abweichung  0,91 .0,022.  a2 
=  0,0016  geben. 

Für  die  Dimensionen  des  Weber'schen  Apparates  ergibt 


sich  aus  (V): 

=  1  -  0,01553  .  9 


0,21836  .  p8-0,2894  •  ^  -  0,0046  .  A 

,2  —  ki_  L 


also  wenn  man      =  0,006,  £j  =  0,8262  setzt: 

0,21336  .  j*a  -  0,00174  -  0,0046  .  4 
  ü  *  1  -  0,01553  .  n* 


l)  Wüllner,  Experimentalphysik  3.  p.  286. 


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H.  Lorberg. 


439 


mithin,  wenn  man  =  0,39556  nimmt,  welcher  Werth  sich, 
wie  ich  im  folgenden  Paragraphen  zeigen  werde,  aus  einer 
der  Weber'schen  Beobachtungsreihen  als  der  wahrscheinlich- 
ste ergibt,  und  J  =  1  setzt: 

(29)  k  =  0,08317  -  0,0046  .  A, 

und  zwar  folgt  aus  dem  im  folgenden  Paragraphen  sich  her- 
ausstellenden mittleren  Fehler  Ton  ju2  in  k  ein  mittlerer 
Fehler  =  0,00014.  Die  Weber'sche  Gleichung  (ce)  zu  Ende 
des  vorigen  Paragraphen  würde  an  Stelle  der  GL  (V),  wenn 
wir  mit  Weber  Ii  vernachlässigen,  geben: 

h  =  5t1 "  *v  (t +  t)  !;] =  0,21336  •  ^  "  0,2394  * !  =0>08266> 

also  einen  nur  ganz  unbedeutend  abweichenden  Werth;  da- 
gegen nimmt  Weber  infolge  einer  anderen  Berechnungsweise 
seiner  Beobachtungen  (vgl.  §  6)  ju*  =  0,3680 l)  und  erhält 
daraus  k  —  0,0768,  als  Mittel  aus  mehreren  Beobachtungs- 
reihen k  =  0,0745. 

Weber  hat  noch  eine  zweite  Beobachtungsreihe  ver- 
öffentlicht, bei  welcher  die  Unterseite  der  unteren  Kupfer- 
platte sowie  die  das  System  umgebende  Hülle  auf  der  con- 
stanten  Temperatur  18,5°  erhalten  wurde.  Für  Wasser  kann 
man  nach  Kopp2)  für  eine  Temperatur  u  zwischen  0 
und  25°: 

|  =  1  +  6.10-6«-  77.10-7m2, 
und  nach  Regnault: 

£  =  1  +  4.  10-5k  +  9.  10~7  U2f 

also:         4-  =  7?f  =  1  +  0,00010 .  u  -  7  . K)-««2 

setzen;  ferner  für  Kupfer  nach  Fizeau3): 

§-=  1-5.10-»«, 
und  nach  Bede4): 


1)  1.  c.  p.  308. 

2)  Wüllner,  Experimentalphysik  3.  p.  71. 

3)  Wüllner,  Experimentalph.  3.  p.  35. 

4)  Wüllner,  Experimentalph.  8.  p.  476. 


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440  H.  Lorberg. 

&  «  1  +  51.10-"'//.       also:      A  =  1  +  46.10-5w. 
Darnach  ist  für  18°: 

üü  =  1  -36.10-5. 18-  7.10-".  182  =  1  -  0.00875. 

«0 

was,  da:  du  =  %i^  =  0,2286 ^  _  -0,0020  ist, 

die  für  18°  geltenden  Werths: 

a  =  0,2709,         q02  =  0,2481 
gibt.    Mit  diesen  Werthen  erhält  man: 

0,21508  .  i4 58  -  0,2415  .  ^  -  0,0046  .  4 

a*  —  n  »_  , 

18  1  -  0,01552.^4» 

also  für  7^  =  0,000,  £=  0,8345,  0,9995,  p*  =  0,42877. 
welcher  letztere  Werth  sich  nach  dem  folgenden  Paragra- 
phen aus  den  Beobachtungen  als  der  wahrscheinlichste  ergibt: 
(30)  =  0,09108  -  0,0046. Ä. 

Weber1)  nimmt  ju2  =  0,4085,  woraus  sich  k  =  0,0867. 
oder  als  Mittel  aus  mehreren  Beobachtungsreihen2)  k=  0,0857 
ergibt. 

Für  welchen  Punkt  des  in  der  ersten  Beobachtungsreihe 
für  die  Kupferplatte  von  15°  bis  4°,  in  der  zweiten  von  36° 
bis  22°  gehenden  Temperaturintervalles  diese  Werthe  von 
k  und  eigentlich  gelten,  lässt  sich  natürlich  nicht  ent- 
scheiden; da  aber,  wie  ich  im  folgenden  Paragraphen  zeigen 
werde,  die  Beobachtungen  keine  deutliche  Aenderung  von  k 
mit  der  Temperatur  während  einer  Beobachtungsreihe  erge- 
ben, so  erscheint  es  ebenso  begründet  —  oder,  wenn  man 
will,  ebenso  unbegründet  — ,  diese  Werthe  für  die  Tempe- 
ratur 0  und  18,5°  gültig  anzunehmen,  als  für  eine  ideale 
Mitteltemperatur  der  Wasserlamelle,  welche  sich  aus  den  in 
den  verschiedenen  Punkten  und  zu  den  verschiedenen  Zeiten 
stattfindenden  Temperaturen  mittelst  der  Gl.  (IV»)  des  §  4 
berechnen  lässt,  und  welche  für  die  erste  Beobachtungsreihe 
=  3,88  l,  für  die  zweite  =23,2°  sein  würde.  Bei  der  ersten 
Berechnungsart  ergibt  sich,  wenn  man: 

=  1  +  au  =1  +  a.  18,5  setzt,  et  =  0,00516; 
1)  L  c.  p.  319.         2)  L  c.  p.  320. 


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H.  Lorbery. 


441 


bei  der  zweiten  aus: 

^  =  14-19,3.«,       «  =  0,00494. 

^3.88 

Mit  dem  Werthe  «  =  0,00494  würde  kw  =  0,08280  (1  +  36.«) 
=  0,09737  folgen,  während  Lundquist1)  bei  einer  Mittel- 
temperatur von  38  bis  43°  k  =  0,0908  bis  0,0955  fand;  in- 
dessen kann  die  vorstehende  Berechnung  von  «  aus  den  zwei 
Weber'schen  Beobachtungsreihen  nur  als  ein  ganz  roher 
Näherungswerth  angesehen  werden. 

§6.  Berechnung  von  u-  aus  den  Weber'schen  Beobachtungen. 
Abhängigkeit  der  Leitungsfähigkeit   des  Wassers  von  der 

Temperatur. 

Es  bleibt  jetzt  noch  die  Art  zu  besprechen,  wie  der  Ex- 
ponent u2  der  Gl.  (V)  aus  den  Weber'schen  Beobachtungen 
zu  berechnen  ist.  Weber  hat  für  Wasser  nur  eine  Beob- 
achtungsreihe bei  einer  Temperatur  der  Umgebung  von  0° 
und  eine  solche  für  eine  Temperatur  von  18,5°  vollständig 
mitgetheilt;  ich  gebe  die  erstere  in  Tab.  I  a.  f.  S.  wieder.  Die 
erste  Columne  enthält  die  Nummer  der  Beobachtung  für  eine 
Zwischenzeit  von  10  zu  10  Secunden;  diezweite  den  10\ogx„. 
wo  xn  die  beobachtete  Galvanometerablenkung;  die  dritte 
die  Differenz  An  je  zweier  successiven  Logarithmen;  die 
vierte  die  Abweichungen  der  An  vom  Mittelwerthe  ^  (log  x0 
~  log^Vt)  =  0,02668;  die  fünfte  die  von  Weber  zur  Berech- 
nung von  u2  benutzten  Werthe  von  log;rH  —  L)garÄ+0. 

Nach  Gl.  (a)  des  §  5  sollten  nun  die  Zahlen  der  dritten 
Columne  constant  =J3/u2  sein,  ebenso  die  der  fünften 
=  Mu2\  aus  den  Abweichungen  derselben  vom  Mittelwerthe 
schliesst  Weber  auf  eine  Zunahme  der  Leitungsfähigkeit 
mit  der  Temperatur.  Nun  zeigt  sich  allerdings  eine  Ab- 
nahme der  Werthe  von  An  in  den  Zahlen  der  letzten  Co- 
lumne, welche  die  Summe  von  je  sechs  successiven  Werthen 
von  An  sind;  noch  deutlicher  ist  diese  Abnahme  beim  Ben- 
zin, für  welches  Weber  ebenfalls  eine  vollständige  Beobach- 
tungsreihe mittheilt.  Indessen  lehrt  ein  Blick  auf  die  Zahlen 

1)  Lundquist,  Upsala  Universitets  Arsskrift,  1869. 


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442 


H.  Lorberg. 


Tabelle  I. 


10log  *« 

Ii  Xn 
log  

*rn+l 

** 
log  — 

•Si-f-6 

0 

2,42o70 

0,02o51 

-0,00117 

0,16611 

1 

40019 

02838 

+ 

170 

16o67 

2 

37181 

02958 

+ 

290 

16579 

3 

34223 

02o63 

— 

105 

16354 

4 

3lb60 

02969 

+ 

303 

16248 

5 

28691 

AA  H  O 

02*32 

+ 

064 

16208 

6 

259o9 

02o07 

161 

16199 

7 

234o2 

02SoO 

182 

16337 

8 

20602 

02i33 

+ 

065 

16031 

9 

17869 

0245 1 

— 

211 

15916 

10 

15412 

02929 

261 

1 6024 

11 

12483 

02723 

055 

15822 

12 

09760 

02640 

— 

028 

15609 

13 

07H5 

02544 

124 

lo628 

14 

04o71 

02618 

050 

15529 

lo 

019o3 

02565 

103 

lo265 

16 

1,99388 

02727 

+ 

059 

15o02 

17 

96661 

02510 

158 

15571 

18 

94151 

02664 

004 

15618 

1  o 

Q1  AQ.1 
V 140  < 

223 

0,15980 

20 

89042 

02354 

317 

21 

86688 

02802 

+ 

134 

22 

83886 

02796 

+ 

128 

23 

81090 

02557 

111 

24 

78533 

0,02668 

Tabelle!!. 


10 


log 


10 


log 


xn~rn+12 


0,17507 

0,17517 

17068 

17414 

17784 

17539 

17327 

17365 

16745 

16935 

17072 

16800 

17532 

16743 

17938 

17173 

0,17187 

17422 

17216 

16399 

15589 

0,17136 

der  vierten  Columne,  dass  beim  Wasser  diese  Abweichungen 
durchaus  keinen  regelmässigen  Gang  befolgen,  den  man  durch 
einen  mathematischen  Ausdruck  darzustellen  hoffen  könnte. 
Dessenungeachtet  habe  ich  die  Theorie  unter  der  Annahme 
durchgeführt,  dass  A,  £,  Äp  fx  Functionen  der  Temperatur 
sind,  und  zwar  k  und  J  quadratische  Functionen,  da  es  nach 
dem  sonstigen  Verhalten  des  Wassers  nicht  wahrscheinlich 
ist,  dass  k  sich  durch  eine  lineare  Function  der  Temperatur 
genügend  darstellen  lassen  sollte,  wie  dies  ja  von  £  durch 
die  Beobachtung  constatirt  ist.  Man  erhält  unter  dieser  An- 
nahme nach  einer  Zeit,  nach  welcher  sich  bei  Voraussetzung 
der  Constanz  jener  Grössen  ux  (und  ebenso  u)  durch  einen 
Ausdruck  von  der  Form: 

(a')  i^^Ae-t*1 

darstellen  lassen  würde,  jetzt  einen  Ausdruck  von  der  Form: 


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Ä  Lorberg.  44$ 

wo,  wenn  man: 

(b)  ä  =  Ä0  (1  ^.au  +  ßu1) 

setzt  und  für  die  Temperaturcoefficienten  von  Ax,  f,  ^  die 
in  §  5,  p.  440  angegebenen  Werthe  nimmt,  für  die  Punkte 
der  oberen  Fläche  der  oberen  Kupferplatte,  deren  Tempe- 
ratur beobachtet  wurde: 

|  «  =  0,0125  -  6,4450.«, 

(C)    {  b  -  -  0,0007  +  0,3403 .  a  +  28,730 .  a*  -  74,180 .  /? 

ist.  Der  Versuch,  nach  der  Formel  (a)  die  Weber'schen  Be- 
obachtungen mittelst  der  Methode  der  kleinsten  Quadrate 
zu  berechnen,  hat  indessen  das  im  voraus  erwartete  Resultat 
bestätigt,  dass  die  Genauigkeit  der  Beobachtungen  nicht  hin- 
reicht, um  eine  solche  Berechnung  —  wenigstens  auf  Grund 
der  einzigen  vorliegenden  Beobachtungsreihe  —  zu  lohnen»- 
weshalb  ich  die  betreffenden  Rechnungen  hier  unterdrücke. 
Eine  ungefähre  Schätzung  des  Einflusses  der  Veränderlich- 
keit jener  Grössen  erhält  man,  wenn  man  für  a  den  oben 
aus  k0  und  Äj8  gefundenen  Werth  0,00516  oder  0,00494,  oder 
den  Mittelwerth  0,005  nimmt  und  ß  vernachlässigt;  dies  gibt- 

a  wm  —0,0197,       b  =  0,0007,  wodurch  aus  (a)  folgt: 

—  „  n   —  * 


10 log  ^  -i>V=l0g 

•r»+6 


0,00643  c    6    -  0,00038  e 


—     -  H   —  jj 

1  -  0,01237  e    6    +  0,00032  e  6 


Hiernach  nimmt,  wenn  n  von  0  bis  18  wächst,  hn  dem  Zahlen- 
werthe  nach  beständig  ab  von  —  0,00267  bis  —  0,00085,  ist 
also  viel  kleiner  als  die  beobachteten  Abweichungen  der 
Werthe  von  hn  voneinander,  welche  nach  der  fünften  Columne 
von  Tab.  I  bis  auf  0,014  gehen,  und  erhebt  sich  schwerlich 
viel  über  die  Grenzen  der  Beobachtungsfehler;  denn  einem 
Ablesungsfehler  dxn  entspricht  in  /*„  ein  möglicher  Fehler: 

Md*J±-+^  -)  =  3/(1  +eS)dxr«  =  1,08^", 

also  für  deji  grössten  Werth  xn  —  266  ein  Fehler  0,004  dxm 
für  den  kleinsten  xn  =  87  ein  Fehler  0,012  dxn,  also  ein 


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444 


H.  Lorberg, 


Fehler,  welcher,  wenn  man  einen  Ablesungsfehler  d.rn  —  0,4 
Scalentheile  als  möglich  annimmt,  zwischen  0,0016  und  0,0048 
schwankt.  Ausserdem  folgt  aus  den  in  (c)  angegebenen  Werthen, 
unabhängig  von  der  obigen,  immerhin  unsicheren  Annahme 
über  den  Werth  von  a,  dass,  wenn  u>  0,0023  ist,  hn  mit 
wachsendem  n  wächst  und  nicht,  wie  "Weber  aus  den  Zahlen 
der  fünften  Columne  von  Tab.  I  schliesst,  abnimmt. 

Wenn  demnach  die  Veränderlichkeit  der  Grössen  k1  f, 
kl9  £x  mit  der  Temperatur  nicht  hinreicht,  die  in  der  vor- 
stehenden Tabelle  hervortretenden  Unregelmässigkeiten  zu 
erklären,  so  handelt  es  sich  darum,  eine  andere  Erklärung 
aufzufinden.  Eine  solche  —  wenigstens  für  den  grössten 
Theil  der  erwähnten  Unregelmässigkeiten  —  glaube  ich  im 
folgenden,  schon  in  der  Einleitung  berührten  Umstände  nach- 
weisen zu  können.  Das  System  der  zwei  Kupferplatten  und 
der  dazwischen  befindlichen  Wasserlamelle  wurde  in  einem 
bestimmten  Moment  auf  eine  Eisplatte  herabgelassen  und 
sofort  mit  einer  „dauernd  auf  0°  abgekühlten"  cylindrischen 
Kappe  von  Kupferblech  umgeben.  Dass  nun  dabei,  wie 
Weber  annimmt,  die  Hülle  wirklich  von  Beginn  der  Beob- 
achtungen an  die  Temperatur  0°  haben  sollte,  ist  schwerlich 
zu  verbürgen;  bezeichnen  wir  demnach  mit  &  die  Tempera- 
tur der  Hülle,  mit  —  r0  den  constanten  Temperaturüberschuss 
der  Unterseite  der  unteren  Kupferplatte  über  die  Tempera- 
tur der  Umgebung,  mit  —  Tj  den  daraus  resultirenden  sta- 
tionären Temperaturüberschuss  der  oberen  Kupferplatte,  so 
ist  der  wirkliche  Temperaturüberschuss  dieser  Platte  über 
0°  (von  welchem  man  annehmen  kann,  dass  er  in  der  That 
beobachtet  wurde1),  da  die  zweite  Löthstelle  des  Thermoele- 
ments durch  Eis  dauernd  auf  0°  erhalten  wurde): 

u  =  {r  -  r,  +  U, 
wo  U—Ae-f*  der  in  §  4  bestimmte  Ausdruck  ist;  setzen 
wir  also  die  (jedenfalls  positive)  Temperatur  &  —  r1  =  Ty  so 
tritt  an  Stelle  der  GL  (a'j  die  folgende: 

u  =  t  +  Aer-f**, 
oder,  wenn  wir  an  Stelle  der  Temperaturen  die  proportio- 
nalen Galvanometerausschläge  setzen:  . 

1)  Vgl.  Weber,  I.e.  p.  124. 


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II.  Lorberg. 


445 


(1) 


x  =  s  -f  Ae-^'. 


Dabei  kann  0"  und  somit  auch  r  eine  Function  der  Zeit 
sein ;  wir  werden  indess  annehmen  dürfen,  dass  zur  Zeit  des 
Beginnes  der  Beobachtungen  r  oder  s  schon  als  constant 
betrachtet  werden  kann.  Aus  der  Gl.  (1)  folgt  nun,  wenn 
n  die  Ordnungszahl  der  von  10  zu  lOSecunden  ausgeführten 
Beobachtungen  ist: 


oder,  da  jedenfalls  (s/A)2  vernachlässigt  werden  kann: 


es  nimmt  also  in  der  That,  wie  es  die  Zahlen  der  fünften 
Columne  in  Tab.  I  zeigen,  .r„/.r,l+6  mit  wachsendem  n  ab. 

Um  nun  zunächst  einen  Näherungswerth  von  /a2  zu  be- 
rechnen, leiten  wir  aus  (1)  die  Gleichung  ab: 

(2)  _Xn~*n+*  =g£» 

Nach  dieser  Gleichung  habe  ich  in  Tab.  II  p.  442  aus 
den  in  Tab.  I  angegebenen  Werthen  von  xn  dieWerthe  von: 


10  log  — "    J'n+6-  =         und  log  - *■  -*"+!?-  =  Mfx2 


berechnet;  dass  dieselben  noch  mehr  als  die  Werthe  von 
\ogxn/xn+6  von  derConstanz  abweichen,  ist  nicht  zu  verwun- 
dern, da  ein  Ablesungsfehler  dxn  einen  Fehler  M(dxnjxn)  in 
10logr„,  dagegen  einen  Fehler  Mfh'nj(xn—xn+v)  in  log  (.*•„— rn+v) 
gibt;  ein  Ablesungsfehler  dxH  =  0,4  Scalentheile  würde  in  den 
letzten  Werthen  von  logj-,,  —  xn+6  j  xn+fi  —  .rn+i2  einen  Fehler 
=  0,011  zur  Folge  haben.  Jedenfalls  zeigt  sich  in  diesen 
Zahlen  keine  Spur  eines  gesetzmässigen  Ganges  mehr.  Das 
Mittel  aus  den  beiden  in  Tab.  II  angegebenen  Mitteln  ist 
Myfi  =  0,17161,  woraus  fi2  =  0,3951. 


(»+«) 


'rn+Q 


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446  U.  Lorberg. 

Weiter  folgt  aus  (1)  die  Gleichung: 

(8) 


*»+"  ~  S  _    ~  6  V 


woraus: 


*„-« 


(4) 


,         ~  6  V 


Mit  dem  Werthe  p2  =  0,3951  ergeben  sich  nun  die  in 
Tab.  III  aufgeführten  Werthe  von: 

gn  =  *n+e  -  e-fxn  =  (1  -  5 
und         -  .r,4+12  -  <?-  Vi,  =  (1  -  tr**)  s. 


Tabelle  HL 


Tabelle  IV. 


9n 

9n 

*. 

K 

K- 

-  M?* 

K- 

0 

2,3 

4,3 

0,17262 

0,17202 

+  0,00078 

+  0,00028 

1 

2,3 

3,8 

17258 

17304 

+ 

74 

+ 

130 

2 

2,1 

4,3 

17318 

17207 

+ 

134 

+ 

33 

3 

2,8 
3,0 

4,8 

17135 

17089 

49 

85 

4 

4,5 

17050 

17140 

134 

34 

5 

2,9 

4,8 

17091 

17095 

93 

79 

6 

2,7 

4,9 

17142 

17048 

42 

126 

7 

2,2 

4,3 

17351 

17209 

167 

+ 

95 

8 

2,9 

4,8 

17093 

17073 

91 

101 

9 

3,0 

5,1 

17042 

16951 

142 

223 

10 

2,5 

4,3 

17231 

17234 

+ 

47 

60 

11 

2,8 

4,2 

17099 

17291 

85 

+ 

117 

12 

3,1 

4,2 

16955 

17289 

229 

+ 

115 

13 
14 

2,8 
2,9 

17067 
17053 

117 
131 

4,5 

0,17163 

15 

3,1 

s  =  8,24 

16860 

0,17174 

324 

16 

2,6 

17238 

+ 

54 

17 

2,3 

17433 

+ 

249 

18 

2,1 

17623 

+ 

439 

2,7 

0,17184 

s  =8,27 

0,17184 

Aus  den  Mittelwerthen  der  Tab.  III  ergibt  sich: 

*=7T^  =  75-  =  8'27  «•  «  =  fj^  =  i  =  8-24; 

nehmen  wir  den  Mittelwerth  s— 8,25,  so  folgt,  da  der  Reduc- 
tionsfactor  der  beobachteten  Galvanometerausschläge  auf 
Temperaturen  =  ^  ist,  x  =  &  —  tx  0,5°,  ein  wohl  kaum  als 
unwahrscheinlich  zu  bezeichnender  Werth.  Liesse  sich  der 
Ausdruck  gn  =  xn+v  —  e-^  ^vxn  durch  die  Gl.  (a),  d.  h.  durch: 


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H.  Lorberg.  447 

xn  =  Ae    6    (l+ae    6   +  be     6  ) 
darstellen,  so  mtisste: 

gn=-Ae   «\\-e    »v)e    3"  a  +  b(l+e  •  j 

sein ,  es  müsste  also  je  nach  den  Werthen  der  sehr  kleinen 
Constanten  a  und  b  gn  mit  wachsendem  n  entweder  beständig 
zunehmen  (dies  würde  unter  der  wahrscheinlichen  Voraus- 
setzung a  >  0,0023  stattfinden)  oder  beständig  abnehmen 
oder  ein  einziges  Maximum  oder  Minimum  haben;  von  allem 
diesem  zeigen  die  vorstehenden  Werthe  von  gn  und  gn  keine 
Spur,  sondern  dieselben  sind  constant  innerhalb  der  vermuth- 
lichen  Grenzen  der  Beobachtungsfehler,  welche  bei  der  ersten 
Reihe  =  (1  +  <?--<"*)  dx  =  1,7  dxn,  also,  wenn  wir  dxn  =  0,4 
setzen,  =  0,7  angenommen  werden  können. 

Mit  dem  Werthe  s  =  8,25  ergeben  sich  nun  die  in  Tab.  IV 
a.  v.  S.  aufgeführten  Werthe  von: 

hn  = 10 log  =        und  ä;=  £  "log  =  MfjL2, 

*n-f-8    *  xn  +  12  s 

deren  Mittel  0,17184  und  0,17163  sind.  Die  dritte  und 
vierte  Columne  enthalten  die  Abweichungen  von  den  (in  der 
gleich  anzugebenden  Weise  berechneten)  Mittelwerthen  0,17184 
und  0,17174;  dieselben  sind,  wie  man  sieht,  bedeutend  klei- 
ner als  bei  den  Werthen  von  \ogxn/xn+G  der  Tab.  I,  im 
Maximum,  wenn  wir  die  vier  letzten  Beobachtungen,  bei 
denen  wegen  der  Kleinheit  von  xn  die  Beobachtungsfehler 
einen  bedeutenden  Einfluss  haben,  ausschliessen ,  bei  hn 
0,00229,  bei  h'n  0,00130;  sie  gehen  also  schwerlich  über  die 
Grenzen  der  Beobachtungsfehler  hinaus,  welche,  wie  schon 
oben  angegeben,  wenn  man  einen  Ablesungsfehler  von  0.4 
Scalentheilen  als  möglich  annimmt,  bis  auf  0,0048  gehen 
können.  Jedenfalls  ist  hier  jede  Spur  einer  gesetzmässigen 
Zu-  oder  Abnahme  mit  der  Zeit  verschwunden. 

Um  aus  hn  und  h'n  genauere  Werthe  von  Mp2  zu  erhal- 
ten, ist  es  nicht  rationell,  einfach  das  Mittel  zu  nehmen; 
einmal  weil  dabei  das  Gewicht  jeder  einzelnen  Beobachtung 
nicht  berücksichtigt  wird,  welches  =  S2n  gesetzt  werden  kann, 


448 


H.  Lorberg. 


wenn  S  =  e-U*ve  ist,  worin  für  (u3  der  erste  Näher ungswerth 
0,3951  genommen  werden  kann;  und  zweitens,  weil  in: 

18  5  24 

2  [los  (•'«-  *)  -  lo&    -  *)]  =2 log  " s)  ~2  los  (*»- s) 

0  0  19 

die  mittleren  Beobachtungen  von  n  =  6  bis  w  =  18  heraus- 
fallen würden.  Sondern  nach  den  Principien  der  Methode 
der  kleinsten  Quadrate  hat  man  die  Gleichung  Mfi2  =  ä«. 
mit  Sn  zu  multipliciren ,  wodurch  sich  die  (allerdings  von 
den  gewöhnlichen  Mittelwerthen  kaum  abweichenden)  Werthe 
ergeben: 

=  =  0,17184,      Mp*  =  ~  0,17174 . 

(Die  Methode  der  kleinsten  Quadrate  würde  eigentlich  eine 
gleichzeitige  Berechnung  der  drei  Unbekannten  fi2,  s  und  A 
in  Gl.  (1)  verlangen;  ich  habe  indessen  gefunden,  dass  eine 
solche  Berechnung  keine  genauere  Uebereinstimmung  gibt, 
weil  dabei  in  den  Coefhcienten  die  Grösse  jw2  vorkommt,  für 
welche  doch  ein  Näherungswerth  gesetzt  werden  müsste.) 
Der  mittlere  Fehler  der  ersten  Bestimmung  ergibt  sich 
=  0,00030,  der  der  zweiten  =0,00028,  woraus  ein  mittlerer 
Ablesungsfehler  von  0,195,  resp.  0,196  Scalentheilen  folgt. 
Die  gewiss  durchaus  zulässige  Grösse  dieses  Ablesungsfehlers 
ist  ein  Beweis,  dass  die  Abweichungen  der  einzelnen  Werthe 
von  Mfi2  sich  in  der  That  vollständig  aus  Beobachtungs- 
fehlern erklären  lassen,  dass  also  eine  Abhängigkeit 
der  Leitungsfähigkeit  des  Wassers  von  der  Tem- 
peratur aus  den  Weber'schen  Beobachtungen  sich 
nicht  constatiren,  geschweige  berechnen  lässt. 

Aus  dem  Mittel  Mp2  =  0,17179  der  zwei  vorstehenden 
Werthe  ergibt  sich  als  wahrscheinlichster  Werth: 

j/2=  0,39556,  mit  einem  mittleren  Fehler  =  0'0™-  =  0,00067. 

Dieser  Werth  weicht  beträchtlich  von  dem  Mittelwerthe  Mfi2 
—  0,15980  der  fünften  Columne  von  Tab.  I  ab,  noch  mehr 
von  dem  Werthe  0,15619,  welchen  Weber1)  als  Mittel  aus 


l)  L  c.  p.  312. 


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H.  Lorberg. 


449 


sämmtlichen  Beobachtungsreihen  ableitet  und  zur  Berech- 
nung von  k  benutzt. 

Die  zweite  von  Weber  vollständig  mitgetheilte  Beob- 
achtungsreihe für  Wasser  wurde  bei  einer  Temperatur  der 
Umgebung  von  18,5°  angestellt.  Für  diese  erhalten  wir  die 
in  Tab.  V  angegebenen  Werthe  der  in  Gl.  (2)  vorkommen- 
den Quotienten,  wobei  wieder  n  die  Ordnungszahl  der  von 
15  zu  15  Secunden  angestellten  Beobachtungen  bezeichnet 

Tabelle  V. 


0 

2,39252 

0,18677 

1 

34928 

19774 

2 

30060 

18226 

3 

25624 

18758 

4 

21085 

17966 

5 

16554 

18011 

6 

12189 

18400 

7 

07591 

8 

03181 

0,18544 

9 

1,98900 

10 

94498 

11 

89927 

12 

85309 

13 

81425 

14 

77159 

Tabelle  VI. 


9n 

9n 

0 

1,51 

2,40 

1 

1,67 

2,42 

2 

2,12 

2,40 

3 

1,47 

2,61 

4 

1,64 

2,54 

5 

2,04 

2,32 

6 

1,77 

1,59 

7 

1,64 

2,49 

8 

1,14 

2,45 

9 

1,63 

10 

1,65 

2,36 

s  =  4,98 

1,66 

I  =  4,77 

0,18396 
19081 
18315 

0,18597 


0,18926 
19385 
18178 
18270 
18554 
18134 

0,18574 


Tabelle  VII. 


o 
l 

2 
3 
4 
5 
6 
7 
8 
9 
10 


i 


0,18626 
18889 
18396 
18661 
18599 
18415 
18573 
18610 
18940 
18629 
18612 

0,18632 
0,18633 


0,18612 
18652 
18484 
18635 
18769 
18522 
18592 

0,18609 
0,18609 


Ann.  d.  Phys.  u.  Chem.  N.  P.  XIV. 


29 


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450 


H.  Kayser. 


Mit  dem  Mittelwerth  Mfi2  =  0,18572  der  drei  darunter- 
stehenden  Mittel  ergeben  sich,  entsprechend  der  Gl.  (4), 
die  in  Tab.  VI  aufgeführten  Werthe  von: 

<7„  =  xn  +  4  -  <r-*zn  -  s(l  -  er*) 

und  g'n  =  zn+6  -  *   2 "  *n  =  5  (1  -  e   2 " ), 
woraus  5  =  4,77  und  s  =  4,98.    Mit  dem  Mittelwerthe  5  =  4,9 
sind  in  Tab.  VII  die  Werthe  von: 

hn  =  l0g-^L^  =  Mp*  und  kf9  =  Jlog-^-,  = 

berechnet,  deren  Mittel  0,18632  und  0,18609  sind;  die  in  der 
oben  angegebenen  Weise  nach  der  Methode  der  kleinsten 
Quadrate  berechneten  Mittel  sind  0,18633  und  0,18609.  Aus 
dem  Mittel  dieser  zwei  Werthe  M\i2  =  0,18621  ergibt  sich 
schliesslich  als  der  wahrscheinlichste  Werth: 

=  0,42877. 

Strassburg,  10.  März  1881. 


IV.    lieber  die  Verdichtung  von  Gasen 
an  Oberflächen  in  ihrer  Abhängigkeit  von  Druck 
und  Temperatur;  von  Heinrich  Kayser. 

Zweiter  Theil. 


In  dem  ersten  Theile  dieser  Arbeit1)  habe  ich  die  Ver- 
dichtung der  Gase  durch  die  Kohle  untersucht.2)   Ich  habe 

1)  H.  Kayser,  Wied.  Ann.  12.  p.  526-537.  1881. 

2)  Hr.  Chappuis  hat  mir  brieflich  raitgetheilt,  dass  er  das  spec. 
Gewicht  der  Kohle  etwa  gleich  1,5  gefunden  hat,  während  meine  An- 
gaben in  Uebereinstimmung  mit  denen  von  Saussure  um  0,51  schwan- 
ken. In  der  That  sinkt  luftleere  Buehsbaumkohle  im  Wasser  unter,  und 
ich  habe  bei  Wägung  im  Wasser  das  spec.  Gewicht  um  1,4  liegend  ge- 
funden. Es  sind  demnach  bei  einem  Cubikcentimeter  Kohle  höchstens 
0,38  ccm  von  Kohlensubstanz  erfüllt,  der  übrige  Raum  von  0,62  ccm  ist 
von  Poren  eingenommen.  Die  in  dem  ersten  Theile  der  Arbeit  gegebe- 
nen Zahlen  bleiben  daher  noch  gültig,  wenn  man  überall  noch  0,62  sub- 
trahirt,  nur  stellen  sie  die  von  1  ccm  Kohle  (nicht  Kohlensubstanz)  adsor- 


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H.  Kayser. 


451 


die  Erscheinungen  nach  einem  Vorschlage  von  Herrn  E. 
du  Bois-B-eymond  als  Adsorptionserscheinungen  be- 
zeichnet, während  sie  gewöhnlich  Absorption  genannt  und 
somit  zusammengeworfen  werden  mit  der  Absorption  der 
Gase  durch  Flüssigkeiten  oder  auch  mit  der  Absorption  der 
Wärme,  des  Lichts.  Bei  allen  diesen  Absorptionserschei- 
nungen hat  man  es  mit  Vorgängen  zu  thun,  welche  sich  in 
den  Zwischenräumen  der  Molecüle  der  Körper  abspielen. 
Die  Adsorptionserscheinungen  dagegen  gehen  nicht  zwi- 
schen den  Molecülen,  sondern  an  freien  Körperoberflächen 
vor  sich  und  sind  durchaus  nicht  von  der  Grössenordnung 
molecularer  Abstände,  wie  die  im  Folgenden  anzugebenden 
Versuche  gezeigt  haben.  Mir  erscheint  daher  die  Einfüh- 
rung eines  besonderen  Namens  für  die  ihrem  Wesen  nach 
so  anderen  Vorgänge  durchaus  gerechtfertigt. 

Nach  Beendigung  der  Versuche  mit  Kohle  wandte  ich 
mich  zur  Untersuchung  der  Adsorption  an  Glasflächen. 

Den  wichtigen  Schritt  von  porösen  Körpern  mit  unbe- 
kannter Oberfläche  zu  Bündeln  von  Glasfäden  mit  bekannter 
Oberfläche  hat  Magnus1)  gemacht.  Die  adsorbirten  Gas- 
mengen sind  so  klein,  dass  man  Messungen  nur  an  grossen 
Oberflächen  anstellen  kann,  und  da  war  die  Benutzung  von 
Glasfäden,  allenfalls  auch  noch  von  Mikroskopdeckgläschen 


birte  Gasmenge  dar.  Wesentlich  geändert  wird  dagegen  der  Vergleich 
der  Resultate  von  Joulin,  Chappuis  und  mir:  es  werden  von  22,5  g 
Kolde  bei  19°  adsorbirt  folgende  Grasmengen,  diese  reducirt  auf  0°  und 
760  min: 


Druck 

100 

200 

300 

400 

500 

600 

700 

|  w>    Kayser  . 
1  |  Chappuis 
Joulin  .  . 

220 
250 
280 

370 
450 

530 

470 
580 
700 

560 
680 
790 

610 
760 
870 

660 
820 
950 

730 
870 
1000 

Die  Zahlen  werden  einander  ähnlicher,  PfafFenkappelkohle  steht  in  der 
Mitte  zwischen  Buchsbaum  und  Erle,  und  zwar  adsorbirt  die  dichteste 
Kohle  am  wenigsten,  die  lockerste  am  meisten  Gas,  was  ich  gleich  hier 
hervorheben  will. 

1)  Magnus,  Pogg.  Ann.  89.  p.  604.  1853. 

29* 


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der  einzige  mögliche  Weg.  Derselbe  ist  dann  auch  später 
von  Fr.  Weber1)  und  Chappuis2)  eingeschlagen  worden. 

Weber  glaubte  aus  seinen  Zahlen  ein  Gesetz  ableiten 
zu  können  (welches  indessen  falsch  ist),  nämlich,  dass  die 
Mengen  der  verdichteten  Gase  proportional  der  Wurzel  aus 
ihrer  Dichte  seien.  0.  E.  Meyer3)  hat  sogar  auf  diese  An- 
gabe hin  eine  Theorie  der  Adsorption  zu  entwickeln  ge- 
sucht. 

Leider  hat  Weber  seine  Versuche  nie  publicirt,  sodass 
man  sich  selbst  kein  Urtheil  über  dieselben  bilden  kann. 

Das  Glas  wurde  zu  meinen  Versuchen  auf  ein  grosses, 
4  m  im  Umfang  haltendes  Rad  gesponnen,  welches  sehr  schwer 
war,  um  die  Umdrehungsgeschwindigkeit,  von  welcher  die 
Dicke  des  Fadens  wesentlich  abhängt,  möglichst  constant  zu 
halten.  Das  Rad  wurde  entweder  von  einem  Gasmotor  oder 
mit  der  Hand  gedreht;  an  seiner  Axe  war  ein  Tourenzähler 
angebracht,  welcher  die  Zahl  der  gemachten  Umdrehungen 
und  damit  die  Länge  des  Fadens  angab.  Glaubte  ich,  genug 
Fäden  zu  haben,  so  wurde  das  ganze  Bündel  vom  Rade  ab- 
genommen, in  etwa  12  cm  lange  Stücke  zerschnitten  und  ge- 
wogen. Ich  benutzte  durchweg  Thüringer  Glas  mit  dem  spec. 
Gewicht  2,45.  Aus  der  Länge,  dem  wirklichen  Gewicht  der 
Fäden  und  dem  spec.  Gewicht  Hess  sich  der  mittlere  Quer- 
schnitt und  damit  die  Oberfläche  der  Fäden  berechnen.  Um 
zu  ermitteln,  ob  der  Querschnitt  in  der  That  gleichmässig 
genug  ist,  um  ihn  aus  einer  Gesammtwägung  zu  bestimmen, 
habe  ich  einige  mal  kürzere  Stücke,  100  bis  200  Um- 
drehungen, einzeln  gewogen  und  mich  Überzeugt,  dass  die 
Gewichtsdifferenzen  für  gleiche  Längen  noch  nicht  0,5% 
betrugen.  Natürlich  gilt  das  nur  für  das  in  einer  Sitzung 
gesponnene  Glas,  während  an  verschiedenen  Tagen,  wo  die 
Gebläseflamme  anders  regulirt,  auch  die  Radgeschwindigkeit 
eine  andere  ist,  erhebliche  Unterschiede  der  Fadendicke  ein- 
treten können. 

Die  Fäden  wurden  in  das  Adsorptionsgefäss  gefüllt, 

1)  Weber,  Tagebl.  d.  45.  Naturf.-Vers.  Lpz.  p.  113.  1872. 

2)  Chappuis,  Wied.  Ann.  5.  p.  1.  1879. 

3)  0.  E.  Meyer,  Theorie  der  Gase,  p.  308.  1877. 


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welches  an  einer  Seite  noch  nicht  zugeblasen  war,  und  dann 
das  Gefäss  zugeschmolzen.  Die  ersten  Versuche  wurden  mit 
Fäden  von  massiger  Länge,  5  bis  10  km,  angestellt;  indess 
nach  wochenlangen  Versuchen  überzeugte  ich  mich,  dass  die 
Adsorption  zwar  erkennbar,  allein  viel  zu  klein  sei,  als  dass 
nicht  ihr  Gang  von  Beobachtungsfehlern  vollkommen  ver- 
deckt würde. 

Nun  wurden  Glasfaden,  deren  Gesammtlänge  bis  zu 
100  km  ging,  wodurch  ich  eine  Oberfläche  von  etwa  12  qm 
erhielt,  verwandt;  aber  auch  hier  blieb  das  Resultat  für  die 
meisten  Gase  ein  vollkommen  ungenügendes;  nur  bei  Am- 
moniak, welches  sich  durch  besonders  starke  Adsorption  aus- 
zeichnet, waren  brauchbare  Resultate  zu  verzeichnen.  Da- 
gegen machte  sich  bei  NH3  ein  anderer  Uebelstand  geltend, 
nämlich,  dass  auf  die  Dauer  die  Hähne  und  Schliffe  nicht 
dicht  halten:  das  Fett  wird  verseift,  und  nun  kommt  Diffu- 
sion mit  ins  Spiel,  sodass  man  scheinbar  enorme  Adsorption 
erhält. 

Ich  erkannte  schliesslich,  dass  mit  meinem  Apparate 
nichts  zu  machen  sei,  dass  sämmtliche  Hähne  und  Schliffe 
daraus  entfernt  werden  müssten.  Dies  ist  nun  glücklicher- 
weise möglich,  indem  man  die  Hähne  nach  einem  Vorschlage 
von  Hagen1)  durch  U-förmige  Röhren  ersetzt,  die  ich,  da 
sie  die  Stelle  von  Hähnen,  resp.  Ventilen,  (bei  der  Töpler'- 
schen  Pumpe)  vertreten,  als  Ventilröhren  bezeichne.  Die- 
selben werden  sich  vielfach  ausserordentlich  zweckmässig 
zeigen,  namentlich,  wenn  man  mit  kleinen  Drucken  arbeitet; 
unbequemer,  aber  noch  brauchbar  bleiben  sie  bis  zu  Drucken 
von  etwa  21/2  Atmosphären,  wobei  sie  schon  eine  Länge  von 
2  m  haben  müssen.  Da  ich  bis  zu  etwa  zwei  Atmosphären 
zu  gehen  beabsichtigte,  so  nahm  ich  eine  Länge  von  etwa 
1,6  m. 

Mein  Apparat  nahm  nun  die  auf  Taf.  IV  Fig.  4  gege- 
bene Form  an;  er  zerfällt  in  drei  Theile:  der  Gasbehälter  A, 
der  zur  Messung  bestimmte  Theil  2?,  das  Adsorptionsgefäss 
C  Diese  drei  Theile  sind  durch  Kundt'sche  Glasfedern, 
welche  in  der  Figur  fortgelassen  sind,  verbunden. 

1)  Bessel-Hagen,  Wied.  Ann.  12.  p.  430.  1881. 


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Das  Gasometer  A  ist  eine  Glaskugel  von  etwa  1  1  In- 
halt, an  welche  oben  und  unten  ein  Rohr  angeblasen  ist. 
Das  untere  Rohr  ist  durch  einen  Hahn  G  verschliessbar. 
taucht  im  übrigen  aber  bis  etwa  an  die  Kugel  in  ein  Ge- 
fäss  L  mit  Quecksilber.  Das  obere  Rohr  hat  ein  Seiten- 
röhrchen  K  und  führt  selbst  zu  dem  ersten  Ventilrohr  D. 

Es  ist  noch  zu  bemerken,  dass  das  absteigende  Rohr 
der  Ventilröhren  nicht  eben  so  weit  sein  darf  wie  das  auf- 
steigende; soll  das  Gas,  wie  bei  mir,  in  der  Richtung  von  A 
nach  C  eintreten,  so  muss  das  rechts  liegende,  aufsteigende 
Rohr  D2  weiter  sein  als  Dx  \  ist  nämlich  in  B  und  C  der 
Druck  geringer  als  in  A  (was  immer  der  Fall  ist,  wenn  man 
durch  Oefinen  des  Ventils  neues  Gas  von  A  herüberschaffen 
will),  so  steht  das  Quecksilber  im  rechten  Schenkel  des  Ventils 
höher  als  im  linken;  soll  nun  das  Gas  von  links  nach  rechts  her- 
über, so  würde  es  die  Quecksilbersäule  in  die  Höhe  und  in  die 
übrigen  Theile  des  Apparates  schleudern,  wenn  die  Quer- 
schnitte der  Röhren  nicht  so  verschieden  sind,  dass  das  Gas  in 
einzelnen  Blasen  durch  das  Quecksilber  in  die  Höhe  steigen 
kann.  Bei  meinem  Apparat  waren  die  Durchmesser  der  Röhren 
etwa  1,5  und  5  mm,  was  sich  als  genügend  zeigte.  Um  doch 
etwa  in  die  Höhe  spritzendes  Quecksilber  aufzufangen,  endigten 
die  weiten  Röhren  in  Kugeln,  in  welche  die  weiterführenden 
Röhren  in  Form  einer  nach  oben  gekrümmten  Spitze  einge- 
schmolzen waren,  wie  es  die  Figur  zeigt.  Bei  sehr  vorsich- 
tigem Arbeiten  sind  indessen  diese  Kugeln  nicht  nöthig,  und 
sie  wären  besser  fortgeblieben. 

An  das  Ventilrohr  D  schliesst  sich  mittelst  Capillaren 
das  Maassrohr  E\  es  ist  dies  ein  in  Centimeter  getheiltes,  sorg- 
fältig mit  Quecksilber  calibrirtes  Rohr  von  etwa  1  cm  Weite. 
Daran  schliesst  sich  das  zweite  Ventilrohr  F,  ebenso  einge- 
richtet wie  das  erste,  daran  dann  vermittelst  Capillaren  das 
Adsorptionsgefäss  C,  bestehend  in  einem  cylinderförmigen 
Gefäss  von  etwa  20  cm  Länge  und  5  cm  Durchmesser. 

An  die  Ventilröhren  sowohl  wie  an  jEsind  unten  Schläuche 
befestigt,  welche  zu  Quecksilbergefässen  führen,  die  man 
heben  und  senken  kann.  Unterhalb  der  Ventilröhren  sind 
noch  die  Hähne  H  und  /angeblasen,  um  die  Communication 


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des  Quecksilbers  in  den  Röhren  mit  dem  äusseren  Queck- 
silber aufheben  zu  können. 

Sämmtliche  bei  der  Messung  mit  Gas  erfüllten  Räume, 
also  Z>2,  die  verbindenden  Capillaren  zwischen  D,  E,  F  und 
C,  und  das  Ventilrohr  F  waren  durch  Quecksilberwägung 
calibrirt. 

Das  ganze,  sehr  zerbrechliche  Röhrensystem  war  auf 
einem  starken  Brette  befestigt  und  dies  am  Tische  ange- 
schraubt. 

Zur  Bestimmung  der  Temperatur  des  Gases  hing  neben 
M  ein  in  Fünftelgrade  getheiltes  Normalthermometer. 

Gearbeitet  wurde  mit  dem  Apparate  folgendermassen: 
Das  Quecksilber  in  den  Ventilröhren  wurde  soweit  gesenkt, 
dass  dieselben  offen  waren,  dann  die  Hähne  H  und  /  ge- 
schlossen. C  mit  den  Glasfäden  wurde  in  ein  Oelbad  von 
300°  gebracht.  Das  Seitenröhrchen  K  wurde  durch  ein 
Hahnstück  mit  der  Töpler'schen  Pumpe  verbunden  und  der 
ganze  Apparat  stehen  gelassen,  indem  von  Zeit  zu  Zeit 
einige  Pumpenzüge  das  sich  loslösende  Gas  entfernten  und 
den  Druck  auf  etwa  0,001  mm  erhielten.  Hahn  G  war  dabei 
geschlossen,  sodass  der  Gasbehälter  mit  ausgepumpt  wurde. 
Nach  24  Stunden  wurden  die  Hähne  H  und  /  geöffnet,  das 
Quecksilber  steigt  bis  zur  Barometerhöhe  und  schliesst  die 
Räume  C,  E  und  A  voneinander  ab.  Nun  wird  der  Hahn  zwischen 
Gasbehälter  und  Pumpe  geschlossen,  die  Pumpe  entfernt, 
und  statt  ihrer  der  Gasen twickelungsapparat  angebracht; 
öffnet  man  wieder  den  Hahn,  so  saugt  A  sich  voll  Gas; 
dann  wird  G  geöffnet  und  noch  5  bis  10  1  Gas  durch  A  hin- 
durchgetrieben, welches  durch  G  und  das  Quecksilber  in  L 
entweicht;  endlich  wird  das  Röhrchen  K  zwischen  A  und 
dem  Hahn  abgeschmolzen. 

Es  ist  nun  der  ganze  Apparat  vollständig  abgeschlossen, 
alle  Theile  sind  zusammengeschmolzen,  es  kann  also  weder 
Gas  heraus  noch  hinein;  die  einzigen  Oeffnungen  sind  die 
bei  G,  H,  I  und  am  unteren  Ende  von  E,  und  diese  sind 
durch  Quecksilbersäulen  von  kleinem  Querschnitt  verschlos- 
sen, sodass  wohl  keine  merkliche  Diffusion  hindurch  statt- 
finden kann. 


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Es  wird  nun  aus  A  Gas  in  den  Theil  B  hinübergebracht, 
indem  man  Hahn  H  öffnet  und  M  soweit  senkt,  dass  das 
Ventil  offen  wird;  in  Blasen  steigt  das  Gas  durch  D%  in  die 
Höhe  und  gelangt  nach  E.  Hat  man  genug  Gas,  so  wird 
M  wieder  gehoben,  sodass  das  Ventil  abgeschlossen  ist,  und 
Hahn  H  geschlossen.  Dann  wird  der  Stand  des  Quecksilbers 
in  Z>2,  E  und  Fx  abgelesen,  ausserdem  die  Niveaudifferenz  des 
Quecksilbers  in  E  und  0  mittelst  Kathetometer,  endlich  Ther- 
mometer und  Barometer,  —  damit  ist  die  in  B  eingelassene 
Gasmasse  bestimmt.  Dann  wird  E  in  Verbindung  mit  C  ge- 
bracht, indem  man  /  öffnet,  N  senkt;  das  Gas  tritt  in  Blasen 
durch  -F2,  endlich  ist  das  Ventil  ganz  frei  von  Quecksilber; 
in  dieser  Stellung  wird  /  geschlossen  und  dann  24  Stunden 
gewartet,  während  C  in  einem  Bade  von  der  gewünschten 
Temperatur  steckt.  Dann  wird  wieder  das  im  Apparat  vor- 
handene Gas  bestimmt  durch  Ablesung  an  Z>2,  E,  0,  Ther- 
mometer und  Barometer.  Die  Differenz  zwischen  den  beiden 
gemessenen  Gasmassen  gibt  die  adsorbirte  Masse. 

Um  zu  höherem  Druck  überzugehen,  wird  neues  Gas  zu- 
gelassen. Dazu  wird  zunächst  1  geöffnet,  N  gehoben,  also  C 
von  E  getrennt.  Es  wird  dabei  die  von  der  ersten  Füllung 
im  Apparat  noch  vorhandene  Gasmenge  in  D2,  E,  Flf  — 
deren  Masse  man  kennt,  —  zurückgenommen.  Dann  wird 
durch  Oeffnen  von  H,  Senken  von  M  neues  Gas  aus  A  nach 
B  geschafft,  hier  gemessen,  E  in  Verbindung  mit  C  gebracht 
u.  s.  w.  Alle  Manipulationen  sind  ebenso  einfach  auszu- 
führen, wie  umständlich  zu  beschreiben;  es  ist  genau  dasselbe 
Verfahren,  wie  bei  dem  alten  Apparat,  nur  dass  an  Stelle 
des  Oeffnens  und  Schliessens  der  Hähne  F  und  C  dort,  hier 
Heben  und  Senken  des  Quecksilbers  in  den  Ventilröhren 
D  und  F  getreten  ist. 

Statt  des  Gases,  welches  aus  dem  Gasreservoir  A  ent- 
nommen wird,  tritt  Quecksilber  aus  L  in  dasselbe  ein,  so- 
dass das  Gas  hier  immer  nahezu  Atmosphärendruck  behält. 

Bei  den  Messungen  wurden  die  Volumenbestimmungen 
bis  auf  0,01  ccm  gemacht,  die  Druckablesungen  bis  auf 
0,1  mm.  Ich  glaube  nicht,  dass  die  Fehler  in  der  Volumen- 
bestimmung durch  falsche  Calibrirung   oder  Ablesung  je 


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0,1  ccm  erheblich  überschritten  haben  können.  Eine  weit 
beträchtlichere  Fehlerquelle  dagegen  wird  die  ungenügende 
Temperaturbestimmung  sein;  da  mein  Apparat  über  1,6  m 
hoch  war,  und  die  Temperatur  in  verschiedenen  Höhen  des 
Zimmers  bekanntlich  erheblich  variiren  kann,  so  mögen 
häufig  die  oberen  Theile  eine  andere  Temperatur  gehabt 
haben  als  die,  welche  ich  an  E  ablas.  Um  diesen  Einfluss 
möglichst  gering  zu  machen,  waren  sämmtliche  Röhren  Capil- 
laren;  leider  sind  solche  aber  nicht  brauchbar  für  D2  und 
F2,  auch  sind  die  Kugeln  an  den  Ventilröhren  in  dieser  Be- 
ziehung sehr  schädlich.  Jedenfalls  schreibe  ich  die  grösse- 
ren vorkommenden  Beobachtungsfehler  hauptsächlich  diesem 
Umstände  zu. 

Mit  diesem  Apparate,  welcher  tadellos  functioniren  zu 
müssen  schien,  da  jeder  Verlust  von  Gas  ausgeschlossen  war, 
glaubte  ich  die  Aufgabe  lösen  zu  können,  die  Adsorption 
von  Gasen  an  Flächen  von  Glas  und  Metallen  als  Function 
von  Druck  und  Temperatur  in  absoluten  Zahlen  darzustellen. 

Da  die  erreichbaren  Oberflächen  doch  noch  sehr  klein 
waren,  die  adsorbirten  Mengen  daher  von  den  Beobachtungs- 
fehlern  noch  stark  beeinflusst  wurden,  so  beabsichtigte  ich, 
auf  folgende  Art  vorzugehen:  für  das  am  stärksten  adsor- 
birte  Gas,  Ammoniak,  sollten  die  Beobachtungsfehler  durch 
zahlreiche  Versuchsreihen  eliminirt,  und  mit  möglichster 
Genauigkeit  die  Zahl  für  einen  Druck  und  eine  Tem- 
peratur an  Glasfäden  mit  bekannter  Oberfläche  bestimmt 
werden.  Dann  wollte  ich  durch  Glaspulver  eine  sehr  grosse, 
zunächst  unbekannte  Oberfläche  herstellen;  es  sollte  die 
bei  demselben  Druck  und  derselben  Temperatur  von  ihr 
adsorbirte  Gasmenge  festgestellt,  und  durch  die  an  Glas- 
faden gewonnene  Zahl  die  Oberfläche  des  Pulvers  berechnet 
werden.  An  dieser  nun  bekannten  grossen  Oberfläche  —  ich 
glaubte  100  qm  leicht  erreichen  zu  können  —  wären  dann 
auch  die  Zahlen  für  die  anderen  Gase  mit  genügender  Ge- 
nauigkeit zu  bestimmen  gewesen. 

Das  zu  den  Versuchen  benutzte  Ammoniak  wurde  in 
der  bekannten  Weise  durch  Erhitzen  käuflicher  Ammoniak- 
flüssigkeit aus  dieser  ausgetrieben  und  getrocknet,  indem 


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es  langsam  durch  Röhren  mit  Aetzkalk  von  2,5  m  Länge 
hindurchging. 

Ich  begann  mit  zwei  verschiedenen  Gefässen  voll  Glas- 
fäden zu  arbeiten.  Das  erste  enthielt  Fäden  von  folgenden 
Längen  und  Radien: 

Längen:    1865,58  m;        18153,27m;        7819,5m;  32821,8m. 
Radien:      0,0176  mm;        0,0139  mm;     0,0201  mm;      0,0206  mm. 

Die  Fäden  hatten  also  zusammen  eine  Länge  von  60  km, 
und  ergaben,  wenn  man  noch  die  Querschnitte  der  Fäden 
und  die  innere  Fläche  des  Gefasses  hinzurechnet,  eine  Ober- 
riäche  von  70516  qcm. 

Das  zweite  Gefäss  enthielt  Fäden  von  folgenden  Längen 
und  Radien: 

Längen:     22325,0  m;  36433,2  m;  4330,8  m; 

Radien:       0,0261  mm;         0,0183  mm;         0,0223  mm; 

Längen:    10726,75  m;  9645,0  m;  11550,0  m; 

Radien:       0,0160  mm;         0,0211mm;         0,0229  mm. 

Die  Gesammtlänge  betrug  demnach  etwa  95  km,  die 
Oberfläche  121  685  qcm.  Der  von  den  Fäden  freie  Raum  im 
Adsorptionsgefäss  betrug  292  ccm;  er  ist,  wie  bei  der  Kohle, 
durch  Füllen  des  luftleeren  Gefasses  mit  Quecksilber  bestimmt. 

Sämmtliche  Versuche  sind  bei  0°  gemacht.  Als  Aus- 
dehnungscoefficient  des  NH3  ist  0,003  776  genommen;  übri- 
gens ist  ein  kleiner  Fehler  in  diesem  Coefficienten  nicht  von 
grossem  Einfluss,  da  es  sich  nur  um  die  Umrechnung  von 
Temperaturen,  welche  zwischen  12  und  18°  lagen,  auf  0° 
handelt.  Ferner  ist  das  Mariotte'sche  Gesetz  als  streng  gültig 
angenommen. 

Die  ersten  Versuchsreihen  gaben  folgende  Resultate: 

Gefäss  1 ;  7,05  qm  Oberfläche. 
Druck    ....     395,9  mm       610,0      822,1  976,8 
Adsorb.  Volumen       2,95  ccm        3,88        5,11  8,16 

Gefäss  2;  12,17  qm  Oberfläche. 
Druck    ....     244,4  mm      415,3       538,8  — 
Adsorb.  Volumen       2,95  ccm       6,98       8,26  — 

Es  ist  hier  das  adsorbirte  Gas  ebenso  angegeben  wie 
bei  den  Versuchen  mit  Kohle,  das  Volumen  des  Gases 
ist  also  in  Cubikcentimetern  gemessen  bei  dem  betreffenden 


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Druck,  nicht  aber  bei  760  mm.  Trägt  man  die  Drucke  als 
Abscissen,  die  adsorbirten  Volumina  als  Ordinaten  auf,  so 
erhält  man  die  Curven,  welche  auf  Taf.  IV  Fig.  6  mit  I  und  II 
bezeichnet  sind.  Das  erste,  was  an  diesen  Curven  auffällt, 
ist,  dass  sie  beide  mit  wachsendem  Druck  ansteigen,  wäh- 
rend bei  Kohle  sämmtliche  Curven  sanken.  Ausserdem  sieht 
man  aber,  dass  die  adsorbirten  Volumina  durchaus  nicht 
proportional  den  Oberflächen  sind,  dass  die  Steilheit  der 
Curven  eine  ganz  andere  ist,  sodass  sie  sich  bei  etwa  200  mm 
schneiden  würden. 

Ich  stellte  nun  eine  dritte  Oberfläche  her;  der  Glasfaden 
hatte  eine  Länge  von  etwa  86  km,  einen  Radius  von  0,023  mm 
und  ergab  eine  Oberfläche  von  123  050qcm.  Der  von  den 
Fäden  freie  Raum  betrug  hier  237  ccm,  die  Fäden  sind  also 
hier  enger  zusammengepresst,  als  bei  der  zweiten  Oberfläche. 
Der  freie  Raum  ist  hier  bestimmt,  indem  das  Gefäss  leer 
gepumpt  und  abgeschraolzen,  dann  gewogen  wurde.  Dann 
wurde  die  Spitze  unter  ausgekochtem  destillirten  Wasser 
abgebrochen,  worauf  sich  das  Gefäss  sehr  vollständig  mit 
Wasser  füllte,  dessen  Gewicht  den  vorher  freien  Raum  ergab. 

Es  wurden  mit  dieser  Oberfläche  zwei  Versuchsreihen 
bei  0°  gemacht. 

Druck     ....    278,1  mm       48S,4       639,6  752,9 
Adsorb.  Volumen       4,29  ccm        5,24        4,48  6,53 

Druck     ....    269,4  mm       475,8       638,0  767,5 
Adsorb.  Volumen     .  4,29  ccm        3,19        4,46  4,33 

Die  Abweichungen  in  den  beiden  Reihen  sind  bei  ein- 
zelnen Drucken  sehr  bedeutende,  sie  gehen  bis  zu  1  ccm 
vom  Mittel;  ich  schreibe  das  dem  Umstände  zu,  dass  wäh- 
rend dieser  Beobachtungen  die  Zimmertemperatur  ganz  be- 
sonders schwankte,  von  einem  Tage  zum  andern  um  5,5°, 
sodass  die  Temperatur  der  verschiedenen  Luftschichten  ganz 
besonders  verschieden  gewesen  sein  kann.  Nimmt  man  das 
Mittel  beider  Reihen,  so  ergibt  sich: 


Oeftss  3;  12,305  qm  Oberfläche 
Druck     ....    274  mm        482  639 
Adsorb.  Volumen    4,29  ccm       4,22  4,47 


760 
5,43 


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460 


H,  Kayser. 


Diese  Zahlen  sind  auf  Taf.  IV  Fig.  6  durch  die  mit  III 
bezeichnete  Curve  dargestellt.  Dieselbe  zeigt  anfangs  kaum 
ein  Steigen  und  weicht  ganz  ausserordentlich  von  Curve  II 
ab,  die  doch  an  fast  gleich  grosser  Oberfläche  gewonnen  ist. 

Um  die  Resultate  an  der  ersten  Oberfläche  mit  den 
beiden  anderen  bequemer  vergleichen  zu  können,  ist  Curve  Ia 
construirt,  indem  alle  Ordinaten  von  I  mit  12,2/7,05  multi- 
plicirt  sind.  Die  Curven  I»,  II  und  III  zeigen  also  nun  die 
Adsorption  von  drei  verschiedenen  Oberflächen  von  etwa 
12,2  qm  Grösse.  Sie  zeigen,  dass  sowohl  die  Grösse  der 
Adsorption,  als  auch  ihre  Abhängigkeit  vom  Druck  noch 
von  anderen  Umständen  abhängen  muss,  als  von  der  Grösse 
der  Oberfläche. 

Da  die  Herstellung  des  Gases  und  die  Evacuirung  des 
Gefässes  stets  die  gleiche  war,  die  Fäden  von  demselben 
Glase  gesponnen  waren,  so  schien  es  am  wahrscheinlichsten, 
dass  die  Lagerung  der  Fäden,  also  die  Grösse  der  Zwischen- 
räume, von  Einfluss  sei.  Dann  müsste  Glaspulver  wesentlich 
andere  Resultate  ergeben. 

Es  wurde  daher  von  demselben  Glase  ein  Theil  in  einem 
Stahlmörser  möglichst  fein  gestossen,  und  davon  wurden  in 
das  Adsorptionsgefäss  487,6  g  hineingefüllt.  Zwei  Beobach- 
tungsreihen mit  NH3  bei  0°  ergaben  folgende  Zahlen: 


Diese  Resultate  sind  auf  Taf.  IV  Fig.  6  durch  die  Curven 
IV  und  V  dargestellt,  welche  die  durch  100  g  adsorbirte  Gas- 
menge angeben;  die  Uebereinstimmung  zwischen  beiden  Cur- 
ven ist  eine  sehr  befriedigende. 

Es  ergibt  sich  also  das  merkwürdige  Resultat,  dass 
während  bei  Glasfäden  die  Curven  ansteigen,  sie  bei  Glas- 
pulver fallen,  gerade  so,  wie  bei  Kohle.   Höchst  auffallend 


Druck :  Adsorb.  Vol. : 


Druck :    Adsorb.  Vol. : 


250,5  mm     30,23  ccm 


479,3  17,60 

686,6  15,53 

865,1  15,17 

1030,9  7,95 

1225,1  5,58 

1305,0  5,62 

1361,6  6,07 

1408,0  5,78 


274,8  mm     27,06  ccm 


450,1  18,78 

657,6  15,38 

810,4  14,82 

965,3  7,25 

1094,2  7,45 

1249,5  7,21 


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//.  Kayser. 


461 


and  mir  ziemlich  unerklärlich  ist  ausserdem  das  plötzliche 
Abfallen  der  Curve  bei  900  mm,  welches  beiden  Beobach- 
tungsreihen gemeinsam  ist  und  schon  wegen  der  Grösse  des 
Sprunges  —  7  ccra  bei  der  ganzen  Pulvermenge  —  durchaus 
nicht  durch  Beobachtungsfehler  erklärt  werden  kann. 

Ferner  zeigt  sich,  dass  während  bei  niedrigen  Drucken 
von  den  Fäden  weniger  verdichtet  wird,  als  von  100  g  Pulver, 
bei  höheren  Drucken  sich  das  Verhältniss  umkehrt. 

Es  erschien  mir  nach  diesen  unerwarteten  Resultaten, 
die  ja  die  Unbrauchbarkeit  der  Methode  für  den  eigentlich 
beabsichtigten  Zweck  —  nämlich  absolute  Zahlen  für  die 
Adsorption  der  Gase  zu  finden  —  aufs  deutlichste  zeigte, 
interessant,  ein  anderes  Gas  zu  untersuchen,  und  zwar  ein 
noch  leichter  verdichtbares,  da  man  sich  dabei  den  Verhält- 
nissen der  gesättigten  Dämpfe  nähert. 

Ich  wählte  schweflige  Säure.  Das  Gas  wurde  aus  Schwe- 
felsäure und  Kupfer  hergestellt  und  in  einem  Hoffmann'schen 
Apparat  durch  Kältemischung  condensirt,  nachdem  es  ge- 
trocknet war.  Aus  dem  Hoffmann'schen  Apparat  wurde  es 
dann  nach  Bedarf  in  den  Glasbehälter  A  gelassen,  wobei  es 
noch  einmal  getrocknet  wurde.  Bei  der  Berechnung  wurde 
als  Ausdehnungscoefficient  die  Zahl  0,00386  benutzt. 

Eine  Versuchsreihe  an  der  dritten  Oberfläche  von  12,3  qm 
Grösse  bei  0°  ergab  die  folgenden  Zahlen: 

Druck   229,3  mm  450,6  621,4  744,0 

Adsorb.  Volumen  .  0,04  ccm  1,64  2,31  4,72 

Druck   847,7  mm  915,9 

Adsorb.  Volumen  .  5,80  cem  12,80 

Diese  Zahlen  sind  durch  die  Curve  VI  dargestellt,  welche 
wieder  ansteigt.  Während  bei  niedrigen  Drucken  viel  weniger 
S02  verdichtet  wird,  als  NH3,  so  erreicht  zwischen  800  mm 
und  900  mm  Curve  VI  die  Curve  III;  hier  beginnt  auch 
schon  die  Condensation  des  Gases,  bei  einem  Drucke  über 
900  mm  scheint  schon  beinahe  alles  zugelassene  Gas  ver- 
flüssigt zu  werden. 

Mit  demselben  Glaspulver,  mit  welchem  die  Versuche 
mit  Ammoniak  gemacht  wurden,  sind  auch  zwei  Versuchs- 


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462  H.  Kayser. 

reihen  mit  Sü2  bei  0°  angestellt,  die  wieder  sehr  gut  über- 
einstimmen: 


Druck:    Adsorb. :  Vol. : 

142,5  mm  82,38  ccm 

431,3  37,19 

655,7  30,34 

836,0  31,00 


Druck:  Adsorb.  Vol.: 

220,4  mm     67,07  ccm 

481,1  38,51 

700,s  30,72 

870,«  30,51 

1009.5  30,16 
1112,1  33,54 

1176.6  42,70 
1204,0  60,31 

1216.7  75,62 

Die  Curven  VII  und  VIII  stellen  diese  Zahlen  dar, 
wieder  für  100  g  berechnet. 

Es  zeigen  sich  also  bei  S02  genau  dieselben  Verhält- 
nisse, wie  bei  NHS,  nur  in  viel  auffallenderer  Weise:  bei 
beiden  Gasen  steigt  die  Curve  für  Glasfäden,  sinkt  die  Curve 
für  Glaspulver;  bei  beiden  wird  bei  niedrigen  Drucken  von 
100  g  Pulver  mehr  adsorbirt,  als  von  den  Fäden,  während 
es  bei  höheren  Drucken  umgekehrt  ist,  sodass  die  Curven 
sich  schneiden.  —  Für  schweflige  Säure  ist  ausserdem  in 
beiden  Fällen  der  Druck  der  Verflüssigung  erreicht,  welcher 
an  Glasfäden  zwischen  900  mm  und  1000  mm  liegt,  an  Glas- 
pulver bei  1200  mm. 

Sehr  hervorzuheben  ist  endlich  noch,  dass  an  Glas- 
fäden NH3  erheblich  stärker  verdichtet  wird  als  S08,  an 
Glaspulver  dagegen  die  Adsorption  der  S02  sehr  überwiegt, 
während  für  Kohle  Ammoniak  die  erste  Stelle  einnimmt, 
wie  für  Glasfäden. 

Die  gefundenen  Resultate  sind  ganz  dazu  angethan. 
unsere  bisherigen  Ansichten  über  die  Adsorption  der  Gase 
umzustossen,  namentlich,  dass  man  es  hier  mit  ganz  ein- 
fachen Vorgängen  zu  thun  habe,  und  dass  die  Dicke  der 
verdichteten  Schicht  von  der  Ordnung  molecuiarer  Dimen- 
sionen sei. 

Machen  wir  uns  zuerst  klar,  welche  Factoren  bei  der 
Adsorption  von  Einfluss  sein  können. 

Aus  dem  Umstände,  dass  feste  Körper  überhaupt  zu- 
sammenhalten, ist  es  klar,  dass  zwischen  ihren  Molecülen  an- 
ziehende Kräfte  wirken;  sie  werden  Cohäsion  genannt  und 


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H.  Kayser. 


463 


mögen  in  einem  Ueberschuss  der  chemischen  Affinität  über 
die  Atombewegung  oder  in  einer  besonderen  Anziehungs- 
kraft bestehen.  Bei  den  äusseren  Molecülen  der  Körper, 
welche  die  Oberfläche  bilden,  sind  diese  Kräfte,  die  man 
dann  Adhäsionskräfte  zu  nennen  pflegt,  nicht  gebunden, 
da  bei  festen  Körpern  im  allgemeinen  die  Molecüle  der  Ober- 
fläche nicht  dichter  an  einander  gerückt  sind,  als  die  im 
Inneren,  während  bei  Flüssigkeiten,  deren  Theilchen  sich  frei 
bewegen  können,  diese  freien  Kräfte  zur  Erzeugung  der  Ober- 
flächenspannung verbraucht  werden. 

Bei  festen  Körpern  werden  nun  diese  freien  Kräfte  dazu 
verwandt,  benachbarte  Molecüle  von  Flüssigkeiten  oder  Gasen 
in  ihrer  Bewegung  zu  hemmen  und  festzuhalten,  eine  ver- 
dichtete Schicht  derselben  um  sich  zu  bilden.  Diese  ver- 
dichtete Schicht  wird  nun  aber  ihrerseits  auf  das  benachbarte 
Gas  wirken  und  eine  weniger  dichte  Schicht  an  sich  bilden 
u.  s.  w.,  kurz  es  wird  die  Dichtigkeit  des  Gases  von  der  der 
Schicht  unmittelbar  an  der  Wand  nicht  mit  einem  Sprunge 
zur  gewöhnlichen  Dichte  übergehen,  sondern  in  stetiger  Aen- 
derung,  wenn  auch  die  ganze  Schicht  von  variabler  Dichte 
sehr  dünn  sein  mag. 

Wie  viel  von  einem  Gase  adsorbirt  wird,  wird  daher 
von  zwei  Bedingungen  abhängen,  nämlich  erstens  von  der 
Dichtigkeit  an  der  Wand  —  sie  wird  von  der  Wechselwir- 
kung zwischen  Wand  und  Gas  bestimmt  —  und  zweitens 
von  der  Dicke  der  verdichteten  Schicht  —  diese  wird  von 
der  Natur  des  Gases  bestimmt  werden. 

1)  Wie  stark  das  Gas  an  der  Wand  verdichtet  wird, 
das  wird  einmal  von  den  an  der  Oberfläche  freien  Kräften 
abhängen,  für  deren  Grösse  vielleicht  ein  Maass  in  der  Dich- 
tigkeit des  Körpers  oder  in  seinem  Widerstand  gegen  Zer- 
reissen gefunden  werden  kann;  zweitens  aber  wird  es  von 
der  chemischen  Affinität  des  Gases  zu  der  Wand  abhängen; 
ist  diese  sehr  gross,  so  wird  die  Schicht  sehr  dicht  sein;  man 
kann  sich  aber  auch  den  anderen  Fall  denken,  dass  näm- 
lich die  Affinität  negativ  wäre  und  der  Adhäsion  entgegen- 
wirkte. 

2)  Die  Dicke  der  verdichteten  Schicht  wird  davon  ab- 


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464 


H.  Kayser. 


hängen,  wie  nahe  die  Molecüle  des  Gases  im  natürlichen 
Zustande  sind,  also  vom  Drucke;  dann  von  der  Geschwindig- 
keit der  Molecularbewegung,  also  von  der  Dichte  des  Gases 
und  von  seiner  Temperatur;  endlich  von  der  Cohäsion 
zwischen  den  Gasmolecülen.  Dass  eine  solche  Anziehung 
zwischen  den  Gasmolecülen  existirt,  haben  die  bekannten 
Versuche  von  Joule  und  Thomson  bewiesen,  welche 
zeigen,  dass  ein  Gas  bei  Ausdehnung  ohne  äussere  Arbeit 
Wärme  verbraucht,  also  innere  Arbeit  leistet.  Auch  ist  die 
Grösse  der  Cohäsion  nach  der  Theorie  von  van  der  Waals 
und  Clausius  aus  Regnault's  und  Andrew's  Versuchen 
berechnet  worden,  sodass  wir  wenigstens  die  relativen  Grösse- 
verhältnisse  kennen. 

Es  sind  also  bei  der  Adsorption  folgende  Punkte  zu 
berücksichtigen : 

1)  die  Grösse  der  an  der  Wand  freien  Kräfte, 
•  2)  die  chemische  Affinität  zwischen  Wand  und  Gas, 

3)  die  Cohäsion  des  Gases, 

4)  die  Dichtigkeit  des  Gases, 

5)  der  Druck  des  Gases, 

6)  die  Temperatur  des  Gases. 

Aus  dem  Umstände,  dass  die  leicht  verdichtbaren  Gase 
so  starke  Adsorption  zeigen,  kann  man  schliessen,  dass  auf 
die  Grösse  der  Adsorption  namentlich  die  Natur  des  Gases, 
also  die  Dicke  der  Schicht,  von  Einfluss  sein  muss,  viel 
weniger  die  Beschaffenheit  der  Wand  und  die  Dichte  der 
Schicht. 

Nehmen  wir  daher  die  Gase  bei  gleicher  Temperatur 
und  gleichem  Drucke,  so  wird  die  Grösse  der  Adsorption 
an  verschiedenen  Körpern  nur  von  1)  und  2)  abhängen;  da 
diese  wenig  einwirken,  so  wird,  wenn  wir  die  Gase  nach  der 
Grösse  der  Adsorption  ordnen,  die  Reihenfolge  für  verschie- 
dene Körper  im  allgemeinen  dieselbe  sein,  und  sie  wird  über- 
einstimmen mit  der  Reihe,  welche  man  erhält,  wenn  man  die 
Gase  nach  ihrer  Verdichtbarkeit  ordnet.  Von  dieser  Regel 
können  indessen  wegen  verschiedener  Grösse  der  chemischen 
Affinität  auch  Abweichungen  vorkommen. 

Diese  Schlüsse  sind  durch  die  Saussure'schen  Versuche 


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H.  Kayser. 


465 


vollkommen  bestätigt.  Für  alle  Körper  erhielt  er  Reihen, 
welche  mit  den  leicht  condensirbaren  Gasen,  NH3,  S02,  C02 
beginnen  und  mit  H  endigen;  aber  es  kommen  mehrere  Ver- 
schiebungen der  benachbarten  Gase  in  den  Reihen  vor. 

Was  den  Einfluss  von  Druck  und  Temperatur  betrifft, 
so  ist  von  vorn  herein  klar,  dass  erhöhter  Druck,  welcher 
die  Theilchen  näher  an  aneinander  bringt,  die  Adsorption 
vergrössern  muss,  erhöhte  Temperatur  dagegen,  welche  die 
lebendige  Kraft  der  Molecüle  vermehrt,  die  Adsorption  ver- 
kleinern muss,  wie  es  ja  auch  die  Versuche  bestätigen. 

Man  wird  wohl  annehmen  können,  dass  der  zunehmende 
Druck  in  der  Weise  einwirkt,  dass  die  verdichtete  Schicht 
sowohl  dichter,  als  auch  dicker  wird.  Es  scheint  mir  dies 
die  einzige  Annahme  zu  sein,  welche  meine  Resultate  erklärt, 
dass  die  Druckcurve  vom  Steigen  allmählich  zum  Fallen  über- 
geht, wenn  die  Zwischenräume  zwischen  den  Glastheilchen 
immer  kleiner  werden.  Am  steilsten  ist  Curve  II,  welche 
mit  den  am  losesten  gepackten  Glasfäden  erhalten  ist  — 
der  freie  Raum  betrug  292  ccm;  fast  horizontal  verläuft 
Curve  III,  da  die  Fäden  stark  zusammengepresst  waren  — 
der  freie  Raum  betrug  nur  237  ccm;  Curve  IV  endlich  fällt 
abwärts,  da  die  Zwischenräume  zwischen  den  Glasstäubchen 
noch  viel  kleiner  waren. 

Man  muss  zur  Erklärung  dieser  Erscheinung  annehmen, 
dass  die  Gasschichten  von  anomaler  Dichte  eine  Dicke  er- 
reichen, welche  von  der  Grössenordnung  der  Zwischenräume 
zwischen  den  Glasfäden  ist  In  diesem  Falle  wird  schon  bei 
niedrigem  Drucke  die  verdichtete  Schicht  die  Poren  erfüllen 
können,  die  adsorbirte  Masse  wird  bei  zunehmendem  Drucke 
nicht  mehr  durch  Verdickung  der  Schicht,  sondern  nur  da- 
durch, dass  sie  dichter  wird,  zunehmen  können,  es  wird  daher 
die  adsorbirte  Masse  um  so  langsamer  zunehmen  müssen  mit 
steigendem  Drucke,  je  kleiner  die  Zwischenräume,  je  enger 
die  Poren  sind. 

Damit  stimmt  auch  überein,  dass  die  dichteste  Kohle, 
Buchsbaumkohle,  am  wenigsten  adsorbirt,  mehr  Pfaffenkap- 
pelkohle,  am  meisten  die  lose  Erlenkohle,  wie  die  Verglei- 
chung  der  Resultate  von  Joulin,  Chappuis  und  mir  zeigt. 

Ann.  d.  Phya.  u.  Chem.  N.  F.  XIV.  30 


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466 


H.  Kayser. 


Schon  Saussure  hat  den  Einfluss  der  Structur  unter- 
sucht, indem  er  Kohle  in  Stücken  und  gepulvert  verwandte 
und  Luft  adsorbiren  Hess.  Sein  Versuch  ergab,  dass  bei  At- 
mosphärendruck  das  Pulver  weniger  adsorbirt,  als  die  Stücke. 
Hr.  Chappuis  hielt  das  Resultat  nicht  für  richtig  und 
wiederholte  den  Versuch,  aber  bei  einem  Drucke  von  250  mm; 
er  findet,  das  umgekehrt  das  Pulver  etwa  l°/0  mehr  adsor- 
birt, als  die  Stücke. 

Dieses  Widerspruches  wegen  habe  ich  den  Versuch 
wiederholt.  Ich  erwartete  zu  finden,  dass  bei  niedrigen 
Drucken  das  Pulver,  bei  höheren  die  Stücke  mehr  adsor- 
biren, wodurch  die1  Resultate  von  Saussure  und  Chappuis 
in  Einklang  gebracht  gewesen  wären. 

Ich  habe  wie  Chappuis  Kohle  aus  Pfaffenkappelholz 
benutzt,  etwa  18  g;  der  neben  der  Kohle  freie  Raum  im  Ad- 
sorptionsgefäss  wurde  durch  Wasser  bestimmt.  Es  fand  sich 
für  1  g  Kohle 

Pulver:    Druck:          282,1  mm  513.0  685,8  854,9 

Adsorb.  Vol.:    7,68  ccm  7,48  7,0  5,92 

Stücke:    Druck:          290,7  mm  540,3  800,8 

Adsorb.  Vol.:  10,45  ccm  7,13  6,34 

Die  entsprechenden  Curven  sind  auf  Taf.  II,  Fig.  5  ge- 
geben. Es  zeigt  sich  gerade  das  Umgekehrte  von  dem,  was 
ich  erwartet:  das  Pulver  adsorbirt  anfangs  weniger,  nachher, 
wie  es  scheint,  etwas  mehr  als  die  Stücke.  Das  Pulver  ver- 
hält sich  also  zu  den  Stücken,  wie  die  Glasfäden  zu  dem 
Glaspulver,  d.  h.  durch  das  Pulvern  sind  die  Zwischenräume 
vergrössert  worden.  Diese  Versuche  sind  also  im  Wider- 
spruch sowohl  mit  denen  von  Chappuis,  wie  von  Saussure. 

Es  wird  eben  alles  davon  abhängen,  wie  die  Kohle  her- 
gestellt ist,  wie  fein  das  Pulver  ist,  ob  es  locker  liegt  oder 
etwas  zusammengedrückt  ist  u.  s.  w.,  je  nach  diesen  Um- 
ständen wird  man  verschiedene  Verhältnisse  und  Grössen 
der  Adsorption  erhalten  können. 

Alle  meine  Versuche  sind  bei  0°  gemacht.  Es  ist  klar, 
dass  wenn  man  verschiedene  Temperaturen  benutzt,  die  Er- 
scheinungen sich  noch  erheblich  compliciren  werden;  da  die 
Gasschichten  bei  steigender  Temperatur  dünner  werden  müs- 


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H.  Kayser. 


467 


sen,  so  kann  es  sehr  wohl  kommen,  dass  für  eine  bestimmte 
Grösse  der  Zwischenräume  bei  tiefen  Temperaturen  die 
Curven  sinken,  bei  hohen  steigen. 

Es  ist  nunmehr  auch  klar,  dass  derartige  Gesetze,  wie 
sie  Angus  Smith  und  Fr.  Weber  aufgestellt  haben,  un- 
möglich sind,  da  die  relativen  Zahlen  für  verschiedene  Gase 
sich  mit  dem  Drucke  und  der  Temperatur  in  verschiedener 
Weise  ändern,  und  diese  Verschiedenheiten  an  jeder  herstell- 
baren grossen  Oberfläche  andere  sind.  An  meiner  dritten 
Oberfläche  von  12,3  qm  ist  z.  B.  das  Verhältniss  für  S02 
und  NH3  bei  500  mm  wie  1:2,  bei  800  mm  wie  1:1,  bei 
900  mm  wie  2:1.  —  Da  übrigens  Weber  seine  so  wichtigen 
Versuche  nie  publicirt  hat,  so  ist  vielleicht  die  Annahme 
berechtigt,  dass  er  sie  selbst  später  für  falsch  gehalten  hat, 
in  welchem  Falle  nur  eine  Berichtigung  erwünscht  gewesen  wäre. 

Chappuis'  Versuche  zeigen  natürlich  auch  entfernt 
nicht  eine  Bestätigung  des  Weber'schen  Gesetzes.  In  Bezug 
auf  die  Grössenordnung  stimmen  Chappuis'  Zahlen  mit 
den  meinigen  sehr  gut.  Während  er  fand,  dass  sich  zwi- 
schen 0  und  180°  von  1  qm  Oberfläche  0,59  ccm  S02  und 
0,83  ccm  NH3  ablösen  bei  Barometerdruck,  geben  meine 
Beobachtungen  für  SO2:0,37  ccm,  für  NH3:0,44  oder  0,67  ccm. 
Die  grösseren  Zahlen  von  Chappuis  entsprechen  ganz  dem 
Umstände,  dass  er  dickere  Glasfäden,  also  grössere  Zwischen- 
räume gehabt  hat. 

Interessant  ist  noch  die  Frage,  weiche  Dichtigkeit  das 
Gas  im  adsorbirten  Zustande  erreichen  kann.  Die  grösste 
adsorbirte  Menge  hat  Joulin  beobachtet:  4  g  Kohle  ad- 
sorbirten bei  0°  und  2227  mm  1231  ccm  NH3  von  0°  und 
760  mm.  Da  nun  4  g  Kohle  etwa  5  ccm  Poren  besitzen,  so 
sind  in  diese  5  ccm  1231  ccm  Gas  hineingepresst,  das  Gas 
besitzt  also  bei  einem  äusseren  Drucke  von  3  Atmosphären 
eine  Dichtigkeit,  wie  sie  bei  246  Atmosphären  vorhanden 
ist.  Da  die  Dichtigkeit  an  der  Wand  die  mittlere  Dichtig- 
keit wohl  bedeutend  übertreffen  muss,  so  können  wir  die- 
selbe zweifellos  grösser  annehmen,  als  sie  500  Atmosphären 
entsprechen  würde. 

Ausserordentlich  viel  kleiner  ergibt  sich  dagegen  die 

30* 


468  H.  Kayser. 

Dichtigkeit  am  Glaspulver.  Der  zwischen  dem  Pulver  freie 
Raum  betrug  165  ccm;  bei  1408  mm  waren  adsorbirt  5,78 ccm 
NH3,  die  mittlere  Dichtigkeit  entsprach  daher  nur  einem 
Drucke  von  1457  mm. 

Die  Versuche  an  Glasfaden  gestatten  einen  Schluss  auf 
die  ungefähre  Dicke  der  Schicht,  da  wir  gesehen  haben,  dass 
dieselbe  von  derselben  Ordnung  sein  muss,  wie  die  halbe 
Entfernung  zwischen  benachbarten  Fäden.  Nehmen  wir  an. 
dass  die  Fäden  so  nahe  wie  möglich  liegen,  d.  h.  dass  sich 
je  drei  Fäden  berühren,  so  wäre  die  Dicke  der  Schicht  min- 
destens gleich  dem  Radius  des  in  den  dreieckigen  freien  Zwi- 
schenraum einzuschreibenden  Kreises,  also  gleich  r[(2//3)-l], 
wo  r  den  Radius  der  Glasfäden  bedeutet,  also  bei  mir  gleich 
0,002  mm  bis  0,003  mm.  Von  molecularen  Dimensionen  ist 
also  bei  der  Dicke  der  Schicht,  wenigstens  für  die  leicht 
condensirbaren  Gase  nicht  die  Rede,  und  es  sind  daher  die 
adsorbirten  Gasmengen  in  Wahrheit  grösser,  als  sie  hier 
angegeben  sind,  da  bei  ihrer  Berechnung  die  Dicke  der 
Schicht  als  unendlich  klein  angenommen  worden  ist. 

Beachtenswerth  ist  noch  ein  Punkt,  welchen  die  Curven 
für  S02  zeigen.  Der  zur  Condensation  nöthige  Druck  ist 
für  S02  bei  0°  gleich  1165mm;  damit  stimmt  die  Curve  für 
Glaspulver  nahezu  überein,  da  sie  ihn  etwa  gleich  1200  mm 
ergibt.  Ganz  anders  ist  das  mit  der  Curve  für  Glasfäden; 
nach  derselben  würde  der  Condensationsdruck  zwischen 
900  mm  und  1000  mm  liegen.  Es  ist  dies  eine  merkwürdige 
Erscheinung,  welche  der  weiteren  Untersuchung  wohl  werth  ist. 

Meine  Untersuchungen  haben  das  beabsichtigte  Ziel  nicht 
erreicht;  sie  haben  im  Gegentheil  gezeigt,  dass  dasselbe  sich 
wohl  überhaupt  nicht  wird  erreichen  lassen,  da  ich  nicht 
einsehe,  wie  man  die  nöthigen  grossen  Oberflächen  herstellen 
könnte,  ohne  die  Theile  derselben  sehr  nahe  aneinander  zu 
bringen,  wodurch  man  immer  zu  kleine  Resultate  erhalten 
wird.  Es  scheint  mir  aber,  dass  die  Versuche  geeignet  sind, 
neue  Aufschlüsse  über  das  Wesen  und  Verhalten  der  Gase  zu 
geben,  und  dass  weitere  Versuche  dieser  Art  vielleicht  neue  An- 
knüpfungspunkte für  die  kinetische  Gastheorie  bieten  können. 

Berlin,  Juni  1881. 


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W.  Siemens. 


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V.   IHe  dynamoelectrische  Maschine; 
von  W.  Siemens. 

(Aus  den  Bert.  Ber.  vom  18.  Nov.  1880;  mitgetheilt  vom  Hrn.  Verf.) 


Mit  dem  Namen  „dynamoelectrische  Maschine"  bezeich- 
nete ich  in  einer  Mittheilung,  welche  der  Academie  vod 
meinem  verehrten  Lehrer  und  Freunde  Martin  Magnus 
am  17.  Januar  1867  gemacht  wurde,  ein  Maschinensystem, 
bei  welchem  die  bis  dahin  bei  Inductionsraaschinen  zur  Er- 
zeugung electrischer  Ströme  verwendeten  Stahl-  oder  dauernd 
magnetisirten  Electromagnete  durch  solche  Electromagnete 
ersetzt  waren,  deren  Drahtwindungen  einen  Theil  des  Strom- 
laufes der  inducirten  Drahtspiralen  bildeten.  Ich  wies  in 
dieser  Mittheilung  nach,  dass  bei  jeder  electromagnetischen 
Kraftmaschine,  wenn  sie  durch  äussere  Kräfte  in  entgegen- 
gesetztem Sinne  gedreht  wird,  als  der,  in  welchem  sie  sich 
durch  eine  in  ihren  Stromkreis  eingeschaltete  galvanische 
Kette  bewegt,  eine  fortlaufende  Verstärkung  des  in  ihren 
Windungen  circulirenden  Stromes  eintreten  muss.  Ich  zeigte 
ferner,  dass  bei  zweckentsprechender  Construction  der  Ma- 
schine der  im  Eisen  zurückbleibende  Magnetismus  ausreicht, 
um  bei  hinlänglich  schneller  Drehung  diesen  Steigerungs- 
process  einzuleiten,  sodass  eine  einmal  thätig  gewesene 
Maschine  für  immer  die  Eigenschaft  gewonnen  hat,  electrische 
Ströme  zu  erzeugen,  deren  Stärke  eine  Function  der  Drehungs- 
geschwindigkeit ist.  Endlich  wies  ich  schon  in  dieser  Mit- 
theilung darauf  hin,  dass  durch  diese  Combination  das  bis- 
her bestandene  Hinderniss  der  Erzeugung  sehr  starker  Ströme 
durch  Aufwendung  von  Arbeitskraft  hinweggeräumt  sei,  und 
sprach  die  Erwartung  aus,  dass  viele  Gebiete  der  Technik 
durch  die  ihr  von  nun  an  zu  Gebote  stehenden,  leicht  und 
billig  zu  erzeugenden,  starken  Ströme  einen  wichtigen  An- 
trieb zu  weiterer  Entwickelung  finden  würden. 

Es  bedurfte  eines  Zeitraumes  von  vierzehn  Jahren,  bis 
die  letztere  Erwartung  ersichtlich  in  Erfüllung  ging.  Gegen- 
wärtig benutzt  die  Hüttenindustrie  bereits  dynamoelectrische 
Maschinen,  welche  täglich  Tonnen  Kupfer  galvanisch  in 


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W,  Siemens. 


chemisch  reinem  Zustande  niederschlagen  und  es  dabei  von 
den  Edelmetallen,  die  es  enthielt,  trennen.  Durch  dynamo- 
electrische  Maschinen  erzeugte  Ströme  speisen  bereits  hundert- 
tausende von  electrischen  Lichtern,  und  diese  beginnen  schon 
in  vielen  Fällen  die  älteren  Beleuchtungsarten  zu  verdrängen. 
Eine  kaum  übersehbare  Tragweite  scheint  aber  in  neuerer 
Zeit  die  Uebertragung  und  Vertheilung  von  Arbeitskraft 
durch  dynamoelectrische  Maschinen  und  namentlich  die  Fort- 
bewegung von  Personen  und  Lasten  durch  den  electrischen 
Strom  zu  gewinnen. 

Obgleich  ich  an  dieser  Entwickelung  der  dynamo electri- 
schen Maschine  und  ihrer  Anwendung  stets  thätigen  Antheil 
genommen  habe,  fand  ich  doch  keine  Veranlassung,  der 
Academie  über  diese  Arbeiten  zu  berichten,  da  es  weniger 
wissenschaftliche  als  technische  Aufgaben  waren,  die  gelöst 
werden  mussten,  um  die  Maschine  selbst  und  die  Hülfs- 
organe  derselben  für  ihre  technische  Verwendung  zweckent- 
sprechend auszubilden. 

Bei  der  ursprünglich  von  mir  construirten  dynamoelectri- 
schen  Maschine  bestand  der  bewegliche  Theil  aus  meinem 
rotirenden  Cylindermagnete,  dessen  Construction  im  Jahre 
1857  von  mir  publicirt  wurde.1)  Die  Wechselströme,  welche 
in  den  Leitungsdrähten  dieses  Cylindermagnetes  bei  seiner 
Rotation  zwischen  den  ausgehöhlten  Polen  eines  starken 
Electromagnetes  auftreten,  wurden  durch  einen  Commutator 
mit  Schleiffedern  gleich  gerichtet  und  durchliefen  dann  die 
Windungen  des  fest  stehenden  Electromagnetes.  Es  stellte 
sich  bei  dieser  Maschine  der  unerwartete  Umstand  ein,  dass 
die  Erwärmung  des  rotirenden  Ankers  eine  viel  grössere 
war,  als  die  Rechnung  ergab,  wenn  man  nur  den  Leitungs- 
widerstand des  Umwindungsdrahtes  und  die  Stromstärke  in 
Betracht  zog.  Als  Ursache  dieser  grösseren  Wärmeent- 
wickelung ergab  sich  bald,  dass  das  Eisen  des  Ankers  selbst 
sich  bedeutend  erwärmte.  Zum  Theil  war  diese  Erwärmung 
den  Strömen  zuzuschreiben,  welche  der  Magnetismus  des  festen 
Magnetes  im  Eisen  des  rotirenden  Ankers  erzeugen  musste 


1)  Siemens,  Pogg.  Ann.  101.  p.  271.  1857. 


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W,  Siemens, 


471 


(den  sogen.  Foucault' sehen  Strömen);  doch  sie  blieb  auch  zum 
grössten  Theile  noch  bestehen ,  als  der  Anker  aus  dünnen 
Eisenblechen  mit  isolirenden  Zwischenlagen,  die  dem  Fou- 
cault'schen  Strömen  den  Weg  versperrten,  hergestellt  war. 
Es  musste  daher  eine  andere  Ursache  der  Wärmeentwicke- 
lung im  Eisen  wirksam  sein.  Eine  nähere  Untersuchung  der 
Erscheinung  ergab  in  der  That,  dass  das  Eisen  bei  sehr 
schnellem  und  plötzlichen  Wechsel  seiner  magnetischen  Po- 
larität  sich    erhitzt,    wenn    die  Magnetisirung  sich  dem 
Maximum  der  magnetischen  Capacität  des  Eisens  nähert. 
Dieser  Uebelstand  der  Erhitzung  des  rotirenden  Ankers 
machte  es  noth wendig,  denselben  bei  längerem  Gebrauche 
der  Maschine  durch  einen  Wasserstrom  zu  kühlen,  um  die 
Verbrennung  der  Umspinnung  der  Drähte  und  anderer  durch 
Erhitzung  zerstörbarer  Theile  derselben  zu  verhindern.  Die 
Unbequemlichkeit  dieser  Kühlung  und  der  durch  die  Um- 
wandlung von  Arbeit  in  Wärme  bedingte  beträchtliche 
Arbeitsverlust  bildeten  jedoch  ein  grosses  Hinderniss  der 
Anwendung  der  dynamoeleetrischen  Maschine.    Die  Besei- 
tigung desselben  wurde  angebahnt  durch  den  magnetelectri- 
schen  Stromgeber,  welchen  Pacinotti  im  Nuovo  Cimento 
1863  publicirte.    Derselbe  bestand  aus   einem  Eisenringe, 
welcher  seiner  ganzen  Länge  nach  mit  einer  Drahtspirale 
umwunden  war,  und  der  zwischen  den  ausgehöhlten  Polen 
eines  permanenten  Magnetes  rotirte.    Durch  magnetische 
Vertheilung  bildeten  sich  in  diesem  Eisenringe  Magnetpole, 
welche  den  entgegengesetzten  Polen  des  festen  Magnetes 
gegenüberstanden  und  ihre  Lage  auch  dann  beibehielten, 
wenn  der  Eisenring  rotirte.    Da  hierbei  die  äusseren  Theile 
der  Drahtwindungen   des  Ringes  continuirlich  die  beiden 
feststehenden  magnetischen  Felder  zwischen  den  Magnet- 
polen und  dem  Eisenringe  durchliefen,  so  mussten  in  dem 
in  sich  geschlossenen  Umwindungsdrahte  entgegengesetzt  ge- 
richtete electromotorische  Kräfte  auftreten,  die  keinen  Strom 
erzeugen  konnten,  weil  sie  gleich  gross  waren.  Verband  man 
aber  die  einzelnen  Drahtwindungen  oder  gleichmässig  auf 
der  Ringoberfläche  vertheilte  Gruppen  dieser  Windungen 
leitend  mit  Metallstücken,  die  concentrisch  um  die  Rotations- 


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W.  Siemens. 


axe  des  Ringes  gruppirt  waren,  und  Hess  man  diese  unter 
zwei  feststehenden  Schleiffedern  fortgehen,  welche  sich  in 
gleichem  Abstände  von  beiden  Magnetpolen  gegenüberstan- 
den, so  vereinigten  sich  die  beiden  entgegengesetzten  Ströme 
der  Drahtwindungen,  welche  nun  eine  Ableitung  fanden,  zu 
einem  einzigen  continuirlichen  Strome  durch  den  die  Schleif- 
federn verbindenden  Stromleiter.  Ich  hatte  zwar  schon  viel 
früher  eine  ähnliche  Combination  benutzt,  um  continuirliche 
Ströme  mit  Hülfe  einer  in  sich  geschlossenen  Inductions- 
spirale  zu  erzeugen1);  der  Pacinotti'sche  Ring  hat  aber  vor 
dieser  den  Vorzug  grösserer  Einfachheit,  und  dass  der  all- 
mählig  vor  sich  gehende  Polwechsel  im  Eisen  weniger  Wärme 
entwickelt.  Dem  Anschein  nach  hat  Pacinotti  seine  Ring- 
maschine nur  zur  Herstellung  kleiner  magnet-electrischer 
Stromerzeuger  und  kleiner  electro magnetischer  Maschinen 
verwendet.  Gramme  in  Paris  hatte  zuerst,  im  Jahre  1868. 
den  glücklichen  Gedanken,  dynamoelectrische  Maschinen 


1)  Eine  derartige  Maschine  zur  Hervorbringung  continuirlicher  hoch- 
gespannter »Ströme  für  telegraphUche  Zwecke  war  von  Siemens  und 
Halske  in  der  Londoner  Industrieausstellung  von  1855  ausgestellt  und 
befindet  sich  gegenwärtig  im  hiesigen  Postmuseum.  Sie  besteht  aus  einem 
flachen  Conus  oder  Teller,  welcher  auf  einer  ebenen  Fläche  sich  abrollt. 
War  der  Rand  der  Mantelfläche  des  Conus  mit  kleinen  Electromagneten 
besetzt,  deren  Windungen  einen  in  sich  geschlossenen  Leitungskreis  bil- 
deten, während  die  ebene  Fläche  mit  Stahlmagneten  armirt  war,  so 
näherte  sich  bei  dem  Fortrollen  des  Tellers  die  Hälfte  der  Electromagnet- 
pole  den  Polen  der  Stahlmagnete,  wahrend  sich  die  andere  Hälfte  von 
denselben  entfernte.  Der  gemeinsame  Umwindungsdraht  communicirte 
zwischen  je  zwei  der  Hufeisenelectromagnete ,  die  sich  in  radialer  Lage 
befanden,  mit  Contactstücken,  die  im  Kreise  um  die  Welle  angebracht 
waren,  welche  den  Teller  drehte,  d.  i.  rollen  liess.  Zwei  mit  der  Welle 
verbundene  isolirte  Schleiffedern  waren  so  eingestellt,  dass  sie  stets  die 
Contactstellen  berührten,  welche  zu  dem  den  Stahlmagueten  nächsten 
und  zu  dem  ihnen  fernsten  Electromagnet  führten.  Da  bei  der  Annähe- 
rung und  Entfernung  der  Electro magnete  von  den  permanenten  Magneten 
Ströme  entgegengesetzter  Richtung  in  den  Windungen  der  ersteren  indu- 
cirt  werden,  so  vereinigen  sich  dieselben  in  den  Schleiffedern  zu  einem 
continuirlichen,  bei  gleichmässiger  Drehung  constanten  Strome.  Sollte 
die  Maschine  als  electromagnetische  Kraftmaschine  benutzt  werden,  so  wurde 
ein  eiserner  Conus  verwendet  und  die  Electromagnete  in  die  ebene 
Fläche  gesetzt. 


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W.  Siemens. 


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mit  Hülfe  des  Pacinotti'schen  Ringes  auszuführen  und  da- 
durch die  lästige  Erhitzung  des  Eisens  der  rotirenden 
Cylindermagnete  zu  beseitigen. 

Der  Gramme'8chen  dynamoelectrischen  Maschine  haftet 
aber  noch  der  Mangel  an,  dass  nur  die  die  magnetischen 
Felder  durchlaufenden  äusseren  Theile  der  Drahtwindungen 
der  inducirenden  Wirkung  unterliegen,  während  die  innere 
Hälfte  derselben  ohne  wesentliche  Wirkung  bleibt  und  den 
Widerstand  der  Strombahn  nur  nutzlos  erhöht,  v.  Hefner- 
Alteneck  beseitigte  denselben  bei  der  nach  ihm  benannten 
dynamoelectrischen  Maschine  zum  grossen  Theile  dadurch, 
dass  er  den  rotirenden  Ring  oder  auch  einen  massiven  Eisen- 
cylinder  nur  an  der  Aussenseite  mit  Windungen  versah, 
welche  gruppenweise,  wie  bei  der  Gramme'schen  Maschine, 
mit  Contactstücken  und  Schleiffedern  oder  Drahtbürsten 
communicirten.  Die  G-ramme'sche  und  die  v.  Hefner'sche 
Maschine  sind  vielfach  in  wissenschaftlichen  und  technischen 
Schriften  dargestellt  und  erörtert  worden,  ich  werde  daher 
hier  auf  eine  specielle  Beschreibung  derselben  nicht  eingehen. 
Sie  bilden  gegenwärtig  die  typischen  Grundformen  für 
Maschinen  zur  Erzeugung  starker  electrischer  Ströme  für 
technische  Zwecke  und  werden  diesen  entsprechend  in  den 
verschiedensten  Formen  und  Grössen  ausgeführt.  So  be- 
sitzen z.  ß.  die  Maschinen  v.  Hemer'schner  Construction, 
welche  zur  Kupferraffini rung  in  der  Kupferhütte  zu  Oker 
benutzt  werden,  und  von  denen  eine  jede  täglich  in  zwölf 
hinter  einander  geschalteten  Zellen  ca.  300kg  Rohkupfer 
auflöst  und  galvanisch  in  Plattenform  wieder  niederschlägt, 
Umwindungsdrähte  von  13qcm  Querschnitt,  während  Ma- 
schinen zur  Erzeugung  vieler  electrischer  Lichter  und  zur 
Kraftübertragung  Umwindungsdrähte  vom  Gewichte  mehrerer 
Oentner  haben. 

Diese  in  Vergleich  mit  früheren  electrischen  Apparaten 
colossalen  Leistungen  und  Dimensionen  werden  jedoch  noch 
bedeutend  überschritten  werden,  wenn  die  neuerdings  ange- 
bahnte Anwendung  der  dynamoelectrischen  Maschine  zur 
Kraftübertragung  allgemeiner  geworden  ist. 

Wenn  man  zwei  dynamoelectrische  Maschinen  in  den- 


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fV.  Siemens. 


selben  Kreislauf  bringt  und  die  eine  mit  constanter  Ge- 
schwindigkeit dreht,  so  muss  die  andere  sich  als  electro- 
magnetische  Maschine  in  umgekehrter  Richtung  drehen,  wie 
schon  aus  der  Betrachtung  folgt,  dass  eine  dynamoelectrische 
Maschine  eine  in  umgekehrter  Richtung  gedrehte  electro- 
magnetische  Maschine  ist.  Der  Gegenstrom,  den  diese  durch 
den  Strom  rotirende  Maschine  erzeugt,  schwächt  nun  den 
durch  die  primäre  dynamoelectrische  Maschine  erzeugten 
Strom  und  vermindert  dadurch  zugleich  auch  die  Arbeit, 
welche  zur  Drehung  der  letzteren  erforderlich  ist.  Hätte  die 
secundäre  Maschine  weder  innere  noch  äussere  Arbeit  zu 
verrichten,  so  würde  sich  ihre  Geschwindigkeit   so  weit 
steigern,   bis  ihre  electromotorische  Gegenkraft  der  der 
primären  Maschine  das  Gleichgewicht  hielte.  Es  würde  dann 
kein  Strom  mehr   durch   die  Leitung   gehen,   aber  auch 
weder  Arbeit  consumirt  noch  geleistet.    Vollständig  kann 
dieser  Gleichgewichtszustand  natürlich  niemals  erreicht  werden, 
weil  die  secundäre  Maschine  innere  Widerstände  zu  über- 
winden hat,  und  weil  die  primäre  Maschine  eine  von  ihrer 
Construction  abhängende  Geschwindigkeit  erreichen  muss, 
bevor  der  dynamoelectrische  Verstärkungsprocess  des  Stromes 
seinen  Anfang  nimmt.    Wird  der  secundären  Maschine  nun 
eine  Arbeitsleistung  aufgebürdet,  so  vermindert  sich  dadurch 
ihre  Geschwindigkeit.    Mit  dieser  vermindert  sich  die  von 
der  Rotationsgeschwindigkeit  abhängige  Gegenkraft,  und  es 
durchläuft  nun  beide  Maschinen   ein  der  Differenz  ihrer 
electrischen  Kräfte  entsprechender  Strom,  dessen  Erzeugung 
Kraft  verbraucht,  und  der  seinerseits  in  der  secundären  Ma- 
schine die  ihr  auferlegte  Arbeit  leistet.  Ich  habe  bereits  an 
anderen  Orten1)  darauf  hingewiesen,  dass  der  bei  dieser 
Kraftübertragung  erzielte  Nutzeffect  keine  constante  Grösse 
ist.  sondern  von  dem  Verhältnisse  der  Geschwindigkeit  beider 
Maschinen  abhängt,  und  dass  er  mit  der  Rotationsgeschwin- 
digkeit derselben  wächst.  Durch  die  nachfolgend  beschriebene 
Untersuchung  hat  sich  dies  innerhalb  gewisser  Grenzen  be- 
stätigt. Praktisch  ist  bisher  ein  Nutzeffect  bis  zu  60  Procent 


l  l  Siemens,  Zeitschr.  d.  electrotechn.  Vereins.  Febr.- Heft  1879.  p.  51. 


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W.  Siemens. 


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der  aufgewendeten  Arbeit  erzielt  worden,  und  es  sind  mit 
den  grössten  zur  Verwendung  gekommenen  Maschinen  — 
die  allerdings  nicht  speciell  für  Kraftübertragung,  sondern 
für  Beleuchtungszwecke  construirt  waren  —  bis  zu  10  mit 
dem  Prony'schen  Zaume  gemessene  Pferdekräfte  übertragen 
worden,  mit  einem  Nutzeffecte  von  durchschnittlich  50  Pro- 
cent. Es  wird  hiernach  bei  der  electrischen  Kraftübertragung 
bisher  nur  etwa  die  Hälfte  der  aufgewendeten  Arbeit  als 
]Nutzarbeit  wieder  gewonnen,  während  die  Hälfte  zur  Ueber- 
windung  der  Maschinen-  und  Leitungswiderstände  verbraucht 
und  in  Wärme  umgewandelt  wird.  Die  Grösse  dieses  Kraft- 
verlustes ist  offenbar  von  der  Construction  der  Maschine  ab- 
hängig. Wäre  keine  Aussicht  vorhanden,  durch  Verbesserung 
dieser  Constructionen  eine  wesentliche  Verminderung  des- 
selben herbeizuführen,  so  würde  die  technische  Verwendung 
der  electrischen  Kraftübertragung  eine  einigermassen  be- 
schränkte bleiben.  Es  ist  daher  von  Wichtigkeit,  die  in  der 
MaBchinenconstruction  liegenden  Ursachen  des  Kraftverlustes 
festzustellen  und  dann  in  Betracht  zu  ziehen,  ob  und  auf 
welchem  Wege  eine  gänzliche  oder  theilweise  Beseitigung 
dieser  Verlustquellen  anzubahnen  ist.  Es  können  hierbei 
die  rein  mechanischen  Kraftverluste  durch  Reibungen,  Luft- 
widerstand, Stösse  etc.  in  den  Maschinen  ausser  Betracht 
gelassen  werden.  Sie  bilden  nur  einen  kleinen  Theil  des 
Verlustes,  und  ihre  möglichste  Verminderung  ist  durch  An- 
wendung bekannter  Constructionsgrundsätze  herbeizuführen. 

Die  wesentliche  und  niemals  ganz  zu  beseitigende  physi- 
kalische Ursache  des  Kraftverlustes  ist  die  Erwärmung  der 
Leiter  durch  den  electrischen  Strom.  Da  bei  den  Maschinen, 
bei  welchen  kein  plötzlicher  Wechsel  des  Magnetismus  statt- 
findet, auch  keine  merkliche  unmittelbare  Erwärmung  des 
Eisens  der  Electromagnete  eintritt,  so  braucht  bei  diesen 
überhaupt  nur  diese  Erwärmung  der  Leiter  durch  die  sie 
durchlaufenden  Ströme  in  Betracht  gezogen  zu  werden.  Diese 
Leiter  sind  hier  nicht  nur  die  Leitungsdrähte  der  Maschinen 
und  die  leitende  Verbindung  derselben,  sondern  auch  die 
bewegten  Metallmassen  der  Maschinen,  in  welchen  Ströme 
inducirt  werden,  die  sie  erwärmen  (die  sogenannten  Foucault'- 


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W.  Siemens 


sehen  Ströme).  Als  wesentlicher  Grundsatz  für  die  Con- 
struetion  der  dynamoelectrischen  Maschinen  ergibt  sich  hier- 
nach, dass 

1.  alle  ausserwesentlichen  Widerstände  der  Maschine, 
d.  i.  hier  alle  diejenigen  Leitungsdrähte,  welche  nicht  electro- 
motori8ch  wirken,  möglichst  beseitigt  oder  doch  vermindert 
werden ; 

2.  die  Leitungsfähigkeit  aller  Leiter,  auch  der  electro- 
motorisch  wirksamen,  möglichst  gross  gemacht  wird; 

3.  durch  die  Anordnung  der  Metallmassen,  in  welchen 
durch  bewegte  Stromleiter  oder  Magnete  Foucault'sche 
Ströme  erzeugt  werden  können,  diesen  die  Strombahn  mög* 
liehst  abgeschnitten  wird; 

4.  der  in  den  Electromagneten  erzeugte  Magnetismus 
möglichst  vollständig  und  direct  zur  Wirkung  kommt; 

5.  die  Abtheilungen  der  Windungen  des  inducirten 
Drahtes,  welche  von  Strömen  wechselnder  Richtung  durch- 
strömt werden,  möglichst  klein,  die  Zahl  der  Abtheilungen 
mithin  möglichst  gross  gemacht  wird,  damit  der  beim  Strom- 
wechsel eintretende  Extrastrom  möglichst  klein  wird. 

Betrachten  wir  die  beiden  diesen  Betrachtungen  zu 
Grunde  liegenden  Maschinensysteme,  das  Gramme'sche  und 
das  v.  Hefner'sche,  vom  Standpunkte  dieser  Constructions- 
bedingungen  aus,  so  finden  wir,  dass  dieselben  bei  beiden 
nur  in  unvollkommener  Weise  erfüllt  werden. 

Bei  beiden  Maschinen  wirkt  der  Magnetismus  nicht 
direct  inducirend  auf  die  bewegten  Drähte  des  Ankers, 
sondern  es  geschieht  dies  im  wesentlichen  erst  indirect 
durch  den  im  Gramme'schen  Ringe  oder  dem  v.  Hefner'schen 
äusserlich  umwickelten  Eisencylinder  durch  die  ausgehöhlten 
Magnetpole  der  festen  Magnete  erregten  Magnetismus.  Dass 
die  directe  inducirende  Wirkung  der  ausgehöhlten  Magnet- 
pole auf  die  rotirenden  Drähte  nur  gering  ist,  ergibt  das 
Experiment,  wenn  man  bei  der  v.  Hefner'schen  Maschine 
den  Eisencylinder  durch  einen  Cylinder  aus  nicht  magnetischem 
Material  ersetzt.  Es  folgt  dies  aber  auch  schon  aus  der  Be- 
trachtung, dass  auf  einen  bewegten  Draht  nur  diejenigen  Theile 
des  ausgehöhlten  Magnetpoles  in  gleichem  Sinne  wie  der 


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W.  Siemens.  All 

Magnetismus  des  inneren  Cylinders  inducirend  einwirken, 
welche  ausserhalb  der  der  Drehungsaxe  parallelen,  durch  den 
rotirenden  Draht  gelegten  Ebene  liegen,  die  senkrecht  auf  dem 
Drehungsradius  des  Drahtes  steht,  während  die  innerhalb 
dieser  Ebene  liegenden  Theile  der  ausgehöhlten  Pole  eine  ent- 
gegengesetzte Wirkung  ansahen.  Es  muss  daher  bei  beiden 
Maschinen  zur  Herbeiführung  einer  bestimmten  Inductions- 
wirkung  ein  weit  stärkerer  Electromagnet  zur  Wirkung 
kommen,  wie  unter  günstigeren  Bedingungen  erforderlich 
wäre.  Um  diesen  stärkeren  Magnetismus  zu  erzeugen,  muss 
ein  grösserer  Theil  des  zur  Maschine  verwendeten  Leitungs- 
drahtes auf  Kosten  der  Länge  des  inducirten  Drahtes  zur 
Magnetisirung  des  festen  Magnetes  verwendet  werden. 

Zur  Beseitigung  der  Foucault'schen  Ströme  im  rotiren- 
den Eisenringe  wird  letzterer  sowohl  bei  der  Gramme'schen 
wie  bei  der  v.  Hefner'schen  Maschine  aus  übersponnenen 
oder  lackirten  Eisendrähten  gewickelt.  Der  Kreislauf  dieser 
Ströme  wird  hierdurch  auf  den  Umfang  der  Eisendrähte  ein- 
geschränkt, mithin  auch  der  Wärmeverlust  durch  dieselben 
sehr  klein  gemacht.  Dagegen  bieten  die  ausgehöhlten  Magnet- 
pole diesen  Strömen  noch  grössere  geschlossene  Strombahnen 
dar,  welche  Wärmeverluste  bedingen. 

Bei  dem  Pacinotti'schen  Ringe  der  Gramme'schen  Ma- 
schine liegt,  wie  schon  hervorgehoben,  ein  grosser  Kraftver- 
lust, durch  nutzlose  Verlängerung  des  Umwindungsdrahtes, 
in  dem  Umstände,  dass  nur  die  äusseren  Theile  des  Umwin- 
dungsdrahtes electromotorisch  wirken,  während  die  im  Innern 
des  Ringes  liegenden  Theile  desselben  nur  als  Leiter  auf- 
treten und  nutzlos  erwärmt  werden  müssen.  Bei  dem  nur 
ausserlich  umwickelten  v.  Hefner'schen  Eisencylinder  ist  dies 
Verhältniss  wesentlich  günstiger,  doch  bilden  auch  bei  diesem 
die  die  Stirnflächen  der  Cylinder  bedeckenden  Drahtstücke 
todte  Widerstände.  Ist  die  Länge  des  Cylinders,  wie  gewöhn- 
lich der  Fall,  ein  Vielfaches  des  Durchmessers,  so  ist  der 
durch  die  nicht  inducirend  wirksamen  Drähte  erzeugte  Ver- 
lust an  Leitungsfähigkeit  allerdings  weit  geringer,  wie  bei 
der  Gramme'schen  Maschine.  Dagegen  hat  diese  aber  den 
Vorzug  einer  einfacheren  Drahtführung,  welche  die  Möglich- 


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478 


W.  Siemens. 


keit  gewährt,  eiDe  grössere  Zahl  kleinerer  Windungsabthei- 
lungen einzuführen,  wodurch  der  Kraftverlust  durch  den 
beim  Wechsel  der  Stromrichtung  eintretenden  Extra- 
strom und  die  zum  Theil  von  diesem  abhängige  lästige 
Funkenbildung  vermindert  wird. 

Von  noch  grösserer  Bedeutung,  wie  diese  Verlustquellen, 
welche  alle  auf  unnütze  Vergrösserung  der  zur  Erzielung 
eines  bestimmten  Effectes  erforderlichen  Maschine  und  ihres 
Leitungswiderstandes  hinführen,  ist  aber,  wie  aus  der  Zu- 
sammenstellung unserer  Versuche  durch  Dr.  Frölich  her- 
vorgeht, der  rückwirkende  Einfluss  der  die  Drähte  der  Ma- 
schine durchlaufenden  inducirten  Ströme  selbst.  Dieser  Ein- 
rluss  ist  bei  beiden  hier  betrachteten  Maschinensystemen  ein 
doppelter,  nämlich  einmal  die  Verschiebung  der  Lage  der 
magnetischen  Pole  des  Pacinotti'schen  Ringes,  resp.  des  v. 
Hefner'schen  Cylinders,  und  zweitens  die  Herabdrückung  des 
magnetischen  Maximums,  sowohl  der  festen  Magnetpole,  wie 
des  Ringes,  durch  Magnetisirung  des  Eisens  im  Sinne  der 
inducirten  Ströme,  mitbin  senkrecht  auf  die  Richtung  des 
wirksamen  Magnetismus.  Die  inducirten  Ströme  suchen  den 
Ring,  resp.  den  Cylinder,  derart  zu  magnetisiren,  dass  die 
Polebene  senkrecht  auf  der  Polebene  der  festen  Magnete 
steht,  es  muss  die  wirkliche  Polebene  daher  die  Resultante 
der  beiden  senkrecht  auf  einander  stehenden,  magnetisirenden 
Einflüsse  sein.  Es  ergibt  sich  dies  auch  daraus,  dass  man 
die  Schleiffedern  beim  Gange  der  Maschine  um  einen  von 
der  Stärke  des  inducirenden  Stromes  abhängigen  Betrag 
nachstellen  muss,  um  das  Maximum  der  Wirkung  zu  er- 
halten. Durch  diese  Magnetisirung  in  einer  zur  Richtung 
des  inducirenden  Magnetismus  senkrechten  Richtung  wird 
nun  ein  Theil  der  hypothetischen  magnetischen  Eisenmole- 
cüle  in  Anspruch  genommen;  es  muss  daher  die  Magneti- 
sirung des  Ringes  durch  den  festen  Magnet  entsprechend 
kleiner  werden.  Aus  dem  Umstände,  dass  man  die  Contact- 
federn  oder  Bürsten  bei  schnellerer  Rotation  des  Cylinders 
mehr  wie  bei  langsamerem  Gange  nachstellen  muss,  auch 
wenn  durch  äussere  eingeschaltete  Widerstände  die  Strom- 
stärke constant  erhalten  wird,  ergibt  sich  ferner,  dass  ent- 


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W.  Siemens. 


479 


weder  ein  Mitführen  des  im  Ringe  oder  Cylinder  durch  die 
feststehenden  Magnetpole  erzeugten  Magnetismus  durch  das 
rotirende  Eisen  stattfindet,  oder  dass  Zeit  zur  Ausführung 
der  Magnetisirung  erforderlich  ist,  die  Ringmagnetisirung 
mithin  um  so  kleiner  wird,  je  grösser  die  Rotationsgeschwin- 
digkeit des  Ringes  ist. 

Diesen  Ursachen  ist  auch  die  auffallende  Erscheinung 
zuzuschreiben,  dass  die  Stromstärke  der  in  sich  geschlossenen 
Dynamomaschine  näch  Beendigung  des  Steigerungsprocesses 
der  Drehungsgeschwindigkeit  nahe  proportional  ist,  während 
das  dynamoelectrische  Princip  an  sich  (d.  h.  ohne  Berück- 
sichtigung der  Erwärmung  der  Drähte,  der  secundären  Wir- 
kung der  inducirten  Ströme  u.  s.  w.)  bei  jeder  Drehungsge- 
schwindigkeit ein  Ansteigen  des  Stromes  bis  zu  derselben 
unendlichen  Höhe  bedingt,  wenn  der  Magnetismus  der  Strom- 
stärke proportional  ist. 

Ob  und  in  wie  weit  eine  Vervollkommnung  der  Con- 
struction  der  dynamoelectrischen  Maschinen  die  geschilderten 
Mängel  derselben  zu  beseitigen  im  Stande  ist,  lässt  sich 
theoretisch  nicht  feststellen.  Auf  die  Pläne,  durch  welche 
eine  solche  Vervollkommnung  angestrebt  wird,  hier  einzu- 
gehen, würde  zwecklos  sein.  Um  jedoch  das  Bild  der  gegen- 
wärtigen Sachlage  zu  vervollständigen,  will  ich  noch  einige 
meiner  Versuchsconstructionen  beschreiben,  welche  den  Aus- 
gangspunkt zu  diesen  Bestrebungen  bilden.  Dieselben  hatten 
den  directen  Zweck,  Maschinen  für  chemische  Zwecke  her- 
zustellen, bei  welchen  geringe  electromotorische  Kraft  aus- 
reichend, aber  sehr  geringerer  innerer  Widerstand  erforder- 
lich ist. 

Die  eine  dieser  Versuchsconstructionen,  die  sogenannte 
Topfmaschine,  hat  als  Grundlage  meinen  schon  früher  be- 
schriebenen Cylindermagnet  oder  Doppel-T-Anker  (Siemens 
armature).  Wenn  man  einen  solchen  transversal  umwickelten 
Magnet,  dessen  Polflächen  Theile  eines  Cylindermantels  sind, 
mit  parallelen  Leitern  umgibt,  die  an  einem  Ende  sämmtlich 
mit  einander  leitend  verbunden  sind,  und  dieselben  um  den 
Cylindermagnet  rotiren  lässt,  so  werden  in  denjenigen 
Drähten,  welche  sich  gerade  über  der  einen  Polfläche  be- 


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480 


fV.  Siemens. 


linden,  positive,  in  den  über  der  anderen  befindlichen  nega- 
tive Ströme  inducirt,  welche  sich  durch  passend  angebrachte 
Schleifcontacte ,  welche  alle  in  gleichem  Sinne  inducirten 
Drähte  oder  Kupferstäbe  leitend  mit  einander  verbinden,  zu 
Strömen  grosser  Stärke  vereinigen,  da  der  Widerstand  der 
Maschine  ein  ausserordentlich  geringer  ist. 

Die  Potentialdifferenz  der  beiden  Schleifcontacte  konnte 
der  Kürze  der  inducirten  Leiter  wegen  selbstverständlich 
nur  eine  geringe  sein.  Sie  erreichte  bei  der  grössten  zu- 
lässigen Rotationsgeschwindigkeit  noch  nicht  ein  Daniell, 
was  aber  ausreichend  für  galvanoplastische  Zwecke  ist. 

Durch  Anbringung  eines  Mantels  aus  isolirten  Eisen- 
drähten lässt  sich  die  Stärke  der  magnetischen  Felder  und 
damit  die  electromo torische  Kraft  des  Stromes  noch  beträcht- 
lich verstärken.  Bei  dieser  Construction  der  dynamoelectri- 
schen  Maschine  wirkt  der  Magnetismus  direct  inducirend; 
es  fällt  daher  bei  ihr  eine  Reihe  der  oben  erörterten  Con- 
structionsfehler  fort.  Sie  bildet  daher  den  Ausgangspunkt 
für  verbesserte  Constructionen  von  dynamoelectrischen  Ma- 
schinen, über  welche  ich  mir  weitere  Mittheilungen  vor- 
behalte. 

Eine  zweite  Construction  ruht  auf  einer  ganz  abweichen- 
den Grundlage,  nämlich  auf  der  sogenannten  unipolaren  In- 
duction.  Bekanntlich  entsteht  in  einem  Hohlcylinder,  wel- 
chen man  um  das  Nord-  oder  Südende  eines  Magnetstabes 
rotiren  lässt,  ein  Stromimpuls,  der  sich  durch  einen  Strom 
in  der  leitenden  Verbindung  von  Schleifiedern  an  den  beiden 
Enden  des  rotirenden  Cylinders  kundgiebt.  Es  wurde  nun 
ein  Hufeisen  mit  langen  cylindrischen  Schenkeln  so  placirt, 
dass  die  Polenden  nach  oben  gerichtet  waren.  Das  untere 
Drittheil  der  Schenkel  wurde  mit  Drahtwindungen  von  sehr 
grossem  Querschnitt  (etwa  20qcm)  umgeben.  Um  die  oberen 
zwei  Drittel  der  Länge  der  Schenkel  rotirten  zwei  Hohl- 
cylinder aus  Kupfer,  deren  untere  Enden  mit  den  oberen 
Anfängen  der  unter  sich  verbundenen  Spiralen  durch  ein 
System  von  Schleifiedern  communicirten,  während  die  an  dem 
oberen  Ende  derselben  angebrachten  Schleifiedern  isolirt 
waren.    Die  rotirenden  Cylinder  waren  mit  einem  eisernen 


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W.  Siemens. 


481 


* 

Mantel  umgeben,  welcher  den  Zweck  hatte,  den  Magnetis- 
mus des  Electromagnetes,  resp.  die  Stärke  der  cylindrischen 
magnetischen  Felder,  in  denen  die  Kupfercylinder  arbeiteten, 
zu  vergrössern.  Es  gelang  bei  den  allerdings  bedeutenden 
Dimensionen  dieser  Maschine,  durch  unipolare  Induction 
einen  Strom  zu  erzeugen,  welcher  in  einem  äusserst  geringen 
Widerstande  thätig  war  und  eine  electromotorische  Kraft 
von  ca.  1  Daniell  besass.  Trotz  dieser  verhältnissmässig  be- 
deutenden Leistungen  war  der  Nutzeffect  dieser  Maschine 
nicht  befriedigend,  da  die  Reibung  der  Schleiffedern  zu  gross 
war  und  die  Leistung  der  Grösse  der  Maschine  nicht  ent- 
sprach. 

Ich  will  hier  noch  bemerken,  dass  mein  Freund  G.  Kirch - 
hoff  mir  einen  beachtenswerthen  Vorschlag  machte,  um  die 
electromotorische  Kraft  dieser  Maschine  durch  Vergrösserung 
der  Länge  des  inducirten  Leiters  zu  vermehren. 

Er  schlug  vor,  die  Wände  der  rotirenden  Hohlcylinder 
durch  Längsschnitte  zu  trennen  und  sie  dann  mit  isoliren- 
den  Zwischenlagen  wieder  zu  einem  Hohlcylinder  zusammen- 
zufügen. Jedes  Ende  eines  der  so  gebildeten  isolirten  Stäbe 
sollte  mit  einem  isolirten  Schleifringe  leitend  verbunden 
werden.  Durch  die  im  Kreise  anzuordnenden  Schleiffedern 
konnten  dann  die  Enden  der  Stäbe  beider  Cylinder  derartig 
verbunden  werden,  dass  sie  in  demselben  Sinne  electromo- 
torisch  wirkten.  Technische  Schwierigkeiten  haben  die  Durch- 
führung dieses  beachtenswerthen  Vorschlages  bisher  ver- 
hindert, es  ist  aber  nicht  unwahrscheinlich,  dass  dieselben 
zu  überwinden  sind.  Auffallend  ist  bei  dieser  Maschine,  dass 
der  Magnetismus  des  grossen  Hufeisenmagnetes  viel  früher 
von  der  Proportionalität  mit  dem  (primären)  Strom  abweicht, 
als  zu  erwarten  war.  In  der  nachfolgenden  Tabelle  enthält 
die  erste  Columne  die  Stärke  des  magnetisirenden  Stromes 
in  Stromeinheiten,  die  zweite  die  Spannungsdifferenz  an 
den  Schleiffedern  in  Daniells,  die  dritte  die  Umdrehungszahl 
der  Kupfercylinder.  Wäre  der  Magnetismus  der  Stärke  des 
primären  Stromes  proportional,  so  müssten  die  Zahlen  der 
vierten  Columne  denen  der  ersten  proportional  sein,  was 
ersichtlich  nicht  der  Fall  ist.    Ebenso  wenig  ist  bei  dem 

Ann.  d.  Phys.  u.  Chem.  N.  F.  XIV.  31 


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482 


W.  Siemens 


durch  einen  Widerstand  geschlossenen  Leitungskreise  die  in 
der  letzten  Columne  angegebene  Stromstärke  in  demselben 
dem  Producte  aus  Stromstärke  des  primären  Kreises  in  die 
Tourenzahl,  dividirt  durch  den  eingeschalteten  Widerstand, 
proportional. 


Unipolare  Maschine 


Primärer 
Strom  in 

Dan. 

S.-E. 


119 
113 
102 
91 

83 
74 
65 
57 
43 
0 
42 
65 
90 
105 
124 
95 


S-  Span- 
nung an 
Polen 
in  Dan. 


v-  Touren 


0,74 

0,73 

0,70 

0,69 

0,68 

0,68 

0,67 

0,66 

0,63 

0,10 

0,040 

0,036 

0,047 

0,052 

0,052 

0,128 


8 


100 


Aeusserer 
Widerst. 

S.-E. 


in 


Mill. 


760 
810 
810 
825 
830 
840 
840 
850 
810 
820 
700 
660 
680 
680 
720 
670 


0,0974 
0,0901 
0,0864 
0,0836 
0,0819 
0,0810 
0,0798 
0,0776 
0,0778 
0,0012 


1 


Strom- 
stärke in 

Dan. 

S.^E. 


co 

« 
»I 

w 

» 
» 
v 
j> 

18 
18 
18 
18 
18 
160 


»* 

n 

M 

•• 

» 

i) 

W 

»> 
2,3 

2,1 

2,7 
3,0 
3,6 
0,8 


Dass  die  Magnetschenkel,  die  aus  Eisenröhren  von  16  cm 
äusserem,  9  cm  innerem  Durchmesser  und  116  cm  Länge  be- 
standen, schon  bis  zum  Maximum  magnetisirt  gewesen  waren,  ist 
schon  aus  dem  Grunde  nicht  anzunehmen,  weil  der  schwache 
rückbleibende  Magnetismus  bereits  etwa  ein  Achtel  der 
stärksten  Spannung  gab,  wie  aus  der  10.  Versuchsreihe  her- 
vorgeht. Es  ist  aber  möglich,  dass  der  Magnetismus  nicht 
gleichmässig  auf  der  Peripherie  der  feststehenden  Magnet- 
schenkel vertheilt  war,  und  dass  daher  die  augenblicklich  in 
schwächeren  magnetischen  Feldern  befindlichen  Theile  der 
rotirenden  Cylinder  eine  Nebenschliessung  für  die  in  stärke- 
ren Feldern  inducirte  Ströme  bildeten.  Bei  Durchführung 
des  Kirchhoffschen  Vorschlages  würde  dies  fortfallen. 


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9 


F.  Himstedt.  483 

VI.    lieber  die  Dämpfung  schwingender  Magnete 
durch  Eisenplatten;  von  F.  Himstedt. 

Die  Dämpfung  schwingender  Magnete  durch  Metall- 
massen, welche  magnetischer  Polarität  nicht  fähig  sind,  ist 
vielfach  Gegenstand  sowohl  theoretischer  als  experimenteller 
Untersuchungen  gewesen.  Gauss  hat  meines  Wissens  zu- 
erst1) die  Bewegungsgleichung  eines  in  einem  Multiplicator 
schwingenden  Magnets  entwickelt  unter  der  Voraussetzung, 
dass  die  dämpfenden  Kräfte  lediglich  herrühren  von  den  in 
dem  Drahtkreise  hervorgerufenen  Inductionsströmen.  Alle 
von  ihm  sowie  von  späteren  Autoren  aus  dieser  Gleichung 
gezogenen  Folgerungen  sind  durch  das  Experiment  bestätigt, 
und  wir  dürfen  behaupten,  dass  die  Einzelheiten  magneti- 
scher Schwingungen,  welche  gedämpft  werden  durch  Metall- 
massen, die  magnetischer  Polarität  nicht  fähig  sind,  hinrei- 
chend bekannt  sind,  und  dass  sie  alle  durch  die  Erschei- 
nungen der  Induction  ihre  volle  Erklärung  finden. 

Anders  verhält  es  sich  mit  der  Dämpfung,  die  durch 
solche  Metalle  ausgeübt  wird,  welche  magnetische  Polarität 
besitzen,  speciell  durch  das  Eisen.  Man  weiss,  dass  das 
Eisen  stärker  dämpft  als  irgend  ein  anderes  Metall,  und 
dass  nur  ein  Theil  dieser  Dämpfung  durch  Inductionsströme 
erklärt  werden  kann,  nirgends  aber  habe  ich  in  der  ein- 
schlägigen Literatur  Einzelheiten  über  die  durch  Eisen  ge- 
dämpfte Bewegung  eines  Magnets  finden  können,  noch  auch 
einen  Versuch,  durch  Messungen  die  Erklärung  zu  prüfen,  welche 
man  für  den  nicht  auf  Inductionserscheinungen  zurückführ- 
baren Theil  der  Dämpfung  gegeben  hat. 

In  dem  Folgenden  werde  ich  einige  Versuche  mittheilen, 
welche  den  Zweck  haben,  die  Hauptabweichungen  der  durch 
Eisen  gedämpften  Bewegung  eines  Magnets  von  der  durch 
Kupfer  gedämpften  festzustellen  und  die  Erklärung  des  nicht 
auf  Inductionsströme  zurückführbaren  Theiles  der  Dämpfung 
quantitativ  zu  prüfen. 

1)  Gauss.  Res.  a.  d.  Beob.  d.  magnet.  Vereins  zu  Göttiugen.  1837, 

31* 


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484  F.  Himstedt 

§  1.  Alle  Versuche  wurden  mit  demselben  Magnet  an- 
gestellt. Der  Querschnitt  desselben  ist  ein  Quadrat  von 
10  mm  Seite,  seine  Länge  beträgt  100  mm.  Das  magnetische 
Moment  wurde  dreimal  während  der  Versuche  bestimmt,  und 
wurden  dafür  die  Werthe  gefunden: 

14.  Dec.  1880         23.  Febr.  1881  11.  Juli  1881 

7  240  300  7  239  500  7  240  000 

Der  Magnet  war  bitilar  aufgehängt,  je  nach  Bedürfniss 
an  Coconfäden  oder  Messingdrähten,  die  an  den  unteren 
Enden  eingeklemmt  wurden,  an  dem  oberen  über  Rollen 
liefen.  Der  Fadenabstand  der  Suspension  konnte  mittelst 
zweier  Mikrometerschrauben  zwischen  den  Grenzen  8  und 
64  mm  variirt  werden.  Der  Magnet  trug  senkrecht  zu  der 
magnetischen  Axe  einen  Messingstab  von  ca.  200  mm  Länge, 
auf  welchem  Gewichte  zur  Aenderung  des  Trägheitsmomentes 
verschiebbar  waren.  Die  Beobachtung  des  Magnets  geschah 
mit  Fernrohr,  Scala  und  Spiegel.  Als  Dämpfungsmaterial 
wurden  Scheiben  und  Streifen  verschiedener  Form  und  Grösse 
benutzt  aus  Eisenblechen,  deren  Dicken  zwischen  0,13  und 
6,4  mm  lagen.  Die  Dicken  wurden  durch  Bestimmung  des  abso- 
luten Gewichts  und  des  spec.  Gewichts  ermittelt.  Alles  Beob- 
achtungsmaterial wurde  vor  dem  Versuche  in  Lehm  verpackt, 
in  einem  Holzkohlenfeuer  mehrere  Stunden  (4 — 6)  ausgeglüht 
und  durch  Bedecken  mit  Asche  für  eine  langsame  Abküh- 
lung Sorge  getragen.  Trotz  der  gleichmässigen  Behandlung 
zeigten  oft  Platten,  welche  aus  demselben  Stücke  geschnitten 
und  in  derselben  Lehmhülle  nebeneinander  liegend  geglüht 
waren,  bei  den  ersten  Versuchen  grosse  Verschiedenheiten, 
die  sich  jedoch  mit  sehr  wenigen  Ausnahmen  durch  öfteren 
Gebrauch  ausglichen.  Es  sind  deshalb  in  dem  Folgenden 
nur  solche  Resultate  in  Betracht  gezogen,  die  bei  wiederholt 
verwendeten  Platten  erhalten  wurden,  bei  welchen  man  offen- 
bar wird  die  Annahme  machen  dürfen  und  müssen,  dass  sich 
in  ihrem  Inneren  ein  gewisser  Gleichgewichtszustand  herge- 
stellt hat,  der  hauptsächlich  dadurch  bedingt  ist,  dass  die 
Eisenstücke  ohne  Ausnahme  etwas  permanenten  Magnetis- 
mus annahmen.  Die  Eisenplatten  und  Streifen  wurden  vor 
dem  Glühen  gerichtet  und  die  kleinen  Unebenheiten,  die  bei 


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F.  Himstedt 


485 


den  dünnsten  etwa  wieder  auftraten,  dadurch  beseitigt,  dass 
die  Platten  während  des  Versuchs  zwischen  zwei  Scheiben 
aus  hartem  Holz  geklemmt  wurden.  Unter  der  Entfernung 
des  Magnets  von  der  Eisenplatte  ist  im  Folgenden  stets  die 
von  der  unteren  Fläche  des  ersteren  bis  zu  der  oberen  der 
letzteren  zu  verstehen.  Dieselbe  wurde  regulirt  mittelst 
dreier  Stellschrauben  an  einem  kleinen  Tische,  auf  welchem 
die  Platten  durch  Schiebervorrichtungen  in  genau  bestimmte 
Lagen  gebracht  werden  konnten,  und  wurde  gemessen  durch 
zwischengeschobene  Holzkeile. 

§  2.  Der  wesentliche  Unterschied,  welchen  die  Beob- 
achtung ergeben  hat  zwischen  der  Dämpfung  durch  Kupfer- 
platten und  der  durch  Eisenplatten  von  gleichen  Dimen- 
sionen lässt  sich  in  folgender  Weise  aussprechen: 

Bei  einer  Kupferdämpfung  ist  das  logarithmische  Decre- 
ment  umgekehrt  proportional  der  Schwingungsdauer,  bei 
einer  Eisendämpfung  ist  das  logarithmische  Decre- 
ment  unabhängig  von  der  Schwingungsdauer. 

Die  Aenderung  der  Schwingungsdauer  geschah  durch 
Aenderung  des  Trägheitsmomentes,  während  die  Directions- 
kraft  der  Suspension  ungeändert  bleibt. 


d  = 

0,13 

d  =  0,35 

d  = 

1,6 

A 

t 

X   —  ).Q 

Ä 

t 

A 

t 

48,3 

12,00 
6,42 

0,000  238  6  , 
0,000  234  9 

35,4 

18,35 
5,55 

0,003  73 
0,003  72 

35 

13,22 
5,73 

0,000  231* 
0,000  219 

39 

12,09 
6,47 

0,000  615  4* 
0,000  577  4 

25,4 

13,1 
5,72 

0,001  23 
0,001  26 

25,8 

13,41 
5,77 

0,000  775 
0,000  780 

29 

12,13 
6,38 

0,001  873 
0,001  840 

15 

13,43 
5,8 

0,009  73 
0,009  84 

15 

13,27 
5,34 

0,004  26 
0,004  37 

24,2 

12,21 
6,41 

0,003  646 
0,003  548 

11,5 

13,25 

5,33 

0,011  12 
0,01154 

17,5 

12,05 
6,35 

0,009  202 
0,009  240 

14 

12,18 
6,23 

! 

0,018  610 
-  0,018  910 

i 

1 

Digiti 


486 


F.  Himstedt. 


A 


d  =»  2,8. 


X-X0 


A      t  l-X9 


d  =  6,4. 


Kupferplatte. 
d  =  6,4. 


30,3  11,95  0,000  249 
6,23  0,000  254 


24,5  12,3    0,000  227 
6,22  0.000  224 


A 


t 


x-xQ 


18,9   12,00  0,001  743* 
6,31  0,001  800 


14,7   12,27  0,001  044 
6.22  1  0,001  110 


5,5    11,98,0,000  314  5 
6,67  0,000  558 


11,2  12,2    0,007  67 
6,27  0,007  80 


11,5   12,3   1  0,005  993 
6,25  0,006  103 


Es  bezeichnet: 
d  die  Dicke  der  Platte, 
A  den  Abstand  derselben  vom  Magnet, 
t  die  Schwingungsdauer  des  Magnets, 

l  —  X0  die  Differenz  der  logarithmischen  Decremente  der 
Eisendämpfung  und  der  Luftdämpfung,  jede  in  Brigg'schen 
Logarithmen  gemessen. 

In  der  vorstehenden  Tabelle  zeigen  fast  alle  Zahlen, 
die  nach  dem  darüber  stehenden  Satze  gleich  sein  sollten, 
eine  kleine  Abweichung  voneinander,  einige  wenige  (die  mit 
einem  Stern  bezeichneten)  sogar  eine  solche  im  Betrage  von 
fast  7°/0  ihres  ganzen  Werthes.  Ich  mache  besonders  da- 
rauf aufmerksam,  dass  diese  Abweichungen  nicht  etwa  als 
Beobachtungsfehler  anzusehen  sind,  noch  aus  ihnen  auf  eine 
Unsicherheit  des  aufgestellten  Satzes  geschlossen  werden  darf, 
vielmehr  müssen  dieselben,  wenigstens  zum  grössten  Theile, 
gewiss  auf  eine  Fehlerquelle  zurückgeführt  werden,  die  bei 
den  Versuchen  nicht  zu  vermeiden  war.  Die  Beobachtung 
lehrt  nämlich,  dass  die  Schwingungsdauer  des  Magnets  durch 
die  untergelegten  Eisenplatten  mehr  oder  weniger  geändert 
wird 1),  und  zwar  derart,  dass  die  daraus  berechneten  Aende- 
rungen  der  auf  den  Magnet  wirkenden  Directionskraft  bis 
zu  2%  ihres  ganzen  Werthes  verschieden  sind  für  die  ver- 
schiedenen Schwingungsdauern.  Eine  Verschiedenheit  in  der 
Directionskraft  überträgt  sich  aber  direct  auf  das  logarith- 
mische Decrement. 

Unter  dem  logarithmischen  Decrement  ist  hier  und  im 
ganzen  Folgenden  zu  verstehen:  Die  Differenz  der  Logarith- 

1)  Bezüglich  der  Grösse  dieser  AenderuDgen  vergl.  §  8  p.  502. 


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487 


men  zweier  aufeinander  folgenden  Bogen  bei  gleichem  An- 
fangsbogen. Der  Grund  für  diesen  Zusatz  liegt  in  der 
Beobachtung,  dass  das  logarithmische  Decrement  (die 
Bezeichnung  im  gebräuchlichen  Sinne  genommen)  einer 
Eisendämpfung  mit  der  Grösse  des  Schwingungs- 
bogens abnimmt. 


A  = 

47,5. 

s 

X 

788,8 
780,9 
773,1 
765,4 
757,8 
750,3 

0,00436 
0,00436 
0,00435 
0,00434 
0,00432 

599,0 
593,3 
587,7 
582,1 
576,6 
571,1 

0,00416 
0,00411 
0,00416 
0,00413 
0,00416 

A  =  37,5. 


A  =  27,5. 


797,1 
772,3 
749,3 
727,6 
707,1 
688,1 
669,9 
653,0 
636,9 
621,6 
607,2 


0,01372 
0,01313 
0,01277 
0,01241 
0,01183 
0,01164 
0,01110 
0,01084 
0,01056 
0,01018 


809,1 
762,8 
721,3 
682,9 
647,4 
614,6 
584,0 
555,4 
528,6 
504,2 
482,2 


0,02559 
0,02429 
0,02376 
0,02319 
0,02258 
0,02218 
0,02180 
0,02148 
0,02053 
0,01937 
t  — 


A  der  Abstand  des  Magnets  von  der  Platte, 
s  die  aufeinander  folgenden  Schwingungsbogen  in  Sca- 
lentheilen, 

X  die  Differenz  der  Logarithmen  zweier  aufeinander  fol- 
genden Schwingungsbogen. 

Es  stimmt  diese  Beobachtung  sehr  gut  überein  mit  dem 
Satze,  dass  das  logarithmische  Decrement  unabhängig  ist 
von  der  Schwingungsdauer,  insofern  nämlich  die  Abhängig- 
keit des  Decrementes  von  dem  Schwingungsbogen  darauf 
hinweist,  dass  nicht  alle  dämpfenden  Kräfte  der  Geschwin- 
digkeit proportional  sein  können. 

§  3.  Ein  Theil  der  von  einer  Eisenplatte  ausgeübten 
dämpfenden  Wirkung  rührt  ohne  Zweifel  her  von  in  der 
Platte  auftretenden  Inductionsströmen,  muss  also  abhängig 
sein  von  der  Schwingungsdauer.  Gegenüber  dem  im  vorigen 
Paragraphen  aufgestellten  Satze  muss  es  deshalb  von  Inter- 
esse sein,  das  Verhältniss  dieses  Theiles  zu  der  gesammten 
Dämpfung  ermitteln  zu  können. 

Unter  der  Annahme,  dass  eine  Eisenkugel  magnetischer 


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488 


F.  Himstedt. 


Polarität  fähig  ist,  aber  keine  Coercitivkraft  besitzt,  hat  Hr. 
H.  Hertz  in  seiner  Dissertation1)  gefunden,  dass  die  von  einer 
Eisenkugel  erzeugte  Dämpfung  Vi  -f-  An&ja  mal  grösser  sein 
muss,  als  die  einer  gleichgrossen  Kupferkugel.2)  Hierin  ist 
&  die  magnetische  Polarisationsconstante,  a  das  Verhältniss 
der  specifischen  Leitungswiderstände  von  Eisen  und  Kupfer, 
und  setzen  wir  &  =  30,  a  =  6,  so  wird  annähernd: 

Die  Vergleichung  einer  Eisenplatte  mit  einer  Kupfer- 
platte von  gleicher  Grösse  hat  die  folgenden  Werthe  er- 
geben: 

d  =  1,6  mm 


Ä 

V) 

*. 

1  *e 

36,5 
30,0 
20,0 
14,0 
11,5 

0,001015 
0,001047 
0,000933 
0,001180 
0.0011 82 

0,001013 
0,001050 
0,000933 
0,001187 
0,001191 

0,002474 
0,004098 
0,010200 
0,024320 
0,035020 

Es  bezeichnet: 
A0  die  Luftdämpfung, 
A«  die  Dämpfung  mit  der  Kupferplatte, 
Ae  dieselbe  mit  der  Eisenplatte, 
A  den  Abstand  des  Magnets  von  der  Platte. 

Wie  man  sieht,  sind  nur  in  der  letzten  Reihe,  also  nur 
bei  dem  kleinsten  der  benutzten  Abstände  A*  und  A0  merk- 
lich verschieden.    Es  ist  dort: 

A,  -  A0  =  0,000029,     Ae  -  A0  =  0,033858. 

Machen  wir  die  Annahme,  dass  der  für  Kugeln  berech- 
nete Ausdruck  Vi  +  4& j a  auch  für  Platten  den  Werth  3 
besitzt  (er  wird  in  Wirklichkeit  noch  kleiner  sein),  so  finden 
wir,  dass  von  der  ganzen  Eisendämpfung  im  Werthe  von 

1)  H.  Hertz,  Ueber  die  Induction  in  rotirenden  Kugeln,  Berlin  1880. 

2)  Auch  aus  den  Formeln  meiner  Arbeit:  Wied.  Ann.  11.  p.  812 
1880  lasst  sich  das  gleiche  Verhältniss  ableiten. 

3)  Die  Beobachtungen  siud  an  verschiedenen  Tagen  angestellt,  und 
erklären  sich  die  verschiedenen  Werthe  von  k0  daraus,  dass  behufs  an- 
deren Messungen  an  der  Suspension  verschiedene  Aenderungen  vorge- 
nommen waren. 


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i 


F.  Himstedt. 


489 


Xe  —  X0  —  0,033858  nur  der  Betrag  0,000087,  also  noch  nicht 
ganz  YbVoj  auf  Inductionswirkungen  zurückzuführen  ist.  Bei 
Platten  von  6,4  mm  Dicke  wurde  in  dem  Abstände  A  = 
11,5  mm  bei  gleicher  Berechnung  etwas  mehr  als  1/2°j0,  in 
dem  Abstände  1,5  mm  nicht  ganz  l2/3°/o  von  Inductionswir- 
kungen herrührend  gefunden. 

Die  Resultate  dieser  Beobachtungen  stimmen  also  sehr 
gut  mit  dem  im  vorhergehenden  Paragraphen  aufgestellten 
Satze  überein,  indem  sie  zeigen,  dass  derjenige  Theil  der 
Dämpfung,  von  dem  man  weiss,  dass  er  von  der  Schwingungs- 
dauer abhängig  ist,  nur  ein  verschwindend  kleiner 
Bruchtheil  der  gesammten  Dämpfung  ist. 

§  4.  Wie  ich  in  der  Einleitung  erwähnt  habe,  ist  es 
schon  lange  als  feststehend  angesehen,  dass  nur  ein  Theil 
der  Eisendämpfung  von  Inductionsströmen  herrührt.  Zur 
Erklärung  des  übrig  bleibenden  Theiles  hat  man  angenom- 
men dass  in  der  Eisenscheibe  unter  den  Polen  des  darüber 
schwingenden  Magnetes  die  ungleichnamigen  Pole  entständen, 
und  dass  diese  auch  dann  noch  andauerten,  wenn  der  Mag- 
net in  seiner  Bewegung  jene  Punkte  schon  verlassen  hat. 
Dass  durch  diese  Annahme  die  grosse  Dämpfung  einer  Eisen- 
platte erklärt  werden  kann,  ist  leicht  einzusehen,  allein  ich 
glaube  zwei  Beobachtungen  anführen  zu  können,  welche  diese 
Annahme  als  nicht  zulässig  erscheinen  lassen. 

Erstens  nämlich  spricht  dagegen  auf  das  entschiedenste 
der  in  §  2  aufgestellte  Erfahrungssatz,  dass  das  logarithmische 
Decrement  einer  Eisendämpfung  unabhängig  ist  von  der 
Schwingungsdauer.  Aus  demselben  ergibt  sich  direct,  dass 
die  Arbeit  der  dämpfenden  Kräfte  unabhängig  sein  muss 
von  der  Geschwindigkeit  des  schwingenden  Magnetes.  Be- 
zeichnet nämlich: 

M  das  magnetische  Moment  des  Magnets, 

T  die  Horizontalcomponente  des  Erdmagnetismus, 

D  die  Directionskraft  der  Suspension, 

q>0  und  (p2  zwei  aufeinander  folgende  Ausschläge  des 
Magnets  auf  derselben  Seite  der  Ruhelage,  so  ist  jene  Arbeit: 

1)  Vergl.  die  Literatur  Wied.  Galvan.  2.  p.  158  u.  210.  1877. 


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490 


F.  Himstedt. 


A  =  (>/T+  Z>)J*i 


und  dieser  Ausdruck  ist  unabhängig  von  der  Schwingungs- 
dauer, da  nach  jenem  Satze  die  Grenzen  des  Integrals  un- 
abhängig davon  sind.  Soll  hingegen  die  dämpfende  Wirkung 
der  Eisenplatte  dadurch  entstehen,  dass  sehr  kurze  Zeit  in 
derselben  andauernde  Pole  den  Magnet  in  den  eben  passirten 
Punkten  festzuhalten  suchen,  so  ist  die  dabei  an  dem  Magnet 
geleistete  Arbeit  ohne  Zweifel  von  der  Geschwindigkeit  seiner 
Bewegung  abhängig,  sie  ist  nämlich  um  so  grösser,  je  grösser 
diese  ist.  Die  Hypothese  führt  also  zu  einem  directen  Wi- 
derspruch mit  der  Erfahrung. 

In  gleicher  Weise  scheint  mir  dann  auch  der  folgende 
Versuch  mit  jener  Annahme  nicht  vereinbar  zu  sein.  Unter 
den  an  Coconfäden  bifilar  aufgehängten  Magnet  war  eine 
kreisförmige  Eisenscheibe  so  nahe  gelegt,  dass,  wTenn  sie  ge- 
dreht wurde,  der  Magnet  dadurch  in  gleichem  Sinne  um 
einen  bestimmten  Winkel  abgelenkt  wurde.  Dieselbe  wurde 
zunächst  sechs-  bis  achtmal  nach  rechts  und  nach  links  um  je 
360°  gedreht,  um  den  Gleichgewichtszustand  in  der  Scheibe 
herzustellen.  Es  wurde  die  dann  eintretende  Ruhelage  des 
Magnets  notirt  und  derselbe  in  dieser  durch  eine  Schrauben- 
vorrichtung fixirt.  Hierauf  wurde  die  Scheibe  um  360°  ge- 
dreht und  der  Magnet  freigelassen,  die  erfolgte  Einstellung 
beobachtet,  der  Magnet  in  der  neuen  Lage  fixirt,  die  Scheibe 
jetzt  nach  entgegengesetzter  Richtung  um  360°  gedreht  u.  s.  f. 
Der  Magnet  war  durch  eine  Oeldämpfung  aperiodisch  ge- 
dämpft.   In  der  folgenden  Tabelle  bedeuten: 

R0  und  Rx  die  Ruhelagen  des  Magnets  in  Scalentheilen, 
t  die  Zeit,  welche  auf  die  Drehung  der  Scheibe  ver- 
wendet wurde, 

T  die  Zeit,  welche  nach  vollendeter  Drehung  der  Scheibe 
gewartet  wurde,  ehe  man  den  Magnet  frei  Hess.  Die  Ta- 
belle ist  so  zu  verstehen,  dass  in  der  1.,  3.,  5.  Reihe  B0 
die  Lage  des  Magnets  angibt,  in  welcher  er  während  der 
Drehung  fixirt  war,  R1  diejenige,  in  welche  er  sich,  freige- 


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F.  Himstedt 


491 


lassen,  eingestellt  hat.  In  der  2.,  4.,  6.  Reihe  ist  die  Be- 
deutung von  B0  und  Rl  die  umgekehrte. 


553,0  2  See.  0  1040,3  553,0  10  See.  I  35  See.  1038,7 

554.4  i  20  „  0  1040,0  552,2  10  „  2  Min.  1040,0 
553,2  60  „  0  1042,0  552,8  10  „  10  „  1040,6 
552,7  120  „  0  i  1040,5  546,9  10  „  1  15  „  1040,4 
553,0  180  „  0  1040,7  553,3  10  „       30  „  1025.4 

553.5  240  „  0  1040,0 

Scalenabstand:  2520  mm. 

Wurde  die  Scheibe  während  des  Drehens  durch  Klopfen 
mit  einem  Holzhammer  erschüttert,  so  änderten  sich  die 
Einstellungen  unregelmässig,  jedoch  nie  um  mehr  als  20  Sca- 
lentheile.  Wurde  dagegen  nach  vollendeter  Drehung  er- 
schüttert und  dann  der  Magnet  frei  gelassen,  so  waren  die 
Ablenkungen  bis  300  Scalentheile,  also  um  mehr  als  die 
Hälfte  geringer.  Auf  diese  letzte  Erscheinung  glaube  ich 
die  Abweichungen  in  den  beiden  letzten  Reihen  der  Tabelle 
zurückführen  zu  dürfen,  da  während  des  Verlaufes  von 
15  Min.,  resp.  30  Min.,  kleine  Erschütterungen  durch  das 
Fahren  von  Wagen  etc.  nicht  zu  vermeiden  waren. 

Die  Versuche  zeigen  auf  das  Klarste,  dass  die  Kräfte, 
welche  den  Magnet  der  gedrehten  Eisenscheibe  folgen  lassen 
und  die  offenbar  dieselben  sind,  wie  diejenigen,  welche  in 
den  Schwingungsversuchen  die  grosse  Dämpfung  verursachen, 
für  die  hier  zu  beantwortende  Frage  als  von  der  Zeit 
unabhängig  zu  betrachten  sind,  und  dass  deshalb  für  den 
grössten  Theil  der  von  einer  Eisenplatte  hervorgebrachten 
Dämpfung  nach  einer  anderen  Erklärung  als  der  bisher  an- 
genommenen gesucht  werden  muss. 

§  5.  Hr.  Prof.  War  bürg  hat  in  einer  Arbeit1)  die 
folgende  Erscheinung  beschrieben:  „Man  habe  einem  Eisen- 
draht  durch  eine  longitudinale  magnetisirende  Kraft  Kx  ein 
gewisses  permanentes  Moment  m0  ertheilt.  Lässt  man  nun 
auf  den  Draht  magnetisirende  Kräfte  wirken,  die  von  0  bis 
Kx  stetig  wachsen  und  dann  von  üfj  bis  0  wieder  stetig  ab- 

1)  Warburg,  Freib.  Ber.  8.  p.  1.  1881  u.  Wied.  Ann.  13.  p.  141. 
1881. 


492 


F.  Himstedt. 


nehmen,  so  findet  man  für  dieselbe  magnetisirende  Kraft  K 
das  magnetische  Moment  grösser,  wenn  K  im  Abnehmen,  als 
wenn  es  im  Wachsen  begriffen  ist  Nach  einigen  Wieder- 
holungen dieser  Operation  findet  man  den  Draht  in  einem 
stationären  Zustande,  in  welchem  sich  immer  für  K=0  ein 
und  dasselbe  permanente  Moment  m0  und  für  K—Kx  ein 
und  dasselbe  Moment  w^  +  Mj  ergibt."  Im  weiteren  Verlaufe 
der  Arbeit  macht  der  Hr.  Verfasser  darauf  aufmerksam,  dass 
aus  der  beschriebenen  Erscheinung  sich  die  grosse  Dämpfung 
der  Eisenplatten  wird  erklären  lassen,  und  zwar  „aus  rein 
statischen  Versuchen,  unabhängig  von  irgend  welcher 
Function  der  Zeit". 

Auf  gütige  Anregung  des  Hrn.  Prof.  War  bürg  habe 
ich  es  unternommen,  diese  Behauptung  durch  quantitative 
Bestimmungen  zu  prüfen  und  durch  die  im  Folgenden  mit- 
zutheilenden  Versuche  hoffe  ich  die  Richtigkeit  derselben 
darlegen  zu  können. 

Dass  die  beschriebene  Erscheinung  bei  den  Schwingun- 
gen eines  Magnets  über  einer  Eisenplatte  in  Betracht  gezogen 

werden  muss,  ist  sehr  leicht  ein- 
zusehen. Bewegt  sich  der  Mag- 
net von  bq  über  am  nach  cp 
(Fig.  1),  so  ist  in  jedem  Momente 
für  die  überschrittenen  Punkte 
die  magnetisirende  Kraft  im  Ab- 
nehmen, für  die  zu  überschrei- 
tenden im  Zunehmen.  Betrach- 
ten wir  also  zu  irgend  einer 
Zeit  der  Bewegung,  wo  sich  der 
Magnet  in  dn  befinden  möge, 
zwei  Punkte  e  und  /,  welche 
'  gleichweit  vor  und  hinter  dem 

Nordpol  des  Magnets  gelegen  sind,  so  wird,  die  Homogene'ität 
der  Scheibe  vorausgesetzt,  der  erregte  Magnetismus  in  t 
schwächer  sein,  als  in  f,  und  also  eine  Kraft  entstehen,  welche 
die  Bewegung  des  Magnets  zu  hemmen  sucht.  Kommt  der  Mag- 
net bei  der  Bückbewegung  von  cp  über  am  nach  bq  wieder  in 
die  Lage  dn,  so  muss  das  Verhalten  derselben  Punkte  e  und  / 


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F.  Himstedt 


493 


jetzt  gerade  das  entgegengesetzte  sein,  f  schwächer  magne- 
tisirt  als  e,  und  also  wieder  eine  rückziehende  Kraft  auf- 
treten. Diese  Kräfte  sind  aber  rein  statische  und  müssen 
sich  durch  rein  statische  Versuche  bestimmen  lassen.  In 
der  That  gelingt  das  auch  sehr  leicht  durch  die  folgende 
Versuchsanordnung : 

Der,  wie  angegeben,  bifilar  aufgehängte  und  durch  eine 
Oeldämpfung  aperiodisch  gedämpfte  Magnet  wird  mittelst  eines 
Torsionskreises  sechs-  bis  achtmal  innerhalb  der  Grenzen  bq 
und  cp,  zwischen  welchen  beobachtet  werden  soll,  über  der 
Scheibe  hin-  und  hergeführt,  um  in  letzterer  einen  Gleich- 
gewichtszustand zu  schaffen.  Darauf  wird  mittelst  Fernrohr 
und  Spiegel  der  Stand  des  Magnets  in  bq  beobachtet  und 
gleichzeitig  der  Torsionskreis  abgelesen.  Ebenso  für  eine 
beliebige  Anzahl  von  Stellungen  dn,  am,  gr  etc.  bis  cp,  in 
welche  der  Magnet  durch  Drehen  des  Torsionskreises  einge- 
stellt wird.  Führt  man  darauf  durch  Rückwärtsdrehen  des 
Torsionskreises  den  Magnet  der  Reihe  nach  wieder  in  die- 
selben Stellungen  (die  jetzt  natürlich  in  entgegengesetzter 
Reihenfolge  passirt  werden),  so  findet  man,  dass  auf  dem 
Rückwege  von  cp  nach  bq  jeder  Stellung  des  Magnets  ein 
anderer  Stand  des  Torsionskreises  entspricht,  als  auf  dem 
Hinwege.  Nur  in  den  Endlagen  bq  und  cp  liest  man  stets 
denselben  Stand  des  Torsionskreises  ab,  sowohl  auf  dem  Hin-, 
als  auf  dem  Rückwege.  Wiederholt  man  den  Versuch  be- 
liebig oft,  so  findet  man  auf  dem  Hin-,  wie  auf  dem  Rück- 
wege stets  dieselben  Zahlen,  wie  bei  dem  ersten  Versuche. 

In  dem  folgenden  Beispiele  bezeichnet  TKX  die  Able- 
sungen des  Torsionskreises  auf  dem  Hinwege,  TK2  dieselben 
auf  dem  Rückwege,  d  die  Differenz  derselben,  n  die  Stellun- 
gen des  Magnets  in  Scalentheilen.  TK2  ist  durch  Interpo- 
lation gefunden,  da  es  nicht  immer  möglich  ist,  durch  Drehen 
des  Torsionskreises  genau  dasselbe  n  zu  erreichen,  z.  B.  ist 
die  3.  Zahl  unter  TK,  gewonnen  aus: 

rjr8»no°i2'  und  no°6' 

n      =  309,8        „    314,7  . 
Der  Theilkreis  war  in  ganze  Grade  getheilt,  und  konnten 
mittelst  des  Nonius  direct  sechs  Minuten  abgelesen  werden,  die 


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494  F  Himstedt 

Ablesung  geschah  mit  einem  Mikroskop  bei  vierzigfacher 
Vergrößerung. 




n 

 . 

d 

Avil 

108°  18' 

392,0 

108° 

18' 

_" 

0° 

110  - 

359,0 

109 

7 

21 

0 

52 

39 

112  — 

313,8 

110 

7 

6 

1 

52 

54 

114  — 

264,8 

1 10 

58 

42 

1 

18 

116  - 

214,6 

112 

25 

3 

35 

118  - 

159,8 

113 

46 

30 

4 

13 

30 

120  - 

102,2 

115 

11 

24 

4 

48 

36 

122  — 

39,4 

116 

43 

36 

5 

16 

24 

124  3 

-  29,2 

118 

56 

45 

5 

6 

15 

126  — 

-100,6 

121 

3 

4 

47 

128  — 

-180,0 

123 

55 

7 

4 

4 

53 

130  — 

--266,6 

127 

12 

2 

48 

132  54 

-396,4 

132 

54 

0 

Bezeichnet  in  Fig.  1  ma  die  Richtung  des  magnetischen 
Meridians  und  zugleich  den  Nullpunkt  des  Torsionskreises,  und 
bezeichnen  wir  mit  (p  einen  Winkel,  welchen  der  Magnet  in 
einer  Stellung  dn  mit  dem  Meridian  bildet,  und  mit  a  den 
gleichzeitig  am  Torsionskreise  abgelesenen  Winkel,  ist  ferner 

M    das  magnetische  Moment  des  Magnets, 
T    die  Horizontalcomponente  des  Erdmagnetismus, 
D    die  Directionskraft  der  Suspension, 
P((p)  eine  von  dem  permanenten  Magnetismus  ausgehende 
Kraft, 

^(qp)  die  von  der  Coercitivkraft l)  herrührende  Kraft, 
so  wird  die  Gleichgewichtsbedingung  für  den  Magnet,  wenn 
er  aus  der  Lage  bq  in  die  Lage  dn  übergeführt  ist: 

(1)  MT  sin  <p  +  D  sin(^  -  <p)  +  P(tp)  -  Fx(<p)  =  0. 

Wird  der  Magnet  von  dn  über  am  nach  cp  geführt  und 
dann  wieder  zurück  nach  dn,  so  ist  die  Gleichgewi  cht  sbe 
dingung  in  derselben  Lage  dn  jetzt: 

(2)  MTsiny  +  D  sin  (a2  —  <p)  +  P(<p)  +  Ft(<p)  =  0; 
die  Differenz  beider  Gleichungen  liefert: 

Fi(<P)  +  *afa>)  =  D  fsin  («i  -  9)  ~  sin  (*2  ~  <J?)}> 

1)  Wenn  im  Folgenden  das  Wort  „Coercitivkraft"  gebraucht  wir: 
so  ist  darunter  immer  diejenige  Wirkung  der  Coercitivkraft  zu  versteher 
welche  Hr.  Prof.  War  bürg  in  der  oben  citirten  Arbeit  beschrieben  hat 


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F.  Himstedt. 


495 


oder  indem  wir  die  Winkel  nehmen  statt  der  sinus,  was  für 
die  späteren  Rechnungen  mit  ausreichender  Annäherung  ge- 
schehen kann,  erhalten  wir: 

F^  +  FJM^D^  -*,). 
Die  in  der  vorstehenden  Tabelle  unter  Columne  d  ver- 
zeichneten Werthe  entsprechen  den  hier  mit  (ax  —  av)  be- 
zeichneten Grössen  und  geben  uns  also  direct  in  Einheiten 
der  Directionskraft  D  die  Summe  der  Kräfte,  welche,  aus 
der  Coercitivkraft  entspringend,  auf  dem  Hin-  und  Rückwege 
in  jedem  Punkte  die  Bewegung  des  Magnets  zu  hemmen 
suchen.  Die  von  diesen  Kräften  an  dem  Magnet  während 
seiner  Bewegung  von  bq  über  am  nach  cp  und  von  cp  wieder 
über  am  nach  bq  zurück  geleistete  Arbeit  erhalten  wir  durch: 

2=  /(**,(?) + 
<f>b 

Schwingt  der  Magnet  von  bq  nach  cp  und  gelangt  bei 
der  Rückkehr  nicht  wieder  nach  bq}  sondern  nach  blql9  so 
können  wir  mit  grosser  Annäherung  setzen: 

9  c  9c 
•I  6  96, 

Um  nun  beurtheilen  zu  können,  welchen  Antheil  die 
soeben  erwähnten  Kräfte  an  der  Dämpfung  des  Magnets 
hahen,  berechnen  wir  die  ganze,  von  allen  dämpfenden  Kräf- 
ten einer  Eisenscheibe  während  eines  Hin-  und  Zurück- 
schwingens des  Magnets  an  diesem  geleistete  Arbeit. 

Sind  b,  c,  bx  (Fig.  1)  drei  aufeinander  folgende  Umkehr- 
punkte des  über  der  Eisenplatte  schwingenden  Magnets,  in 
welchen  derselbe  mit  dem  magnetischen  Meridian  beziehungs- 
weise die  Winkel  (pv  (pc,  cpb  bildet,  so  ist  jene  Arbeit  ge- 
geben durch: 

L=J  (MT+D)  sinydy  -  (JfT+  D)  (cos(p2  -  cos<p0). 

9b 

Der  Quotient  S/7,  giebt  uns  das  Verhältniss  der  aus 
der  Coercitivkraft  erklärbaren  zu  der  gesammten  Dämpfung 
einer  Eisenplatte. 


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496 


F.  Himstedt. 


§  6.  Die  zur  Ermittelung  des  Quotienten  8/Z  nöthigen 
Beobachtungen  und  Rechnungen  geschahen  in  folgender  Weise: 

Es  wurden  zunächst  aus  den  zu  untersuchenden  Platten 
solche  Stücke  geschnitten,  welche  die  Schwingungsdauer  des 
Magnets  nicht  änderten.1)  Es  wurde  das  logarithmische  De- 
crement  derselben  /.*  und  das  der  Luftdämpfung  k0  bestimmt. 
Zur  Bestimmung  des  ersteren  musste  immer  eine  grössere 
Anzahl  von  Beobachtungen  angestellt  werden,  da  die  Ge- 
nauigkeit der  Bestimmung  nur  an  Werthen  controlirt  werden 
konnte,  welche  zu  demselben  Anfangsbogen  gehörten.2) 

Mittelst  der  Gleichung: 

log  (f0  -  2  (K  -  A0)  =  log  qpa' 
wurde  zu  dem  ersten  beobachteten  Ausschlage  (p0  der  zweite 
auf  derselben  Seite  der  Ruhelage  liegende  qp2'  bestimmt, 
welchen  der  Magnet  ohne  die  vorhandene  Luftdämpfung 
lediglich  unter  dem  Einfiuss  der  von  der  Eisenplatte  aus- 
gehenden dämpfenden  Kräfte  gemacht  haben  würde,  und 
wurden  dann  cp0  und  qp2'  als  Grenzen  des  Integrals  für  L 
genommen. 

Bei  den  Schwingungsbeobachtungen  war  die  Directions- 
kraft  der  Suspension  aus  später  anzuführenden  Gründen  eine 
grössere,  als  bei  den  statischen  Versuchen.  Bei  ersteren 
betrug  der  Abstand  der  Suspensionsdrähte  etwa  64  mm,  bei 
letzteren  etwa  8  mm,  und  waren  in  letzterem  Falle  auch  die 
Gewichte  abgenommen,  welche  zur  Aenderung  des  Trägheits- 
momentes gedient  hatten.  Ich  bezeichne  die  Directionskraft 
bei  den  Schwingungsbeobachtungen  mit  Z>,  dieselbe,  wenn 
der  Fadenabstand  von  64  mm  auf  8  mm  verkleinert  war,  mit 
d  und  endlich  diejenige,  wenn  auch  die  Gewichte  abgenom- 
men waren,  mit  8.  Das  Verhältniss  Djd  wurde  aus  den 
beobachteten  Schwingungsdauern  tx  und  t%  gefunden: 

d  ~  t/ 

Nach  bekannter  Methode,  durch  Drehen  des  Torsions- 
kreises um  bestimmte  Winkel  und  Beobachtung  der  dadurch 


\)  Vergl.  hierüber  §  8.  p.  502. 
2)  Vergl.  §  2.  p.  487. 

» 

* 

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F.  Himstedt. 


497 


hervorgerufenen  Ablenkungen  des  Magnets  wurden  MTjd 
und  MTjd  bestimmt  und  damit  dann  auch  Djd  gewonnen. 
Der  Ausdruck  für  L  lasst  sich  dann  in  die  Form  bringen: 

L  -  £  (l  +  M/  •  1)  (cos      -  cos  9o) .  B 

und  sind  in  demselben  jetzt  alle  Grössen  bekannt  bis  auf  das 
ö,  sodass  L  damit  als  ein  Vielfaches  von  ö  bestimmt  ist. 
Zur  Bestimmung  von: 

2  =  flU  (Fx{9)  +  F2(<p))  d<p  +  j>/s  (Fx{fp)  +  Ft(<p))  d<p 

=  /  Vs '  («i  -  *i)  rf9  +  /  Vi  («i  -  «i)  <ty> 

wurden  in  der  schon  oben  beschriebenen  Weise  statische 
Versuche  angestellt  zwischen  den  Grenzen  jener  Integrale 
und  dadurch  für  eine  ausreichende  Anzahl  verschiedener  (p 
die  zugehörigen  Werthe  von  (ax  —  a2)  bestimmt.  Die  Aus- 
wertung der  Integrale  geschah  dann  durch  graphische  Dar- 
stellung, indem  alsAbscissen  die  qp,  als  Ordinaten  die  zuge- 
hörigen (tfj  —  cc2)  aufgetragen  wurden,  beide  in  Theilen  des 
Halbmessers,  und  zwar  wurde  dieser  gleich  1000  gesetzt,  um 


_t  . 

1 

— \ 

-  > 

I 

' — ■ 

H 

\   

— « 
1 — • 

-  i. 

1 

1  — 4 

— 

-  1  ■ 

|  

1 

'  / 

— 

> 

1  1 
— [—4—^ 

_ 

J — 1 

— , 



— 4 

1 

- 

— 

■ — j — 

 l— 

1 — 

1 

!  

— 1 

r 

— 

L- 

1  !  

• 

I 

— 

H 
— 

4- 

z 

~i 

H 

r— — • 

!  

! 

/ 

II  Ii 

1  I 

f_!  1 

Figur  2. 

nicht  zu  kleine  Zeichnungen  zu  erhalten.  Fig.  2  stellt  die 
zu  der  p.  494  gegebenen  Tabelle  gehörige  Fläche  dar  in 
ein  Zehntel  der  zur  Ausrechnung  benutzten  Grösse.  Die 
kleinere  ist  die  dem  zweiten  Schwingungsbogen  entsprechende. 
Berechnet  wurden  die  Flächen  aus  den  sie  zusammensetzen- 
den Paralleltrapezen  und  Dreiecken.    Es  wird  dadurch  dann 

Ann.  d.  Pby«.  n.  Chem.  N.  F.  XIV.  32 


498 


F.  Himstedt 


auch  L  als  Vielfaches  von  8  bestimmt  und  eine  directe  Ver- 
gleichung  von  2  und  L  ermöglicht. 

Die  folgenden  Tabellen  enthalten  die  Resultate  solcher 
Beobachtungen  für  sechs  verschiedene  Plattenpaare.  Bei  der 
Untersuchung  eines  Plattenpaares  lag  die  eine  Platte  mit 
ihrem  Mittelpunkte  senkrecht  unter  dem  Nordpol  des  Mag- 
nets, die  zweite  ebenso  unter  dem  Südpol.    Es  bezeichnet: 

d  die  Dicke  der  Platten, 

/  ihre  Länge,  gemessen  in  der  Richtung  des  magneti- 
schen Meridians, 
b  ihre  Breite, 

A  ihren  Abstand  vom  Magnete. 


d  =  0,13        /  =  41,7 


L 


59,0 

48,3 
39,0 
29,0 
24,2 
17,5 
14,0 
11,5 


213.(5 

360.(5 
6429. 3 
2036.3 
3740.(5 
9706 -3 
17324. 3 
27098. 3 


nicht  be- 
stimmbar 

204.(5 
474.  3 
1719.(5 
3090.(5 
8054.3 

14636.(5 
22836.(5 


d  =  1,6        l  =  42        b  =  80 


i  I 


156.(5 
168..5 
317.(5 
650.(5 
1652.(5 
2688.(5 
4262.(5 


0,567 
0,737 

:  0,844 
0,826 
0,830 
0,845 

i  0,842 


34,0 
I  24,2 
14,5 
8,3 


d 

m  0,21 

l  =  40,.- 

i       h  « 

69 

59 

191.3 1 

nicht  be- 

191.3 

stimmbar 

44 

382.(5 

212-3 

170-3 

0,555 

34 

737.(5 

509.3 

228.3 

0,661 

24,4 

2980.3! 

2443.3 

447.3 

0,820 

14,4 

9063.3  j 

7311.3 

752.3 

0,807 

10,0 

24750.3! 

21243.3 

3307.3 

0,860 

d 

=  0,35 

l  -  40 

6  =  79,7 

519.3 
1247.3 
3862.3 
12610.3 


nicht  be- 
stimmbar 

321-3 

989.3 

3233.3 

10892.3 


114.3  I  - 


198-3 
258.3 
729.3 
1618.3 


0,61  f 

0.751 

0,83: 
0T864 


d  =  2,8 

l  =  40 

b  =  6 

34,8 

317.3 

201.3 

116.3  I 

24,4 

922.3 

718.3 

204.3 

14,0 

3173.3 

2745.3 

428.3 

8,4 

9069.3 

7662-3 

1407.3  1 

0,86' 
0,843 


50,4!  173.3 


44,5 
34,0 
42,2 
14,4 
11,4 


296.3 
482.3 
1217-3 
7865.3 
12910.3 


nicht  be- 
stimmbar 


209.3 
850.3 
6695-3 
10611.3 
8,0  20208.3  16913.3 


173.3  |  — 
296.3 

273.3  : 0,434 

367.3  0,700 

1170-3  0,850 

2299.3  0,822 

3295.3  0,837 


21,5 

17,5 
11,5 

8,5 


=  6,4 

134.3 

758.3 
3672.3 
5284 . 3 

i 


J«40 

nicht  be- 
stimmbar 

563-3 

3109.3 

4453.3 


b  =  80 
134.3 


195-3 
563.3 
831.3 


0,748 
0,841 
0,844 


Ausser  diesen  Plattenpaaren  wurden  auch  noch  drei 
Kreisscheiben  untersucht.  Die  hierbei  erhaltenen  Resultate 
stimmen  mit  den  obigen  nicht  gut  überein.    Das  Verhältniss 


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F.  Himstedt 


499 


S/Z,  findet  sich  durchgehe nds  grösser  als  hier  angegeben, 
übersteigt  sogar  einmal  die  Einheit.  Der  Grund  hierfür  ist 
leicht  einzusehen.  Centrisch  unter  den  schwingenden  Mag- 
net gelegte  Eisenplatten  bewirken  stets  eine  grössere  oder 
geringere  Verkleinerung  der  Schwingungsdauer,  oder,  was 
dasselbe  ist,  eine  Vergrösserung  der  auf  den  Magnet  wir- 
kenden Directionskraft.  Bei  der  Berechnung  von: 


wird  infolge  dessen  für  MT  +  D  ein  zu  kleiner  Werth  ge- 
nommen, also  L  zu  klein  gefunden.  Das  Resultat  des  sta- 
tischen Versuchs  ist  unabhängig  von  der  auf  den  Magnet 
wirkenden  Directionskraft,  und  deshalb  muss  das  Verhältniss 
8/Z  zu  gross  gefunden  werden.  Bei  den  Plattenpaaren  fällt 
diese  Fehlerquelle  fort,  da,  wie  erwähnt,  die  Platten  stets  so 
gewählt  wurden,  dass  sie  die  Schwingungsdauer  des  Magnets 
nicht  änderten. 

§  7.  Bevor  ich  die  Resultate  der  vorstehenden  Tabellen 
in  Worte  fasse,  sei  noch  das  Folgende  gesagt  über  die 
möglichen  und  wahrscheinlichen  Fehler  in  der  Bestimmung 
des  L  d.  h.  desjenigen  Theiles  der  Dämpfung,  der  auf  die 
von  der  Zeit  unabhängigen  Kräfte  zurückzuführen  ist,  welche 
aus  der  Coercitivkraft  entspringen.  . 

Zunächst  will  ich  darauf  aufmerksam  machen,  dass  eine 
kleine  Nichtübereinstimmung  stattfindet  zwischen  den  Schwin- 
gungsbeobachtungen und  den  statischen  Versuchen,  indem 
bei  ersteren  der  Magnet  nie  wieder  in  die  Anfangslage  zu- 
rückkehrt, während  die  Vorbedingung  für  die  letzteren  die 
ist,  dass  durch  Hin-  und  Zurückführen  des  Magnets  zwischen 
denselben  Grenzen  ein  Gleichgewichtszustand  in  der  Eisen- 
platte hervorgebracht  wird.  Ich  habe  diese  Nichtüberein- 
stimmung dadurch  auf  das  kleinstmögliche  Maass  zu  redu- 
ciren  gesucht,  dass  ich  die  Directionskraft  der  Suspension 
bei  den  Schwingungsbeobachtungen  möglichst  gross  gemacht 
habe.  Hierdurch  wurde  erreicht,  dass  die  Schwingungsbogen 
sehr  langsam  kleiner  wurden,  der  Vorgang  des  Schwingens 
also  dem  des  Hin-  und  Zurückführens  zwischen  denselben 
Grenzen  sehr  ähnlich  wurde.  Der  Einfluss  dieser  Nichtüber- 


32* 


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500 


F.  Himstedt. 


einstimmung  auf  den  Werth  von  L  ergibt  sich  sehr  leicht 
aus  Folgendem: 

Stellt  man  mit  denselben  Platten  das  eine  mal  einen 
Versuch  an,  bei  welchem  die  Schwingungsbeobachtungen  bei 
kleiner  Directionskraft  des  Magnets,  also  bei  starker  Ab- 
nahme der  Schwingungsbogen  geschehen,  während  man  das 
zweite  mal  die  Directionskraft  und  zugleich  das  Trägheits- 
moment derart  vergrössert,  dass  die  Schwingungsdauer  des 
Magnets  ungeändert  bleibt,  so  findet  man  im  ersten  Falle 
für  S/Z  einen  kleineren  Werth  als  im  zweiten  Falle1),  wo- 
raus man  mit  Sicherheit  den  Schluss  ziehen  kann,  dass  durch 
diese  Nichtübereinstimmung  der  Werth  von  8  zu  klein  ge- 
funden wird. 

Eine  zweite  Fehlerquelle,  die  den  Werth  von  S  eben- 
falls zu  klein  finden  lässt,  besteht  in  den  während  der  ver- 
hältnissmässig  langen  Zeitdauer  eines  statischen  Versuchs 
unvermeidlichen  Erschütterungen  der  Eisenplatten.  Auf  p.  491 
dieser  Arbeit  habe  ich  erwähnt,  dass  die  aus  der  Coercitiv- 
kraft  resultirenden  dämpfenden  Kräfte  bedeutend  geschwächt 
werden  durch  Erschütterung  der  Eisenplatte.  Für  die  Be- 
rechnung des  L  ist  dieser  Umstand  von  geringer  Bedeutung, 
indem  die  dabei  in  Frage  kommende  Beobachtung  des  loga- 
rithmischen Decrements  nur  eine  kurze  Zeit  in  Anspruch 
nimmt,  also  leicht  ohne  dazwischenfallende  Erschütterungen 
geschehen  kann.  Nicht  so  für  die  Bestimmung  des  2.  Ein 
statischer  Versuch  nahm  mehrere  Stunden  in  Anspruch,  und 
war  es  nicht  wohl  möglich,  diese  so  zu  wählen,  dass  während 
derselben  keine  Erschütterungen  durch  das  Fahren  der 
Wagen  in  der  sehr  frequenten,  an  dem  physikalischen  In- 
stitute vorbeiführenden  Strasse  stattfanden.  Heftige  Erschüt- 
terungen durch  besonders  schwere  oder  sehr  schnell  fahrende 
Wagen  waren  mit  Bestimmtheit  zu  erkennen,  und  konnten 
diese  Beobachtungen  ausgeschlossen  werden.  Aber  auch 
durch  die  Versuchsanordnung  selbst  waren  geringe  Erschüt- 
terungen bedingt,  indem  nämlich  durch  das  Hin-  und  Her- 
gehen vom  Beobachtungsfernrohre  zum  Torsionskreise  der 

1)  In  der  angegebenen  Weise  wurden  z.  B.  für  8/£  die  Werthe  0,793 
und  0,852  gefunden. 


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F.  Himstedt. 


501 


Fussboden  des  Zimmers  und  damit  der  Tisch  mit  den  Eisen- 
platten erschüttert  wurde,  und  ich  glaube  mit  Sicherheit  be- 
haupten zu  dürfen,  dass  durch  alle  eben  genannten  Umstände 
der  Werth  des  2  zu  klein  gefunden  wurde.    Dieser  Fehler 
in  der  Bestimmung  des  ß  ist  von  besonders  grossem  Einfluss 
auf  das  Yerhältniss  2/L  in  denjenigen  Fällen,  in  welchen  ß 
selbst  klein  ist.   Angenommen,  ein  solcher  Fehler  verlange 
eine  Correction  von  nur  zwei  Minuten  in  der  Ablesung  am 
Torsionskreise,  so  würden  z.  B.  in  der  ersten  Tabelle  statt 
der  dort  unter  2/L  verzeichneten  Werthe  0,567  und  0,737 
die  neuen  0,844  und  0,885  zu  setzen  sein.  Man  wird  deshalb, 
glaube  ich,  den  Abweichungen  der  Werthe  des  2/L  für 
grosse  A  von  denen  für  kleinere  A,  so  bedeutend  dieselben 
auch  sind,  keine  grosse  Bedeutung  beilegen  dürfen  und  nicht 
etwa  aus  den  Tabellen  schliessen  können,  dass  der  durch 
die  statischen  Versuche  erklärte  Bruchtheil  der  gesammten 
Dämpfung   abnehme   mit   wachsender  Entfernung  A  des 
Magnets  von  der  Platte,  vielmehr  glaube  ich,  dass  dieser 
Bruchtheil  für  alle  Entfernungen  derselbe  sein  wird,  und  zwar 
besonders  auch  deshalb,  weil  nach  §  2  p.  485  das  logarith- 
mische Decrement  für  alle  Entfernungen  unabhängig  ist  von 
der  Schwingungsdauer. 

Wie  gross  ist  denn  nun  aber  dieser  Bruchtheil?  Dass 
die  aus  den  Tabellen  sich  ergebende  Zahl,  etwa  0,84,  zu 
klein  ist,  habe  ich  schon  darzuthun  gesucht;  wie  viel  grösser 
sie  indessen  zu  nehmen  ist,  vermag  ich  nicht  mit  Sicherheit 
anzugeben.  Vielleicht  darf  man  aus  den  Resultaten  der  sta- 
tischen Versuche  zusammen  mit  dem  Satze,  dass  das  logarith- 
mi8che  Decrement  unabhängig  ist  von  der  Schwingungsdauer, 
den  Schluss  ziehen,  dass  alle  dämpfenden  Kräfte  einer  Eisen- 
scheibe mit  Ausnahme  der  von  Inductionsströmen  herrüh- 
renden auf  die  Coercitivkraft  zurückzuführen  sind.  Jeden- 
falls kann  man  mit  Bestimmtheit  behaupten,  dass  der  bei 
weitem  grösste  Theil  einer  Eisendämpfung  sich  er- 
klären lässt  aus  der  von  Prof.  Warburg  beschrie- 
benen Erscheinung,  nicht  aber  in  der  bisher  übli- 
chen Weise  aus  Kräften,  die  irgendwie  von  der 
Zeit  abhängig  sind. 


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502  F.  Himstedt. 

§  8.  Es  mögen  in  diesem  Paragraphen  noch  die  folgen- 
den beiden  Beobachtungen  in  Kürze  erwähnt  werden. 

1)  Legt  man  ein  Eisenstück  mit  seinem  Mittelpunkte 
senkrecht  unter  den  Mittelpunkt  des  Magnets,  so  wird  die 
Schwingungsdauer  dadurch  stets  mehr  oder  weniger  verklei- 
nert, am  meisten  dann,  wenn  die  Breite  (Ausdehnung  senk- 
recht zum  Meridian)  gering  ist  gegen  die  Länge.  Dies  letz- 
tere gilt  jedoch  nur,  so  lange  die  Dimensionen  des  Dämpfers 
nicht  unendlich  gross  sind  gegen  die  des  Magnets,  der  erstere 
bei  dem  hier  benutzten  Magnet  von  1,00  mm  Länge  einen 
Durchmesser  kleiner  als  160  mm  hat. 


Länge  der  Platte  160  mm    tQ  (ohne  Platte)  =  11,647 

Ä0  (  )  =  0,000  627 


Breite 

t 

/. 

Breite 

t 

160 

11,53 

0,00323 

40 

11,07 

0,00289 

140 

11,54 

0,00323 

32 

10,55 

0,00276 

120 

11,51 

0,00320 

20 

10,51 

0,00211 

100 

11,42 

0,00307 

10 

10,03 

0,00129 

SO 

11,49 

0,00311 

5 

10,12 

0,00093 

60 

11,28 

0,00303 

Wird  unter  den  Nord-,  resp.  Südpol  des  Magnets  mit 
ihrem  Mittelpunkte  je  eine  Platte  gelegt,  deren  Länge  klei- 
ner ist  als  die  des  Magnets,  so  wird  die  Schwingungsdauer 
je  nach  der  Breite  der  Platten  vergrössert  oder  verkleinert. 


Länge  20  mm,         t9  =  12,673,         X0  =  0,00423. 


Breite 

t 

X 

Breite 

t 

l 

170 

11,57 

0,03055 

50 

13,51 

0,03314 

140 

11,556 

0,03090 

40 

14,06 

0,02647 

120 

11,8 

0,03217 

27 

13,66 

0,01695 

100 

11,844 

0,03173 

15 

13,225 

0,00863 

80 

12,03 

0,03399 

10 

12,775 

0,00677 

60 

13,03 

0,03822 

5 

12,673 

0,00494 

Beide  vorstehend  gegebenen  Tabellen  sind  aus  einer 
grösseren  Anzahl  durch  die  Beobachtung  gewonnener  heraus- 
gegriffen, und  sind  in  den  betreffenden  Versuchen  sowohl  die 
Dicken  der  Platten  als  die  Abstände  derselben  vom  Magnet 
variirt.   Die  Zahlen  der  ersten  Tabelle  lassen  sich  unschwer 


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F.  Himstedt 


503 


durch  den  vom  Magnet  in  der  Eisenplatte  inducirten  Mag- 
netismus erklären.  Je  schmaler  der  Streifen  wird  (als  Grenze 
etwa  die  Breite  des  Magnets),  desto  mehr  wird  sich  offenbar 
die  Wirkung  des  inducirten  Magnetismus  der  eines  Magnets 
nähern,  dessen  Axe  mit  dem  magnetischen  Meridian  zusam- 
menfällt, und  der  also  die  Directionskraft  des  Erdmagnetis- 
mus verstärken  muss. 

Für  die  nicht  unbeträchtliche  Zunahme  der  Schwingungs- 
dauer in  der  zweiten  Tabelle  habe  ich  eine  Erklärung  nicht 
rinden  können.  Die  nächstliegende  Annahme,  dass  der  vom 
Erdmagnetismus  in  der  Platte  inducirte  Magnetismus  eine 
astasirende  Wirkung  ausübe,  ist  deshalb  nicht  wohl  zulässig, 
weil  offenbar  der  vom  Magnet  inducirte  Magnetismus  bedeu- 
tend stärker  ist  als  jener,  und  weil  dann  auch  nicht  abzu- 
sehen ist,  weshalb  die  Wirkung  mit  abnehmender  Breite  erst 
zu-  und  dann  wieder  abnimmt. 

2)  Von  zwei  Kupferplatten  übt  bei  sonst  gleichen  Dimen- 
sionen die  dickere  die  stärkere  Dämpfung  aus;  von  den 
untersuchten  Eisenscheiben  dämpfen  die  dünneren 
stärker  als  die  dickeren. 


Durchmesser  160  mm, 

t0  =  7,273, 

=  0,000  727. 

i 

Dicke  t 

Dicke 

t 

X  -  k0 

0,13  mm  7,060 
0,21  7,066 
0,35  7,097 
0,8  7,162 

0,004  460 
0,004  271 
0,003  944 
0,002  828 

l,6n>m 

2,8 
5,5 
6,4 

* 

7,243 
7,240 
7,265 
7,261 

0,001  785 
0,001  272 
0,000  744 
0,000  602 

Eine  Erklärung  für  diese  Erscheinung  kann  man  auf 
zwei  verschiedene  Arten  zu  geben  versuchen:  entweder  durch 
die  Annahme,  dass  die  dünneren  Platten  infolge  der  Art 
ihrer  Anfertigung  (sie  werden  häufiger  gewalzt)  eine  grössere 
Coercitivkraft  besitzen  als  die  dickeren,  oder  dadurch,  dass 
man  annimmt,  dieselbe  äussere  magnetisirende  Kraft  erregt 
in  dünneren  Platten  einen  grösseren  specifischen  Magnetis- 
mus als  in  dickeren.  Welche  von  beiden  Erklärungen  hier 
anzuwenden  sind,  oder  ob  beide  zusammen  zu  nehmen  sind, 
vermag  ich  nicht  zu  entscheiden. 

Phys.  Inst.  d.  Univ.  Freiburg  i.  Br.,  den  5.  Aug.  1881. 


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504 


Th.  Erhard. 


VII.    Ueber  einige  electrische  Eigenschaften  des 
Indiums;  von  Theodor  Erhard. 


Da  bisher  über  die  physikalischen  Eigenschaften  des  In- 
diums nur  äusserst  wenig  bekannt  ist,  und  sich  mir  kürzlich 
durch  die  Freundlichkeit  des  Hrn.  Oberbergrath  M  erb  ach 
die  Gelegenheit  bot,  eine  im  Besitz  des  hiesigen  königlichen 
Oberhüttenamtes  befindliche,  etwas  grössere  Menge  des  ge- 
nannten Metalles  zu  verwenden,  wofür  ich  zu  grösstem 
Danke  verpflichtet  bin,  so  benutzte  ich  dies,  um  wenigstens 
einige  electrische  Constanten  näher  zu  ermitteln. 

L  Leitungswiderstand.  Hierbei  lag  die  Haupt- 
schwierigkeit  in  der  grossen  Weichheit  des  Materials,  welche 
sowohl  ein  Ziehen  zu  Draht  als  ein  Verbinden  durch  Schrau- 
benklemmen verbot,  letzteres,  da  jede  Erschütterung  die  Ver- 
bindung lockerte,  also  ein  variabler  Widerstand  an  der 
Verbindungsstelle  entstehen  musste.  Ich  stellte  daher  den 
Draht  ganz  in  der  Weise  her,  wie  der  käufliche  Bleidraht 
fabricirt  wird,  nämlich  durch  Pressen  durch  eine  in  Stahl 
gebohrte  kreisförmige  Oeflhung,  wozu  der  Druck  einer  klei- 
nen hydraulischen  Presse  vollkommen  genügte.  Der  erhal- 
tene Draht  wurde  über  ein  aus  Glasstäben  gebildetes  Gestell 
schraubenförmig  aufgewickelt  und  die  Verbindung  mit  den 
Zuleitungsdrähten  dadurch  hergestellt,  dass  die  erst  mit 
feinem  Draht  zusammengebundenen  Drahtenden  galvanisch 
stark  verkupfert  wurden.  Die  Länge  des  Versuchsdrahtes 
wurde  vor  und  nach  der  Widerstandsmessung  bestimmt,  und 
da  sich  durch  das  Auf-  und  Abwickeln  eine  merkliche  Ver- 
längerung ergab  (von  1805,0  mm  auf  1809,9  mm  nach  der 
Messung),  der  Mittel werth  in  Rechnung  gesetzt.  Der  Quer- 
schnitt folgt  aus  dem  absoluten  Gewicht  und  aus  dem  cor- 
rigirten  specifischen  Gewichte  von  7,295  zu  0,5205  qmm. 
Während  der  Messung  befand  sich  der  Draht  in  einem 
Petroleumbad,  was  regelmässig  umgerührt  und  durch  ein 
Wasserbad  erhitzt  wurde. 

Aus  den  in  der  nachfolgenden  Tabelle  enthaltenen  Mes- 


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Th.  Erhard. 


505 


sungsresultaten  ergibt  sich  für  den  specifischen  Widerstand 
ä  (Hg  =1)  bei  der  Temperatur  t: 

8  =  0,08903  (1  +  0,004  744 1), 

doch  zeigen  die  Differenzen  der  berechneten  und  beobach- 
teten Werthe  von  s  eine  solche  Regelmässigkeit,  dass  wohl 
anzunehmen  ist,  dass  vorstehende  Formel  besser  durch  eine 
andere  von  der  Form  s  =  a-{-bt-\-ct%  zu  ersetzen  wäre.  Da 
sich  aber  die  Differenzen  augenscheinlich  nur  wenig  über 
die  Beobachtungsfehler  erheben,  so  habe  ich  diese  Berech- 
nung unterlassen. 

Jedenfalls  steht  aber  fest,  dass  auch  das  Indium  sich 
nicht  der  vielfach  angenommenen  Regel  fügt,  wonach  reine 
Metalle  für  die  Widerstandsänderung  durch  Temperatur- 
differenzen einen  dem  Ausdehnungscoefficienten  der  Luft 
nahen  Coefficienten  besitzen  sollen. 

In  der  nachstehenden  Tabelle  enthält  die  erste  Columne 
die  Temperatur  des  Drahtes  bei  der  Messung,  die  zweite  den 
Widerstand  des  Drahtes  in  Quecksilbereinheiten  (natürlich 
nach  Abzug  des  Widerstandes  der  Zuleitungsdrähte),  die 
dritte  die  aus  der  Messung,  die  vierte  die  aus  der  obigen 
Formel  berechneten  Werthe  von  s,  endlich  die  fünfte  die 
Differenzen  dieser  Werthe  in  Einheiten  der  vierten  Deci- 
male. 


-  5,4  °C. 

-  5,2 

»» 

+  16,5 

17,7 

18,5 

25,7 

38,6 

38,7 

56,4 

» 

58,4 

» 

59,0 

80,0 

» 

85,5 

)> 

95,6 

?? 

96,0 

♦> 

96,4 

w . 

0,3019  S.-E. 
0,3024 
0,3341 
0,3345 
0,3364 
0,3474 
0,3654 
0,3652 
0,3894 
0,3934 
0,3944 
0,4274 
0,4348 
0,4501 
0,4509 
0,4509 


n 
» 

» 
v 


0,0870 
0,0871 
0,0962 
0,0964 
0,0969 
0,1001 
0,1053 
0,1052 
0,1122 
0,1133 
0,1136 
0,1231 
0,1252 
0,1296 
0,1299 
0,1299 


0,0868 
0,0868 
0,0960 
0,0965 
0,0968 
0,0999 
0,1053 
0,1053 
0,1129 
0,1137 
0,1140 
0,1228 
0,1251 
0,1294 
0,1296 
0,1297 


-2 
-3 
-2 

+  1 
-1 
-2 
0 
+  1 
+  7 
+  4 
+  4 
-3 
-1 
-2 
-3 
-2 


2)  Thermoelectrische  Stellung.  Um  diese  zu  fixi- 
ren,  wurde,  da  das  Verhalten  der  verschiedenen  Metalle 


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506 


Th.  Erhard. 


von  zu  vielerlei  Umständen  abhängt,  eine  grössere  Zahl 
Metalle  mit  dem  Indium  combinirt,  und  zwar  Eisen  (mög- 
lichst weicher  Draht),  Zinn  (australisches),  Aluminium  (ge- 
wöhnliches käufliches),  Kupfer  (käuflicher  Draht  von  speci- 
nschem  Widerstand  0,002,  Hg  m  1),  Gold  und  Silber  (beide 
chemisch  rein)  und  endlich  Zink  (schmale  Blechstreifen). 
Die  Verbindung  mit  dem  Indium  erfolgte  durch  Umwickeln 
der  zusammengelegten  Drahtenden  mit  dünnem  Kupferdraht, 
ohne  Verkupferung,  da  hier  ein  constanter  Widerstand  nicht 
nöthig  war,  denn  die  Messung  der  electromotorischen  Kraft 
geschah  durch  Compensation  mittelst  eines  Normaldaniell 
(amalgamirtes  Zink,  Zinkvitriollösung  von  20%  Gehalt,  con- 
centrirte  Kupfervitriollösung,  Kupfer).  Die  so  gefundenen 
Kräfte  sind  zwar  etwas  grösser  als  die  bei  der  Strombildung 
wirklich  zur  Geltung  kommenden1),  da  dann  durch  das  Pel- 
tier'sche  Phänomen  die  Temperaturen  der  beiden  Löthstellen 
einander  sich  nähern  müssen,  allein  diese  Aenderung  hat  auf 
die  Stellung  der  Metalle  in  der  thermoelectrischen  Keine 
keinen  Einfluss.  Die  Resultate  der  Messung  waren  die  nach- 
stehenden: 

a.  Indium,  Eisen. 

Temperaturen  0  und  98,05°  C.  Kraft  0,000  739  D. 

0    „    76,95  „  „     0,000  592  „ 

0    w    36,3    „  „     0,000  298  „ 

Stromrichtung  in  der  warmen  Löthstelle  vom  Indium  zum  Eisen. 

b)  Indium,  Aluminium. 

Temperaturen  0  und  98,6°  C.  Kraft  0,000271  D. 

„          0         77,0  „  .,     0,000  216  „ 

0    „    37,8  „  „     0,000 106  „ 


1)  Da  es  vielleicht  nicht  unzweckmässig  ist,  diese  Differenz  einiger- 
massen  ihrem  Betrage  nach  zu  kennen,  will  ich  hier  die  electromotorische 
Kraft  einer  zehnpaarigen  Neusilbereisenkette  angeben.  Dieselbe  betrug, 
durch  Compensation  gemessen: 

bei  den  Temperaturen  0  und  98,7°  C.  0,01610  D. 
„     »  „  0    „    75,4°  „  0,01200  „; 

dagegen  abgeleitet  aus  der  Stromstärke  bei  verschiedenen  Widerständen : 
bei  den  Temperaturen  0  und  98,7°  C.  0,01559  D. 
m      n  »  0    „    75,4<>  n  ())01174  ?, 


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Th.  Erhard. 


507 


Stromrichtung  in  der  warmen  Löthstelle  vom  Aluminium 
zum  Indium. 

c.  Indium,  Zinn. 

Temperaturen  0  und  98,6°  C.    Kraft  0,000  236  D. 

0    „    77,0  „  „     0,000184  „ 

„  0    „    37,5  ,,  fj     0,000088  „ 

Stromrichtung  in  der  warmen  Löthstelle  vom  Zinn  zum 
Indium. 

d.  Indium,  Kupfer. 

Temperaturen  0  und  98,7°  C.    Kraft  0,000157  D. 

0    „    77,0  „        „     0,000 126  „ 
.,  0    .,    36,0  „        ,.     0,000061  w 

Stromrichtung  in  der  warmen  Löthstelle  vom  Indium  zum 
Kupfer. 

e.  Indium,  Gold. 

Temperaturen  0  und  98,6°  C.    Kraft  0,000050  D. 

0   „    77,1  .,         „     0,000028  „ 
„  0    „    36,5  „         „  unter  0,000  005D. 

Stromrichtung  in  der  warmen  Löthstelle  vom  Indium  zum  Gold. 

Bei  kleinen  TemperaturdifFerenzen  (z.  B.  0  und  10°  C.) 
zeigte  sich  eine  schwache  electromotorische  Kraft  in  ent- 
gegengesetzter Richtung.  Nach  der  Formel  von  Avenarius 
verschwindet  der  Strom  bei  den  Temperaturen  0  und  25,5  °C. 

f.  Indium,  Silber. 

Temperaturen  0  und  98,6  0  C.    Kraft  0,000  038  D. 

0  „  77,0  „  .  „  0,000023  „ 
0    „    36,6    „         „     0,000007  „ 

Stromrichtung  in  der  warmen  Löthstelle  vom  Indium  zum 

Silber. 

Nach  der  Formel  von  Avenarius  verschwindet  der 
Strom  bei  den  Temperaturen  0  und  —1,9°  C. 

g.  Indium,  Zink. 

Hierbei  zeigte  sich  die  electromotorische  Kraft  so  klein, 
dass  sie  nicht  messbar  war.  Doch  war  deutlich  zu  erkennen, 
dass  ungefähr  bei  den  Temperaturen  0  und  75°  kein  Strom 
auftrat,  und  dass  bei  höherer  Temperatur  der  warmen  Löth- 


508 


Th.  Erhard. 


stelle  in  dieser  der  Strom  vom  Indium  zum  Zink,  bei  niedri- 
gerer Temperatur  derselben  umgekehrt  ging. 

Aus  Vorstehendem  geht  hervor,  dass  die  bei  den  Mes- 
sungen benutzten  acht  Metalle  sich  bei  den  Temperaturen 
der  Löthstellen  0  und  98,6°  C.  in  folgender  Reihe: 

—  AI,   Sn,   I,    Zn,    Ag,    Au,    Cu,   Fe  + 

bei  kleiner  Differenz  der  Löthstellentemperaturen  (z.  B.  0 
und  5  oder  10°  C.)  dagegen  folgendermassen: 

-AI,    Sn,    Au,    Zn,    I,   Ag,   Cu,   Fe -f 

anordnen. 

3)  Ueber  die  "Wirkungen  beim  Contact  des  Indiums 
mit  Flüssigkeiten  konnte  ich  leider  nur  wenig  ermitteln, 
da  mir  nur  etwas  sublimirtes  Chlorindium  zu  Gebote  stand. 
Ich  habe  mit  demselben  die  electromorische  Kraft  der  Com- 
binationen : 

Indium,    Chlorindium,    Chlorzink,  Zink, 
..  Kupferchlorid,  Kupfer, 

„  „  Eisenchlorid,  Eisen 

gemessen,  wobei,  um  die  Flüssigkeiten  in  der  Nähe  der  Me- 
talle rein  zu  erhalten,  die  Verbindung  zwischen  den  Gefässen, 
in  denen  die  Metalle  standen,  durch  ein  Röhrensystem  her- 
gestellt war,  welches  hintereinander  vier  Thondiaphragmen 
enthielt. 

Die  Messung  ergab,  dass  in  dem  Element  I|Zn  das 
Indium  den  positiven,  in  den  Elementen  I|  Fe  und  I|Ou  da- 
gegen den  negativen  Pol  bildete.  Die  electromotorischen 
Kräfte  waren  für  die  Combination: 

I|Zn  0,331  D.,  Fe|I  0,160  D.,  Cu|I  0,584  D. 
Von  diesen  drei  Werthen  stimmen  die  für  Zn  und  Cu  gut 
mit  dem  von  Hrn.  F.  Streintz1)  für  Zn|Cu  gefundenen 
Betrage  0,90  D.  überein.  Die  Zahl  für  Fe  |  Zn  differirt  aller- 
dings merklich,  allein  gerade  diese  Combination  zeigte  sich 
bei  den  früheren  Messungen  auch  als  die  variabelste  von 
allen,  wodurch  sich  die  Verschiedenheit  der  Resultate  wohl 
erklärt. 

Bergacademie  Freiberg,  August  1881. 
1)  Streintz,  Carl's  Repert.  15.  p.  6.  1879. 


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K.  /?.  Koch  u.  Fr.  Kloche. 


509 


VIII.    Veber  die  Bewegung  der  Gletscher; 
von  K.  M.  Koch  und  Fr.  Kloche. 

(Aus  den  Berichten  über  die  Verhandlungen  der  naturforsch.  Gesellsch. 
zu  Freiburg  i.  Br.  mitgetheilt  von  den  Herren  Verf.) 

II.  Mittheilung. 


Die  im  August  1879  von  uns  begonnene  Untersuchung 
der  Bewegung  des  Morteratschgletschers  haben  wir  im  Sep- 
temper  1880  fortgesetzt.  Auch  im  letzteren  Jahre  war  die 
Bewegung  eines  Punktes  desselben  eine  durchaus  unregel- 
mässige, jedoch  ihrer  Grösse  nach  bedeutend  schwächere  als 
im  vorhergehenden.  Ob  dies  darin  seinen  Grund  hatte,  dass 
die  Jahreszeit  schon  weiter  vorgerückt  war,  und  deshalb  die 
meteorologischen  Verhältnisse  andere  waren,  müssen  weitere 
Beobachtungen  lehren.  Das  so  auffällige  Rückwärtsgehen 
des  Gletschers  (in  horizontaler  Richtung)  haben  wir  im 
Jahre  1880  nur  einige  mal  bemerkt;  doch  waren  diese  Be- 
wegungen so  klein,  dass  sie  innerhalb  unserer  Fehlergrenzen 
lagen,  sich  also  nicht  mit  Sicherheit  constatiren  Hessen.  Die 
von  uns  beobachteten  Hebungen  und  Senkungen  im  verticalen 
Sinne  waren  im  letzten  Sommer  ebenfalls  bedeutend  kleiner; 
denn  während  im  Jahre  1879  die  Bewegungen  während  einer 
halben  Stunde  constant  über  1  mm  betrugen,  ergaben  im 
Jahre  1880  ca.  70%  aller  halbstündigen  Ablesungen  Bewe- 
gungen, die  kleiner  als  1  mm  waren,  also,  wie  sich  weiter 
unten  ergeben  wird,  ebenfalls  innerhalb  der  Grenzen  unserer 
Beobachtungsfehler  lagen.  Erfolgten  die  Bewegungen  wäh- 
rend einer  längeren  Zeit  in  demselben  Sinne,  so  erhielten 
wir  allerdings  Grössen,  welche  unsere  Einstellungsfehler  über- 
stiegen; die  schwachen  Unterschiede  in  den  halbstündigen 
Bewegungen  lassen  sich  jedoch  mit  Hülfe  unserer  Methode, 
wenigstens  wenn  dieselben  so  klein  wie  im  letzten  Sommer 
sind,  wohl  bemerken,  aber  nicht  mit  der  nöthigen  Genauigkeit 
messen.  Wir  können  also  unsere  vorläufige  Mittheilung  (über 
die  Beobachtungen  im  Sommer  1879)  nur  durch  eine  ge- 


1)  Die  erste  Mittheilung  cf.  Wied.  Ann.  8.  p.  661.  1879. 


t 

510 


K.  R.  Koch  u.  Fr.  Klocke. 


nauere  Beschreibung  unserer  zum  Theil  verbesserten  Instru- 
mente und  Beobachtungsmethoden,  nicht  durch  neue  Resultate 
ergänzen.1) 

Es  wird  sich  hierbei  und  bei  der  Discussion  der  Fehler- 
quellen zeigen,  dass  wir  einerseits  alle  nöthigen  Vorsieh  ts- 
maassregeln  angewandt  haben,  dass  aber  andererseits  der 
exaeten  und  einwurfsfreien  Anwendung  der  Methode  wegen 
der  Kleinheit  der  zu  messenden  Grösse  eigenthümliche 
Schwierigkeiten  entgegenstehen,  die  sich  nicht  vollständig 
bewältigen  lassen. 

Das  Princip  unserer  Methode  war  dasselbe,  welches  wir 
im  Jahre  vorher  angewandt  haben,  und  das  von  Hrn.  Pf  äff2) 
bei  seinen  Beobachtungen  über  die  Bewegung  des  Firnes 
zuerst  für  derartige  Untersuchungen  benutzt  ist.  Auf  dem 
Eise  sind  zwei  Scalen  fest  aufgestellt,  die  eine  horizontal, 
die  andere  vertical,  deren  Bewegung  am  Fadenkreuz  eines 
fest  am  Ufer  aufgestellten  Fernrohres  beobachtet  wird;  die 
Differenzen  zwischen  je  zwei  in  bestimmten  Zeitintervallen 
angestellten  Ablesungen  geben  dann  direct  die  Componenten 
der  wirklich  stattfindenden  Bewegung. 

So  einfach  das  Princip  dieser  Methode  ist,  so  schwierig 
ist  die  Ausführung  derselben,  weil  hierbei  die  Aufgabe  ge- 
stellt ist,  eine  sehr  kleine  Bewegung  (von  ca.  1  mm  und 
weniger)  aus  einer  grossen  Entfernung  (für  unsere  Versuche 
über  300  m)  zu  messen,  wenn  kein  fester  Punkt,  zugleich  mit 
dem  zu  beobachtenden  und  in  Bewegung  befindlichen  im 
Gesichtsfelde  gegeben  ist.  Es  müssen  mithin  folgende  Be- 
dingungen erfüllt  sein;  es  muss: 

erstens  der  Signalpfosten  und  das  an  ihm  befestigte 
Scalenpaar  fest  mit  einem  Punkte  des  Gletschers  verbunden 
sein;  es  muss 

zweitens  die  Collimationslinie  des  Beobachtungsfern- 
rohres in  Azimuth  und  Neigung  auf  Bruchtheile  einer  Bo- 

1)  Wegen  nothwendiger  Keduction  unserer  Beobachtungen,  die  sich 
aus  verschiedenen  Gründen  nicht  eher  ausführen  Hessen,  können  wir  diese 
Mitteilungen  erst  jetzt  veröffentlichen. 

2)  Pf  äff,  Abh.  d.  math.-phys.  Cl.  d.  k.  bayer.  Acad.  d.  Wiss.  12. 
Abth.  2.  p.  105.  1876. 


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511 


gensecunde  genau  feststehen  und  zugleich  ein  Mittel  gegeben 
sein,  dieses  Feststehen  jederzeit  mit  der  erforderlichen  Ge- 
nauigkeit controliren  zu  können,  und  es  ist 

drittens  eine  Methode  erforderlich,  um  die  Ungenauig- 
keiten,  die  durch  das  Vibriren  des  Bildes  erzeugt  werden, 
'  nach  Möglichkeit  zu  eliminiren. 

Wir  wollen  nun  im  Folgenden  mittheilen,  auf  welche 
Weise  wir  diese  Bedingungen  zu  erfüllen  gesucht  haben. 

Für  diese  Messungen  genügt  es  durchaus  nicht,  wie  wir 
uns  überzeugt  haben,  zur  Befestigung  der  Scala  einen  Holz- 
pfahl ins  Eis  zu  versenken  und  über  Nacht  festfrieren  zu 
lassen,  wie  es  bei  allen  früheren  Beobachtungen  geschehen 
ist,  weil  sich  derselbe  im  Laufe  des  Tages  so  lockert,  dass 
man  ihn  leicht  um  einige  Millimeter  verschieben,  resp.  neigen 
kann.  Wir  verfuhren  deshalb  folgend ermassen:  Ein  Cylinder 
von  hinreichend  starkem  Eisenblech,  in  der  Mitte  und  unten 
durch  einen  starken  Ring  gegen  etwaigen  Druck  gefestigt, 
1  m  lang,  20  cm  im  Durchmesser,  trug  geeignete,  weiter 
unten  zu  beschreibende  Vorrichtungen,  um  an  ihm  die  Sca- 
len befestigen  und  senkrecht  stellen  zu  können.  Dieser  wurde 
in  ein  ins  Eis  gehacktes1)  Loch  bis  zu  drei  Viertel  seiner 
Länge  versenkt,  und  in  ihm  eine  Kältemischung  (aus  Eis  und 
Kochsalz)  während  der  Zeit  der  Beobachtung  unterhalten. 
Um  ihn  möglichst  vor  der  Einwirkung  der  Luftwärme  und 
der  Sonnenstrahlung  zu  schützen,  wurde  der  aus  dem  Eise 
hervorragende  Rand  ganz  mit  kleinen  Eisstücken  umpackt, 
sodass  er  mitten  in  einem  Eishügel  stand,  der  selbst  wieder 
zum  Schutze  gegen  die  Sonnenstrahlung  mit  Gletscherschlamm 
bedeckt  war;  oben  trug  der  Cylinder  einen  Deckel  mit  er- 
habenem Rande,  auf  den  gleichfalls  Eisstücke  gelegt  wurden. 
Auf  diese  Weise  gelang  es  uns,  selbst  ohne  die  Kältemischung 
zu  erneuern,  12 — 14  Stunden  lang  eine  Temperatur,  die  unter 
0°  lag,  im  Cylinder  zu  erhalten.  Es  sind  hierdurch  schein- 
bar einige  Fehlerquellen  geschaffen,  deren  Einfluss  etwas 
genauer  betrachtet  werden  soll. 

1)  Wir  machten  den  Versuch,  durch  eine  geeignete  Vorrichtung  ein 
passendes  Loch  ins  Eis  einzuschmelzen,  doch  nahmen  wir  davon  wieder 
Abstand,  weil  der  Apparat  zu  langsam  functionirte. 


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Erstlich  könnte  der  Einwand  erhoben  werden,  dass  durch 
die  im  Cylinder  herrschende  tiefe  Temperatur  die  Structur 
des  Gletschereises  in  der  Umgebung  des  Signals  verändert 
würde.  Es  liegt  jedoch  auf  der  Hand,  dass  bei  der  geringen 
Wärmeleitungsfähigkeit  des  Eises  die  Wirkungssphäre  der 
durch  die  Kältemischung  hervorgerufenen  tiefen  Temperatur 
nicht  sehr  gross  sein  kann.  Es  ist  also  in  diesem  Falle 
die  Wirkung  die  gleiche,  als  ob  man  ein  Signal  ins  Eis 
versenkt  hätte,  dessen  Durchmesser  um  den  der  Zone,  in 
welcher  das  Eis  eine  Temperatur  unter  Null  Grad  hat,  ver- 
größert wäre. 

Man  könnte  zweitens  vermuthen,  dass  der  Cylinder  in- 
folge seines  immerhin  beträchtlichen  Eigengewichtes  (ca.  15  kg) 
ins  Eis  einsänke,  wie  aus  den  Beobachtungen  von  Hrn.  Pf  äff 
über  die  Plasticität  des  Eises1)  geschlossen  werden  könnte. 
Deshalb  brachten  wir  an  der  Seite  des  Cylinders  folgende 
Vorrichtung  an.  In  zwei  Stützen  ö  und  ä  (Taf.  IV,  Fig.  7) 
war  freibeweglich  (mit  Selbstschmiervorrichtung  bei  a  und  b) 
der  unten  rechtwinklig  gebogene  Stab  c  befestigt,  der  an 
seinem  unteren  Ende  einen  schlechten  Wärmeleiter  d  (ein 
dickes  Holzbrettchen)  trug.  Das  Loch  im  Eise  wurde  nun 
so  angelegt,  dass  der  Fuss  dieser  Vorrichtung  (das  Brett- 
chen d)  auf  festes  Eis  zu  stehen  kam.  Der  geringe  Zwischen- 
raum zwischen  Cylinder  und  Eis  wurde  mit  Eisstückchen 
und  Wasser  angefüllt,  die  Kältemischung  hineingethan,  und 
3  —  4  Minuten  darauf  war  der  Cylinder  so  fest  eingefroren, 
dass  man  ihn  selbst  unter  Anwendung  von  Gewalt  weder 
herausreissen  noch  bewegen  konnte.  Wenn  nun  der  Cylinder 
durch  sein  eigenes  Gewicht  einsänke,  so  würde  sich  der 
leichte  Index,  der,  wie  wir  uns  überzeugten,  bereits  ausser- 
halb der  Wirkungssphäre  der  Kältemischung  liegt,  gegen  den 
Cylinder  und  gegen  den  mit  dem  Cylinder  verbundenen 
Maassstab  e  verschieben;  es  war  jedoch  nichts  dergleichen 
zu  bemerken.  In  der  That  ist  auch  ein  merkliches  Einsinken 
des  Cylinders  nicht  zu  erwarten,  da  derselbe  nicht  nur  mit 
seinem  Boden  auf  das  Eis  drückt,  sondern  mit  seiner  ganzen 


1)  Pfaff,  Pogg.  Ann.  155.  p.  169.  1875. 


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I 

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Mantelfläche  angefroren  am  Eise  haftet  und  von  ihm  ge- 
halten wird. 

Wir  brauchen  wohl  kaum  besonders  hervorzuheben,  dass 
wir  die  Kältemischung  mit  grosser  Vorsicht  ein-  und  aus- 
füllten, um  das  umgebende  Eis  nicht  mit  Salzlösung  zu 
infiltriren. 

Nachdem  so  ein  Signalpfosten  gewonnen  war,  der  keine 
Eigenbewegungen  ausführen  konnte,  kam  es  darauf  an,  an 
diesem  die  Scala  genau  vertical  und  horizontal  zu  befestigen. 
Dies  konnte  auf  folgende  Weise  ausgeführt  werden.  Der 
Cylinder  trug  an  seinem  oberen  Ende  zwei  untereinander 
befindliche,  starke,  lange  Schrauben  g,  h  (Taf.  IV  Fig.  7), 
auf  welche  das  Brett,  das  die  verticale  Scala  AB  (Taf.  IV 
Fig.  8)  trug,  gesteckt  und  vermittelst  zweier  Muttern  fest- 
geschraubt werden  konnte.  Um  die  Scala  vertical  stellen 
zu  können,  war  das  obere  Loch  c  (für  die  Schraube  g) 
(Taf.  IV  Fig.  7)  länglich  geschnitten,  sodass  das  Brett  um 
die  Schraube  h  als  Axe  um  einen  gewissen  Bogen  gedreht 
werden  konnte,  das  horizontale  Scalenbrett  CD  (Taf.  IV 
Fig.  8)  war  vermittelst  einer  starken  Schraube  und  Mutter 
am  verticalen  befestigt.  Damit  die  Scalen  in  ein  und 
derselben  verticalen  Ebene  lagen,  und  um  zugleich  einen 
gegen  den  Wind  geschützten  Baum  für  ein  Loth  zu  ge- 
winnen, trug  das  verticale  Scalenbrett  einen  an  drei  Sei- 
ten geschlossenen  rechteckigen  Blechkasten  (A  B  Taf.  IV 
Fig.  8),  welcher  in  der  in  der  Figur  angegebenen  Weise  an 
dem  verticalen  Brett  befestigt  war.  Auf  seiner  Vorderseite 
war  die  Scala  aufgeklebt;  dem  Kasten  waren  solche  Dimen- 
sionen gegeben,  dass  er  mit  seinen  schmalen  Seiten  das 
Brett  gerade  umschloss  und  mit  seiner  vorderen  Fläche  in 
derselben  verticalen  Ebene  lag  wie  die  horizontale  Scala  CD. 
Der  längliche  Ausschnitt  bei  der  Schraube  a  erlaubte  den 
Kasten  beliebig  vor-  oder  rückwärts  zu  neigen.  Im  Inneren 
dieses  Kastens  war  das  Loth  angebracht,  vermittelst  dessen 
die  auf  der  Vorderseite  aufgeklebte  Scala  senkrecht  gestellt 
werden  konnte.  Dies  wurde  in  folgender  Weise  bewerkstel- 
ligt. Die  Scala  hatte  die  in  der  Figur  angegebene  Form, 
d.  h.  abwechselnd  schwarze  und  weisse,  0,5  cm  breite  Felder, 

Ann.  d.  Phjf.  u.  Chetn.  N.  F.  XIV.  33 


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die  zu  beiden  Seiten  einer  Geraden,  die  wir  kurz  die  Längs- 
linie der  Scala  nennen  wollen,  lagen.  In  der  Vorderwand 
des  Blechkastens  befanden  sich  zwei  kreisförmige  Oeffnungen 
y  S,  deren  Centren  mit  den  Enden  der  Längslinie  der  Scala 
zusammenfielen;  ihnen  gegenüber  befanden  sich  im  Scalen- 
brett  zwei  kleinere  Oeffnungen,  die  so  angebracht  waren, 
dass  die  Verbindungslinie  der  Centren  je  zwei  gegenüber- 
liegender Oeffnungen  senkrecht  zur  Vorderfläche  des  Kastens, 
d.  h.  senkrecht  zur  Scala,  standen.  Die  beiden  Seitenwände 
des  Kastens  trugen  ebenfalls  je  zwei  Visiröffnungen  ccce,  ßß, 
die  eine  solche  Lage  hatten,  dass  die  durch  ihre  Centren  ge- 
legte Ebene  parallel  der  vorderen  Fläche  des  Kastens  war. 
Man  sieht  nun  leicht,  dass  man  auf  diese  Weise  sehr  genau 
(auf  5  ßogenminuten)  die  Scala  in  zwei  zu  einander  senk- 
rechten Ebenen  vertical  stellen  kann.  Die  Längslinie  der 
unteren  horizontalen  Scala  wurde  vermittelst  eines  vorher 
controlirten  Winkelmaasses  senkrecht  zur  verticalen  gestellt. 
Ist  das  Fernrohr  gegen  die  Horizontale  geneigt,  so  erwächst 
daraus  ein  Fehler;  derselbe  war  jedoch  so  klein,  dass  er 
vernachlässigt  werden  konnte.  Ebenso  konnte  der  Theilungs- 
fehler  der  angewandten  Scalen  wegen  seiner  geringen  Grösse 
unberücksichtigt  bleiben. 

Die  Fehler,  die  von  einer  falschen  oder  nicht  sicheren 
Aufstellung  des  Signals  herrühren,  sind  im  allgemeinen  nicht 
so  gross  und  nicht  so  schwer  zu  beseitigen  und  zu  controliren. 
wie  die,  welche  das  Nichtfeststehen  des  Beobachtungsfern- 
rohres verursacht.  Wenn  sich  die  Collimationslinie  desselben 
z.  B.  nur  um  eine  halbe  Bogensecunde  verlegt,  so  wird  die 
Scala  gegen  das  Fadenkreuz  schon  eine  scheinbare  Verschie- 
bung erleiden,  welche  die  zu  beobachtende  Grösse  übersteigt. 
Man  wird  deshalb  schon  von  vornherein  das  Beobachtungs- 
fernrohr möglichst  fest  und  geschützt  vor  störenden  Einflüssen 
aufstellen;  man  muss  aber  ausserdem  vermittelst  einer  sehr 
empfindlichen  Methode  das  Feststehen  desselben  mit  der  er- 
forderlichen Genauigkeit  controliren  können. 

Die  Erfüllung  der  ersteren  Bedingung  erfordert  einen 
soliden  Steinpfeiler  für  das  Beobachtungsfernrohr,  welcher 
zum  Schutze  gegen  Sonne  und  Wind  im  Inneren  eines  kleinen 


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festen  Observatoriums  aufgestellt  ist;  ein  einfaches  Zelt  hält 
weder  Sonne  noch  Wind  hinreichend  ab.  Wir  hatten  des- 
halb aus  Stein  eine  geräumige  Hütte  aufführen  lassen;  nach 
dem  Gletscher  zu  besass  die  Mauer  derselben  einen  Ein- 
schnitt, der  gewöhnlich  mit  Strohsäcken  verstopft  war  und 
nur  behufs  der  Beobachtung  auf  kurze  Zeit  so  weit  wie 
nöthig  geöffnet  wurde.  Hierdurch  sind  unsere  Beobachtungen 
allerdings  auf  eine  einzige  Linie  quer  über  den  Gletscher 
beschränkt,  und  da  wir  ferner  nur  ein  Fernrohr  von  den 
nöthigen  Dimensionen  zur  Verfügung  hatten,  so  konnten  wir 
zur  Zeit  immer  nur  einen  Punkt  auf  dieser  Linie  beobachten. 

Um  das  Feststehen  des  Beobachtungsfernrohres  zu  jeder 
Zeit  controliren  zu  können,  hat  man  bekanntlich  verschie- 
dene Methoden.  Gewöhnlich  bringt  man  an  der  Axe  des 
Beobachtungsfernrohres  ein  zweites  an,  das  auf  eine  feste 
Marke  gerichtet  wird,  und  aus  dem  Einstehen  des  letzteren 
schliesst  man  auf  die  unveränderte  Lage  des  ersteren.  Dies 
genügt  jedoch  in  unserem  Falle  nicht,  da  wir  uns  durch 
Yorversuche  an  einem  Theodolithen  überzeugt  haben,  dass 
sich  beide  Fernrohre  unabhängig  von  einander  bewegen 
können;  die  Ursache  hiervon  liegt  einestheils  wohl  in  der 
ungleichen  Ausdehnung  der  einzelnen  Theile  des  Instrumen- 
tes durch  die  Wärme  oder  in  Spannungen,  die  beim  Fest- 
klemmen entstehen  und  sich  nach  und  nach  ausgleichen. 
Ausserdem  wird  die  Schwere  bei  nicht  vollkommener  Aequi- 
librirung  und  Klemmung  eine  Hebung  oder  Senkung  des 
Fernrohres  bewirken,  die  bei  Fernrohren  von  grossen  Dimen- 
sionen, wie  wir  sie  gebrauchten,  ziemlich  bedeutend,  und 
beim  Hauptrohr  und  Versicherungsrohr  verschieden  sein 
kann.  Ausserdem  genügt  es  offenbar  nicht,  als  Versiche- 
rungsrohr ein  Fernrohr  von  kleineren  Dimensionen  zu  be- 
nutzen, das  nach  Art  eines  Suchers  auf  dem  Beobachtungs- 
fernrohr befestigt  ist,  da  für  beide  dieselbe  Vergrösserung 
und  Schärfe  gefordert  werden  muss. 

Wir  wählten  deshalb  folgende  Methode.  Wenn  man 
zwei  auf  unendlich  eingestellte  Fernrohre  mit  den  Objecti- 
ven  gegen  einander  so  aufstellt,  dass  ihre  Collimationslinien 
nahezu  in  eine  Gerade  zusammenfallen,  so  kann  man  bekannt- 

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lieh  durch  das  Ocular  des  einen  Fernrohres  das  Fadenkreuz 
des  anderen  sehen.  Hat  man  nun  ein  Mittel,  das  Feststehen 
des  einen  Fernrohres  zu  controliren,  so  kann  man  am  Ein- 
stehen oder  an  der  Verschiebung  der  Fadenkreuze  gegen- 
einander den  Stand  des  anderen  Fernrohres  prüfen.  Ein 
solches  Mittel  besitzt  man  in  folgendem.  Ein  Fernrohr  mit 
beleuchtetem  Fadenkreuz,  das  senkrecht  zu  einer  spiegelnden 
Fläche  und  auf  unendlich  eingestellt  ist,  liefert  bekanntlich 
ein  mit  seinem  Fadenkreuze  coincidirendes  Bild  desselben. 
Die  Coincidenz  beider  lässt  sich  mit  grosser  Genauigkeit 
feststellen;  dieselbe  ist  nur  abhängig  von  der  Breite  der 
Fäden  des  Fadenkreuzes  und  der  Güte  des  Fernrohres  und 
Spiegels.  Benutzt  man  nun  als  Spiegel  die  Oberfläche 
ruhenden  Quecksilbers,  so  kann  man  hierdurch  der  Colli- 
mationslinie  eine  feste,  jederzeit  controlirbare  verticale  Lage 
geben.  Befindet  sich  unter  dem  Fernrohre  fest  verbunden 
mit  ihm  ein  kleiner  Spiegel,  der  unter  45°  gegen  die  Ver- 
ticale geneigt  ist,  so  wird  man  vermittelst  eines  horizontal 
stehenden,  auf  unendlich  eingestellten  Fernrohres  das  Faden- 
kreuz des  verticalen  erblicken  und  die  beiden  Fadenkreuze 
zur  Coincidenz  bringen  können.  Diese  Methode  hat  ausser 
der  Schärfe,  mit  der  sich  die  Controle  ausführen  lässt,  haupt- 
sächlich den  Vorzug,  dass  hier  die  Collimationslinie  des 
Beobachtungsfernrohres  selbst  auf  ihre  unveränderte 
Lage  geprüft  wird,  was  bei  Anwendung  von  Libellen  oder 
von  einem  Versicherungsfernrohr  nicht  der  Fall  ist.  Wir 
gaben  dem  Apparat  folgende  Einrichtung.  Das  sehr  fest, 
schwer  und  solide  montirte  Beobachtungsfernrohr  A  (Taf.  IV 
Fig.  9)  (Focallänge  115,7  cm)1)  wurde  auf  einem  Steinpfei- 
ler 2)  aufgestellt  und  auf  die  zu  beobachtende  Scala  gerichtet. 
Das  ebenfalls  sehr  solide  montirte  Fernrohr  J5,  mit  beleucht- 
barem  Fadenkreuze  war  senkrecht  auf  den  Quecksilberhori- 


1)  Die  Fernrohre  waren  uns  gütigst  vom  Director  des  hiesigen  physi- 
kalischen Institutes  Hrn.  Prof.  Dr.  War  bürg  und  vom  Director  des 
hiesigen  mathematischen  Cabinets  Hrn.  Prof.  Dr.  Lindemann  über- 
lassen worden. 

2)  Das  Feststehen  desselben  war  durch  zwei  auf  ihm  befindliche 
Libellen  controlirt. 


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zont  gerichtet;  unter  dem  Objectiv  befand  sich,  fest  mit  ihm 
verbunden,  ein  Reflectionsprisma  c,  das  durch  die  Schrauben 
a,  ß,  y,  S  in  jeder  Richtung  verstellbar  war  und  festgeklemmt 
werden  konnte.  Weil  man  bei  der  Beobachtung  der  Scala 
und  bei  der  Einstellung  des  verticalen  Fernrohres  an  dem 
Spiegel  vorbeisehen  musste,  so  war  es  nöthig,  denselben  bei 
möglichst  grosser  Lichtstärke  möglichst  klein  zu  machen; 
ein  Reflexionsprisma  erfüllt  bekanntlich  diesen  Zweck  am 
besten.  Hat  das  Fernrohr  A  eine  gegen  den  Horizont  ge- 
neigte Stellung,  so  kann  man  leicht  das  Prisma  mit  Hülfe 
der  Schrauben  y,  S  so  stellen,  dass  das  Fadenkreuz  von  B 
durch  A  gesehen  werden  kann,  vorausgesetzt,  dass  der  Win- 
kel, den  die  Collimationslinien  der  beiden  Fernrohre  mit 
einander  bilden,  nicht  kleiner  wird,  als  das  Doppelte  des 
Grenzwinkels  der  totalen  Reflexion  (für  das  von  uns  ge- 
brauchte Crownglasprisma  ca.  82°).  Für  noch  stärkere  et- 
waige Neigungen  hatten  wir  ein  Flintglasprisma  mit  einem 
brechenden  Winkel  von  80°  in  Reserve.  Die  Störungen  des 
Aplanatismus  durch  die  schiefe  Inciedenz  sind  hierbei,  wie 
schon  Hr.  Listing  gezeigt  hat1),  nicht  erheblich.  Da  das 
Beobachtungsfernrohr  A  nicht  auf  unendlich,  sondern  auf  die 
einige  hundert  Meter  entfernte  Scala  eingestellt  ist,  so  wird 
man  das  Fadenkreuz  von  B,  weil  B  auf  unendlich  eingestellt 
ist,  nicht  scharf  sehen  können;  deshalb  ist  an  A  noch  ein 
seitliches  Ocular  Ax  angebracht,  in  das  durch  ein  kleines, 
von  aussen  verstellbares  Reflectionsprisma  a  ein  Theil  des 
vom  Objectiv  kommenden  Strahlenbündels  reflectirt  wird. 
Man  beobachtet  nun  durch  das  seitliche  auf  unendlich  ge- 
stellte Ocular  das  Fadenkreuz  von  B  und  durch  das  gerade 
Ocular  die  Bewegung  der  Scala.  Stehen  die  Fadenkreuze 
ein  und  coincidirt  das  beleuchtete  Fadenkreuz  in  B  mit 
seinem  Spiegelbilde,  so  kann  man  sicher  sein,  dass  sich  die 
Absehlinie  des  Beobachtungsfernrohres  nicht  um  eine  Grösse 
geändert  hat,  die  der  Genauigkeit  gleich  ist,  mit  der  sich 
die  Einstellung  der  Fadenkreuze  aufeinander  und  des  be- 
leuchteten Fadenkreuzes  auf  sein  Spiegelbild  ausführen  lässt. 


1)  Listing,  Carl's  Report.  7.  p.  275,  1871. 


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Unter  der  Bedingung,  dass  die  beiden  Reflexionsprismen  sieb 
niebt  unabhängig  von  ihren  Fernrohren  bewegen,  wäre  es 
leicht,  bei  einem  etwaigen  Abweichen  der  Fadenkreuze  von 
einander  die  an  der  Scala  gemachten  Ablesungen  zu  corri- 
giren,  ohne  nöthig  zu  haben,  die  Beobachtungsreihe  zu  unter- 
brechen. Es  zeigte  sich  jedoch  gleich  beim  Beginne  unserer 
Arbeit,  dass  diese  Bedingung  nicht  erfüllt  war;  hierdurch 
waren  wir  gezwungen  eine  angefangene  Beobachtungsreihe 
abzubrechen  und  den  Apparat  neu  einzustellen,  sobald  wir 
eine  Verlegung  der  Fadenkreuze  gegeneinander  bemerkten. 
Infolge  dessen  war  die  Controle  für  das  Versicherungsfern- 
rohr überflüssig.  Wir  schalteten  deshalb  bei  unseren  spä- 
teren Beobachtungen  den  Quecksilberhorizont  und  das  seit- 
liche Ocular  aus,  indem  wir  das  verticale  Fernrohr  einfach 
als  Collimator  unter  der  Annahme  benutzten,  dass  eine  Ver- 
legung der  Collimationslinien  ohne  Störung  der  Co'incidenz 
der  Fadenkreuze  sehr  unwahrscheinlich  ist.  Die  specielleren 
Angaben  über  die  hierdurch  erreichte  Genauigkeit  der  Con- 
trole werden  wir  weiter  unten  mittheilen,  nachdem  wir  vor- 
her gezeigt  haben,  auf  welche  Weise  wir  die  dritte  der  oben 
geforderten  Bedingungen,  nämlich  die  Elimination  der  durch 
das  Zittern  des  Bildes  bei  der  Ablesung  an  der  Scala  her- 
vorgerufenen Fehler  annähernd  zu  erfüllen  versucht  haben. 

Bekanntlich  findet  beim  Visiren  auf  grössere  Entfernungen 
ein  die  Genauigkeit  der  Ablesung  sehr  störendes  Zittern  des 
Bildes  statt.  Visirt  man  bei  Temperaturen  über  0°C.  über 
Eis  oder  Schnee  hinweg,  so  ist  das  Zittern  allerdings  ge- 
ringer, weil  sich  das  Eis  nicht  selbst  erwärmt  und  folglich 
keine  dunkeln  Wärmestrahlen  aussendet.  Da  jedoch  unsere 
Visirlinie  noch  über  einen  Theil  der  Moräne  hinweg  ging, 
und  der  Gletscher  selbst  theilweise  mit  Schutt  bedeckt  war, 
so  war  das  Zittern  immerhin  bedeutend  genug,  um  die  Un- 
sicherheit einer  einzelnen  Ablesung  grösser  als  die  Grössen, 
die  wir  beobachten  wollten,  zu  machen.  Wir  suchten  diesen 
Fehler  dadurch  zu  beseitigen,  dass  wir  unsere  Ablesungen 
an  je  zwei  parallelen  Fäden,  und  zwar  an  jeder  Seite  des 
Fadens  bei  den  grössten,  resp.  kleinsten  Vibrationsamplituden 
machten,  indem  wir  von  der  wohl  zulässigen  Annahme  aus- 


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gingen,  dass  die  Grösse  der  Amplituden  nach  beiden  Seiten 
hin  die  gleiche  ist.  Das  Mittel  aus  den  so  erhaltenen  Zahlen 
gibt  dann  den  von  uns  für  den  Stand  der  Scala  benutzten 
Werth,  d.  h.  die  Lage  der  Halbirungslinie  des  Fadenabstan- 
des auf  der  Scala.  Der  mittlere  Fehler,  mit  dem  diese 
Grösse  behaftet  ist  (Zielfehler)  lässt  sich  auf  folgende  Weise 
rinden.  Aus  den  vielen  hundert  Ablesungen,  die  wir  an 
jedem  Signal  machten,  lässt  sich  mit  grosser  Genauigkeit 
der  Abstand  der  Fäden  sowie  der  mittlere  Fehler  desselben 
(ausgedrückt  in  Theilen  der  Scala  für  diese  bestimmte  Ent- 
fernung) ermitteln.  Ist  MJ  dieser  mittlere  zu  fürchtende 
Fehler  einer  einzelnen  Beobachtung  des  Abstandes  der  bei- 
den Fäden  für  eine  bestimmte  Entfernung  der  Scala  vom 
Fernrohr,  so  ist  der  mittlere  Fehler  für  den  Ort  der  Mitte 
je  eines  Fadens  m  =  3f1/]/2,  und  der  mittlere  Fehler  für 
den  Ort  der  Halbirungslinie  des  Abstandes  der  beiden  Fäden 

Die  folgende  Tabelle  gibt  für  die  verschiedenen  Entfer- 
nungen den  gesuchten  Zielfehler  (d.  h.  den  mittleren  zu 
fürchtenden  Fehler  für  die  einzelne  Beobachtung). 


Sign. 

Entfernung 2) 

Mittlere  Zielfehler  für  die 

verticale  Scala 

horizontale  Scala 

L 
II. 

III. 

IV. 

318  m        0,03  cm  =  0,19" 
312  „         0,03  „  =  0,20" 
205  „         0,04  „  =  0,40" 
143  „         0,03  „  =  0,43" 

0,04  cm  =  0,26" 
0,03  „  =  0,20" 
0,04  „  =  0,40" 
0,03  „  =  0,43" 

1)  Sind  nämlich  mx  und  m.,  die  vorläufig  noch  unbekannten  Fehler 
der  Grössen  ptx  und  x.,  (Werthe  für  die  Mittellinie  eines  jeden  Fadens), 
so  ist  der  mittlere  Fehler  des  Abstandes  (x8— a*,)  der  beiden  Fäden: 

Mx  =  W+ 

oder,  da  m,  =  m2  =  m  angenommen  ist,  und  Mx  aus  den  Beobachtungen 
direct  berechnet  wird: 

Da  nun  das  Mittel  aus  den  beiden  Grössen  xx  und  £,  den  Ort  der  Hal- 
birungslinie des  Abstandes  der  beiden  Fäden  angibt,  so  ist  der  mittlere 
Fehler  desselben:  /— nm  \r 

2)  Aus  dem  beobachteten  Abstände  der  Fäden  wurde  die  Entfernung 


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520 


K.  R.  Koch  u.  Fr.  Kloche. 


Dass  der  Zielfehler  mit  abnehmender  Entfernung  nicht 
kleiner  wird,  sondern  (in  Bogensecunden  ausgedrückt)  sogar 
wächst,  liegt  daran,  dass  für  die  kürzeren  Distanzen  zwischen 
Fernrohr  und  Scala  die  Eintheilung  der  Scala  in  halbe  Cen- 
timeter  zu  grob  war.  Um  den  Zielfehler  noch  kleiner  zu 
machen,  könnte  man  die  Zahl  der  Fäden  noch  weiter  ver- 
mehren. Es  erschien  uns  jedoch  dies  einestheils  nicht  rath 
sam,  weil  dadurch  die  Zeit,  welche  man  zu  einer  Beobach- 
tung gebraucht,  mehr  verlängert  wird,  als  dies  bei  den 
kurzen  Intervallen  zwischen  zwei  Ablesungen  (l/2  Stunde) 
thunlich  ist,  und  anderenteils  hielten  wir  es  für  unnöthig. 
weil  die  Genauigkeit,  mit  der  sich  das  Feststehen  der  Colli- 
mationslinse  controliren  Hess,  geringer  war. 

Die  Methode,  die  wir  hierbei  anwandten,  ist  bereits  oben 
beschrieben  worden;  wir  verfuhren  nun  folgender massen. 

Um  den  Werth  sogleich  in  Scalentheilen  für  die  be- 
treffende Entfernung  zu  haben,  wurde  diese  Bestimmung 
jedesmal  neu  ausgeführt,  wenn  das  Signal  an  einen  anderen 
Punkt  gesetzt  war.  In  der  Regel  wurden  die  Fadenkreuze 
fünfmal  hintereinander  zur  Co'ineidenz  gebracht  und  jedes- 
mal zugleich  der  Stand  der  Fäden  an  den  beiden  Scalen 
notirt.  Eine  grössere  Zahl  von  Beobachtungen  war  nicht 
wohl  zulässig,  weil  diese  fünf  Einstellungen  und  Ablesungen 
circa  eine  halbe  Stunde  in  Anspruch  nahmen,  und  das  Auge 
des  Beobachters  nach  dieser  Zeit  ermüdet  war.  Die  Grösse 
der  Fortbewegung  der  Scala  während  der  Beobachtung  selbst 
wurde  hierbei  an  den  beobachteten  Werthen  in  Rechnung 
gebracht.  Die  Zahlen  der  nachfolgenden  Tabelle  geben  die 
Fehlergrössen  direct  in  Scalentheilen  für  die  betreffende 
Entfernung: 


Signal 


Für  die  Scala 
vertical   I  horizontal 


I.       0,11  cm 
II.       0,13  „ 
III.       0,17  „ 


0,14  cm 
0,13  „ 
0,13  „ 


der  Scala  vom  Fernrohre,  da  es  sich  nur  um  eine  angenäherte  Messung 
handelte,  in  bekannter  Weise  berechnet  (Genauigkeit  l°/0). 


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K.  R.  Koch  u.  Fr.  Klocke. 


521 


Diese  Grösse  setzt  sich  aus  zwei  anderen  zusammen, 
nämlich  erstens  aus  dem  Zielfehler  (der  sich  aus  den  fünf 
Beobachtungen  berechnen  lässt),  und  zweitens  aus  dem  Fehler, 
der  aus  einer  nicht  genauen  Coincidenz  der  Mitten  der  bei- 
den Fadenkreuze  resultirt.  Offenbar  sind  nun  auch  unsere 
Messungen  der  Bewegung  des  Gletschers  selbst  um  die 
gleiche  Grösse  ungenau,  nämlich  um  den  Zielfehler  und  um 
eine  Grösse,  die  von  der  Schärfe  abhängt,  mit  der  sich  die 
Coincidenz  der  Fadenkreuze  beurtheilen  lässt.  Die  Unsicher- 
heit, die  unseren  Ablesungen  (für  die  Messung  der  Bewegung) 
mithin  anhaftet,  ist  im  Mittel  l",  d.  h.  das  Vierfache  des 
Zielfehlers.  Es  kommt  diese  Vergrösserung  daher,  dass  das 
Fadenkreuz  des  Versicherungsfernrohres,  durch  das  Haupt- 
rohr betrachtet,  verhältnissmässig  breit  erschien.  Eine  directe 
Messung  ergab  in  der  That  die  Breite  dieses  Fadenkreuzes 
zu  ca.  8".  Da  sich  die  Axen  der  Fadenkreuze  ungefähr  auf 
ein  Zehntel  ihrer  Breite  genau  aufeinander  einstellen  lassen, 
so  beträgt  allerdings  der  bei  der  Beurtheilung  des  Einstehens 
der  Fadenkreuze  mögliche  Fehler  0,8 "  und  mithin  der  ganze 
Fehler  1,1",  wie  ihn  auch  die  directen  Beobachtungen  er- 
gaben. Wir  theilen  nun  noch  zur  Probe  einige  Tabellen 
mit,  aus  denen  hervorgeht,  dass  die  von  uns  beobachteten 
Bewegungen  des  Gletschers  von  einer  Grösse  sind,  die  inner- 
halb dieser  soeben  discutirten  Fehlergrenzen  liegen. 


Scala  L1) 

Entfernung  vom  Fernrohre  318  m. 
Entfernung  vom  Rande  des  Gletschers  260  m. 


Vertic.  '  Horte. 
Beweg,  j  Beweg. 

cm  cm 

Vertic. 
Beweg. 

cm 

Horiz. 
Beweg. 

cm 

Sept.  4: 

von  1 9&  — bis  1 9^  30«» 
„  19  30    „  20  — 
„  20  —     „  20  30 
„  20  30     „  21  - 
„  21  -     „  21  30 2) 

1 

±0,00  +0,131 
—0,03  4-0,52 
4-0,08  4- 0,15' 
-0,18  4-0,10 

von  21h  30m  bi822h  — m 
„  22  —     „  22  30 

1  „  22  30    „  23  — 
„  23  —     „  23  30 
„  23  30    „  24  — 

—0,08 
—  0,05 
±0,00 
±0,00 
-0,02 

+0,15 
+0,17 
+  0,35 
+0,10 
+0,20 

1)  Die  Zeiten  sind  gerechnet  von  Mittag  zu  Mittag.  +  bezeichnet 
eine  Abwärtsbewegung,  —  eine  Aufwärtsbewegung. 

2)  Die  Fadenkreuze  schienen  nicht  mehr  zu  coincidiren;  deshalb 
neue  Einstellung. 


522 


K.  R.  Koch  u.  Fr.  Khcke. 


Vertic. 
Beweg. 

cm 

Horiz. 
Beweg. 

cm 

Vertic. 
Beweg. 

cm 

Horiz. 
Beweg. 

cm 

Sept.  5: 

von  Oh  —  m  bis  Oh  30"» 
„  0  30     „   1  - 
„  1   -     „   1  30 
„  1  30     „2  ->) 
„  2  -     „  2  30 

Entfernung 
Entfernung 

±0,00  !+ 0,1 5 
—  0  03  4-0  18 
±0,00  4-0,35 

+0,10 1+0,28 
Seals 

vom  Fernrohr 
vom  Rande  d 

1 

1  von  2h  30m  bis  3h  — m 
„  3  -     „   3  30 
„  3  30     „  4  - 
„  4  -     „  4  30 
„  4  30     „   5  - 

i  HL 

e  205  m. 

es  Gletschers  147  m. 

+  0,13 
+  0,10 
+  0,10 
-0,23 
+  0,13 

+  0,27 
+0,20 
+  0,10 
+0,25 
+  0,13 

Vertic. 
Beweg. 

cm 

Horiz. 
Beweg. 

cm 

Vertic. 
Beweg. 

cm 

Horiz. 

Ii  e  •>  t  _ 

Sept.  11: 

von  oh  — m  bis  Oh  30™ 

n     nn  1 

„  0  30     „  1  — 
„  1   -     „   1  30 
„  1  30     „  2  - 
„  2  -     „  2  80») 
„  2  30     „  3  - 
»  8  -     „  3  30 

+  0.05 
-0,05 
-0,05 
+  0,05 

+  0,02 
-0,02 

+0,12 
+  0,28 
+  0,12 
+  0,13 

+  0,05 
-0,07 

von  3h  30m  bis  4h  — m 
n  4  —     „4  30 
n  4  30  „5 
„  5  —     „  5  30 
n  5  30     „  6  - 
n  6  —     „  18  — 

+  0,02 
—  0,10 
+  0,13 
+  0,10 
-0,15 
-0,15 

+  0,05 
+  0,23 
+  0,05 
+  0,12 
+  0,15 
+  4,15 

Diese  aus  unseren,  14  Tage  lang  ununterbrochen  fort- 
gesetzten Beobachtungen  ausgehobenen  Reihen  zeigen  zur 
Genüge,  dass  die  vorliegende  Methode  —  welche  wir  wenig- 
stens mit  den  uns  zu  Gebote  stehenden  optischen  Mitteln  an 
die  äusserste  Grenze  der  bei  derselben  erreichbaren  Genauig- 
keit geführt  zu  haben  glauben  —  nicht  ausreichte,  die  letzt- 
jährigen, so  geringen  Bewegungen  des  Morteratschgletschers 
mit  absoluter  Genauigkeit  zu  messen. 

Das  Resultat  unserer  Beobachtungen  erscheint  hiernach 
allerdings  wesentlich  negativ;  wir  möchten  jedoch  auf  Fol- 
gendes aufmerksam  machen.  Wenn  auch  die  oben  gegebenen 
Zahlen  um  eine  Grösse  unsicher  sind,  die  ihre  eigene  über- 
steigt, so  ist  damit  doch  nicht  gesagt,  dass  die  aus  denselben 
berechneten  Bewegungen  des  Eises  auf  Eigenbewegungen 
unseres  Beobachtungsfernrohres  zurückzuführen  sind.  Um 


1)  Die  Fadenkreuze  schienen  nicht  mehr  zu  coincidiren;  deshalb  neue 
Einstellung. 


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E.  Lommel. 


523 


uns  nämlich  ein  ungefähres  Urtheil  über  die  Güte  unserer 
Beobachtungen  zu  bilden,  brachten  wir  an  der  gegenüber- 
liegenden Felswand  eine  Scala  und  Laterne  an  und  beobach- 
teten dieselben  während  eines  Zeitraums  von  24  Stunden  (am 
Tage  die  Scala  und  in  der  Nacht  die  Laterne).  Am  Tage 
war  überhaupt  keine  Verlegung  des  Signals  gegen  das  Faden- 
kreuz bemerkbar,  während  der  Nacht  Hess  sich  allerdings 
eine  äusserst  schwache  Verschiebung  des  Lichtpunktes  im 
Sinne  einer  Senkung  der  Laterne  (im  ganzen  noch  keine 
Bogensecunde)  wahrnehmen.  Periodische  Hebungen  und  Sen- 
kungen bemerkten  wir  weder  bei  Tage  noch  bei  Nacht.  Man 
wird  also  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  annehmen  dürfen, 
dass  die  von  uns  beobachteten  Bewegungen  den  wirklichen 
im  ganzen  und  grossen  entsprechen  werden,  wenn  auch  ihre 
wahre  Grösse  eine  andere  ist. 

Eine  Discussion  über  die  wahrscheinlich  sehr  complicir- 
ten  Ursachen  dieser  sonderbaren  Bewegungen  anzustellen, 
halten  wir  bei  dem  dürftigen,  bis  jetzt  vorliegenden  Beob- 
achtungsmaterial für  verfrüht. 

Freiburg  i.  B.,  Juli  1881. 


IX.  Theorie  der  Drehung  der  Polari&ationsebene; 

von  JE.  Lommel. 


In  den  folgenden  Zeilen  gedenke  ich  zu  zeigen,  dass 
die  Lichttheorie,  welche  ich  in  mehreren  früheren  Abhand- 
lungen1) aufgestellt  habe,  die  Drehung  der  Polarisationsebene, 
und  zwar  sowohl  die  magnetische  als  die  natürliche,  in  sehr 
einfacher  Weise  erklärt.  Jener  Theorie  liegen  folgende  Vor- 
stellungen zu  Grunde:  1)  der  zwischen  den  Körpermolecülen 
enthaltene  Aether  ist  von  derselben  Beschaffenheit  wie  der 
freie  Aether;  insbesondere  ist  derselbe  unzusammendrückbar; 
2)  zwischen  Aether-  und  Körpertheilchen  findet  eine  der 

1)  E.  Lommel,  Wied.  Ann.  3.  p.  251  u.  339.  1878;    4.  p.  55.  1878. 


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524 


E.  Lommel. 


Reibung  analoge  Wechselwirkung  statt,  welche  ihrer  rela- 
tiven Geschwindigkeit  proportional  ist;  3)  auf  jedes  Körper- 
theilchen  wirken  die  ihm  eigentümlichen  elastischen  Kräfte, 
und  4)  ein  seiner  Geschwindigkeit  proportionaler  Widerstand. 

Dieser  Widerstand,  welchen  man  etwa  durch  die  dem 
Molecül  als  integrirender  Bestandtheil  zugehörige  Aetherhülle 
hervorgebracht  denken  kann,  ist  für  ein  Molecül  von  ge- 
wöhnlicher Beschaffenheit  nach  allen  Richtungen  hin  der 
nämliche.  Kreist  aber  um  das  Molecül  ein  electrischer  Strom, 
oder  ist  dasselbe  schraubenförmig  gebaut,  so  muss  dieser 
Widerstand  nach  verschiedenen  Richtungen  verschieden,  und 
zwar  für  Bewegungen  rechts  herum  ein  anderer  sein  als  für 
Bewegungen  links  herum. 

Um  die  Gesetze  der  Wellenbewegung  in  Körpern  von 
solcher  Beschaffenheit  darzustellen,  ist  es  daher  nur  erforder- 
lich, in  den  Bewegungsgleichungen  der  Molecüle  das  auf  den 
molecularen  Widerstand  bezügliche  Glied  derart  zu  vervoll- 
ständigen, dass  es  jene  Verschiedenheit  hinsichtlich  rechts- 
und  linksherum  gehender  Bewegungen  zum  Ausdruck  bringt, 
während  die  Gleichungen  für  die  Bewegung  des  Aethers  un- 
geändert  bleiben. 

I.   Die  magnetische  Drehung  der  Polarisationscbene. 

Bezeichnen  x,  y,  z  die  rechtwinkligen  Coordinaten  der 
gemeinschaftlichen  Gleichgewichtslage  der  in  demselben  Vo- 
lumenelemente enthaltenen  Körpermasse  m  und  Aethermasse 
H,  und  x',  y\  z',  |',  ?/,  £'  ihre  resp.  Coordinaten  nach  eingetre- 
tener gegenseitiger  Verschiebung,  so  gilt  in  einem  isotropen, 
von  magnetischen  Kräften  nicht  beeinflussten  Mittel  für 
die  Bewegung  der  Körpermasse  m  parallel  der  *-Axe  die 
Gleichung: 

m      dfi—=-2km      dt  _w/r(.r-.r)-2mv^--^J 

und  für  die  Bewegung  des  Aethers  nach  derselben  Richtung 
die  Gleichung: 

»~dt*-=(o  { --3P— +-^-  +  dz—r2mv\Tt-jiy 


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E.  Lommel 


525 


in  welchen  das  mit  der  Constante  v  multiplicirte  Glied  die 
Wechselwirkung  zwischen  Aether  und  Körpertheilchen,  das 
mit  k  behaftete  Glied  den  molecularen  Widerstand  ausdrückt. 
Analoge  Gleichungen  entsprechen  den  Bewegungen  parallel 
der  y-  und  z-Axe.  Zu  diesen  sechs  Gleichungen  kommt 
noch  hinzu  die  Bedingung  für  die  Unzusammendrückbarkeit 
des  Aethers: 

<*(*-*')   ,  rf 0/  -  n)   ■  d(z-  n  _  n 
dx      "t'    dy      +      dz  ~°> 

welche  fordert,  dass  die  Aetherschwingungen  in  der  Wellen- 
ebene oder  transversal  erfolgen. 

Wählen  wir  die  Normale  der  Wellenebene  als  z-Axe, 
so  ist  z  —  J  =  o;  die  auf  die  r-Axe  bezüglichen  Bewegungs- 
gleichungen sind  alsdann  von  selbst  erfüllt,  und  die  noch 
übrigen,  den  beiden  anderen  Axen  entsprechenden  Gleichungen 
dienen  zur  Bestimmung  der  Verschiebungen  als  Functionen 
von  z  und  (. 

Werden  nun  durch  eine  zur  Wellennormale  (2-Axe)  pa- 
rallele magnetisirende  Kraft  Molecularströme  inducirt  (wie  bei 
diamagnetischen  Körpern)  oder  vorhandene  Molecularströme 
gerichtet  (wie  bei  magnetischen  Körpern),  so  bewirken  diese 
kleinen  Stromkreise,  deren  Ebenen  zur  Wellenebene  parallel 
sind,  dass  der  nach  der  x-Axe  gerichtete  moleculare  Wider- 
stand nicht  blos  von  der  x- Componente,  sondern  auch  von 
der  y- Componente  der  Geschwindigkeit  abhängig  wird  und 
sonach  die  Form: 

_  Um*VjL±  _  2  Sm  ^  ■*>- 

annimmt,  wo  2^  ein  von  der  Stärke  der  Molecularströme 
abhängiger  Coefficient  ist;  dasselbe  gilt  von  dem  nach  der 
^-Axe  gerichteten  Widerstand,  welcher,  weil  diese  Kräfte 
durch  eine  beliebige  Drehung  um  die  z-Axe  ungeändert 
bleiben,  sich  nothwendig  in  der  Form: 

-  2 hm  *M  -yL  +  2  dm  dlx'-x)  darstellt, 
dt  dt 

Bildet  die  Richtung  der  magnetisirenden  Kraft  mit  der 
Fortpflanzungsrichtung  der  Welle,  und  sonach  auch  die  Ebene 
der  Molecularströme  mit  der  Wellenebene  einen  Winkel  «, 


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526  E.  Lommel  ' 

so  kommt  von  jedem  Strömchen  nur  die  in  die  Wellenebene 
fallende  Componente  zur  Wirkung,  und  man  hat  2  Jcos«  statt 
2  8  zu  setzen.  Dabei  denken  wir  uns  die  Normale  der  Strom- 
ebene stets  nach  der  Seite  errichtet,  von  welcher  aus  gesehen 
der  Strom  in  der  Richtung  des  Uhrzeigers  kreist. 

Die  Bewegungsgleichungen  der  Körpertheilchen  (1)  und 
des  Aethcrs  (2)  ergeben  sich  daher  wie  folgt: 

m     <*'-*>  =  -  2km  ^=^--  2d cos u .  m 


(1) 


(2) 


(3) 


m  W-rt  =  2  i >  cos  a .  m  *V~m>  -2  km 

w  — dfi—  =  "  '  -   dz*     +  2  w  "  1 Ü7  ~  rf7 J « 

Man  genügt  diesen  Gleichungen,  indem  man: 
x-g^Al,    y-?f=Bl,    x-x  =  Ll,  y'-y=ML 

in  sie  einsetzt,  und  die  Constanten  A,  B,  L,  M,  ferner  das 
Absorptionsvermögen  K  und  die  Fortpflanzungsgeschwindig- 
keit c  in  geeigneter  Weise  bestimmt.  Die  Grösse  q)  d.  i.  die 
mit  2  %  multiplicirte  Schwingungszahl  der  fortgepflanzten 
Welle,  ist  als  gegeben  anzusehen. 

Die  Gleichungen  (2)  nehmen  nach  Substitution  jener 
Werthe  die  folgende  Gestalt  an: 

p  y«  +  w2  [k+  I  if  -  2  mvqi  (l  +  |]  _  o, 
sie  können  gleichzeitig  nur  bestehen,  wenn: 

W  Ä  *  ^  *  * 

gesetzt  wird  und  reduciren  sich  alsdann  auf  die  einzige: 


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E.  Lommel. 


527 


(5)  fiq2  +  w2  (k  +  -J-  i\  -2m (1  4-  g)  =  o. 

Aus  den  Gleichungen  (1)  dagegen  erhält  man  nach  Ein- 
setzung der  Werthe  (3)  die  folgenden  zwei  Bedingungen: 

|  (p3  —  ^2  -h  2(k-v)qi)L  =  -28  cosa.qiM+2vqiA, 

\(p2  -  q2  +  2{k  -  v)qi)  M  =     2Öcosa. qiL  +  2vqiB. 

Multiplicirt  man  die  erste  derselben  mit  die  zweite 
mit  A  und  zieht  sie  von  einander  ab  unter  Beachtung  der 
Relation  (4),  so  ergibt  sich: 

28  cosa.qi{AL  +  BM)  —  o,  oder: 

(7)  AL  +  BM=o. 

Addirt  man  aber  die  Gleichungen  (6),  nachdem  man  die 
erste  mit  A,  die  zweite  mit  B  multiplicirt  hat,  so  erhält  man 
mit  Rücksicht  auf  (4)  und  (7) : 

(8)  A-  +  B2  =  o,  woraus: 
(8.)  B=±Ai 

und  alsdann  vermöge  (7): 

(7a)  M=±Li 

folgt.  Nach  Einführung  dieser  Werthe  liefert  jede  der  Glei- 
chungen (6): 

m\  L  =  n  — &  , 

W  j  -  V  -   ps  _  qt  +  2  (jfc  -  y)  qi  ±  20  cos  o  .  q 

folglich,  wenn  man: 

(10)  o  =  6  +  ti  setzt: 

[     nam   (*  -  p)  q*  , 

J  (p*-?2±2<5cosa.!?)2  +  4(*-,0V 

*     '        |   2rq(p*  —  q*  ±  2  Ö  COS  q  .  q) 

(      T  ~~  (p2  -  y2  ±  2  (5  cos  n  .  q)*  +  4  (jfc  -  yj*  ^ 

Substituirt  man  nun  p  =  o*  +  t*  in  die  Gleichung  (5), 
so  zerfällt  dieselbe  durch  Scheidung  des  Reellen  vom  Imagi- 
nären in  die  zwei  Gleichungen: 

aus  welchen  sich,  wenn  man  der  Kürze  wegen: 


528  E.  Lommel. 

l  _^  —  p   und   (i  +  (t)  =  Q 

setzt,  und  tt/Vju.  (die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  des  Lichtes 
im  freien  Aether)  =  l  annimmt,  die  Fortpflanzungsgeschwin- 
digkeit c  und  der  Absorptionscoefficient  K  wie  folgt  ergeben: 

(14)  ^  =  i(VTM^}*"  +  P), 

(15)  |?  =  £  (VF+Q2  -  P),  worin: 


/i        (p2  -  q-  ±  2  (5  cos  «  .  |jr)-  +  4  [k  -  v)1  q' 

Q      2mt'     (P*  -q9  ±20  cos  «  .  y)2  +  4/fc(fr  -  y)  ?8 
"   '  ^  ~~    ,utf        (/>2  -  q1  ±  2  ö  cos  «  .  y)2  +  4 (k  -  v)- q* 


ist.  Man  erhält  also,  entsprechend  dem  doppelten  Vorzeichen 
des  mit  8  behafteten  Gliedes,  zwei  Werthe  c  und  c '  für  die 
Fortpflanzungsgeschwindigkeit,  und  zwei  zugehörige  Werthe 
K'  und  K"  für  das  Absorptionsvermögen. 

Die  gleichzeitigen  Bewegungen  der  Aether-  und  der 
Körpertheilchen  werden  nun  durch  die  reellen  Theile  der 
Ausdrücke  (3)  dargestellt  Bezeichnen  wir  zur  Abkürzung 
die  Verschiebungen  der  ersteren  mit  gx  und  r}v  die  der  letz- 
teren mit  und  yv  so  erhalten  wir  für  die  Körpertheilchen, 
da  L  =  Aq  ist: 

x\  =  ARe~Kt  cos  [qt  —  |  z  +  t//j  , 


(18') 


y\  =  A  R'e-x*  sin  (yf-  c?  *  +  v')> 


In. 


(18") 


V(p2  -  ?2  -f  2  i)  cos          +  4  (Ä?  -  *  )*  y8 
ctgi//  =  ~2— 2Al   ist,  und: 

^  =  AR"*-***  cos  [pt--2rz+  if>"} , 
ft"  =  -  i4Ä"*-**-  sin  (y/  -  4r  z  +  V")  » 


mit: 


Ct^   =^-g2-2^cos«.g  * 


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E.  LommeL 


529 


1(9) 


Die  Bewegungen  der  Aethertheilchen  dagegen  werden 
ausgedrückt  durch  die  beiden  Paare  von  Gleichungen : 

g/  =  ^e-*'*cos^-?z),  Ae-v*  sin^-^z); 

^''^Ae-r  'cos^t-Uy  rn"  =  -A<r~*  *  sin  > 

welche  ersichtlich  zwei  entgegengesetzt  kreisförmig  polari- 
sirte  Strahlen  darstellen,  die  sich  mit  verschiedenen  Ge- 
schwindigkeiten fortpflanzen  und  infolge  verschiedener  Ab- 
sorption ungleiche  Amplituden  haben. 

Nehmen  wir  an,  die  Absorption  sei  so  gering,  dass 
K=*o  gesetzt  werden  darf,  so  vereinfachen  sich  vorstehende 
Gleichungen  zu: 


(20) 


1/  =  A  cos^—  Vi  =    A  mn^ft  — 

ii'  =  A  cos  [qt  -  %r  z)  >    Vi"  =  —  A  si»     —  -?t 


und  die  Componenten  der  geradlinigen  Schwingung,  zu  wel- 
chen sich  die  beiden  kreisförmigen  Bewegungen  nach  Durch- 
laufung des  Weges  z  zusammensetzen  sind: 


q  \  z 


(21) 


|  i;  +  g/'  =  2  ^  cos  (-*  -  f  )  I  .  cos  (, f  -  (  2  + 

|V  +  V=2^sin(/-|)f  cos(^-(^+^|). 

Bezeichnen  wir  mit  A  den  Winkel,  welchen  diese 
Schwingung  mit  der  ursprünglichen  Schwingungsrichtung 
(bei  z  —  o)  bildet,  so  ist: 

Es  hat  demnach  eine  Drehung  der  Schwingungsebene 
stattgefunden  im  Betrage  von: 

(22)  ä  -  (j*  -  f  ) 

Ist  aber  die  Absorption  so  unbedeutend,  dass  als 
verschwindend  angesehen  werden  kann,  so  gilt  dasselbe  auch 
von  Q.  und  hat  man:        1  _  p 

Ann.  d.  Phys.  tu  Chem.   N.  F.  XIV.  34 


Z 
2 


(28) 


530  E.  Lommel. 

Entwickelt  man  nun  1  /  c  und  1  /  c"  nach  Potenzen  der 
kleinen  Grösse  2  8  cos  cc.q,  und  die  Coefficienten  der  Ent- 
wicklung wiederum  nach  Potenzen  von  y2,  so  findet  man: 

1=  A  +  Bq2+Cq*  +  ..-)  +  ÖCOSa.q(A  +  Bq*+Cq'+.\ 
+  8*  COS2a.q2{Ä'  +  .-•)  +  ••, 

+  82  cos2  a.q-{A"-\  )  , 

folglich,  wenn  man  die  Glieder  mit  der  dritten  und  höheren 
Potenzen  von  8  ausser  Acht  lässt: 

-  ?.  =  2  d  cos  a  (Äq2  +  #y  +  CVy«  +...). 

oder,  da  q  —  2nV\'k  ist,  wenn  J7  die  Fortpflanzungsgeschwin- 
digkeit und  X  die  Wellenlänge  im  freien  Aether  bezeichnet: 

f-f-2*cos«(f1  +  |i  +  f.  +  -). 

Die  Drehung  der  Schwingungsebene  wird  also  durch 
den  Ausdruck: 

(24)  J=  zö  cos«(£  +  £  +  ffl  +  ...) 

dargestellt,  welcher  übereinstimmend  mit  der  Erfahrung  aus- 
sagt, dass  die  Drehung  1)  der  Dicke  der  vom  Lichtstrahl 
durchlaufenen  Schicht,  2)  der  Grösse  der  magnetisirenden 
Kraft,  3)  dem  Cosinus  der  Neigung  dieser  Kraft  gegen  die 
Fortpflanzungsrichtung  des  Strahls  proportional  ist,  und 
dass  sie  endlich  4)  mit  abnehmender  Wellenlänge  wächst 

Aus  der  vorstehenden  Entwicklung  erhellt,  dass  die 
vier  Constanten,  welche  in  den  Ausdrücken  P  und  Q  ausser 
der  Grösse  8  noch  vorkommen,  auch  in  der  Formel  für  den 
Drehungswinkel  auftreten  müssen,  und  dass  daher  zur  ge- 
nauen Darstellung  der  Rotationsdispersion  vier  Glieder  dieser 
Formel  erforderlich  sein  würden.  Behufs  einer  angenäherten 
Prüfung  mag  es  jedoch  genügen,  die  Formel  mit  nur  zwei 
Constanten  in  der  Gestalt: 

(25)  '-f  +  i 


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E.  Lommel. 


531 


mit  den  Beobachtungsresultaten  zu  vergleichen.  Wir  be- 
nutzen hierzu  die  Beobachtungen  V erdet's1)  am  Schwefel- 
kohlenstoff und  Kreosot,  indem  wir  mit  V erdet  die  Dreh- 
ungen für  die  Fraunhbfer'sche  Linie  E  gleich  1  setzen. 

Tabelle  I. 
Schwefelkohlenstoff. 


log  a  =  9,31 

005  -  10. 

log  b  = 

i  8,30892 

-10. 

Fraun- 
hofersche 
Linien 

Drehung 

Drehung 

berechnet  nach 

Formel 

beobachtet 

(25) 

Diff. 

JM) 

Diff. 

Diff. 

C 
D 
E 
F 

G 

0,592 
0,768 
1,000 
1,234 
1,704 

0,585 
0,759 
1,000 
1,230 
1,692 

+  7 
+  9 
0 

+  4 

+  12 

0,589 
0,760 
1,000 
1,234 
1,713 

+  3 
+  H 
0 
0 
-9 

0,943 
0,967 
1,000 
1,034 
1,091 

-351 
-199 
0 

+  200 
+  113 

Tabelle  II. 

Kreosot, 
log«  =  9.28409-  10.                log  6  = 

=  8,37358 

-  10. 

Fraun- 
hofer'sche 
Linien 

Drehung 
beobachtet 

Drchuug  berechnet  nach  Formel 

(25) 

Diff. 

(M) 

Diff. 

(N)  Diff. 

c 
n 

E 
F 
G 

0,573 
0,758 
1,000 
1,241 
1.723 

0,575 
0,752 
1,000 
1,238 
1,723 

-2 
+  6 
0 

+  3 
0 

0,617 
0,780 
1,000 
1,210 
1,603 

-  44 

-  22 

0 

+  31 
+  120 

0,976 
0,993 
1,000 
1,017 
1,041 

—403 
-235 
0 

+  224 
+  682 

Zur  Vergleichung  mit  anderen  Theorien  sind  in  den 
Columnen  M  und  N  die  Zahlenwerthe  beigefügt,  welche  von 
Verdet  nach  den  Formeln  berechnet  sind,  die  sich  be- 
ziehungsweise aus  den  Theorien  von  Maxwell2)  und  Neu- 
mann3) ergeben.  Obgleich  sich  die  MaxwelFsche  Formel 
beim  Schwefelkohlenstoff  den  Beobachtungen  etwas  besser 
anschliesst  als  die  unserige,  so  weicht  sie  andererseits  beim 

1)  Verdet,  Ann.  de  chim.  et  de  phys.  (3)  09.  p.  471.  1863. 

2)  Maxwell,  Treatise  on  Electricity  and  Magnetism.  2.  p.  413. 
Oxford  1873. 

3)  Neumann,  Die  magnetische  Drehung  der  Polarisation  ^ebene  des 
Lichtes.    Halle  1863. 

34* 


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532 


E.  Lommel 


Kreosot  so  beträchtlich  davon  ab,  dass  sie  als  unbrauchbar 
angesehen  werden  muss.  Unsere  Formel  (25)  dagegen  gibt 
in  beiden  Fällen  eine  befriedigende  Uebereinstimmung,  und 
der  unregelmässige  Gang  der  Differenzen  spricht  ebenfalls 
zu  ihren  Gunsten. 

II.   Die  natürliche  Drehung  der  Polarisationsebene. 

Sind  die  Molecüle  eines  Körpers  schraubenförmig  gebaut 
und  sonach  rechts  herum  anders  beschaffen  als  links  herum, 
so  müssen,  wenn  die  Axen  der  Schrauben  unter  sich  parallel 
und  senkrecht  zur  fortgepflanzten  Wellenebene  stehen,  ganz 
in  derselben  Weise  wie  im  vorigen  Falle  in  den  für  die 
und  ^-Richtung  geltenden  Bewegungsgleichungen  der  Körper- 
theilchen  beziehungsweise  Glieder  von  der  Form: 


auftreten.  Bildet  die  Schraubenaxe  mit  der  Wellennormale 
einen  Winkel  ay  so  werden  in  der  Wellenebene  nur  noch 
Bruchtheile  dieser  Glieder  zur  Geltung  kommen,  welche  Null 
sind,  wenn  der  Winkel  a  ein  rechter  ist,  und  ungeändert 
bleiben,  wenn  man  der  Schraubenaxe  die  entgegengesetzte 
Lage  gibt.  Um  dieser  Eigenthümlichkeit  des  schraubenför- 
migen Baues  Rechnung  zu  tragen,  nehmen  wir  an,  dass  diese 
Bruchtheile  durch: 


_2<Scos2c*.ro^^)     und    +  2<?cos  2«. 


ausgedrückt  werden. 

Sind  die  Schraubenaxen  der  Molecüle  zu  je  einem  Dritt- 
theil  nach  drei  zu  einander  senkrechten  Richtungen  geord- 
net, welche  mit  der  Wellennormale  resp.  die  Winkel  a,  ß, 
y  bilden,  so  liefern  die  drei  Molecülreihen  zur  .r-Componente 
die  Beiträge: 


und 


+  2dm 


d  {x  —  x) 
dt 


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E.  Lommel. 


533 


geben.  Eine  solche  Anordnung  der  Schraubenaxen  würde 
stattfinden  bei  circular  polarisirenden  Krystallen  des  regu- 
lären Systems.  Aber  auch  die  vollkommen  regellose  Grup- 
pirung  der  Molecüle  in  der  Lösung  eines  activen  Stoffs  kann 
man  durch  jene  Anordnung  ersetzt  denken. 

In  Körpern  von  der  vorausgesetzten  Beschaffenheit  wird 
demnach  die  Fortpflanzung  des  Lichts  durch  folgende  Glei- 
chungen : 


(i) 


m 


d2  (x  —  x)  0 ,     d  (x '—  x)      0  *    d  (v'  —  v) 

—dt(     =  -  2km  -  ^dJ->  -  2Sm  -Ä^E 

,)_2«v(g-g), 


m 


dt* 


(2) 


Ii  v  (x  -  n 


2       (*  "  O 


dz2 


dargestellt,  deren  Integration,  genau  wie  im  vorigen  Ab- 
schnitt durchgeführt,  Kesultate  liefert,  welche  sich  von  den 
dortigen  nur  dadurch  unterscheiden,  dass  die  Drehung: 


zl  =  zÖ 


+  ~  +  -  + 


•) 


a 

sowohl  ihrem  Betrage  als  ihrem  Sinne  nach  ungeändert 
bleibt,  nach  welcher  Richtung  auch  die  Welle  sich  fortpflan- 
zen mag.  Da  von  Boltzmann1)  bereits  nachgewiesen  wurde, 
dass  die  Formel: 

welche  in  ihrem  ersten  Gliede  das  angenähert  gültige  Biot'- 
sche  Gesetz  darstellt,  die  natürliche  Rotationsdispersion  in 
sehr  befriedigender  Weise  wiedergibt,  so  ist  eine  erneute 
Prüfung  derselben  nicht  erforderlich. 


1)  Boltzmann,  Pogg.  Ann.  Jubelbd.  p.  123.  1874. 


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534 


A.  H'inJtelmaiin. 


X.    Zu  den  Versuchen  des  Hrn.  L.  Graetz: 
TJeber  die  Wärmeleitungsfähigkeit  der  Gase  und 
ihre  Abhängigkeit  von  der  Temperatur"1); 
von  A.  Winkelmann. 


Hr.  Graetz2)  hat  mit  zwei  Apparaten  die  Temperatur- 
coefficienten  der  Wärmeleitung  der  Gase  bestimmt  und  ge- 
langt zu  dem  Resultat,  dass  für  Luft  der  Temperaturcoefti- 
cient  nahezu  gleich  dem  von  der  Clausius'schen  Theorie 
geforderten,  nämlich  gleich  0,00183  sei. 

Ich  werde  im  Folgenden  zeigen,  dass  dieses  Resultat 
des  Hrn.  Graetz  nur  aus  einer  mangelhaften  Berech- 
nung der  Beobachtungen  hervorgegangen  ist,  und 
dass  eine  richtige  Berechnung  Werthe  für  die  Coef- 
ficienten liefert,  die  im  Mittel  gleich  0,0009  sind. 

Hr.  Graetz  setzt  voraus,  dass  die  Abkühlungsgeschwin- 
digkeit v  proportional  der  Temperatur  wächst,  und  erhält 
dann  aus  der  Gleichung: 

(1)  # .  löge  =  -  •  log  (f  ±4f  *  t)     den  Werth  von  * 

Dieser  Werth  a  stellt  die  Abkühlungsgeschwindigkeit 
dar  und  bezieht  sich  auf  die  Temperatur  des  Bades,  also 
bei  den  Versuchen  in  niedriger  Temperatur  auf  0°.  Der 
Werth  von  ß  gibt  ein  Afaass  für  die  Abhängigkeit  der  Ab- 
kühlungsgeschwindigkeit von  der  Temperatur. 

Die  Beobachtungen  in  der  niedrigen  Temperatur  wurden 
so  ausgeführt,  dass  in  dem  Intervalle  von  60  bis  20°  von  5 
zu  5°  die  Abkühlungszeiten  bestimmt  wurden,  während  der 
Apparat  in  schmelzendem  Eise  stand.  Bei  der  höheren  Tem- 
peratur befand  sich  der  Apparat  in  siedendem  Wasser,  und 
wurden  die  Beobachtungen  in  dem  Intervall  von  160  bis 
120°  ausgeführt.  Aus  diesen  Beobachtungen  wird  dann  a0 
und  a100  nach  der  Gleichung  (1)  abgeleitet,  nachdem  ß  für 
jeden  einzelnen  Versuch  besonders  bestimmt  ist. 

Hr.  Graetz  hat  erkannt,  dass  ß  sich  nicht  sehr  genau 
aus  den  Beobachtungen  berechnen  lässt,  es  ist  ihm  aber  ent- 

1)  In  besonderein  Druck  erschienen.  Juli  1881. 

2)  Graetz,  Ueber  die  Wärincleitungsföhigkeit  der  Gase;  Habilita- 
tionsschrift. München  1881.    Dieser  Band.  p.  232. 


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A.  Winkelmann. 


535 


gangen,  dass  infolge  dieser  Unsicherheit  auch  a  ungenau 
werden  muss.  Eine  Unsicherheit  von  drei  Proc.  in  der  Be- 
stimmung von  a  lässt  aber  die  Bestimmung  des  Temperatur- 
coefficienten  mit  irgend  genügender  Genauigkeit  gar  nicht  zu. 


Es  ist  nämlich:    ^  =  ^_%oo 


«n  —  a. 


(2) 


Nach  dieser  Gleichung  findet  Hr.  Graetz  beim  App.  I: 

^°  =  1,174  oder  y  =  0,00174. 

Nimmt  man  statt  0,006  393  für  al00  den  Werth  0,006  601, 
so  findet  man:      *    =  ^     =  ß> 

Dass  dieser  Werth  0,006601,  welcher  etwa  um 
drei  Proc.  grösser  ist  als  der  Graetz'sche,  die  Be- 
obachtungen des  Hrn.Graetz  ebenso  gut  wiedergibt, 
wie  sein  eigener  Werth,  lässt  sich  leicht  zeigen. 

Hr.  Graetz  hat  zwei  Reihen1)  mitgetheilt,  in  denen 
die  Beobachtungszeiten  vollständig  bis  auf  die  erste  überein- 
stimmen; in  der  ersten  Reihe  steht  die  Zeit  11,  während  in 
der  zweiten  Reihe  die  Zeit  12  steht.  Man  kann  daher  beide 
Reihen  zusammenfassen  und  die  erste  Zeitbeobachtung  gleich 
11,5  setzen.    Man  erhält  dann: 

& 


t 

beob. 

ber.  v. 
Gr. 

Diff. 

ber.  v. 
W. 

Diff. 

163,6 

0 

===== 

158,7 

11,5 

11,3 

+  0,2 

11,4 

-0,1 

153,8 

24 

23,7 

+  0,3 

23,8 

+  0,2 

148,8 

38 

37,6 

+  0,4 

37,8 

-0,2 

143,9 

53 

52,9 

+  0,1 

53,1 

-o,i 

138,9 

71 

70,5 

+  0,5 

70,6 

+  0,4 

134,0 

90 

90,2 

-0,2 

90,2 

-0,2 

129,0 

114 

113,7 

+  0,3 

113,5 

+  0,5 

124,0 

141 

142,0 

-1,0 

141,4 

-0,4 

Den  berechneten  Werthen  liegen  die  Constanten: 
von  Graetz  von  Winkelmann2) 


zu  Grunde. 


«lou  =  °>°°6  393 
ß      =  0,001  8 


0,006  601 
0,001  1 


1)  U  p.  246. 

2)  Früher  hatte  ich  für  ^0,0010  gesetzt;  mit  dem  obigenVVerthe 0,0011  wird 
die  Ueberein Stimmung  zwischen  Beobachtung  und  Rechnung  noch  grösser. 


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536 


A.  Winkelmann. 


Aus  dieser  Darlegung  folgt,  dass  der  Werth  y 
=  0,00265  ebenso  gut  mit  den  Beobachtungen  des 
App.  I  übereinstimmt,  wie  der  Werth  0,00174,  den 
Hr.  Graetz  angibt. 

Nun  bestimmt  sich  aber  y  nach  der  Gleichung  (2)  aus 
vier  Werthen  von  ce ;  schon  eine  Aenderung  an  einem 
Werthe  von  a  hat,  wie  oben  gezeigt,  zur  Folge,  dass  y  um 
fast  50  Proc.  zunimmt;  diese  Aenderung  könnte  man  noch 
wachsen  lassen,  wenn  man  versuchen  wollte,  auch  für  die 
weiteren  a  andere  Werthe,  welche  mit  den  Beobachtungen 
stimmen,  einzuführen.  Ferner  wäre  es  leicht,  für  y  be- 
deutend kleinere  Werthe,  als  Hr.  Graetz  angibt,  zu  erhal- 
ten, sodass  man  für  y  alle  Werthe  darstellen  könnte, 
die  zwischen  0,0010  und  0,0030  liegen. 

Hieraus  geht  hervor,  dass,  wenn  man  nach  der 
Methode  des  Hrn.  Graetz  die  Versuche  berechnet, 
dieselben  keine  Beweiskraft  besitzen. 

Ich  habe  mich  bisher  auf  die  Besprechung  der  Versuche 
mit  dem  App.  I  beschränkt.  In  Hinsicht  des  App.  II  ver- 
hält sich  die  Sache  aber  ganz  ebenso. 

Ich  will  hier  keine  neue  Rechnung  ausfuhren,  sondern 
an  den  Rechnungsresultaten  des  Hrn.  Graetz  selbst  zeigen, 
wie  gross  die  Unsicherheit  in  der  Bestimmung  der  Abküh- 
lungsgeschwindigkeit ist.  In  der  höheren  Temperatur  finden 
sich  beim  App.  II  folgende  Beobachtungen  bei  den  Ver- 
suchen mit  Kohlensäure1): 


Versuch  Nr.  1 

Versuch  Nr.  2 

t 

& 

161,7 

0 

0 

156,6 

11,5 

12 

151,5 

25 

26 

146.4 

39,5 

40,5 

141,3 

55,5 

58 

136,3 

74 

76 

131,2 

97 

99 

126,2 

122 

124 

121,2 

154 

157 

Druck  der  Luft 

70  mm 

10  mm 

er 

0,005  595 

0,005  891  5 

_  ß 

0,005  25 

0,003  34 

1)  L  c.  p.  251. 


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A.  M'inkelmann. 


537 


Die  vorstehenden  Versuchsreihen  werden  in  Verbindung 
mit  einer  dritten  dazu  verwerthet,  die  Wärmeleitung  der 
Kohlensäure  bei  100°  zu  bestimmen.  Die. erste  Versuchs- 
reihe bezieht  sich  auf  die  Temperatur  99,2°,  die  zweite  auf 
99,35°  des  Bades,  wie  eine  kurze  Rechnung  ergibt.  Diese 
Temperaturdifferenz  von  0,15°  hat  auf  die  Abkühlungsge- 
schwindigkeit einen  Einfluss  von  etwa  0,5  Proc.  Vergleicht 
man  die  entsprechenden  Zeitbeobachtungen  der  beiden  Ver- 
suche, so  liefert  der  erste  Versuch  ausnahmslos  die  kleineren 
Werthe,  und  zwar  um  etwa  2,5  Proc.  Hieraus  folgt,  dass 
der  erste  Versuch  die  grössere  Abkühlungsgeschwindigkeit 
ergeben  muss,  wenn  die  Berechnung  richtig  ausgeführt 
wird,  und  zwar  um  etwa  zwei  Proc.  Statt  dessen  findet  Hr. 
Graetz  nach  seiner  Berechnung  die  Abkühlungsgeschwindig- 
keit a  beim  ersten  Versuche  um  mehr  als  fünf  Proc.  kleiner 
als  beim  zweiten  Versuche.  Die  Unsicherheit  in  der 
Bestimmung  der  Abkühlungsgeschwindigkeit  be- 
trägt daher  nach  der  Berechnung  des  Hrn.  Graetz 
selbst  sieben  Procent. 

Wie  kommt  es,  dass  die  Berechnung  des  Hrn.  Graetz 
nothwendig  eine  so  grosse  Unbestimmtheit  für  den  Werth 
von  y  herbeiführt,  sodass  eine  sichere  Bestimmung  gar  nicht 
ausführbar  ist.  Der  Grund  liegt  darin,  dass  die  massgebende 
Grösse  a0  oder  ar100,  welche  von  Hrn.  Graetz  berechnet 
wird,  gar  nicht  in  dem  Rahmen  der  Beobachtungen  liegt. 
Wenn  man  die  Abkühlungsgeschwindigkeit  im  schmelzenden 
Eise  für  das  Intervall  t0  und  ^  beobachtet,  so  bezieht  sich 
dieselbe  auf  die  Temperatur  (*0H-^)/4,  wie  ich  früher1) 
unter  der  Voraussetzung  nachgewiesen  habe,  dass  die  Abküh- 
lungsgeschwindigkeit der  Temperatur  proportional  wächst. 
Die  erste  Beobachtung  des  Hrn.  Graetz  in  dem  Intervall 
von  60  bis  55°  bezieht  sich  daher  auf  (60  +  55)/4  =  29°; 
die  letzte  Beobachtung  in  dem  Intervall  von  60  bis  20°  auf 
(60 +  20)/ 4  =  20°.  Der  Temperaturcoefficient  ß  ist  also  aus 
einem  kleinen  Intervall  abzuleiten  und  daner  unsicher.  Diese 
Unsicherheit  überträgt  sich  auf  a  in  um  so  stärkerem  Maasse, 


1)  Winkelmann,  Pogg.  Ann.  157,  p.  514.  1876. 


538 


A.  Winkelmann. 


je  weiter  die  Temperatur,  auf  welche  sich  u  bezieht,  von  dem 

Beobachtungsintervall  20  bis  29°  entfernt  ist. 

Ein  richtiges  Resultat  erhält  man,  wenn  man  nach  der 

Formel:  ,  \    ( t\ 

«•log«  =  -*-(*) 

den  Werth  «.löge  für  jedes  &  berechnet  und  die  so  gewon- 
nenen Werthe  zu  einem  Mittelwerthe  vereinigt.  Die  Werthe 
u .  log  e  nehmen  mit  wachsender  Zeit  ab,  da  die  Abkühlungs- 
geschwindigkeit  mit  abnehmender  Temperatur  selbst  abnimmt. 
Die  Abhängigkeit  der  letzteren  von  der  Temperatur  ist  für 
die  Strahlung  allein  eine  andere,  als  bei  den  Versuchen,  in 
welcher  Leitung  und  Strahlung  zusammen  auftreten.  Trotz- 
dem beziehen  sich  die  Mittelwerthe  der  beiden  Abkühlungs- 
geschwindigkeiten auf  die  gleiche  Temperatur,  wenn  beide 
mal  für  dasselbe  Temperaturintervall  beobachtet  ist,  und  wenn 
ferner  die  Annahme  gemacht  wird,  dass  in  beiden  Fällen  die 
Abkühlungsgeschwindigkeit  für  das  kleine  Intervall  der  Tem- 
peratur proportional  wächst.  Es  folgt  dies  aus  der  Betrach- 
tung, welche  ich  früher1)  angestellt  habe;  dort  ist  auch  die 
Mitteltemperatur  angegeben,  auf  welche  sich  der  Mittelwerth 
der  Abkühlungsgeschwindigkeiten  bezieht. 

Ich  stelle  im  Folgenden  die  Mittelwerthe  zusammen, 
welche  sich  aus  den  Versuchen  des  Hrn.  Graetz  ergeben, 
wenn  man  die  Werthe  für  die  kleinste  Zeit  als  zu  ungenau 
unberücksichtigt  lässt. 

Apparat  I. 


Mittelwerth 
von 
«  log  e 

Temperatur, 
auf  welche  sich 
der  Mittel werth 
berieht 

Tempera- 
tur des 
Bades2) 

Druck  der 
Luft 
in  mm 

Strahlung  .... 
„  .... 

Leitung  der  Luft  +  J 
Strahlung    .    .    .  .| 

0,000  842  5 
0,001  942 
0,001  801 
0,001  778 
.  0,003  017 

24,98 
125,65 
24,98 

125,63 

0 

100,05 

o 

0 

100,0 

0 

0 
19 

g 

33  und  9 

1)  Winkelmann,  Pogg.  Ann.  157.  p.  514.  1876. 

2)  Die  Temperaturen  des  Bades  sind  beim  siedenden  Wasser  von 
Hrn.  Graetz  nicht  angegeben;  die  oben  mitgetheilten  Werthe  sind  aus 
den  von  Hrn.  Graetz  berechneten  Zeiten  abgeleitet. 


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A.  Winkelmann, 


539 


Apparat  II. 

Mittelwerth 
von 
a  log  e 

Temperatur, 

auf  welche  sich 
der  Mittel werth 
bezieht 

Tempera- 
tur des 
Bades 

Druck  der 
Luft 
in  mm 

Strahlung  .... 

0,000  958 

24,03 

!  0 

0 

n  .... 

0,002  209 

124,39 

99,80 

0 

0,002  067 

24,03 

o 

35 

Leitung  der  Luft  + 
Strahlung   .    .  . 

0,002  084 
0,003  371 
0,003  323 

» 

124,27 
124,24 

o 

99,55 
99,5 

5 

100 
35 

0,003  284 

i 

124,24 

99,5 

5 

Mit  Hülfe  dieser  Werthe  erhält  man  für  den  Coeflicien- 
ten  der  Wärmeleitung  der  Luft: 

r  aus  Apparat  I  0,00159  J 
„  „  „  II  0,00017  i  ' 
Die  beiden  Werthe  der  Temperaturcoefficienten,  wie  sie 
die  richtige  Berechnung  der  Versuche  ergibt1),  stehen  bei 
beiden  Apparaten  im  Verhältniss  von  9  zu  1;  der  Mittel- 
werth beider  ist  0,00088,  während  die  Theorie  von  Clausius 
den  Werth  0,00183  fordert.  Hr.  Graetz  hatte  infolge 
mangelhafter  Berechnung  gefunden  für  App.  I  0,00174  und 
für  App.  II  0,00200. 

Der  absolute  Werth  für  die  Wärmeleitungsfähigkeit  der 
Luft  wird  gegenüber  dem  von  Hrn.  Graetz  gefundenen 
ebenfalls  modificirt: 

Apparat    I  liefert  0,000  046  44  bei  24,98° 

4445  „  0° 
Apparat  II  liefert  5025  24,03° 

4817  „  0° 

Die  Reduction  auf  0°  ist  unter  der  Voraussetzung  vor- 
genommen, dass  der  Temperaturcoefficient  der  Wärmeleitung 
gleich  0,0018  sei. 
Hr.  Graetz  hatte  gefunden  beim  Apparat  I  0,000  048  44 

  „  »     II  48  31 

1)  Rechnet  man  nach  der  Methode,  welche  ich  (Wied.  Ann.  11. 
p.  480.  1880)  angegeben  habe,  bei  welcher  die  etwaigen  Fehler  in  den 
Beobachtungen  der  kleinen  Zeiten  einen  geringen  Einfluss  haben,  so  erhält 
man  fast  dasselbe  Resultat  wie  oben.  Für  die  spätere  Schlussfolgerung 
ist  die  kleine  Aenderung  ohne  Bedeutung. 


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540 


A.  Winkelmann* 


Das  Resultat  der  Berechnung  ist  folgendes:  Die  Tem- 
peraturcoefficienten,  welche  die  beiden  Apparate 
für  die  Wärmeleitung  der  Luft  liefern,  gehen  so 
weit  auseinander,  dass  weder  dem  Mittelwerthe 
noch  einem  einzelnen  Werthe  eine  entscheidende 
Bedeutung  beizulegen  ist. 

Auf  die  Bemerkungen  des  Hrn.  Graetz,  welche  den 
Grund  der  Differenzen  zwischen  unseren  Beobachtungen  an- 
geben sollen,  will  ich  hier  nicht  eingehen.  Nur  darf  ich 
einen  Punkt  nicht  unberührt  lassen.  H.  Graetz  sagt1): 
„Die  Winkelmann'schen  Beobachtungen  geben  nicht  die 
richtigen  absoluten  Werthe  von  k  für  0°  (resp.  7,5°).  Be- 
rechnet man  diese  Werthe  nach  der  Formel: 


wo  alle  auf  der  rechten  Seite  stehenden  Grössen  von  Win- 
kelmann  angegeben  sind,  so  erhält  man: 


während  Winkelmann  selbst  früher  gefunden  hatte: 


und  der  richtige  Werth  ist  k7f5  =  0,000  049,  also  eine  Diffe- 
renz von  18%-  Sind  aber  die  absoluten  Werthe  von  k  nicht 
richtig,  so  hat  man  gar  keine  Schätzung  über  die  Genauig- 
keit der  Temperaturcoefficienten." 

Hier  waltet  ein  merkwürdiges  Missverständniss  von  Seiten 
des  Hrn.  Graetz  ob.  Dieselbe  Formel,  welche  Hr.  Graetz 
anwendet,  um  k?t5  zu  berechnen,  habe  ich2)  benutzt,  um  r2  (ich 
nannte  diese  Grösse  damals  22)  zu  ermitteln.  Es  ist  näm- 
lich r2  nicht  direct  gemessen,  sondern  es  ist  in  die  obige 
Formel  der  richtige  Werth  =  0,000  052  5  eingesetzt  und 
dann  r2  berechnet.  Hätte  Hr.  Graetz  zusammengehörige 
Werthe  für  r2  und  C  in  die  Formel  eingesetzt,  so  hätte  er 
selbstverständlich  genau  den  Werth  0,000  052  5  wieder  finden 
müssen.   Es  ist  dies  aber  von  Hrn.  Graetz  nicht  geschehen. 

1)  1.  c.  p.  256. 

2)  A.  Winkelmann,  Pogg.  Ann.  157.  p.  541.  1876. 


Ä7'6~  Anrxrt 


0,000  052  5 


L.  Graetz.  541 

Als  ich  die  Berechnung  von  r2  ausführte,  war  mir  der  Was- 
serwerth C  nur  annähernd  bekannt,  da  auf  das  Gewicht  des 
Glases  keine  Rücksicht  genommen  werden  konnte;  mit  diesem 
Näherun gs werth  wurde  dann  r3  von  mir  unter  Zuhülfenahme 
von  Ä7>5  =  0,000  052  5  berechnet.  Später  habe  ich  zum  Zweck 
einer  weiteren  Untersuchung l)  die  Apparate  zertrümmert  und 
die  Wasserwerthe  genau  bestimmt.  Diesen  neuen  Wasser- 
werthen  entsprechend  hätten  dann  auch  die  Werthe  für  die 
Radien  geändert  werden  müssen.  Hr.  Graetz  hat  nun  mit 
den  neuen  Wasserwerthen  und  mit  den  nicht  dazu  gehö- 
rigen alten  Werthen  der  Radien  die  Rechnung  für  hfi  aus- 
geführt. Dass  er  dabei  nicht  den  Werth  0,000  052  5  für  die 
Wärmeleitung  der  Luft  wiederfand,  ist  selbstverständlich  und 
beweist  nichts  gegen  meine  Versuche. 

Obwohl  durch  die  Versuche  des  Hrn.  Graetz  meine 
früher  gefundenen  Resultate  nicht  widerlegt  sind,  halte  ich 
den  Werth  0,00275  als  den  Temperaturcoefficienten  der  Wär- 
meleitüng  der  Luft  nicht  mehr  für  sicher.  Seit  längerer 
Zeit  mit  neuen  Versuchen  über  die  Wärmeleitung  beschäf- 
tigt, haben  die  neuerdings  gewonnenen  Resultate  mich  an 
dem  früher  aufgestellten  Werthe  zweifeln  lassen.  Indessen 
ist  es  mir  bisher  noch  nicht  gelungen,  ein  sicher  entschei- 
dendes Resultat  zu  erzielen,  und  habe  ich  mehr  und  mehr 
die  Ansicht  gewonnen,  dass  sich  dieses  erst  wird  erreichen 
lassen,  wenn  das  Quecksilber  und  auch  theilweise  das  Glas 
bei  den  Versuchen  vermieden  werden  kann. 

Hohenheim,  Juli  1881. 


XI.    lieber  die  Wärmeleitung  sfühigkeit  der  Gase. 
Erwiderung  auf  die  Bemerkungen  des  Hrn. 
Winkelmann:  von  L.  Graetz. 

Hr.  Winkelmann  hat  gegen  meine  Arbeit:  lieber  die 
Wärmeleitungsfähigkeit  der  Gase  einige  Einwände  erhoben, 
die  meine  Behauptungen  nicht  widerlegen.  —  Er  macht 
zuerst  auf  die  Unsicherheit  in  der  Bestimmung  des  Correc- 

1)  A.  Winkelmann,  Wied.  Ann.  1.  p.  63.  1877. 


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542  L.  Graetz, 

* 

tionsfactors  ß  aufmerksam,  die  ich  selbst  auch  betont  hatte, 
und  glaubt  durch  eine  andere  Annahme  für  ß  in  einer  Beob- 
achtungsreihe, statt  des  Werthes  0,00174,  den  ich  für  den 
Teraperaturcoefficienten  der  Wärmeleitung  y  bestimmt  hatte, 
den  Werth  0,00265  aus  meinen  Beobachtungen  berechnen  zu 
können.  Auf  Grund  dieses  Beispiels  behauptet  er,  dass  nach 
meiner  Berechnungsweise  sich  für  y  alle  Werthe  zwischen 
0,0010  und  0,0030  darstellen  lassen.  Hierbei  hat  aber  Hr. 
Winkelmann  übersehen,  dass  die  ß  und  y  in  einer  noth- 
wendigen  Beziehung  zu  einander  stehen  müssen,  durch  welche 
sein  Beispiel  und  sein  Schluss  unrichtig  werden.  Es  ist  2ß 
ein  Maass  für  die  Zunahme  der  Abkühlungsgeschwindigkeit 
mit  der  Temperatur.  Da  nun  in  den  Versuchen  die  Ab- 
kühlung sowohl  durch  Wärmeleitung  als  durch  Strahlung 
vor  sich  geht,  so  muss  2ß  jedenfalls  >  y  sein,  und  da  die 
Strahlung  viel  rascher  mit  der  Temperatur  wächst,  als  die 
Leitung,  so  ist  eine  nothwendige  Bedingung  für  die  ß,  dass 
2ß  erheblich  >y  ist  Dies  ist  Hrn.  Winkelmann  ent- 
gangen. Deshalb  ist  das  Beispiel,  welches  er  anführt,  ohne 
Belang,  denn  in  diesem  ist  2ß<y,  und  seine  oben  angeführte 
Behauptung  muss  dahin  modificirt  werden,  dass  für  y  sich 
die  Werthe  zwischen  0,0010  und  0,0018  darstellen  lassen. 
Dies  stimmt  aber  mit  dem  überein,  was  ich  selbst  wiederholt 
in  der  Arbeit  ausgesprochen  habe  (z.  B.  p.  25),  dass  der  von  mir 
bestimmte  Werth  von  y  (0,0018)  der  grösste  ist,  der  sich  aus 
den  Beobachtungen  entnehmen  lässt.  Um  bei  der  in  diesen 
Grenzen  immerhin  vorhandenen  Unsicherheit  von  ß  wenig- 
stens keine  Willkürlichkeit  in  die  Rechnung  hineinzutragen, 
habe  ich  die  ß  nicht  durch  Probiren  bestimmt,  sondern  habe 
nach  der  auf  p.  11  angeführten  Formel  einige  ß  berechnet 
und  das  Mittel  genommen.  Aus  diesem  Grunde  habe  ich 
auch  zuweilen  etwas  grössere  Differenzen  stehen  lassen,  wie 
die,  welche  Hr.  Winkelmann  auf  p.  537  urgirt,  und  die 
mir  natürlich  auch  auffiel.  Da  zur  Berechnung  von  a  doch 
immer  mehrere  Beobachtungsreihen  dienten,  so  machen  solche 
Differenzen  im  Gesammtresultat  nicht  viel  aus. 

Hr.  Winkelmann  berechnet  dann  meine  Beobachtun- 
gen  nach  der  von  ihm  angegebenen  Formel  und  rindet 


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H.  Hellmann. 


543 


ebenfalls  Werthe  für  y,  die  kleiner  sind  als  0,0018,  die  aber 
bei  beiden  Apparaten  ausserordentlich  weit  auseinander  gehen. 
Diese  grosse  Differenz  verliert  aber  viel  von  ihrer  Bedeu- 
tung, wenn  man  bedenkt,  dass  sie  durch  einen  Fehler  von 
3  —  4°/0  in  einer  der  vier  zur  Berechnung  dienenden  Zahlen 
verschwindet.  Es  kann  die  Differenz  in  der  Winkelmann'schen 
Berechnungsweise  liegen,  deren  Genauigkeit  sich  nicht  leicht  be- 
stimmen lässt.  Es  scheinen  jedoch  in  der  That  die  Beobach- 
tungen am  App.  II  abweichende  Resultate  zu  geben.  Dies  kann 
nur  daher  rühren,  dass  bei  diesem  Apparat  die  Beobachtungen 
gleich  nach  dem  Auspumpen  angestellt  wurden,  wobei  die  Luft 
möglicherweise  noch  in  Bewegung  war.  Dadurch  werden  die 
isothermen  Flächen  verzerrt  und  die  Wärmeleitung  erscheint 
zu  gross,  der  Temperaturcoefficient  zu  klein.  Bei  dem  App.  I 
war  diese  mögliche  Fehlerquelle  vermieden,  sodass  aus  diesen 
Beobachtungen  mit  Sicherheit  folgt,  dass  y  höchstens  =0,0018 
ist,  was  durch  die  inzwischen  veröffentlichten  vorläufigen  Ver- 
suche von  Christiansen l)  bestätigt  wird. 

Das  Missverständniss  seiner  Angabe,  das  mir  Hr.  Win- 
kelmann zum  Schluss  nachweist,  habe  ich  leider  begangen. 
Allerdings  hat  Hr.  Winkelmann  r2  zuerst  nicht  direct  be- 
stimmt, weil  er  seine  Apparate  nicht  zerschneiden  -wollte, 
sondern  indirect  berechnet.  Da  er  jedoch  später  die  Ap- 
parate doch  zerschnitten  hatte,  wodurch  eine  Messung  von  r2 
ohne  Mühe  ausführbar  war,  so  glaubte  ich  annehmen  zu 
müssen,  dass  er  die  r2  im  wesentlichen  so  gefunden  hatte,  wie 
er  sie  angegeben.  Ich  konnte  mir  nicht  denken,  dass  Hr. 
Winkel  mann  diese  Gelegenheit,  seine  Bestimmungen  auf 
so  einfache  Weise  zu  controliren,  sich  hätte  entgehen  lassen. 

München,  Sept.  1881. 


XII.  lieber  electrische  Entladungen; 
von  Heinrich  Hellmann  in  Riga, 

Hr.  Dr.  Eugen  Goldstein2)  stellt  den  Satz  auf:  „Wie 
das  Kathodenlicht  breitet  auch  das  positive  Licht  mit  wach- 

1)  Christiansen,  Wied.  Ann.  14.  p.  29.  1881. 

2)  E.  Gold  st  ein,  Berl.  Monatsber.  p.  113.  1881. 


»gle 


544 


B.  Hellmann. 


sender  Gasverdünnung  sich  in  gerader  Richtung  so  weit  aus, 
als  die  Raum  Verhältnisse  des  Entladungsgefässes  es  gestatten; 
es  erfüllt  jeden  Raum,  der  in  der  Richtung  seiner  Strahlen, 
ohne  eine  feste  Wand  schneiden  zu  müssen,  erreicht  werden 
kann,  auch  wenn  der  Weg  zu  diesem  Räume  und  bis  zu 
seiner  Begrenzung  abweicht  von  dem  kürzesten  Wege  nach 
der  Anode."  —  In  der  betreffenden  Abhandlung  ist  aber 
scheinbar  nur  von  Räumen  die  Rede,  die  auf  der  Strecke 
zwischen  Anode  und  Kathode  liegen,  sodass  ein  Experiment, 
welches  darthut,  dass  die  Anodenstrahlen  sich  auch  (wie  die 
Kathodenstrahlen)  in  der  der  Verbindungslinie  von  Anode 
und  Kathode  entgegengesetzten  Richtung  fortpflanzen,  viel- 
leicht einiges  Interesse  bieten  dürfe. 

Das  Entladungsgefäss  war  ein  kurzer  Glascylinder  von 
6  cm  Länge  und  3  cm  Breite,  mit  beiderseits  abgerundeten 


Kuppe  stand  die  Kathode  b.  Alle  Electroden  waren  aus 
Platindraht.  Die  Füllung  war  Luft,  Das  hellbläuliche  Ano- 
denlicht pflanzte  sich  von  a  aus  nach  der  Seite  der 
Luftpumpe  hin  fort  und  war  selbst  bei  heller  Lampen  be- 
leuchtung  bis  in  das  Trockengefäss  hinein  (auf  einem  Wege 
von  50  cm  von  a  aus  gerechnet)  zu  verfolgen.  Es  endete 
erst  dort,  wo  das  Rohr  nahe  dem  Boden  des  weiten  Trocken- 
gefässes  mündete.  An  der  Biegungsstelle  war  Phosphorescenz- 
licht,  auch  bei  verdunkeltem  Zimmer,  nicht  wahrzunehmen, 
während  die  Wände  um  die  Kathode  hellgrün  phosphores- 
cirten.  Wurde  der  Strom  umgeschaltet  (sodass  a  Kathode 
wurde),  so  verschwand  die  Lichterscheinung  zwischen  a  und 
der  Pumpe,  und  das  Rohr  um  a  herum  zeigte  helles  Phos- 
phorescenzlicht. 


Kuppen,  deren  eine  in 
ein  Glasrohr  von  1  cm 
Durchmesser  auslief,  in 
welchem  die  Anode  a  sich 
befand,  und  welches  in 
die  mit  einmaliger  Bie- 
gung zum  Trockengefäss  e 
führende  Röhre  der  Luft- 
pumpe eingekittet  war. 
In  der  entgegengesetzten 


Drack  von  Metzger  &  Wittig  in  Leipzig. 


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>0Q  300 


>.  Koch  i 


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1 

I 


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1881.  ANNALEN  .^JJ. 

DER  PHYSIK  UND  CHEMIE. 

NEUE  FOLGE.   BAND  XIV. 


L    Veber  die  Interferenzerscheinungen 
dünner  Blättchen  mit  besonderer  Mücksicht  auf 
die  Tfteorie  der  Newton9  sehen  Mi/nge; 
von  TV.  Feussner. 


Es  bestehen  bemerkenswerthe  Verschiedenheiten  bei  den 
nicht  von  einer  Beugung  des  Lichtes  abhängigen  Interferenz- 
erscheinungen, je  nachdem  die  zusammenwirkenden  Strahlen- 
bündel von  vornherein  getrennt  in  verschiedener  Richtung 
von  der  Lichtquelle  ausgehen  oder  durch  Zerlegung  eines 
und  desselben  Bündels  gewonnen  werden.  Der  erstere  Fall 
tritt  z.  B.  ein  bei  den  Erscheinungen,  welche  die  FresneF- 
schen  Spiegel,  das  Doppelprisma,  die  Billet'schen  Halblinsen 
und  ähnliche  Apparate  liefern,  der  zweite  bei  den  Inter- 
ferenzen dünner  Blättchen  (mit  dem  speciellen  Falle  der 
Newton'schen  Ringe),  den  Brewster'schen  Interferenzerschei- 
nungen,  welche  Jamin  zur  Construction  seines  Interferen- 
tialrefractors  benutzte,  und  anderen,  wie  sie  z.  B.  Jamin 
und  Mascart1)  besprochen  haben.  Die  letztere  Classe,  die 
ich  des  angegebenen  charakteristischen  Umstandes  wegen 
unter  dem  Namen  „Interferenzen  getheilten  Lichts",  oder 
kürzer  „Theilungsinterferenzen"  zusammenfassen  will,  hat  für 
die  meisten  Arten  der  experimentellen  Benutzung  wesent- 
liche Vorzüge  vor  der  ersten.  Während  nämlich  bei  dieser 
eine  punktförmige  oder  geradlinige  Lichtquelle  erforderlich 
ist,  werden  die  Interferenzen  des  getheilten  Lichtes  von  be- 
liebig ausgedehnten  Lichtquellen  erzeugt,  die  Streifen  der 
niedrigsten  Ordnungen  erscheinen  schon  im  zerstreuten  Tages- 
licht, es  sind  hier  die  anwendbaren  Ganguuterschiede  weit 


1)  Mascart,  Ann.  de  chim.  et  de  phys.  (4)  23.  p.  116—156.  1871. 

Ana.  d.  PLyt.  u.  Cbem.  N.  F.  XIV.  35 


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546 


W.  Feussner. 


grösser  als  bei  allen  anderen  Interferenzerscheinungen,  und 
während  man  bei  der  erstgenannten  Classe  die  Versuchsan- 
ordnung mit  Sorgfalt  treffen  muss,  um  von  der  Beugung 
ungestörte  Resultate  zu  erhalten1),  gesellen  sich  den  Thei- 
lungsinterferenzen  viel  seltener  merkliche  Beugungserschei- 
nungen zu,  und  die  möglicherweise  gleichzeitig  auftretenden 
sind  so  durchaus  verschiedener  Art,  dass  eine  Vermischung 
und  Verwechselung  von  vornherein  ausgeschlossen  ist.  Ver- 
möge dieser  Umstände  haben  die  Theilungsinterferenzen 
bereits  mehrfach  als  Grundlage  feiner  Messungsmethoden  ge- 
dient —  ich  erinnere  beispielsweise  nur  an  die  Fizeau'schen 
Bestimmungen  der  Ausdehnungscoefficienten  verschiedener 
Körper  und  an  die  Messung  der  Farbenzerstreuung  der  Gase 
durch  Ketteier  —  und  versprechen  noch  mehr  für  die  Zu- 
kunft, theils  in  ähnlicher  Art,  theils  in  directerer  Anwendung 
auf  die  Natur  des  Lichtes  selbst.  Wenn  sie  aber  ihre  volle 
Fruchtbarkeit  entfalten  und  nicht  etwa  gar  irreführen  sollen, 
so  ist  noch  eine  genauere  Durcharbeitung  ihrer  Theorie  er- 
forderlich, als  bis  jetzt  vorliegt.  Es  geht  das  aus  Beobach- 
tungen hervor,  welche  ich  vor  einigen  Jahren  machte,  und 


1)  In  neuerer  Zeit  hat  Hr.  H.  F.  Weber  (Wied.  Ann.  8.  p.  407—444. 
1879)  sogar  behauptet,  dass  diese  Erscheinungen  reine  Beugungserschei- 
nungen seien,  und  Fresnel,  welcher  sie  als  Erzeugniss  regelmässig 
reflectirten  resp.  gebrochenen  Lichtes  betrachtet  und  zu  einer  wesent- 
lichen Grundlage  der  Lichttheorie  gemacht  hat,  eine  unrichtige  Erklärung 
dafür  gegeben  habe,  deren  Nichtübereinstimmung  mit  den  Beobachtungen 
von  ihm  und  allen  Späteren  übersehen  worden  sei.  Diese  Behauptungen 
gehen  zu  weit,  denn  wenn  die  Experimente  mit  gehöriger  Vorsicht  an- 
gestellt werden,  so  ist  innerhalb  bestimmter  räumlicher  Grenzen  die 
Fresnerschc  Betrachtungsweise  durchaus  begründet,  und  Fresnel  hat 
diese  Grenzen  und  den  ausserhalb  derselben  sich  bemerklich  machenden 
Einfluss  der  Beugung  sehr  wohl  gekannt,  wie  verschiedene  Stellen  seiner 
Abhandlungen  beweisen  und  bei  ihm  eigentlich  auch  selbstverständlich 
ist.  Auch  gegen  die  späteren  Physiker  ist  der  Vorwurf  in  seiner  Allge- 
meinheit nicht  begründet;  die  nöthigen  Vorsichtsmaßregeln  sind  nicht 
in  Vergessenheit  gerathen  (vgl.  z.  B.  Verdet,  Oeuvres  5.  p.  78.  79.  1869). 
Freilich  aber  trifft  er  mit  Recht  die  Art  und  Weise,  in  der  gewöhnlich 
der  Spiegelvcrsuch  dargestellt  und  ausgeführt  wird,  und  die  elegante 
Analyse,  die  Hr.  Weber  von  den  hierher  gehörigen  Erscheinungen  gibt, 
ebnet  eine  bisher  fühlbare  Lücke  der  Theorie. 


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W.  Feussner. 


547 


welche  zeigten,  dass  in  nur  wenigen,  ganz  speciellen  Fällen  die 
Vorstellungen,  welche  man  sich  von  diesen  Erscheinungen 
gebildet  und  aus  der  Theorie  abgeleitet  hatte,  mit  der  Er- 
fahrung übereinstimmen,  dass  sie  aber  unter  Umständen  in 
der  denkbar  stärksten  Weise  davon  abweichen.  Der  Grund 
dafür  liegt  hauptsächlich  darin,  dass  man  sich  bisher  mit 
einer  angenäherten  Rechnung  begnügte,  in  welcher  bei  der  Be- 
stimmung des  Wegunterschiedes  der  interferirenden  Licht- 
strahlen Glieder  vernachlässigt  wurden,  welche  im  Verhält- 
niss  zur  Wellenlänge  des  Lichts  im  Allgemeinen  noch  sehr 
beträchtliche  Werthe  besitzen.  Diese  Bemerkung  veranlasste 
mich,  im  vorigen  Jahre  in  einer  Abhandlung  „über  die  Theorie 
der  Interferenzerscheinungen  dünner  Blättchen"1),  für  den 
einfachsten  und  zugleich  wichtigsten  hierher  gehörigen  Fall, 
nämlich  für  ein  keilförmiges  Blättchen,  die  Grundlagen  einer 
strengeren  Theorie  zu  geben,  indem  ich  von  den  bisher  ver- 
nachlässigten Gliedern  diejenigen  der  niedrigsten  Ordnung 
mit  in  Rechnung  zog  und  aus  der  so  für  die  WegdifFerenz 
der  interferirenden  Strahlen  erhaltenen  Formel  die  haupt- 
sächlichsten Folgerungen  über  den  Ort,  die  Gestalt,  Rich- 
tung und  Breite  der  Streifen  ableitete.  Für  viele  Fälle 
reicht  diese  Näherung  zur  Beantwortung  der  wesentlichsten 
Fragen  aus,  wenn  jedoch  die  Blättchen  eine  beträchtliche 
Dicke  haben,  muss  die  Rechnung  noch  genauer  geführt  wer- 
den, was  für  Fragen  nach  der  Intensität  der  Streifen  und 
einige  andere  auch  schon  bei  geringerer  Dicke  der  Fall  ist; 
ich  habe  deshalb  später  auch  noch  kleine  Grössen  höherer 
Ordnung  mit  herangezogen.  —  Diese  Annalen  brachten  dann 
in  dem  Januar-  und  Februarheft  dieses  Jahres  eine  ausge- 
dehnte Arbeit  der  Herren  L.  Sohncke  und  A.  Wanger  in 
„Neue  Untersuchungen  über  die  Newton'schen  Ringe"  be- 
titelt, deren  erster  experimenteller  Theil  von  Hrn.  Sohncke, 
und  deren  zweiter  theoretischer  von  Hrn.  Wanger  in  herrührt. 
In  einer  im  März  veröffentlichten  Abhandlung2)  habe  ich  nach- 

1)  Feussner,  Ber.  der  Ges.  zur  Bef.  d.  ges.  Naturwiss.  zu  Marburg, 
p.  1—22.  1880. 

2)  Feussner,  Ber.  d.  Ges.  zur  Bef.  d.  ges.  Naturwiss.  zu  Marburg, 
p.  1—24.  1881. 

35* 


548 


W,  Feussner. 


gewiesen,  dass  die  Resultate  der  Versuche  des  Hrn.  Sohncke, 
so  weit  sie  mit  der  Theorie  verglichen  werden  können,  mit 
den  in  meiner  ersten  Abhandlung  aufgestellten  Formeln 
sehr  gut  übereinstimmen1),  dass  dagegen  die  Theorie  des 
Hrn.  W angerin  ebenso  wie  eine  andere,  früher  von  dem- 
selben aufgestellte2),  auf  ganz  willkürlichen,  falschen  Annah- 
men beruht  und  daher  selbst  unrichtig  ist. 

Im  Folgenden  will  ich  nun  den  wesentlichen  Inhalt 
meiner  beiden  Abhandlungen  in  Kürze  wiedergeben,  ohne 
gegenwärtig  Neues  (abgesehen  von  einigen,  dem  besseren 
Verständniss  dienlichen  Bemerkungen)  hinzuzufügen. 

Wir  können  das  zu  lösende  Problem  etwa  folgender- 
massen  aussprechen:  Auf  ein  Blättchen,  welches  von  zwei 
unter  einem  sehr  kleinen  Winkel  gegeneinander  geneigten 
Ebenen  begrenzt  werde,  fallen  Lichtstrahlen  von  einer  in 
beliebiger  Entfernung  befindlichen  einfarbigen  Lichtquelle; 
nachdem  diese  Strahlen,  theils  ohne  einzudringen,  theils  nach 
ein-  und  mehrmaligem  Durchlaufen  des  Blättchens  reflectirt 
sind,  gehen  sie  durch  eine  Linse  und  werden  endlich  in  be- 
liebiger Entfernung  hinter  dieser  von  einem  Schirme  aufge- 
fangen. Es  fragt  sich,  was  ist  das  Resultat  des  Zusammen- 
wirkens der  Strahlen  auf  dem  Schirm,  wie  sind  namentlich 
die  in  Betracht  kommenden  Entfernungen  zu  wählen,  damit 
die  entstehende  Interferenzerscheinung  möglichst  deutlich 
werde,  welche  Gestalt,  Richtung  und  gegenseitige  Entfernung 
haben  die  Streifen  in  derselben? 

Wir  wollen  ein  rechtwinkliges  Coordinatensystem  ein- 
führen, dessen  X-Axe  in  der  Axe  der  Linse,  und  dessen  Ur- 
sprung und  Z-Axe  in  der  Vorderfläche  des  dünnen  Blätt- 
chens gelegen  sei;  die  XY-J&bene  ist  dann  die  Neigungsebene 
der  Linsenaxe  gegen  das  Blättchen.  Die  Entfernung  der 
Vorderfläche  der  Linse  vom  Coordinatenursprung  sei  b,  ihr 
Halbmesser  rv  die  Dicke  der  Linse  d,  der  Halbmesser  ihrer 
Hinterfläche  r2  und  die  Entfernung  des  Schirmes  von  der- 
selben c.    Das  Brechungsverhältniss  des  Blättchens  gegen 


1)  Ueber  einen  Punkt  (die  „Quergerade")  siehe  indessen  weiter  unten. 

2)  Wangerin,  Pogg.  Ann.  131.  p.  497—523.  1867. 


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549 


Luft  sei  n,  das  der  Linse  Hj.  Die  Normale  auf  die  Vorder- 
fläche des  Blättchens  mache  mit  der  X-Axe  einen  Winkel  #, 
die  Richtungscosinus  der  Normalen  auf  die  Hinterfläche  mit 
den  drei  Axen  seien  ABC,  und  eine  Senkrechte  vom  Coor- 
dinatenursprung  auf  die  Hinterfläche  habe  die  Länge  D. 
Die  Lichtquelle  werde  als  eine  leuchtende  Ebene  gedacht,  in 
der  Entfernung  a  vom  Ursprung  und  senkrecht  auf  einem 
Strahl,  der  nach  der  Reflexion  an  der  Vorderfläche  des 
Blättchens  mit  der  X-Axe  zusammenfalle  würde.  —  Wir 
wollen  die  Coordinaten  der  Punkte  der  verschiedenen  Flä- 
chen durch  Anwendung  verschiedener  Buchstaben  unter- 
scheiden, und  zwar  seien  j  \)  j  die  Coordinaten  eines  Punktes 
der  Lichtquelle,  x  y  z  der  Vorderfläche  des  Blättchens,  x  y  z 
der  Hinterfläche  desselben,  §,  ?j\  f,  der  Vorderfläche  der 
Linse,  |2  ?;2  f2  der  Hinterfläche  derselben,  endlich  £  //  £  des 
Schirmes,  auf  welchem  die  Interferenzerscheinung  zu  Stande 
kommt,  und  den  wir  daher  auch  als  Bildfläche  bezeichnen 
können.    Den  gemachten  Annahmen  zufolge  ist: 

£•  cob2«  +  1)  sin  2  a  -  a  =  o      die  Gleichung  der  Lichtquelle, 

x  cos  a  +  y  sin  a  —  o  „         „         „   Vorderfläche  des 

Blättchens, 

An  +  By  +  Cz  +  D  =  o  „         „         „    Hinterfläche  des 

/ 1  \  Blättchens, 

(t,  -  b  -  rx)-  4-  vi2  +  ;\2  =  rt*  „         „         „   Vorderfläche  der 

Linse, 

fa-b-d  +  >'*)2-f-  /;.22  +  :22  -  r,2  »         w         v   Hinterfläche  der 

Linse, 

*  $  -  b  +  <f  +  c  „         „  Bildfläehe. 

Es  werden  nun  Z)  und  d  als  kleine  Grössen  im  Verhält- 
niss  zu  abcrl  und  r2  behandelt  und  nur  solche  Strahlen  in 
Betracht  gezogen,  welche  in  der  Nähe  der  X-Axe  durch  die 
Linse  gehen  und  gleichfalls  in  der  Nähe  dieser  Axe  den 
Schirm  treffen,  sodass  ?/x  £  ri2  c2  n  und  £  ebenfalls  kleine 
Grössen  sind;  man  kann  sich  die  Linse  zu  dem  Ende  mit 
einem  Diaphragma  versehen  denken,  dessen  Oeffnung,  um 
der  Vorstellung  einen  Anhalt  zu  geben,  etwa  in  einem  Durch- 
messer von  1  —2  cm  gedacht  werden  mag.  Es  sollen  dann 
alle  die  Glieder  vernachlässigt  werden,  welche  in  Beziehung 


)gle 


550 


W.  Feussner. 


auf  die  erwähnten  kleinen  Grössen  von  der  dritten  oder 
höherer  Ordnung  sind. 

In  meiner  oben  citirten  ersten  Abhandlung  habe  ich 
weiter  einen  beliebigen  Lichtstrahl  in  seinem  Verlaufe  von 
der  Lichtquelle  zum  Schirm  verfolgt  und  ein  jedes  der 
geradlinigen  Stücke,  aus  welchen  er  vermöge  der  verschiede- 
nen Brechungen  und  Reflexionen  zusammengesetzt  ist,  seiner 
Lage  und  Grösse  nach  bestimmt.  Ich  habe  dabei  die  Coor- 
dinaten  ?;  £  und  ri2  £2  der  Punkte,  in  welchen  der  Strahl 
den  Schirm  und  die  Hinterfläche  der  Linse  trifft,  beliebig 
angenommen  und  die  übrigen  in  Betracht  kommenden  Grössen 
als  Functionen  dieser  und  der  Constanten  {ab  cd  rx  r2  AB  CD 
nnx  a)  dargestellt,  dabei  jedoch  statt  der  Richtungscosinus 
ABC  der  Normale  auf  die  Hinterfläche  des  Blättchens  zwei 
andere  Winkel  in  folgender  Weise  eingeführt.  Es  sei  &  der 
Neigungswinkel  der  beiden  Flächen  des  Blättchens  gegen- 
einander; derselbe  ist  sehr  klein,  was  ebenso  zu  berücksich- 
tigen ist  wie  die  Kleinheit  der  oben  bezeichneten  Grössen; 
ferner  sei  y  der  Winkel,  welchen  die  Ebene  des  Winkels 
&  mit  der  XY- Ebene  (der  Ebene  des  Neigungswinkels  der 
Linsenaxe  gegen  die  Vorderfläche  des  Blättchens)  bildet,  und 
zwar  möge  derselbe  positiv  gerechnet  werden  im  Sinne  einer 
Drehung  um  die  Normale  der  Vorderfläche  des  Blättchens, 
welche  gleichgerichtet  ist  einer  Drehung  um  die  positive 
Z-Axe,  wodurch  die  positive  X-  Axe  auf  dem  kürzesten  Wege 
in  die  Lage  der  positiven  Y-Axe  übergeführt  wird;  dann  be- 
stehen zwischen  ABC  und  den  neu  eingeführten  Winkeln 
die  Gleichungen: 


In  Betreff  der  Einzelheiten  der  Rechnung  verweise  ich 
auf  meine  frühere  Abhandlung  und  führe  von  den  Resultaten 
hier  zunächst  diejenigen  an,  welche  sich  auf  den  Verlauf  der 
Lichtstrahlen  beziehen.  Es  sind  das  die  Formeln,  welche 
die  Coordinaten  j  t)  $  des  Ausgangspunktes  (von  der  Licht- 
quelle) eines  auf  die  angegebene  Weise  durch  seine  Durch- 


A  =  cosa  —  sin  a  cos  <p&  —  \  cos  a 
B  =  sin  a  +  cos  a  cos  <p  &  —  J  sin  a  &2 
C  =  sin  q>& 


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IV,  Feussner. 


551 


(3) 


schnittspunkte  mit  dem  Schirm  und  der  Hinterfläche  der 
Linse  bestimmten  Strahls  angeben,  nämlich: 

£  =  a  cos  2«  +  sin  2a (Frt2  +  Gtj  —  hH) 
tj  =  a  sin 2a  —  cos2a(Frh  +  Gr\  —  hH) 

worin  zur  Abkürzung  gesetzt  ist: 

F-  («+«)/- 1,  /=  („,_!)  (l  +  ±)_-L, 

q     a  +  b         H  —  8*n  2g  J)  A.  —wa  CQS y  A 


(3.) 


10  COS  « 

J  —2w  sinqp . « .  to  =  j/n2  —  sin 3  a 

In  diesen  Formeln  sind  nur  die  kleinen  Grössen  erster 
Ordnung  aufgenommen,  da  wir  für  unseren  Zweck  die  höhe- 
ren nicht  bedürfen.  Etwas  bequemer  werden  sie  noch,  wenn 
wir  das  Coordinatensystem  um  den  Winkel  2  a  umdieZ-Axe 
drehen,  sodass  die  X-Axe  senkrecht  zur  Ebene  der  Licht- 
quelle und  die  FZ-Ebene  ihr  parallel  wird.  Bezeichnen  wir 
die  Coordinaten  der  Punkte  der  Lichtquelle  durch  g,  t)l 
so  folgt  aus  (3): 

(4)  h  =  <h    ^=-F%-Gv  +  hH,    h  =  -F£2-GC  +  hJ. 

Das  gesammte,  in  einem  bestimmten  Punkt  rj  £  des 
Schirmes  sich  vereinigende  Strahlenbündel  wird  von  den 
Strahlen  begrenzt,  welche  den  Rand  des  Diaphragmas  berührt 
haben,  für  welche  also  die  Gleichung  gilt; 

V22  +  £22  =  r*, 

wenn  durch  r  der  Radius  des  Diaphragmas  bezeichnet  wird. 
Der  hierdurch  bestimmte  Kegel  rückwärts  durch  die  ver- 
schiedenen Brechungen  und  Reflexionen  bis  zur  Lichtquelle 
verfolgt,  umgrenzt  auf  dieser  die  Punkte,  welche  überhaupt 
Strahlen  nach  dem  gedachten  Punkte  des  Schirmes  senden; 
die  Gleichung  der  Grenzlinie  für  Amal  durch  das  Blättchen 
gegangene  Strahlen  ergibt  sich  durch  Einsetzung  der  Werthe 
von  ?;a  £2  aus  (4)  in  die  letzte  Gleichung  zu: 

(5)  (ül  +  Gn  -  hH)*  +  (fe  +  GS  -  hJf  =  r*FK 

Es  ist  das  die  Gleichung  eines  Kreises  vom  Radius  rF 
und  den  Mittelpunktscoordinaten  hH—  Gt]  und  hJ  —  G£. 


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552 


W,  Feussner. 


Lassen  wir  h  alle  für  dasselbe  möglichen  Werthe  012...  durch- 
laufen, so  repräsentirt  (5)  ein  System  von  Kreisen  gleichen 
Halbmessers,  von  denen  jeder  einzelne  diejenige  Fläche  der 
Lichtquelle  begrenzt,  von  welcher  sovielmal  durch  das 
Blättchen  gegangene  Strahlen  zum  Punkt  des  Schirmes 
gelangen,  als  der  ihm  zukommende  Zahlenwerth  von  h  be- 
trägt. Diese  Kreise  fallen  im  allgemeinen  zum  Theil  über- 
einander, und  es  ist  klar,  dass  von  einem  jeden  Punkte  der 
Lichtquelle  gerade  so  viel  Strahlen  nach  dem  Punkte 
des  Schirmes  gelangen,  als  Kreise  des  Systems  (5)  in  ihm 
übereinander  fallen.  Die  Mittelpunkte  des  Systems  liegen 
auf  einer  geraden  Linie,  welche  mit  der  Axe  der  ^  einen 
Winkel  macht,  dessen  Tangente  gleich  HjJ  ist,  und  welche 
durch  den  Punkt  mit  den  Coordinaten  —  Gt]  und  —  G£ 
hindurchgeht.  Der  Abstand  zweier  nächstbenachbarten  Mittel- 
punkte ist  gleich  VH2  +  J2 ,  und  daraus  ergibt  sich  leicht 
die  grösste  Anzahl  der  Kreise,  welche  übereinander  fallen 
können;  sie  ist  gleich  derjenigen  ganzen  Zahl,  welche  am 
nächsten  unter  dem  Quotienten  des  Durchmessers  2rF 
durch  die  eben  abgeleitete  Wurzelgrösse  liegt.  Dies  ist  also 
auch  die  grösste  Anzahl  der  Strahlen,  die  von  einem  Punkte 
der  Lichtquelle  zu  dem  Punkte  des  Schirmes  gelangen 
können.  Diejenigen  Punkte  der  Lichtquelle,  welche  eine  und 
dieselbe  Anzahl  von  Strahlen  zu  dem  gedachten  Punkte  sen- 
den, werden  jedesmal  durch  zwei  Kreise  des  Systems  (5)  von 
den  anderen  abgegrenzt. 

Zur  näheren  Erläuterung  ist  die  Fig.  1  Taf.  V  beigefügt 
In  derselben  bedeutet  ab  cd  ein  Stück  der  Lichtquelle,  welche 
nach  unseren  oben  gemachten  Annahmen  als  unbegrenzte 
Ebene  gedacht  wird,  die  auf  OO  senkrecht  steht;  efgh  ist 
das  keilförmige  Blättchen,  und  zwar  ist  angenommen,  dass 
die  Kanten  ef  und  gh  der  Schärfe  des  Keils  parallel  ge- 
richtet und  die  letztere  ihr  am  nächsten  gelegen  sei.  ON 
ist  die  Normale  auf  die  Vorderfläche  des  Blättchens,  dieselbe 
liegt  in  der  AT-Ebene  und  halbirt  den  Winkel  zwischen  OO' 
und  der  X-Axe,  sodass  O'ON  =  NOX=  u  ist,  iklm  stellt 
die  Oeffnung  des  Diaphragmas  der  Linse  dar,  nopq  den 
Schirm,  der  die  Interferenzerscheinung  auffangen  soll.  In 


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W.  Feussner 


553 


der  Figur  ist  nun  versucht,  den  Gang  der  Lichtstrahlen  zu 
skizziren,  welche  sich  in  einem  beliebigen  Punkte  P  des 
Schirmes  vereinigen.    "Wir  wollen  der  grösseren  Einfachheit 
der  Beschreibung  wegen  den  Punkt  P  als  leuchtenden  Punkt 
und  die  Strahlen  von  ihm  ausgehend  denken,  in  Wirklich- 
keit durchlaufen  die  nach  P  gelangenden  Strahlen  dann  die- 
selben Wege,  nur  in  entgegengesetzter  Richtung.    Von  dem 
Punkte  P  geht  also  ein  Strahlenkegel  aus,  derselbe  wird 
durch  die  Linse  nach  Pf  hin  gebrochen,  divergirt  von  da 
aus  wieder  und  trifft  die  Vorderfläche  des  dünnen  Blättchens 
in  einer  Ellipse  (der  ersten  des  in  der  Figur  gezeichneten 
Systems),  wird  hier  zum  Theil  nach  der  Lichtquelle  hin 
reflectirt,  welche  er  in  dem  ersten  Kreise  des  gezeichneten 
Systems  trifft,  zum  Theil  in  das  Blättchen  gebrochen,  an 
der  Hinterfläche  desselben  nach  vorn  zurückgeworfen,  trifft 
die  Vorderfläche  in  der  zweiten  Ellipse,  spaltet  sich  hier 
wieder  in  zwei  Theile,  von  denen  der  eine  nach  der  Licht- 
quelle hin  austritt  und  auf  dieser  den  zweiten  Kreis  des 
Systems  bildet,  der  andere  nach  der  Hinterfläche  des  Blätt- 
chens und  dort  wieder  zur  Vorderfläche  reflectirt  wird, 
welche  er  in  der  dritten  Ellipse  trifft,  und  so  fort.    In  der 
Figur  ist  ein  Theil  des  so  auf  dem  Blättchen  entstehenden 
Ellipsen-  und  des  auf  der  Lichtquelle  entstehenden  Kreis- 
systems gezeichnet,  die  weitere  Fortsetzung  ergibt  sich  von 
selbst;  es  sind  ferner  die  Punkte,  in  denen  die  Axe  des 
Strahlenkegels  die  Vorderfläche  des  Blättchens  und  die  Licht- 
quelle trifft,  angegeben,  die  ersteren  durch  px  p2 . .  .jo8,  die  letz- 
teren, die  die  Mittelpunkte  der  betreffenden  Kreise  bilden,  durch 
01  ft  •  •  •  9s  bezeichnet.    Die  Punkte  px.  . .  ps  liegen  auf  einer 
zur  Durchschnittslinie  des  Blättchens  und  der  XY-  Ebene 
parallelen  Geraden,  denn  man  findet  leicht,  dass  die  Unter- 
schiede ihrer  Z-Coordinaten  kleine  Grössen  zweiter  Ordnung, 
daher  hier  zu  vernachlässigen  sind;  dagegen  sind  diese  Unter- 
schiede bei  den  Punkten  ql  . . .  g8  von  der  ersten  Ordnung, 
weshalb  die  sie  verbindende  Gerade  gegen  die  X Y-Ebene 
geneigt  ist;  die  Tangente  ihres  Winkels  mit  der  Z-Axe  ist 
oben  gleich  HjJ  gefunden.    Alle  Punkte  der  Lichtquelle, 
welche  überhaupt  Strahlen  nach  dem  Punkte  P  des  Schirmes 


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554 


W.  Feussner. 


senden,  sind  also  in  dem  angegebenen  Kreissysteme  enthal- 
ten, und,  wie  schon  oben  hervorgehoben,  sendet  ein  jeder 
Punkt  gerade  so  viel  Strahlen  nach  P,  als  Kreise  des 
Systems  in  ihm  übereinander  fallen.  Wir  wollen  solche  von 
einem  Punkte  der  Lichtquelle  ausgehende  und  zu  einem 
Punkte  des  Schirmes  gelangende  Strahlen  als  zusammen- 
gehörige bezeichnen.  Nun  können  aber  von  allen  den  in 
einem  Punkte  des  Schirmes  sich  vereinigenden  Strahlen  nach 
einem  bekannten  Satze  der  Interferenzlehre  immer  nur  die 
zusammengehörigen  untereinander  interferiren.  Es  handelt 
sich  daher  wesentlich  um  die  Bestimmung  des  Gangunter- 
schiedes solcher  Strahlen;  dies  ist  ein  Hauptpunkt,  dessen 
Bedeutung  für  die  Auflösung  unseres  Problems  früher  nicht 
genügend  beachtet  worden  ist.  Zur  Auffindung  der  Lage 
der  durch  einen  Punkt  £  (mit  den  Coordinaten  tyx  jx)  der 
Lichtquelle  und  einen  Punkt  P  (mit  den  Coordinaten  rj  J) 
des  Schirmes  bestimmten  zusammengehörigen  Strahlen  sind 
die  Gleichungen  (4)  zu  benutzen.  Dieselben  liefern  die 
Coordinaten  r;2  f2  des  Durchtritts  der  Strahlen  durch  die 
Hinterfläche  der  Linse  für  die  verschiedenen  Werthe  0  1 
2  .  .  .  von  A,  wenn  t)j  gx  rt  f  als  bekannt  vorausgesetzt  wer- 
den. So  sind  die  in  der  Figur  angegebenen  Punkte  tx  ...  ts 
bestimmt.  Man  erkennt  leicht,  dass  die  Verbindungslinie 
derselben  mit  der  Z-Axe  denselben  Winkel  bildet,  wie  die 
Verbindungslinie  der  Mittelpunkte  des  Kreissystems  (5).  Be- 
zeichnet man  durch  rj2  £2  die  Coordinaten  des  h  mal,  durch 
V2'  £2'  die  des  *  ma,l  durch  das  Blättchen  gegangenen  Strahls, 
so  ergibt  (4): 

(6)        *  —         —  £•—{■'■■  (*  — 

Gleichungen,  welche  die  Coordinaten  des  Durchtritts  eines 
Strahls  durch  die  eines  anderen  mit  ihm  zusammengehörigen 
auszudrücken  gestatten.  Die  Austrittspunkte  aus  dem  dünnen 
Blättchen  ergeben  sich  leicht  durch  Verbindung  von  tx  . .  .  ts 
mit  P',  sie  sind  in  der  Zeichnung  weggelassen,  um  diese 
nicht  zu  sehr  zu  überladen;  dagegen  sind  die  Eintrittspunkte 
(*!•..  ss)  in  das  Bättchen  angegeben,  welche  sich  leicht 
durch  Gl.  (27)  meiner  früheren  Abhandlung  oder  auch  durch 


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W.  Feussner, 


555 


(7) 


eine  einfache  geometrische  Betrachtung,  auf  die  ich  nicht 
näher  eingehen  will,  finden  lassen. 

Bezeichnen  wir  nun  den  Gangunterschied  zweier  zusam- 
mengehöriger Strahlen  durch  J,  so  ergibt  sich: 

J  =  2(h-k)wD 

+  (h  -  k)  [n2  nt  +  J2  f,  +  ä  n  +  %  £  +  (ä  -  *)  Jr] » 

worin  A  und  k  die  Zahlen  sind,  welche  die  Anzahl  der  Durch- 
gänge durch  das  Blättchen  für  den  ersten  und  den  zweiten 
Strahl  angeben ,  rl2  £2  sich  auf  den  ersten  Strahl  beziehen 
und  zur  Abkürzung: 

H  =  8in2«  D  _  2  w  cos  y  ^        j  _  _    w  .  ^ 


(7.) 


ic  cos  a 

sin  2  a 


J2  =  -2w8iny.(6/-l)*,  K=-^{H2H+J2J) 

gesetzt  ist.  —  Wäre  die  Bestimmung  von  A  bis  auf  Grössen, 
welche  gegen  die  Wellenlänge  des  Lichtes  verschwinden,  genau, 
so  könnten  wir  mittelst  (7)  die  von  der  betreffenden  Reihe 
zusammengehöriger  Strahlen  in  P  erzeugte  Lichtintensität 
bestimmen  und  dann  durch  Summation  der  von  sämmtlichen 
Reihen  herrührenden  die  Gesammtintensität  in  P  finden. 
Durch  Variation  von  ?/£  in  dem  so  erhaltenen  Ausdruck 
würde  sich  dann  die  Intensität  für  die  verschiedenen  Punkte 
des  Schirmes,  d.  h.  die  auf  demselben  entstehende  Interferenz- 
erscheinung ergeben.  Allein  die  in  (7)  enthaltenen  (in  der 
viereckigen  Klammer  zusammengefassten)  Glieder  der  zweiten 
Ordnung  sind  im  Allgemeinen  gross  gegen, eine  Wellenlänge, 
häufig  sehr  vielmal  grösser,  sodass  die  der  dritten  Ordnung 
nicht  als  verschwindend  betrachtet  werden  dürfen.  Wir 
können  daher  den  angedeuteten  directen  Weg  hier  nicht 
betreten  und  müssen  uns  mit  einem  allerdings  nicht  ganz 
so  strengen  Verfahren  begnügen,  das  aber  doch,  wie  mir 
scheint,  genügende  Sicherheit  für  die  Ableitung  der  haupt- 
sächlichsten Gesetze  der  auftretenden  Interferenzerscheinun- 
gen bietet. 

Fassen  wir  die  Punkte  der  Lichtquelle  ins  Auge,  welche 


556 


IV.  Feussner. 


auf  einer  von  zwei  nächstbenachbarten  Kreisen  des  Systems 
begrenzten  Fläche  liegen,  so  senden  diese  alle  die  gleiche 
Anzahl  Strahlen  nach  P,  von  denen  die  entsprechenden 
gleich  oft  durch  das  Blättchen  gegangen  sind,  die  Verschieden- 
heit in  den  von  diesen  Punkten  erzeugten  Intensitäten  hängt 
daher  wesentlich  von  dem  Werth  des  in  (7)  enthaltenen 
Ausdruckes: 

(8)  Htrl2+J2^ 

ab.  Setzen  wir  denselben  gleich  einer  Constanten,  so  wird 
dadurch  eine  gewisse  Gerade  in  der  Ebene  des  Diaphragmas 
bestimmt,  und  nur  diejenigen  Punkte,  deren  entsprechende 
Strahlen  durch  diese  Gerade  gehen,  können  dieselbe  Inten- 
sität in  P  hervorbringen.  Lassen  wir  die  Gerade  durch 
Variiren  der  Constante  den  ganzen  von  den  betreffenden 
Strahlen  im  Diaphragma  eingenommenen  Raum  durchlaufen, 
so  erhalten  wir  andere  und  andere  Werthe  für  die  Inten- 
sitäten, welche  die  jedesmal  durch  sie  gehenden  Strahlen  er- 
zeugen. Bezeichnen  wir  dabei  durch  m  die  Entfernung  der 
Geraden  in  ihren  beiden  äussersten  Lagen,  so  ist  nach  be- 
kannten Sätzen  der  analytischen  Geometrie  die  Differenz  (M) 
der  Werthe  von  (8): 

(9)  M-mYW  +  J?. 

Je  grösser  dieser  Ausdruck,  um  so  wechselnder  sind  die  In- 
tensitäten. Da  dasselbe  nun  auch  bei  allen  benachbarten 
Punkten  auf  dem  Schirme  stattfindet,  so  erkennt  man,  dass 
bei  einer  einigermassen  beträchtlichen  Grösse  des  Ausdrucks 
(9)  keine  Interferenzerscheinung  wahrnehmbar  sein  kann, 
und  dass  dieselbe  am  deutlichsten  auftritt,  wenn  er  einen 
möglichst  kleinen  Werth  hat.  Seine  Grösse  ist  bei  gegebe- 
ner gegenseitiger  Lage  von  Lichtquelle,  Blättchen  und  Linse 
abhängig  von  der  Entfernung  c  des  Schirmes  von  der  Linse, 
und  wir  wollen  suchen,  für  welchen  Werth  c0  von  c  der 
Minimalwerth  von  M  eintritt.  Das  ist  gleichbedeutend  mit 
der  Frage:  auf  welchen  Punkt  müssen  wir  unser  In- 
strument einstellen  (das  Auge  accommodiren),  um 
die  Interferenzstreifen  möglichst  deutlich  zu  sehen? 
—  Von  c  hängt  in  M  nur  das  in  Hz  und  J2  enthaltene  /  ab 


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Fetissnei'. 


557 


[vgl.  (7a)  und  (3a)],  dessen  reciproker  Werth  die  Entfernung 
des  Punktes,  auf  welchen  das  Instrument  eingestellt  ist,  von 
der  Linse  bedeutet;  wir  können  daher  unmittelbar  den  Werth 
f0  für  /  aufsuchen,  für  welchen  M  ein  Minimum  wird.  Wir 
erhalten  hierfür: 

C08  (f   TT    ,     •  T 

^  -H.  +  Bin  qp  J. 

(io)  f>-~^"M,  +  j^^ 

und  damit  für  die  Entfernung  E  des  betreffenden  Punktes 
vom  Blättchen: 


E=b—l=    1  -^nlaDU^ 

f0         2W-  #  COS  fr . 


cos  a 


7       2  2  D 

b  w 2  cos  rr  —  sin  «  cos  s  a  —  ^ 


-  -  —  -j—  . — ■ — —  — —       — •  — — 

&  10*  (1  -ftg*a  C08!qp)—  sin«  C08  rp  — 


Man  sieht  hieraus,  dass  man  im  Allgemeinen  durchaus 
nicht  auf  das  Blättchen  zu  accommodiren  hat,  um  die  Inter- 
ferenzerscheinung deutlich  zu  erhalten;  nur  bei  senkrechter 
Betrachtung  ist  dies  immer  der  Fall,  da  dann  mit  sin« 
zugleich  E  Null  wird;  bei  schiefem  Daraufsehen  dagegen 
wird  E  häufig  sehr  gross,  eine  Thatsache,  die  man  schon 
mit  geeignet  gewählten  Deckgläschen  in  Natriumlicht  leicht 
constatiren  kann.  —  Die  Streifen  scheinen  ihren  Ort  zu 
ändern,  wenn  man  sich  auf  der  X-Axe  dem  Blättehen  nähert 
oder  von  ihm  entfernt,  denn  E  ist  von  b  abhängig;  wenn 
jedoch  (p  =  o  ist,  d.  h.  wenn  die  Ebene  des  Neigungswinkels 
der  beiden  Flächen  des  Blättchens  mit  der  XY-  Ebene  zu- 
sammenfällt, so  verschwindet  b  in  dem  obigen  Ausdruck, 
der  dann  in: 

t , m  sin  «  cos 2a  D 

x   '  »■  1F 

übergeht;  in  der  hierdurch  bestimmten  Entfernung  vom  Blätt- 
chen erscheinen  jetzt  unverändert  die  Streifen,  man  mag  sie 
aus  der  Nähe  oder  aus  der  Ferne  betrachten.  —  Der  Fall 
(p  =  o  ist  noch  in  anderer  Beziehung  bemerkenswerth.  Durch 
Einsetzung  des  in  (10)  bestimmten  Werthes  von  /  in  dem 
Ausdruck  (9)  für  M wird  dieses  ein  Minimum  und  geht  über  in: 


558 


W.  Feussner. 


(13)  M0  =  2m^*-^D&. 

Für  schief  auf  das  Blättchen  fallendes  Licht  wird  M0 
nur  gleich  Null,  wenn  q>  =  o  ist;  es  ist  deshalb  nur  dadurch 
möglich,  volle  Gleichheit  der  von  den  oben  betrachteten  ver- 
schiedenen Punkten  der  Lichtquelle  herrührenden  Inten- 
sitäten herzustellen.  Daher  wird  im  Allgemeinen  die  Inter- 
ferenzerscheinung in  diesem  Falle  am  schärfsten  sein. 

Die  Gleichung  (7)  lässt  weiter  erkennen,  dass  in  ver- 
schiedenen benachbarten  Punkten  des  Schirmes  nur  dann 
gleiche  Intensität  herrschen  kann,  wenn  sie  auf  einer  durch 
die  Gleichung: 

(14)  Sl  r ;  +  £  ;  »  Const. 

c  c 

bestimmten  Geraden  liegen.1)  Daraus  folgt,  dass  die  Inter- 
ferenzerscheinung aus  geradlinigen  Streifen  bestehen  muss, 
welche  mit  der  Axe  der  /;  einen  Winkel  yj  einschliessen, 
dessen  Tangente: 

(15)  tc  w  =  —  ^  =  —6ha2a— .  P.  008 'V  _ 

*    '  ö  Jt       2  w 1  b  sin  q>   #       cos  a  sin  <p 

ist.  Diese  Gleichung  spricht  eine  eigenthümliche  und  auf 
den  ersten  Blick  sehr  auffallende  Eigenschaft  der  Interferenz- 


1)  Dieser  Schluss  bedarf  vielleicht  einer  etwas  näheren  Begründung, 
die  hier  gegeben  werden  soll.  Die  Gleichungen  (6)  zeigen,  dass  sowohl 
die  gegenseitige  Entfernung  der  Durchtrittspunkte  zusammengehöriger 
Lichtstrahlen  durch  die  Hinterfläche  der  Linse  als  auch  die  Richtung 
ihrer  Verbindungslinie  ganz  unabhängig  ist  von  den  Coordinaten  der 
Punkte  &'  und  P.  Die  Coordinaten  der  Durchtrittspunkte  aller  der 
Reihen  zusammengehöriger  Strahlen,  die  nach  einem  Punkte  des  Schirmes 
gelangen,  sind  also  dieselben  wie  die  nach  einem  beliebigen  anderen 
Punkte  des  Schirmes  gelangenden.  Für  zwei  durch  dieselben  Linsen- 
punkte gegangene  Strahlenreihen  haben  aber  die  beiden  ersten  Glieder 
in  der  viereckigen  Klammer  der  Gl.  (7)  denselben  Werth,  und  wählen 
wir  die  beiden  Convergenzpunkte  auf  dem  Schirm  so,  dass  sie  der  Gl. 
(14)  genügen,  so  sind  die  Gangunterschiede  entsprechender  Strahlen  in 
beiden  Reihen  gleich;  das  aber  ist  die  Bedingung  für  die  Erzeugung 
gleicher  Intensität  durch  diese  Strahlenreihen.  Da  nun  dasselbe  Verhält- 
niss  bei  allen  vorkommenden  Strahlenreihen  stattfindet,  so  ergibt  sich  der 
oben  gezogene  Schluss,  wenigstens  wenn  wir  von  den  speciellen  Fällen 
abschen,  wo  die  Glieder  der  zweiten  Ordnung  verschwinden. 


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W.  Feussner. 


559 


streifen  aus.  Man  ist  gewohnt,  dieselben  den  Stellen  gleicher 
Dicke  der  sie  erzeugenden  Blättchen  folgen  zu  sehen,  die 
Gleichung  (15)  sagt  aus,  dass  das  allgemeine  Gesetz  ein  ganz 
anderes  ist.  Da  b  darin  vorkommt,  so  ändert  sich  xp  mit 
wechselndem  Werth  von  £,  d.  h.  nähert  man  sich  dem 
Blättchen,  oder  entfernt  man  sich  von  ihm,  so  er- 
leiden die  Streifen  eine  Drehung,  und  zwar  ist  der 
Verlauf  näher  der  folgende:  für  im  Verhältniss  zu  D/&  sehr 
kleine  Werthe  von  b  wird  tg  \p  bei  schief  einfallendem  Licht 
sehr  gross,  die  Streifen  laufen  der  Z-Axe  nahezu  parallel, 
das  Blättchen  mag  übrigens  liegen,  wie  es  will;  wächst 
dann  ä,  so  nähert  sich  tg  y  immer  mehr  dem  Werthe 
—  cos  cp  I  cos  a  sin  <p ,  die  Streifen  nehmen,  wenn  b  sehr  gross 
gegen  D/&  ist,  die  Lage  an,  in  der  man  sie  zu  sehen  ge- 
wohnt ist. 

Nimmt  die  Constante  in  Gleich.  (14)  um  die  Wellenlänge 
X  des  Lichtes  zu  oder  ab,  so  ändern  sich  die  Wegdifferenzen 
aller  einzelnen  interferirenden  Strahlen  nach  (7)  um  eine 
ganze  Anzahl  von  Wellenlängen,  die  Intensität  bleibt  also 
ungeändert.  Daraus  ergibt  sich  die  Breite  A  der  Inter- 
ferenzstreifen auf  dem  Schirm  nach  den  bekannten  Sätzen  zu: 


(16) 


(*>  "  1}  (  i  +  rj  +  JA  +  210  &  (cos«      +  8iQ  « 

für  grosse  b  folgt  daraus: 


eine  Formel,  in  welcher  das  bekannte  Gesetz  der  Verände- 
rung der  Streifenbreite  mit  wechselnder  Schiefe  des  einfallen- 
den Lichtes  enthalten  ist. 

Vorstehendes  sind  die  hauptsächlichsten  Resultate  meiner 
ersten  oben  citirten  Abhandlung.  Dieselben  beziehen  sich 
zunächst  auf  ein  dünnes,  von  zwei  einen  kleinen  Winkel  mit- 
einander einschliessenden  Ebenen  begrenztes  (ein  keilförmiges) 
Blättchen,  lassen  sich  aber  auch  leicht  zur  Herleitung  der 


560 


W.  Feussner. 


Interferenzerscheinungen  benutzen,  welche  anders  gestaltete 
Blättchen  zeigen,  wenn  wir  diese  als  »aus  keilförmigen  Ele- 
menten zusammengesetzt  betrachten  dürfen.  —  Die  Herren 
Sohncke  und  Wanger  in  sprechen  in  ihrer  gleichfalls  oben 
citirten  Abhandlung  „Neue  Untersuchungen  über  die  New- 
ton'schen  Ringe"  die  Ansicht  aus,  dass  eine  solche  unmittel- 
bare Anwendung  meiner  Formeln  auf  dies  Phänomen  nicht 
möglich  sei;  und  es  war  das  einer  der  Gründe,  die  sie  ver- 
anlassten, dem  experimentellen  Theile  ihrer  Arbeit  einen 
ausführlichen  theoretischen  hinzuzufügen.  Es  ist  das  dann 
richtig,  wenn  der  Abstand  der  beiden  Flächen,  welche  die 
die  Ringe  erzeugende  Schicht  begrenzen,  ein  verhältniss- 
mässig  beträchtlicher  ist,  und  man,  wie  ich  es  gethan  habe, 
die  successiven  Reflexionen  im  Inneren  des  Blättchens  mit 
in  Rechnung  zieht;  dann  darf  man  die  Reflexionspunkte  auf 
der  Kugelfläche  nicht  mehr  als  in  einer  Tangentialebene 
liegend  betrachten.  In  dem  Fall  jedoch,  welchen  allein  Hr. 
Sohncke  dem  Experiment  und  Hr.  Wang  er  in  der  Rech- 
nung unterworfen  hat,  wo  sich  jene  beiden  Flächen  berüh- 
ren, sind  wir  berechtigt,  meine  Formeln  unmittelbar  anzu- 
wenden, indem  wir  jedesmal  der  Kugelfläche  die  entsprechende 
tangirende  Ebene  substituiren ;  die  dabei  vernachlässigten 
Glieder  sind  dann  klein  gegen  die  beibehaltenen.  Ich  werde 
gleich  bei  der  Reproduction  des  wesentlichsten  Inhalts  meiner 
zweiten  erwähnten  Abhandlung  die  betreffende  Entwickelung 
geben.  Es  wurde  aber  diese  Abhandlung  hauptsächlich  ge- 
schrieben, um  einem  anderen,  schwereren  Irrthum  des  Hrn. 
Wangerin  entgegenzutreten;  derselbe  glaubte,  die  Theorie 
auf  wesentlich  einfacherer  Grundlage  entwickelt  zu  haben  und 
die  durchaus  anderen  Resultate,  welche  er  bei  Anwendung 
seiner  Methode  auf  keilförmige  Blättchen  erhielt,  den  mei- 
nigen als  die  richtigen  entgegenstellen  zu  dürfen.  Dem  gegen- 
über habe  ich  nachgewiesen,  dass  Grundlage  und  Resultate 
der  Wangerin'schen  Theorie  falsch  sind. 

Ich  will  hier  die  Bemerkungen,  welche  ich  in  meiner 
Schrift  (p.  6—16)  über  den  experimentellen  Theil  der  be- 
sprochenen Arbeit  gemacht  habe,  nur  kurz  erwähnen  und  in 
dieser  Beziehung  dorthin  verweisen,  um  so  mehr,  als  ich  die 


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W.  Feussner, 


561 


Sorgfalt,  mit  der  die  Beobachtungen  gemacht  sind,  durchaus 
anzuerkennen  habe.  Das  erste  und  für  die  Theorie  in  \hrer 
jetzigen  Gestalt  weitaus  wichtigste  experimentelle  Kesultat 
des  Hrn.  Sohncke  bezieht  sich  auf  die  Lage  der  schein- 
baren Interferenzorte  in  der  centralen  (d.  h.  der  durch  den 
Berührungspunkt  von  Linse  und  Platte  gehenden)  Einfalls- 
ebene. Meine  nachher  abzuleitende  Formel  und  die  des 
Hrn.  W angerin  geben  in  diesem  Fall  dasselbe  Kesultat, 
sie  fordern  eine  gerade  gegen  die  G  läsercombination  geneigte 
Linie  (von  Sohncke  und  Wanger  in  die  „Hauptgerade" 
genannt).  Die  Beobachtungen  stimmen  hiermit  gut  überein 
und  liefern  auch  für  die  Neigung  dieser  Geraden  sehr  nahe 
den  berechneten  Werth.  Bin  ich  hierin  mit  den  Herren 
Sohncke  und  Wanger  in  auch  ganz  einverstanden,  so 
konnte  ich  doch  die  Art,  wie  sie  die  von  ihnen  angegebenen 
Werthe  der  Neigungswinkel  aus  den  Beobachtungen  ableiten, 
nicht  als  correct  anerkennen;  dieselben  sind  noch  der  Ver- 
besserung bedürftig,  die  freilich  meist  gering  sein  und  gewiss 
ihre  Beweiskraft  für  die  theoretische  Formel  nicht  beein- 
trächtigt wird.  —  Bezüglich  der  Beobachtungen  ausserhalb 
der  centralen  Einfallsebene  habe  ich  nachgewiesen,  dass 
meine  Formel  sich  ihnen  mindestens  ebenso  gut,  an  den 
Stellen  der  grössten  Schärfe  entschieden  besser  anschliesst 
als  die  des  Hrn.  Wang  er  in,  doch  sind  die  Differenzen  so 
klein,  dass  eine  Entscheidung  aus  ihnen  nicht  zu  entnehmen 
ist.  —  In  der  centralen  Querebene  (d.  h.  der  der  Mikroskop - 
axe  parallel,  zur  Einfallsebene  senkrecht  durch  den  Berüh- 
rungspunkt von  Linse  und  Platte  gehenden  Ebene)  fordert 
meine  Formel  als  Ort  der  deutlichsten  Interferenz  eine  die 
beiden  Flächen  in  ihrem  gemeinschaftlichen  Punkte  berüh- 
rende Ellipse,  die  des  Hrn.  W angerin  eine  der  Platte 
parallele  Gerade  (die  „Quergerade")  und  Hr.  Sohncke 
glaubte,  die  Existenz  dieser  letzteren  experimentell  nachge- 
wiesen zu  haben.  Ich  habe  jedoch  gezeigt,  dass  dieser 
Schluss  nicht  in  den  Beobachtungen  begründet  ist,  indem 
Hr.  Sohncke  an  dieser  Stelle  die  sonst  überall  benutzte 
Beobachtungsmethode  verlässt  und  eine  sehr  viel  ungenauere 
anwendet,  und  es  ihm  ausserdem  entgangen  ist,  dass  bei 

Aun.  d.  Ptays.  u.  Cbem.  N.  F.  XIV.  36 


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562 


W,  Feussner. 


einer  Lichtquelle  von  beschränkter  Ausdehnung  die  Stellung 
derselben  einen  wesentlichen  Einfluss  auf  die  Interferenz- 
erscheinung  ausübt.  Diese  Umstände  bewirken,  dass  die 
Versuchsresultate  nicht  mit  der  Theorie  verglichen  werden 
können.  Das  Gleiche  ist  bezüglich  der  sehr  dankenswerthen 
Beobachtungsreihen  des  Hrn.  Sohncke  über  die  Durch- 
messer der  Ringe  in  der  centralen  Einfallsebene  und  der 
centralen  Querebene  der  Fall.  Hier  liegt  aber  die  Schuld 
an  dem  noch  unvollkommenen  Zustande  der  Theorie.  Man 
könnte  vielleicht  glauben,  aus  der  von  mir  oben  für  die  Rich- 
tung der  Streifen  gegebenen  Gleichung  (15)  eine  Differential- 
gleichung der  Ringe  und  daraus  durch  Integration  ihre 
Gestalt  und  z.  B.  für  einen  gegebenen  Querdurchmesser  den 
zugehörigen  Hauptdurchmesser  ableiten  zu  können ;  allein  in 
meinen  bisherigen  Entwicklungen  sind  überall  die  kleinen 
Grössen  der  dritten  Ordnung  vernachlässigt,  in  Beziehung 
auf  diese  tritt  aber  bei  dem  angedeuteten  Verfahren  eineSumma- 
tion  ein,  sodass  sie,  wie  man  leicht  findet,  einen  merklichen  Ein- 
fluss auf  das  Resultat  gewinnen.  Hr.  Wanger  in,  bei  dessen 
Rechnung  derselbe  Umstand  eintritt,  versucht  zwar,  auch  mit 
diesen  Messungen  seine  Theorie  zu  stützen,  hat  dabei  aber 
übersehen,  dass  die  von  ihm  abgeleiteten  Formeln  recht  un- 
genügend mit  den  Beobachtungen  übereinstimmen. 

Es  ist  schon  mehrfach  darauf  hingewiesen,  dass  wir  von 
den  Interferenzerscheinungen  der  keilförmigen  Blättchen  un- 
mittelbar zu  den  Newton'schen  Ringen  übergehen  können, 
und  zwar  können  wir  aus  Formel  (11)  mit  Leichtigkeit  die 
der  Sohncke'schen  Beobachtungsmethode,  wobei  ein  Mikroskop 
parallel  mit  sich  selbst  über  dem  Blättchen  umhergefuhrt 
wird,  entsprechende  Interferenzfläche1)  ableiten  für  ein  ein- 


1)  Ich  bediene  mich  dieses  auch  von  den  Herren  Sohncke  and 
Wangerin  gebrauchten  Ausdrucks,  ohne  ihre  Vorstellung  damit  zu  ver 
binden,  dass  wirklich  auf  dieser  Fläche  (wenigstens  so  weit  sie  in  Luf. 
liegt)  objectiv  und  unabhängig  von  dem  beobachtenden  Auge,  Instrument 
u.  s.  w.  grösste  Schärfe  der  Interferenzerscheinung  stattfinde.  Ich  ver 
stehe  nur  darunter  die  Aneinanderreihung  aller  der  Punkte,  auf  welche 
das  Instrument  eingestellt  werden  muss,  um  die  Erscheinung  möglich?: 
deutlich  zu  zeigen. 


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W,  Feussner. 


563 


zelnes  von  einer  Ebene  und  einer  sie  berührenden  Kugel- 
fläche begrenztes  Blättchen  oder  auch  für  die  Combination 
einer  Linse  mit  darauf  liegender  planparalleler  Platte,  wenn 
wir  die  Dicke  dieser  letzteren  gleich  Null  anneh- 
men. Den  letzteren  Fall  wollen  wir  etwas  näher  betrachten. 
Wir  haben  dann  n  =  1  zu  setzen,  wodurch  w  =  cos«  wird; 
nehmen  wir  ferner  das  von  Hrn.  Wanger  in  eingeführte 
Coordinatensystem  an,  sodass  für  unseren  Fall  der  Anfangs- 
punkt in  dem  Berührungspunkte  der  beiden  Flächen  liegt, 
die  a-y-Ebene,  die  obere  ebene  Fläche  der  Gläsercombination 
bildet,  die  positive  .r-Axe  in  der  Einfallsebene  des  Lichtes 
nach  der  Lichtquelle  hin  gerichtet  ist,  die  y-Axe  auf  ihr 
senkrecht  steht  und  die  r-Axe  nach  oben  dem  Mikroskop 
parallel  verläuft,  so  haben  wir  zu  setzen: 

wenn  b0  die  Entfernung  des  (aus  einer  Linse  bestehend  ge- 
dachten) Objectivs  des  Mikroskops  von  dem  Object  bei 
scharfer  Einstellung  bedeutet.  Die  Substitution  dieser  Werthe 
in  die  obige  Gleichung  liefert  nach  einfacher  Umformung  als 
Gleichung  der  Interferenzfläche: 

4  (a?2+y2cos2«)  z2  +  4  (Ä0(.r2-f  y2C08  2«)  —  sin  a .  x  {x2  +  y2))  z 
-  2b0  sin«..r(.r2  +  f)  +  sin2«(#2  +  y2)2  =  0. 

Dieselbe  ist  also  von  der  vierten,  nicht  (wie  Hr.  Wangerin 
findet)  von  der  dritten  Ordnung;  für  sehr  grosse  b0  geht  sie 
in  Wangerin's  Gl. (IV)  (p.  226)  über,  wenn  darin  die  Dicke 
der  planparallelen  Platte  ebenfalls  gleich  Null  angenommen 
wird.  Ein  Hauptunterschied  unserer  Formeln  ist  der,  dass 
die  meinige  von  dem  Abstände  des  Mikroskopobjectivs  ab- 
hängig ist,  für  hierin  verschiedene  Instrumente  also  eine 
verschiedene  Gestalt  der  Interferenzfläche  fordert,  die  Wan- 
gerin's dagegen  nicht.  In  einem  Falle  aber,  nämlich  für 
die  centrale  Einfallsebene  (y  =  0)  liefern  sie,  wie  schon  be- 
merkt, dasselbe  Resultat,  nämlich  2z  =  .rsin#. 

Nachdem  wir  so  gesehen  haben,  dass  es  bei  den  ge- 
machten Annahmen  in  der  That  nur  einer  sehr  einfachen 
Rechnung  zum  Uebergange  von  meinen  früheren  Formeln  zu 

36* 


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564 


IV.  Feussner 


den  für  die  Newton'schen  Ringe  gültigen  bedarf,  wollen  wir 
nun  die  von  Hrn.  Wang  er  in  aufgestellte  Theorie  selbst 
etwas  näher  betrachten. 

Nachdem  Hr.  Wang  er  in  hervorgehoben  hat,  dass  die 
Berücksichtigung  der  Ausdehnung  der  Lichtquelle  für  die 
Theorie  erforderlich  sei,  fährt  er  fort  (p.  202): 

„Die  Ausdehnung  der  Lichtquelle  ist  zur  Erklärung  der 
durch  ein  keilförmiges  Blättchen  hervorgebrachten  Inter- 
ferenzerscheinungen schon  von  Hrn.  Feussner  herangezogen. 
Aber  die  Art  und  Weise,  wie  Hr.  Feussner  diesen  Gedanken 
weiter  verwerthet,  scheint  uns  viel  zu  verwickelt  und  führt,  wie 
wir  glauben,  nicht  zu  richtigen  Resultaten  (vgl.  den  Anhang.)1) 
Zunächst  ist  es  unnöthig,  wie  Hr.  Feussner  es  thut,  die 
nach  dem  Durchgange  durch  eine  Sammellinse  auf  einem 
Schirme  stattfindende  Interferenz  zu  untersuchen.  Es  genügt 
vollkommen,  den  Vorgang  in  demjenigen  Punkte  ins  Auge 
zu  fassen,  auf  welchen  das  Beobachtungsmikroskop  eingestellt, 
resp.  das  Auge  accommodirt  ist  Denn  zwei  von  einem 
Punkte  ausgehende  Strahlen  haben  bei  ihrer  Vereinigung 
auf  dem  auffangenden  Schirm  (resp.  der  Netzhaut)  die- 
selbe PhasendifFerenz,  die  sie  in  jenem  Punkte  hatten. 
Weiter  unterscheidet  sich  die  hier  zu  gebende  Darstellung 
völlig  von  der  des  Hrn.  Feussner  durch  das  Princip,  nach 
dem  das  Zusammenwirken  der  in  einen  Punkt  der  Netzhaut 
gelangenden  Strahlen  in  Rechnung  gezogen  und  damit  die 
Frage  beantwortet  wird,  auf  welchen  Punkt  das  Beobach- 
tungsinstrument einzustellen  ist,  um  die  Interferenzerschei- 
nung möglichst  deutlich  zu  sehen.  Für  die  Beantwortung 
dieser  Frage  glauben  wir,  ein  sehr  einfaches,  natürliches  und 
übersichtliches  Princip  gefunden  zu  haben."  Um  dieses 
„Princip"  auseinanderzusetzen,  betrachtet  Hr.  Wangerin 
den  Punkt  in  der  Axe  des  Mikroskops,  auf  welchen  dasselbe 
eingestellt  ist.  Wenn  man  mit  Hrn.  Wangerin  nur  die 
Strahlen  berücksichtigt,  welche  an  der  Vorderfläche  und  die, 
welche  nach  einmaligem  Durchlaufen  des  Blättchens  an  der 
Rückfläche  refiectirt  sind,  so  kann  man  —  eben  nach  diesem 

1)  Xäinl.  Sohnckcu.  Wangerin,  Wied.  Ann.  12.  p.246— 249.  1881. 


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I 


W.  Feussner.  565 

Unterschied  —  die  gesammte  durch  den  angegebenen  Punkt 
gehende  und  von  dem  Mikroskop  wieder  zu  seinem  Bilde 
vereinigte  Strahlenmasse  in  zwei  Theile  zerlegen,  welche 
zwei  zusammenfallende  Strahlenkegel  mit  der  Spitze  in  jenem 
Punkte  und  der  Basis  in  der  Oeffnung  des  Objectivs  bilden. 
Zu  einem  Strahl  des  einen  Kegels  findet  sich  im  Allgemei- 
nen1) in  dem  anderen  einer,  welcher  mit  ihm  von  demselben 
Punkte  der  Lichtquelle  ausgegangen  ist;  diese  beiden  können 
miteinander  interferiren  und  bilden  ein  zusammengehöriges 
„Paar".  Unter  den  unendlich  vielen  vorhandenen  Strahlen- 
paaren greift  nun  Hr.  Wangerin  zwei  heraus  und  bezeichnet 
sie  als  „Hauptpaare",  nämlich  diejenigen,  bei  welchen  einer 
der  Strahlen  in  der  Axe  des  Mikroskops  verläuft.  Bei  dem 
einen  Hauptpaar  ist  das  ein  an  der  Vorderfläche,  bei  dem 
anderen  ein  an  der  Hinterfläche  des  Blättchens  reflectirter 
Strahl.  „Als  natürlichstes  Princip  für  das  Zusammenwirken 
aller  Strahlenpaare  bietet  sich  nun  dies  dar,  dass  die  Haupt- 
paare in  gleicher  Weise  berücksichtigt  werden.  Es  wird 
also  angenommen,  dass  die  Interferenz  dann  am  deutlichsten 
ist,  wenn  die  Strahlen  des  einen  Hauptpaares  genau  dieselbe 
Wegdifferenz  besitzen  wie  die  des  anderen"  (p.  206).  Die 
übrigen  Paare  sollen,  wie  Hr.  Wangerin  weiter  annimmt, 
je  nach  der  Uebereinstimmung  oder  Nichtübereinstimmung 
ihres  Verhaltens  mit  den  Hauptpaaren  nur  eine  grössere 
oder  geringere  Schärfe  der  ganzen  Erscheinung  bewirken. 

In  den  angeführten  Stellen  haben  wir  das  Urtheil  des 
Hrn.  Wangerin  über  meine  Theorie  und  die  Grundlagen 
der  seinigen.  Hr.  Wangerin  findet,  dass  meine  Behandlung 
viel  zu  verwickelt  sei,  und  ..glaubt-,  dass  sie  nicht  zu  rich- 
tigen Resultaten  führe.  Auf  das  letztere  komme  ich  nach- 
her zurück;  der  erste  Vorwurf  bezieht  sich  darauf,  dass  ich 
die  Interferenz  der  von  dem  dünnen  Blättchen  reflectirten 
Strahlen  erst  nach  ihrem  Durchgange  durch  eine  Linse 
untersuche.  Das  sieht  Hr.  Wangerin  als  eine  unnöthige 
Complication  der  Betrachtungen  an.    Er  stützt  diese  Mei- 


1)  Genauer  habe  ich  das  oben  mit  Berücksichtigung  einer  beliebigen 
Anzahl  von  Reflexionen  in  dem  Blättchen  auseinandergesetzt. 


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566 


W.  Feiissner. 


nung  darauf,  dass  „zwei  von  einem  Punkte  ausgehende  Strahlen 
bei  ihrer  Vereinigung"  (durch  eine  Linse)  „auf  dem  auffan- 
genden Schirm  (resp.  Netzhaut)  dieselbe  Phasendifferenz  haben, 
die  sie  in  jenem  Punkte  hatten."    Dieser  auch  wohl  schon 
anderweit  so  oder  ähnlich  ausgesprochene  Satz  ist  indessen 
falsch.    Er  gilt  von  der  WegdifFerenz  nur,  so  lange  man 
nicht  über  die  kleinen  Grössen  der  dritten  Ordnung  hinaus 
geht,  diese  sind  aber  im  Allgemeinen  durchaus  nicht  klein 
gegen  die  Länge  einer  Lichtwelle,  wesshalb  bei  der  Bestim- 
mung der  Phasendifferenz  die  Grössen  höherer  Ordnung 
nicht  vernachlässigt  werden  dürfen.    Mit  Berücksichtigung 
hiervon  ergibt  sich  aber,  dass  das  von  einer  Linse  entwor- 
fene Bild  einer  Interferenzerscheinung  unter  Umständen  von 
dieser  selbst  sehr  verschieden  sein  kann;  und  das  wird,  wie 
ich  gefunden  habe,  von  der  Beobachtung  vollkommen  be- 
stätigt. So  kann  z.  B.  eine  Interferenzerscheinung,  die,  direct 
von  einem  Schirme  aufgefangen,  aus  geradlinigen  Streifen 
besteht,  durch  eine  Linse  betrachtet  als  ein  System  von 
Kreisen  erscheinen.  —  Allein  ich  will  hier  diesen  Umstand 
gar  nicht  besonders  betonen,  denn  hätte  Hr.  W angerin 
sich  so  ausgedrückt:  zwei  von  einem  Punkte  ausgehende 
Strahlen  haben  bei  ihrer  Vereinigung  auf  dem  auffangenden 
Schirm  unter  Vernachlässigung  der  kleinen  Grössen  von 
höherer  als  der  dritten  Ordnung  dieselbe  Wegdifferenz,  die 
sie  in  jenem  Punkte  hatten,  so  wäre  nichts  dagegen  einzu- 
wenden gewesen,  und  da  wir  beide  in  unseren  bisherigen 
Arbeiten  selbst  die  Grössen  der  dritten  Ordnung  vernach- 
lässigen, so  könnte  es  scheinen,  als  ob  Hr.  Wanger  in  Recht 
hätte.    Allein  auch  in  dieser  Fassung  ist  der  Satz  nicht 
geeignet,  den  unmittelbar  vorhergehenden:  „Es  genügt  voll- 
kommen, den  Vorgang  in  demjenigen  Punkte  ins  Auge  zu 
fassen,  auf  welchen  das  Beobachtungsmikroskop  eingestellt, 
resp.  das  Auge  accommodirt  ist",  zu  stützen,  wie  er  es  soll. 
Hr.  Wang  er  in  begeht  mit  dieser  Annahme  ein  Versehen, 
vor  welchem  ihn  eine  etwas  aufmerksame  Betrachtung  der 
von  mir  gegebenen  Formeln  hätte  bewahren  können.  Die- 
selben zeigen  die  Eigenthümlichkeit,  dass  die  Entfernung  h 
der  Linse  vom  Blättchen  nicht  aus  ihnen  verschwindet,  wenn 


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W.  Feussner 


567 


man  auch  das  Glas  der  Linse  durch  Luft  ersetzt  {nv  =  1  an- 
nimmt). Dieses  auf  den  ersten  Blick  wohl  paradoxe  Verhal- 
ten rührt  daher,  dass  die  Linse  nicht  allein  eine  Brechung 
der  Lichtstrahlen  bewirkt,  sondern  dass  sie  auch  (oder  ge- 
nauer das  mit  ihr  verbundene  Diaphragma)  die  auf  den 
Schirm  gelangenden  und  dort  die  Interferenzerscheinung  er- 
zeugenden Strahlen  von  den  übrigen  trennt;  der  Ort  aber, 
wo  dies  geschieht,  ist  unter  Umständen  von  wesentlichem 
Einfluss  auf  den  Ort  der  grössten  Deutlichkeit  und  die 
sonstigen  Eigenschaften  der  Erscheinung.  Diese  Verhältnisse 
beachtet  Hr.  Wang  er  in  gar  nicht. 

Es  ist  im  Wesentlichen  die  Uebersehung  desselben  Um- 
standes,  welche  Hrn.  Wangerin  zu  dem  zweiten  Missgriff, 
der  Aufstellung  seines  „Princips  für  das  Zusammenwirken 
aller  Strahlenpaare"  veranlasst;  während  in  dem  eben  be- 
sprochenen Falle  der  Fehler  etwas  versteckter  war,  liegt  er 
und  die  ganze  Wiilkürlichkeit  der  Annahme  hier  so  offen 
zu  Tage,  dass  es  schwer  begreiflich  ist,  wie  Hr.  Wangerin 
so  verfahren  konnte.  „Es  wird  also  angenommen",  sagt  er, 
„dass  die  Interferenz  dann  am  deutlichsten  ist,  wenn  die 
Strahlen  des  einen  Hauptpaares  genau  dieselbe  Wegdifferenz 
besitzen,  wie  die  des  anderen."  Daraus  bestimmt  er  nachher 
den  Orf  der  grössten  Deutlichkeit  und  nimmt  dann  weiter 
an,  dass  der  Einfluss  der  übrigen  Strahlenpaare  sich  nur  in 
der  Schärfe  der  Erscheinung  bemerklich  mache.  Indess  bringt 
Hr.  Wangerin  für  diese  Annahme  nicht  den  geringsten  Beweis 
bei.  Und  nachdem  er  dann  bei  einer  auf  solchen  Grundlagen 
ruhenden  Theorie  zu  anderen  Resultaten  gekommen  ist,  als 
ich  gefunden  habe,  so  beachtet  er  nicht,  dass  ich  mein  Re- 
sultat schon  als  durch  die  Beobachtung  bestätigt  bezeichnet 
habe,  sondern  nimmt  einfach  an,  dass  ich  Unrecht  habe: 
„die  Art  und  Weise,  wie  Hr.  Feussner  diesen  Gedanken 
weiter  verwerthet,  führt,  wie  wir  glauben,  nicht  zu  rich- 
tigen Resultaten". 

Die  Unrichtigkeit  des  Wangerin'schen  „Princips"  lässt 
sich  leicht  mit  Hülfe  meiner  Formel  (9)  direct  nachweisen; 
man  findet,  dass  der  Werth  von  M,  der,  wie  ich  gezeigt 
habe,  ein  Minimum  werden  muss,  bei  Einsetzung  des  nach 


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568 


W.  Feussner. 


diesem  Princip  bestimmten  Ausdrucks  für /  stets  grösser  ist 
als  ich  ihn  in  (13)  finde,  ausser  wenn  sinqp.(sin2«/f<?)(ö  +  £)I) 
gleich  Null  ist,  wo  beide  einander  gleich  werden.  Das  ist 
bei  den  Newton'schen  Ringen  in  der  centralen  Einfallsebene 
der  Fall,  und  hier  kommt  Hr.  W  an  gerin  auch  zu  richtigen 
Ergebnissen. 

Im  Vorstehenden  habe  ich  nur  das  Hauptsächlichste, 
die  Grundlagen  der  Wangerin'schen  Theorie  besprochen; 
natürlich  muss  ich  auch  die  meisten  daraus  abgeleiteten 
Sätze  als  unrichtig,  die  übrigen  als  falsch  begründet  erklären. 
Zum  Theil  sind  sie  so  auffallender  Art,  dass  es  zu  verwun- 
dern ist,  dass  Hr.  Wang  er  in  nicht  dadurch  auf  die  Un- 
richtigkeit seiner  Theorie  aufmerksam  gemacht  wurde.  So 
z.  B.  der  sonderbare  Satz  (p.  217),  dass  die  mehrfach  inner- 
halb des  Blättchens  reflectirten,  miteinander  interferirenden 
Strahlen  Wegunterschiede  von  einer  ganzen  Zahl  von  Wellen- 
längen besitzen  sollen,  was  mit  Leichtigkeit  als  falsch  nach- 
zuweisen ist. 

Das  aber  ist  anzuerkennen,  dass  Hr.  Wangerin  selbst 
klar  und  scharf  die  Verschiedenheit  der  Resultate  hervor- 
hebt, die  aus  unseren  beiderseitigen  Theorien  für  ein  keil- 
förmiges Blättchen  folgen.  Er  behandelt  diesen  Fall  im 
im  Anhang;  nach  Entwickelung  der  entsprechenden  Glei- 
chungen fährt  er  fort:  „Aus  diesen  Gleichungen  folgt,  dass 
die  Interferenzstreifen  stets  der  Kante  des  Keils  parallel 
sind",  und  am  Schluss:  „Eine  Drehung  der  Streifen  aus 
dieser  parallelen  Lage  heraus,  wie  sie  Hr.  Feussner 
aus  seiner  Theorie  ableitet,  ist  mit  unserer  Theorie  unver- 
einbar." 

Nun  habe  ich  schon  in  meiner  vorjährigen  Arbeit  an- 
gegeben, eine  solche  Drehung  bei  Mikroskopdeckblättchen 
beobachtet  zu  haben,  und  dieselbe  auch  in  der  damaligen 
Sitzung  der  Marburger  naturforschenden  Gesellschaft  gezeigt. 
Es  war  das  freilich  kein  Beweis  für  meine  Formel,  da  die 
Grösse  der  Drehung  der  nicht  genau  ebenen  Beschaffenheit 
dieser  Deckblättchen  wegen  nicht  mit  derselben  verglichen 
werden  konnte.  Ich  bin  aber  jetzt  in  der  Lage,  den  experi- 
mentellen Nachweis  zu  führen.    Die  folgenden  Messungen 


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W.  Feitssner.  569 


beziehen  sich  auf  eine  vorzüglich  geschliffene  Glasplatte,  die 
Hr.  Prof.  Abbe  in  Jena  die  Güte  hatte,  in  der  optischen 
Werkstätte  des  Hrn.  Zeiss  daselbst  für  mich  anfertigen  zu 
lassen.    Es  ist  eine  keilförmige,  runde  Platte,  deren  Dicke 
im  Mittelpunkt  0,250,  deren  Durchmesser  33  mm,  deren 
Winkel  1'  54",  und   deren  Brechungsindex  1,514  beträgt. 
Diese  Platte  war  auf  einem  genau  eben  geschliffenen  ge-  ' 
schwärzten  Messingklotz  durch  ein  paar  Wachströpfchen 
befestigt  und  wurde  mit  demselben  auf  die  Alhidade  eines 
Theodoliths,  dessen  oberer  Theil  entfernt  war,  so  aufgesetzt, 
dass  ihre  Vorderfläche  senkrecht  auf  der  Drehungsaxe  stand, 
und  diese  durch  ihren  Mittelpunkt  ging.  Auf  dieselbe  wurde 
ein  kleines  Beobachtungsfernrohr  gerichtet,  welches  mit 
einem  drehbaren  Fadenkreuz  versehen  ist,  dessen  Drehung 
an  einem  Theilkreise  mit  zwei  Nonien  abgelesen  werden 
kann.    Die  Entfernung  der  vorderen  Fläche  des  Objectivs 
vom  Mittelpunkte  der  Platte  wurde  zu  803,5  mm,  der  Winkel 
zwischen  seiner  Axe  und  der  des  Theodoliths  zu  68°  17'  5" 
bestimmt.  Sodann  wurde  eine  Natriumfiamme  so  aufgestellt, 
dass  die  Platte  ihr  Licht  in  das  Fernrohr  reflectirte,  bei 
passender  Einstellung  des  letzteren  erschienen  dann  die 
Streifen.    Der  Winkel  1//,  den  sie  im  Fernrohr  mit  derVer- 
ticalebene  bilden  müssen,  ist  oben  durch  Gleich.  (15)  be- 
stimmt, während  die  Tangente  des  Winkels  zwischen  dem 
Bild  einer  zur  Kante  des  Keils  parallelen  Geraden  und  der 
Terticalebene  durch  den  Ausdruck  —  cos  <p/  cos  a.  sin  <p  ge- 
geben ist;  letzterer  Winkel  müsste  nach  Hrn.  Wang  er  in 
auch  der  der  Streifen  sein.    Bei  den  Beobachtungen  wurde 
nun  von  der  Stellung,  wo  cp  =  o  ist,  d.  h.  wo  die  Kante 
des  Keils  auf  der  Seite  des  Beobachters  senkrecht  auf  der 
Einfallsebene  steht,  ausgegangen;  hier  machen  auch  die 
Streifen  im  Fernrohr  einen  Winkel  von  90°  mit  der  Ver- 
ticalen.  Nachdem  ein  Faden  des  Fadenkreuzes  ihnen  parallel 
gestellt  war,  wurde  die  Alhidade  des  Theodoliths  und  mit 
ihr  die  Platte  um  einen  bestimmten  Winkel  a  gedreht,  der 
Faden  wieder  mit  den  Streifen  zur  Deckung  gebracht  und 
die  dazu  nöthige  Drehung  an  dem  Theilkreise  des  Fern- 
rohrs abgelesen.    Ich  gebe  in  der  folgenden  Tabelle  (p.570) 


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570 


W.  Feussner. 


die  Resultate  einiger  solcher  Messungen1);  wenn  auch  — 
hauptsächlich  einiger  Unvollkommenheiten  in  der  experimen- 
tellen Zusammenstellung  wegen  —  in  ihnen  noch  nicht  die 
Genauigkeit  erreicht  ist,  die  erreicht  werden  kann,  so  ge- 
nügen sie  zur  Entscheidung  unserer  Frage  doch  vollkommen. 


AP 

Winkel  d( 

beobachtet 

;r  Streifen 
bereclmet 

Winkel  der 
Keilkante 

60 
80 
100 
120 

125,45° 
162,85° 
32,13° 
59,75° 

125,450 
161,27° 
31,55° 
59,78° 

'  122,65° 
154,52° 
25,48° 
57,35° 

Handelt  es  sich  blos  darum,  die  Drehung  der  Streifen  ex- 
perimentell nachzuweisen,  ohne  dass  es  auf  Messungen  an- 
kommt, so  kann  man  in  einfacher  Weise  ein  sehr  in  die 
Augen  fallendes  Resultat  erhalten.  Ich  will  den  Versuch  so 
beschreiben,  wie  ich  ihn  in  der  Sitzung  der  Marburger  natur- 
forschenden Gesellschaft  (am  4.  März  d.  J.)  vorgeführt  habe. 
Die  eben  beschriebene  Glasplatte  wurde  mit  dem  Messing- 
klotz, auf  dem  sie  befestigt  ist,  vertical  aufgestellt,  sodass 
die  Kante  des  Keils  horizontal  verlief.  Dieser  Kante  parallel 
war  nahe  über  der  Platte  ein  dünner  Draht  gespannt  und 
mit  etwas  Klebwachs  an  dem  Klotze  befestigt.  In  gleicher 
Höhe  war  in  einer  Entfernung  von  5—6  m  ein  Fernrohr  so 
aufgestellt,  dass  seine  Richtung  mit  der  Normalen  der  Platte 
einen  Winkel  etwa  60  —  70  Grad  bildete.  In  demselben 
erschienen  die  Streifen  dem  Drahte  vollkommen  parallel, 
näherte  man  sich  aber  dann,  mit  freiem  Auge  beobachtend, 
der  Platte  bis  zur  deutlichen  Sehweite,  so  bildeten  die  Streifen 
jetzt  einen  sehr  erheblichen  Winkel  mit  dem  Drahte,  wurde 
die  Platte  um  ihre  Normale  um  180°  gedreht,  sodass  die 

1)  In  meiner  in  den  Marburger  Sitzungsberichten  veröffentlichten  Ab- 
handlung war  bei  den  als  „berechnet"  angegebenen  Werthen  ein  Fehler 
mit  untergelaufen ,  indem  bei  ilirer  Ableitung  w  statt  w2  in  Formel  (15) 
gesetzt  war.  Derselbe  ist  jetzt  verbessert,  und  es  stimmen  nim  die  erste 
und  die  letzte  Beobachtung,  bei  welchen  auch  die  Streifen  am  schärfsten 
sind,  vortrefflich  mit  der  Rechnung  überein.  Bei  den  anderen  Beobach- 
tungen waren  die  Streifen  ziemlich  undeutlich,  was  wohl  auch  zu  der 
weniger  guten  Uebereinstimmung  beigetragen  hat. 


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V.  v.  Lang.  571 

dünnere  Seite  nach  oben  gerichtet  war,  wenn  es  vorher 
die  dickere  war,  oder  umgekehrt,  so  wichen  die  Streifen  um 
denselben  Winkel  nach  der  entgegengesetzten  Seite  vom 
Drahte  ab,  während  sie  ihm  im  Fernrohr  natürlich  unver- 
ändert parallel  blieben. 


II.    Veber  die  Dispersion  des  Aragonits  nach 
arbiträrer  Richtung;  von  Victor  v.  Lang. 

(Aua  dem  83.  Bde.  der  Sitzungsber.  der  Acad.  d.  Wiss.  II.  Abth.,  vom 
31.  März  1881;  mitgetheilt  vom  Hrn.  Verf.) 


I.  Ich  habe  vor  einiger  Zeit1)  ein  horizontales  Gonio- 
meter mit  zwei  concentrischen  Axen  beschrieben:  die  innere 
trägt  Nonius  und  Prismentisch,  die  äussere  Kreis  und  Fern- 
rohr. Die  Collimatorspalte  ist  fest  mit  dem  Massiv  des  In- 
strumentes verbunden.  Unter  anderen  Vortheilen,  die  dieses 
Goniometer  bietet,  ist  auch  der,  dass  man  damit  leicht  den 
Lichtstrahl  senkrecht  auf  die  erste  Prismenfläche  einfallen 
lassen  kann.  Ist  nämlich  R  die  Ablesung  bei  Beobachtung 
des  von  der  ersten  Prismenfläche  reflectirten  Bildes,  S  aber 
die  Ablesung  bei  directer  Anvisirung  der  Spalte,  so  braucht 
man  das  Prisma  nur  um  den  Winkel  90°  +  J(Ä—  S)  zu 
drehen,  um  die  gesuchte  Stellung  zu  erhalten.  Bei  dieser 
Stellung  wird  der  Lichtstrahl  an  der  ersten  Prismenfläche 
nicht  gebrochen,  und  seine  farbigen  Bestandteile  haben  auch 
im  Prisma  alle  eine  gemeinsame  Wellennormale. 

»  Dies  gestattet,  die  Dispersion  des  Lichtes  nach  einer  be- 
liebigen Richtung  eines  doppeltbrechenden  Krystalles  zu 
untersuchen.  Ich  habe  einen  derartigen  Versuch  an  einem 
Aragonitprisma  ausgeführt,  dessen  eine  Seite  senkrecht  zum 
Prisma  (110)  von  63°  50'  ist,  während  die  andere  Seite  in 
der  Zone  (110,001)  gegen  die  erste  um  beiläufig  30°  geneigt 
ist.  Letztere  Fläche  wurde  nun  zur  Einfallsfläche  gemacht 
und  Sonnenlicht  senkrecht  darauf  fallen  gelassen.  Das  Licht, 

1)  V.  v.  Lang,  Phil.  Mag.  (5)  7.  p.  136.  1879. 


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572 


V,  v.  Lang. 


durchsetzt  dann  den  Aragonit  in  einer  ganz  allgemeinen 
Richtung  und  gibt  beim  Austritte  aus  demselben  natürlich 
zwei  Spectren,  deren  Dispersionsverhältnisse  eben  studirt 
werden  sollten. 

Eine  Schwierigkeit  bestand  in  der  Politur  der  Flächen 
des  Prismas.  Von  dem  einen  Optiker  erhielt  ich  zwar  das 
Prisma  sehr  schön  polirt,  aber  mit  convexen  Flächen,  der 
andere  schliff  wohl  die  Flächen  eben,  konnte  sie  aber  nur 
höchst  mangelhaft  poliren.  Zuletzt  machte  ich  mich  selbst 
daran,  das  Prisma  mit  Hülfe  einer  äusserst  schwach  matten 
Glastafel  in  den  gewünschten  Zustand  zu  bringen.  Im  ganzen 
ging  dies  auch  ziemlich  gut,  nur  würde  die  Herstellung  der 
höchsten  Politur  noch  längere  Ausdauer  erfordert  haben. 
Die  Folge  war,  dass  ich  die  Linie  H  nicht  mit  Sicherheit 
beobachten  konnte  und  mich  auf  die  Bestimmung  der  Linien 
a  —  G  beschränken  musste. 

IL  Bestimmung  des  brechenden  Winkels.  Da 
im  gegenwärtigen  Falle  der  Prismenwinkel  von  der  Tem- 
peratur abhängig  ist,  so  wurden  zuerst  Bestimmungen  des- 
selben bei  verschiedenen  Temperaturen  unternommen,  um 
spätere  Beobachtungen  auf  dieselbe  Temperatur  reduciren 
zu  können.  Die  späteren  Beobachtungen  wurden  jedoch  erst 
angestellt,  nachdem  das  Prisma  von  neuem  geschliffen  wor- 
den war,  wodurch  sich  sein  Winkel  um  ein  Geringes  änderte. 
Diese  Aenderung  ist  jedoch  auf  die  kleine  Temperaturcorrec- 
tion  ohne  Einfluss,  und  die  gefundene  Correction  kann  ohne 
weiteres  auf  die  Beobachtungen  des  definitiven  Winkels  an- 
gewandt werden. 

Folgendes  sind  die  Mittel  aus  je  drei  Beobachtungen: 

Datnm  t  A  beobachtet 

1881  I.    8  15,4°  C.  30°  35'  27" 

9  17,6  46 

10  18,7  56 

11  20,2  36  10. 

Werden  diese  Beobachtungen  als  lineare  Function  der 
Temperatur  mit  Hülfe  der  Methode  der  kleinsten  Quadrate 
berechnet,  so  findet  man: 

A  =  30°  33'  8"  +  9".* 

und  hieraus: 


uiginzeo 


by  Google 


V,  v.  iMng. 


573 


t 

A  berechnet 

Beob.-Rechn. 

15,4°  C. 

30°  35'  26,6" 

-0,4" 

17,6 

46,4 

+  0,4 
+  0,3 
-0,2 

18,7 

56,3 

20,2 

9,8 

Die  Uebereinstimmung  zwischen  Beobachtung  und  Rech- 
nung ist  also  ganz  befriedigend. 

Zur  Bestimmung  des  definitiven  brechenden  Winkels  wur- 
den folgende  Beobachtungen  angestellt,  welche  nach  der  vor- 
hergehenden Formel  auf  die  Temperatur  von  17,5°  C.  redu- 
cirt  wurden: 


Datum 

t 

Ä 

17,5°  C. 

1*81   II.  15 

17,1°  C. 

30°  28' 

57 

30°  28'  61" 

15 

17,1 

46 

50 

17 

16,8 

57 

63 

17 

16,7 

57 

64 

21 

19,0 

29 

13 

59,5 

21 

17,7 

28 

59 

57 

21 

17,0 

54 

49,5 

Mittel    30°  28'  58". 

Nahezu  denselben  Mittelwerth  erhält  man  aber  auch, 
wenn  man  aus  den  nicht  reducirten  Beobachtungen  für  fund  A 
das  Mittel  nimmt,  wie  wir  dies  bei  Bestimmung  der  Ablen- 
kung zu  thun  gezwungen  sind. 

III.  Bestimmung  der  Ablenkung.  Die  Bestimmung 
der  Ablenkung  für  die  verschiedenen  Fraunhofer'schen  Linien 
wurde  in  zwei  Theile  getheilt.  Zuerst  wurden  nur  die  Unter- 
schiede der  Ablenkungen  gegen  die«Linie  D  bestimmt,  und 
dann  erst  der  absolute  Werth  für  diese  Linie  ermittelt.  Da 
das  Prisma  doch  nicht  ganz  vollkommen  war,  so  war  es  näm- 
lich bei  Beobachtung  des  Spectrums  wünschenswerth,  das 
Beobachtungsfernrohr  ganz  wenig  zu  verstellen,  um  die 
grösste  Schärfe  der  Linien  zu  erzielen.  Nachdem  aber  das 
Fernrohr  etwas  verstellt  war,  konnte  es  nicht  mehr  zur  Be- 
stimmung des  absoluten  Werthes  der  Ablenkung  dienen. 
Dieser  konnte  aber  mit  unverstelltem  Fernrohre  und  mit 
Hülfe  der  Natriumflamme  unabhängig  von  der  Sonne  zu  be- 
liebiger Zeit  ermittelt  werden. 

Bei  den  nachfolgenden  Beobachtungen  über  die  Dis- 
persion wurde  also  die  erste  Prismenseite  nach  angegebener 


574 


V.  v.  Lang. 


Methode  senkrecht  zum  einfallenden  Lichtstrahle  gestellt 
Die  folgenden  Zahlen  sind  Mittel  aus  je  zwei  Beobachtungs- 
reihen, indem  das  Spectrum  einmal  vom  rothen  Ende  her, 
dann  umgekehrt  gemessen  wurde. 
Langsamere  Welle: 


1881.  IL  15 

II.  21 

n.  23 

Mittel 

17,0°  C. 

17,8 

17,7 

17,5 

a  .  .  . 

.  .    -21'  9" 

21'  7' 

21'  3" 

-21'  6" 

B   .  . 

17  11 

17  7 

17  2 

17  7 

C   .  . 

12  26 

12  17 

12  26 

12  23 

D  .  . 

0  0 

0  0 

0  0 

0  0 

E  .  . 

.  .    +16  5 

15  57 

16  4 

+  16  2 

F  .  . 

20  10 

29  06 

30  4 

30  3 

G   .  . 

57  0 

56  56 

56  43 

56  53. 

Schnellere  Welle: 

1881.  IL  15 

II.  21 

IL  23 

Mittel 

17,1°  C. 

17,8 

17,7 

17,5 

a  .  .  . 

.  .    -17'  33" 

17'  24" 

17'  34" 

-17'  20" 

B   .  . 

14  20 

14  18 

14  8 

14  15 

C   .  . 

10  25 

10  11 

10  20 

10  19 

D  .  . 

0  0 

0  0 

0  0 

0  0 

E  .  . 

.  .    -f-13  13 

13  23 

13  15 

13  17 

F  .  . 

25  3 

25  2 

24  51 

24  59 

G  .  . 

47  2 

47  8 

46  59 

46  3. 

Für  die  absoluten  Werthe  der  Ablenkung  der  Linie  D 
wurde  gefunden: 

t  langsamere  W.  schnellere  "VT. 

1881.  II.  17       17,0°  C.  28°  1'  31"  26°  0'  42" 

17       16,8  1    40  1  3 

21       19,0  0    33  0  7 

21       17,;  1    36  17 


Mittel  17,5 


28°  1'  20"     26°    0'  45' 


IV.  Berechnung  des  Brechungsquotienten.  Aus 
den  vorhergehenden  Beobachtungen  erhält  man  für  die  Ab- 
lenkungen A  der  einzelnen  Linien  und  für  die  daraus  fol- 
genden Werthe  der  Brechungsquotienten  n: 


Langsamere  Welle 


Sclinellere  Welle. 


A 

»i 

TU, 

a 

27° 

40' 

14" 

1,674  573 

a 

25° 

43' 

15" 

1,638  189 

B 

44 

13 

675  751 

B 

46 

30 

639  225 

C 

48 

57 

677  179 

C 

50 

26 

640  477 

B 

28 

1 

20 

680  900 

D 

26 

0 

45 

643  750 

E 

17 

22 

685  684 

E 

14 

2 

647  942 

F 

31 

23 

689  833 

F 

25 

44 

651  614 

G 

58 

13 

697  709 

G 

57 

46 

48 

658177 

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O.  Lubarsch. 


575 


Es  war  mir  im  Anschlüsse  an  frühere  Rechnungen1) 
von  Interesse,  zu  sehen,  wie  weit  auch  in  diesem  allgemeinen 
Falle  die  Cauchy'sche  Dispersionsformel  mit  Beibehaltung 
dreier  Glieder  die  Beobachtungen  darzustellen  im  Stande 
wäre.  Zur  Berechnung  verwandte  ich  wieder  die  von 
Ditscheiner  gegebenen  Werthe,  nur  für  die  Linie  a, 
welche  derselbe  leider  nicht  beobachtete,  benutzte  ich  die  von 
van  der  Willigen  gegebene  Zahl  0,718  957  u.  Die  Berech- 
nung der  Formel: 

n  =  a  +  p  +  j4 

mit  Hülfe  der  Methode  der  kleinsten  Quadrate  ergab  fol- 
gende Werthe  der  Constanten: 

langsamere  schnellere  Welle 

a  .  .  .    1,661  771  7  1,626  516  9 

.    0,006  583  450  0,006  102  143  ' 
.    0,000  016  652  30 


b 
c 


-0,000  040  397  80. 


Rechnet  man  mit  diesen  Constanten  die  Brechungsquotien- 
ten zurück,  so  erhält  man  folgende  Differenzen  zwischen  Be- 
obachtung und  Rechnung  (B—B),  wobei  dieselben  in  Ein- 
heiten der  sechsten  Decimale  ausgedrückt  sind: 


langsamere 

a  .  .  .  +  2,6 

B  .  .  .  -27,6 

C  .  .  .  4-29,8 

D  .  .  .  +40,5 


schnellere 

+  18,0 
-24,7 
+  7,9 
+  3,4 


W. 


langsamere 

E  .  .  .  +  4,7 
F  .  .  .  —  84,3 
G  .  .  .  +34,6 


schnellere  W. 
*  -12,4 

+  8,2 

-  0,6. 


Die  Uebereinstimmung  ist  den  vorstehenden  Zahlen  zu- 
folge von  derselben  Art,  wie  ich  sie  bei  der  Berechnung  der 
Beobachtungen  Fraunhofers  am  Flintglase  Nr.  23  und 
am  destillirten  Wasser  gefunden  habe. 


III.   Bemerkungen  xu  den  Arbeiten 
des  Herrn  Lamansky  über  Fluorescenx; 
von  Oscar  Lubarsch. 


Die  Polemik,  welche  Hr.  Lamansky  in  Paris  für 
die   allgemeine  Gültigkeit    des   Stokes'schen   Gesetzes  in 


1)  V.  v.  Lang,  Wien.  Bcr.  82.  p.  174.  1880. 


576 


O,  Lubarsch. 


Wied.  Ann.  fortführt1),  zwingt  mich,  seine  neuen  Versuche 
wiederum  einer  Kritik  zu  unterwerfen;  einmal,  weil  der  Ge- 
nannte meinen  Namen  bei  Gelegenheit  seiner  letzten  Notiz 
speciell  erwähnt,  und  dann,  weil  seine  Versuche  jedenfalls 
früher  angestellt  sind  als  die  letzten  von  Hrn.  Lommel  und 
mir  selbst  veröffentlichten. 

Was  zunächst  die  Bemerkungen  des  Hrn.  Lamansky 
über  meine  im  Aprilheft  1880  veröffentlichte  Abweisung 
seiner  Versuche  und  der  daraus  gezogenen  Folgerungen  be- 
trifft2), so  beschränkt  sich  Hr.  Lamansky  darauf,  gegen 
meine  Behauptung,  er  habe  bei  den  genannten  Versuchen  die 
Dicke  der  fluorescirenden  Schicht  nicht  berücksichtigt,  seine 
eigenen  Worte  anzuführen:  „Dans  mes  recherches,  j'ai  pris 
les  fluides  a  differents  etats  de  concentration  et  en  couches 
de  differentes  epaisseurs;  le  resultat  a  toujours  ete  le  meme." 
Ich  habe  allerdings  nie  daran  gezweifelt,  dass  Hr.  Lamansky 
mit  verschiedenen  Dicken  und  Concentrationsgraden  gear- 
beitet hat,  aber  über  die  wirkliche  Dicke  der  fluorescirenden 
Schicht  hat  er  gar  keine  Angaben  gemacht,  und  darauf 
kommt  es  hierbei  gerade  an,  weil  man  nur  dann  die  absor- 
birende  Wirkung  der  fluorescirenden  Flüssigkeit  auf  das 
ausstrahlende  Fluorescenzlicht  beurtheilen  könnte.  Ausser- 
dem war  meine  so  angefochtene  Behauptung  ja  nur  eine  von 
mir  selbst  als  nebensächlich  bezeichnete;  nebensächlich,  weil 
ich  damit  eben  nur  versuchte,  für  die  notorischen  Fehler  der 
von  Hrn.  Lamansky  erhaltenen  Resultate  eine  Erklärung 
zu  finden.  Auf  meinen  eigentlichen  Einwurf  aber,  nämlich 
die  Nachweisung  der  Fehler  selbst,  hat  Hr.  Lamansky  zu 
meinem  Bedauern  gar  kein  Wort  der  Erwiderung.  Ich  muss 
daher,  indem  ich  auf  die  Ausführungen  meines  damaligen 
Aufsatzes  verweise,  meine  dort  aüfgestellten  Behaup- 
tungen in  ihrem  ganzen  Umfange  aufrecht  erhalten. 
Was  die  neuere  Arbeit  des  Hrn.  Lamansky  angeht,  so  be- 
ginnt derselbe  damit,  dass  er  für  das  auf  die  fluorescirende 
Flüssigkeit  projicirte  Spectrum  den  von  Hagenbach,  Lom- 


1)  Lamansky,  Wied.  Aiin.  11.  p.  908.  1880. 

2)  Lubarsch,  Wied.  Ann.  9.  p.  665.  1880. 


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O.  Lubarsch.  577 


mel  und  mir  selbst  im  Einverständniss  angenommenen 
Namen  „fluorescirendes  Spectrum"  verwirft  und  statt  dessen 
„Fluorescenzspectrum"  setzt,  also  die  Benennung,  welche  wir 
dem  Spectrum  des  Fluorescenzlichtes  (dem  „derivirten*  Spec- 
trum von  Stokes)  gaben.  Die  Behauptung  ferner,  dass  die 
in  einem  Glasgefäss  beobachtete  Flüssigkeit  die  Erschei- 
nungen nicht  in  derjenigen  reinen  Form  zeige,  wie  die 
Methode  des  Hrn.  Lamansky,  ist  unrichtig;  denn  diese 
Methode  zeigt,  wie  wir  in  der  früheren  Arbeit  gesehen  haben 
und  weiter  unten  wieder  sehen  werden,  die  Erscheinungen 
in  einem  getrübten  Zustande.  Weiterhin  gibt  Hr.  La- 
mansky an,  „jedes  Fluorescenzspectrum  (fluorescirendes 
Spectrum)  wäre  vollkommen  einfarbig  und  hätte  eine  be- 
stimmte, für  das  Fluorescenzlicht  des  betreffenden  Körpers 
charakteristische  Farbe."  Dies  ist  nach  den  Beobachtungen 
von  Lommel  und  von  mir  selbst  falsch  und  bezieht  sich 
bekanntlich  nur  auf  die  von  der  Stokes'schen  Regel  abwei- 
chenden Körper,  nicht  aber  auf  die  Mehrzahl  der  fluoresci- 
renden  Substanzen,  welche  jener  Regel  folgen.  Hx.  La- 
mansky hat  sicher  nicht  überlegt,  dass,  wenn  seine  Beob- 
achtung wirklich  richtig  wäre,  dieselbe  gerade  gegen  das 
Stokes'sche  Gesetz  sprechen  würde;  denn  dieses  verlangt  ja 
gerade  abweichende  Färbung  des  fluorescirenden 
Spectrums  in  dem  am  wenigsten  brechbaren  Theile 
desselben.  Die  weitere  Beobachtung,  dass  das  fluoresci- 
rende  Spectrum,  von  der  Seite  betrachtet,  treppenartig 
aussieht,  d.  h.  dass^  die  verschiedenen  Spectralfarben  ver- 
schieden tief  in  die  fluorescirende  Flüssigkeit  eindringen, 
ist  durchaus  nicht  neu.  Diese  Erscheinung  ist  schon  von 
Stokes  in  seiner  ersten  Untersuchung:  „Ueber  die  Verände- 
rung der  Brechbarkeit  des  Lichtes"  angegeben  und  von 
sämmtlichen  späteren  Beobachtern  besprochen  worden.  Hr. 
Lamansky  sagt  aber  noch  an  dieser  Stelle:  „Die  Strahlen 
von  kleiner  Wellenlänge  (soll  wohl  heissen:  die  von  Strahlen 
kleiner  Wellenlänge  erregten  Strahlen)  kommen  aus  grösse- 
rer Tiefe  als  die  Strahlen  von  grösserer  Wellenlänge."  Diese 
Angabe  zeigt,  dass  Hr.  Lamansky  noch  weit  von  einer 
richtigen  Vorstellung  über  das  Wesen  des  vorliegenden  Vor- 

Ann.  <L  Phjs.  u.  Chem.  N.  F.  XIV.  37 


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578 


O.  Lubarsch. 


ganges  entfernt  ist;  denn  es  ist  allgemein  bekannt,  dass  das 
stärkere  oder  schwächere  Eindringen  des  erregenden  Lichtes 
in  die  fluorescirende  Flüssigkeit  nur  von  der  Absorptions- 
fähigkeit derselben  für  die  betreffenden  Strahlen,  nicht  aber 
von  der  Wellenlänge  an  sich  abhängt,  dass  also  z.  B.  die 
am  stärksten  absorbirten  Strahlen  fast  gar  nicht,  dagegen 
die  ihnen  zu  beiden  Seiten  benachbarten  stärker  eindringen. 
Das  treppenartige  Aussehen  des  fluorescirenden  Spectrums 
entgeht  dem  Beobachter  auch  durchaus  nicht,  wie  Hr.  La- 
mansky  meint,  wenn  man  das  Spectrum,  statt  auf  die  freie 
Oberfläche,  auf  eine  Glaswand  projicirt,  hinter  der  die  Flüs- 
sigkeit sich  befindet;  schon  Stokes  hat  die  vorliegende 
Erscheinung  gerade  auf  diese  Art  beobachtet.1) 

Die  nun  folgenden  Angaben  über  den  Beginn  der  Fluo- 
rescenz  im  reinen  Spectrum  für  Magdalaroth,  Fluorescein  und 
Eosin  sind  zu  wenig  präcise  gegeben;  ferner  ist  eine  Anwen- 
dung des  Glan'schen  Photometers  zur  Bestimmung  der  Maxinia 
im  fluorescirenden  Spectrum  wohl  nicht  nöthig,  weil  dieselben 
von  früheren  Beobachtern  bereits  öfters  bestimmt  sind,  und 
ihre  Beziehung  zu  den  Absorptionsmaximis  ja  genügend  be- 
kannt ist. 

Hinsichtlich  der  Behauptung,  dass  „die  Dicke  der  Schicht 
oder  die  Concentration  der  Flüssigkeit  einen  wesentlichen 
Einflu8s  auf  die  Ausdehnung  der  Fluorescenzspectra  nicht 
hat,"  möchte  ich  auf  die  einschlägigen  Ausführungen  von 
Lommel2)  verweisen. 

Es  folgen  sodann  die  numerischen,  Angaben  über  die 
Grenzen  der  „Fluorescenzspectra"  (dieser  Name  also  hier 
wieder  im  ursprünglichen  Sinne)  von  Magdalaroth,  Fluorescein 
und  Eosin.  Ich  habe  dieselben  der  Einfachheit  wegen  auf 
die  Bunsen'sche  Scala  reducirt  und  finde  demnach  bei  Hrn. 
Lamansky: 

Magdalaroth  .    40  —  53 
Fluorescein     .    53  —  82 
  Eosin  ....    47  —  69 

1)  Stokes,  Pogg.  Ann.  Ergbd.  4.  p.  225.  §  59  u.  60.  1852. 

2)  Lommel,  Pogg.  Ann.  IttO.  p.  82.  1877  u.  Wied.  Ann.  10.  p.  634. 
1880. 


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O.  Lubarsch. 


579 


Dagegen  haben  sämmtliche  frühere  Forscher  gefunden: 

Magdalaroth  .  28  —  57 
Fluoresce'in  .30  —  86 
Eosin     ...    28  — 76. 

Hieraus  folgt  also,  dass,  wenn  auch  die  Fehler,  die  Hr.  La- 
mansky bei  der  vorliegenden  Arbeit  gemacht  hat,  etwas 
weniger  hervortreten  als  die  in  seiner  früheren  Abhandlung 
vorkommenden,  seine  Angaben  für  feinere  Unter- 
suchungen doch  noch  nicht  genügen  können.  Hin- 
sichtlich der  Gründe  der  neuen  Fehler  verweise  ich  auf  das 
in  meiner  früheren  Arbeit  darüber  gesagte.  Jedenfalls  zeigen 
aber  die  fehlerhaften  Resultate,  dass  auch  die  neue  Methode 
(entgegen  der  Ansicht,  die  Hr.  Lamansky  selbst  ausphcht) 
an  denselben  Mängeln  krankt,  wie  seine  frühere. 

Die  Versuche  endlich,  welche  Hr.  Lamansky  anstellt, 
um  die  allgemeine  Gültigkeit  der  Stokes'schen  Regel  zu  be- 
weisen, haben  den  grossen  Fehler,  dass  die  Voraussetzungen 
derselben  eine  Ausnahme  von  dem  genannten  Gesetze  von 
vornherein  ausschliessen. 

Wenn  man  nämlich  beweisen  will,  dass,  wie  Stokes 
selbst  sich  ausdrückt,  „die  Brechbarkeit  des  erregenden 
Lichtes  stets  die  obere  Grenze  bilde  für  die  des  erregten",  so 
muss  man  doch  vor  allen  Dingen  dafür  sorgen,  dass  das 
Gegentheil,  nämlich  eine  etwaige  Erhöhung  der  Brechbar- 
keit, auch  möglich  ist;  man  muss  also  das  erregende  Licht 
so  wählen,  dass  seine  Brechbarkeit  kleiner  ist,  als  die 
überhaupt  mögliche  höchste  Brechbarkeit  des  durch 
Sonnenlicht  hervorgerufenen  Fluorescenzlich  tes. 
Nur  in  diesem  Falle,  d.  h.  wenn  das  erregende  Licht  dem 
kritischen  Gebiete  zwischen  der  Anfangsstelle  im  fluoresci- 
renden  Spectrum  und  der  obersten  Grenze  des  typischen 
Fluorescenzspectrums  (derivirten  Spectrums)  angehört,  kann 
man  über  die  vorliegende  Frage  entscheiden.  "Wer  dagegen 
zu  diesen  Versuchen  Licht  anwendet,  dessen  Brechbarkeit 
grösser  ist  als  die  der  angegebenen  Grenze,  darf  sich  nicht 
wundern,  wenn  das  Fluorescenzlicht  stets  weniger  brechbare 
Bestandtheile  zeigt.  Hr.  Lommel  hat  auch  in  einer  äusserst 

37* 


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580  O.  Lubarsck. 

klaren  Auseinandersetzung1),  welche  noch  dazu  gerade  gegen 
eine  Arbeit  des  Hrn.  Lamansky2)  gerichtet  war,  auf 
den  eben  erwähnten  Umstand  aufmerksam  gemacht.  Trotz- 
dem gebraucht  Hr.  Lamansky  durchweg  nur  erregendes 
Licht,  dessen  Brechbarkeit  grösser  ist  als  die  der 
brechbarstenStrahlen  des  entsprechenden  typischen 
Fluorescenzspectrums  und  schliesst  trotzdem  aus  den 
erhaltenen  Resultaten  ohne  weiteres,  dass  das  Stokes'sche 
Gesetz  allgemein  richtig  sei.  Es  ist  gar  nicht  nöthig,  dass 
ich  hier  alle  Zahlen  der  einschlägigen  Tabelle8)  in  Bunsen'- 
sche  Grade  umrechne;  es  genügt  anzugeben,  dass  beim 
Fluorescein  die  oberen  Grenzen  des  erregenden  Lichtes 
zwischen  138  und  250  der  Lamansky'schen  Scala  schwanken, 
während  Hr.  Lamansky  selbst  vorher  138  als  obere  Grenze 
des  typischen  Fluorescenzspectrums  angibt;  dass  ferner  beim 
Magdalaroth  das  erregende  Licht  die  oberen  Grenzen  112 
bis  250,  beim  Eosin  141  bis  243  innehält,  während  die  obere 
Grenze  des  zugehörigen  typischen  Fluorescenzspectrums  dort 
54,  hier  103  ist.  Man  sieht  also,  dass  Hr.  Lamansky  das 
von  Lommel  ihm  gegenüber  betonte,  hier  allein  zur  Sprache 
kommende  kritische  Gebiet  des  Spectrums  gar  nicht  einmal 
in  Betracht  gezogen  hat  ;  er  schliesst  bei  seiner  Untersuchung 
die  Möglichkeit  einer  Ausnahme  von  dem  Gesetze, 
dessen  Richtigkeit  er  beweisen  will,  von  vornherein  aus. 

Auch  die  neuen  Versuche  des  Hrn.  Lamansky  bewei- 
sen demnach  für  oder  gegen  die  allgemeine  Gültigkeit  der 
Stokes'schen  Regel  gar  nichts;  ich  muss  zu  meinem  Be- 
dauern auch  an  diesem  Orte  den  Vorwurf  wiederholen,  den 
ich  ihm  am  Ende  meiner  früheren  Arbeit  gemacht  hatte. 

Berlin,  im  September  1881. 

1)  Lominel,  Wied.  Ann.  8.  p.  247.  1879. 

2)  Lamansky,  Compt.  rend.  86.  p.  1192.  1879. 

3)  Vgl.  I  c.  p.  912. 


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H.  R.  Hertz. 


581 


IV.   Obere  Grenze  für  die  Mnetische  Energie  der 
bewegten  Meetricität;  von  JET.  B.  Hertz. 


In  einer  früheren  Arbeit *)  habe  ich  aus  Versuchen  über 
die  Intensität  von  Extraströmen  die  Folgerung  ziehen  können, 
dass  die  kinetische  Energie  der  electrischen  Strömung  von 
der  magnetischen  Dichte  1  in  einem  kupfernen  Leiter  kleiner 
sei  als  0,008  mg  mm2/sec2.  Diese  Folgerung  konnte  indessen 
nur  unter  der  Voraussetzung  gezogen  werden,  dass  eine  ge- 
wisse Beziehung  zwischen  dem  specifischen  Widerstande  der 
Metalle  und  der  Dichte  der  Electricität  in  ihnen  nicht  be- 
stehe. In  der  vorliegenden  Arbeit  will  ich  einen  Versuch 
beschreiben,  den  ich  gleichfalls  in  der  Absicht,  eine  kine- 
tische Energie  der  Strömung  nachzuweisen,  und  gleichfalls 
mit  negativem  Resultate  angestellt  habe,  welcher  aber  vor 
den  früheren  Versuchen  die  Vortheile  bietet,  erstens  directer 
zu  sein,  zweitens  einen  kleineren  Werth  für  die  obere  Grenze 
zu  liefern,  und  drittens,  diesen  Werth  ohne  weitere  Be- 
schränkung zu  ergeben. 

Es  sei  eine  dünne  Metallplatte  von  der  in  Taf.  V  Fig.  2 
dargestellten  Form  zwischen  den  Electroden  A  und  B  durch- 
flössen von  einem  Strome  von  möglichst  grosser  Dichtigkeit, 
es  seien  ferner  die  Punkte  C  und  D  mit  einem  feinen  Gal- 
vanometer verbunden  und  das  System  so  regulirt,  dass  kein 
Strom  das  Galvanometer  durchfliesst.  Wird  nun  die  Platte 
um  eine  durch  ihren  Mittelpunkt  gehende,  zu  ihrer  Ebene 
senkrechte  Axe  in  Rotation  versetzt,  so  muss,  falls  sich  die 
Electricität  mit  träger  Masse  bewegt,  die  Strömung  von 
der  Richtung  AB  seitlich  abzuweichen  bestrebt  sein,  aus 
derselben  mechanischen  Ursache,  welche  auf  der  rotirenden 
Erde  die  Passatwinde  von  der  Richtung  des  Meridians  ab- 
weichen lässt.  Die  Folge  dieses  Bestrebens  ist  eine  Poten- 
tialdifferenz zwischen  den  Punkten  C  und  D  oder  ein  Strom 
im  Galvanometer.  Dieser  Strom  muss  seine  Richtung  ändern 
mit  der  Richtung  der  Drehung;  ist  diese  Richtung  die  des 


1)  H.  R.  Hertz,  Wied.  Ann.  10.  p.  414.  1880. 


582 


//.  R.  Hertz. 


Uhrzeigers,  und  geht  gleichzeitig  der  Strom  in  der  Platte 
von  A  nach  B,  so  muss  er  die  Galvanometerleitung  ausser- 
halb der  Platte  von  D  nach  C  durchfliessen,  wie  es  die 
Pfeile  andeuten. 

Qualitativ  muss  die  genannte  "Wirkung  eintreten,  welches 
auch  die  Natur  des  galvanischen  Stromes  ist,  vorausgesetzt 
nur,  dass  mit  demselben  eine  solche  Bewegung  träger  Masse 
verbunden  ist,  welche  mit  der  Richtung  des  Stromes  ihre 
eigene  Richtung  ändert.  Die  Schwierigkeit  des  Versuchs 
besteht  in  der  Herstellung  von  vier  hinreichend  sicheren 
und  ruhigen  Zuleitungen  bei  schneller  Rotation;  diese  Schwie- 
rigkeit habe  ich  so  weit  überwunden,  dass  gleichzeitig  eins 
der  feinsten  Galvanometer,  eine  Geschwindigkeit  von  30  Um- 
drehungen in  der  Secunde  und  eine  Potentialdifferenz  von 
1  Daniell  zwischen  A  und  B  benutzt  werden  konnte.  Dabei 
war  eine  Ablenkung  der  Nadel,  welche  einer  trägen  Masse 
entsprechen  würde,  nicht  nachzuweisen;  lege  ich  die  Weber'- 
sche  Anschauung  zu  Grunde,  so  kann  ich  mittelst  der  unten 
angegebenen  Betrachtung  aus  meinen  Versuchen  die  Folge- 
rung ziehen,  dass  die  kinetische  Energie  a  einer  Strömung 
von  der  magnetischen  Dichte  1  in  einem  Cubikmillimeter 
eines  silbernen  Leiters  die  Grösse  von  0,00002  mg  mm2/sec! 
nicht  wesentlich  überschreiten  kann. 

In  Bezug  auf  die  Ausführung  des  Versuchs  ist  das  Fol- 
gende zu  erwähnen.  Als  Metallplatte  wählte  ich  die  Bele- 
gung einer  nach  dem  Liebig'schen  Verfahren  versilberten 
Glasplatte,  die  Form  derselben  ist  in  Fig.  2  Taf.  V  darge- 
stellt, die  Entfernung  AB  betrug  etwa  45  mm,  die  Entfer- 
nung CD  25  mm.  Die  Zuleitungsdrähte  waren  zunächst  an 
Platinplättchen  angelöthet,  diese  wurden  mittelst  kleiner 
Schrauben,  die  das  Glas  durchsetzten,  gegen  die  Belegung 
angepresst;  um  eine  gleichmässigere  Berührung  zu  erzielen, 
war  zwischen  die  Belegung  und  die  Plättchen  eine  Schicht 
Goldschaum  gebracht.  Der  electrische  Widerstand  war  an- 
fangs gleich  5,4  S.-E.  in  der  Richtung  AB  und  gleich  3,5  S.-E- 
in  der  Richtung  CD,  aus  unbekannten  Gründen  nahmen 
diese  Widerstände  mit  der  Zeit  ab  und  wurden  nach  einigen 
Wochen  resp.  gleich  4,8  S.-E.  und  3,1  S.-E.  gefunden.  Aus 


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H.  R  Hertz. 


583 


dem  Verhältniss  dieser  Widerstände  und  aus  besonderen 
Versuchen  war  zu  ersehen,  dass  der  Uebergangswiderstand 
an  den  Zuleitungen  keinen  wesentlichen  Theil  des  gesamm- 
ten  Widerstandes  bildete.  Die  Eegulirung  des  Systems  zu 
dem  Zwecke,  die  Nadel  auf  Null  zu  bringen,  geschah  zu- 
nächst durch  Abschaben  des  Silbers  an  einzelnen  Stellen 
des  Bandes;  da  indessen  eine  dauernde  Abgleichung  von  hin- 
reichender Schärfe  aus  verschiedenen  Ursachen  unmöglich 
war,  so  schaltete  ich  zwischen  A  und  C  und  zwischen  C  und 
B  Zweigleitungen  von  einigen  Hundert  S.-E.  Widerstand  ein, 
durch  deren  Abgleichung  die  Nadel  jederzeit,  so  weit  es 
überhaupt  wünschenswerth  schien,  auf  Null  zurückgeführt 
werden  konnte. 

Um  eine  geschwinde  Rotation  der  Glasplatte  zu  ermög- 
lichen, war  dieselbe  auf  einer  Messingscheibe  befestigt,  die 
belegte  Fläche  war  der  Scheibe  zugekehrt  und  nur  durch 
eine  möglichst  dünne  Luftschicht  von  derselben  getrennt. 
Die  Scheibe  ihrerseits  bildete  das  eine  Ende  einer  horizon- 
talen stählernen  Axe,  die  in  zwei  Lagern  so  befestigt  war, 
dass  ihre  beiden  Enden  zugänglich  blieben.  Die  Zuleitung 
zum  Galvanometer  fand  unmittelbar  an  der  Glasplatte  statt, 
die  Zuleitung  zur  stromgebenden  Kette  am  anderen  Ende 
der  Axe,  die  Leitungen  von  hier  bis  zu  den  Punkten  A  und 
B  waren  gebildet  durch  die  Axe  selbst  und  durch  einen  in 
einer  Durchbohrung  der  Axe  liegenden  Draht.  Die  Vor- 
richtung, durch  welche  auf  jedem  Ende  der  letzte  Ueber- 
gang  von  den  bewegten  zu  den  ruhenden  Theilen  vermittelt 
wurde,  ist  in  Fig.  3  Taf.  V  dargestellt.  Durch  ein  genau 
centrirtes  Stück  einer  sehr  dünn  ausgezogenen  Glasröhre  ist 
ein  feiner  Platindraht  geführt,  ein  zweiter  Platindraht  ist 
um  die  Glasröhre  herumgeschlungen,  die  ßöhre  mit  den 
Drähten  durchsetzt  ein  Quecksilbergefäss  und  mündet  in 
einem  zweiten  derart,  dass  in  dem  Quecksilber  des  letzteren 
der  erstgenannte  und  im  Quecksilber  des  ersteren  der  letzt- 
genannte Draht  rotirt.  Das  Glasröhrchen  war  mittelst 
Siegellacks  auf  der  einen  Seite  der  Axe  gegen  die  Glasplatte, 
auf  der  anderen  an  der  Axe  selbst  befestigt.  Da  der  Durch- 
messer der  Windungen  des  Drahtes  B  nur  ungefähr  1/2mm 


584 


H.  R.  Hertz, 


betrug,  80  bewegte  sich  das  Platin  gegen  das  umgebende 
Quecksilber  auch  bei  einer  Rotationsgeschwindigkeit  von  100 
Umdrehungen  in  der  Secunde  nur  mit  einer  Geschwindigkeit 
von  160  mm/sec.  Der  Erfolg  war  ein  guter,  denn  auch  bei 
der  genannten  Geschwindigkeit  zeigte  sich  kein  Uebergangs- 
widerstand,  und  die  durch  Erwärmung  erzeugten  Störungen 
waren  eben  wahrnehmbar  und  klein  gegen  andere  unvermeid- 
liche. Die  Rotation  wurde  der  Axe  mitgetheilt  durch  einen 
Schnurlauf,  welcher  sie  mit  der  schnellsten  Axe  eines 
Becquererschen  Phosphoroskops  verband,  sodass  sie  doppelt 
so  schnell  als  jene  lief.  Die  Kurbel  des  Phosphoroskops 
wurde  mit  der  Hand  gedreht,  einer  Umdrehung  derselben 
entsprachen  290  Umdrehungen  der  Axe.  Da  die  ganze  Vor- 
richtung so  leicht  als  möglich  gebaut  war,  konnten  auch 
grosse  Geschwindigkeiten  schnell  erzeugt  und  wieder  aufge- 
hoben werden.  Das  angewandte  Galvanometer  war  ein  Sie- 
mens'sches  mit  einem  astatischen  Systeme  von  zwei  Glocken- 
magneten und  vier  Rollen  von  zusammen  ca.  7  S.-E.  Wider- 
stand. Die  Astasie  konnte  durch  äussere  Magnete  beliebig 
weit  getrieben  werden,  bei  den  definitiven  Versuchen  war  die 
Empfindlichkeit  eine  solche,  dass  einer  Potentialdifferenz  von 
ein  Milliontel  Daniell  an  den  Punkten  D  und  C  ein  Aus- 
schlag von  32  Scalentheilen  entsprach.  Dabei  war  die  Be- 
wegung der  Nadel  aperiodisch,  eine  neue  Ruhelage  nahm 
dieselbe  nach  etwa  8  Secunden  mit  einer  für  die  vorliegen- 
den Versuche  hinreichenden  Genauigkeit  an.  Der  Strom 
wurde  geliefert  durch  ein  Daniell'sches  Element  und  mittelst 
einer  gewöhnlichen  Tangentenbussole  gemessen.  In  die  Lei- 
tung zum  Galvanometer  und  zur  Kette  war  je  ein  Conimu- 
tator  eingeschaltet. 

Nachdem  der  Strom  so  lange  durch  die  Platte  geleitet 
war,  dass  eine  weitere  Erwärmung  derselben  nicht  stattfand, 
wurde  mittelst  der  äusseren  Widerstände  zwischen  A,  C  und 
B  die  Nadel  des  Galvanometers  nahezu  in  ihre  natürliche 
Ruhelage  gebracht.  Es  wurde  sodann  der  Kurbel  des  Phos- 
phoroskops eine  möglichst  gleichmässige  einmalige  Um- 
drehung ertheilt,  die  im  Durchschnitt  8—9  Secunden  erfor- 
derte und  durch  eine  automatische  Arretirung  ihr  Ende 


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H.  R.  Hertz. 


585 


erreichte.  Dabei  wich  die  Nadel  im  allgemeinen  von  der 
Ruhelage  aus,  ihre  Stellung  zu  Ende  der  Rotation  wurde 
notirt.  Nach  Aufhören  der  Rotation  ging  indessen  die  Nadel 
fast  nie  in  die  ursprüngliche  Ruhelage  zurück,  sondern  in 
eine  neue  Ruhelage  über,  die,  sobald  sie  erreicht  war,  nach 
etwa  6 — 8  Secunden  gleichfalls  abgelesen  wurde.  Den  Ab- 
stand derselben  von  der  ursprünglichen  will  ich  den  dauern- 
den Ausschlag  nennen;  unter  augenblicklichem  Ausschlag 
soll  verstanden  sein  der  Abstand  der  Stellung  der  Nadel  zu 
Ende  der  Rotation  vom  Mittel  zwischen  der  ursprünglichen 
und  der  schliesslichen  Ruhelage.  Den  augenblicklichen  Aus- 
schlag wollen  wir  ansehen  als  Maass  desjenigen  Stromes, 
dessen  Ursachen  nur  während  der  Rotation  wirken,  wie  z.  B. 
der  Einfluss  träger  Masse;  während  der  dauernde  Ausschlag 
den  nach  Beendigung  der  Rotation  noch  andauernden  Stö- 
rungen zugeschrieben  werde.  Anspruch  auf  Genauigkeit 
hätte  diese  Rechnungs weise  nur  dann,  wenn  die  Rotation 
eine  gleichförmige  und  der  dauernde  Ausschlag  klein  wäre, 
was  beides  in  den  Versuchen  nicht  zutraf,  indessen  waren 
die  Störungen  zu  mannichfaltig  und  die  Ausschläge  zu  un- 
regelmässig, als  dass  eine  nähere  Discussion  möglich  ge- 
wesen wäre. 

Schon  die  ersten  Versuche  zeigten  nun,  dass  ein  Einfluss 
träger  Masse,  welcher  die  unvermeidlichen  Störungen  bedeu- 
tend überwöge,  jedenfalls  nicht  vorhanden  war.  Um  einen 
solchen  dennoch  nachzuweisen,  resp.  einen  möglichst  kleinen 
Werth  der  oberen  Grenze  zu  finden,  stellte  ich  immer  einen 
Satz  von  acht  Beobachtungen  zusammen,  bei  welchen  die 
Richtung  der  Drehung  von  Beobachtung  zu  Beobachtung, 
die  Richtung  der  Leitung  zum  Galvanometer  von  je  zwei  zu 
zwei  Beobachtungen,  endlich  die  Richtung  des  Stromes  in 
der  Platte  von  den  vier  ersten  gegen  die  vier  letzten  Beob- 
achtungen abwechselte.  Ein  solches  System  von  acht  Beob- 
achtungen will  ich  einen  Versuch  nennen.  Durch  passende 
Combination  der  Beobachtungen  Hess  sich  nun  für  jeden 
Versuch  die  mittlere  Wirkung  der  einzelnen  störenden  Ur- 
sachen berechnen.  Es  musste  sich  nämlich  in  den  Aus- 
schlägen vorfinden  und  aus  denselben  eliminiren  lassen: 


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H.  R.  Hertz, 


1)  ein  Theil,  welcher  sein  Vorzeichen  ändert  nur  mit 
der  Umschaltung  der  Leitung  zum  Galvanometer,  nicht  mit 
der  Richtung  der  Drehung  oder  der  Leitung  zur  Kette. 
Derselbe  konnte  seinen  Ursprung  nur  in  einer  durch  die 
schnelle  Rotation  erzeugten  electromotorischen  Kraft  in  der 
Contactstelle  zur  Galvanometerleitung  haben.  Insofern  diese 
Kraft  eine  thermoelectrische  war,  musste  der  entsprechende 
Ausschlag  ein  dauernder  sein; 

2)  ein  Theil,  dessen  Zeichen  abhing  von  der  Richtung 
der  Leitung  zum  Galvanometer  und  zur  Kette,  hingegen 
nicht  von  der  Richtung  der  Drehung.  Derselbe  konnte  ver- 
schiedene Ursachen  haben: 

a)  die  Spannung  der  Platte  infolge  der  beträchtlichen 
Gentrifugalkraft,  die  Wirkung  kann  nur  im  augenblicklichen 
Ausschlage  erscheinen; 

b)  eine  gleichmässige  Temperaturänderung  der  ganzen 
Platte  infolge  der  Rotation,  die  Wirkung  erscheint  im  dauern- 
den Ausschlag; 

c)  eine  Aenderung  der  Verhältnisse  der  Widerstände 
AC/BC  und  AD j  BD  während  der  Dauer  der  Beobachtung 
aus  anderweitigen  Ursachen.  In  der  That  änderte  sich  die 
Ruhelage  der  Nadel,  auch  wenn  keine  Rotation  stattfand, 
langsam,  aber  stetig  und  stark  genug,  dass  der  dadurch  ver- 
ursachte Fehler  von  der  Ordnung  der  übrigen  war.  Die 
Wirkung  macht  sich  im  dauernden  Ausschlag  geltend. 

3)  ein  Theil,  dessen  Vorzeichen  ausser  von  den  Richtungen 
der  Leitungen  auch  von  der  Richtung  der  Rotation  ab- 
hängt: 

a)  käme  im  augenblicklichen  Ausschlag  ein  solcher  Theil 
vor,  so  wäre  für  denselben  wohl  keine  andere  Ursache  an- 
zugeben, als  eine  Trägheit  der  bewegten  Electricität; 

b)  im  dauernden  Ausschlag  kann  ein  solcher  Theil  da- 
durch entstehen,  dass  bei  der  Rotation  zwei  diagonal  gegen- 
über liegende  Zweige  der  Brücke  vorangehen,  zwei  andere 
folgen,  erstere  sich  also  infolge  des  Luftzugs  stärker  als  letztere 
abkühlen.  Da  die  leitende  8ilber schient  der  Messingscheibe 
sehr  dicht  anlag,  hatte  ich  eine  solche  Wirkung  nicht  vermuthet* 
sie  zeigte  sich  aber  zunächst  sehr  stark  und  war  um  so 


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H.  R.  Hertz. 

V 


587 


unbequemer,  als  sie  sich  von  der  Wirkung  einer  trägen 
Masse  nur  durch  ihr  Andauern  nach  beendigter  Rotation 
unterschied.  Indem  ich  die  Platte  und  Messingscheibe  mit 
Baumwolle  und  einer  Papiertrommel  umgab,  verminderte  ich 
die  Störung  beträchtlich,  eine  weitere  Verminderung  trat 
ein,  als  ich  das  Innere  der  Papiertrommel  durch  einen  der- 
selben gegebenen  Paraffinüberzug  hermetisch  abschloss.  Ganz 
blieb  diese  Störung  eigentümlicherweise  auch  so  nicht  aus. 

Von  den  beschriebenen  Versuchen  habe  ich  zwei  Reihen 
zu  je  20  Versuchen  angestellt.    Dieselben  unterschieden 
sich  durch  die  Intensität  des  angewandten  Stromes,  die 
Empfindlichkeit  des  Galvanometers  und  vorzüglich  dadurch, 
dass  bei  der  ersteren  der  erwähnte  Paraffinüberzug  noch 
fehlte.  Die  zweite  war  bei  weitem  die  bessere  und  soll  daher 
nur  von  ihr  die  Rede  sein.   Auf  sie  bezieht  sich  die  An- 
gabe, die  oben  über  die  Empfindlichkeit  des  Galvanometers 
gemacht  ist.    Die  Intensität  des  Stromes  betrug  im  magne- 
tischen Maasse  1,17  mg1/«  mm1»/  sec;  die  Rotationsgeschwin- 
digkeit nach  dem  obigen  durchschnittlich  290/872  =  34  Um- 
drehungen in  der  Secunde.    Der  Ausschlag  des  Galvano- 
meters am  Ende  der  Drehung  betrug  im  Mittel  10  bis  15 
Scalentheile  und  änderte  sich  in  den  folgenden  Secunden 
meist  nur  um  wenige  Scalentheile.  Der  grösste  Theil  dieses 
Ausschlags  entsprach  den  nicht  mehr  zu  trennenden  Ursachen 
2  b)  und  2  c);  die  Wirkung  der  Störungen  1)  und  3  b)  ergab 
sich  etwa  zu  2  bis  4  Scalentheilen,  die  Störung  2  a)  war 
klein.   Die  Brauchbarkeit  der  Methode  zeigte  sich  darin, 
dass  die  einzelnen  Störungen  aus  allen  Versuchen  fast  aus- 
nahmslos mit  gleichen  Zeichen  und  von  gleicher  Grössen- 
ordnung  gefunden  wurden.    Die  20  Werthe,  welche  für  den 
unter  3  a)  angeführten  Theil  des  Ausschlags  erhalten  wurden, 
sind  in  Scalentheilen  die  folgenden: 

+3,6,  -1,0,  -0,0,  -2,7,  -1,1,  +0,1,  -0,6, 
+0,8,  -1,1,  +0,2,  -0,4,  +0,5,  +0,7,  +0,5, 
+  0,8,    +1,2,    +1,1,    +0,7,    +0,6,  +0,7. 

Das  Mittel  dieser  Werthe  ist  +0,23.  Die  Abweichung 
von  Null  ist  etwas  grösser  als  der  wahrscheinliche  Fehler 


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H.  R.  Hertz. 


des  Resultates,  indessen  dürfte  die  Ursache  der  Abweichung 
eher  in  der  bis  zu  einem  gewissen  Grade  willkürlichen  Be- 
rechnung des  augenblicklichen  Ausschlags,  als  in  einer  phy- 
sikalischen Ursache  zu  finden  sein.  Der  Einfluss  einer  trägen 
Masse  musste  nach  den  Umständen  des  Versuchs  und  den 
benutzten  Vorzeichen  einen  negativen  Ausschlag  zur  Folge 
haben,  ein  solcher  Einfluss  war  also  durchaus  nicht  nachzu- 
weisen. Setzt  man  den  constanten  Ausschlag  von  0,23  auf 
Rechnung  einer  anderen  Ursache  und  berechnet  die  Fehler 
der  Versuche  von  Null  an,  so  ergibt  sich  immer  noch  eine 
Wahrscheinlichkeit  von  14  gegen  1,  dass  kein  Ausschlag 
grösser  als  lji  Sealentheil,  und  von  3480  gegen  1,  dass  kein 
Ausschlag  grösser  als  1  Sealentheil  vorhanden  war,  der 
einer  trägen  Masse  hätte  zugeschrieben  werden  können. 

Bei  der  Berechnung  der  Versuche  unter  Zugrundelegung 
der  Weber'schen  Hypothese  mache  ich  der  Einfachheit  halber 
die  Annahme,  dass  die  Masse  einer  positiven  Einheit  gleich 
der  Masse  einer  negativen  Einheit  sei,  und  dass  im  electri- 
schen  Strome  beide  Electricitäten  mit  entgegengesetzt  gleicher 
Geschwindigkeit  fliessen.  Es  sei  m  die  Masse  der  electro- 
statischen  Einheit,  w  die  Geschwindigkeit,  mit  welcher  sie 
gezwungen  ist,  sich  in  der  Axe  der  Platte  AB  oder  in  einer 
dieser  Axe  parallelen  Geraden  zu  bewegen,  <w  die  Rotations- 
geschwindigkeit der  Platte.  Dann  ist  die  aus  der  Rotation 
entspringende  scheinbare  Kraft,  welche  auf  die  Einheit  senk- 
recht zur  Bahn  derselben  wirkt,  gleich  2m»w  +  C,  wenn  C 
die  dem  Orte  der  Einheit  entsprechende  Componente  der 
Centrifugalkraft  ist.  Die  entgegengesetzte  Einheit,  welche 
sich  am  gleichen  Orte  befindet,  erleidet  in  gleicher  Richtung 
die  Kraft  —  2mvo  +  C.  Die  Summe  beider  Kräfte  2C 
stellt  eine  ponderomotorische  Kraft  dar,  nämlich  diejenige 
Zunahme  der  auf  die  Masse  des  Leiters  wirkenden  Centri- 
fugalkraft, welche  aus  der  Vermehrung  dieser  Masse  um  die 
Masse  der  Electricität  folgt;  die  Differenz  aber,  nämlich 
X=s4mva)  ist  eben  die  electromotorische  Kraft,  welche  wir 
im  Galvanometer  zu  bemerken  suchten.  Nun  ist  m  gleich 
der  Masse  M  der  gesammten  in  einem  Cubikmillimeter  ent- 
haltenen positiven  und  negativen  Electricität,  dividirt  durch 


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die  Anzahl  der  in  einem  Cubikmillimeter  enthaltenen  elec- 
trostatischen  Einheiten;  diese  Anzahl  wiederum  ist  gleich 
der  electro  statisch  gemessenen  Stromdichte  i,  dividirt  durch 
die  Geschwindigkeit  u,  also  ist  m^Mvji  und  X=4(o.Mv2li 
=  4iw.Mv2ji2.  Wir  können  nun,  ohne  die  Gleichung  zu 
ändern,  rechts  und  links  magnetisches  Maass  einfuhren;  thun 
wir  dies,  so  ist  Mv2 j i2  =  Mv2 j i2  diejenige  Grösse,  welche 
in  der  Einleitung  mit  u  bezeichnet  ist,  und  also  X  =  4i*?fc>. 
Hierin  ersetzen  wir  noch  die  Stromdichte  i  durch  den  Quo- 
tienten aus  der  Gesammtintensität  J  und  dem  Querschnitt  q 
der  Leitung,  ferner  die  electromotorische  Kraft  X  durch 
den  Quotienten  aus  der  Potentialdifferenz  q>  zwischen  den 
Punkten  C  und  D  und  der  Breite  b  der  Platte;  nennen  wir 
noch  die  mittlere  Dicke  derselben  d,  so  wird  jetzt  (p  =  4fiJu)b  /  q 
=  4jU«/w/rf,  oder,  da  wir  fi  suchen: 

4  Jb  (ü  '  ~  4J(ü 

Den  Querschnitt  q  oder  die  Dicke  d  können  wir  angenähert 
aus  der  Menge  des  niedergeschlagenen  Silbers  berechnen, 
rationeller  und  genauer  zugleich  ist  es,  ihn  aus  dem  elektri- 
schen Widerstande  der  Platte  zu  bestimmen,  denn  dieser 
Widerstand  hängt  unmittelbar  von  der  mittleren  Geschwin- 
digkeit ab,  mit  welcher  die  Electricität  in  der  Platte  sich 
bewegt,  und  eben  diese  Geschwindigkeit  und  nur  mittelbar 
der  Querschnitt  ist  die  Grösse,  auf  welche  es  ankommt.  Da 
die  Leitung  unzweifelhaft  eine  metallische  war,  können  wir 
für  den  specifischen  Widerstand  der  leitenden  Substanz  nur 
den  des  Silbers  setzen;  aus  der  Länge  der  Platte  =  45  mm 
und  dem  Widerstand  =5,1  S.-E.  im  Mittel  ergibt  sich  der 
für  uns  in  Betracht  kommende  Querschnitt  q  =  0,00014  mma 
und  die  entsprechende  Dicke  cf  =  5,6  10-6mm.  Allerdings 
ist  diese  Dicke  nur  etwa  ein  Zehntel  derjenigen,  welche  man  aus 
der  Menge  des  niedergeschlagenen  Silbers  erschliessen  konnte, 
indessen  zeigt  dies  nur,  was  von  vornherein  wahrscheinlich 
war,  dass  das  Silber  sich  sehr  ungleichförmig  auf  dem  Glase 
vertheilt.  Wendet  man  den  gefundenen  Werth  der  Dicke  an 
und  setzt  ausserdem  J=  1,17mg1'-  mm'  «sec-1,  w  =  2rc.34  sec-1, 
IScalenth.  =  1  32  Milliontel  Dan.  =  3300mg V*  mm8'«  sec-1, 


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590 


H.  R.  Hertz. 


so  folgt  fi  =  0,000018  5  mm2,  p  erscheint  demnach  als  eine 
Fläche,  nämlich  als  eine  Energie,  dividirt  durch  die  Einheit 
des  Quadrats  einer  magnetischen  Stromdichte  und  durch  die 
Einheit  des  Volumens.  Da  der  Werth  cp  =  1  Sealentheil 
sich  schon  als  äusserst  unwahrscheinlich  herausstellte,  so 
erscheint  die  in  der  Einleitung  ausgesprochene  Behauptung 
gerechtfertigt.  Wären  die  bei  der  Berechnung  der  Versuche 
gemachten  Annahmen  mehr  als  rohe  Annäherungen,  so  würde 
selbst  die  Ueberschreitung  einer  weit  geringeren  Grenze  noch 
unwahrscheinlich  sein. 

Es  ist  von  Interesse,  zu  bemerken,  dass  wir  electrische 
Ströme  kennen,  welche  zweifellos  mit  kinetischer  Energie 
verbunden  sind,  deren  Grösse  die  aufgestellte  Grenze  be- 
trächtlich überragt,  die  Ströme  in  Electrolyten.  Aus  dem 
chemischen  Aequivalent  des  Stromes  von  der  magnetischen 
Intensität  1  und  der  Ueberführungszahl  für  salpetersaures 
Silberoxyd  kann  man  leicht  berechnen,  mit  welcher  Geschwin- 
digkeit sich  in  einer  Lösung  dieses  Salzes  von  bestimmter 
Concentration  die  Atomgruppen  Ag  und  X03  bewegen, 
wenn  in  der  Lösung  die  Stromdichte  1  herrscht.  Daraus  folgt 
dann  die  lebendige  Kraft  dieser  Bewegung,  und  zwar  findet 
man  für  mittlere  Concentrationen  angenähert,  wenn  auf 
1  Gewichtstheil  Wasser  n  Gewichtstheile  des  Salzes  kom- 
men, fi  =  0,0078/rc  mm2.  Liesse  sich  demnach  der  beschrie- 
bene Versuch  mit  einem  Electrolyten  unter  ähnlichen  Be- 
dingungen wie  mit  einem  Metalle  anstellen,  so  mtisste  er 
ein  positives  Resultat  ergeben,  thatsächlich  bewirken  Wider- 
stand und  Zersetzbar keit  der  Electrolyte,  dass  sich  gleich 
günstige  Versuchsbedingungen  auch  nicht  annähernd  errei- 
chen lassen. 

Physikal.  Inst,  der  Univ.  Berlin. 


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E.  Reitlinger  u.  Fr.  Wächter. 


591 


V.    lieber  JDisgregation  der  Electroden  durch 
positive  Electricität  und  die  Erklärung  derlAchten- 

ber gesehen  Figuren; 
von  Edmund  Reitling  er  u.  Friedrich  Wächter. 

(Aus  dem  83.  Bd.  der  Ber.  der  k.  Acad.  der  Wiss.  zu  Wien.  II.  Abth. ,  vom 
17.  März  1881;  mitgetheilt  von  den  Herren  Verf.) 


§  1.  In  einer  von  uns  im  vorigen  Jahre  ausgeführten 
Untersuchung  über  die  Ursachen  der  Entstehung  der  Priest- 
ley'schen  Ringe  und  deren  Ablenkung  durch  den  Magnet 
wurden  wir  zur  Erkenntniss  eines  Artunterschiedes  zwischen 
positiver  und  negativer  Electricität  geführt,  welcher  uns  ge- 
eignet erscheint,  auch  über  die  Entstehung  und  Formver- 
schiedenheit der  positiven  und  negativen  Lichtenberg'schen 
Figuren  Aufschluss  zu  geben.  Derselbe  bezieht  sich  auf  eine 
längst  bekannte  Wirkung  der  electrischen  Funkenentladung: 
Die  Losreissung  von  Electrodentheilchen.  Zufolge  dieser 
sind  Metallkugeln,  zwischen  welchen  längere  Zeit  Funken 
übergegangen  sind,  mit  kleinen  Gruben  besetzt,  aus  welchen 
sichtlich  Metall  fortgeschleudert  worden  ist.  Durch  die  Los- 
reissung  von  festen  Metalltheilchen  entsteht  die  „centrale 
Aufreissungsseheibe"  der  electrischen  Ringfiguren,  und  auch 
die  von  uns  mit  grossem  Ruhmkorff  und  Verstärkungsflasche 
erhaltenen  „Aufstreuungsringe"  rühren  von  ihr  her,  wie  wir 
beides  in  unserer  früheren  Abhandlung *)  auseinander  gesetzt 
haben.  Dort  ist  auch  mitgetheilt,  dass  wir  für  die  in  Rede 
stehende  Losreissung  zwar  keine  obere,  wohl  aber  eine  untere 
Druckgrenze  fanden;  wir  beobachteten  sie  von  sechs  Atmo- 
sphären bis  10  mm  Quecksilberdruck. 

Während  aber  frühere  Forscher  die  Auflockerung,  Zer- 
reissung  und  Schmelzung  in  der  Mitte  der  Ringfigur  als 
eine  Wirkung  des  electrischen  Stromes  „gleichgültig  von  wel- 
cher Richtung"  ansahen,  haben  wir  am  angeführten  Orte  den 
Nachweis  geliefert,  dass  die  Aufreissung  in  der  Mitte  der 


1)  E.  Reitlinger  u.  Fr.  Wächter,  Wien.  Ber.  82.  II.  Abth.  p.  180- 
u.  f.  1880. 


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592 


E.  ReiÜinger  u.  Fr.  Wächter. 


Figur  (die  Aufreissungsscheibe)  eine  specielle  Wirkung  der 
positiven  Entladung  aus  Metall  in  Luft  ist.  Dies  gilt  in 
gleichem  Maasse  für  Losreissungsspuren  auf  Metallplatten 
wie  auf  Metallkugeln.  In  beiden  Fällen  gelingt  der  directe 
Nachweis,  dass  die  Losreissung  von  Electrodentheilchen  aus- 
schliesslich beim  Austritte  positiver  Electricität  erfolgt,  indem 
man  die  Alternirung  der  Entladung  berücksichtigt  und  ihren 
Einfluss  eliminirt. 

Nennen  wir  den  Vorgang,  durch  welchen  beim  Ueber- 
tritte  des  electrischen  Stromes  aus  Metall  in  Luft  oder  einen 
anderen  Isolator  die  Electrodenoberfläche  aufgelockert  und 
Theilchen  aus  ihr  fortgeschleudert  werden,  electrische 
Disgregation,  so  können  wir  das  oben  erwähnte  Resultat 
unserer  Untersuchungen  auch  in  der  Weise  aussprechen: 
Electrische  Disgregation  an  der  Oberfläche  von  platten-  und 
kugelförmigen  Metallelectroden  wird  stets  nur  durch  den 
Austritt  positiver  Electricität  erzeugt. 

Daran  schliesst  sich  nun  die  Frage:  Wie  es  sich  bei 
feinen  Metallspitzen  verhält?  Hier  stösst  man  bezüglich  der 
directen  Beobachtung  der  electrischen  Disgregation  auf 
Schwierigkeiten.  Betrachtet  man  die  Metallspitze  etwa  vor 
dem  Durchgange  des  Funkenstromes  und  nach  demselben 
mit  dem  Mikroskop,  so  zeigt  sich  zwar  eine  nicht  unwesent- 
liche Veränderung  (eine  Abrundung)  der  Spitze,  ohne  dass 
sich  dabei  aber  entscheiden  lässt,  ob  dieselbe  durch  das  Ab- 
reissen  von  Theilchen  oder  infolge  der  Schmelzung  durch 
die  flitze  des  Funkens  bewirkt  sei.  Eine  solche  Entschei- 
dung erhielten  wir  jedoch  in  folgender  Weise.  Wir  stellten 
zwischen  den  Polen  eines  grossen  Electromagnets x)  einer 
Spitze  aus  Antimon  eine  Platte  aus  Aluminiumblech  gegen- 


1)  Der  von  uns  benutzte  Electromagnet  hat  einen  Eisenkern  von 
14  cm  Durchmesser  und  170  cm  Länge.  Das  Gewicht  desselben  ohne  die 
Halbanker  beträgt  etwas  über  200  kg.  Der  Eisenkern  ist  mit  928  Win- 
dungen aus  starkem  Kupferdraht  in  vier  Lagen  umwickelt  und  wurde 
bei  unseren  Versuchen  durch  den  Strom  von  16 — 20  Bunsen'schen  Ele- 
menten von  1  Quadratfuss  Zinkfläche  magnetisirt  Nur  mit  Hülfe  dieses 
äusserst  kräftigen  Magnets  vermochten  wir  eine. Ablenkung  der  abgeris- 
senen Electrodentheilchen  zu  bewirken. 


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E.  Reitlinger  u.  Fr.  W'fichter. 


593 


über  und  Hessen  zwischen  Platte  und  Spitze  die  Funken 
eines  grossen  Ruhmkorffs  überschlagen.  Platte  und  Spitze 
befanden  sich  dabei  in  einer  Glasröhre,  durch  welche  trocke- 
nes Wasserstoffgas  strömte.  Der  Ruhmkorffsche  Apparat 
wurde  durch  den  Strom  dreier  grosser  Bunsen'scher  Elemente 
inducirt  und  in  den  Schliessungskreis  desselben  eine  Leydener 
Flasche  von  ein  Quadratfuss  Belegung  eingeschaltet.  Die 
Richtung  des  electrischen  Funkenstromes  wurde  senkrecht 
zur  Verbindungslinie  der  beiden  Pole  des  hufeisenförmigen 
Magnets  gestellt.  Da  der  Magnet,  sobald  er  kräftig  genug 
ist,  auf  sämmtliche  Theile  der  electrischen  Entladung  zwischen 
Platte  und  Spitze  richtend  einwirkt,  so  gewährt  derselbe  ein 
einfaches  Mittel  zur  Entscheidung  darüber,  ob  auch  bei 
Metallspitzen  die  Losreissung  von  Electrodentheilchen  aus- 
schliesslich durch  den  Austritt  der  positiven  Electricität  be- 
wirkt werde  oder  nicht.  Infolge  der  alternirenden  Ent- 
ladung der  Leydener  Flasche  bildet  nämlich  sowohl  die 
Antimonspitze  als  auch  die  Aluminiumplatte  abwechselnd 
bald  den  positiven  und  bald  den  negativen  Pol.  Be- 
zeichnet in  (Fig.  4  Taf.  V)  Sb  die  Antimonspitze,  AI  die 
Aluminiumplatte,  N  den  Nordpol  und  S  den  Südpol  des 
Magnets,  so  wird  Folgendes  statthaben:  In  dem  Falle,  wo 
die  Antimonspitze  die  positive,  die  Aluminiumplatte  die 
negative  Electrode  bildet,  wird  der  electrische  Funkenstrom 
äquatorial  in  der  Richtung  des  Pfeiles  I  abgelenkt  werden; 
bei  der  Gegenentladung  jedoch  in  entgegengesetzter  Richtung, 
wie  es  der  Pfeil  II  andeutet.  Durch  die  Auswahl  einer  Spitze 
aus  Antimon  und  einer  Platte  aus  Aluminium  lässt  sich  nun 
genau  constatiren,  in  welcher  Richtung  die  von  der  Spitze 
losgerissenen  Metalltheilchen  fortgeführt  werden,  denn  in  der- 
jenigen Zeit,  in  welcher  von  einer  Electrode  aus  Antimon 
bereits  ganz  beträchtliche  Quantitäten  Metallstaub  abgelagert 
werden,  ist  bei  einer  Electrode  aus  Aluminium  kaum  eine 
.Spur  abgelagerten  Metalles  wahrzunehmen;  überdies  besitzen 
die  Antimontheilchen  eine  schwarze  Farbe,  während  die 
Aluminiumtheilchen  weiss  sind.  Es  sind  nun  folgende  drei 
Fälle  möglich:  1.  Die  durch  den  Austritt  der  positiven 
Electricität  losgerissenen  Antimontheilchen  können  nur  äqua- 

Ann.  d.  Phys.  u.  Chem.  N.  F.  XIV.  38 


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E.  Reitlinger  11.  Fr.  Wächter. 


torial  in  der  Richtung  nach  L  abgelenkt  werden;  die  durch 
den  Austritt  der  negativen  Electricität  möglicherweise  los- 
gerissenen Antimontheilchen  können  dagegen  entweder  2.  axial 
in  der  Richtung  der  beiden  nach  N  und  S  zeigenden  Pfeile 
oder  3.  äquatorial  in  der  Richtung  nach  R  abgelenkt  wer- 
den, sicherlich  aber  nicht  in  gleicher  Richtung  nach  L,  wie 
die  positiven  Theilchen. 

Nun  ergaben  unsere  Versuche,  dass  die  losgerissenen 
Antimontheilchen  ausschliesslich  nur  nach  L  an  die  Glas- 
wand und  die  Aluminiumplatte  abgelagert  wurden,  in  axialer 
Richtung  und  in  der  Richtung  von  R  war  keine  Spur  einer 
Ablagerung  von  Theilchen  bemerkbar.  Wir  erachten  es 
demnach  für  erwiesen,  dass  auch  bei  Metallspitzen  nur  durch 
positiv  electrische  Entladung  feste  Partikelchen  der  Elec- 
trode  losgerissen  und  fortgeführt  werden.  . 

Mag  also  die  Form  der  Metallelectrode  welche  immer 
sein,  so  ist  der  Austritt  positiver  Electricität  aus  ihr,  und 
zwar  ausschliesslich  dieser  geeignet,  eine  electrische  Disgre- 
gation  ihrer  Oberfläche,  beziehungsweise  die  Losreissung  fester 
Theilchen  aus  derselben  zu  bewirken.  Diese  Eigenschaft 
positiver  Entladungen  bezeichneten  wir  in  unserer  früheren 
Abhandlung  als  die  Ursache  zweier  von  den  vier  durch  uns 
unterschiedenen  Formelementen  electrischer  Ringfiguren:  der 
Aufreissungsscheibe  und  der  Aufstreuungsringe.  Aber  auch 
der  Erklärung  der  Liehtenberg'schen  Figuren  können  wir 
durch  dieselbe  eine  neue  und  bestimmtere  Fassung  geben 
und  deren  Bildung  dem  Verständnisse  näher  bringen. 

Der  eine  von  uns  (Reitlinger)  hat  vor  Jahren  die 
Erklärung  der  Lichtenberg'schen  Figuren  zum  Gegenstande 
seiner  Untersuchungen  gemacht.1)  Er  führte  den  Nachweis, 
dass  der  electrische  Entladungsvorgang  in  der  Luft  zwischen 
Spitze  und  Platte  als  die  eigentliche  Ursache  für  die  Aus- 
breitung der  Figuren  und  deren  Formverschiedenheit  anzu- 
sehen sei,  und  indem  er  an  dem  Satze  fest  hielt,  dass  die 
Bestäubung  mit  dem  Villarsy'schen  Gemenge  die  electrische 


1)  Reitlinger,  Wien.  Ber.  41.  p.  358  u.  ff.  1860;  48.  p.  1—2. 
u.  p.  531  u.  ff.  1861. 


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E:  Reitlinger  u.  Fr.  Wächter. 


595 


Vertheilung  auf  der  Harzplatte  sichtbar  mache,  wobei  alle 
positiven  Stellen  gelb  und  alle  negativen  roth  erscheinen, 
leitete  er  die  Figuren  von  der  Anordnung  und  Bewegung 
electrisirter  Theilchen  über  der  Platte  ab,  welche  in  den  auf 
der  letzteren  während  der  Entladung  erzeugten  Spannungen 
ein  vermöge  der  isolirenden  Beschaffenheit  des  Harzes  fixirtes 
Abbild  zurückgelassen  haben.  Um  nun  hiernach  die  Form- 
verschiedenheit der  positiven  (gelben)  Strahlenfigur  und  der 
negativen  (rothen)  Scheibenfigur  zu  erklären,  dienten  folgende 
Betrachtungen:  Positiv  electrisirten  Theilchen,  welche  sich 
von  der  Spitze  entfernen,  habe  man  einen  Impuls  in  der 
Richtung  ihrer  Electricitätsübertragung  zuzuschreiben;  indem 
sie  in  solcher  Weise  schief  von  der  Spitze  nach  der  Platte 
fahren,  streifen  sie  vermöge  Zerlegung  ihrer  Bewegung  noch 
ein  Stück  an  der  Harzfläche,  radial  vom  Fusspunkte  der 
Spitze  ausgehend,  nach  aussen  fort;  diese  Bahnen  erzeugen 
positiv  electrische  Striche  auf  dem  Harze,  welche,  durch  Be- 
stäubung sichtbar  gemacht,  die  gelbe  Strahlenfigur  bilden. 
Dagegen  fehle  den  negativ  electrisirten  Theilchen  ein  solcher 
Impuls,  und  finde  die  Ausbreitung  der  negativen  Electricität 
unter  der  Spitze  in  solcher  Gleichförmigkeit  rund  um  die- 
selbe statt,  dass  der  Schnitt  zwischen  ihr  und  der  Harzfläche 
eine  Kreisscheibe  bilde.  Diese  wird  nachher  durch  Bestäu- 
bung als  negative  rothe  Kreisscheibe  sichtbar.  Demnach  ist 
die  verschiedene  Bewegung  der  electrisirten  Theilchen  zwi- 
schen Spitze  und  Platte  die  Ursache  für  die  Formverschie- 
denheit der  beiderlei  Figuren.  Was  nun  schliesslich  die 
nähere  Bezeichnung  der  dabei  thätigen  electrisirten  Theil- 
chen selbst  betrifft,  so  bot  sich  wohl  am  leichtesten  die  An- 
nahme dar,  den  Luft-  oder  Gastheilchen  die  geschilderte 
Rolle  zuzuschreiben.  In  der  That  wurde  dieselbe  von  dem 
Urheber  der  eben  auseinandergesetzten  „Erklärung  der  Lich- 
tenberg'sehen  Figuren  ausdrücklich  aufgestellt.1) 

In  letzter  Hinsicht  wurden  jedoch  wir  beide  durch  unser 
gemeinsames  Studium  der  electrischen  Ringfiguren  auf  eine 
neue  Annahme  hingewiesen.    Hiernach  würde  man  nur  bei 


1)  Reitlinger,  Wien.  Ber.  43.  p.  541.  1861. 

38* 


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E.  Reitlinger  u.  Fr.  Wächter. 


den  negativen  runden  Scheiben  an  der  Rolle  der  Luft-  oder 
Gastheilchen  festhalten,  dagegen  bezüglich  derjenigen  electri- 
sirten  Theilchen,  welche  nach  der  obigen  Erläuterung  die 
positive  Strahlenfigur  erzeugen,  eine  neue,  abweichende  Vor- 
aussetzung aufstellen,  nämlich  dieselben  seien  Theilchen, 
welche  durch  die  ausschliesslich  positive  electrische  Disgre- 
gation  von  der  Spitze  losgerissen  und  auf  die  Platte  her- 
unter geschleudert  werden.  Man  wird  sich  dieselben  daher 
im  allgemeinen  als  fest,  statt  als  gasförmig  vorstellen.  Zur 
Prüfung  dieser  Annahme  dienten  uns  Versuche  mit  Lichten- 
berg'schen  Figuren,  zu  denen  uns  eine  kürzlich  von  W.  Holtz 
veröffentlichte  Abhandlung  angeregt  hat. 

§  2.  In  einer  Mittheilung  über  electrische  Figuren  auf 
der  Oberfläche  von  Flüssigkeiten  gibt  W.  Holtz1)  an,  er 
habe  neben  Leitern  aus  Metall  auch  noch  solche  aus  Holz 
angewandt  und  so  gefunden,  dass  sich  je  nach  Wahl  des 
Leiters  und  Wahl  der  Flüssigkeit  (der  Oelsorte)  die  bekannte 
negative  Figur  auch  mit  positiver  Electricität,  und  die  be- 
kannte positive  Figur  auch  mit  negativer  Electricität  (wir 
sprechen  mit  Holtz'  eigenen  Worten)  erzeugen  lasse.  Nach 
diesen  Versuchen  sei  es  ihm  nahe  gelegen,  fahrt  er  fort,  den 
Einfluss  eines  hölzernen  Leiters  auch  bei  der  Darstellung 
der  wirklichen  Lichtenberg'schen  Staubfiguren  zu  erproben, 
und  in  solcher  Weise  sei  ihm  die  Darstellung  der  negativen 
Figur  genau  so  gut  mit  positiver  als  mit  negativer  Electri- 
cität gelungen.  Er  wandte  dabei  die  Holzstange  in  Dicke 
eines  Stahlfederhalters  an  und  hielt  sie  bei  Zuleitung  posi- 
tiver Electricität  mehr  oder  weniger  hoch  über  der  Harz- 
fläche. Diese  Angabe  von  Holtz  fanden  wir  bei  Wieder- 
holung des  Versuches  mit  einer  staubfreien  Holzstange  voll- 
ständig bestätigt;  je  nach  der  Anwendung  positiver  und 
negativer  Electricität  bekamen  wir  gelbe  oder  rothe  Kreis- 
scheiben ohne  bemerkbare  Formverschiedenheit.  Wir  glauben 
jedoch,  aus  der  so  erhaltenen  Kreisscheibe  nicht  schliessen 
zu  dürfen,  dass  hier  wirklich  positive  Electricität  eine  nega- 
tive Figur  im  Sinne  einer  IJmkehrung  des  Artunter- 


1)  W.  Holtz,  Wied.  Ann.  11.  p.  717.  1880. 

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E.  Reitlinger  u.  Fr.  Wächter. 


597 


schiedes  positiver  und  negativer  Electricität  erzeuge.  Eine 
solche  Umkehrung  in  der  vollen  Bedeutung  des  Wortes  halten 
wir  überhaupt  nicht  für  möglich.  Dasjenige,  was  hier  der 
Erklärung  bedarf,  ist  nur  der  Umstand,  dass  eine  und  die- 
selbe positive  Ladung  je  nach  der  Wahl  des  Zuleiters  ent- 
weder eine  Kreisscheibe  oder  eine  Strahlenfigur  bewirkt. 

Um  zur  Erkenntniss  der  Ursache  dieser  Erscheinung  zu 
gelangen,  untersuchten  wir  zunächst  eine  Reihe  von  Elec- 
troden  aus  den  verschiedenartigsten  Materialien.  Die  dies- 
bezüglichen Versuche  ergaben  folgende  Resultate: 

Wählt  man  die  Electroden  aus  irgend  einem  beliebigen 
Metalle  oder  aus  Graphit,  Stein-,  Retorten-  und  Holzkohle 
oder  aus  Bleiglanz,  Grauspiessglanz ,  Hämatit,  Eisenvitriol- 
kry stallen,  Kreide,  Marmor,  Mergel  oder  aus  Quecksilber,  con- 
centrirter  Schwefelsäure,  Kupfervitriollösung,  Eisenvitriollö- 
sung, Kochsalzlösung  und  anderen  Salzlösungen,  destillirtem  und 
Brunnenwasser,  wässerigem  und  absolutem  (96°/0)  Alkohol, 
so  erhält  man  bei  Zuleitung  positiver  Electricität  stets  strah- 
lenförmige Figuren,  wie  Fig.  5  Taf.  V  eine  solche  darstellt. 

Bei  Anwendung  von  Electroden  aus  trockenem  Holze, 
Papier,  Hanf,  Watte,  Wolle,  Bergkrystall,  krystallisirtem 
Gyps,  krystallisirtem  Kochsalze,  isländischem  Doppelspath, 
Flussspath  und  Tropfstein  erhält  man  dagegen  runde,  schei- 
benförmige Figuren,  wie  Fig.  6  Taf.  V  zeigt. 

Gar  keine  Figuren  werden  erhalten,  wenn  man  die  Zu- 
leitung der  Electricität  mittelst  Electroden  aus  Glas,  Harz, 
Wachs,  Talg,  Kautschuk,  Porzellan,  Seide  oder  Federn  ver- 
sucht. Es  werden  somit  bei  Anwendung  der  besseren  Leiter 
der  Electricität  als  Electroden  strahlenförmige  positive 
Figuren  erzeugt,  bei  Halbleitern  scheibenförmige  positive 
Figuren  und  bei  Anwendung  von  Isolatoren  gar  keine 
Figuren. 

Das  Holz  und  die  übrigen  Halbleiter  bewirken  jedoch 
nur  unter  der  Bedingung  scheibenförmige  positive  Figuren, 
wenn  die  Oberfläche  derselben  vollkommen  staubfrei  ist. 
Stäbchen  aus  Holz,  welche  durch  längeres  Liegen  im  Zimmer 
mit  Staub  bedeckt,  oder  künstlich  mit  irgend  einem  Staube 
eingestäubt  wurden,  lieferten  scheibenförmige  Figuren,  welche 


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E.  Reitlinger  u.  Fr.  Wächter. 


von  einer  grösseren  oder  geringeren  Anzahl  radialer  Strahlen 
durchzogen  waren,  wie  Fig.  7  Taf.  V  dies  darstellt. 

Benutzte  man  einen  Holzstab  von  der  Form  eines  Feder- 
halters, dessen  nach  unten,  der  Harzplatte  zugewendete  Spitze 
eingestäubt  wurde,  in  rascher  Folge  zur  Erzeugung  von  etwa 
zehn  bis  zwanzig  positiven  Lichtenberg'schen  Figuren,  so 
nahm  die  Zahl  der  radialen  Strahlen  inmitten  der  runden 
Scheibenfigur  sichtlich  ab,  und  schliesslich,  wenn  durch  die 
wiederholte  electrische  Entladung  sämmtlicher  Staub  von  der 
Oberfläche  des  Holzstabes  fortgetrieben  war,  erhielt  man 
wieder  vollkommen  gleichmässig  mit  Schwefelstaub  bedeckte 
Scheibenfiguren,  wie  Fig.  6  Taf.  V  zeigt,  ohne  jede  Beimischung 
radialer  Strahlen.  Als  wir  jedoch  die  Holzstange  an  ihrem 
unteren  Ende  mit  einem  feinen  Metallstaube,  etwa  Bronce- 
pulver  oder  feiner  Eisen-  oder  Messingfeile  bestreuten,  so 
erhielten  wir  genau  solche  Strahlenfiguren  wie  bei  Anwendung 
einer  Spitze  aus  massivem  Metalle  (Taf.  V  Fig.  5)  ohne  die 
geringste  Spur  einer  scheibenförmigen  Ausbreitung. 

Diese  Thatsache  bestätigte  unsere  oben  ausgesprochene 
Vermuthung,  dass  die  electrische  Disgregation  der  Electro- 
den  durch  electro-positive  Entladung  eine  einfache  Erklä- 
rung der  Formverschiedenheit  der  Lichtenberg'schen  positi- 
ven Strahlenfigur  und  der  negativen  Scheibenfigur  darbietet 
Ueber  die  Ursache  der  Entstehung  der  positiven  Strahlen- 
figur haben  wir  uns  nämlich  auf  Grund  der  vorstehend  mit- 
getheilten  Versuche  folgende  Anschauung  gebildet:  Die  posi- 
tive Strahlenfigur  entsteht  dadurch,  dass  einzelne  positiv 
electrisirte  Theilchen  in  festem  oder  flüssigem  Aggre- 
gatzustande sich  von  der  Spitze  in  der  Richtung  ihrer 
Electricitätsübertragung  entfernen,  schief  von  der  Spitze  nach 
der  Harzplatte  fahren  und  auf  derselben  radial  vom  Fuss- 
punkte der  Spitze  fortschleifen.  Diese  Theilchen  erzeugen 
positiv  electrisirte  Striche  auf  dem  Harze,  welche,  durch  Be- 
stäubung sichtbar  gemacht,  die  gelbe  Strahlenfigur  bilden. 

Bestehen  die  jeweilig  angewendeten  Electroden  dabei 
aus  schlechter  leitendem  Materiale,  so  ist  zur  Entstehung  der 
strahlenförmigen  Figur  das  Vorhandensein  von  staubförmigen 
Partikeln  auf  der  Oberfläche  der  Electroden  erforderlich. 


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E.  Reitlinger  u.  Fr.  Wächter 


599 


Fehlen  diese  Staubpartikel,  so  erfolgt  die  Electricitätsüber- 
tragung  durch  die  Grastheilchen  zwischen  Spitze  und  Harz- 
platte, und  es  entstehen  gleichförmig  mit  Schwefelstaub  be- 
deckte scheibenförmige  Figuren.  Bei  Anwendung  von  guten 
Electricitätsleitern  ist  das  Vorhandensein  von  Staub  auf  der 
Oberfläche  der  Electroden  unwesentlich.  Die  zur  Erzeugung 
der  Strahlenfigur  erforderlichen  Partikel  werden  hier  infolge 
der  electrischen  Disgregation  durch  electropositive  Entladung 
aus  dem  Materiale  der  Electroden  selbst  losgerissen,  wie  wir 
dies  sowohl  bei  der  Bildung  der  Aufstreuungsringe1),  als 
auch  durch  den  eingangs  mitgetheilten  Versuch  nachgewiesen 
haben. 

Die  positive  Lichtenberg'sche  Strahlenfigur  und  die  Auf- 
streuungsringe auf  Metallplatten  haben  somit  die  gleiche 
Entstehungsursache,  nur  ist  zur  Bildung  deutlich  sichtbarer 
Aufstreuungsringe  eine  bedeutend  grössere  Menge  losgeris- 
sener Electrodentheilchen  erforderlich,  als  zur  Bildung  der 
Lichtenberg'schen  positiven  Strahlenfigur. 

Die  vorstehend  erörterten  Versuche  wurden  in  der  Weise 
ausgeführt,  dass  die  Electroden  in  Form  von  5  bis  20  cm 
langen,  2  bis  5  mm  dicken  Stäbchen  senkrecht  in  geringer 
Distanz  über  der  Harzplatte  angebracht  waren,  und  deren 
oberes  Ende  entweder  direct  mit  dem  Conductor  der  Rei- 
bungselectrisirmaschine  oder  mit  der  inneren  Belegung  einer 
Leydener  Flasche  oder  Leydener  Batterie  leitend  verbunden 
wurde. 

Zur  Untersuchung  flüssiger  Electroden  wurden  die  Flüs- 
sigkeiten in  weitere,  am  unteren  Ende  capillar  ausgezogene 
Glasröhren  gefüllt,  welche  zur  Vermeidung  der  Leitung  über 
die  feuchte  Glasoberfläche  an  ihrer  Aussenseite  mit  Siegel- 
lack überzogen  wurden,  und  in  deren  oberes  Ende  durch 
einen  Kork  ein  Zuleitungsdraht  bis  zur  Berührung  mit  der 
Flüssigkeit  hineingesteckt  wurde.  Zweckmässiger  erwies  sich 
jedoch  zum  Studium  dieser  Figuren  ein  anderes  Verfahren. 
Während  nämlich  die  früheren  Figuren  auf  Harzplatten 


1)  E.  Rcitlinger  u.  Fr.  Wächter,  Wien.  Ber.  82.  II.  Abth. 
p.  211.  1880. 


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erzeugt  wurden,  verwendeten  wir  bei  der  zweiten  Methode 
gereinigte,  trockene  Glastafeln.  In  der  Mitte  derselben  wurde 
ein  Tropfen  der  zu  untersuchenden  Flüssigkeit  gebracht  und 
von  oben  her  mittelst  eines  20  cm  langen,  5  mm  dicken, 
unten  zugespitzten  Holzstabes  der  Flüssigkeit  Electricität 
zugeleitet.  Brachte  man  nun  unter  den  Holzstab  einen 
Tropfen  Quecksilber  oder  concentrirte  Schwefelsäure,  Kupfer- 
vitriollösung, andere  Salzlösungen,  destillirtes  oder  Brunnen- 
wasser, wässerigen  oder  absoluten  Alkohol,  so  entstanden 
stets  rings  um  den  Tropfen  herum  strahlenförmige  positive 
Figuren,  wie  Fig.  8  Taf.  V  zeigt.  Schwefeläther  gab  mit- 
unter ausser  der  strahlenförmigen  Figur  auch  Spuren  einer 
ringförmigen,  positiven  Figur,  doch  ist  es  bei  der  Flüchtig- 
keit desselben  sehr  schwierig,  deutliche  Figuren  zu  erhalten. 
Die  negativen  Figuren  stellten  sich  unter  den  gleichen  Um- 
ständen stets  als  scheibenförmige  Figuren  dar,  wie  Taf.  V 
Fig.  9  veranschaulicht.  Bei  Anwendung  von  Benzol,  Petro- 
leum, Schwefelkohlenstoff,  Terpentinöl  und  Olivenöl  konnten 
keine  Lichtenberg'schen  Figuren,  weder  positive  noch  nega- 
tive erhalten  werden.  Während  nämlich  die  früher  genannten 
besser  leitenden  Flüssigkeiten  bei  Zuleitung  der  Electricität 
nur  eine  geringe  Abplattung  des  Tropfens  erkennen  Hessen, 
wurden  die  schlechter  leitenden  Flüssigkeiten  durch  die  Elec- 
trisirung  fast  momentan  über  die  ganze  Platte  ausgebreitet. 
Dieselben  zeigten  dabei  eine  Verästelung  der  Flüssigkeits- 
schicht, welche  am  feinsten  gegliedert  bei  Schwefelkohlen- 
stoff (Taf.  V  Fig.  10)  war,  am  wenigsten  gegliedert  bei 
Olivenöl  (Taf.  V  Fig.  11).  Noch  eines  merkwürdigen  Uni- 
standes  müssen  wir  gedenken.  Verwendet  man  möglichst 
gleichmässig  ausgebildete  Krystalle  von  Turmalin  oder  eisen- 
schüssigem Quarz  als  Electroden,  deren  Hauptaxe  vertical 
zur  Harzplatte  gestellt  ist,  so  entstehen  stets  drei  Lichten- 
berg'sche  Figuren,  in  ihrer  Lage  den  drei  unteren  Pyramiden- 
flächen entsprechend.  Diese  drei  Figuren  sind  jedoch  in  der 
Hegel  voneinander  verschieden,  sodass  man  entweder  zwei 
strahlenförmige  und  eine  scheibenförmige  Figur  (Taf.  V 
Fig.  12),  oder  eine  strahlenförmige  und  zwei  scheibenförmige 
Figuren  erhält  (Taf.  V  Fig.  13).    Aehnliches  zeigen  auch 


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andere  Krystalle.  Reiner,  d.  h.  eisenfreier  Bergkrystall  und 
"Würfel  aus  Kochsalz  geben  gleichzeitig  positive  und  nega- 
tive, also  bei  Villarsy'schem  Gemenge  gelbe  und  rothe  Schei- 
benfiguren, ebenfalls  der  Stellung  der  Krystallflächen  gegen 
die  Harzplatte  entsprechend.  Die  Erscheinungen  traten 
jedoch,  ohne  dass  wir  die  Umstände  wissentlich  geändert 
hatten,  so  wechselnd  auf,  dass  wir  keine  Gesetzmässigkeit 
darin  erkennen  konnten. 

Oben  sahen  wir,  dass  je  nach  dem  Stoffe,  mittelst  dessen 
die  Electricität  zugeleitet  wird,  positive  Ladungen  eine  strah- 
len- oder  scheibenförmige  Figur  erzeugen.  Niemals  begegnen 
wir  aber  bei  negativen  Ladungen  einer  ähnlichen  Erschei- 
nung. Es  ist  dies  sehr  wichtig  und  tritt  besonders  charak- 
teristisch bei  den  aus  positiven  und  negativen  Theilen  ge- 
mischten Figuren  hervor,  wie  man  sie  beispielsweise  mit  dem 
JiuhmkorfFschen  Apparate  erhält.  In  der  Regel  beobachtet 
man  hier  einen  Wechsel  zwischen  negativen  rothen  Kreis- 
ringen und  positiven  gelben  Strahlenkränzen.  Während  man 
aber  unter  entsprechenden  Umständen  auch  positive  gelbe 
Kreisringe  erzeugen  kann,  nimmt  man  niemals  negative  rothe 
Strahlenkränze  wahr,  ja  nicht  einmal  einen  einzelnen  rothen 
Strich,  wie  wir  in  gelben  Scheibenfiguren  häufig  dergleichen 
einzelne  gelbe,  meistens  radial  gestellte  Striche,  gewisser- 
massen  Grundelemente  einer  Strahlenfigur,  antreffen. 

Wo  und  wie  immer  negative  Electricität  an  die 
Harzfläche  übergeht,  hinterlässt  sie  Spuren  kreis- 
förmiger Ausbreitung,  während  die  Uebertragung 
positiver  Electricität  je  nach  den  Umständen  in 
radialen  Strichen  oder  auch  in  kreisförmigen  Schei- 
ben und  Ringen  geschehen  kann.  Eine  Umkehrung 
des  Artunterschiedes  Lichtenberg'scher  Figuren, 
mittelst  deren  negative  Electricität  eine  Strahlen- 
figur gäbe,  ist  bis  zum  kleinsten  Striche  oder  Strahle 
herab  unmöglich.  Dies  ist  ein  aus  allen  unseren  Ver- 
suchen fliessendes  allgemeines  Resultat. 

Um  einem  leichtmöglichen  Irrthume  vorzubeugen,  dürfen 
wir  aber  dasselbe  nicht  etwa  in  folgender  Weise  ausdrücken: 
Eine  rothe,  durch  Mennigepulver  kenntlich  gemachte  Strah- 


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leniigur  sei  nicht  möglich.  Das  wäre  unrichtig,  denn  rothe 
Strahlenfiguren,  sogar  gemischt  mit  gelben  Scheibenfiguren, 
können  wir  allerdings  bekommen,  nur  bedeutet  dann  Roth 
positive  und  Gelb  negative  Electricität.  Zu  diesem  Behufe 
brauchen  wir  nur  das  Villarsy'sche  Gemenge  aus  Schwefel  und 
Mennige,  statt  es  durch  Musselin  durchzubeuteln,  durch  eine 
kleine  Oeffnung,  z.  B.  eine  ausgezogene  Glasröhre,  heraus- 
zublasen. In  diesem  Falle  werden  die  Schwefel-  und  Men- 
nigetheilchen  im  entgegengesetzten  Sinne  electrisirt,  als  bei 
der  Reibung  an  Musselin.  So  lehrte  es  uns  eine  gelegent- 
liche Erfahrung.  Von  derselben  ausgehend,  haben  wir  ein 
Fläschchen  mit  Villarsy'schem  Gemenge  gefüllt  und  dasselbe 
mit  einem  ausgezogenen  Glasrohre  verschlossen.  In  dieser 
Form  gab  es  uns  die  positive  Mischfigur  eines  mittelgrossen 
Ruhmkorff  als  gelbe  Scheibe  mit  rothem  Strahlenkranze. 
Versahen  wir  es  nun  mit  einem  Ansätze,  der  aus  einer  nach 
aussen  hin  von  einer  mehrfachen  Musselinlage  bedeckten 
Röhre  bestand,  so  bekamen  wir  eine  rothe  Scheibe  mit 
gelbem  Strahlenkranze.  In  gleicher  Weise  erhielten  wir 
mit  einer  und  derselben  Ladung  einer  Leydener  Flasche  je 
nach  Belieben  eine  rothe  oder  gelbe  Strahlenfigur  und  des- 
gleichen auch  Scheibenfiguren.  Auf  diese  Art  hat  man  es 
ganz  in  der  Hand,  gelbe  oder  rothe  Strahlenfiguren  zu 
erhalten,  nur  sind  dann  letztere  nicht  minder  positiv  als 
erstere. 

§  3.  So  mannichfaltig  die  Stoffe  auch  waren,  mit  denen 
wir  experimentirten,  so  lieferten  sie  uns  doch  nur  dreierlei 
Staubfiguren:  1.  positive  strahlenförmige;  2.  positive  schei- 
benförmige; 3.  negative  scheibenförmige.  Niemals  -erzeugt 
negative  Electricität  eine  strahlenförmige  Figur,  ja  nicht 
einmal  nur  einen  einzigen  jener  radialen  Striche,  woraus 
eine  solche  gebildet  ist.  Positive  Electricität  liefert  aber  je 
nach  der  Wahl  des  Stoffes,  aus  dem  die  zur  Zufuhr  der 
Electricität  an  die  Harzfläche  benutzte  Electrode  hergestellt 
ist,  strahlen-  oder  scheibenförmige  Figuren.  Unverkennbar 
ist  hierbei  der  Einfluss  der  Leitungsfähigkeit.  Die  zehn 
besten  Leiter  in  jener  Reihe,  in  welcher  die  Encyclopedia 


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metropolitana l)  die  Stoffe  nach  ihrem  Leitungsvermögen 
geordnet  hat:  „Die  gebräuchlichsten  Metalle,  gut  gebrannte 
Holzkohle,  Graphit,  concentrirte  Säuren,  Kohlenpulver,  ver- 
dünnte Säuren,  Salzlösung,  Seewasser,  Quellwasser,  Regen- 
wasser" geben  insgesammt  Strahlennguren,  während  die  Halb- 
leiter überwiegend  Scheibenfiguren  liefern.  Diesen  Einfluss 
übt  die  Leitungsfähigkeit  der  Electrode  aus,  indem  sie  be- 
stimmend auf  die  Zeitdauer  der  Entladung  einwirkt.  Bezold 
hat  schon  bei  Metallspitzen  gefunden,  dass  die  Entladungs- 
dauer die  Form  der  positiven  Figuren  beeinflusse;  während 
dieselben  aus  vielen  geradlinigen  radialen  Strahlen  bestehen, 
wenn  die  Entladung  rasch  vor  sich  geht,  zeigen  sie  eine  ge- 
ringere Zahl  unregelmässig  verkrümmter  und  ungleich  langer 
Aeste,  wenn  die  Bildung  der  Figur  langsam  erfolgt.2)  So 
lange  man  jedoch  Metallspitzen  anwendet,  ist  die  Verlang- 
samung der  Entladung  nicht  im  Stande,  die  Strahlen  gänz- 
lich verschwinden  zu  machen  und  an  ihrer  Stelle  eine 
Scheibe  entstehen  zu  lassen.  Dazu  ist  es  noth wendig,  die 
Electrode  selbst  aus  einem  Halbleiter  statt  aus  einem  Leiter 
herzustellen. 

Zur  Erläuterung  des  Einflusses,  den  die  Entladungsdauer 
ausübt,  erinnern  wir  an  den  Unterschied  in  den  Wirkungen 
des  Oeffnungs-  und  Schliessungsstromes  beim  Ruhmkorffschen 
Apparat.  Die  in  Bewegung  gesetzte  Electricität  ist  in  beiden 
Fällen  die  gleiche.  Die  viel  kürzere  Zeit  aber,  während 
welcher  diese  Electricität  sich  beim  Oeffnungsstrome  dies- 
seits und  jenseits  der  Unterbrechungsstelle  ansammelt,  gibt 
ihr  in  diesem  Falle  die  Kraft,  einen  Funken  mit  Schlagweite 
zu  bilden,  was  wohl  kaum  jemals  ohne  Fortführung  von 
Electrodentheilchen  geschieht.  Auch  in  unserem  Falle  hängt 
von  der  Entladungsdauer  die  Kraft  ab,  womit  die  Electricität 
die  an  der  Electrode  befindlichen  Theilchen  loszutrennen 
und  als  Träger  der  Entladung  an  die  Platte  zu  führen  be- 
strebt ist. 

Ausser  der  Entladungsdauer  dürfte  noch  die  Oberflächen  - 

1)  Encyclopedia  metropolitana.  Lond.  1830.  Electricity  72.  Riesa, 
Reibung8electricität.  1.  p.  28.  Berlin  1853. 

2)  Bezold,  Pogg.  Ann.  144.  p.  341.  1871. 


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beschaffenheit  der  Electrode  bestimmend  darauf  einwirken, 
ob  Strahlenfigur  oder  Scheibe  entsteht.  Darauf  scheint  uns 
die  Strahlenfigur  bei  einigen  Halbleitern  hinzudeuten  und 
noch  mehr  das  Ergebniss  unserer  Versuche  mit  Holzspitzen, 
welche  nur  ganz  staubfrei  eine  reine  positive  Scheibe,  sonst 
aber  eine  solche  mit  einzelnen  radialen  Strichen  und  nach 
vorhergehender  Eintauchung  in  Metallstaub  sogar  eine  voll- 
ständig unvermischte  Strahlenfigur  liefern. 

Zur  unmittelbaren  Erklärung  aber,  warum  je  nach  den  an- 
geführten Umständen  Strahlenfigur  oder  Scheibe  sich  bildet, 
bietet  sich  nur  eine  einzige  natürliche  und  einfache  Annahme 
dar,  die  nämlich,  es  entstehe  die  positive  Strahlenfigur  durch 
Fortschleuderung  electrisirter  Stäubchen  von  der  Electrode 
zur  Platte,  die  positive  Scheibe  durch  Electricitätsüb ertra- 
gung mittelst  der  zwischen  Electrode  und  Platte  befindlichen 
Luft-  oder  Gastheilchen.  Dadurch  werden  alle  vorgedachten 
Versuche  begreiflich  und  zu  eben  so  vielen  Beweisen  der 
neuen  Vorstellung.  Bei  Metallspitzen  und  unverzögerter 
Entladung  werden  die  Stäubchen  hinreichend  starke  und 
zahlreiche  Impulse  erhalten,  um  die  Electricität  in  vielen 
geradlinigen,  radialen  Bahnen  an  die  Platte  zu  übertragen 
und  eine  regelmässige  Strahlenfigur  zu  bilden.  Die  Verlang- 
samung der  Entladung  z.  B.  durch  Einschaltung  eines  feuch- 
ten Leiters  zwischen  Electricitätsquelle  und  Spitze  vermin- 
dert den  Impuls  an  die  Stäubchen,  weshalb  dieselben  leichter 
von  ihren  Bahnen  abgedrängt  und  abgelenkt  werden,  wodurch 
sich  die  von  Bezold  in  diesem  Falle  beobachteten,  ver- 
krümmten und  ungleich  langen  Strahlen  erklären.  Dass  nur 
die  positive  Electricität  eine  Strahlenfigur  bildet,  hat  zur 
Urache,  dass  auch  Partikelchen  nur  durch  positive  Electri- 
cität aus  der  Oberfläche  der  Electroden  losgerissen  werden. 
Doch  wollen  wir  damit  Stäubchen  nicht  ausschliessen,  welche 
an  den  Electroden  haften  und  durch  die  Electricität  an  die 
Platte,  dort  strahlenbildend,  geführt  werden.  Bei  leitenden 
Flüssigkeiten  sind  die  electrisirten  Partikelchen,  welche  über 
die  Platte  in  radialen  Bahnen  hinstreifend  die  Strahlenfigur 
erzeugen,  sehr  feine  Tröpfchen,  meistens  von  unwahrnehm- 
barer Kleinheit.  Doch  bemerkten  wir  oftmals  Feuchtigkeits- 


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spuren  in  strahlenförmiger  Ausbreitung,  welche  beim  Be- 
stäuben mit  Villarsy'schem  Gemenge  gelbe,  radiale  Striche 
und  Strahlenfiguren  bildeten.  Alle  diese  Fortführungen  von 
Partikelchen  im  Sinne  der  Entladung  vom  Zuleiter  zur 
Platte,  wodurch  auf  letzterer  Strahlenfiguren  erzeugt  werden, 
werden  nur  durch  positive  Electricität  bewirkt  und  schliessen 
sich  darin  der  electrischen  Disgregation  an. 

Wenn  aber  bei  der  Anwendung  von  Electroden  aus  Halb- 
leitern, statt  aus  Leitern,  eine  positive  Scheibe  an  die  Stelle 
der  positiven  Strahlenfigur  tritt,  so  lässt  sich  auch  dies  nach 
der  angenommenen  Vorstellung  über  die  Entstehung  der 
letzteren  unschwer  begreifen.  Infolge  des  verminderten  Lei- 
tungsvermögens der  Electrode  und  »der  dadurch  bewirkten 
Verlangsamung  der  Entladung  fehlt  den  electrischen  Impul- 
sen die  Kraft,  Partikelchen  von  der  Electrode  abzutrennen 
und  zu  Trägern  der  Entladung  zu  machen.  Solche  Partikel- 
chen sind  es  aber,  welche  die  einzelnen  Strahlen  und  damit 
auch  die  Strahlenfigur  erzeugen.  Nach  ihrem  Wegfall  bleibt 
auch  für  die  positive  Electricität  nur  mehr  die  Uebertragung 
durch  die  Luft-  oder  Grastheilchen  übrig,  wie  sie  bei  der 
negativen  Electricität  jederzeit  und  ausschliesslich  statt  hat. 
Wenn  also  bei  den  Halbleitern:  Holz,  Wolle,  Tropfstein  etc. 
eine  scheibenförmige  positive  Figur  entsteht,  so  ist  dies  da- 
durch bedingt,  dass  die  electrischen  Impulse  zu  schwach 
sind,  um  Partikelchen  von  der  Electrode  loszutrennen,  aber 
stark  genug,  um  eine  merkbare  Quantität  Electricität  von 
der  Electrode  an  die  Platte  zu  überführen.  Bei  den  Isola- 
toren fallt  auch  das  letztere  und  damit  jede  Figur  weg. 

Schon  im  §  2  wiesen  wir  auf  die  Unterstützung  hin,  die 
unsere  Vorstellung  dadurch  erhält,  dass  bei  einer  nicht  staub- 
freien Holzstange  eine  gemischte  Figur  eigener  Art  entsteht, 
eine  gelbe  Scheibe  mit  einer  grösseren  oder  geringeren  An- 
zahl gelber,  radialer  Striche,  welche  durch  eine  stärkere  Lage 
Schwefel  sichtbar  werden,  eine  Figur,  die  also  zwar  ganz  und 
gar  positiv  ist,  aber  zum  Theile  strahlen-  und  zum  Theile  schei- 
benförmig; die  Scheiben  werden  wir  von  der  Gasentladung, 
die  Strahlen  von  der  Entladung  durch  Staubpartikelchen 
ableiten. 


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Zur  Bestätigung  unserer  Vorstellung  dienen  ferner  Be- 
obachtungen an  Figuren,  welche  man  unter  dem  Recipienten 
der  Luftpumpe  mittelst  eines  zuleitenden  Metallstabes  bei 
verschiedenen  Verdünnungsgraden  erzeugt.  Hier  bekommt 
man  bei  positiver  Electricität  zunächst  die  Strahlenfigur, 
welche  sich  mit  wachsender  Verdünnung  immer  mehr  ver- 
größert, bekanntlich  im  Verhältnisse  der  Verdünnung;  zu- 
gleich bemerkt  man  aber  bei  der  Bestäubung  im  Centrum, 
je  mehr  man  verdünnt,  um  so  mehr  eine  gelbe,  scheibenför- 
mige Figurenbildung,  wohl  von  der  sich  mit  der  Abnahme 
des  Druckes  immer  mehr  entwickelnden  Gasentladung  her- 
rührend. Endlich  gelangt  man  zu  einem  Verdünnungsgrade 
(20 — 60  mm  Quecksilberhöhe),  bei  dem  keine  Strahlenfigur 
mehr  entsteht,  und  nun  bemerkt  man  zuweilen  einen  gelben 
Kreisring,  den  man  kaum  anders  als  durch  Gasentladung 
erklären  kann.  Die  Bedingungen  für  die  Bildung  dieses 
Ringes  vermochten  wir  bisher  nicht  genau  festzustellen. 

Dass  Gasentladung  auch  bei  Metallspitzen  keine  Strahlen 
zu  erzeugen  im  Stande  ist,  wird  aber  noch  unmittelbarer 
durch  folgenden  Versuch  erwiesen.  Wir  durchbohrten  unsere 
Harzkuchen  derart  in  der  Mitte,  dass  eine  kleine  Stelle  der 
Metallform  blank  gelegt  wurde.  Die  Metallform  wurde  dann 
mit  dem  negativen  Pole  des  Ruhmkorffs,  die  in  einer 
Entfernung  von  10 — 20  mm  über  der  durchbohrten  Harz- 
platte befindliche  Metallelectrode  mit  dem  positiven  Pole 
verbunden,  sodass  ein  continuirlicher  Funkenstrom  durch  die 
Mitte  des  Harzkuchens  ging.  Der  grosse  Rumkorff  wurde 
dabei  durch  fünf  Bunsen'sche  Elemente  von  einem  Quadrat- 
fuss Zinkfläche  angeregt  und  entwickelte  eine  bedeutende 
Aureole.  Bestäubten  wir  nachher  die  Platte,  so  bekamen  wir 
die  auf  Taf.  V  abgebildete  Fig.  14.  Man  nimmt  an  ihr  zwei 
positive  Strahlenkränze  und  einen  positiven  (gelben)  Kreis- 
ring wahr.  Wir  hatten  denselben  als  eine  Wirkung  der  reich 
entwickelten  Aureole  erwartet  und  schreiben  ihn  daher  der- 
selben zu,  um  so  mehr,  da  der  Ring  durch  Wegblasen  der 
Aureole  excentrisch  wird.  Andererseits  werden  wir  aber  die 
gleichzeitig  auftretenden  Strahlenkränze,  wie  überhaupt  die 
sonst  bei  Metallspitzen  so  regelmässig  erzeugten  Strahlen- 


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figuren  als  eine  Wirkung  electrisirter,  von  der  Electrode  zur 
Platte  im  Sinne  des  Entladungsstromes  übergeführter  Stäub- 
chen  betrachten. 

Sehen  kann  man  allerdings  diese  Stäubchen  auf  der 
Harzplatte  nicht.  Man  bedenke  jedoch,  welchen  Zustand 
höchst  feiner  Vertheilung  der  bei  den  Aufstreuungsringen 
heruntergeführte  Metallstaub  besitzt,  und  wie  relativ  wenige 
solcher  Stäubchen  zur  reichsten  Strahlenfigur  genügen.  Ebenso 
wenig  wird  man  aber  erwarten,  den  Gewichtsverlust  der 
Spitzen  infolge  der  Losreissung  von  Theilchen  durch  Wä- 
gungen nachweisen  zu  können,  nachdem  dies  schon  bei  den 
Aufstreuungsringen  Schwierigkeiten  bereitet,  und  kein  Zweifel 
obwaltet,  dass  zur  Bildung  von  Aufstreuungsringen  ohne 
Vergleich  grössere  Mengen  losgerissener  Electrodentheilchen 
erforderlich  sind,  als  zur  Bildung  der  positiven  Lichtenberg  - 
schen  Strahlenfigur. 

Bekanntlich  besitzen  die  Lichtenberg'schen  Figuren  die 
Eigenschaft,  dass  ihre  Bestandteile,  je  nachdem  sie  positiv 
oder  negativ  sind,  bei  der  Bestäubung  die  gelbe  oder  rothe 
Farbe  annehmen.  Indem  man  also  stets  nur  gelbe  Strahlen- 
figuren und  nie  rothe  bekommt,  und  selbst  der  einzelne 
radiale  Strich  stets  nur  gelb  und  niemals  roth  ist,  wird  von 
den  Partikelchen  selbst,  von  den  Stäubchen  oder  Tröpfchen, 
welche  Strahlen  erzeugen,  bis  zum  einzelnen  Partikelchen 
herab  der  Nachweis  geliefert,  dass  ausschliesslich  die  posi- 
tive Entladung  solche  Theilchen  von  der  Electrode  abtrennt 
und  zur  Platte  führt.  Mittelst  Analogieschlusses  dient  dies 
auch  zur  Bestätigung  des  ausschliesslich  positiven  Charakters 
der  bei  den  Kingfiguren  beobachteten  Losreissung  und  elec- 
trischen  Disgregation. 

Dagegen  ist  die  electro-negative  Entladung  aus  Metall 
oder  einem  anderen  Leiter  in  Luft  weder  im  Stande,  eine 
electrische  Disgregation  der  Electrode,  noch  eine  Fortfüh- 
rung von  Staubtheilchen  zu  bewirken  und  vermag  daher  auch 
keine  strahlenförmige  Staubfigur  zu  erzeugen.  Bei  Bildung 
von  Lichtenberg'schen  Figuren  findet  die  Entladung  von 
negativer  Electricität  ausschliesslich  als  Gasentladung  statt. 

Wir  glauben  somit  zur  Erklärung  der  Formverschieden- 


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heit  der  Lichtenberg'schen  Figuren  den  Satz  aussprechen  zu 
,  können: 

Die  positive  Lichtenberg'sche  Strahlenfigur 
wird  durch  einzelne  von  der  Electrode  losgerissene 
oder  fortgeführte  Staubpartikel  erzeugt,  die  posi- 
tive, sowie  die  negative  Scheibenfigur  werden  da- 
gegen durch  Gasentladungen  hervorgebracht. 


Nachschrift  von  Edmund  Reitlinger. 

In  der  im  Eingange  von  §  2  der  vorstehenden  Abhand- 
lung citirten  Mittheilung  hat  Hr.  W.  Holtz  electrische 
Figuren  auf  Oelen  beschrieben  und  abgebildet.  In  dieser 
Beziehung  sehe  ich  mich  zu  einer  Prioritätsreclamation  ge- 
nöthigt  Schon  im  Jahre  1862  habe  ich  unter  Assistenz  des 
Hrn.  Luka  Zerjau  Lichtenberg'sche  Figuren  auf  Oelen 
dargestellt  und  eine  Mittheilung  darüber  der  von  mir  und 
Franz  Kraus  in  den  Sitzungsberichten  der  k.  Academie 
der  Wissenschaften  veröffentlichten  Abhandlung  „über  Bran- 
de's electro-chemische  Untersuchungen"  anmerkungsweise 
beigefügt.1)  Daselbst  heisst  es:  „Man  erhält  Lichtenberg'sche 
Figuren  auf  Oelen  durch  Entladung  positiver  oder  negativer 
Electricität  von  einer  Spitze  gegen  die  in  einer  kleinen  Ent- 
fernung befindliche  Oberfläche  des  Oeles.  Man  bekommt 
sodann  unter  der  positiven  Spitze  eine  sternförmige  Figur, 
gebildet  durch  Wellenberge,  welche  unter  der  Spitze  zusaro- 
menstossen.  Unter  der  negativen  Spitze  erhält  man  Wellen- 
züge, die  in  concentrischen  Kreisen  die  Spitze  umschliessen. 
Die  Wellen  richtun gen  der  ersten  und  zweiten  Figur  stehen 
aufeinander  senkrecht."  Ich  glaube  nun  nicht  zu  irren,  dass 
vorstehende  Schilderung  die  von  Hrn.  Holtz  abgebildeten 
und  beschriebenen  beiden  Oelh'guren2),  welche  Hr.  Luka 
Zerjau  und  ich  schon  damals  beobachtet  haben,  auch  für 
dritte  Personen  unverkennbar  darstellt.  Dagegen  ist,  so  weit 
mein  Wissen  reicht,  Hr.  W.  Holtz  der  erste,  welcher  sich 


1)  Reitlinger,  Wien.  Ber.  4tf.  p.  374.  1862. 

2)  Holtz,  Wied.  Ann.  11.  p.  717.  1880. 


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sowohl  bei  Oelfiguren  als  gewöhnlichen  Staubfiguren  hölzer- 
ner Zuleiter  bedient  hat. 

Versuche,  welche  im  Texte  der  oben  citirten  Abhand- 
lung mitgetheilt  sind1),  geben  mir  noch  zu  einer  ferneren 
Prioritätsreclamation  Hrn.  Holtz  gegenüber  Anlass,  zu  der 
ich  mich  im  eigenen  und  im  Interesse  des  Mitverfassers  jener 
Abhandlung,  des  Hrn.  Franz  Kraus,  gezwungen  sehe.  Hr. 
Holtz  beschreibt2)  eine  Reihe  von  Versuchen  über  polar- 
electrische  Attraction  suspendirter  Körperchen  in  isolirenden 
Flüssigkeiten,  von  denen  er  sagt,  er  müsse  sie,  „soweit  seine 
Ermittelungen  reichen",  für  neu  halten.  Solche  Versuche 
haben  aber  ich  und  mein  Mitarbeiter  schon  1862  mit  Kork- 
feilicht, Kohlenpulver  und  Schwefelblumen  angestellt;  während 
die  suspendirten  Theilchen  der  zwei  ersten  Stoffe  sich  am 
negativen  Pole  ablagerten,  thaten  dies  die  Schwefeltheilchen 
am  positiven  Pole.  Auch  wir  bedienten  uns  wie  Holtz,  im 
Unterschiede  zu  Quincke,  weiter,  offener  Gefässe,  nur 
mussten  wir  uns  auf  die  Reibzeugmaschine  beschränken,  da 
uns  1862  die  Influenzmaschine  noch  nicht  zu  Gebote  stand. 
Der  Erfolg  ist  aber,  wie  Holtz  selbst  bemerkt,  bei  der  An- 
wendung isolirender  Flüssigkeiten  von  diesem  Umstände  un- 
abhängig. Auch  die  Figuren  zwischen  den  Polen,  welche 
den  magnetischen  Curven  gleichen,  bemerkten  wir  schon  und 
gebrauchten  denselben  Vergleich.  Wenn  aber  Hr.  Holtz 
das  „Ankleben"  der  Theilchen  an  den  Polen  besonders  be- 
tont, so  wollten  wir  mit  dem  Ausdrucke  „Ueberzug"  der  Pole 
offenbar  dieselbe  Erscheinung  bezeichnen,  was  um  so  unver- 
kennbarer ist,  als  es  eine  von  uns  ersonnene  Theorie  der 
electrolytischen  Ausscheidung  an  den  Polen  war,  was  uns  zu 
den  Experimenten  führte,  deren  Erfolg  in  der  später  gefun- 
denen Weise  wir  im  voraus  vermuthet  hatten.  Die  Ablage- 
rung der  Schwefeltheilchen  am  positiven  und  der  Kork-  oder 
Kohlentheilchen  am  negativen  Pole,  wie  sie  am  angeführten 
Orte  bereits  1862  beschrieben  ist  und  Jahre  später,  wenn 
auch  davon  unabhängig,  von  Hrn.  Holtz  beobachtet  wurde, 
»  • 

1)  Reitlinger,  Wien.  Ber.  46.  p.  376—378.  1862. 

2)  Holtz,  Pogg.  Ann.  Ergbd.  7.  p.  490.  1876. 

Ann.  d.  Phys.  u.  Chem.  N.  F.  XIV.  39 

\  I 


610 


A.  Ritter. 


betrachte  ich  als  electrische  Fundamentalerscheinung  und 
schreibe  ihr  für  die  Erklärung  der  Electrolyse  eine  grund- 
legende Bedeutung  zu;  nach  meiner  Ansicht  stellt  sie  näm- 
lich den  electrischen  Vorgang  bei  der  electrolytischen  Aus- 
scheidung dar,  losgelöst  vom  chemischen  Processe.  Daher 
lege  ich  Werth  darauf,  die  Erscheinung  schon  im  Jahre  1862 
mit  meinem  Mitarbeiter  aufgesucht  und  gefunden  zu  haben. 


VI.    Untersuchungen  über  die  Höhe  der 
Atmosphäre  und  die  Constitution  gasförmiger 
Weltkörper ;  von  A.  Mitter  in  Aachen. 

Zwölfte  Abtheilung. 


§  45.    Atmosphäre  von  überhitztem  Wasserdampfe. 

Wenn  mit  p  der  Druck  und  mit  v  das  specifische  Volu- 
men des  gesättigten  Wasserdampfes  bei  der  Temperatur  von 
t  Grad  Celsius  bezeichnet  wird,  und  wenn  das  Gesetz,  nach 
welchem  p  mit  v  sich  ändert,  durch  eine  Curve  geometrisch 
dargestellt  wird,  so  repräsentirt  —  wie  in  §  27  gezeigt  wurde 
—  der  Flächeninhalt  der  von  dieser  Curve  begrenzten  Fläche 
F  (als  deren  obere  Begrenzung  die  Coordinate  v  anzusehen 
ist)  die  Höhe,  welche  eine  Atmosphäre  klaren,  gesättigten 

Wasserdampfes  auf  einem  Welt- 
körper  von  der  Grösse  und  Masse 
der  Erde  besitzen  würde,  wenn 
die  Temperatur  der  untersten 
Atmosphärenschicht  -f- 1  Grad 
Celsius  beträgt. 

Die  ganze  Fläche  F  kann 
man  sich  auf  die  in  Fig.  17  an- 
gedeutete Weise  in  die  beiden 


Fig.  17. 


Theile  F0  und  f  zerlegt  denken, 
von  denen  der  erstere  den  der 
Temperatur  von  Null  Grad  Celsius  entsprechenden  Werth  von 
F  darstellt,  während  der  letztere  den  der  Temperaturzunahme 


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A.  Hüter. 


611 


von  Null  bis  +  t  entsprechenden  Zuwachs  von  F repräsentirt. 
Da  innerhalb  der  Temperaturgrenzen  t  =  +200°  und  l=  —  30° 
die  Forin  jener  Curve  ziemlich  genau  bekannt  ist,  so  kann  inner- 
halb dieser  Grenzen  für  jeden  Werth  von  t  der  zugehörige 
Werth  von  /  unabhängig  von  jeder  Hypothese  numerisch 
bestimmt  werden,  und  man  erhält  z.  B.  die  nachfolgenden 
zusammengehörigen  Zahlenwerthe: 

t   =       +100°  +30°  0°  -30°  -273° 

/  sb       +79000  +  27000       0  -32000  -F0 

F  =  F0  +79000     F0  +27000       F0       i^0-32000  0 

Die  Art  des  Verlaufes  der  Curve  innerhalb  desjenigen 
Gebietes,  für  welche  dieselbe  genau  bekannt  ist,  rechtfertigt 
die  Hypothese,  dass  die  mit  F0  bezeichnete  Fläche  eine 
endliche  Grösse  hat.  Da  jedoch  für  Temperaturen  unter- 
halb —  30  Grad  Celsius  die  Form  jener  Curve  nur  annähe- 
rungsweise bekannt  ist,  so  entzieht  sich  die  Grösse  F0  selbst 
einer  genaueren  numerischen  Bestimmung.  Als  einigermassen 
sicher  darf  man  annehmen,  dass  die  durch  diese  Fläche 
repräsentirte  Atmosphärenhöhe  mehr  als  350  000  m  beträgt. 
Denn  jedenfalls  ist  die  Höhe  der  klaren  (d.  h.  von  Con- 
densationsproducten  freien)  gesättigten  Wasserdampfatmo- 
sphäre grösser  als  diejenige  Höhe,  welche  die  gesättigte 
Wasserdampfatmosphäre  bei  adiabatischer  Zustandslinie 
annehmen  würde,  für  welchen  letzteren  Fall  in  §  3  die  Höhe 
#=348  952  m  als  Annäherungswerth  gefunden  wurde  (vgl.  §27). 
Da  es  jedoch  nicht  die  absoluten  Werthe  von  F,  sondern 
nur  die  Differenzen  derselben  sind,  welche  bei  der  nach- 
stehenden Untersuchung  zur  Verwendung  kommen,  so  ist  es 
für  den  vorliegenden  Zweck  nicht  erforderlich,  in  Betreff 
des  numerischen  Werthes  der  Grösse  F0  neue  Hypothesen 
aufzustellen. 

Für  ein  ideales  Gas  würde  die  Höhe  der  im  indiffe- 
renten oder  adiabatischen  Gleichgewichtszustande  befindlichen 
Atmosphäre  nach  der  in  §  2  gefundenen  Gleichung  zu  be- 
rechnen sein,  und  für  die  Höhendifferenz  zweier  Punkte,  in 
welchen  die  Temperatur  resp.  t  und  ^  Grad  Celsius  beträgt, 
erhält  man  den  Werth: 

39* 


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612 


A.  Ritter. 


(450)  h=±[t-tx). 

Bei  sehr  geringer  Dichtigkeit  darf  der  überhitzte 
Wasserdampf  annäherungsweise  als  ein  ideales  Gas  behandelt 
werden,  für  dessen  Constanten  die  Werthe: 

Ä  =  47,        A=l,3,        cp  =  Ö,48 

anzunehmen  sind.  Aus  der  obigen  Gleichung  ergeben  sich 
hiernach  für  überhitzten  Wasserdampf  z.  B.  die  nachfol- 
genden zusammengehörigen  Zahlenwerthe: 


t   =  +100°  +100° 
t,  =  4-100°  +30° 
h   -     0  14250  m 


+  100° 

0° 
20350  m 


+  100° 
-30° 
26460  m 


+  100° 
-273° 
75900  m 


Da  bei  fortgesetzter  adiabatischer  Ausdehnung  der  über- 
hitzte Wasserdampf  schliesslich  in  gesättigten  Wasser- 
dampf übergeht,  so  wird  die  adiabatische  Curve  des  ersteren 
die  Grenz  curve  des  gesättigten  Dampfes  in  irgend  einem 
Punkte  schneiden  müssen,  und  dieser  Durchschnittspunkt  wird 
unter  sonst  gleichen  Umständen  einer  um  so  niedrigeren 
Temperatur  entsprechen,  oder  einem  um  so  grösseren  Volu- 
men, je  weiter  der  Zustand  des  Dampfes  ursprünglich  vom 
Sättigungspunkte  entfernt  war. 

Eine  im  adiabatischen  Zustande  befindliche  Wasser- 
dampfatmosphäre, deren  unterer  Theil  im  überhitzten  Zu- 
stande sich  befindet,  wird  daher  in  ihrem  oberen  Theile  aus 
gesättigten  Dampfe  bestehen,  und  beim  Niederfallen  der 
Condensationsproducte  wird  der  obere  Theil  die  Zustands- 
form  des  klaren,  gesättigten  Dampfes  annehmen.   Die  ganze 

Höhe  einer  solchen  Atmosphäre 
ist  zu  berechnen  aus  der  Glei- 
chung: 

(451)  H  —  F+  h, 
und  kann  auf  die  in  Fig.  18 
angedeutete  Weise  dargestellt 
werden  durch  eine  Fläche,  deren 
Theile  Fund  h  mittelst  der  oben 
angegebenen  Methoden  einzeln 
Fig.  18.  bestimmt  werden  können,  sobald 


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A,  Ritter. 


613 


die  Bodentemperatur  t  und  die  Sättigungstemperatur  f,  ge- 
geben sind. 

Mit  der  Sättigungstemperatur  tx  (oder  derjenigen  Tem- 
peratur, welche  dem  oben  erwähnten  Durchschnittspunkte 
der  adiabatischen  Ourve  mit  der  Grenzcurve  entspricht)  sind 
zugleich  die  Werthe  p}  und  vlf  resp.  für  den  Druck  und 
das  specifische  Volumen  des  gesättigten  Dampfes  bei  dieser 
Temperatur  gegeben.  Hiernach  kann  man  die  dem  Zustande 
der  untersten  Schicht  entsprechenden  Werthe  von  p  und  v 
berechnen  aus  der  für  die  adiabatische  Zustandsänderung  des 
überhitzten  Wasserdampfes  geltenden  Gleichung: 

w>        i  -  (Söf1-  ist 

sobald  die  Temperatur  der  untersten  Schicht  gegeben  ist. 
Wenn  für  die  letztere  Temperatur  z.  B.  der  Werth  *  =  -f-100° 
Celsius  angenommen  wird,  so  ergeben  sich  auf  diese  Weise 
die  nachfolgenden  zusammengehörigen  Zahlenwerthe: 


t 

+  100° 

+  100° 

+  100° 

+  100° 

+  100° 

V 

1,65  cm 

16,6 

72,55 

521,4 

oo 

V 

10333  kg 

1056 

241,6 

33,6 

0 

+  100° 

+  30° 

0° 

-30° 

-273° 

1,65  cm 

33,2 

205,3 

2175,4 

00 

Pi 

10333  kg 

429 

62,5 

5,25 

0 

h 

0  m 

14250 

20350 

26460 

75900 

H  =  F0  +  79000  m    -F0  +  41250     ^+20350     i^-5540  75900 

Diese  Tabelle  zeigt,  dass  die  Höhe  der  Wasserdampf- 
atmosphäre nicht  nur  von  der  Temperatur,  sondern  auch 
von  der  Dichtigkeit  der  untersten  Schicht  abhängt.  Je 
grösser  das  specifische  Volumen  der  untersten  Schicht  ist, 
d.  h.  je  weiter  der  Zustand  derselben  vom  Sättigungspunkte 
entfernt  liegt,  um  so  grösser  ist  die  Höhe  der  Sättigungs- 
grenze über  der  Bodenfläche,  und  um  so  kleiner  ist  die  ganze 
AtmoBphärenhöhe.  Mit  wachsendem  Werthe  von  v  nähern 
sich  diese  beiden  Höhen  dem  gemeinschaftlichen  Grenzwerthe 
h  =  H=  75900  m. 

In  dem  oberhalb  der  Sättigungsgrenze  befindlichen  Ge- 


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614 


A.  Ritter. 


biete  des  klaren,  gesättigten  Dampfes  wird  jede  Vertical- 
strömung  eine  Condensation  oder  Wolkenbildung  verur- 
sachen. Man  kann  daher  diesen  oberen  Theil  das  Wolken- 
gebiet und  die  Horizontalebene,  in  welcher  der  überhitzte 
Dampf  an  den  gesättigten  Dampf  grenzt,  die  untere  Grenze 
des  Wolkengebietes  nennen.  Da  mit  px  der  Druck  in  dieser 
Grenzfläche  bezeichnet  wurde,  so  hat  die  ganze  Masse  des 
Wolkengebietes  ein  Gewicht  von  pl  Kilogrammen  pro  Qua- 
dratmeter der  Bodenfläche,  während  die  ganze  Atmosphäre 
ein  Gewicht  von  p  Kilogrammen  pro  Quadratmeter  der  Bo- 
denfläche besitzt. 

Die  obige  Tabelle  zeigt,  dass  nicht  nur  das  Gewi c Ii t 
des  Wolkengebietes,  sondern  auch  das  Verhältniss  des- 
selben zum  Totalgewichte  der  Atmosphäre  einen  um  so  klei- 
neren Werth  annimmt,  je  grösser  die  Ueberhitzung  oder  je 
geringer  die  Dichtigkeit  der  untersten  Schicht  ist.  Denn 
für  die  Verhältnisszahl  pjp  ergeben  sich  aus  der  obigen 
Tabelle  die  folgenden  Werthe: 

v  =  1,65  16,6         72,55       521,4  00 

&  =    1  0,406        0,259        0,156  0 

V 

Wenn  z.  B.  v  =  16,6  ist,  so  beträgt  das  Gewicht  des  Wol- 
kengebietes 429  kg  pro  Quadratmeter  oder  40,6  Proc.  vom 
Totalgewichte  der  Atmosphäre;  wenn  dagegen  v  ==  521,4  ist, 
so  beträgt  das  Gewicht  des  Wolkengebietes  nur  5,25  kg  pro 
Quadratmeter  oder  15,6  Proc.  vom  Totalgewichte  der  Atmo- 
sphäre. 

Noch  viel  kleinere  Werthe  ergeben  sich  für  die  Masse 
des  Wolkengebietes  pro  Quadratmeter  der  Bodenfläche  in 
der  Atmosphäre  eines  Weltkörpers,  an  dessen  Oberfläche 
die  Fallbeschleunigung  beträchtlich  grösser  ist  als  an  der 
Erdoberfläche.  So  z.  B.  würde  in  Bezug  auf  einen  Welt- 
körzer  von  der  Grösse  und  Masse  der  Sonne  sich  ergeben, 
dass  die  Masse  des  Wolkengebietes  nur  den  27,4-ten  Theil  be- 
trägt von  derjenigen  Masse,  welche  unter  gleichen  Umstän- 
den für  einen  Weltkörper  von  der  Grösse  und  Masse  der 
Erde  sich  ergeben  würde.  Wenn  man  also  z.  B.  wieder 
annimmt,  dass  dem  Werthe      +100  Grad  Celsius  der  Werth 


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A.  Ritter. 


615 


v  —  521,4  entspricht,  so  würde  in  der  Dampfatmosphäre 
eines  Weltkörpers  von  der  Grösse  und  Masse  der  Sonne 
unter  diesen  Umständen  die  ganze  Masse  des  Wolken- 
gebietes nur  0,19  kg  pro  Quadratmeter  der  Bodenfläche 
betragen. 

Da  bei  einer  durch  Verticalströmungen  verursachten 
wirklichen  Wolkenbilduog  immer  nur  ein  Bruchtheil  von 
der  ganzen  Masse  des  Wolkengebietes  zur  Condensation  ge- 
langen kann,  so  folgt  hieraus,  dass  bei  sehr  geringer 
Dichtigkeit  der  untersten  Schicht  oder  bei  sehr  grosser 
Entropie  der  Dampfatmosphäre  eine  Wolkenbildung  über- 
haupt nicht  —  oder  wenigstens  nur  in  verschwindend  ge- 
ringem Maasse  —  eintreten  kann. 

Bei  unendlich  kleiner  Dichtigkeit  der  untersten 
Schicht  würde  demnach  die  ganze  Wasserdampfatmosphäre 
als  eine  ideale  Gasatmosphäre  behandelt,  und  die  Höhe  der- 
selben nach  der  in  §  2  für  ideale  Gase  gefundenen  Glei- 
chung berechnet  werden  dürfen.  Der  Bodentemperatur 
t  =  +100°  würde  also  bei  einem  Weltkörper  von  der  Grösse 
und  Masse  der  Erde  die  Atmosphärenhöhe  H=  75900  m, 
und  bei  einem  Weltkörper  von  der  Grösse  und  Masse  der 
Sonne  die  Atmosphärenhöhe         2770  m  entsprechen. 

Unter  der  Voraussetzung,  dass  der  hier  speciell  für 
Wasserdampf  gefundene  Satz  auch  für  andere  condensirbare 
Gase  als  gültig  zu  betrachten  ist,  würde  man  denselben  auch 
auf  die  wirkliche  Sonnenatmosphäre  anwenden  können.  Wenn 
es  also  gelänge,  den  Nachweis  zu  führen,  dass  die  Sonnen-  / 
atmosphäre  eine  ausserordentlich  grosse  Entropie  be- 
sitzt, so  würde  hiermit  zugleich  der  Beweis  geführt  sein, 
dass  Condensationsproducte  in  wahrnehmbaren  Quantitäten 
in  der  Sonnenatmosphäre  überhaupt  nicht  entstehen  können. 

§46.  Einfluss  der  Dissociation  auf  die  Form  der  adiabatischen 

Zustandslinie. 

Wenn  zwischen  dem  beweglichen  Kolben  und  dem  Boden 
eines  cyündrischen  Gefasses,  dessen  Wände  für  Wärme  un- 
durchdringlich sind,  ein  Kilogramm  Knallgas  eingeschlossen 
ist,  dessen  Temperatur  anfänglich  so  hoch  war,  dass  eine 


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616 


A.  Ritter. 


chemische  Verbindung  der  beiden  Gase  Wasserstoff  und  Sauer- 
stoff noch  nicht  eintreten  konnte,  so  wird  bei  einer  durch 
Verschiebung  des  Kolbens  nach  aussen  veranlassten  adiaba- 
tischen Ausdehnung  des  Gases  die  Temperatur  desselben 
allmählich  bis  zu  demjenigen  Punkte  sinken,  bei  welchem 
die  chemische  Verbindung  der  beiden  Gase  beginnt,  und  bei 
immer  weiter  fortgesetzter  adiabatischer  Ausdehnung  wird 
nach  und  nach  die  ganze  Masse  in  die  Zustandsform  des 
Wasserdampfes  übergehen. 

Wenn  dann  später  wieder  eine  adiabatische  Compres- 
sion  stattfände,  so  würde  die  Grasmasse  in  umgekehrter 
Eeihenfolge  dieselben  Zustände  durchlaufen  und  schliesslich 
wieder  in  die  Zustandsform  des  Knallgases  zurückkehren. 
Jeder  bestimmten  Stellung  des  Kolbens  zwischen  denjenigen 
beiden  Grenzstellungen,  bei  welchen  der  Dissociationsprocess 
resp.  beginnt  und  endigt,  wird  ein  bestimmtes  Mischungs- 
verhältnis der  beiden  Gase  Wasserdampf  und  Knallgas  ent- 
sprechen. 

Für  diejenigen  beiden  Wärmequantitäten  U  und  Q, 
welche  einer  Gasmasse  von  1  kg  Gewicht  zugeführt  werden 
müssten,  um  dieselbe  resp.  das  eine  mal  bei  constantem 
Volumen  u,  das  andere  mal  bei  constantem  Drucke  p,  vom 
absoluten  Nullpunkte  bis  zur  absoluten  Temperatur  T  zu 
erwärmen  und  in  denjenigen  Zustand  überzuführen,  welcher 
den  zusammengehörigen  Werthen  p,  v,  T  entspricht,  gilt 
nach  der  mechanischen  Wärmetheorie  die  Gleichung: 

(453)  ,     Q  =  U  +  Apv,    oder   dQ  =  dU  +  Ad  (pv). 

Die  Wärmequantität  U  soll  die  innere  Wärme,  und 
die  Wärmequantität  Q  die  Total  wärme  der  Masse  genannt 
werden. 

Für  die  adiabatische  Zustandsänderung  gilt  nach  der 
mechanischen  Wärmetheorie  die  Gleichung: 

(454)  dU+  Apdv^O, 

und  nach  Substitution  des  hieraus  für  dU  zu  entnehmenden 
Werthes  kann  man  der  vorhergehenden  Gleichung  auch 
die  folgende  Form  geben: 

(455)  dQ^Avdp. 


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A,  Bitter. 


617 


Wenn  das  Gemisch  von  Knallgas  und  Wasserdampf  in 
demjenigen  Zeitpunkte,  welchem  der  durch  die  Werthe 
p,  u,  T  charakterisirte  Zustand  entspricht,  x  Kilogramm 
Knallgas  *und  1  —  x  Kilogramm  Wasserdampf  enthielt,  und 
wenn  mit  W  die  Dissociationswärme  des  Wasserdampfes  bei 
constantem  Volumen  bezeichnet  wird  (oder  diejenige  Wärme- 
quantität, um  welche  die  innere  Wärme  von  1  kg  Knallgas 
grösser  ist  als  die  innere  Wärme  eines  Kilogramms  Wasser- 
dampf von  gleichem  Volumen  und  gleicher  Temperatur), 
wenn  ferner  mit  c,  und  c0,  resp.  die  Werthe  der  specifischen 
Wärme  des  Knallgases  und  des  Wasserdampfes  bei 
constantem  Volumen  bezeichnet  werden,  so  ist  die  bei  adia- 
batischer Compression  stattfindende  Zunahme  der  inneren 
Wärme  zu  berechnen  aus  der  Gleichung: 

(456)  dU=c1xdT  +  c0{\-x)dT+  Wdx. 

In  Bezug  auf  das  Dissociationsgesetz  soll  hier  die  nur 
annäherungsweise  richtige  Voraussetzung  gemacht  werden, 
dass  der  Dissociationsprocess  proportional  der  Temperatur- 
zunahme fortschreitet.  Wenn  also  mit  T0  und  Tx  resp.  die 
Temperaturen  zu  Anfang  und  am  Ende  des  Dissociations- 
processes  bezeichnet  werden,  so  ist  hiernach: 

(457)  X=%~-Tfs    oder    da,=  2^T0 

zu  setzen,  und  nach  Substitution  des  hieraus  für  dT  zu  ent- 
nehmenden Werthes  kann  man  der  vorhergehenden  Glei- 
chung die  folgende  Form  geben: 

(458)  dU=  (c,  -  c0)  (T,  -  T0)  xdx+c,^-  T0)dx  +  Wdx. 

Indem  man  diese  Gleichung  zwischen  den  Grenzen  x=0 
und  x=l  integrirt  (wobei  die  Grössen  IV,  clf  c0  annähe- 
rungsweise als  constant  betrachtet  werden  dürfen),  erhält  man 
für  die  ganze  während  des  Dissociationsprocesses  stattfindende 
Zunahme  der  inneren  Wärme  den  Werth: 

(459)  üi-tfo*        C°)  W  -  T0)  + 

und  nach  Gleichung  (453)  für  die  gleichzeitig  stattfindende 
Zunahme  der  Totalwärme  den  Werth: 


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A.  Ritter. 


Pi* 

(460)  Q1  -      =  üx  -  U0  +  Af  d(pv). 

Pdf  vo 

Wenn  mit  22.  und  R0  die  Werthe  der  Constanten»  des  Ma- 
ri otte-Gay-Lussac'schen  Gesetzes,  resp.  für  Knallgas  und 
Wasserdampf  bezeichnet  werden,  so  kann  man  der  letzteren 
Gleichung  auch  die  folgende  Form  geben: 

(461)  Qx  -  Qo  =  (H*)  (Ti  -T0)  +  W+A  {R,  7\-  ä0T0). 

Zur  Berechnung  der  während  des  Dissociationsprocesses 
stattfindenden  Volumenänderung  kann  man  die  Gleichung 
(458)  benutzen,  indem  man  darin  für  die  Grössen  dU  und 
resp.  die  aus  den  Gleichungen  (454)  und  (457)  zu  entneh- 
menden Werthe  einsetzt;  man  erhält  dann  die  Gleichung: 

(462)  -  Ap  dv  =  [(Cl  -  c0)  (* :  -  |)  +  c0  +  -z^r)  dT .  f 

Der  Totaldruck  setzt  sich  zusammen  aus  den  beiden 
Beiträgen  öx  und  ö0,  welche  resp.  das  Knallgas  und  der 
Wasserdampf  zu  demselben  liefern.  Nach  dem  Mariotte- 
Gay-Lussac'schen  Gesetze  sind  diese  Drucke  zu  berechnen 
aus  den  Gleichungen: 

(463)  p1(^)  =  Ä1T,  (464)  -  R,  T, 

(465)  +  p0  =  |{Ä1*  +  Ä0(l-*)}, 

welcher  letzteren  man  nach  Substitution  des  aus  Gleichung 
(457)  für  x  zu  entnehmenden  Werthes  die  folgende  Form 
geben  kann: 

(466)  {[^Z  g)  (T-  T0)  +  Ä0}  - 

Wenn  man  diesen  Ausdruck  für  ^  in  Gleichung  (462)  ein- 
setzt und  nachher  die  Integration  derselben  ausführt,  so  er- 
hält man  die  folgenden  Gleichungen: 

©i  T 

UM\       _  A  f*2  -  f/fo  -  CQ>  TJL  (co  ?\  -  c,  T0  +  TT)1  ,T 

' *  fe)  -       (4) + ( lo*  (ft)  • 


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A.  Ritte?'. 


619 


Annäherungsweise  kann  man  hierin  c2  =  0,406.  c0=0,37, 
jRj  =  70,5,  Ä0  =  47  und  ^=3300  setzen,  indem  man  voraus- 
setzt, dass  v0  sehr  gross  war,  und  dass  infolge  dessen  die 
während  des  Dissociationsproeesses  zunehmende  Dichtigkeit 
am  Ende  desselben  diejenige  Grenze  noch  nicht  überschritten 
hatte,  bei  welcher  die  annähernde  Gültigkeit  des  Mariotte- 
Gay-Iiiissac'schen  Gesetzes  aufhört. 

Die  beiden  Grenztemperaturen  Tx  und  T0  sind  noch 
nicht  genügend  bekannt;  insbesondere  fehlt  die  genauere 
Kenntniss  des  Gesetzes,  nach  welchem  dieselben  mit  dem 
ursprünglichen  Drucke  oder  dem  Entropie werthe  des  Was- 
serdampfes sich  ändern.  Bei  atmosphärischem  Drucke  liegt 
wahrscheinlich  die  obere  Grenztemperatur  zwischen  3000  und 
4000  Grad,  die  untere  zwischen  1000  und  2000  Grad.  Wenn 
man  demgemäss  annäherungsweise  Tj=3500  und  To=1500 
setzt,  so  erhält  man  die  Werthe: 

(469)       U-  U0  =  4076,  (470)       Q1  -  Q0  =  4492, 

(471)  ^-  =  431000. 

Wenn  zwar  den  numerischen  Resultaten  dieser  Unter- 
suchung nur  ein  geringes  Gewicht  beizulegen  ist,  so  darf 
doch  der  Zweck  derselben  als  erreicht  betrachtet  werden, 
nämlich  zu  zeigen,  dass  bei  adiabatischem  Dissociationspro- 
cesse  einer  Gasmasse  das  Latentwerden  der  Dissociations- 
wärme  W  stets  eine  beträchtliche  Dichtigkeitszunahme  be- 
dingt, und  dass  der  Quotient  v0/vl  mit  wachsendem  Werthe 
von  W  ausserordentlich  rasch  zunimmt.  Wenn  man  z.  B. 
mit  Beibehaltung  der  übrigen  Zahlenwerthe  W  —  0  setzte, 
so  würde  man  aus  den  obigen  Gleichungen  die  folgenden 
Werthe  erhalten: 

(472)       l\-U0  =  776,  (473)       Q,  -  Q0  =  1192, 

(474)  Ä  =  11,58. 

Die  wirkliche  Dichtigkeit  am  Ende  des  Processes  ist  also  etwa 
37000mal  so  gross  als  diejenige  Dichtigkeit,  welche  die  Gas- 
masse ohne  das  Latentwerden  der  Wärmequantität  JF(oder 


620  A.  Ritter. 

bei  Wiederzuführung  einer  gleich  grossen  "Wärmequantität) 
erreicht  haben  würde. 

Von  der  Zulässigkeit  der  obigen  Schlussreihe  kann  man 
sich  auch  direct  überzeugen,  indem  man  für  die  Verhältniss- 
zahl vjv1  einen  unteren  Grenzwerth  n  berechnet,  in  Bezug 
auf  welchen  behauptet  werden  darf,  dass  derselbe  jedenfalls 
kleiner  ist  als  der  wirkliche  Werth  jener  Verhältnisszahl. 
Man  findet  diesen  Grenz werth  «,  indem  man  zunächst  Tj  =  T+t 
und  T0=  T—t  setzt.  Aus  Gleich.  (468)  ergibt  sich  alsdann, 
dass  v0/vl  um  so  kleiner  wird,  je  kleiner  die  Grösse  t  ange- 
nommen wird.  So  z.  B.  würde  man  für  T=  2500°  die  fol- 
genden zusammengehörigen  Werthe  erhalten: 

t  =     1000  500  o 

^  =  431000       65  050       15  630 

Wenn  man  demgemäss  *=0,  also  T1  =  7,0=Tund  vjv^n 
setzt,  so  nimmt  jene  Gleichung  die  folgende  Form  an: 

(475)  ^l0g„=__^)rl0g(|), 

und  zeigt  in  dieser  Form,  dass  n  um  so  kleiner  wird,  je 
grösser  T  angenommen  wird. 

Bei  atmosphärischem  Drucke  entspricht  der  halb- 
vollendeten Dissociation  eine  absolute  Temperatur  von  etwa 
2300  Grad,  und  für  diesen  Werth  von  T  ergibt  sich  aus 
obiger  Gleichung  der  Werth  «=36180.  Bei  kleineren  Drucken 
würde  auch  für  die  Dissociationstemperatur  T  ein  kleinerer 
Werth  einzusetzen  sein.  Wenn  also  in  Bezug  auf  den  oben 
untersuchten  adiabatischen  Dissociationsprocess  die  Annahme 
gemacht  wird,  dass  der  Druck  der  Gasmasse  bei  halbvoll- 
endeter Dissociation  die  Grösse  des  atmosphärischen  Druckes 
noch  nicht  erreicht  hatte,  so  wird  man  unter  den  hier  ge- 
machten Voraussetzungen  behaupten  dürfen,  dass  der  wirk- 
liche Werth  des  Verhältnisses  v0/vl  jedenfalls  grösser  als 
36180  sein  muss 

Die  Resultate  der  obigen  Untersuchung  kann  man  sich 
auf  die  in  Fig.  19  angedeutete  Weise  veranschaulichen,  indem 


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A.  Ritter. 


621 


man  das  Gesetz,  nach  welchem  die  absolute  Temperatur  T 
mit  den  Werthen  von  p  und  v  sich  ändert,  mittelst  der  Tem- 
peratur fläche  geometrisch  darstellt.    Das  Dissociations- 
gebiet  erscheint  in  die- 
ser Fläche  durch  einen 
terrassenartigen  Absatz 
dargestellt,  und  die  adia- 
batischen Curven  be- 
sitzen infolge  dessen  je 
zwei  Eckpunkte,  welche 
den  beiden  Grenzen  die- 
ses Gebietes  entsprechen. 
Jedem  bestimmten  En- 
tropie werthe  des  Was- 
serdampfes entspricht 
eine  bestimmte  Lage  der 
adiabatischen  Curve,  und 
jede  von  diesen  Curven  wird  durch  ihre  beiden  Eckpunkte 
in  drei  Strecken  zerlegt.    Für  den  innerhalb  des  Dissocia- 
tionsgebietes  liegenden  Theil  gelten  die  Gleichungen  (462) 
und  (466),  während  oberhalb  und  unterhalb  des  Dissociations- 
gebietes  die  Curve  dem  für  ideale  Gase  geltenden  Poisson'- 
schen  Gesetze  folgt. 

Wenn  man  das  Gewicht  der  Gasmasse  pro  Cubikmeter 
mit  y  bezeichnet  und  demgemäss  yv  =  1  setzt,  so  kann  man 
der  Gleichung  (467)  auch  die  folgende  Form  geben: 


Fig.  19. 


df_  T  i('i-_«b)  T  +  c0  T,  -  c,  T,  +  W  \ 
dT  ~  A  {{Bi-Bjl 


476)  df~A  l^-Äo) Tl+  (R0Ti -BxTQ)  t\ 

Für  die  beiden  Endpunkte  der  innerhalb  des  Dissociations- 
gebietes  liegenden  Strecke  erhält  man  aus  dieser  Gleichung 
die  folgenden  zusammengehörigen  Zahlenwerthe: 


i 


n 


1523.  y0. 


T  =  1500 

Y  =7o 
|        =  0,01215.  y0 

Ausserhalb  des  Dissociationsgebietes  ist  der  Werth  des 
obigen  Ditierentialquotienten  nach  dem  Poisson'schen  Ge- 
setze zu  berechnen  aus  der  Gleichung  T.i?*-1  =  Const,  oder: 


T  =  3500 
y  =43K 

dT 


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622  A.  Ritter. 

Hierin  kann  für  die  im  Wasserdampfgebiete  liegende  Strecke 
annäherungsweise  k  =  1,3  gesetzt  werden,  und  man  erhält 
für  T=  1500  den  Werth: 

(478)  %  =  0,00222.  y0. 

Für  die  im  Knallgasgebiete  liegende  Strecke  ist  k  =  1,41  zu 
setzen,  und  man  erhält  für  T  =  3500  den  Werth : 

(479)  ^  -  300,3.  y0. 

Hieraus  folgt,  dass  der  Werth  des  obigen  Differentialquo- 
tienten beim  Beginn  der  Dissociation  sprungweise  von 
0,00222.  y0  bis  auf  0,0 1215. y0  zunimmt  und  bei  Beendi- 
gung der  Dissociation  sprungweise  von  1523.^0  bis  auf 
300,3. y0  abnimmt. 

Der  Differentialquotient  von  Q,  nach  T  genommen,  hat 
nach  Gleichung  (453)  die  Grösse: 

(480)  dT-dT+A-dT" 

Für  die  beiden  auf  der  rechten  Seite  stehenden  Differential- 
quotienten, von  denen  der  erstere  aus  den  Gleichungen  (458) 
und  (457),  der  letztere  aus  Gleichung  (466)  berechnet  werden 
kann,  erhält  man  die  folgenden  Ausdrücke: 

f4om  d  (Pv)  _  R      (Ä,  -  R0)  (2  T-  T0) 

Aus  diesen  Gleichungen  ergeben  sich  die  folgenden  zusam- 
mengehörigen Zahlen  werthe: 

T      =     1500      3500  d(vv) 

Ä    dT     =  0,1524  0,2632 


^      =     2,02  2,056 


^      =  2,1724  2,3192 


Ausserhalb  des  Dissociationsgebietes  ist  dQjdT=cp  zu 
setzen,  und  zwar  ist  für  das  Wasserdampfgebiet  cp  =  0,48. 
für  das  Knallgasgebiet  cp  =  0,5721  zu  setzen. 

Wenn  man  nunmehr  die  oben  für  den  Differentialquo- 
tienten dyjdT  gefundenen  Werthe  durch  die  hier  für  dQ/rlT 


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A.  Bitter. 


gefundenen  Werthe  dividirt,  so  erhält  man  für  den  Differen- 
tialquotienten dyjdQ  die  folgenden  Werthe: 

T    =       1500  3500 
dj  _  |  0,00463  .  To  \  656  .  r„ 
dQ  ~  \  0,00559  .  r„  \  525  .  y0  . 

Beim  Beginn  der  Dissociation  wächst  dieser  Differential- 
quotient sprungweise  von  0,00463.  y0  bis  auf  0,00559.  yw 
während  derselbe  bei  Beendigung  der  Dissociation  sprung- 
weise von  656 .  y0  bis  auf  525 .  y0  abnimmt. 

§  47.   Dissociationegebiet  der  Waseerdampfatmosphäre. 

In  der  Atmosphäre  eines  Weltkörpers,  an  dessen  Ober- 
fläche die  Fallbeschleunigung  gleich  Ng  ist,  entspricht  der 
Tiefenzunahme  dz- die  Druckzunahme: 

(483)  dp  =  Ny  dz  =  , 

und  wenn  man  den  hieraus  für  das  Product  v  dp  zu  entneh- 
menden Ausdruck  in  Gleichung  (455)  einsetzt,  so  erhält  man 
für  die  entsprechende  Zunahme  der  Totalwärme  den  Werth: 

(484)  dQ  =  AN  dz. 

Für  einen  Weltkörper  von  der  Grösse  und  Masse  der 
Sonne  ist  N—  27,4  zu  setzen,  und  es  wird: 

<485)  in  =  m  =  °<0647- 

« 

Wenn  die  Grösse  z  in  Meilen  (statt  in  Metern)  aus- 
gedrückt wird,  so  ergibt  sich  für  den  obigen  Differential- 
quotienten der  Werth: 

(486)  ^  =  7420 . 0,0647  =  480 . 

Mit  zunehmender  Tiefe  wächst  also  die  Totalwärme  eines 
Kilogramms  um  0,0647  Wärmeeinheiten  pro  Meter  oder 
um  480  Wärmeeinheiten  pro  Meile. 

Da  nach  Gleichung  (470)  während  der  Dissociation  des 
Wasserdampfes  die  Totalwärme  um  etwa  4492  Wärmeein- 
heiten zunimmt,  so  ergibt  sich  hiernach  für  die  Höhe  des 
Dissociationsgebietes  der  adiabatischen  Wasserdampfatmo- 
sphäre der  Werth: 


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624 


A.  Ritter. 


:    :^9?  =  9?36  Meilen. 


-o 


480 


(487) 

Indem  man  die  am  Schlüsse  des  vorigen  Paragraphen 
für  den  Differentialquotienten: 


(488)  dQ~  480.  dz 

gefundenen  Werthe  mit  480  multiplicirt,  erhält  man  für  den 
Differentialquotienten  dyjdz  die  folgenden  Werthe: 


z  = 
T  = 


z0 
1500 


3500 


d7       j  2,222.  f0   (  315  000.  y0 
Tz  ~  l  2,684  .  Yo   l  252  000  •  To  • 


An  der  oberen  Grenze  des  Dissociationsgebietes  wächst  also 
dieser  Differentialquotient  sprungweise  von  2,222.  y0  bis  auf 
2,684. y0,  und  an  der  unteren  Grenze  nimmt  derselbe  sprung- 
weise ab  von  315  000.  y0  bis  auf  252  000.  y0. 

Wenn  man  das  Gesetz,  nach  welchem  die  Dichtigkeit 
mit  der  Tiefe  zunimmt,  durch  eine  Curve  geometrisch  dar- 
stellt, so  ergibt  sich,  dass  dem  Werthe  z  =  z0  eine  ein- 
springende  und  dem 
Werthe  z=z1  eine  vor- 
springende  Ecke  ent- 
spricht (Fig.  20).  Das 
zwischen  diesen  beiden 
Eckpunkten  liegende, 
yt  steiler  ansteigende 

Stück  der  Curve  veran- 
schaulicht das  raschere 
Wachsen  der  Dichtig- 
keit innerhalb  des  Dis- 

 sociationsgebietes. 

Nach  Gleich.  (471) 
Fig.  20.  ist  die  Dichtigkeit  an 

der  unteren  Grenze  des 
Dissociationsgebietes  etwa  431 000  mal  so  gross  als  an  der 
oberen  Grenze.  Es  ist  daher  denkbar,  dass  die  Atmo- 
sphäre an  der  unteren  Grenze  eine  Dichtigkeit  besitzt, 
welche  gross  genug  ist,  um  den  Durchgang  der  Lichtstrahlen 
fast  gänzlich  zu  verhindern,  während  dieselbe  an  der  oberen 
Grenze  nahezu  vollkommen  durchsichtig  ist.    Da  aus  einer 


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A.  Ritter. 


625 


Entfernung  von  20  Millionen  Meilen  betrachtet  die  Dicke 
der  Dissociationsschicht  unter  einem  Gesichtswinkel  von  0,1 
Secunde  erscheinen  würde,  so  müsste  der  Weltkörper  unter 
solchen  Umständen  dem  unbewaffneten  Auge  den  Anblick 
einer  scharf  begrenzten  leuchtenden  Scheibe  dar- 
bieten. 

Unterhalb  des  Dissociationsgebietes  gilt  für  die  der 
Tiefenzunahme  dz  entsprechenden  Zunahmen  von  Q  und  T 
die  Gleichung: 

(489)  dQ  =  cpdT  =  480.</*, 

in  welcher  cp  =  0,5721  zu  setzen  ist.  Für  die  dem  Werthe 
z  wm  z2  entsprechenden  Werthe  Q  =  Q2  und  T  =  T2  erhält 
man  hiernach  die  Gleichung: 

(490)  z2  -  zx  480  —  *=  -  --80—  , 

aus  welcher  man  für  Tx  =  3500  und  T2  =  100  000  (indem  man 
einstweilen  voraussetzt,  dass  vor  dem  Erreichen  dieser  letz- 
teren Temperatur  eine  Dissociation  der  Gase  Wasserstoff 
und  Sauerstoff  noch  nicht  stattgefunden  hat)  die  folgenden 
Werthe  erhält: 

(491)  z2  —  zx  =  115  Meilen, 

(492)  Q2  -      -  55200  Wärmeeinheiten. 

Der  dem  Werthe  z  m  z2  entsprechende  Werth  y  =  y2 
kann  nach  dem  Poisson'schen  Gesetze  berechnet  werden  aus 
der  Gleichung: 

^  8-8) "-PS?)  ' 

(494)  ß  =  3568 . 431  000  =  1  538  000  000, 

wenn  vorausgesetzt  wird,  dass  y0  sehr  klein  ist,  und  dass 
infolge  dessen  der  aus  dieser  Gleichung  für  die  Grösse  y2 
sich  ergebende  Werth  diejenige  Grenze  nicht  überschreitet, 
bei  welcher  die  annähernde  Gültigkeit  des  Mariotte-Gay- 
Lussac'schen  Gesetzes  aufhören  würde.  Dieser  Voraussetzung 
entspricht  die  Annahme  eines  hinlänglich  grossen  Entropie- 
werthes  der  Atmosphäre. 

Ann.  d.  Pbja.  u.  Cbem.   N.  F.  XIV.  40 


Di 


626 


A.  Ritter. 


Jedem  bestimmten  Entropiewerthe  entspricht  eine  be- 
stimmte Lage  des  Dnrchschnittspunktes  der  adiabatischen 
Cnrve  mit  der  Isotherme  von  Null  Grad  Celsius,  und  der 
diesem  Durchschnittspunkte  entsprechende  Werth  von  v  kann 
in  gewissem  Sinne  als  Maass  der  Entropie  gelten,  insofern 
die  Grösse  desselben  mit  dem  Entropiewerthe  stetig  zunimmt. 
Für  diesen  Volumenwerth  v  =  t/=  1//  erhält  man  nach  dem 
Poisson'schen  Gesetze  die  Gleichung: 

^)     j=M^f=  292,7 'oder: 

(496)  -  =        450  000  000  000. 

Wenn  man  beispielsweise  y2  =  1000  kg  setzte,  so  würde 
man  den  Werth  ?/=  450  Millionen  Cubikmeter  erhalten;  d.  h. 
wenn  in  der  Tiefe  z2  die  Dichtigkeit  der  Atmosphäre  gleich 
der  des  Wassers  wäre,  so  betrüge  das  specifische  Volumen 
an  der  Stelle,  wo  die  Temperatur  gleich  Null  Grad  Celsius 
ist,  mehr  als  das  Zweimillionenfache  von  demjenigen  Volumen, 
welches  der  gesättigte  Dampf  bei  dieser  Temperatur  be- 
sitzt. In  diesem  Falle  würde  also  die  Bedingung  für  die 
Gültigkeit  des  am  Schlüsse  des  §  45  gefundenen  Satzes  an- 
näherungsweise als  erfüllt  zu  betrachten  sein,  nach  welchem 
die  oberhalb  des  Dissociationsgebietes  befindliche  Wasser- 
dampfatmosphäre in  ihrer  ganzen  Höhe  als  eine  ideale  Gas- 
atmosphäre behandelt  werden  dürfte.  Die  Höhe  derselben 
würde  hiernach  berechnet  werden  können  aus  der  Gleichung: 

/1Q7\  2  _  J2o  _  cpTo  . 

V       '  0       480  480 

Wenn  man  hierin  T0  =  1500  und  cp  =  0,48  setzt,  so  erhält 
man  die  Werthe  Q0  =  720  Wärmeeinheiten  und  z0  =  1,5  Mei- 
len. Hiernach  würden  für  die  Grössen  z,  T,  Q,  die  in 
der  folgenden  Tabelle  zusammengestellten  Zahlenwerthe  sich 
ergeben : 

z    =   0  1,5  10,86  12ö,86 

T   =    0         1500  3500  100  000 

Q    =   0  720  5212  60  412 

7    =   0  1        481000       1538  0OO00O 

Yo 


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A.  Bitter. 


627 


Die  Art  und  Weise,  in  welcher  das  Gesetz  der  Dichtig- 
keitszunahme  durch  die  Grösse  der  Dissociationswärme  be- 
einflusst  wird,  erkennt  man  am  besten,  indem  man  die  obige 
Rechnung  unter  Annahme  des  fingirten  Falles  fV—0  wieder- 
holt, wobei  man  mit  Benutzung  der  Gleichungen  (473)  und 
(474)  zu  den  folgenden  Kesultaten  gelangen  würde: 


z 

0 

1,5 

10,86 

125,86 

T 

0 

1500 

9268 

105  768 

Q 

• 

0 

720 

5212 

60  412 

r 

To 

0 

1 

124,4 

47  276 

Die  Vergleichung  dieser  beiden  Tabellen  zeigt,  dass  in 
der  Tiefe  von  125,86  Meilen  die  wirkliche  Dichtigkeit  etwa 
32500 mal  so  gross  ist  als  diejenige  Dichtigkeit,  welche  unter 
sonst  gleichen  Umständen  für  diese  Stelle  sich  ergeben  würde, 
wenn  die  Dissociationswärme  W  gleich  Null  wäre. 

Nach  Gleichung  (494)  würde  dem  Werthe  y2  m  1000  kg 
der  Werth  y0  =  1/1  538000  kg  entsprechen.  Hiernach  erhält 
man  aus  der  Mariotte-Gay-Lussac'schen  Gleichung  für  den 
Druck  an  der  oberen  Grenze  des  Dissociationsgebietes  den 
Werth: 

(498)  V«  ^, 

und  da  vorausgesetzt  wurde,  dass  die  Gravitationskraft  an 
der  Oberfläche  des  Weltkörpers  27,4 mal  so  gross  ist  als  an 
der  Erdoberfläche,  so  folgt  hieraus,  dass  in  diesem  Falle  die 
ganze  Masse  der  oberhalb  des  Dissociationsgebietes  befind- 
lichen reinen  Wasserdampfatmosphäre  nur  etwa  den  600-sten 
Theil  eines  Kilogramms  pro  Quadratmeter  der  Oberfläche 
betragen  würde.  Wenn  also  durch  directe  Beobachtungen 
constatirt  wäre,  dass  die  Dichtigkeit  der  Atmosphäre  in  der 
Tiefe  von  einigen  hundert  Meilen  unter  der  Oberfläche  noch 
beträchtlich  kleiner  ist  als  die  des  Wassers,  so  würde  hier- 
aus geschlossen  werden  dürfen,  dass  der  oberhalb  des  Disso- 
ciationsgebietes in  der  Zustandsform  des  reinen  Wasser- 
dampfes befindliche  Theil  der  Atmosphäre  eine  Masse  besitzt, 
welche  sehr  viel  weniger  als  den  600-sten  Theil  eines  Kilo- 
gramms pro  Quadratmeter  der  Oberfläche  beträgt. 

40* 


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628 


A.  Ritter. 


Der  obigen  Untersuchung  war  die  Annahme  zu  Grunde 
gelegt,  dass  vor  dem  Erreichen  der  Temperatur  von  100  000 
Grad  eine  Dissociation  der  beiden  Gase  Wasserstoff  und 
Sauerstoff  noch  nicht  stattgefunden  hatte.  Ein  noch  viel 
kleinerer  Werth  würde  für  die  Masse  der  oberhalb  des 
Dissociationsgebietes  befindlichen  reinen  Wasserdampfatmo- 
sphäre unter  den  hier  gemachten  Voraussetzungen  sich  er- 
geben, wenn  vor  dem  Erreichen  jener  Temperatur  eine  solche 
Dissociation  in  der  That  stattfände,  d.  h.  wenn  unterhalb 
jenes  ersten  Dissociationsgebietes  noch  ein  zweites  Disso- 
ciationsgebiet  läge,  insofern  das  Eintreten  einer  neuen  Dis- 
sociation ein  abermaliges  rascheres  Wachsen  der  Dichtigkeit 
mit  zunehmender  Tiefe  bedingen  würde. 

Mit  zunehmender  Dichtigkeit  wachsen  zugleich  die  Ab- 
weichungen vom  Mariotte'schen  Gesetze,  insofern  nach  dem 
Ueberschreiten  einer  gewissen  Dichtigkeitsgrenze  das  fernere 
Wachsen  der  Dichtigkeit  langsamer  erfolgt,  als  bei  fort- 
gesetzter Gültigkeit  jenes  Gesetzes  der  Fall  sein  würde.  Die 
Art  und  Weise,  in  welcher  das  Gesetz  der  Dichtigkeitszu- 
nahme und  das  Gesetz  der  Temperaturzunahme  durch  diese 
Abweichungen  vom  Mariotte'schen  Gesetze  beeinflusst  wer- 
den, kann  man  sich  annäherungsweise  verdeutlichen,  indem 
man  untersucht,  wie  die  Zustandslinie  der  Atmosphäre  in 
dem  extremen  Falle  beschaffen  sein  würde:  wenn  beim  Er- 
reichen einer  gewissen  oberen  Dichtigkeitsgrenze  das  fernere 
Wachsen  der  Dichtigkeit  ganz  aufhörte,  und  wenn  zugleich 
bis  zum  Erreichen  dieser  Grenze  das  Mariotte'sche  Gesetz 
in  aller  Strenge  gültig  bliebe.1) 

Aus  der  Voraussetzung  des  adiabatischen  Gleichgewichts- 
zustandes würde  für  diesen  Fall  sich  ergeben,  dass  mit  dem 
Wachsen  der  Dichtigkeit  zugleich  das  fernere  Wachsen 
der  Temperatur  aufhören  müsste,  insofern  die  Temperatur- 
zunahme eines  sinkenden  Massentheilchens  lediglich  von  der 
durch  die  Volumenverminderung  desselben  bedingten  Com- 
pressionsarbeit  herrührt.  Unterhalb  derjenigen  Fläche,  in 
welcher  die  Dichtigkeit  jenen  Maximalwerth  erreicht,  wird 
daher  nicht  nur  die  Dichtigkeit,  sondern  auch  die  Tempe- 

1)  Vgl.  §  35,  Fig.  16. 


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A.  Ritter. 


629 


ratur  überall  constant  sein.  Wenn  also  z.  B.  die  Entropie 
der  Dampfatmosphäre  eine  so  geringe  Grösse  hätte,  dass 
die  oben  mit  y0  bezeichnete  Dichtigkeit  an  der  oberen  Grenze 
des  Dissociationsgebietes  jenen  Maximalwerth  bereits  er- 
reichte, so  würde  überhaupt  keine  Dissociation  statt- 
finden. 

Denkt  man  sich  in  einer  Dampfatmosphäre  von  grosser 
Entropie  infolge  localen  Wärmeverlustes  den  Entropiewerth 
eines  Theiles  der  Atmosphärenmasse  so  weit  abnehmend, 
dass  derselbe  beim  Hinabsinken  jenes  Dichtigkeitsraaximum 
bereits  vor  dem  Eintritte  in  das  Dissociationsgebiet  erreichte, 
so  würde  aus  der  obigen  Hypothese  folgen,  dass  diese  Masse, 
ohne  dissociirt  zu  werden,  bis  zu  derjenigen  Tiefe  hinab- 
sinken müsste,  in  welcher  die  benachbarte  Atmosphären- 
masse die  gleiche  Dichtigkeit  besitzt,  und  dass  sie  daselbst 
eine  beträchtliche  abkühlende  Wirkung  hervorbringen 
müsste  —  nicht  nur  wegen  der  relativ  niedrigen  Temperatur, 
welche  dieselbe  aus  den  oberen  Regionen  mitbrachte,  son- 
dern auch  dadurch,  dass  dieselbe  während  der  allmählich 
sich  vollziehenden  Wärme-  und  Zustands-Ausgleichung  die  zu 
ihrer  eigenen  Dissociation  erforderliche  Wärmequantität  von 
der  umgebenden,  bereits  dissociirten  Atmosphärenmasse  ent- 
nehmen würde.  Da  der  Process  der  Wärmeübertragung 
durch  Leitung  verhältnissmässig  langsam  sich  vollzieht,  so 
würde  diese  abkühlende  Wirkung  während  eines  verhältniss- 
mässig langen  Zeitraumes  fortdauern  können. 

§  48.    Hypothesen  über  die  Photosphäre  der  Sonne. 

Der  adiabatische  Gleichgewichtszustand  eines  gasförmi- 
migen  Weltkörpers  darf  im  Sinne  der  „Mechanik"  allerdings 
ein  Gleichgewichtszustand  genannt  werden,  insofern  man  die 
durch  den  Wärmezustand  bedingten  physikalischen  Eigen- 
schaften der  einzelnen  Massentheilchen  bei  „statischen" 
Untersuchungen  als  unveränderlich  gegeben  zu  betrachten 
pflegt.  Wenn  man  jedoch  den  Begriff'  des  Gleichgewichts- 
zustandes in  der  strengeren  Bedeutung  des  Wortes  auffasst 
und  mit  demselben  die  Vorstellung  des  „Beharrungszu- 
standes" verbindet,  oder  eines  Zustandes,  welcher  bei  gänz- 


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630 


A.  Bitter. 


licher  Abwesenheit  von  äusseren  Einwirkungen  für  immer 
fortbestehen  mtisste,  so  wird  man  zugeben  müssen,  dass  bei 
einem  isolirt  im  Weltenraume  schwebenden  gasförmigen 
Weltkörper,  so  lange  noch  Wärme  in  demselben  enthalten 
ist,  von  einem  Gleichgewichtszustande  überhaupt  nicht  die 
Rede  sein  kann,  dass  vielmehr  ein  solcher  Weltkörper  nie- 
mals zur  Ruhe  gelangen  kann,  weil  die  fortdauernde 
Ausstrahlung  von  Wärme  in  den  leeren  Raum  das  Zu- 
standekommen eines  solchen  Ruhezustandes  stets  verhindern 
wird.  Die  Wirkung  dieser  Wärmeausstrahlung  kann  man 
sich  verdeutlichen,  indem  man  statt  des  „continuirlichen" 
zunächst  einen  „disc ontinuirlichen"  Ausstrahlungspro- 
cess  voraussetzt,  d.  h.  indem  man  annimmt,  dass  die  Perio- 
den der  Wärmeausstrahlung  voneinander  .getrennt  sind  durch 
Zeitintervalle,  in  denen  keine  Wärmeausstrahlung  stattrindet. 

Wenn  die  Dichtigkeit  eines  im  adiabatischen  Gleich- 
gewichtszustande befindlichen  gasförmigen  Weltkörpers  im 
Mittelpunkte  desselben  so  gross  vorausgesetzt  wird,  dass  die 
Masse  daselbst  nahezu  als  undurchdringlich  für  Wärme- 
strahlen anzusehen  ist,  so  wird  die  von  dem  centralen  Theile 
ausgestrahlte  Wärmequantität  verschwindend  gering  sein, 
weil  die  denselben  umgebenden  Schichten  die  Ausstrahlung 
fast  vollständig  verhindern.  Die  von  der  Oberflächenschicht 
ausgestrahlte  Wärmequantität  wird  wegen  der  daselbst  herr- 
schenden niedrigen  Temperatur  ebenfalls  verschwindend  klein 
sein.  Hieraus  folgt,  dass  es  unter  den  einzelnen  concentri- 
schen  Schichten,  aus  welchen  man  sich  die  ganze  Kugel  zu- 
sammengesetzt denken  kann,  eine  bestimmte  Schicht  geben 
muss,  in  welcher  die  Wärmeausstrahlung  ein  Maximum  er- 
reicht. 

Dem  Zustande  eines  jeden  Massentheilchens  entspricht 
ein  bestimmter  Punkt  in  der  Temperaturfläche,  und  die  Zu- 
standsänderungen  können  als  Bewegungen  dieser  Zustands- 
punkte  längs  der  Temperaturfläche  aufgefasst  werden.  Jede 
Wärmeabgabe  bedingt  einen  Entropieverlust  oder  eine  Ab- 
nahme des  Werthes  der  isentropischen  Constanten.  Wäh- 
rend bei  dem  ursprünglichen  adiabatischen  Gleichgewichts- 
zustande die  Zustandspunkte  sämmtlicher  Schichten  in  einer 


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A.  Ritter. 


631 


und  derselben  adiabatischen  oder  isentropischen  Curve  lagen, 
werden  infolge  der  Wärmeausstrahlung  die  Zustandspunkte 
der  einzelnen  Schichten  nach  Maassgabe  ihres  Entropiever- 
lustes in  tiefer  liegende  isentropische  Curven  hinabrücken, 
und  infolge  dessen  wird  die  Zustandslinie  des  Weltkörpers 
nunmehr  eine  von  der  ursprünglichen  isentropischen  Zu- 
standslinie abweichende  Form  und  Lage  annehmen. 

Wenn  die  Wärmeabgabe  einer  jeden  Schicht  ihrer  ab- 
soluten Temperatur  proportional  wäre,  und  der  Entropiever- 
lust infolge  dessen  überall  dieselbe  Grösse  hätte,  so  würde 
die  neue  Zustandslinie  wiederum  eine  isentropische  Curve 
sein.  Da  jedoch  die  Wärmeausstrahlung  in  den  leeren  Eaum 
einer  höheren  Potenz  der  absoluten  Temperatur  proportional 
zunimmt,  so  wird  der  Entropieverlust  in  der  Richtung  von 
der  Oberfläche  nach  dem  Mittelpunkte  zunächst  wachsen, 
später  aber  wieder  abnehmen,  da  im  Mittelpunkte  selbst  die 
Wärmeausstrahlung  verschwindend  gering  ist.  Der  Entropie- 
verlust wird  daher  in  einer  bestimmten  Schicht  ein  Maxi- 
mum erreichen,  und  zwar  in  einer  Schicht,  welche  der  Ober- 
tiäche  näher  liegt  als  die  oben  erwähnte  Schicht  der  stärksten 
Wärmeausstrahlung. 

Annäherungsweise  kann  man  sich  die  hierdurch  bedingte 
Zustandsänderung  des  ganzen  Weltkörpers  veranschaulichen, 
indem  man  annimmt,  dass  ausschliesslich  in  dieser  einen 
Schicht  ein  Entropieverlust  stattfand,  und  dass  alle  übrigen 
Schichten  ihren  ursprünglichen  gemeinschaftlichen  Entropie- 
werth beibehielten.  In  diesem  Falle  würde  zunächst  ein 
Uebergang  aus  dem  indifferenten  in  den  labilen  Gleich- 
gewichtszustand stattfinden,  weil  die  jener  Schicht  angehörigen 
Massentheilchen  nunmehr  eine  Dichtigkeit  besitzen,  welche 
grösser  ist  als  die  der  zunächst  unterhalb  derselben  befind- 
lichen Schicht. 

Bei  fortdauernder  Wärmeausstrahlung  wird  der  Entro- 
pieverlust, sowie  die  Stärke  der  Schicht,  in  welcher  der 
Entropieverlust  stattfand,  allmählich  zunehmen,  und  diese 
Zunahme  ist  in  gewissem  Sinne  gleichbedeutend  mit  der 
Aufspeicherung  eines  Vorrathes  von  latenten  Bewegungs- 
ursachen, welche  in  jedem  Augenblicke  zur  Wirkung  ge- 


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632 


A.  Bitter. 


langen  können,  sobald  infolge  irgend  welcher  Zufälligkeiten 
eine  wenn  auch  noch  so  geringfügige  Bewegung  einmal  ent- 
standen war.  Die  jener  Schicht  angehörenden  Massen theile 
beginnen  alsdann,  infolge  ihrer  grösseren  Dichtigkeit  in  die 
Tiefe  zu  sinken,  wobei  ihr  Zustandspunkt  anfänglich  längs 
einer  isentropischen  Curve  sich  verschieben  wird,  und  zwar 
längs  derjenigen,  welche  dem  kleiner  gewordenen  Werthe 
ihrer  isentropischen  Constanten  entspricht.  Da  das  Sinken 
der  oberen  schwereren  ein  gleichzeitiges  Emporsteigen  der 
unteren  leichteren  Massen  bedingt,  so  bilden  sich  zwei 
Gruppen  von  radial  gerichteten  Strömungen,  von  denen  die 
eine  nach  dem  Mittelpunkte,  die  andere  nach  der  Oberfläche 
gerichtet  ist.  Durch  diese  Strömungen,  welche  fortwährend 
kältere  mit  wärmeren  Massen  in  Berührung  bringen,  wird 
allmählich  eine  Ausgleichung  der  Entropiewerthe  oder  eine 
Wiederherstellung  des  adiabatischen  Gleichgewichtszustandes 
herbeigeführt  werden,  und  zwar  wird  die  neue  adiabatische 
Zustandslinie  tiefer  liegen  als  die  ursprüngliche. 

Die  Intensität  dieser  Ausgleichungsströme  wird  abhängen 
von  dem  Maasse,  in  welchem  während  der  Dauer  des  labilen 
Gleichgewichtszustandes  eine  Aufspeicherung  von  Bewegung 
erzeugenden  Ursachen  stattgefunden  hatte.  Die  Intensität 
wird  gering  sein,  wenn  unmittelbar  nach  dem  Entstehen  der 
Entropiedifferenz  bereits  die  Wiederausgieichung  begann. 
Wenn  jedoch  die  Wärmeausstrahlung  und  der  durch  dieselbe 
herbeigeführte  labile  Gleichgewichtszustand  längere  Zeit  hin- 
durch fortgedauert  hatten,  so  ist  der  Fall  denkbar,  dass  die 
emporsteigenden  Massen  eine  verhältnissmässig  grosse  leben- 
dige Kraft  erreichen  und  vermöge  derselben  bis  über  die 
Gleichgewichtsoberfläche  der  Kugel  hinaus  sich  erheben, 
während  andererseits  das  plötzliche  gleichzeitige  Versinken 
grösserer  Massen  in  die  Tiefe  zeitweilig  beträchtliche  locale 
Depressionen  der  Oberfläche  verursachen  kann.  Die  Wahr- 
scheinlichkeit des  Eintretens  dieses  letzteren  Falles  wird  be- 
günstigt durch  gänzliche  Abwesenheit  von  störenden  äusseren 
Einwirkungen,  wie  z.  B.  von  Aenderungen  der  Anziehungs- 
kräfte, welche  von  ausserhalb  befindlichen  Massen  auf  den 
Weltkörper  ausgeübt  werden. 


V 


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A.  Bitter.  633  ' 

Die  Lage  der  Schicht,  deren  Entropie verlust  zunächst 
den  labilen  Gleichgewichtszustand  herbeiführte,  wird  abhängen 
von  dem  Gesetze,  nach  welchem  bei  dem  ursprünglich  vor- 
handenen adiabatischen  Gleichgewichtszustande  die  Dichtig- 
keit und  die  Temperatur  mit  wachsender  Tiefe  zunahmen. 

Dass  die  Zustandslinie  der  „Sonne"  im  grossen  und 
ganzen  die  Form  der  adiabatischen  Curve  hat,  darf  als  in 
hohem  Grade  wahrscheinlich  betrachtet  werden.  Denn  jede 
Verticalströmung  im  Inneren  eines  gasförmigen  Weltkörpers 
wird  auf  Herbeiführung  des  adiabatischen  Gleichgewichtszu- 
standes hinwirken,  und  dass  solche  Verticalströmungen  in 
der  Sonnenmasse  wirklich  vorkommen,  ist  durch  zahlreiche 
Beobachtungen  constatirt  worden.  Man  darf  ferner  als  wahr- 
scheinlich annehmen,  dass  in  der  Sonne  diejenige  Schicht, 
in  welcher  jene  durch  den  Entropieverlust  beständig  neu 
erzeugten  Bewegungsur  Sachen  ihren  hauptsächlichen  Sitz 
haben,  mit  der  „Photosphäre"  zusammenfällt.  Nach  dieser 
Hypothese  würden  die  „Lichtkörner"  der  Photosphäre  als 
Projectionen  der  aufsteigenden  Ströme  zu  deuten  sein,  und 
die  dunklen  Zwischenräume  als  die  der  abwärts  gerichteten. 

Wenn  man  ausserdem  noch  die  nach  Lockyers1)  Be- 
obachtungen wohlbegründet  erscheinende  Hypothese  aufstellt, 
dass  mit  der  Photosphäre  zugleich  das  „Dissociations- 
gebiet"  der  Sonnensubstanz  zusammenfällt,  so  würde  aus 
der  in  den  vorigen  Paragraphen  entwickelten  —  wegen  Mangels 
an  genügenden  Erfahrungsgrundlagen  allerdings  noch  weite-, 
rer  Ausbildung  bedürftigen  —  Dissociationstheorie  anschei- 
nend die  Möglichkeit  sich  ergeben,  die  an  der  Sonnenober- 
ttäche  bisher  beobachteten  Erscheinungen  ohne  Annahme 
von  Condensationsprocessen  zu  erklären,  gegen  welche 
letztere  Annahme  verschiedene  Einwände  erhoben  werden 
können. 

Die  Hypothese,  nach  welcher  die  Photosphäre  als  ein 
von  flüssigen  oder  festen  Condensationsproducten  erfülltes 
»wolkenartiges"  Gebilde  zu  deuten  ist2),  würde  nach  §45 


1)  N.  Lockyer,  Proc.  Roy.  Soc.  81.  p.  348.    Beibl.  ö.  p.  238. 

2)  Charles  S.  Hastings,  Silliin.  Joura.  20.  p.  33.  Beibl  5.  p.  188. 


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A.  Ritter. 


die  Annahme  eines  verhältnissmässig  kleinen  Entropiewerthes 
der  Sonnensubstanz  bedingen,  und  wenngleich  die  Eigen- 
schaften der  letzteren  nur  ungenügend  bekannt  sind,  so  darf 
doch  als  wahrscheinlich  angenommen  werden,  dass  aus  dieser 
Annahme  nach  dem  adiabatischen  Gesetze  eine  beträchtliche 
Dichtigkeit  der  Sonnenmasse  schon  in  geringer  Tiefe  unter 
der  Gleiehgewichtsoberfläche  sich  ergeben  würde,  was  an- 
scheinend den  Beobachtungen  widerspricht.  Auch  scheint 
die  Annahme  von  Condensationsprocessen  im  Widerspruche 
zu  stehen  mit  dem  Linienspectrum  der  „Prot über anzen", 
insofern  es  bei  der  vielfach  beobachteten,  sehr  grossen  Ge- 
schwindigkeit des  Emporsteigens  der  Protuberanzenmassen 
schwer  zu  erklären  sein  würde,  dass  keine  Condensations- 
producte  mit  emporgerissen  werden,  in  welchem  letzteren 
Falle  ein  continuirliches  Spectrum  entstehen  müsste. 

Wenn  man  dagegen  statt  des  Con densationsprocesses 
einen  Dissociations process  annimmt,  so  würde  (nach 
Fig.  20)  die  scharfe  Begrenzungslinie  der  leuchtenden  Son- 
nenscheibe vielleicht  eine  genügende  Erklärung  finden  in 
der  rapiden  Dichtigkeitszunahme,  welche  mit  dem  Disso- 
ciationsprocesse  verbunden  ist.  Auch  würde  die  Entstehung 
und  das  längere  Fortbestehen  der  „Sonnen flecken"  auf 
die  am  Schlüsse  des  vorigen  Paragraphen  angegebene  Weise 
anscheinend  erklärt  werden  können  durch  die  Annahme,  dass 
in  einer  gewissen,  nicht  sehr  grossen  Tiefe  unter  der  Photo- 
sphäre  die  Sonnensubstanz  bereits  eine  Dichtigkeit  erreicht, 
welche  von  dem  Maximum  derselben  nur  noch  wenig  ver- 
schieden ist,  und  dass  hierdurch  eine  Hemmung  der  sinken- 
den Bewegung,  zugleich  auch  gelegentlich  eine  grössere  An- 
sammlung von  kälteren,  dichteren  Massen  verursacht  wird. 

Eine  endgültige  Beantwortung  der  hier  angeregten,  einst- 
weilen noch  als  eine  offene  zu  behandelnden  Frage,  ob  die 
an  der  Sonnenoberfläche  beobachteten  Erscheinungen  als 
Wirkungen  von  Condensationsprocessen  zu  deuten  sind 
oder  als  Wirkungen  von  Dissociationsprocessen,  darf 
vielleicht  demnächst  von  der  Spectralanalyse  erwartet  werden. 


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W.  Siemens, 


635 


VII.  Beiträge  zur  Tlieorie  des  Electroiiuignetismus; 

von  TT.  Siemens. 

(Aus  dem  Berl.  Monatsber.  vom  23.  Juni  1881;  mitgetheilt  vom  Hm.  Verf.) 

Veranlassung  zu  dieser  Untersuchung  gab  mir  die  Frage, 
welchen  Einfluss  auf  die  Grösse  der  Magnetisirung  der  im 
Eisen  eines  Electromagnets  bereits  vorhandene  oder  gleich- 
zeitig in  ihm  in  einer  anderen  Richtung  durch  äussere 
Kräfte  hervorgerufene  Magnetismus  ausübt. 

Die  Ampere'sche  Theorie  verlangt  die  Annahme  eines 
solchen  Einflusses,  wenn  man  mit  Wilhelm  Weber  an- 
nimmt, dass  der  Magnetismus,  in  Uebereinstimmung  mit 
Müller's  Versuchen,  in  den  magnetischen  Körpern  stets 
vollständig,  aber  in  einer  begrenzten  Menge  vorhanden  ist. 
Gibt  es  aber  nur  eine  begrenzte  Zahl  von  Elementarmag- 
neten oder  von  sie  ersetzenden  Solenoiden  im  Eisen,  so  kann 
eine  magnetisirende  oder  richtende  Kraft  nicht  dieselbe  Wir- 
kung haben,  wenn  eine  auf  ihr  senkrecht  stehende  Richtkraft 
gleichzeitig  auf  die  Elementarmagnete  drehend  einwirkt.  Es 
ergibt  sich  dies  für  das  Maximum  der  Magnetisirung  ohne 
weiteres  aus  der  Betrachtung,  dass  man  zwei  gleichzeitig  auf 
(  ine  Eisenmasse  wirkende  Kräfte,  die  dieselbe  in  zwei  senk- 
recht aufeinander  stehenden  Richtungen  zu  magnetisiren  be- 
strebt sind,  immer  durch  eine  dritte  in  der  Richtung  und 
Stärke  der  Resultante  dieser  Kräfte  wirkende  Kraft  ersetzen 
kann.  Die  Magnetisirung  der  Eisenmasse  wird  daher  im 
Sinne  der  Resultante  der  magnetisirenden  Kräfte  erfolgen 
und  wird  in  dieser  Richtung  ihr  Maximum  erreichen.  Das 
magnetische  Moment  der  in  der  Richtung  dieser  Resultante 
gerichteten  Elementarmagnete  muss  daher  in  der  Rich- 
tung der  wirksamen,  hier  als  gleich  gross  angenommenen 
Kräfte  Vj  betragen.  Es  muss  dies  wenigstens  dann  der 
Fall  sein ,  wenn  der  magnetisirte  Eisenkörper  eine  Kugel 
ist  und  das  Maximum  der  Magnetisirung  in  der  Richtung 
der  Componente  der  Kräfte  wirklich  erreicht  wird.  Für 
Eisenmassen  mit  verschiedenen  Dimensionen  complicirt  sich 
diese  Betrachtung  durch  die  Verschiedenheit  der  gegensei- 


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636 


IV.  Siemens. 


tigen  Verstärkung  des  Magnetismus,  welche  die  magnetisir- 
ten  Eisenmolecüle  aufeinander  ausüben ,  worauf  ich  später 
zurückkommen  werde. 

Durch  Versuche  ist  diese  Folgerung  aus  der  Ampere- 
Weber'schen  Theorie  bisher  meines  Wissens  noch  nicht  be- 
stätigt. Es  hat  dies  zum  Theil  wohl  darin  seinen  Grund, 
dass  der  Vorgang  der  Magnetisirung  der  magnetischen  Körper 
überhaupt  noch  nicht  in  allen  Richtungen  aufgeklärt  ist. 
wodurch  die  experimentelle  Entscheidung  einer  bestimmten 
Frage  sehr  erschwert  wird,  zum  Theil  bei  dieser  speciellen 
Frage  aber  darin,  dass  es  schwer  hei,  den  störenden  Einfluss 
der  starken  magnetisirenden  Kräfte  selbst  auf  die  Messung 
eines  bestimmten  magnetischen  Momentes  des  Eisens  zu  eli- 
miniren.  Um  dies  zu  erzielen,  war  es  nöthig,  besonders  ge- 
formte Electromagnete  in  Anwendung  zu  bringen,  bei  denen 
sowohl  die  magnetisirende  Kraft  wie  der  von  ihr  im  Eisen 
erzeugte  Magnetismus  der  einen  Richtung  ohne  Einfluss  auf 
die  Angaben  des  Messapparates  blieben,  mit  dem  die  Magne- 
tisirung in  einer  anderen  Richtung  gemessen  wurde. 

Diese  Bedingung  wird  erfüllt  durch  ein  gerades  Eisen- 
rohr, welches  mit  der  Axe  parallel  laufenden,  isolirten  Dräh- 
ten derart  umwunden  ist,  dass  die  äussere  und  die  innere 
Wandfläche  des  Rohres  gleichförmig  mit  parallelen  Drähten 
bedeckt  sind.  Eine  solche  longitudinale  Umwindung  —  wie 
sie  bei  dem  in  der  Electrotechnik  vielfach  benutzten  Paci- 
notti'schen  Ringe  zur  Verwendung  kommt  —  bewirkt,  wenn 
sie  von  einem  electrischen  Strome  durchlaufen  wird,  in  allen 
ihren  Theilen  eine  Magnetisirung  der  Rohrwand  im  Sinne 
der  Tangenten  des  Rohres,  sodass  das  Rohr  einen  in  sich 
selbst  geschlossenen  Ringmagnet  darstellt.  Wie  Kirch - 
hoff1)  nachgewiesen  hat,  übt  ein  solcher,  in  sich  geschlosse- 
ner Ringelectromagnet  keine  Wirkung  nach  aussen  aus.  Für 
die  Axe  des  Eisenrohres  ergibt  sich  dies  auch  schon  aus 
der  Betrachtung,  dass  alle  Theile  der  Rohrwand,  sowie  die 
longitudinalen  Windungen  symmetrisch  zu  der  Axe  liegen 
und  dass  die  magnetische  Fernwirkung  entgegengesetzt  liegen« 


1)  G.  Kirchhoff,  Pogg.  Ann.  Ergbd.  5.  p.  1.  1871. 


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W.  Siemens. 


637 


der  Windungen  und  magnetisirter  Eisentheile  sich  in  Bezug 
auf  sie  aufhebt.  Umgibt  man  nun  das  longitudinai  um- 
wickelte Eisenrohr  mit  einer  zweiten  äusseren,  transversal 
gewickelten  Spirale,  welche,  von  einem  Strome  durchlaufen, 
das  Eisenrohr  im  Sinne  der  Axe  des  Rohres  magnetisirt, 
so  ist  die  Summe  der  magnetischen  Momente  der  Spirale 
und  des  Eisenrohres  in  dieserRichtung  an  einem  in  der 
Axe  des  Rohres  aufgestellten  Spiegelmagnetometer  zu  mes- 
sen, während  ein  Strom  durch  die  longitudinalen  Windungen 
und  der  durch  sie  hervorgerufene  tangentiale  Magnetismus 
der  Rohrwand  ohne  Einfluss  auf  das  Magnetometer  bleiben. 

Bei  den  Versuchen  wurde  ein  Eisenrohr  von  15  mm 
innerem  Durchmesser,  150  mm  Länge  und  3  mm  Wandstärke 
benutzt,  welches  mit  36  longitudinalen  Windungen  von  1  mm 
dickem  Kupferdrahte  versehen  war.  Das  longitudinai  um- 
wundene Rohr  wurde  in  eine  Drahtspirale  aus  328  Win- 
dungen gleichen  Drahtes  von  100  mm  Länge  gesteckt.  Das 
Rohr  ragte  etwa  25  mm  auf  beiden  Seiten  aus  der  Spirale 
heraus.  Die  Wirkung  der  Spirale  auf  das  Galvanometer 
wurde  durch  eine  zweite,  von  der  ersteren  entfernten  Spirale 
compensirt,  welche  eine  Verlängerung  des  Drahtes  der  erste- 
ren bildete,  sodass  beide  Spiralen  stets  von  demselben  Strome 
durchlaufen  wurden. 

Wurde  nun  das  so  umwundene  Eisenrohr  senkrecht  zum 
Meridian  in  die  Richtung  nach  einem  Magnetometer  mit 
aperiodisch  schwingendem  Glockenmagnet  gebracht  und  ein 
Strom  von  etwa  10  Bunsen'schen  Elementen  durch  die  äussere 
Spirale  B  geschickt,  so  gab  das  Magnetometer  einen  Scalen- 
ausschlag,  der  ein  Maass  des  im  Sinne  der  Axe  des  Rohres 
erzeugten  Magnetismus  bildete.  Es  wurde  demnächst  nach- 
einander eine  Batterie  von  ein  bis  acht  Elementen  gleich- 
zeitig in  die  innere  (longitudinale)  Spirale  A  eingeschaltet. 
Die  Ablenkung  des  Magnetometers  verminderte  sich  infolge 
dessen,  und  zwar  nahm  diese  Verminderung  mit  der  Ver- 
stärkung der  Batterie  in  der  longitudinalen  Spirale  zu. 

Die  Versuche  wurden  so  angestellt,  dass  erst  die  Ab- 
lenkung des  Magnetometers  bei  Einstellung  der  Batterie  in 
die  äussere  (transversale)  Spirale  ohne  Strom  in  der  longi- 


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63b 


Wm  Siemens. 


tudinalen  Spirale  abgelesen,  dann  nacheinander  stärkere  Bat- 
terien in  die  longitudinale  Spirale  eingeschaltet  und  die  dann 
erfolgenden  Ablenkungen  beobachtet  wurden. 

Tabelle  1. 


Elemente 

Elemente 

Strom 

Strom 

Ablenkung 

des 

in  A 

in  B 

in  A 

in  B 

Magnets 

0 

10 

0  158 
67  158 

372 

1 

10 

364 

2 

10 

117 

156 

353 

4 

10  j 

195 

155 

336 

8 

10 

340 

155 

308 

0 

10 

0 

154 

366 

8 

10 
10 

338 

(  152 

306 

0 

0 

151 

365 

0 

0 

0 

0 

0 

Wie  hieraus  ersichtlich,  nahm  der  dem  Strome  in  B 
entsprechende  Ausschlag  des  Magnetometers  während  der 
Versuche  ab,  was  offenbar  von  der  gleichzeitigen  Abnahme 
des  Stromes  in  B  herrührt.  In  Curve  1  sind  diese  Versuche 
auf  gleich  starken  Strom  in  B  reducirt  aufgezeichnet  (Au- 
srisse: Stromstärke  in  A,  Ordinate:  Ausschlag  des  Magne- 
tometers). 

Es  ist  hierdurch  nachgewiesen,  dass  der  durch  eine 
magnetisirende  Kraft  in  einer  Eisenmasse  erzeugte  Magne- 
tismus kleiner  wird,  wenn  gleichzeitig  durch  andere  Kräfte 
eine  Magnetisirung  derselben  in  einer  senkrecht  auf  ihr 
stehenden  Richtung  stattfindet.  Die  Umkehr  der  Stromrich- 
tung in  der  longitudinalen  Spirale  bleibt  dabei  ganz  ohne 
Einfluss  auf  die  Grösse  der  Ablenkung. 

Der  Ringmagnetismus  nähert  sich  schon  bei  Verhältnis* 
mässig  schwachen  Strömen  seinem  Maximum.  Es  rührt  dies 
einmal  davon  her,  dass  die  magnetisirende  Gresammtwirkung 
eines  von  Eisen  ganz  umgebenen,  von  einem  electrischen 
Strome  durchlaufenen  Drahtes  eine  sehr  viel  grössere  ist, 
als  wenn  derselbe  Draht  um  einen  Eisenstab  gewunden  ist. 
und  ferner  von  der  bedeutenden  verstärkenden  Wirkung,  die 
der  Ankerschluss  in  einem  kurzen  Magnete  auf  den  Magne- 
tismus ausübt.    Die  magnetisirende  Wirkung  eines  der  Ein 


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W.  Siemens. 


639 


fachheit  wegen  als  unendlich  lang  angenommenen,  mit  der 
Cylinderaxe  zusammenfallenden  Drahtes  lässt  sich  durch  eine 
einfache  Rechnung  bestimmen. 


-n 


Es  sei  A  ein  Eisenrohr  von  der  Länge  /,  dem  mittleren 
Halbmesser  g  und  einer  geringen  Wandstärke  s.  Es  sei 
ferner  i?in  die  Axe  des  Rohres,  welche  mit  der  eines  ge- 
raden unbegrenzt  langen  Leiters  mn  zusammenfällt.  Das 
Stromelement  dx  wird  dann  auf  einen  in  der  Röhrenwand 
liegenden  Eisenkörper  von  den  Dimensionen  g.da,  s  und  dl 
eine  magnetisirende  Kraft  im  Sinne  der  Tangente  des  Rohres 
ausüben,  welche  ausgedrückt  wird,  wenn  mit  i  die  Strom- 
stärke und  mit  u  der  Peripheriewinkel  bezeichnet  wird,  durch: 

i  .dx  ^  ^'  f-0^  -  s  .dl, 

oder  für  den  ganzen  Ring  durch: 

2n.s.i  — -—  •  dx  .dl } . 

Der  Magnetismus  des  ganzen  Ringes  im  Sinne  seiner 
Peripherie  ist  dann: 

1r 


2nsi.dl  f  9  '  **=±nsi.dl, 


und  da  auf  alle  Ringe  der  ganzen  Rohrlänge  dieselbe  Wir- 
kung stattfindet,  hat  der  Magnetismus  des  ganzen  Rohres 
von  der  Länge  /  den  Werth: 

M  =  Anl.s.i. 

Da  der  Werth  von  q  in  diesem  Ausdrucke  nicht  mehr 
vorkommt,  so  ist  der  Durchmesser  des  Rohres  auf  die  Grösse 
des  erzeugten  Magnetismus  ohne  Einfluss.  Der  in  der  Eisen- 
wand eines  Rohres  durch  einen  centralen  unbegrenzten  Leiter 
erzeugte  Gesammtmagnetismus  ist  daher  unabhängig  von 


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640 


W.  Siemens. 


dem  Durchmesser  des  Rohres  und  direct  proportional  seiner 
Länge  und  seiner  Wandstärke. 

Zur  Prüfung  der  Richtigkeit  dieses  Rechnungsresultates 
wurden  drei  Eisenröhren  von  gleicher  Länge,  aber  ver- 
schiedener Wandstärke  und  verschiedenem  Durchmesser  an- 
gefertigt, und  jedes  der  Rohre  mit  zwei  longitudinalen  Spi- 
ralen versehen.  Die  primäre  Spirale  bestand  bei  jedem 
Rohre  aus  90,  die  secundäre  aus  30  Windungen.  Durch  die 
primäre  Spirale  wurden  Ströme  wechselnder  Richtung  ge- 
schickt, und  der  in  der  secundären  Spirale  durch  die  Um- 
kehr des  Magnetismus  erzeugte  inducirte  Strom  durch  den 
Ausschlag  des  Spiegelgalvanometers  gemessen.  Die  Dimen- 
sionen der  Eisenrohre  a,  b  und  c  von  100  mm  Länge  waren: 

Lichtweite  Wandstärke 

a)  10,8  mm  2,3  mm 

b)  11,0  „  4,5  „ 

c)  17,5  „  4,5  „ 

Die  Resultate  der  Versuche  sind  in  Tab.  2  und  den  zu- 
gehörigen Curven  der  Tafel  enthalten ;  in  den  Curven  ist  die 
Stromstärke  Abscisse,  der  Magnetismus  Ordinate.  Wie  aus 
dem  Diagramm  I  ersichtlich,  in  welchem  die  horizontalen 
Abscissen  die  gemessene  Stromstärke,  die  verticalen  die 
durch  die  zugehörigen  Inductionsspiralen  erzeugten  Aus- 
schläge bedeuten,  ist  der  durch  diese  gemessene  Magnetis- 
mus der  Wandstärke  ziemlich  proportional,  während  die 
grössere  lichte  Weite  zwar  einen  vermindernden  Einfluss 
ausübt,  der  aber  nicht  bedeutend  ist  und  durch  die  Art  der 
Messung  seine  Erklärung  findet.  Genaue  Uebereinstimmung 
Hess  sich  bei  diesen  Versuchen  aus  dem  Grunde  nicht  er- 
warten, weil  die  Beschaffenheit  des  Eisens  bei  Electromag- 
neten  einen  wesentlichen  Einfluss  ausübt. 

Es  ist  bisher  nur  die  directe  magnetisirende  Wirkung, 
welche  ein  mit  der  Ringaxe  zusammenfallender  Strom  auf 
das  Eisenrohr  ausübt,  in  Betracht  gezogen,  nicht  die  ver- 
stärkende Wirkung,  welche  die  durch  den  Strom  aus  ihrer 
Gleichgewichtslage  im  Sinne  der  Magnetisirungsrichtung  ab- 
gelenkten Elementarmagnete  oder  Solenoide  aufeinander  aus- 
üben und  dadurch  den  Magnetismus  vermehren.  Es  ist  schwer, 


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W.  Siemens. 


641 


sich  von  dieser  verstärkenden  Molecularwirkung,  welche  eine 
so  wesentliche  Rolle  bei  den  electromagnetischen  Erschei- 
nungen bildet,  Rechenschaft  zu  geben,  wenn  man  an  der 
Ampere- Weber'schen  Anschauung  festhält,  dass  die  Mole- 
cularmagnete  mit  gleichmässigem  Abstände  ihrer  Mittelpunkte 
in  allen  möglichen  Richtungen  gelagert  sind.  Es  ist  auch 
kaum  denkbar  und  meines  Wissens  auch  niemals  nachzu- 
weisen versucht,  dass  bei  dieser  Annahme  die  Wirkung  der 
beliebig  geformten  Grenzschichten  des  Körpers  ganz  ohne 
Einflus8  blieben  und  an  keiner  Stelle  eines  nicht  magneti- 
sirten  Eisenkörpers  eine  Fernwirkung  der  Molecularmagnete 
auftreten  könne.  Diese  Schwierigkeit  wird  gehoben  und 
gleichzeitig  eine  leicht  übersichtliche  Erklärung  für  viele 
electromagnetische  Erscheinungen  gewonnen,  wenn  man  die 
Ampere-Weber'sche  Theorie  durch  die  Annahme  moditicirt, 
dass  jedes  Eisenmolecül  aus  zwei  einander  mit  entgegen- 
gesetzten Polen  nahe  gegenüberstehenden  Elementarmagneten 
besteht,  die  zusammen  in  jeder  Richtung  frei  und  ohne  Ar- 
beitsaufwand drehbar  sind,  während  jedes  Molecularmagnet- 
paar  durch  äussere  magnetisirende  Kräfte  in  ähnlicher  Weise 
auseinandergedreht  wird,  wie  es  mit  einem  astatischen  Nadel- 
paare der  Fall  sein  würde,  wenn  die  Magnetnadeln  sich 
einzeln  in  ihren  parallelen  Schwingungsebenen  drehen  könn- 
ten. Wird  der  Abstand  der  Elementarinagnete  von  einander 
als  klein  dem  Abstände  der  gepaarten  Molecüle  gegenüber 
angenommen,  so  kann  eine  Fernwirkung  der  nicht  durch 
äussere  Kräfte  magnetisirten  Eisenmasse  auch  an  den  Grenz- 
flächen des  Körpers  nicht  eintreten.  Tritt  dagegen  eine 
richtende  äussere  Kraft  auf,  so  muss  dieselbe  die  beiden 
Elementarmagnete  der  gepaarten  Eisenmolecüle  in  verschie- 
denem Sinne  drehen,  sodass  alle  Nordpole  der  einen,  alle 
Südpole  der  entgegengesetzten  Richtung  zugewendet  werden. 
Wenn  keine  Wirkung  der  so  magnetisirten  Eisenmolecüle 
aufeinander  stattfände,  so  müsste  das  Kräftepaar,  welches 
als  magnetisirende  Kraft  die  Elementarmagnete  eines  Mole- 
cül8  aus  einander  zu  drehen  bestrebt  ist,  gleich  der  Kraft 
sein,  mit  der  die  aus  ihrer  Ruhelage  getriebenen  Elementar- 
magnetpole der  Drehung  entgegen  aufeinander  wirken.  Es 

Anu.  <L  Phys.  u.  Cbem.  N.  F.  XIV.  41 


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642 


W.  Siemens. 


findet  aber  ausserdem  eine  gegenseitige  Anziehung  zwischen 
den  entgegengesetzten  Polen  aller  so  gerichteten  Elementar  - 
magnete  und  eine  Abstossung  zwischen  allen  gleichen  Polen 
statt,  deren  Resultante  eine  Verstärkung  der  durch  die  mag- 
netisirende  Kraft  direct  erzeugten  Drehung  ergibt.  Diese 
verstärkende  Wechselwirkung  findet  nur  in  der  Richtung 
der  Magnetisirung  statt,  da  die  Wechselwirkungen  neben 
einander  liegender  Molecularraagnetgruppen  sich  ausgleichen. 
Die  Erscheinung  der  Remanenz  des  Magnetismus  oder  der 
magnetischen  Coörcitivkraft,  sowie  die  Erwärmung  der  Elec- 
tromagnete  durch  häufigen  schnellen  Polwechsel  verlangen 
ferner  die  Annahme,  dass  sich  der  Drehung  der  Elementar- 
magnete gegeneinander  ein  Reibungswiderstand  entgegen- 
setzt, während  die  gepaarten  Molecüle  sich,  wie  angenommen, 
widerstandslos  in  jeder  Richtung  drehen  können.  Dieser 
Reibungswiderstand  begrenzt  die  genseitige  Verstärkung  der 
Drehung  der  Elementarmagnete  und  verhindert  andererseits 
das  vollständige  Verschwinden  des  Magnetismus  nach  dem 
Aufhören  der  äusseren  magnetisirenden  Kraft. 

Durch  Annahme  dieser  Modifikation  der  Ampere- Weber'- 
schen  Theorie  finden  manche  bisher  unklare  magnetische 
Erscheinungen  ihre  einfache  Erklärung.  Es  muss  nach  ihr 
der  Magnetismus  eines  Eisenstabes,  auf  dessen  sämmtliche 
Molecüle  eine  gleiche  magnetisirende  Kraft  ausgeübt  wird, 
mit  der  Länge  des  Stabes  so  lange  zunehmen,  bis  ein  Gleich- 
gewichtszustand zwischen  allen  Drehungs-  und  Reibungs- 
momenten sämmtlicher  im  Ringe  der  Magnetisirung  vor 
einander  liegenden  Molecularmagnete  eingetreten  ist. 

Es  muss  die  Mitte  des  Stabes  daher  am  stärksten  mag- 
netisirt  werden,  und  hier  am  ehesten  eine  Annäherung  an 
das  Maximum  der  Magnetisirung  eintreten.  Es  muss  ferner 
ein  dünner  Stab  durch  gleiche  auf  ihn  einwirkende  Kräfte 
stärker  magnetisirt  werden,  sich  also  auch  früher  dem  Maxi- 
mum der  Magnetisirung  nähern  wie  ein  dicker,  da  beim 
dünnen  Stabe  alle  verstärkend  aufeinander  wirkenden  Mole- 
cularmagnete mehr  direct  hintereinander  liegen,  die  Gesammt- 
wirkung  daher  grösser  sein  muss.  Da  die  Molecüle  der  End- 
flächen der  Electromagnetstäbe  nur  der  den  Magnetismus 


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W.  Siemens. 


643 


verstärkenden  Wirkung  der  Molecularmagnete  von  einer 
Seite  ausgesetzt  sind,  so  muss  der  Magnetismus  der  End- 
flächen kurzer  Stäbe  gleich  sein  der  Hälfte  des  Magnetismus 
der  Mitte  des  Stahes  +  der  directen  Magnetisirung  durch  die 
magnetisirende  Kraft.  Dass  diese  letztere  directe  Drehung 
klein  ist  im  Vergleich  mit  der  der  gegenseitigen  Verstärkung, 
folgt  aus  der  starken  Magnetisirung  kurzer  geschlossener 
Ring-  oder  Hufeisenmagnete  durch  schwache  magnetisirende 
Kräfte.  Bei  einem  solchen  in  sich  geschlossenen  Ringmag- 
nete muss  die  Magnetisirung  eines  jeden  Querschnittes  des 
Ringes  sich  verhalten  wie  die  des  Querschnittes  durch  die 
Mitte  eines  sehr  langen  Magnetstabes,  da  im  Ringe  die 
verstärkende  Wirkung  ebenso  wie  die  äussere  magnetisirende 
in  jedem  Querschnitte  dieselbe  ist.  Die  Grösse  der  Magne- 
tisirung eines  geschlossenen  Ringmagnetes  wird  daher  einmal 
durch  das  Maximum  der  Magnetisirbarkeit  des  Eisens  und 
zweitens  durch  die  Summe  der  Reibungswiderstände  der  Mo- 
lecularmagnete des  ganzen  Kreises  bedingt.  Bei  gleicher 
magnetisirender  Einwirkung  auf  alle  Molecularmagnete  durch 
äussere  Kräfte  muss  daher  die  verstärkende  Wirkung  mit 
der  Länge  des  zum  Ringe  gebogenen  Eisens  abnehmen.  Es 
musste  daher  auch  bei  den  oben  beschriebenen  Versuchen 
das  weitere  Rohr  c  durch  gleiche  magnetisirende  Kräfte 
einen  geringeren  Magnetismus  annehmen  wie  das  engere 
Rohr  b  von  gleicher  Wandstärke.  Wie  schon  aus  den  oben 
mitgetheilten  Versuchen  sich  ergibt  und  durch  die  späteren 
sich  noch  bestimmter  herausstellen  wird,  genügt  schon  ein 
verhältnismässig  schwacher  Strom  in  der  magnetisirenden 
Spirale,  um  den  Ringmagnetismus  der  Maximalmagnetisirung 
zu  nähern.  Es  muss  mithin  die  gegenseitige  Verstärkung 
des  Magnetismus  der  Molecularmagnete  die  directe  Magne- 
tisirung durch  die  äussere  magnetisirende  Kraft  bedeutend 
überwiegen.  Es  wird  dies  auch  durch  die  Thatsache  be- 
stätigt, dass  eine  dünne  Eisenscheibe,  die  auf  die  Polfläche 
eines  starken  Magnetes  gelegt  wird,  von  diesem  nicht  merk- 
lich angezogen  wird,  wenn  die  Ränder  der  Scheibe  nicht 
über  die  Polflächen  hinausragen,  dass  aber  sofort  eine  starke 

41* 


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644 


W.  Siemens. 


Anziehung  eintritt,  wenn  ein  Theil  der  Eisenplatte  über  den 
Rand  der  Polfläche  hinausragt. 

Ein  Widerspruch  gegen  diese  Anschauung  schien  darin 
zu  liegen,  dass  die  Tragkraft  von  geschlossenen  Hufeisen- 
magneten nach  einigen  Beobachtern  mit  dem  Quadrat  des 
Magnetismus,  nach  anderen  wenigstens  in  einem  viel  höheren 
Verhältnisse,  wie  der  Magnetismus  selbst,  zunehmen  soll. 
Wie  aus  den  folgenden  Versuchen  sich  ergibt,  ist  die  Trag- 
kraft eines  kurzen  Ring-  oder  Röhrenmagnetes  aber  nahe 
direct  proportional  dem  durch  Induction  gemessenen  wirk- 
samen Magnetismus.  Dass  dies  der  Fall  sein  muss,  ergibt 
sich  aus  der  Betrachtung,  dass  die  magnetische  Anziehung 
zweier  unendlich  naher  Querschnitte  des  Ringes  der  Summe 
der  gegenseitigen  Anziehung  aller  magnetisirten  Molecular- 
magnete  auf  beiden  Seiten  der  Schnittfläche  gleich  sein  muss, 
dass  diese  Summe  aller  anziehenden  Kräfte  aber  auch  als 
der  im  Ringquerschnitte  thätige  Magnetismus  zu  betrachten 
ist.  Die  abweichenden  Beobachtungen  werden  durch  zu 
grosse  Länge  des  magnetischen  Kreises,  durch  unvollkom- 
mene Berührung  der  Anker-  und  Magnetflächen  und  durch 
zu  geringe  Grösse  der  Berührungsflächen  zu  erklären  sein. 

Es  wurde  ein  Röhrenmagnet  von  10.8  mm  lichter  Weite, 
2,3  mm  Wandstärke  und  150  mm  Länge  so  hergerichtet,  dass 
er  durch  einen  durch  die  Rohraxe  gehenden  Schnitt  in  zwei 
Halbcylinder  getheilt  wurde.  Die  Röhrenhälften  wurden 
sorgfältig  aufeinander  geschliffen  und  jede  mit  einer  Hälfte 
der  beiden  Drahtspiralen  umwunden.  Durch  passende  Vor- 
richtungen konnte  nun  das  Gewicht  bestimmt  werden,  wel- 
ches erforderlich  war,  um  die  Röhrenhälften  auseinander  zu 
reissen  und  gleichzeitig  der  in  der  Inductionsspirale  bei  der 
Trennung  entstehende  Inductionsstrom  gemessen  werden.  In 
der  folgenden  Tabelle  2  enthält  die  erste  Verticalspalte  die 
Stromstärke  der  Magnetisirungsspirale,  die  zweite  den  beim 
Abreissen  entstenden  indacirten  Strom,  die  dritte  die  Ab- 
reissgewichte in  Kilogrammen,  die  vierte  den  Quotienten  der 
Zahlen  der  beiden  letzten  Spalten.  Diese  Quotienten  der 
vierten  Spalte  sollten  alle  gleich  sein,  wenn  die  Tragkraft 
dem  thätigen  Magnetismus  direct  proportional  war.  Wie 


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W.  Siemens. 


645 


ersichtlich,  finden  beträchtliche  Abweichungen  statt  und  die 
Quotienten  nehmen  mit  steigender  Stromstärke  etwas  ab. 
Es  kann  dies  aber  auch  der  grösseren  Zusammenpressung 
der  Schnittflächen,  der  Verbiegung  und  anderen  mechanischen 
Ursachen  zugeschrieben  werden. 


Tabelle  2. 


a)  Eisenrohr  I. 
Wandstärke  =   2,3  mm ; 
Lichtweite     =  10,8  mm. 


b)  Eisenrohr  II. 
Wandstärke  =   4,5  mm ; 
Lichtweite    =11,0  mm. 


Pri- 
märer 
Strom 


Secun- 
därer 
Strom 


Abreise - 
gewicht 
in  kg 


Secuud. 
Strom 

Gewicht 


Pri- 
märer 
Strom 


Secun- 
därer 
Strom 


23,0 
32,4 
44,4 
51,6 
69,0 
133,8 
195,0 
248,0 
296,0 
343,0 

297,0 
241,0 
190,0 
131,0 
68,2 
52,2 
41,6 
30,8 
19,6 


30,2 
39,4 
44,0 
49,5 
53,7 
61,1 
63,6 
66,3 
68,2 
69,5 

68,7 
66,6 
65,7 
58,5 
55,0 
51,2 
47,0 
40,5 
27,9 


10,3 
12,3 
14,2 
16,5 
17,0 
20,8 
23,5 
27,3 
28,5 
31,5 

28,5 
26,5 
26,2 
24,8 
17,0 
17,2 
15,0 
12,5 
9,7 


2,92 
3,11 
3,10 
3,00 
3,16 
2,94 
2,71 
2,43 
2,39 
2,21 

2,41 
2,51 
2,51 
2,36 
3,24 
2,98 
3,13 
3,24 
2,89 


17,0 
31,0 
41,0 
68,0 
69,0 
40,0 
22,0 


44,7 
78,1 
86,5 
101,1 
100,8 
87,3 
65,0 


Abreiss-  Secund. 
gewicht 1  Strom_ 
in  kg  Gewicht 


11,6 
20,1 
25,0 
61,0 
59,8 
28,3 
17,5 


3,85 
3,89 
3,46 
1,66 
1,68 
3,08 
3,71 


c)  Eisenrohr  III. 
Wandstärke  =  4,5  mm; 
Lichtweite    =  17,5  mm. 


24,0 

38,9 

10,5 

3,70 

36,6 

63,3 

24,3 

2,60 

47,0 

75,0 

34,2 

2,19 

68,0 

89,1 

41,2 
53,3 

2,16 

140,0 

104,0 

1,95 

140,0 

103,6 

51,5 

2,01 

71,0 

91,2 

38,3 

2,38 

50,4 
37,2 

81,3 
69,5 

32,0 

2,54 

27,3 

2,54 

Eine  zweckmässigere  Form  ist  diesem  Röhrenmagneten 
dadurch  zu  geben,  dass  das  Eisenrohr  zum  Kreise  gebogen 
wird.  Ist  der  von  Eisen  rings  umschlossene  ringförmige  Hohl- 
raum mit  einer  passend  gewickelten  Drahtspirale  ausgefüllt, 
nachdem  das  kreisförmige  Rohr  durch  einen  Schnitt  durch 
die  grösste  Ringebene  in  zwei  gleiche  Halbringe  getheilt 
und  dadurch  das  Einlegen  der  Drahtspirale  ermöglicht  ist, 
so  wird  man  ohne  grossen  Fehler  für  diesen  ringförmigen 
Rohrmagnet  die  oben  entwickelte  Formel  für  die  Magneti- 


zedby  Google 


646 


fV.  Siemens. 


sirung  und  die  Tragkraft  anwenden  können,  wenn  der  Ra- 
dius des  Ringes  nicht  zu  klein  ist. 

Die  Tabelle  3  gibt  die  mit  einem  solchen  ringförmigen 
Röhrenmagneten  angestellten  Abreissversuche. 


Tabelle  3. 


Anzahl 
der 

Primärer 
Strom 

Secnndarer 
Strom 

Abreiss- 
erewicht in 

Secimdärer 

Strom 

Elemente 

Kg 

(ipu'i  t*  n  t 

1 

20,5 

50,4 

31,5 

1,6 

2 

46 

58,4 

42,3 

1,4 

3 

52 

63,8 

46,8 

1,6 

4 

68 

69,6 

47,5 

1,5 

5 

82 

71,5 

49,2 

1,5 

6 

»3 

72,7 
73,9 

51,4 

1,4 

8 

116 

57,8 

1,3 

10 

139 

76,0 

58,5 

1,3 

20 

183 

77,4 

65,2 

1,2 

4 

65 

69,0 

49,3 

1,4 

3 

51 

66,0 

45,3 

1,5 

2 

34 

61,3 

37,8 

1,6 

1 

18  52,6 

29,4 

1,8 

1  geschlossen 

12 

46,0 

24,9 

1,7 

,» 

8,3 

38,3 

18,0 

2 

Die  beiden  gleichen  ringförmigen  Eisenschalen,  welche, 
aufeinander  gelegt,  den  Röhrenmagnet  bilden,  waren  gut 
aufeinander  geschliffen.  An  jeder  Schale  war  ein  messingener 
Bügel  befestigt,  mittelst  deren  die  Magnetschalen  auseinander 
gerissen  werden  konnten.  Die  Spirale  bestand  aus  360  Win- 
dungen übersponnenen  Kupferdrahtes  von  0,5  mm  Dicke  und 
8,7  Einheiten  Widerstand.  Der  innere  Durchmesser  der- 
selben betrug  62  mm,  der  äussere  81  mm,  ihr  Querschnitt 
war  mithin  ein  Kreis  von  86  mm  Durchmesser.  Die  Wand- 
stärke der  Eisenschalen  betrug  2  mm.  Zur  Messung  des 
im  Röhrenmagnet  entwickelten  Magnetismus  waren  50  Win- 
dungen feinen  isolirten  Drahtes  mit  der  Drahtspirale  zu- 
sammen aufgewickelt,  sodass  diese  aus  der  beschriebenen 
Hauptspirale  und  einer  Nebenspirale  bestand,  die  von  einan- 
der isolirt  waren.  Haupt-  und  Nebenspirale  waren  mit  der 
oberen  Eisenschale  fest  verbunden,  sodass  die  untere  Eisen- 
schale den  abzureissenden  Anker  bildete.    Die  Bewegung 

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647 


uach  dem  Abreissen  war  durch  eine  durch  den  Ring  hin- 
durchgehende, am  Bügel  der  unteren  Bingschale  befestigte 
Stange  mit  Anschlag  auf  einige  Millimeter  begrenzt. 

Es  wurde  nun  ein  stark  gedämpftes  Spiegelgalvanonieter 
durch  einen  passend  eingerichteten  Commutator  in  der  Weise 
mit  den  beiden  Spiralen  verbunden,  dass  man  bei  der  einen 
Commutatorstellung  mit  Hülfe  einer  Nebenschliessung  der 
Hauptspirale  die  Stromstärke  der  letzteren,  bei  der  anderen 
den  beim  Abreissen  in  der  Inductionsspirale  inducirten  Strom 
messen  konnte.  Das  Abreissen  geschah  in  der  Weise,  dass 
der  untere  Theil  der  an  dem  Ankerbügel  befestigten  Stange 
ebenfalls  mit  einem  Ansätze  versehen  war,  welcher  gestattete, 
scheibenförmige  Bleigewichte  mit  Einschnitten,  die  bis  zur 
Mitte  der  Scheiben  reichten,  auf  die  Stange  zu  schieben,  die 
dann  durch  den  Ansatz  festgehalten  wurden.  War  durch 
Aufsetzen  der  nöthigen  Anzahl  solcher  Gewichte  die  Trag- 
kraft des  Magnetes  annähernd  äquilibrirt,  so  wurde  eine 
ebenfalls  an  der  Tragstange  des  Ankers  befestigte  Feder- 
wage langsam  angezogen  und  das  von  ihr  im  Augenblicke 
des  Abreissens  angezeigte  Gewicht  notirt,  während  ein  an- 
derer Beobachter  den  Ausschlag  des  Spiegelgavanometers 
beobachtete,  welcher  den  beim  Abreissen  in  der  Inductions- 
spirale erzeugten  Strom  angab.  Dieser  Ausschlag  ist  ein 
Maass  des  beim  Abreissen  des  Ankers  im  Magnete  ver- 
schwundenen Magnetismus,  also  auch  ein  Maass  der  Ver- 
stärkung des  Magnetismus  durch  den  Ankerschluss.  Um  den 
ganzen  vor  dem  Abreissen  im  Magnete  vorhandenen  wirk- 
samen Magnetismus  zu  erhalten,  muss  man  den  Ausschlag 
hinzuzählen,  der  bei  Unterbrechung  des  magnetisirenden 
Stromes  eintritt,  nachdem  von  demselben  der  durch  die  In- 
duction  der  Hauptspirale  selbst  auf  die  Inductionsspirale 
bedingte  Ausschlag  abgezogen  ist.  Diesen  Zahlen  sind  die 
Abreissgewichte  annähernd  proportional.  Die  Abweichungen 
erklären  sich  genügend  dadurch,  dass  auch  bei  geöffneter 
Kette  noch  Magnetismus  im  Eisen  des  Magnetes  zurück- 
bleibt, sowie  durch  die  trotz  sorgfältiger  Aufschleifung  doch 
immer  noch  unvollkommene  Berührung  alier  Eisenmolecüle 
beider  Seiten  der  Schnittfläche  an  einander.    Die  Berührung 


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muss  um  so  vollständiger  werden,  je  stärker  der  Druck  der 
Flächen  auf  einander  ist. 

Wie  sich  aus  der  Tabelle  ergibt,  ist  die  beobachtete 
Maximaltragkraft  65,2  kg.  Das  aus  dem  Ansteigen  der  Trag- 
kraft zu  berechnende  Maximum  der  Tragkraft  würde  etwa 
75  kg  sein.  Das  Gewicht  der  zum  Ringe  gebogenen  Eisen- 
röhre betrug  192,54  g,  das  Gewicht  der  Drahtspirale  130  g. 
Ein  Gramm  Eisengewicht  (Magnet  und  Anker  zusammen 
gerechnet)  trug  daher  323  g,  und  bei  obiger  Annahme  für 
das  Maximum  des  Magnetismus  war  die  Tragkraft  das  390- 
fache  des  Gesammtgewichtes  des  Eisens. 

Mit  dem  beschriebenen  Apparate  wurde  darauf  die  Ver- 
änderung vorgenommen,  dass  er  mit  12  äusseren  Drahtrollen 
versehen  wurde,  die  getheilt  auf  den  in  sich  geschlossenen 
Ring  aufgesetzt  waren  und  dann  mit  isolirtem  Draht  be- 
wickelt wurden.  Die  innere  Weite  der  Rolle  war  etwa  5  mm 
grösser  als  die  Ringdicke,  sodass  ein  Abreissen  der  Ring- 
hälften von  einander  ausgeführt  werden  konnte,  ohne  durch 
die  Drahtrollen  gehindert  zu  werden.  Die  Rollen  wurden 
darauf  mit  einem  gleichen  isolirten  Drahte  bewickelt,  wie 
der  war,  welcher  zur  inneren  Hauptspirale  verwendet  wrurde. 
Zwei  gegenüberstehende  dieser  Rollen  wurden  als  Inductions- 
spirale  geschaltet,  die  übrigen  bildeten  eine  Hauptspirale 
zur  Erzeugung  einer  Magnetisirung  des  Ringes,  deren  Rich- 
tung überall  senkrecht  auf  der  Richtung  des  durch  die 
innere  Hauptspirale  erzeugten  Rohrmagnetismus  stehen 
musste.  Die  Grösse  des  erzeugten  Ringmagnetismus  konnte 
durch  den  Ausschlag  gemessen  werden,  der  bei  Schliessung 
der  äusseren  Hauptspirale  durch  die  Inductionsspirale  her- 
vorgebracht wurde.  Dieser  Ausschlag  gibt  zwar  nur  die 
Grösse  desjenigen  Magnetismus  an,  der  in  dem  Theile  des 
Ringes  entsteht,  welcher  von  der  Inductionsspirale  um- 
schlossen ist,  also  durch  Ringtheile,  welche  keiner  oder  doch 
nur  einer  geringen  directen  Magnetisirung  durch  die  Haupt- 
spirale unterliegen,  er  kann  aber  doch  als  Maass  des  ge- 
sammten,  im  Ringe  erzeugten  Magnetismus  ohne  beträcht- 
lichen Fehler  gelten,  weil  einmal,  wie  schon  hervorgehoben 
ist,  die  directe  Drehung  der  Eiementarmagnete  durch  die 


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649 


magnetisirende  äussere  Kraft  nur  klein  ist  im  Vergleich  mit 
der  gegenseitigen  Verstärkung  der  Molecularmagnete,  und 
weil  die  Schwächung  der  Fortpflanzung  der  Maguetisirung 
durch  geringe  Längen  weichen  Eisens  von  hinlänglichem 
Querschnitt  nicht  bedeutend  ist. 

Es  wurde  nun  in  die  äussere  (transversale)  Hauptspirale 
eine  Batterie  eingeschaltet.  Durch  geeignete  Commutation 
wurde  an  demselben  Spiegelgalvanometer  erst  der  durch  die 
Inductionsspirale  bewirkte  Ausschlag  und  darauf  die  herr- 
schende Stromstärke  in  der  Hauptspirale  gemessen  und  dies 
mehrere  mal  wiederholt,  wobei  die  Stromrichtung  der 
Hauptspirale  jedesmal  umgekehrt  wurde.  Der  durch  die 
Inductionsspirale  bewirkte  Ausschlag  bildete  dann  das 
Maass  des  durch  die  Stromstärke  /  im  Ringe  erzeugten 
Magnetismus. 

Liess  man  nun  in  einem  der  beiden  magnetischen  Kreise 
den  Strom  der  Hauptspirale  fortdauern  und  schloss  dann 
die  Hauptspirale  des  anderen  Kreises,  so  erhielt  man  in  der 
Inductionsspirale  des  letzteren  einen  Ausschlag,  der  eine 
Verminderung  des  in  diesem  Kreise  erzeuten  Magnetismus 
anzeigte.  Es  wurde  dadurch  das  mit  geraden  Röhren- 
magneten erhaltene  Resultat  bestätigt,  dass  die  Magnetisirung 
des  Eisens  durch  eine  äussere  magnetisirende  Kraft  kleiner 
wird,  wenn  eine  gleichzeitige  Magnetisirung  in  einem  auf 
ihr  senkrecht  stehenden  Sinne  vorhanden  ist  oder  hervor- 
gerufen wird. 

Während  der  ersten  Abtheilung  der  Versuche  betrug 
die  Stärke  des  äusseren  Stromes  800,  während  der  zweiten 
Abtheilung  200;  diejenigen  Versuche,  in  denen  diese  Strom- 
stärke von  den  genannten  Zahlen  abwich,  wurden  auf  die 
Zahlen  800,  bez.  200  reducirt,  unter  der  Annahme,  dass  die 
Einwirkung  des  äusseren  Stromes  proportional  dessen  Stärke 
sei,  was  bei  den  geringen  Abweichungen  zulässig  erschien. 

(Tab.  4  p.  650). 

Es  wurde  ferner  das  Ansteigen  des  von  der  äusseren 
primären  Spirale  allein  erzeugten  Magnetismus  beobachtet, 
indem  die  in  der  äusseren  secundären  Spirale  auftretenden 
Ausschläge  gemessen  wurden.    Das  An-  oder  Absetzen  der 


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W.  Siemens. 


651 


unteren  Hälfte  des  Eisenringes  ergab  in  diesem  Falle  keine 
Induction;  die  Inductionsaussehläge  sind  die  nach  mehr- 
maligem Schliessen  und  Oeffnen  des  Stromes  von  Einer 
Richtung  erhaltenen;  die  beim  ersten  Schliessen  erhaltenen 
waren,  namentlich  bei  schwachem  Strom,  etwas  grösser, 
jedoch  höchstens  um  5%: 


Tabelle  5. 

Primärer 
Strom 

Secimdärer 
Strom 

Primärer 
Strom 

1  Secimdärer 
Strom 

-  8 

-  56 
-114 

-92 

—  221 
410 

4-124 
+  144 

War  in  der  inneren  Spirale  Strom,  und  wurde  der 
Strom  in  der  äusseren  Spirale  gewechselt  (+  geschlossen, 
geöffnet,  —  geschlossen,  geöffnet  u.  s.  w.),  und  wurde  ferner 
in  der  inneren  secundären  Spirale  beobachtet,  so  war  der 
erste  Ausschlag  um  ca.  2%  grösser  als  die  folgenden. 

Hiernach  scheint  die  dem  äusseren  Strom  allein  ent- 
sprechende Remanenz  erheblich  geringer  zu  sein,  als  die 
dem  inneren  Strom  entsprechende. 

In  der  Tafel  bedeuten  a1  a  die  Curveu  des  dem  inneren 
Strom  allein  entsprechenden  Magnetismus  (Tab.  4,  Sp.  2), 
ö1  und  bt  die  Curven  bei  gleichzeitiger  Einwirkung  des 
äusseren  Stromes,  und  zwar  bx  für  die  Stromstärke  200, 
ö2  für  die  Stromstärke  800. 

Die  specielle  Anordnung  der  Versuche  war  folgende. 

Zunächst  wurde  das  Ansteigen  des  Magnetismus  in  der 
zur  Mittellinie  des  Ringes  senkrechten  Richtung  beobachtet, 
bei  Einwirkung  sowohl  des  inneren  Stromes  (Windungen  in 
der  Richtung  der  Mittellinie),  als  des  äusseren  Stromes 
(Windungen  senkrecht  zur  Mittellinie);  als  Maass  dieses 
Magnetismus  wurde  der  in  einer  inneren,  secundären  Spirale 
(Windungen  in  der  Richtung  der  Mittellinie)  inducirte  Strom 
angenommen;  die  in  der  folgenden  Tabelle  enthaltenen  Aus- 
schläge sind  mit  Ausnahme  der  Spalten  3  und  5  sämmtlich 
in  der  inneren,  secundären  Spirale  beobachtet.  Es  wurde 
gemessen  (in  dieser  Reihenfolge,  s.  Tab.  4) : 


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652 


W.  Siemens. 


1.  Der  Ausschlag  beim  Ansetzen  der  unteren  Hälfte 
des  Eisenringes  an  die  obere;  2.  der  Ausschlag  bei  Schlies- 
sung des  inneren  Stromes;  3.  die  Stärke  des  inneren  Stromes; 

4.  der  Ausschlag   bei  Schliessung  des  äusseren  Stromes; 

5.  die  Stärke  des  äusseren  Stromes;  6.  der  Ausschlag  bei 
Oeffnung  des  äusseren  Stromes;  7.  der  Ausschlag  bei 
Oeffnung  des  inneren  Stromes;  8.  der  Ausschlag  beii  Ab- 
nahme der  unteren  Hälfte  des  Eisenringes.  • 

Nimmt  man  an,  dass  nach  Oeffnung  der  Ströme  und 
Abnahme  der  unteren  Ringhälfte  davon  kein  oder  ein  ganz 
constanter  remanenter  Magnetismus  vorhanden  sei,  so  muss 
die  Summe  aller  Inductionsschläge  Null  sein;  dies  ist  auch 
mit  genügender  Annäherung  der  Fall,  wie  Spalte  9  zeigt; 
Spalte  10  [(1)  -f  (2)]  zeigt  den  durch  den  inneren  Strom, 
Spalte  11  [(1)  +  (2)  +  (4)]  den  durch  den  inneren  und 
den  äusseren  Strom  erzeugten  Magnetismus:  Spalte  12 
[(1)  +  (2)  +  (7)  -f  (8)]  den  dem  inneren  Strom  entsprechenden 
remanenten  Magnetismus. 

Aus  dem  nachgewiesenen,  schwächenden  Einflüsse,  den 
zurückgebliebener  oder  gleichzeitig  erzeugter  transversal  ge- 
richteter Magnetismus  auf  die  Grösse  der  Magnetisirung 
ausübt,  erklären  sich  viele  störende  Erscheinungen  bei 
wissenschaftlichen  electromagnetischen  Untersuchungen,  so- 
wie bei  der  technischen  Anwendung  des  Magnetismus. 

Die  zu  den  beschriebenen  Versuchen  benutzten  geraden 
oder  ringförmigen  Röhreneleetromagnete  zeichnen  sich  da- 
durch vor  den  bisher  benutzten  Electromagnetconstructionen 
aus,  dass  sie  bei  gegebenem  Eisen-  und  Kupfergewichte  einen 
weit  grösseren  magnetischen  Effect  geben,  wie  die  letzteren. 
Sie  werden  daher  namentlich  in  der  Electrotechnik  häufig 
eine  nützliche  Verwendung  finden.  Die  Eigenschaft  des 
ringförmigen  Röhrenmagnetes,  den  Leitungsdraht  vollständig 
mit  einem  Eisenmantel  zu  umgeben,  macht  ihn  aber  auch 
zur  Beantwortung  wissenschaftlicher  Fragen,  für  deren 
Lösung  es  bisher  an  geeigneten  Hülfsmitteln  fehlte,  beson- 
ders geeignet.  Es  ist  eine  solche  z.  B.  die  Frage  der  Schirm- 
wirkung des  Eisens.    Es  erschien  zwar  wahrscheinlich  und 


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fV.  Siemens. 


653 


wurde  bisher  auch  wohl  ziemlich  allgemein  angenommen, 
dass  die  magnetische  Fernwirkung  durch  einen  zwischen- 
liegenden Eisenschirm  nicht  direct  beeinflusst  würde,  und 
dass  die  beobachtete  Aenderung  der  magnetischen  Fernwir- 
kung  durch  die  Wirkung  des  im  zwischenliegenden  Eisen- 
schirme hervorgerufenen  Magnetismus  zu  erklären  sei.  Ent- 
scheidende Versuche  sind  darüber  aber  meines  Wissens  noch 
nicht  angestellt,  und  es  war  dies  mit  den  bisher  bekannten 
Hülfsmitteln  auch  kaum  ausführbar. 

Um  die  Frage  mit  Hülfe  des  ringförmigen  Röhren- 
magnets zu  entscheiden,  liess  ich  zwei  möglichst  gleiche 
solcher  Magnete  anfertigen  und  stellte  sie  auf  beiden  Seiten 
des  Glockenmagnets  eines  aperiodisch  schwingenden  Spiegel- 
magnetometers  in  der  Weise  auf,  dass  ich  die  Drahtspiralen 
mittelst  gespannter  Drähte  an  senkrecht  stehenden  Rahmen 
befestigte,  welche  dem  Magnet  beliebig  zu  nähern  waren. 
Es  wurde  nun  derselbe  Strom  durch  die  beiden  Drahtspira- 
len hintereinander  geleitet  und  das  eine  Brett  so  lange  ver- 
schoben, bis  keine  Ablenkung  des  Magnetometers  beim  Ein- 
tritt und  bei  der  Unterbrechung  des  Stromes  mehr  stattfand. 
Es  wurde  dann  abwechselnd  die  eine  oder  die  andere  Draht- 
spirale auch  mit  ihren  beiden  Rohrhälften  bedeckt,  sodass 
dieselbe  jetzt  einen  geschlossenen  Röhrenmagnet  bildete,  und 
die  entstehenden  Ablenkungen  des  Magnetometers  bei  Strom- 
schluss  in  Scalentheilen  abgelesen.  Die  Versuche  ergaben, 
dass  in  der  That  eine  unzweifelhafte,  wenn  auch  nur  geringe 
dauernde  Verminderung  des  magnetischen  Momentes  einer 
Drahtspirale  eintritt,  wenn  sie  ganz  von  einem  Eisenrohr 
umschlossen  ist.  Durch  Annäherung  der  geschwächten  Spi- 
rale lässt  sich  die  Grösse  dieser  Schirmwirkung  bestimmen. 
Sie  ist  scheinbar  proportional  der  Dicke  der  Rohrwand,  doch 
bedarf  dies  noch  weiterer  Bestätigung.  Ich  will  hier  nur 
noch  bemerken ,  dass  eine  magnetische  Fernwirkung  des 
Eisens,  wenn  eine  solche  bei  einem  als  Röhrenmagnet  mag- 
netisirten  röhrenförmigen  Ringmagnete  als  vorhanden  ange- 
nommen werden  könnte,  eine  Verstärkung  und  keine  Schwä- 
chung der  Fernwirkung  der  Spirale  hervorbringen  müsste. 
Ich  hoffe,  zu  einer  näheren  Untersuchung  dieser  Frage  später 


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654  Wt  Siemens. 

Gelegenheit  zu  finden  und  enthalte  mich  einstweilen  einer 
Erklärung  dieser  auffallenden  Erscheinung. 

Diese  thatsächlich  stattfindende,  wenn  auch  nur  geringe 
Schirmwirkung  des  Eisens  legte  mir  die  Frage  nahe,  ob  sich 
mit  Hülfe  des  Röhrenmagnetes  nicht  entscheiden  Hesse,  oh 
die  magnetische  Fernwirkung  eine  direct  und  geradlinig  wir- 
kende, unmittelbare  ist.  wie  es  seit  Newton  von  der  Schwer- 
kraft angenommen  wird,  oder  ob  sie  eine  von  Molecül  zu 
Molecül  der  zwischen  liegenden  Materie  oder  des  hypothe- 
tischen Aethers  fortschreitende  Wirkung  ist,  wie  es  für  die 
electrische  Vertheilung  von  Faraday  zuerst  angenommen 
und  von  mir  auf  experimentellem  Wege  als  zulässig  nach- 
gewiesen wurde.1)  In  der  That  schien  eine  gewisse  Wahr- 
scheinlichkeit dafür  vorhanden  "zu  sein ,  dass  die  von  einer 
Drahtspirale  ausgehende  magnetische  Kraft  nicht  gleichzeitig 
in  der  geschlossenen  Röhrenwand,  die  sie  durchdringen  muss. 
eine  beträchtliche  Arbeit,  die  Magnctisirung  des  geschlosse- 
nen Röhrenmagnets,  ausführen  und  während  dieser  Zeit  zu- 
gleich eine  ungeschwächte  Fernwirkung  ausüben  könne.  Es 
erschien  wahrscheinlicher,  dass  die  Fernwirkung  hinter  der 
Rohrwand  erst  beginnen  würde,  wenn  die  beim  Durchgange 
durch  das  Eisen  in  der  Drehung  der  Elementarmagnete  zu 
leistende  Arbeit  gethan  war.  Die  Versuche  haben  diese 
Vermuthung  nicht  bestätigt.  Es  wurde  zu  denselben  mit 
geringer  Abänderung  dieselbe  Zusammenstellung  zweier  ge- 
theilter  ringförmiger  Röhrenraagnete  mit  einem  zwischen 
ihnen  aufgestellten  Spiegelmagnetometer  benutzt,  wie  sie 
bei  dem  oben  beschriebenen  Versuche  benutzt  wurden.  Zu- 
nächst wurden  die  parallelen  und  gleich  grossen,  auf  beiden 
Seiten  des  Magnetometers  aufgestellten  Drahtspiralen  so  ein- 
gestellt, dass  ein  Strom,  der  sie  beide  hintereinander  durch- 
lief, keine  Einwirkung  auf  das  Magnetometer  zeigte.  Darauf 
wurde  eine  der  beiden  Spiralen,  ohne  ihre  Lage  zu  verän- 
dern, mit  den  zugehörigen  Eisenschalen  bedeckt  und  der 
Versuch  wiederholt.  Es  zeigte  sich  auch  jetzt  keine  sichere 
Ablenkung  des  Magnetometers,  wie  es  der  Fall  sein  müsste. 
wenn  der  Strom  der  einen  Spirale  länger  oder  stärker 

1)  Siemens.  Pogg.  Ann.  10*2.  p.  66.  1857. 


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W.  Siemens. 


655 


auf  das  Magnetometer  gewirkt  hätte  wie'  der  der  anderen. 
Da  die  Zeitdifferenz  möglicherweise  sehr  kurz  war,  und  da- 
durch ihre  Wirkung  unmerklich  wurde  hei  der  kräftigen 
Gresammtwirkung  jeder  Spirale,  so  modificirte  ich  den  Ver- 
such auf  Vorschlag  des  Dr.  Frölich,  dem  ich  für  die  Lei- 
tung dieser  und  der  früher  beschriebenen  Versuche  zu  dan- 
ken habe,  in  der  Weise,  dass  anstatt  des  Magnetoraeters 
eine  dritte,  unbedeckte  Spirale  aufgestellt  und  die  äusseren, 
ebenfalls  unbedeckten  Spiralen  wieder  so  eingestellt  wurden, 
dass  kein  Strom  in  der  mittleren  Spirale  durch  sie  inducirt 
wurde.  Zur  Messung  desselben  wurde  die  Ladung  eines 
Glimmercondensators  benutzt,  mit  dessen  beiden  Belegungen 
die  Drahtenden  der  mittleren  Spirale  in  Verbindung  gesetzt 
waren.  Mein  mehrfach  beschriebener  Fallhammer  zur  Her- 
vorbringung von  Strömen  sehr  kurzer  Zeitdauer  wurde  so 
eingeschaltet,  dass  ein  kräftiger  Strom  durch  die  beiden 
Spiralen  dauernd  circulirte.  Der  eine  der  beiden  verstell- 
baren Stifte  des  Fallhammers  unterbrach  nun  diesen  Strom, 
während  der  zweite  nach  einer  sehr  kurzen  Zeit  den  Kreis 
der  mittleren  Drahtspirale  und  des  Condensators  unterbrach. 
Da  die  mittlere  Spirale  aus  einer  sehr  grossen  Anzahl  Win- 
dungen feinen  Drahtes  bestand,  so  musste  schon  eine  sehr 
geringe  Differenz  der  magnetischen  Momente  der  beiden 
äusseren  Spiralen  eine  messbare  Ladung  des  Condensators 
hervorbringen.  Da  durch  die  Unterbrechung  des  einen  Ver- 
bindungsdrahtes zwischen  mittlerer  Spule  und  Condensator 
dieser  isolirt  wurde,  und  derselbe  in  diesem  Zustande  eine 
Ladung  mehrere  Minuten  ohne  merkliche  Schwächung  der- 
selben behielt,  wie  durch  Versuche  constatirt  wurde,  so  musste 
die  spätere  Entladung  des  Condensators  durch  ein  empfind- 
liches Spiegelgalvanoter  ein  Maass  der  im  Augenblicke  der 
Unterbrechung  des  Condensatordrahtes  an  den  Enden  des 
Umwindungsdrahtes  der  mittleren  Spirale  herrschenden  Po- 
tentialdifferenz bilden.  Es  wird  freilich  bei  dieser  Anord- 
nung des  Versuches  nicht  eigentlich  die  Verzögerung  des 
Eintrittes  der  Fernwirkung  der  im  Eisen  eingeschlossenen 
Drahtspirale  gemessen,  sondern  gleichsam  das  Complement 
derselben,  nämlich  die  vermuthete  Verstärkung  der  magne- 


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656 


H.  Schröder. 


tischen  Fernwirkung  dieser  Spirale  beim  Aufhören  der  Mag- 
netisirung  des  Eisens  des  Röhrenmagnetes  nach  Unterbrechung 
des  Stromes.  Es  ist  aber  wohl  anzunehmen,  dass  diese  Wir- 
kung eintreten  müsste,  wenn  die  vermuthete  Verzögerung  der 
Fernwirkung  durch  die  Magnetisirung  vorhanden  wäre,  weil 
anderenfalls  Energie  verloren  ginge.  Auch  diese  Versuche 
geben  ein  negatives  Resultat.  Wenigstens  waren  die  erhal- 
tenen Differenzen  so  klein  und  schwankend,  dass  sie  nicht 
als  entscheidend  zu  betrachten  waren. 

Die  zuletzt  beschriebenen  Versuche  haben  gelegentlich 
auf  eine  recht  schlagende  und  einfache  Weise  die  Helm- 
holtz'sche  Theorie  der  Entladung  des  Condensators  durch 
eine  Reihe  wechselnder  Entladungen  und  erneuten  Ladungen 
bestätigt.  Lässt  man  nur  eine  unbedeckte  Spirale  auf  die 
Inductionsspirale  einwirken  und  vergrössert  zwischen  je  zwei 
Versuchen  die  Dauer  der  Verbindung  des  Condensators  mit 
der  inducirten  Spirale,  so  gehen  die  anfänglich  positiven  Ent- 
ladungsausschläge des  Condensators  bald  in  negative  über. 
Bei  weiterer  Verlängerung  der  Zeit  der  Verbindung  werden 
sie  wieder  positiv,  und  so  fort.  Dabei  nehmen  die  Aus- 
schläge allmählich  ab. 


VIII.  Untersuchungen,  über  die  Volunwnconstitution 
flüssiger  Verbindungen;  von  H.  Schröder. 

(Fortsetzung  der  in  Wied.  Ann.  11.  p.  997—1017,  1880  vorgelegten 

Abhandlung.) 

Vorbemerkung. 

Noch  während  die  erwähnte  Abhandlung  sich  im  Druck 
befand,  und  seitdem  wiederholt,  sind  von  R  am  say  Beobach- 
tungen über  die  Volumina  von  Flüssigkeiten  bei  deren  Siede- 
hitze mitgetheilt;  ebenso  sind  die  vorzüglichen  Beobachtungen 
über  die  Refractionsverhäitnisse  vieler  Flüssigkeiten  und  ihre 
Dichtigkeit  bei  20°  von  Brühl1)  vorgelegt  worden.  Die 
nothwendige  Berücksichtigung  und  das  Studium  dieser  grossen 

1)  Brühl,  Lieb.  Ann.  200  u.  208. 


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H.  Schröder. 


657 


Reihe  neuer  Thatsachen  ist  zunächst  der  Anlass  geworden, 
dass  die  Portsetzung  meiner  oben  erwähnten  Abhandlung 
sich  bis  jetzt  verzögert  hat. 

Ich  will  hier  nur  im  voraus  erwähnen,  dass  jene  neuen 
Thatsachen  nicht  Anlass  geworden  sind,  an  den  allgemei- 
nen Resultaten,  wie  ich  sie  in  obiger  Abhandlung  und 
specieller  in  einer  vorläufigen  Mittheilung  über  die 
Voluinenconstitution  flüssiger  Verbindungen1)  ge- 
geben habe,  etwas  zu  ändern.  Dieselben  haben  sich  vielmehr 
noch  mehrseitig  bestätigt  und  haben  eine  Reihe  neuer  und 
werthvoller  Belege  gefunden. 

Die  Bezeichnungen  sind  in  der  folgenden  Abhand- 
lung genau  den  in  der  oben  erwähnten  Abhandlung2) 
angewendeten  entsprechend.  Ich  kann  nicht  alles  dort 
Gesagte  nochmals  vorbringen  und  muss  daher  den  Leser 
bitten,  vor  dem  Studium  der  nachfolgenden  Abhandlung  die 
vorausgegangene  nochmals  durchzugehen. 

III.  Die  Volumina  der  Elementaratome  einer  Verbindung  stehen 
im  Verhältniss  einfacher  ganzer  Zahlen. 

§  22.  Bereits  früher3)  habe  ich  seitdem  in  einer  Er- 
wiederung auf  eine  Bemerkung  von  Ramsay  nachgewiesen, 
dass  HÖH  der  Alkohole  und  02  des  Carboxyls  der  Säuren 
und  Ester  die  nämliche  Raumerfüllung  haben,  welche 
dem  CH2  in  den  nämlichen  Verbindungen  wirklich  entspricht. 
Ich  reproducire  hier  kurz  das  dort  Gesagte. 

In  der  That  hat  man  bei  den  respectiven  Siedepunkten 
die  Volumina: 

Differenz 
für  CII, 

Ameisensäure         =  CH204  ;   v  =  41,8  K.    1  2i  6. 
Essigsäure  =  CsH402;    v=  63,4  K.    J  22  5 

Propionsäure  —  CgH^O»;    v  —   85,9  ( 

Norm.  Buttersäure  =  C4H302;   v  =  108,0  P.    J  '* 

Es  ist  hieraus,  wie  ich4)  ausführlich  begründet  habe, 
sofort  ersichtlich,  dass  das  Volumenmaass  der  Fettsäuren 

1)  H.  Schröder,  Chem.  Ber.  13.  p.  1560  bis  1570. 

2)  H.  Schröder,  Wied.  Ann.  11.  p.  997.  1880. 

3)  H.  Schröder,  Chem.  Ber.  14.  p.  15.  1881. 

4)  EL  Schröder,  Wied.  Ann.  11.  p.  997.  1880. 

Aun.  d.  Phys.  u.  Chem.  N.  F.  XIV.  42 


658 


H.  Schröder 


mit  dem  Atomgewicht  wächst.  Es  ist  daher  das  wahre 
Volumen,  welches  dem  CH«,  in  der  Ameisensäure  und 
Essigsäure  zukommt,  etwas  kleiner  als  die  Differenz 
beider  =21,6. 

Ebenso  hat  man  für  die  Alkohole: 

uwsteaz 
für  CHo 

Methylalkohol        =  CH40  5    v=  42,3  K.    >  19  9  " 
Aethylalkohol         =  C2H00  ;    t>  =   62,2  K.  { 
Propylalkohol         =  C3HsO  ;    v  =   81,5  PP.  >  W' 

Es  nimmt  hiernach ,  wie  ich l)  ebenfalls  begründet 
habe,  das  Yoluraenmaass  der  normalen  Alkohole  der 
Fettreihe  mit  steigendem  Atomgewicht  ab.  Es  ist  daher 
das  wahre  Volumen,  welches  dem  CH2  im  Methyl-  und 
Aethylalkohol  zukommt,  etwas  grösser  als  die  Differenz 
beider  =  19,9.  Das  wirkliche  Volumen,  welches  dem  CH2 
zunächst  in  der  Ameisensäure  und  Essigsäure  und  dem  Me- 
thylalkohol und  Aethylalkohol  entspricht,  wird  daher  zwi- 
schen 19,9  und  21,6  liegen  und  in  der  Essigsäure  etwas 
gr ö 8 ser  sein,  als  in  der  Ameisensäure,  im  Aethylalkohol 
etwas  kleiner,  als  im  Methylalkohol.  Das  Mittel  der  Grenz- 
werth e  19,9  und  21,6  ist  20,7  bis  20,8,  und  dieses  wird  dem 
wahren  Volumen  von  CH2  sehr  nahe  liegen.    Nun  ist  aber: 

Ameisensäure  =  CH,.0,  =  41,8  K.  =  2x  20,9. 
Aethylalkohol  =  C2H4.OH2  =  62,2  K.  =  3  x  20,7. 

Die  Ameisensäure  hat  also  ein  doppelt  so  grosses, 
der  Aethylalkohol  ein  dreimal  so  grosses  Volumen,  als 
dem  CH2  in  beiden  Verbindungen  entspricht;  d.  h.  in  der 
Ameisensäure  =  CH2.02  nimmt  02  den  nämlichen  Raum 
ein,  wie  CH2;  und  im  Alkohol  nimmt  H  +  OH  =  OE, 
ebenfalls  den  nämlichen  Raum  ein,  wie  CH2. 

Es  muss  nun  CH2  in  der  Essigsäure  und  dem  Me- 
thylalkohol, weil  ihr  Volumenmaass  etwas  grösser  ist,  als 
das  der  Ameisensäure  und  des  Aethylalkohols,  grösser  sein 
als  20,7  bis  20,9,  wie  in  den  letzteren,  und  kleiner  als  21,6. 
d.  i.  die  Volumendilferenz  beider  Säuren.  Das  Mittel  dieser« 
Grenzwerthe  20,7  bis  20,9  und  21,6  ist  21,2  bis  21,3,  und 
dieses  Mittel  wird  dem  wahren  Volumen  von  CH2  in  der 

l)  1.  c.  p.  1006. 


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//.  Schröder. 


659 


Essigsäure  und  dem  Methylalkohol  sehr  nahe  liegen. 

Nun  ist  aber: 

Essigsäure  =  C8H402;  v  =  63,4  K.  =  3  x  21,1. 
Methylalkohol  =  C1140   j    v  =  42,4  K.  =  2  x  21,2. 

Es  hat  also  in  der  That  wieder  die  Essigsäure  ein 
Volumen,  welches  das  dreifache  von  dem  wahren  Volumen 
von  CH2  in  derselben  ist,  und  es  kommt  also  dem  02  der 
Essigsäure  die  nämliche  Raumerfüllung  zu,  wie  dem 
CH2.  Der  Methylalkohol  hat  ebenso  das  doppelte  Vo- 
lumen von  CH2,  und  H -f- OH  oder  OH2  hat  also  im  Me- 
thylalkohol die  nämliche  Raumerfüllung  wie  CHg. 

Man  kann  die  nämliche  Ableitung  auch  vornehmen  für 
02  der  Säuren  selbst.  Volumen  CH2  ist  >  19,9  =  der  Dif- 
ferenz des  Alkoholpaares,  und  <  21,6  =  der  Differenz  des 
Säurepaares.    Nun  ist: 

Ameisensäure    =  CH202;   v  =  41,8  —  41,8 
ab:        CHä  >  19,9  <  21,6 

bleibt  Volumen:        Oa  <  21,9  >  20,2. 

Das  Mittel  für  02  ist  21,0;  aber  Ameisensäure  = 
2  x  20,9  =  41,8  K.  Es  hat  also  02  das  nämliche  Vo- 
lumen wie  CH2  in  der  Ameisensäure.  Es  ist  hiermit 
der  vollgültige  Beweis  geliefert,  dass  in  den  Anfangsgliedern 
der  Säurereihe  und  Alkoholreihe  die  Componenten- 
volumina  in  einfachen  Verhältnissen  stehen;  dass 
O,  des  Carboxyls  der  Säure,  und  H.OH  =  OH2  des 
Alkohols  mit  CH2  der  nämlichen  Verbindung  gleiche 
Raumerfüllung  hat. 

Eine  ähnliche  Ableitung  dieser  Thatsache,  wie  oben  für 
die  Anfangsglieder,  lässt  sich  nicht  ebenso  glatt  auf  die 
höheren  Glieder  anwenden;  denn  bei  den  Säuren  wachsen 
die  Differenzen  bei  den  höheren  Gliedern  viel  rascher, 
weil  in  der  Differenz  eines  Paares  nicht  nur  der  Mehrbe- 
trag des  Volumens  von  CH2,  sondern  der  Mehrbetrag  des 
Volumens  bei  vergrössertem  Volumenmaasse  auch  der  Summe 
aller  gemeinsamen  Componenten  je  eines  benachbarten 
Paares  erscheint.  Ueberdies  werfen  sich  alle  Fehler  der  Beob- 
achtung, welche  ebenfalls  mit  dem  Atomgewicht  nothwendig 

42* 


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660  H.  Schröder. 

grösser  werden,  auf  diese  Differenzen  hin.  Aber  gerade 
dieses  rasche  Wachsen  der  Differenz  bei  den  höheren 
Gliedern  liefert  den  Beweis,  dass  das  Volumenmaass  der 
ganzen  Verbindung  und  aller  ihrer  Theile  mit  dem 
Atomgewicht  zunimmt. 

Dessenungeachtet  zeigt  die  Anwendung  des  gewon- 
nenen schönen  und  folgenreichen  Resultates  auch  auf  die 
höheren  Glieder  in  ihrem  Erfolge  sofort,  dass  damit 
das  Richtige  getroffen  ist. 

§  23.  Stellt  man  hiernach  die  Volumina  der  bis  jetzt 
auf  ihr  Volumen  beim  Siedepunkt  untersuchten  Alkohole  und 
Säuren  der  Fettreihe  zusammen,  so  hat  man  zunächst  für 
die  Alkohole1): 

1.  Methylalkohol           =  CH40  ;    r  =  42,3  K.         =  2  x  21;>. 

v  =  42,4  P.           =  2  X  21,2. 

2.  Aethylalkohol           =  C,HöO  ;    v=  61,7  P.  =3x20,6. 

v  =  62,2  K.           =  3  X  20,7. 

r  =  62,7  Ramsay2)  =  3  x  20,». 

3.  Propylalkohol  =  C3H,0  ;    r  =   81,5  PP.        =  4  x  20,4. 
f  4.  Isobutylalkohol         =  C4H100;    v  =  102,3  PP.        =5x  20,5. 

5.  Isoainylalkohol         =  C3H120;    v  =  122,8  P.  -  6  x  20,5. 

v  m  123,5  K.  =  6  X  20,6. 

6.  Methylhexylcarbinol  =  C8HlöO;    r  =  197,3  R.  =  9  x  20,S. 

Diese  Uebersicht  zeigt  die  thatsächliche  Abnahme 
des  Volumenmaasses  in  der  Normalreihe  und  legt  die 
stattfindenden  überraschend  einfachen  Verhältnisse  der  Vo- 
lumina der  Componenten  klar  vor  Augen. 

§  24.  Ebenso  ergibt  sich  hiernach  für  die  untersuchten 
Säuren: 

1.  Arneisensäure         =  CILO.>   ;  v=   41,8  K.  =2x20,9. 

2.  Essigsäure  =  CäH40s  ;  r=   63,4  K.  =3x21,1. 

v  =   64,3  R.    =  3  X  21,4. 

3.  Propionsäure  =  C3H602  ;  v  =   85,9  K.    =  4  x  21,5. 

v  =   86,0  PP.  =  4  x  21,5. 

4.  Norm.  Buttersäure  =  C4H802  ;  v  -  108,0  P.    =  5  X  21,6. 

1)  Mit  v  schlechtweg  bezeichne  ich  stets  das  Volumen  beim  Siede- 
punkt. Das  Volumen  bei  einer  anderen  Temperatur,  z.  B.  bei  20  °,  wird 
bezeichnet  als  e\,0. 

2)  Ich  werde  die  Beobachtungen  von  Ramsay  in  Zukunft  einfach 
durch  Beifügung  des  Buchstaben  R.  als  solche  bezeichnen. 


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//.  Schröder. 


661 


5.  Isobuttersäure        =  C4H802  ;  v  -  106,5  PP.  =  5  x  21,3  |  g 


Auch  hier  tritt  thatsächlich  die  Zunahme  des  Volumen- 
maasses  in  jeder  homologen  Reihe  klar  hervor,  ehenso  die 
Thatsache,  dass  das  Volumenmaass  der  Normalverhindung 
etwas  grösser  ist,  als  das  der  entsprechenden  Isoverbindung. 
Die  der  Zusammensetzungsdifferenz  um  CH2  entsprechende 
grosse  Differenz  der  Volumina  5  und  6,  sie  ist  Jy  =  23,$, 
lässt  sich  voraussehen,  weil  sie  nicht  nur  dem  wahren 
Volumen  21,7  des  CH2  in  6  entspricht,  sondern  ausserdem 
noch  den  Unterschied  des  Volumens  von  CH2  in  5  und  6, 
welcher  0,4  bis  0,5  ist,  nothwendig  fünffach  enthalten  muss. 

Einen  constanten  Werth  für  das  Volumen  von  GH., 
in  diesen  Verbindungen  anzunehmen,  geht  nicht  an,  weil  die 
Differenzen,  deren  Mittel  man  wählt,  nicht  zufällig,  sondern 
regelmässig  sich  ändern.  Thut  man  es,  so  führt  eine 
solche  Annahme  nothwendig  zu  unbegründeten  Folgerungen 
und  zu  irrigen  Werthen  der  Volumina  der  Elementaratome. 

Keine  andere,  als  die  von  mir  gegebene  Auffas- 
sung entspricht  den  wirklichen  Thatsachen. 

§  25.  Da  die  Volumina  der  Säuren  mit  den  Volumen 
der  ihnen  isomeren  Ester  bei  Siedehitze  sehr  nahe  gleich 
sind,  und  nur  ein  unbedeutend  grösseres  Volumenmaass  ha- 
ben, wie  ich1)  nachgewiesen,  so  lässt  sich  die  obige  That- 
sache, wonach  das  Volumen  von  02  gleich  dem  Volumen  von 
CH2  ist,  unmittelbar  auch  bei  den  Estern  der  Fettreihe 
constatiren.  Ich  ordne  sie  nach  ihren  Säurebestandthei- 
len.    Man  hat: 

L  Formiate: 

1.  Ameisensaures  Methyl     =  C,H408   ;  t;  =  63,1  K.    =  3x21,0. 


6.  Isovaleriaustiure  = 


ü  =  106,7  K.    =  5  x  21,3 
C&H1004;  e  =  130,4  K.   =  6  x  21,7 
V  m  130,6  PP.  =  6  x  21,8 


Aethyl 


v  =  63,2  R.    =  3  x  21,1. 
C3H602   ;  v  =   84,7  K.    =   4  x  21,2. 

v  =   85,4  P.    =  4X  21,3. 


3. 
4. 


v 


Propyl 
Isobutyl 


C4H8Oa  ;  v  =  106,9  PP.  =  5  x  21,4. 
C5H10O2  ;  v  =  130,9  PP.  =   6  X  21,8. 


1)  1.  c.  p.  998. 


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662 


H.  Schröder. 


II.  Acetate: 

5.  Essigsaures  Methyl  =  C3Ha02   ;  v  =   83,9  K.   =  4  x  21,0. 

6.  „  Aethyl  =  C4H30,   5  v  =  107,4  K.   =  5  x  21,5. 

v  =  107,7  P.    =  5  x  21,6- 

7.  „  Propyl  =  C5H10Oa  ;  v  =  129,5  PP.  =  6  X  21,6. 

8.  „  Isobutyl  =  C6H1202  ;  v  =  149,1  PP.  -  7  X  21,3. 

9.  „  Isoamyl  =  C-H1402  ;  v  =  175,4  K.   =  8  X  21,9. 

III.  Propionate. 

10.  Propionsaures  Aethyl      =  C6H10O2  ;  v  =  126,7  K.    =  6  x  21,1. 

v  =  128,6  PP.  =    6  X  21,4. 

11.  „  Propyl      =  C„H1202  ;  r  =  152,0  PP.  =   7  x  21,7. 

12.  „  Isobutyl  =  C7Hu02  ;  v  =  175,0  PP.  =   8  X  21,9. 

IV.  Isobutyrate: 

13.  Isobuttersaures  Methyl    =  C5H10O2  j  v  =  127,1  K.   =  6x21,2. 

v  =  128,3  PP.  =   6  x  21,4. 

14.  „  Aethyl    =  C0H13O2  ;  v  =  149,7  K.    =   7  x  21,4. 

v  =  151,9  PP.  =   7  x  21,7. 

15.  „  Propyl    =  C-H140,  ;  v  =  174,4  PP.  =   8  X  21,8. 

16.  „  Isobutyl  =  C8Hlfl02  ;  v  =  199,9  PP.  =   9  x  22,2. 

17.  „  Isoamyl  =  CsH1802  ;  0  =  221,7  PP.  =  10  x  22,2. 

V.  Isovalerianate: 

18.  Isovaleriansaur.  Methyl    =  C6H1202  ;  v  —  149,6  K.   =  7x21,4. 

=  149,8  PP.  =   7  x  21,4. 

19.  „  Aethyl  =  C7H1402  ;  v  =  174,7  PP.  =   8  x  21,8. 

20.  „  Propyl    =  C8H1(lO,  ;  r  =  198,6  PP.  =   9  X  22,1. 

21.  „  Isobutyl  m  C9H„02  ;  v  =  217,8  PP.  =  10  x  21.8. 

22.  „  Isoamyl  =  CloH20O2;  v  =  244,6  K.    =  11  x  22,2. 

v  =  245,7  PP.  =  11  X  22,3. 

Diese  22  Ester  der  Fettreihe  sind  alle  meines  Wissens 
auf  ihre  Ausdehnung  durch  die  Wärme  untersuchten.  Es  ist 
überraschend,  welche  grosse  Regelmässigkeit  sich  in 
ihrer  Volumenconstitution  ausspricht. 

Ausnahmslos  wächst,  wie  man  sieht,  obwohl  die 
Ester  nur  schwierig  völlig  rein  zu  erhalten  sind,  doch  so- 
wohl in  der  Normalreihe,  als  in  der  Isoreihe  das  Vo- 
lumenmaass  mit  dem  Atomgewicht;  dennoch  schwankt 
der  Werth  des  Volumens  von  02  =  Volumen  CH2  nur 
zwischen  den  engen  Grenzen  21,0  bis  22,2. 

Es  ist  hiernach  ausser  Zweifel,  dass  auch  in  jedem 
Ester  02  mit  CH2  genau  die  nämliche  Raumerfül- 
lung hat. 


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H.  Schröder. 


663 


§  26.  Vergleicht  man  bei  der  Siedehitze  die  Volumina 
der  Alkohole  mit  den  Volumen  ihrer  entsprechenden  Säu- 
ren, so  ergibt  sich: 


1. 


2. 


3. 


4. 


5.  i 


Methylalkohol; 

Ameisensäure ; 
Aethylalkohol; 


Essigsäure; 

• 

Propylalkohol; 
Propionsäure; 

Isobutylalkohol; 
Isobuttersäure; 

Isoamylalkohol; 


v 
v 

V 

V 
V 
V 

V 
9 

V 
V 
V 

V 
V 
V 

V 
V 


Isovaleriausäure;  r 

v 


42.3  K.  | 

42.4  P. 
41,«  K.  | 


61,7  P. 

62.2  K. 
62,7  R. 

63.4  K. 

64.3  R. 

81.5  PP. 
85,9  K. 
86,0  PP. 

102.3  PP. 
106,5  PP. 

106.7  K. 

122.8  P. 

123.5  K. 

130.4  K. 

130.6  PP. 


Jv  =  —  0,5. 


Jv  =  +  1,6  im  Mittel. 


Jv  =  +  4,5. 


Jv  =  +  4,2  bis  4,4. 


-  Jv  =  +6,9  bis  7,8. 


Weil  das  Volumenmaass  der  normalen  Alkohole  ab- 
nimmt, das  der  Säuren  zunimmt,  so  wachsen  die  Differenzen 
der  Paare  von  Nr.  1  bis  3  und  von  Nr.  4  und  5.  Die 
Volumina  von  Methylalkohol  und  Ameisensäure,  von 
Aethylalkohol  und  Essigsäure  können  bei  Siedehitze 
angenähert  für  gleich  erachtet  werden;  das  Volumen  än- 
dert sich  nur  wenig,  indem  in  der  Säure  O  an  die  Stelle 
von  H2  des  Alkohols  tritt.  Bei  den  höheren  Paaren  jeder 
homologen  Reihe  nimmt  dagegen  die  Volumendifferenz  beim 
Siedepunkt  rasch  zu. 

Die  Volumina  der  Alkohole  und  ihrer  respectiven  Säuren 
stehen  beim  Siedepunkt  zwar  in  sehr  gesetzmässigen ,  aber, 
mit  Ausnahme  des  ersten  Paares,  nicht  in  einfachen  Be- 
ziehungen. 

§  27.  Viel  einfachere  Verhältnisse  der  Volumina  der 
Alkohole  und  ihrer  respectiven  Säuren  stellen  sich  heraus, 
wenn  man  sie  bei  gleicher  Temperatur  vergleicht.  Es  hat 
Brühl1)  eine  Reihe  sehr  sorgfältiger  Dichtigkeitsbestim- 

1)  Brühl,  Lieb.  Ann.  208. 


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664 


//.  Schröder. 


mungen  von  Alkoholen  und  Säuren  der  Fettreihe  bei  20°. 
bezogen  auf  Wasser  von  4°,  gegeben,  und  es  reihen  sich 
denselben  die  von  Brühl  aus  den  Landolt'schen  Beobach- 
tungen für  die  nämliche  Temperatur  berechneten  Werthe 
an.  Aus  diesen  Beobachtungen  ergeben  sich  die  Molecular- 
volumina  bei  20°  wie  folgt: 

j  [Methylalkohol 
l  Ameisensäure 
2  f  Aethylalkohol 
l  Essigsäure 
(  Norm.  Propylalkohol 


3. 


4. 


ropionsäure 


Norm,  Buty lalkohol 
Norm.  Buttersäure 


^  \  Isobuty lalkohol 
l Isobuttersäure 
Isoamylalkohol 


6. 


Isovaleriansäure 


CH40  ; 

vin 

40°4L  \ 

M  y  '  1  mm  X             •  | 

CH.,0,.  : 

-  * 

*  m 

87,74  L.  1 

(\II,0  ; 

.0 

57,50  L.  1 

57,47  L.  1 

C5HH0 

74.59  Br.  \ 

C3H,A 

74,45  L.  / 

c4nl0o 

»i« 

91,37  13r. 

C4HA  ; 

91.75  L. 

r,0 

91,79  Br. 

C4HI00  ; 

rM 

91,79  L.  1 

C4H9Os  i 

'  20 

92,73  Br.  J 

C5H120 

i  rso 

108,3  L. 

108,6  Br. 

C5H,0(X: 

109,72  L. 

ri0 

109,00  K. 

Av  = 

—  2.50. 

Av  = 

-  0,03 

Ar  = 

-  0,14. 

Av  = 

+  0.3> 

bis  0,42. 
Av  m  +  0,94. 

Av  =  1,1 
bis  1,4. 


Nimmt  man  das  erste  Paar  aus,  so  gilt  thatsächlich. 
wenn  auch  nicht  in  aller  Strenge  der  Satz:  bei  gleicher 
Temperatur  ist  das  Alkoholvolumen  sehr  nahe  gleich 
dem  Säurevolumen;  O  in  der  Säure  tritt  sehr  nahe  ohne 
Volumenänderung  an  die  Stelle  von  H2  des  Alkohols.  Am 
nächsten  liegen  sich  die  Volumina  von  Propjlalkohol  und 
Propionsäure,  Butylalkohol  und  Buttersäure;  von 
da  ab  wird  die  Differenz  bei  den  niederen  Paaren  zu- 
nehmend negativ,  d.  h.  das  Alkoholvolumen  wird  zunehmend 
grösser  als  das  Säurevolumen.  Bei  den  Paaren  von  höhe- 
rem Atomgewicht  scheint  die  Differenz  positiv  zu  werden, 
d.  h.  das  Säurevolumen  ergibt  sich  sehr  wenig  grösser  als 
das  Alkoholvolumen.  Doch  überschreiten  die  letzteren  Dif- 
ferenzen kaum  die  Fehlergrenzen  der  Beobachtung,  und  aus 
anderen  Beobachtungen  würde  sogar  die  Gleichheit  der  Vo- 
lumina der  höheren  Säuren  und  Alkohole  bei  gleicher  Tem- 
peratur hervorgehen.  Es  muss  dies  künftiger  Aufklärung 
vorbehalten  bleiben.  Ich  führe  noch  eine  Reihe  dahingehö- 
riger Thatsachen  an. 


V 


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//.  Schröder. 


665 


a.  Für  Alkohol  und  Essigsäure  ergibt  sich  aus  den 
Beobachtungen  KoppV): 

I  Aetbylalkohol:  r„  =  56,83;  r50  »  60,02;  r7(M  =  62,22 
l  Essigsäure:        r{)  -  55,55;    r50  =  58,58;    r7Sf4  =  60,48 

J  =    1,28;      J  =    1,44;         A  =  1,74. 

Das  Alkoholvolumen  ist  wie  in  2  oben  stets  etwas 
grösser  als  das  Säurevolumen  bei  gleicher  Temperatur  und 
scheint  sich  mit  abnehmender  Temperatur  dem  letzteren  lang- 
sam zu  nähern. 

b.  Dass  für  die  höheren  Paare  das  Säurevolumen 
etwas  grösser  wird,  als  das  Alkoholvolumen,  wie  oben  in  6, 
dafür  scheint  auch  die  Beobachtung  der  Dichtigkeit  von 
norm.  Amylalkohol  und  norm.  Valeriansäure  bei  verschie- 
denen Temperaturen  von  Lieben  und  Rossi  (1870  und 
1871)  zu  sprechen.    Nach  diesen  Beobachtungen  ergibt  sich: 

(  Norm.  Amylalkohol:  t?0= 106,1;  t>20=  107,'.»;  r41>  =  110,0;  r0,j2  =  117,5 
1  Norm.  Valeriansiiure:  r0  =  106,5;  r40  =  108,5;  t?4ü  =  110,7;  t*99,3  =  118,2 

Jv=*    0,4;  Jp=*    0,6;  J  v-    0,7;    Jv=  0,7. 

Die  sich  stets  sehr  nahe  liegenden  Volumina  nähern  sich 
mit  abnehmender  Temperatur  sehr  langsam  der  völligen 
Gleichheit.  Die  Unterschiede  überschreiten  jedoch  nicht  die 
Fehlergrenzen  der  Beobachtung. 

Andererseits  spricht  eine  Reihe  von  Beobachtungen  für 
wirkliche  Gleichheit  der  Volumina  von  Säure  und  Alkohol 
bei  gleicher  Temperatur  auch  bei  den  höheren  Gliedern. 

a'.  Nahe  völlig  gleich  erscheinen  die  Volumina  von  nor- 
malem Propylalkohol  und  Propionsäure  nach  den  Beobach- 
tungen von  Saytzeff,  von  Linnemann  und  von  Kopp: 

1870  1872 

{Norm.  Propylalkohol:  r0  =  72,01  Saytzeff;  r15  =  74,39  Linnemann 
Propionsäure:    e0  =  72.83  Kopp      ;  vlb  =  74,03  Kopp. 

b'.  Völlig  gleich  erscheinen  die  Volumina  von  normalem 
Butylalkohol  und  normaler  Buttersäure  nach  den  Beobach- 
tungen von  Saytzeff,  von  Linnemann  und  von  Pierre: 

1870  1872 
I  Norm.  Butylalkohol:  v0  =  89,60  Saytzeff;  v2i  =  90,97  Linnemann 
l  Norm.  Buttersäure:     t>0  =*  89,64  Pierre    ;  vn  m  90,96  Pierre  1.  c. 

1)  Kopp,  Pogg.  Ann.  72.  1847. 


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666  H.  Schröder, 

c'.  Vergleicht  man  die  von  sehr  verschiedenen  Beobach- 
tern für  Isoamylalkohol  und  Isovaleriansäure  bei  0° 
beobachteten  Volumina,  so  kann  man  sie  wohl  nur  für  gleich 
erachten.    Man  hat: 

Isoamyl-  \  ,    T_  Isovalerian- 1  (Dumas  u, 

n    u  i  f  «\>  =  107,1    Kopp;  _  }t>0  =  104,1  { 

alkohol  I  0        '         rr  säure      P  l  btass. 

inactiver  v0  =  106,8    Balbiano;         „  v0  m  107,0  D elf fs. 

,rn.  I  Erlenmeyer  +Mn  ™ 

activer      v0  =  106,5  {         _  ./  „  vQ  =  106,9  Personne. 

I     u.  Hell; 

„         r0  =  106,4   Pierre;  „  t>0  =  106,8  Chevreul. 

„         t>0  =  106,1    Cahours;  „  t>0  =  106,7  Kopp. 

Nach  Kopp's  Beobachtungen,  wenn  dabei  auch  ein 
wenig  Zufall  mitgewirkt  haben  mag,  stimmen  die  Volumina 
beider  auch  bei  50  und  100°  vollkommen  überein: 

I  Isoamylalkohol;  v60  =  112,3  K.;  i\00  =  118,7  K. 
1  Isovaleriansäure;  vM  =  112,3  K.;    «l00  =  118,7  K. 

d' .  Auch  für  normalen  Heptylalkohol  und  normale 
Heptylsäure  sind  bei  0°  gleiche  Volumina  beobachtet: 

|  Norm.  Heptylalk.  S=  175,5°;  r0  =  138,6  Cross  (1877). 

\  Norm.  Heptyls.      5  =  222,4°;  v0  =  139,0  Lieben  u.Janeeeck  (1877). 

Alle  diese  Thatsachen  sprechen  dafür,  dass  die  Alko- 
hole und  ihre  zugehörigen  Säuren  der  Fettreihe  vom  dritten 
Glied  ab  bei  gleicher  Temperatur  sehr  nahe  gleiche  oder 
völlig  gleiche  Volumina  haben. 

§  28.  Ich  habe  dem  Nachweis  der  erwähnten  That- 
sachen eine  besondere  Sorgfalt  gewidmet  aus  dem  Grunde, 
weil  man  bisher  von  der  Ansicht  ausging,  dass  sich  Regel- 
mässigkeiten der  flüssigen  Volumina  dann  am  sichersten  her- 
ausstellen, wenn  man  die  Volumina  bei  gleicher  Spannkraft 
der  Dämpfe,  also  z.  B.  bei  den  respectiven  Siedepunkten 
vergleicht.  Aus  verschiedenen  Thatsachen  geht  hervor,  dass 
dies  zwar  die  Kegel,  aber  nicht  allgemein  gültig  ist. 

Die  Alkohole  der  Fettreihe  und  ihre  Säuren,  obgleich 
ihre  Siedepunkte  um  einige  40°  differiren,  zeigen,  das  erste 
Paar  ausgenommen,  die  einfachsten  Verhältnisse,  wenn 
man  sie  bei  gleicher  Temperatur  vergleicht.  Die  Mittel- 
glieder der  homologen  Reihe,  die  Alkohole  und  Säuren  des 
Propyls  und  Butyls  haben  völlig  identische  Volumina;  es 


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//.  Schröder. 


667 


tritt  0  ohne  Volumenänderung  an  die  Stelle  von  H2  des 
Alkohols.  Bei  den  niederen  Gliedern,  so  bei  dem  Aethyl- 
alkohol  und  der  Essigsäure,  ist  das  Alkoholvolumen  sehr 
wenig  grösser  als  das  Säurevolumen;  bei  den  höheren  Glie- 
dern scheint  nach  einigen  Beobachtungen  das  Säurevolumen 
sehr  wenig  grösser,  als  das  Alkoholvolumen;  nach  anderen 
Beobachtungen  erscheinen  auch  die  Volumina  der  höheren 
Paare  völlig  gleich. 

Im  Mittel  haben  also  die  Alkohole  und  ihre 
respectiven  Säuren  gleiche  Volumina  bei  gleicher 
T  emperatur. 

Diese  Thatsache  steht  nicht  allein.  Analoges  kommt 
mehrfach  vor.  Ich  werde  weiter  unten  z.  B.  nachweisen, 
dass  die  Alkohole  und  Ester  des  Propargyls  und  Aethyls 
nahe  gleiche  Volumina  bei  gleicher  Temperatur  haben; 
ebenso  die  Jodalkyle  und  die  Ester  von  gleicher  Steren- 
zahl  u.  s.  f. 

§  29.  Die  Säuren  und  ihre  isomeren  Ester  haben 
bei  Siedehitze  sehr  nahe  gleiches  Volumen  (§2);  bei  glei- 
cher Temperatur,  z.  B.  bei  20°,  sind  die  Molecularvolumina 
der  Ester  jedoch  beträchtlich  grösser,  weil  der  Abstand  der 
Ester  vom  Siedepunkt  ein  viel  kleinerer  ist.  Ihre  Volumen- 
unterschiede werden  allmählich  etwas  kleiner  mit  abnehmen- 
der Temperatur,  weil  die  einer  bestimmten  Abkühlung  ent- 
sprechende Contraction  der  Ester  etwa  sieben  Sechstheile 
mal  so  gross  ist  als  die  Contraction  der  isomeren  Säuren. 

§  30.  Durch  die  Paragraphen  26  bis  28  ist  nun  fest- 
gestellt, dass  auch  CO  der  Säuren  mit  CH2  derselben 
gleiche  Raumerfüllung  hat,  weil  H2  des  Alkohols  durch 
das  zweiwerthig  an  C  gebundene  0  in  CO  der  Säure  im 
Mittel  ohne  Volumenänderung  ersetzt  wird.  In  der  näm- 
lichen Verbindung  hat  daher  CO  unbedingt  die  näm- 
liche Raumerfüllung  wie  CH2;  d.h.,  das  zweiwerthig 
an  ein  Kohlenstoffatom  gebundene  Sauerstoffatom 
hat  die  nämliche  Raumerfüllung  wie  zwei  Wasser- 
stoffatome. 

Ich  will  dies  für  Buttersäure  und  Butylalkohol  bei  0° 


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//.  Schröder. 


an  einem  Beispiele  erläutern.  Nach  §  22  und  23  und  §  27  V 
hat  man: 

|  Norm.  Butylalkohol  =  C4H10O.,;  vQ  =  89,62  =  5  x  17,92. 
\  Norm.  Buttersäure    =  C4IIs04  ;  vti  =  89,62  =  5  X  17,92. 

Im  Aethylalkohol  und  der  Essigsäure  bei  0°  (nach 
Kopp)  haben  zwar  CO  und  CH2  wie  oben  die  nämliche 
Sterenzahl,  aber  wegen  des  ungleichen  Volumenmaasses 
sind  die  messenden  Zahlen  nicht  mehr  völlig  gleich.  Man  hat. 

• 

|  Aethylalkohol  =  CsH,0  ;   v0  =  56,83  =  3  X  18,94. 

I  Essigsäure  =  CUi4Oä;   v0  =  55,55  =  3  X  18,52. 

§  31.  Nach  den  Mittel werthen  der  beim  Siedepunkt 
beobachteten  Volumina  haben  Essigsäure  und  Aethyl- 
aldehyd  gleiches  Volumenmaass,  denn  sie  sind  Mul- 
tipla  der  nämlichen  Stere.  Beide  unterscheiden  sich 
ihrer  Zusammensetzung  nach  um  0  in  OH.    Man  hat: 

|  Essigsäure  =  CH„.CO.OH;  v  =  63,9  i.  M.  -  9  x  7,1.  K.u.R.  (§  26) 
1  Aid e h y d      =  CH8.CO.H  ;  v  =  56,8        =8x7,1.  K.u.P. 

Av  für  O  in  OH  =  7,1. 

Nun  ist  aber  Vol.  CH2  =  Vol.  02  in  der  Essigsäure 

nach  Paragraph  22  =  21,3: 

Essigsäure  =  C2H40.,;  v  =  63,9  =  3  x  21,3. 

Aber  21,3  ist  =  3  x  7,1. 

Es  hat  also  O  in  OH  den  dritten  Theil  des  Vo- 
lumens, welches  dem  CH2  und  dem  02  in  der  Essig- 
säure zukommt.. 

Da  das  Volumenmaass  der  Aldehyde  der  Normalreihe 
mit  dem  Atomgewicht  abnimmt,  das  der  Säuren  aber 
wächst,  so  wird  natürlich  die  Differenz  der  Säuren  und 
Aldehyde  in  den  höheren  Paaren  sofort  grösser,  als  der 
dem  O  in  OH  wirklich  zukommende  Werth,  =  7  etwa. 
So  ist  z.  B.: 

|  Propionsäure     =  C8H6.CO.OH;    v  =  85,9  K. 
\  Propylaldehyd  =  C2H5.CO.H  ;   v  =  75,0  PP. 

Av  =  10,9. 

Aber  diese  Differenz  10,9  entspricht  keineswegs  dein 
wahren  Volumen  von  0  in  OH  der  Säure,  weil  in  dieser 
Differenz  auch  der  gesammte  Mehrbetrag  des  Volumens 
der  in  der  Säure  und  dem  Aldehyd  gemeinsamen  Com- 


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H.  Schröder. 


6G9 


ponenten  enthalten  ist,  welcher  denselben  wegen  des  grösse- 
ren Volumenmaasses  in  der  Säure  zukommt. 

Auch  Phenol  und  Benzol  haben  sehr  nahe  gleiches 
Volumenmaass  und  bestätigen,  dass  dem  O  in  OH  eine 
Stere  Raumerfüllung  eigen  ist.  Man  hat,  wie  sich  später 
unzweifelhaft  ergeben  wird: 

f  Phenol  =  CöH5.OH;  v  =  103,0  K.  =  15  x  6,87. 
t  Benzol      =  CÖH3.H  ;    v  =   96,0  K.  =  14  X  6,86. 

Jv  =  7,0. 

Beide  unterscheiden  sich  also  um  eine  Stere. 

§  32.  Die  bis  dahin  gewonnenen  Thatsachen  reichen 
nun  schon  hin,  um  die  Volumenconstitution  der  Säuren 
und  Ester,  der  Alkohole  und  Aldehyde,  und  ebenso  um 
die  Atomvolumina  der  Elemente  in  diesen  Verbindungen 
festzustellen. 

Nehmen  wir,  um  dies  klar  darzulegen,  das  Volumen- 
maass so  an,  wie  es  oben  für  die  Essigsäure  und  das 
Aldehyd  sich  ergeben  hat,  so  ist  festgestellt  bei  Siede- 
hitze :  * 

a.  Weil  Vol.  GH.,  =  Vol.  04  -  Vol.  OH.2  =  21,3  =  8  x  7,1  (§  22  bis  25) 

und  Vol.  0  in  OH*  1  X  7,1  (§31) 

so  ist  Vol.  H2  in  OH2  =  2  x  7,1 
und  Vol.  H  =  1  x  7,1. 

Es  haben  daher  0  in  OH  und  H   die  gleiche 
Raumerfüllung  einer  Stere: 

b.  Weil  Vol.  CH2  =  21,3  =  3  x  7,1 

und  Vol.  H,  =  2  x  7,1 

so  ist  Vol.  C  =  1  x  7,1. 
Es  hat  also   auch  C  mit  H  und  0  in  OH  die 
gleiche  Raumerfüllung  einer  Stere: 

c.  Weil  Vol.  CH,  =  Vol.  CO  =  3  x  7,1  (§  26  u.  27). 
u.  Vol.  0  in  CÖ  =  Vol.  H,  -  2  x  7,1 

so  ist  also  Vol.  0  in  CO  =  2  x  7,1. 

Es  hat  also  O  in  CO  zwei  Steren  Raumerfüllung. 

Die  Stere  ist  hier  =  7,1.  Sie  ist  mit  dem  Atomgewicht 
und  der  Zusammensetzung  in  engen  Grenzen  veränderlich, 
aber  sie  schwankt,  wie  sich  zeigen  wird,  für  alle  genannten 


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670 


H,  Schröder 


Gruppen  nur  innerhalb  der  Grenzen  6,7  und  7.4  und  ist  im 
Durchschnitt  etwa  7. 

Das  überaus  einfache,  schöne  und  merkwürdige  Resultat 
dieser  Untersuchungen  ist  daher: 

Die  Atomvolumina  der  Elemente  Kohlenstoff 
und  Wasserstoff  und  des  einwerthig  verketteten 
Sauerstoffes  sind  in  jeder  Verbindung  gleich  und 
werden  durch  eine  Stere  gemessen. 

Dem  Atomvolumen  des  zweiwerthig  an  ein  Koh- 
lenstoffatom gebundenen  Sauerstoffes  in  CO  ent- 
sprechen zwei  Steren. 

Dem  02  des  Carboxyls  =  CO.OH  der  Säuren  ent- 
sprechen drei  Steren,  weil  es  0  in  CO  mit  zwei  Ste- 
ren und  O  in  OH  mit  einer  Stere  enthält. 

IV.    Volumenconstitution  der  gesättigten  Verbindungen. 

§  33.  Nach  Ermittelung  der  erwähnten  einfachen  Natur- 
gesetze ist  nun  die  Volumenconstitution  der  Säuren  und 
Ester,  der  Alkohole  und  Aldehyde  der  Fettreihe  nach 
dem  Vorausgehenden  unmittelbar  gegeben. 

Ich  bezeichne  mit  einer  ganzen  Zahl  rechts  unten  neben 
dem  Zeichen  eines  Elementes,  wie  üblich,  die  Anzahl  der 
Atome,  mit  welchen  es  in  einer  Verbindung  enthalten  ist; 
und  mit  einer  ganzen  Zahl  rechts  oben  neben  dem  Zeichen 
eines  Elementes  die  Anzahl  der  Steren,  welche  die  bezeich- 
nete Atomzahl  dieses  Elementes  in  der  Verbindung  zur 
Raumerfüllung  beiträgt.  Die  Summe  aller  dieser  Steren 
der  Elementaratome  macht  die  Sterenzahl  der  Verbin- 
dung aus.  Das  beobachtete  Volumen,  mit  dieser  Steren- 
zahl getheilt,  ergibt  die  Grösse  der  Stere. 

Es  lässt  sich  auf  diese  Weise  die  Volumenconsti- 
tution jeder  Verbindung,  ganz  analog  wie  ihre  Zusam- 
mensetzung nach  Gewichten,  durch  eine  einfache  For- 
mel ausdrücken. 

Im  Folgenden  stelle  ich  diese  Formeln  für  die  oben 
erwähnten  Gruppen,  sofern  dieselben  auf  ihre  Ausdehnung 
durch  die  Wärme  untersucht  sind,  zusammen.    Die  Volumina 


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H.  Schröder. 


671 


und  Steren  gelten  alle  für  die  Siedepunkte  der  betreffen- 
den Verbindungen. 

§  34.  Für  die  Alkohole  der  Fettreihe  ergibt  sich 
sonach: 

*    *  .        .    .  j  =Cl1H33.011Hl1\  v=   42,3  K.   =  6x7,05. 

Methylalkohol  (^.^«i      L=   42,4  P.    =  6x7,06. 

2.  Aethylalkohol  =  Q%*BfOxx   ;  t>  =   61,7  P.    =  9x6,86. 

v  -  62,2  K.  m  9  X  6,91. 
v  =   62,7  K.    =  9x6,97. 

3.  Propylalkohol  =  C33HS8(V   ;  v  =   81,5  PP.  =  12  x  6,79. 

4.  Isobutylalkohol  =C44H9801l  ;  v  m  102,3  PP.  =  15  x  6,83. 

5.  Isoamylalkohol  =  C5ftHia,sO, »;  v  =  122,8  P.  =18x6,82. 

V  m  123,5  K.    =  18  X  6,86. 

6.  Methylhexylcarbinol  =  CS8H181&<V;  v  =  197,3  R.    «  27  x  7,31. 

Die  Abnahme  der  Stere  in  der  Normalreihe  liegt  klar 
vor.  Ob  die  Kamsay'sche  Bestimmung  Nr.  6  nicht  etwas  zu 
hoch  ausgefallen  ist,  muss  ich  einer  wiederholten  Beobachtung 
anheimstellen. 

Jedes  Elementaratom  der  Alkohole  erfüllt  den 
Raum  einer  Stere. 

§  35.    Für  die  Säuren  der  Fettreihe  ergibt  sich: 

1.  Ameisensäure      |=c 'li^O  3  I  v  =  41,8  K   =  6  X  6'97* 

2.  Essigsäure  =  C8sH44028       =  63,4  K.   m  9x7,04. 

v  =   64,3  R.    -   9  X  7,14. 

3.  Propionsäure  =  C33H66<V  i  »  =  35,9  K.   =  12  x  7,16. 

v  =   86,0  P.    =  12  x  7,17. 

4.  Norm.  Buttersäure       =  C^HgK),8  ;  v  =  108,0  P.    =  15  x  7,19. 

5.  Isobuttersäure  =  C44Has(V  ;  t>  =  106,5  PP.  =  15  x  7,10. 

v  =  106,7  K.  =15x7,11. 

6.  Isovaleriansäure  =  C55H10i°O23;  v  «  130,4  K.   *=  18  x  7,24. 

v  =  130,6  PP.  =  18  X  7,26. 


1 


Die  Zunahme  der  Stere  in  der  Normalreihe  und  in  der 
Isoreihe  liegt  klar  vor.  Ebenso  ist  die  Stere  der  Normal- 
verbindung grösser  als  die  Stere  der  Isoverbindung.  Die 
Volumina  der  Säuren  enthalten  eine  dem  Sauerstoff 
zukommende  Stere  mehr  als  Elementaratome. 

§  36.  Für  die  Ester,  nach  ihrem  Säuregehalt  geordnet, 
ergibt  sich: 


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672 


//.  Schräder. 


I.  Formiate: 
1.  Ameisens.  Methyl 


2. 


3. 
4. 


Aethyl 


Propyl 
Isobutyl 

II.  Acetate. 


C3'Hd*0.23 


;  o  =   63,1  K. 

r  =   63,2  R. 
;  v  m   84,7  K. 
v  =   85,4  P. 
v  -   85,6  R. 
;  v  =  106,9  PP. 


9  X  7,01. 

9  X  7,02. 
12  x  7,06. 
12  X  7,12. 
12  x  7,13. 


15  x  7,13. 

CVH1010O,3   ;  v  =  130,9  PP.  =  18  x  7,29. 


5.  Essigsaures  Methyl 

6.  „  Aethyl 


7. 
8. 
9. 


Propyl 

Isobutyl 

Isoamyl 


C33IVO,3 
C/Hs'023 

(VH,,l*0,3 
(VHu"Oä3 


;  v  =  83,9  K. 
;  v  =  107,4  K. 

0  m  107,7  P. 
;  v  =  129,5  PP. 
;  v  =  149,1  PP. 
;  v  =  175,4  K. 


12  X  6,99. 
15  X  7,16. 
15  X  7,18. 
18  X  7,19. 
21  X  7,10. 
24  x  7,31. 


III.  Propionate. 
10.  Propionsaur.  Aethyl     =  C55H1010O,3 


11.  „  Propyl     =  C6,5IIu.l20,3 

12.  „  Isobutyl  =  C77Hu140,3 

IV.  Isobutyrate. 

13.  Isobutters.  Methyl 


v 
\  v 

;  v 


126,7  K.  =  18x  7,04. 
128,6  PP.  =  18x7,14. 
152,0  PP.  =  21  X  7,24. 
175,0  PP.  =  24  x  7,29. 


14. 


Aethyl 


=  <VH10 
=  C(i"Hl2120,3 


15. 
16. 
17. 


n 


Propyl 

Isobutyl 

Isoamyl 


;  v  =  127,1  K.    =  18  x  7,06. 

0  =  128,3  PP.  =  18  X  7,13. 
;  v  =  149,7  K.   =  21  x  7,12. 

v  =*  151,9  PP.  =  21  x  7,23. 
;  v  =  174,4  PP.  -  24  x  7,27. 
;  v  =  199,9  PP.  =  27  x  7,40. 


=  <VH14»023 

<ü  C0°H181S0.23  ;  v  =  221,7  PP.  =  30  x  7,39. 

V.    Iso  valerianate. 
18.  Isovaleriaus.  Methyl    =  C0°H12lifO, 


19. 
20. 
21. 
22. 


Aethyl  =  C77HU«*(V 
Propyl'  =  C3sH16l60,3 
Isobutyl  =  CöuII1H18023 
Isoamyl  =  Cj^^H^1 


v  -  149,6  K.  =  21  X  7,12. 
v  =  149,8  PP.  =  21  X  7,13. 
v  =  174,7  PP.  =  24  X  7,28. 
v  =  198,6  PP.  =  27  x  7,36. 
v  =  217,8  PP.  =  30  X  7,26. 
M()f«.  v  =  244,6  K.  =  33  X  7,41. 
v  =  245,7  PP.  =  33  X  7,45. 

Es  ist  überraschend,  welche  einfache  und  schöne  Ge- 
setzmässigkeit sich  in  all  diesen  Beziehungen  ausspricht. 

§  37.    Für  die  Aldehyde  und  Ketone  ergibt  sich: 

,    a   ii    ,  n  ,  |  =  C1,H33.C1,012H1M  v  =   56,9  K.    =  8x7,10. 

Aethylaldehyd       j  =  fafä^         L-Ö6,8P.  =8x7,10. 


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673 


2.  Propylaldehyd  =  (VH/O,*  »  v  m   W»OPP.  =  11  X  6,82. 

S.Aceton  «  Ci  W  5«-  77,4  K.  =11x7,04. 

v  =   77,0  Th.  =  11  x  7,00. 

4.  Isobutylaldehyd  =  (VHSS<V   ;  v  =   96,3  PP.  =  14  x  6,88. 

5.  Isoamylaldehyd  =  C5ftHI0,0O,2;  v  =  118,6  K.   =  17  X  6,98. 

v  =  118,7  PP.  =  17  x  6,98. 

Das  Volumenmaass  der  Aldehyde  sinkt  vom  ersten  zum 
zweiten  Glied  in  der  Normalreihe.  In  der  Isoreihe  scheint 
es  mit  dem  Atomgewicht  zu  wachsen. 

§  38.  Die  einfachen  in  §  32  zusammengestellten  Gesetze 
gelten  jedoch  nicht  nur  für  die  Alkohole  und  Säuren,  die 
Ester  und  Aldehyde,  aus  deren  Beziehungen  sie  abgeleitet 
wurden;  sie  sind  ebenso  gültig  für  alle  gesättigten 
Verbindungen,  also  für  alle  aus  Kohlenstoff,  Was- 
serstoff und  Sauerstoff  zusammengesetzten  Verbin- 
dungen, welche  keine  mehrfach  verketteten  Kohlen- 
stoffatome enthalten. 

Es  geht  dies  zunächst  hervor  aus  den  bis  jetzt  auf  ihre 
Ausdehnung  durch  die  Wärme  untersuchten  gesättigten  Koh- 
lenwasserstoffen. 

JedesElementaratom  derselben  erfüllt  denRaum 
einer  Stere.    Sie  sind: 

1.  Propylisopropyl    =  CÄ6HUU;  v  =  13S,7  R.  =  20  x  6,94. 

2.  Normales  Hexan    =  Ce«HuM;  v  =  140,1  berechnet  =  20  x  7,00. 

3.  Aethylisoamyl       =  C77H1616;  r  =  162,3  Th.  =  23  x  7,05. 

4.  Normales  Heptan  =  C77H1616;  v  =  162,9  Th.  =  23  x  7,08. 

5.  Diisobutyl  =  C8*H1819;  r  =  184,8  K.  =  26  x  7,10. 

e  =  185,5  Th.  =  26  x  7,13. 

6.  Normales  Ot  tan    =  C8»Hlä^  o  =  186,9  Th.  =  26  x  7,19. 

Das  normale  Hexan  ist  berechnet  nach  Schorlem- 
mer'8  Dichtigkeitsbestimmung  5  =  0,6630  bei  17°  und  den 
Ausdehnungsmessungen  Thorpe's  für  das  normale  Heptan. 

Diese  Verbindungen  weisen  das  Wachsen  des  Vo- 
luinenmaasses  oder  der  Stere  mit  dem  Atomgewicht 
nach;  sie  bestätigen,  wie  schon  Thorpe  an  denselben  er- 
kannt hat,  dass  das  Volumenmaass  der  Normal  Verbin- 
dung beim  Siedepunkt  sehr  wenig,  jedoch  etwas  grösser  ist, 

als  das  der  Isomeren,  und  sie  legen  dar,  dass  die  Mole- 
Ana,  d.  Phys.  u.  Chera.  TS.  F.  XIV.  43 


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H.  Schröder. 


cularvolumina  dieser  Kohlenwasserstoffe  Multipla  der  Stere 
6,9  bis  7,2  sind. 

Diese  Gruppe  enthält  eine  prägnante  Bestäti- 
gung für  die  Richtigkeit  des  Sterengesetzes  und 
der  abgeleiteten  Gesetze  über  die  Atomvolumina 
der  Elemente  in  ihren  Verbindungen. 

§  39.  Die  chemische  Constitution  des  Aethyl  äthers 
ist  dargestellt  durch  die  Formel  C2H5.O.C2H6.  Der  je  ein- 
werthig  an  zwei  Gruppen  Aethyl  =  C22H55  gebundene 
Sauerstoff  muss  nach  den  bisher  ermittelten  Thatsachen  eine 
Stere  Raumerftillung  haben.  Die  Volumenconstitution 
des  Aethers  ist  hiernach: 

Aethyläther  =  C^H^MVIV  =  C4«H1010(V;  v  =  106,2 K.  =  15 x 7,08. 


Jedes  Elementaratom  der  gesättigten  Aether- 
arten  trägt  eine  Stere  zur  Raumerfüllung  bei.  Die 
entwickelten  Volumengesetze  sind  hierdurch  auf  das  un- 
zweideutigste bestätigt. 

Dass  dem  Aethyläther  15  Steren  entsprechen  müssen, 
geht  übrigens  auch  hervor  aus  seinem  vollkommenen  Iso- 
sterismus  mit: 

Isobuttersäure  -  C44Hs9Oa8;  v  =  106,7  K.    =  15  x  7,11. 


und  ameisensaurem  Propyl    =  C/Hg^V;  v  -  106,9  PP.  =  15  x  7,13. 

§  40.  Die  Structurformel  des  kohlensauren  Aethyls 
ist  (C2H60)2.CO.  Seine  Volumenconstitution  muss  daher 
sein:  C4*H1010O22.C11Ox»  =  C66H1010O3*=  19  Steren.  Nun  hat 
man  nach  Kopp's  Beobachtung: 

Kohlensaures  Aethyl  =  C65H10,0O34;  v  =  138,8  K.  =  19  X  7,31. 

Die  Stere  erscheint  etwas  hoch.  Aber  die  Ester  von 
hohem  Atomgewicht  haben  normal  grosse  Steren;  schon  die 
Annahme  von  20  Steren  würde  die  Stere  6,94  bedingen; 
eine  so  niedere  Stere,  wie  sie  überhaupt  kein  einziger  Ester 
darbietet.  Die  Beobachtung  bestätigt  also  die  Sterenzahl  19. 
wie  sie  theoretisch  vorauszusehen  ist. 

§  41.  Dem  Oxalsäuren  Methyl  gibt  man  die 
Structurformel    !       8,  wonach  seine  Volumenconstitution  als 


t>=  106,5  P.  =15x7,11. 


v  =  106,5  P.  = 


15  X  7.10. 


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675 


(^«C,  K),  Kl  >H33 

Ä  l  =  GYH/O.6  zu  erwarten  ist.    Es  wird  dies 

Ot 'C, 'O, 'C, 'H3        4    6  4 

durch  Kopp's  Betrachtung  bestätigt;  denn  es  ist: 

Oxalsaures  Methyl  =  CVH6*046;  v  =  115,0  K.  =  16  x  7,19. 

Auch  die  Bernsteinsäure  ist  zweibasisch  und  ent- 
hält daher  die  Gruppe  CO  doppelt;  für  bernsteinsaures 
Aethyl  ergibt  sich  hiernach  die  Voluiuenconstitution: 

Bernsteinsaures  Aethyl  =  C99Hu»*049;  v  m  209,2  K.  «  28  X  7,47. 

Fernere  Beobachtungen  müssen  entscheiden,  ob  den 
Estern  der  zweibasischen  Säuren,  welche  die  doppelte 
Anzahl  von  Sauerstoffatomen  enthalten,  in  der  That  regel- 
mässig ein  etwas  grösseres  Volumenmaass  zukommt, 
als  den  Estern  der  einbasischen  Säuren,  wie  es  nach  den 
vorliegenden  Beispielen  den  Anschein  hat. 

§42.  Für  zweiwerthige  Alkohole  oder  Glycole  liegt 
bis  jetzt  nur  eine  Beobachtung  von  Ramsay  für  das  Aethy- 

lenglycol  vor.  Ist  seine  Structurformel  —  HO.H2C.CH2.OH 

/  OH 

oder  =  CH3.CH2<^OH,  so  muss  seine  Volumenconstitution 

gegeben  sein  durch  C22H68022  =  10  Steren. 

Es  bestätigt  sich  dies  durch  die  Beobachtung,  denn: 

Aethylenglyeol  =  C22HööOas;  v  =  65,6  R.  =  10  x  6,56, 

Es  können  nicht  9  Steren  angenommen  werden,  denn 
ihnen  würde  die  Stere  7,29  entsprechen,  weil  65,6  =  9x  7,29. 
Eine  so  hohe  Stere  für  einen  Alkohol  wäre  ganz  ohne 
Analogie.  Entsprechen  aber  die  10  Steren,  so  zeichnen  sich 
die  zwei  werthigen  Alkohole  gerade  so  durch  eine  doppelt 
erniedrigte  Stere  aus,  wie  die  zwei  werthigen  Säuren  und 
Ester  durch  eine  doppelt  erhöhte;  eine  sehr  merkwürdige 
und  lehrreiche  Thatsache,  deren  fernere  Bestätigung  abzu- 
warten ist. 

§43.  Der  nahe  Isosterismus  des  Essigsäureanhydrids 
=  C4H6Ö3  mit  Normalbuttersäure  ergibt,  dass  das  erstere 
15  Steren  hat.  Es  stimmt  dies  vollkommen  tiberein  mit  der 
Structurformel  des  Anhydrids  =  Cx  1  Ox  »Oj  ».Cj  lO,  lfljs 

=  C44H66036  =  15  Steren,  und  die  Beobachtung  bestätigt 

43* 


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A 


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H.  Schröder. 


also  auch  hier  die  Richtigkeit  der  theoretischen  Auffassung. 
Man  hat: 

|  Normalbuttersäure  »  C/H990,3;  v  =  108,0  P.  =  15  x  7,19. 
\  Essigsüureanhydrid  =  C44H^H)zb\  v  =  109,9  K.  =  15  X  7,33. 

§  44.  Es  sind  dies  alle  auf  ihre  Ausdehnung  durch  die 
Wärme  untersuchten  Kohlenwasserstoffe  und  Kohlen  wasserstoff- 
oxyde,  welche  keine  mehrfachen  Bindungen  von  Kohlenstoff- 
atomen enthalten.  Sie  bestätigen  alle  die  entwickelte  Theorie. 

Es  würde  sich  die  gleiche  Thatsache  auch  noch  für 
viele  Verbindungen  bestätigen  lassen,  für  welche  sich,  wenig- 
stens sehr  angenähert,  wie  oben  für  das  normale  Hexan, 
das  Volumen  beim  Siedepunkte  berechnen  lässt  aus  ihrem 
beobachteten  Volumen  bei  0°  oder  gewöhnlicher  Tem- 
peratur und  der  beobachteten  Ausdehnung  durch  die  Wärme 
für  eine  homologe  Substanz.  Ich  habe  dazu  eine  grössere 
vorbereitende  Arbeit1)  bereits  mitgetheilt.  Jene  Berechnung 
auf  viele  Verbindungsklassen  auszudehnen,  ist  jedoch  die  Auf- 
gabe einer  selbständigen  Untersuchung  von  sehr  bedeu- 
tender Ausdehnung,  auf  die  ich  deshalb  hier  ganz  und 
gar  nicht  eingehen  will  und  kann. 

§  45.  Hervorheben  muss  ich  jedoch  schon  hier,  dass 
sich  nach  dem  Sterengesetz  auch  aus  dem  beobachteten 
Volumen  bei  0°  oder  z.  B.  bei  20°  in  vielen  Fällen  mit  Be- 
stimmtheit die  Volumenconstitution  ermitteln  lässt,  und  ich 
will  dies  durch  ein  Paar  Beispiele  belegen. 

Es  ist  dies  z.  B.  dann  der  Fall,  wenn  sich  das  Volumen 
der  beobachteten  Substanz  mit  demjenigen  einer  Substanz 
von  bekannter  Volumenconstitution  und  von  nahe  gleichem 
Siedepunkt  bei  gleicher  Temperatur  oder  bei  gleichem 
Abstand  vom  Siedepunkte  vergleichen  lässt. 

§  46.  Das  Methylal  =  C3H802  betrachtet  man  als 
Methylendimethyläther.  Ist  diese  Auffassung  richtig, 
so  muss  jedes  Elementaratom  des  Methylais  eine  Stere  zur 
Baumerfüllung  beitragen,  und  seine  Volumenconstitution  muss 
gegeben  sein  durch  die  Formel  C33H88022  =  13  Steren. 

1)  H.  Schröder,  13er.  d.  math.  phys.  cl.  d.  K.  Aead.  d.  Wiss.  zu 
München  1881.  I.  p.  23—56. 


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677 


Sein  Volumen  ist  bei  20°  von  Brühl  bestimmt;  sein 
Siedepunkt  zu  42,3°.  Sein  Volumen  ist  also  bei  22°  unter 
seinem  Siedepunkt  bestimmt.  Nun  ergibt  sich  z.  B.  aus 
Kopp's  Beobachtungen  für  ameisensaures  Aethyl  bei 
22°  unter  seinem  Siedepunkt  =55°,  also  bei  33°  das  Vo- 
lumen r33  =  81,39.    Hiernach  hat  man: 

|  Aineisensaures  Aethyl  =  Ca3H06(V;  r33  =*  81,39  K.  =  12  x  6,78. 
\  Metliylal  =  C83HS*<V;  v,0  =  88,3  Br.  =  13  x  6,79. 

Die  vollkommene  Uebereinstimmung  des  Voluinen- 
maasses  oder  der  Stere  beider  Verbindungen  bei  glei- 
chem Abstand  vom  respectiven  Siedepunkte  bestätigt 
die  vorausgesetzte  Volumenconstitution. 

§  47.  Das  Acetal  wird  gehalten  für  Aethyliden- 
diäthyläther.  Es  muss  in  demselben  daher  ebenfalls  jedes 
Elementaratom  eine  Stere  zur  Raumerfüllung  beitragen. 
Wenn  die  Auffassung  richtig  ist,  muss  seine  Volumencon- 
stitution gegeben  sein  durch  die  Formel  G66Hu14022  = 
22  Steren.  Die  Wahrscheinlichkeit  dieser  Folgerung  wird 
dadurch  unterstützt,  dass  hiernach  dem  Acetal  und  dem 
Propylacetat  bei  nahe  gleichem  Siedepunkte  auch  nahe 
gleiches  Volumenmaass  bei  20°  entspricht.  Es  ist  nach  der 
Beobachtung  von  Brühl: 
i  Propylacetat  =  C56H1010O.,3;  6'  =  102°;  vi0  =  115,2  ßr.  =  18  x  6,40. 


Ich  werde  im  Folgenden  noch  mehrfach  Gelegenheit 
haben,  solche  Beziehungen  zur  Ermittelung  der  Volumen- 
constitution einer  Verbindung  zu  benutzen. 

V.   Ungesättigte  Verbindungen  der  Fettreihe. 

§  48.  Auf  ihre  Ausdehnung  durch  die  Wärme  sind  von 
hierher  gehörigen  Kohlenwasserstoffen  nur  untersucht: 
das  Valerylen,  das  Isoamylen  und  das  Diallyl.  Auf 
das  letztere  komme  ich  nach  Behandlung  der  Allyl Ver- 
bindungen zurück.  Die  beiden  ersten  bilden  mit  dem 
Isoamylaldehyd  eine  Reihe,  deren  Glieder  sich  durch 
nahe  gleiches  Volumenmaass  und  die  regelmässige  Differenz 
um  eine  Stere  auszeichnen.  Da  die  Sterenzahl  des  Isoamyl- 
aldehyds  nach  dem  Früheren  bekannt  ist,  so  ist  hiermit  auch 


104°;  viQ  =  141,9  Br.  =  22  X  6,45. 


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J(2- 1)  =  7. 


678  K  Schröder. 

die  Sterenzahl  des  Valerylens  und  Isoamylens  gegeben.  In 
der  That  ist: 

Differenz  in 

1.  Valerylen  =  C5H,         ;  v  -  103,9  Buff  \  runder  Zahl: 

2.  Isoamylen  =  C5H10         ;  v  -  111,4  Buff 

v  =  110,8  R. 

3.  Isoamylaldehyd  =  C55H,0,(>Ol,;  v  =  118,6  K.         j   ;  7 

v  =  118,7  PP.  | 

Da  dem  Isoamylaldehyd  17  Steren  entsprechen,  hat 
hiernach  das  Isoamylen  16  und  das  Valerylen  15  Steren. 

§  49.  Das  gewöhnliche  Amylen  (Isoamylen)  vom 
Siedepunkt  34°  hat  wahrscheinlich  die  Constitutionsformel: 
(CH3)2.CH  =  CH.CH3.  Es  enthält  eine  Doppelbindung 
zweier  Kohlenstoff atome  und  nach  dem  Obigen  eine  Stere 
mehr  als  Elementaratome. 

Dem  Valerylen  =  CH3  =  CH.CH2.CH  =  OH2  gehören 
zwei  Doppelbindungen  je  zweier  Kohlenstoffatome  an,  und 
es  hat  nach  dem  Obigen  zwei  Steren  mehr  als  Elementar- 
atome. 

Diese  Volumenvergrösserung  kann  nur  auf  Rech- 
nung der  doppelt  gebundenenKohlenstoffatomegesetzt 
werden,  sodass  zwei  doppelt  verkettete  Kohlenstoff- 
atome als  C28  mit  drei  Steren  Raumerfüllung  er- 
scheinen. 

Dass  dem  Valerylen  15  Steren  entsprechen,  wird  noch 
überdies  bestätigt  durch  seinen  nahe  vollkommenen  Isoste- 
rismus  mit  Isobutylalkohol,  denn  man  hat: 

f  Isobutylalkol  =  (VH10,0<V;  v  =  102,3  PP.  =  15  x  6,83. 
I  Valerylen        =  C5H8         ;  v  =  103,9  Buff  =  15  x  6,93. 

Es  ergibt  sich  hiernach  die  Volumenconstitution  dieser 
beiden  Kohlenwasserstoffe  als: 

Valerylen         =  C57HS8  103,9  Buff  =  15  X  6,93. 

Isoamylen        =  C56H1010     ;  v  =  111,4  Buff  =  16  x  6,96. 

v  =  110,8  R.      =  16  X  6,93. 

§  50.  Vergleicht  man  das  Isoamylen  mit  dem  Propyl- 
isopropyl: 

|  Propylisopropyl  =  C0ÄH1414;  v  =  138,7  R.  =  20  x  6,94. 
I  Isoamylen  ■?  C36H1010;  v  =  110,8  R.      =  16  x  6,93, 


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H.  Schröder. 


679 


so  ergibt  sich,  dass  sich  die  Volumina  beider  genau  um 
vier  Steren  unterscheiden,  welche  dem  Mehrgehalt  des  Was- 
serstoffes im  Propylisopropyl  entsprechen;  es  haben  also  die 
fünf  Atome  Kohlenstoff  des  Amylens  genau  die  nämliche 
Raumerfüllung,  wie  die  sechs  Atome  Kohlenstoff  des  Pro- 
pylisopropyls.  Wir  gelangen  hierdurch  auf  einem  zweiten 
Wege  zu  dem  schon  im  Paragraph  49  gewonnenen  Resultate. 

Diese  beiden  Kohlenwasserstoffe,  Isoamylen  und  Vale- 
ryfen  bieten  einen  Beleg  dar,  wie  er  nicht  prägnanter  ge- 
dacht werden  kann,  für  den  wichtigen  Satz:  dass  die  Con- 
densationen  desKohlenstoffes  in  einfachen  Verhält- 
nissen stehen.  Der  nämliche  Satz  hatte  sich  aber  für 
die  C ondensationen  des  Sauerstoffes  ergeben. 

§  51.  Dem  einwerthigen  Allyl  =  C3Hß  gibt  man  die 
Structurformel  CHj  =  CH3.CH2.  Es  enthält  hiernach  ein 
Paar  doppelt  verkettete  Kohlenstoffatome.  Bestätigt  sich 
die  aus  dem  Amylen  und  Valerylen  entnommene  Regel,  dass 
ein  doppelt  verkettetes  Kohlenstoffpaar  =  C23  ist,  so  muss 
das  Allyl  die  Volumenconstitution  C34H66  und  eine  Stere 
mehr  als  E lernen taratome  haben.  Dies  bewährt  sich  zunächst 
durch  den  auf  seine  Ausdehnung  durch  die  Wärme  unter- 
suchten Allylalkohol,  dessen  Volumenconstitution  hiernach 
=  O/H/.O^Hj1  =  11  Steren  sein  muss. 

Sein  nahe  vollkommener  Isosterismus  mit  dem  Propyl- 
aldehyd  lässt  hierüber  keinen  Zweifel.    Man  hat: 

Allylalkohol     =  (VIVO^;  v  m  73,9  Tollens  =  11  x  6,72. 

e  =  74,4  Th.      v  =  11  x  6,75. 

v  =  74,6  Buff       =  11  x  6,78. 
Propylaldehyd  =  C33H660,2;  r  =--  75,0  PP.         =  11  x  6,82. 

Es  hat  also  die  Doppelbindung  eines  Kohlenstoff- 
paares im  Allylalkol  genau  die  nämliche  Wirkung  auf 
das  Molecularvolumen,  wie  die  Doppelbindung  eines  Koh- 
lenstoff- und  Sauerstoffatoms  im  Propylaldehyd, 
nämlich  die  Vergrösserung  des  Molecularvolumens  um 
eine  Stere. 

Es  ist  zugleich  lehrreich,  sich  zu  überzeugen,  dass  das 
Volumenmaass,  also  die  Stere  des  Allylalkohols  und 
Propylalkohols  nahe  völlig  übereinstimmen;  denn  es  ist: 


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680  H.  Schröder. 


{ 


Allylalkohol  =  C34H4a01l;  v  =  74,6  Buff  =  11  x  6,78. 
Propylalkohol  =  C33H99(V;  t>.=  81,5  PP.        =  12  x  6,79. 

§  52.  Die  oben  abgeleitete  Volumenconstitution  des 
Allyls  wird  noch  ferner  bestätigt  durch  die  Thatsache. 
dass  bei  20°,  wie  aus  den  Beobachtungen  von  Brühl  her- 
vorgeht, die  entsprechenden  Allyl-  und  Propylverbindun- 
gen,  deren  Siedepunkte  sich  sehr  nahe  liegen,  immer  nahe 
genau  um  eine  Stere  sich  unterscheiden.    In  der  That  ist: 


Acrolein 


;S  = 

48,1  °Br. 

»20 

71,9  Br. 

11x6,54. 

=  <VH4*<V 

;<s  = 

50,0°  Br. 

»20 

66,6  Br. 

10x6,66. 

64,0°Br. 

»20 

119,2Br. 

18x6,62. 

*;S  = 

67,2°  Br. 

»20 

112,4Br. 

17x6,61. 

=  C33H88(V 

;S  = 

97,4°  Br. 

»20 

74,6  Br. 

12x6,22. 

=  <Viv<v 

i  -s'  = 

97,2°Br. 

»20 

67,9  Br. 

11  X6,17. 

3;S  = 

101,5°Br. 

»20 

115,2  Br. 

18x6,40. 

=  (VH98<V 

104,5°  Br. 

»20 

107,8Br. 

17x6,34. 

=  C44H88023 

;S  = 

162,0°L. 

»20 

91,8  L. 

15X6,11. 

=  C4öHd6023 

;S  = 

? 

»20 

84,7  Br. 

14X6.05. 

|  Propylalkohol 
M  Allylalkohol 

\  Propylacetat 
4'  \  Allylacetat 

{Buttersäure 
Metacrylsäure 

Das  Volumenmaass,  d.  h.  die  Grösse  der  Stere,  stimmt 
in  jedem  Paar  sehr  nahe  überein  und  ist  für  die  Allylver- 
bindung,  welcher  ein  etwas  höherer  Siedepunkt  entspricht, 
durchschnittlich  deshalb  nur  sehr  wenig  kleiner. 

Aus  dieser  Uebereinstimmung  der  Steren  bei  nahe  glei- 
chen Siedepunktsabständen  folgt  wohl  auch,  dass  die  Con- 
tractionen  für  gleiche  Abstände  vom  Siedepunkt  ab  für 
die  entsprechenden  Propyl-  und  Allylverbindungen  wenig- 
stens nahe  übereinstimmen  müssen.  Aus  den  Beobachtungen 
lassen  sie  sich  nur  für  die  Alkohole  vergleichen  und  sind 
z.  B.  für  50°  vom  Siedepunkt  ab  in  Tausendtheilen  des  Vo- 
lumens beim  Siedepunkt  für  Propylalkohol  C60  =  57  PP.; 
für  Allylalkohol  C60  =  58  bis  59  Thorpe.  Beide  Werthe 
stimmen  nahe  überein. 

§  53.  Dem  Di  allyl  =  C6H10,  welches  beim  Siedepunkt 
vollkommen  isoster  ist  mit  den  Estern  =  C66H1010O28  von 
18  Steren,  kommen  deshalb  unzweifelhaft  ebenfalls  18  Steren 
zu.   Man  hat  z.  B.: 

f  Diallyl  =  CÖH10        ;  v  =  126,9  Buff  =  18  X  7,05. 

I  Propionsaures  Aethyl  =  C55Hlo,0O.,3;  v  =  126,7  K.     m  18  x  7,04. 


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H.  Schröder. 


681 


Das  Diallyl,  weil  im  Siedepunkt  nahe  übereinstimmend 
mit  dem  Diisopropyl,  wird  von  Tollens  aufgefasst  als 
CH3.CH  =  CH.CH  =  CH.CH3.  Es  muss  daher,  wenn  sich 
die  oben  gefundene  Kegel  bestätigt,  zwei  Paare  Kohlen- 
stoffatome als  C28  und  zwei  Steren  mehr  als  Elementar- 
atome enthalten;  seine  Volumenconstitution  muss  sich  er- 
geben als  C68H1010=18  Steren. 

Dies  ist  nun  durch  die  Beobachtung  B  uff 's  und  den 
oben  erwähnten  Isosterismus  in  schönster  Weise  bestätigt. 

Man  hat  daher  für  die  drei  ungesättigten  Kohlenwasser- 
stoffe : 

1.  Valerylen  =  C57H,8  ;  v  =  103,9  Buff  =  15  x  6,93. 

2.  Isoamylen  =  <VHI010;  v  =  111,4  Buff  =  16  x  6,96. 

3.  Diallyl       =  C/H1010;  v  =  126,9  Buff  =  IS  x  7,05. 

Das  Wachsen  der  Stere  mit  dem  Atomgewicht  tritt  auch 
hier  deutlich  hervor. 

Diese  überaus  lehrreiche  Gruppe  enthält  den  klarsten 
Beweis  dafür,  dass  die  Condensationen  des  Kohlen- 
stoffes in  einfachen  Verhältnissen  stehen. 

§54.  Die  abgeleitete  Volumenconstitution  des  Diallyl  s 
wird  noch  ferner  unterstützt  durch  sein  Volumen  bei  20° 
nach  Brühl's  Beobachtungen;  denn  es  ist  bei  nicht  sehr 
verschiedenen  Siedepunkten  mit  dem  Propyläthyläther 
vollkommen  isoster,  dessen  Volumenconstitution  nach  dem 
Früheren  ausser  Zweifel  steht.    In  der  That  ist: 

Diallyl  =  C68H1010      ;  $  =  59,l°Br.  «,„  =  119,2Br.  =  18x6,62- 

Propylüthyläth.  -  (£^„"0, S  =  64,0° Br.  r20  =  119,2  Br.  =  18  x  6,62. 

Auch  die  Volumina  des  Acetons  und  Diallyls,  deren 
Siedepunkte  nahe  übereinstimmen,  stehen  bei  20°  in  ein- 
fachen, obiger  Volumenconstitution  entsprechenden  Verhält- 
nissen; denn  man  hat: 

Diallyl  =  CÄ*HI010  ;  S  =  59,1°  Br.  rso  =  119,2  Br.  =  18  x  6,62. 
Aceton     =C3JH,«012;  6  =  56,9°  .    t>20  =   73,2  L.  =  11  X  6.65. 

Jv=   46,0       =  7x6,6. 

Alle  diese  Beziehungen  lassen  über  die  Volumenconsti- 
tution des  Diallyls  keinen  Zweifel.  Das  Ster engesetz  ist 
nicht  nur  bei  den  Siedepunkten,  sondern  auch  bei  20°  auf 
das  klarste  bestätigt. 


682 


H.  Schröder. 


§  55.  Es  sind  dies  alle  bis  jetzt  auf  ihre  Ausdehnung 
durch  die  Wärme  untersuchten  Kohlenwasserstoffe  und  Koh- 
lenwasserstoffoxyde der  Fettreihe,  welche  mehrfache  Bindun- 
gen des  Kohlenstoffes  enthalten. 

Die  einfache  und  schöne  Gesetzmässigkeit,  welche  sich 
für  dieselben  ergibt,  ist  einer  der  glänzendsten  Belege  für 
das  Sterengesetz. 

Zu  den  früher  Paragraph  32  gegebenen  Volumengesetzen 
tritt  hiernach  noch  das  weitere  hinzu: 

Zwei  doppelt  verkettete  Kohlenstoffatome  tra- 
gen drei  Steren  zur  Raumerfüllung  bei. 

Es  muss  noch  hervorgehoben  werden,  dass  durch  die 
doppelte  Bindung  zweier  Kohlenstoffatome  zwei  Wasser- 
stoffatome  zur  Sättigung  entbehrlich  werden.  Diese  würden 
aber  zwei  Steren  zur  Raumerfüllung  beitragen,  während 
die  doppelte  Kohlenstoffbindung  nur  eine  Expansion  der 
beiden  Kohlenstoffatome  um  zusammen  eine  Stere  hervor- 
bringt: aus  dem  einfach  gebundenen  C22  wird  Ca8. 

Die  Expansion  des  Kohlenstoffes  ersetzt  also 
hier  das  Volumen  des  dadurch  entbehrlich  werden- 
den Wasserstoffes  nur  zur  Hälfte. 

VI.   Aromatische  Verbindungen. 

§  56.  Aus  allen  bis  jetzt  untersuchten  Verbindungen, 
welche  den  Phenylkern  =  C6H6  enthalten,  geht  überein- 
stimmend hervor,  dass  derselbe  mit  dem  Isobutyl  =  C44H9* 
nahe  vollkommen  isoster  ist  und  daher  eine  Raumerfüllung 
von  13  Steren  hat. 

Die  aromatischen  Verbindungen  unterscheiden  sich 
hierdurch  auch  ihrer  Volumenconstitution  nach  wesent- 
lich von  den  ungesättigten  Verbindungen  der  Fettreihe. 
In  den  letzteren  tritt  für  jede  Mehrbindung  der  Kohlen- 
stoffatome, als  der  gesättigten  Verbindung  von  gleichem 
Kohlenstoffgehalt  entspricht,  eine  Vergrösserung  des  Vo- 
lumens, und  respective  eine  Expansion  der  Kohlenstoff- 
atome um  eine  Stere  ein. 

Im  Benzol  =  C6H6  finden  sich  vier  Bindungen  zweier 
Kohlenstoffatome  mehr,  als  der  gesättigten  Verbindung 


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H  Schröder. 


683 


entsprechen  würden,  also  8  Valenzen,  welche  dadurch  be- 
friedigt sind;  gleichwohl  ist  das  Volumen  des  Benzols  nur 
um  zwei,  nicht  um  vier  Steren  grösser,  als  der  Anzahl 
der  Elementaratome  entsprechen  würde. 

Man  kann  also  sagen:  Bei  den  aromatischen  Ver- 
bindungen entspricht  zweiMehrbindungen  je  zweier  Kohlen- 
stoffatome nur  eine  Volumen  vergrösserung  um  eineStere. 

Ich  werde  weiter  unten  darauf  zurückkommen,  zu  wel- 
chen Schlüssen  über  das  Structurschema  des  Benzols  diese 
Volumenconstitution  Anlass  gibt,  und  hier  vorerst  nur  die 
betreffende  Thatsache  feststellen. 

§  57.  Den  Isosterismus  der  Isobutyl-  und  Phenyl- 
verbindungen  und  ebenso  der  Isoamyl-  und  Benzylver- 
bindungen  hat  schon  H.  Kopp  bemerkt  und  aus  dieser 
Thatsache  wohl  vornehmlich  die  nicht  haltbare  Ansicht  ent- 
nommen, dass  dem  Kohlenstoffatom  das  doppelte  Vo- 
lumen zukomme,  wie  dem  Wasserstoffatom:  Vol.  C=  11,0, 
Vol.  H  =  5,5. 

Der  Isosterismus  der  Isobutyl-  und  Phenylver- 
bindungen  ist  ausser  Zweifel  gestellt  durch  die  Paare: 

j  |  Phenol  =  CöH5.0H  ;  v  =  103,0  K. 

llsobutylalkohol  =  C4H9.OH  j  v  =  102,3  PP. 

{Bittermandelöl  =  C6H5.CO.H        ;  v  =  1 18,5  K. 

Isoamylaldehyd  =  C.H^.CO.H       ;  v  =  118,6  K. 

v  =  118,7  PP. 

Benzylalkohol  =  CaH5.CH3.OH    ;  v  =  122,8  K. 

{Isoamylalkohol  =  C4H*.CH,.OH    ;  v  =  123,6  K. 

v=  122,8  P. 

Benzoesäure  =  C6H5.C04H       ;  v  =  126,5  K. 

4.  \  Isovaleriansäure  =  C4H9.COsH       ;  v  =  130,4  K. 

»  =  130,6  PP. 

Benzoesaures  Methyl     =  CrtH5.CO.OCH3  ;  v  =  152,0  K. 
{isovalerians.  Methyl     =  C4H(J.CO.OCH8  ;  v  =  149,6  K. 

v  =  149,8  PP. 

{Benzoesaures  Aethyl     =  CftH5.COj.C2H5  ;  v=  175,1  K. 
Isovaleriansaur.Aethyl  =  CÄ.COs.C,Ha  ;  v  =  174,7  PP. 

Benzoesaures  Isoamyl  =  CÄH6.COj.C5Hn ;  v  =  246,4  K. 
7.  {  Isovalerians.  Isoamyl    =  C4H9.CO,,.C6Hn ;  t>  =  244,6K. 

v  m  245,7  PP. 


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684 


H.  Schröder. 


8.  {  Propylisopropyl-  ^ 
Aethylisobutyl  I 

Cy  mol 


Xylol-Aethylbeuzol 


;  v  =  144,5  R. 


;  v  =  138,7  R. 


9.  i  Diisobutyl 


;  v  =  184,3  K. 
;  v  =  184,8  K 
;  v  =  185,5  Th. 


10.  { 


Chlorbenzol 
Chlorisobutyl 


CÄH,C1 
C4H0C1 


;  r«  113,4  PP 
;  v  =  114,3  R. 


;  v  =  114,9  Jungflebch. 


Hier  stimmen  die  Volumina  der  Paare  1,  2,  3,  6,  7,  9 
und  10  so  vollkommen  überein,  dass  an  einen  Zufall  dabei 
gar  nicht  zu  denken  ist.  Wenn  die  Paare  4,  5  und  8  minder 
genau  isoster  erscheinen,  so  ist  das  wahrscheinlich  auf  Rech- 
nung kleiner  Beobachtungsfehler  zu  setzen,  welche  bei  den 
hohen  Siedepunkten  der  Phenylverbindungen  schwer  zu  ver- 
meiden sind. 

Da  sich  die  Volumina  der  Normalbutyl-  und  der  Iso- 
butylverbindungen,  wie  aller  Isomeren  dieser  Art,  sehr 
nahe  liegen,  so  kann  aus  obigen  Relationen  auch  gefolgert 
werden,  dass  die  Phenyl-  und  Butylverbindungen  viel- 
leicht noch  näher  übereinstimmen,  als  die  Phenyl- 
und  Isobutyl Verbindungen.  Darüber  müssen  künftige  Beob- 
achtungen entscheiden.  Weil  nun  Isobutyl  =  C44H99  drei- 
zehn Steren  hat,  so  hat  auch  das  Phenyl  =  C6H5  dreizehn 
Steren. 

Dass  die  entsprechenden  Phenyl-  und  Isobutyl-  oder 
auch  Butylverbindungen  nicht  nur  gleiche  Sterenzahl, 
sondern  bei  den  respectiven  Siedepunkten  auch  nahe  gleiche 
Sterengrösse,  d.  h.  gleiches  Volumenmaass  haben,  ist 
eine  sehr  merkwürdige  Thatsache. 

Sie  macht,  wie  ich  schon  1.  c.  in  den  Berichten  der 
Münchener  Academie  hervorgehoben  habe,  wahrscheinlich, 
dass  der  Isoster ismus  dieser  Paare  auch  bei  anderen  ent- 
sprechenden Temperaturen,  bei  welchen  ihre  Dämpfe  glei- 
che Spannkraft  haben,  sich  herausstellen  werde. 

Weil  die  aromatischen  Verbindungen  auf  die  Spannkraft 
ihrer  Dämpfe  bei  verschiedenen  Temperaturen  noch  nicht 
untersucht  sind,  so  lässt  sich  dies  vorerst  thatsächlich  nicht 


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IL  Schröder. 


685 


feststellen.  Da  nun  aber  die  Contractionen  für  gleich 
viel  Grade  vom  Siedepunkt  ab  für  die  Phenylverbindun- 
gen  im  Durchschnitt  nur  etwa  45mal  so  gross  sind,  als  die 
Contractionen  der  entsprechenden  Isobutylverbindungen, 
so  habe  ich  I.e.  die  Vor  aus  bestimmun  g  gewagt,  dass  die 
Phenylverbindungen  durchschnittlich  etwa  um  6/4mal  so  viel 
Grade  abgekühlt  oder  erwärmt  werden  müssen,  als  die  ent- 
sprechenden Isobutyl-  oder  Butylverbindungen,  wenn  die 
Spannkraft  der  Dämpfe  beider  um  gleich  viel  ab-  oder  zu- 
nehmen soll*  denn  nur  unter  dieser  Bedingung  können  die 
Volumina  der  Paare  bei  der  veränderten  Spannkraft  wieder 
nahe  gleich  sein. 

Solche  Vorausbestimmungen  setzen  die  Richtigkeit  einer 
theoretischen  Auffassung  auf  die  Probe;  dies  der  Grund, 
weshalb  ich  sie  gemacht  habe.  Es  wäre  sehr  wünschenswerth, 
dass  die  betreffenden  Beobachtungen  von  irgend  einer  Seite 
unternommen  würden. 

§  58.  Man  ist  allseitig  darüber  einig,  dass  die  sechs 
Wasser 8 toffatome  des  Benzols  alle  die  nämliche  Rolle 
spielen.  Es  liegt  daher  kein  Anlass  vor,  für  die  verschie- 
denen Wasserstoffatome  des  Benzols  verschiedene  Raumer- 
füllungen zu  erwarten. 

Für  das  Benzol  selbst  ist  durchaus  übereinstimmend 
beobachtet:  96,0.  Es  ist  isoster  mit  Isobutylaldehyd  und 
hat  daher  wie  dieses  14  Steren.    In  der  That  ist: 

Benzol  =  CaH0       ;t>  =  96,1  Kopp  =14x6,86. 

v  =  96,0  Adrieenz  =14x6,86. 

n  =  96,0{D  ,       ,    )  =  14x  6,86. 
IPaterno  J 

Isobutylaldehyd   =C44H8*012;  t>  =  96,3PP.  =14x6,88. 

Da  nun  das  Phenyl  =  C6H5  nach  Paragraph  57  drei- 
zehn Steren  hat,  so  kommt  dem  einen  Wasserstoffatom 
des  Benzols  =  CeH6  =  14  Steren,  wie  gewöhnlich  dem  Atom 
Wasserstoff,  eine  Stere  Raumerfüllung  zu;  und  da  sich 
alle  Wasserstoffatome  des  Benzols  gleich  verhalten,  so  ist 
im  Benzol  Hfi6,  und  folglich  für  die  sechs  Kohlenstoffatome 
Ce8  anzunehmen. 

Die  Volumenconstitution  des  Benzols  und  der  im  §  57 


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686  H.  Schröder. 


erwähnten  Derivate  desselben  ist  daher  in  Uebereinstimmung 
mit  allem  Vorausgehenden  gegeben  durch  die  Formeln: 


1  Rpnxol 

X*  UuUaWI 

=  C  8H  6 

,  V  — 

1  02  3  PP 

—  1*  A  0,00 

2  Phenol 

^6  "ö  lVyl  **1 

*  41   

3  Konz vlalkohol 

—  v-/^  AA5  •vyj  xxj   ■  -■  i  1 

•  1\  — 
,  V  — 

122  8  K 

X£t£lyO  XV» 

—  18  y  fi  89 

4.  Bittermandelöl 

;t>  = 

118,5  K. 

=  17x6,9$ 

t>  = 

118,7  PP. 

=  17X6,98 

5.  Benzoesäure 

»WA'O^» 

;  v  = 

126,5  K. 

=  18x7,03 

6.  Benzoes.  Methyl 

=  C68H5».Cl10I2.01,C11H8» 

;  v  = 

152,0  K. 

=  21X7,24 

7.        „  Aethyl 

=  C68H55.Cl1012.011C2aH65 

;  v  = 

175,1  K. 

=  24x7,30, 

8.        „  Isoamyl 

241,4  K. 

=  33  x  7,47, 

9.  Cymol 

;  v  = 

181,5  K. 

=  26x7.09, 

Das  Wachsen  der  Stere  mit  dem  Atomgewicht  tritt  bei 
6,  7  und  8  wieder  klar  zu  Tage.  Die  Grösse  der  Stere 
erscheint  überall  vollkommen  normal. 


§  59.  Es  sind  noch  ein  Paar  dem  Benzol  homologe 
Kohlenwasserstoffe  beobachtet,  deren  Volumenconstitu- 
tion  nun  unmittelbar  gegeben  ist: 

1.  Benzol  -  CaflHflö  j  v  =  96,0     =  14  x  6,86. 

2.  Toluol-Mcthylbenzol  =  C/IV.C,  'IT,3;  v  =  120,5  R.  =  17  x  7,09. 

3.  Xylol-Acthylbenzol  =  Crt8H56.(yH66;  v  =  144,5  R.  =  20  x  7,22. 

Das  Wachsen  des  Volumenmaasses  mit  dem  Atomge- 
wicht liegt  wieder  klar  vor  Augen. 

§  60.  Das  Cuminol  =C10H12O,  von  der  Structurformel 
=  C6H4.C3H7.COH,  ist  dem  Bittermandelöl  homolog,  und 
muss  daher  dieVolumenconstitution  =C68H44.C33H77.C11012H11 
=  C1018H1212(V  =  26  Steren  haben.  Kopp's  Beobachtung 
stimmt  damit  genügend  überein: 

Cuminol  =  C1012Hl212(V;  v  =  189,4  K.  =  26  X  7,28. 

§  61.  Das  Benzol  =  C68H68;  v  =  96,0  =  13  X  6,86 
und  das  Phenol  =  C68H68(V;  v  =  103,0  K.  =  15  x  6,87 
haben  beim  Siedepunkt  gleiches  Volumenmaass,  dem  Benzol 
ist  daher  die  niedrige  Alkoholstere  angehörig. 

Bei  nahe  gleichem  Abstände  vom  Siedepunkte  ist  es  bei 
20°  auch  mit  Isopropylalkohol  von  gleichem  Volumen- 
maass, wodurch  die  gleiche  Thatsache  bestätigt  wird. 
Man  hat: 

|  Benzol  =  CÖ81V     ;  8  =  80,1°  Br.  vi0  =  88,6  Br.  =  14  X  6,33. 

Mlsopropylalk.  =  C33H88011;  5=82-83°,,  viQ  =  76,1  Br.  =  12  x  6,34. 


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Noch  andere  Uebereinstimmungen  des  Volumenmaasses 
bei  20°  und  nahe  gleichen  Siedepunkten  entsprechender  Paare 
bestätigen  ebenso  die  abgeleitete  Volumenconstitution  der 
Phenylverbindungen. 

Das  benzoesaure  Aethyl  =  C911H10,0O,8  und  die 
Oenanthsäure  =  C77H1414028  haben  die  gleiche  Sterenzahl 
24.  Sie  sind  bei  genügend  nahe  liegenden  Siedepunkten  in 
der  That  bei  20°  nahe  isoster.    Man  hat: 

j  Benzoes.  Aeth.=  C,nH10l0<V;  S  =  212° L.  vt0  =  143,2  L.  =  24  x  5,97. 
b'\  Oenanthsäure  =  C77Hu"0.,3  ;  S=  219°  L.  t>,0  =  141,9  L.  =24  x  5,91. 

DasToluol  hat  mit  buttersaurem  Aethyl  und  iso- 
valeriansaurem  Methyl  sich  nahe  liegende  Siedepunkte 
und  bei  20°  nahe  gleiches  Volumenmaass: 


AethX*  }~  CÄÄH,jISOf3;  S  =  113,8°  L.  t,,0  =  130,5L.  =21x6,21. 


Das  Mesitylen  wird  betrachtet  als  symmetrisches  Tri- 

methylbenzol,  wonach  seine  Volumenconstitution  gegeben  ist 

durch  C68H33(CH3)312  =  23  Steren.    Es  hat  in  der  That  bei 

20°  mit  Buttersäure  von  nahe  gleichem  Siedepunkt  auch 

gleiches  Volumenmaass.    Man  hat: 

(Mesitylen  =C„uHl218  ;  S=  163,7°  Br.  v20  =  140,2  Br.  =  23  x  6,10. 
I  Buttersäure  =C44HS"0J:|  ;  S  =  162,3° L.  vi0  =  91,7  L.  =15x6,11. 

Alle  hier  angeführten  Beziehungen  enthalten  ebenso  viele 
Bestätigungen  der  bei  den  Siedepunkten  abgeleiteten  Formeln 
für  die  Volumenconstitution  der  betreffenden  aromatischen 
Verbindungen. 

§  62.  Die  Zimmt8äure  wird  betrachtet  als  Phenyl- 
acrylsäure  =  CflH6.CH  =  CH.C02H.  Ihre  Kohlenstoff- 
atome müssen  daher  wegen  des  Phenyls  zwei,  und  wegen 
der  ferneren  Doppelbindung  CHzzCH,  welcher  C23H22  ent- 
spricht, noch  eine,  also  im  ganzen  drei  Steren  mehr  ent- 
halten, als  ihre  Anzahl  beträgt.  Hr.  Kopp  hat  das  Volumen 
des  zimmtsauren  Aethyls  beim  Siedepunkt  bestimmt,  und 
diese  Beobachtung  bestätigt  vollkommen  die  abgeleitete  Vo- 
lumenconstitution.   Es  ist: 


5=1 16,7°  L.  t?10  =  131,8  L.  =21x6,28. 
;  5  =  110,8°  Br.  vs0  =  106,3  Br.  =  17  x  6,25. 


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Zimmtsaures  Aethyl  =  Ctt UH12,J0,,3;  v  =  212,9  K.  =  29  x  7,34. 
Die  Stere  entspricht  sehr  gut  dem  Volumenmaass  der 
Ester  von  so  hohem  Atomgewicht. 

§  63.    Dem  sauren  salicylsauren  Methyl 

C68Hi4\O  ^H3lCllH33  =  C810H88O34  müS8en  22  Steren  zukom- 
men.   Die  Beobachtung  bestätigt  dies;  denn  es  ist: 

Saures  salicylsaures  Methyl  =  C910Hs8O34;  p  =  157,0  K.  =  22  x  7,14. 

§  64.  Es  sind  dies  alle  auf  ihre  Ausdehnung  durch  die 
Wärme  untersuchten  Phenylverbindungen.  Von  allen  beob- 
achteten Thatsachen  steht  hiernach  keine  mit  dem  Steren- 
gesetz  und  mit  der  abgeleiteten  Volumenconstitution  der 
Phenylverbindungen  im  Widerspruch;  alle  dienen  denselben 
zur  Bestätigung.  Zu  den  in  den  Paragraphen  32 und  55  ge- 
gebenen Volumengesetzen  tritt  daher  noch  das  fernere  hinzu: 

In  den  aromatischen  Verbindungen,  im  Benzol- 
kern, erfüllen  sechs  Kohlenstoffatome  den  Raum 
von  acht  Steren;  sie  enthalten  C68  =  2  x  C3*. 

In  den  ungesättigten  Verbindungen  der  Fettreihe 
wird  die  Raumerfüllung  des  durch  mehrfache  Bindung  der 
Kohlenstoffatome  entbehrlich  gewordenen  Wasserstoffes 
nur  zur  Hälfte  durch  Expansion  der  Kohlenstoffatome 
selbst  ersetzt. 

In  den  aromatischen  Verbindungen  aber  wird  die 
Raumerfüllung  von  acht  durch  Mehrbindungen  der  Kohlen- 
stoffatome entbehrlich  gewordenen  Wasser  st  off  atomen  nur 
zum  vierten  Theil  durch  Expansion  der  Kohlenstoffatome 
selbst  ersetzt. 

Das  gesättigte  Hexan  =  C66H1414  hat  20  Steren.  Im 
Benzol  =  C68H68  werden  die  acht  Steren  von  H8  des  Hexans 
nur  durch  zwei  Steren,  also  nur  zum  vierten  Theile 
durch  Vergrösserung  des  Volumens  der  Kohlenstoffatome 
selbst  wieder  ausgeglichen. 

VII.   Die  Propargylverbindungen. 
§  65.    Ganz  die  gleiche  Thatsache  ergibt  sich  nun 
auch  für  die  Propargylverbindungen,  und  ich  ziehe  sie 
deshalb  erst  nach  der  aromatischen  Gruppe  in  Betracht. 
Zu  einem  ähnlichen  Resultate  ist  auch  durch  ganz  andere 


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689 


Beziehungen  schon  Brühl  gelangt,  indem  er  bemerkt,  dass 
sowohl  Dichte  als  Brechungsvermögen  den  Propargylwasser- 
stoff  oder  das  Allylen  den  aromatischen  Verbindungen  an  die 
Seite  stellen. 

Auf  ihre  Ausdehnung  durch  die  Wärme  sind  Propargyl- 
verbindungen  bisher  nicht  untersucht;  aber  die  BrtihPschen 
Volumenbestimmungen  bei  20°  reichen  wohl  hin,  die  erwähnte 
Thatsache  festzustellen. 

§  66.  Der  Isosterismus  bei  20°  des  Propargylalkohols 
mit  Aethylalkohol  und  mit  Essigsäure,  mit  welch  letz- 
terer er  überdies  nahe'gleichen  Siedepunkt  hat,  lässt  kaum 
einen  Zweifel  darüber,  dass  dem  Propargylalkohol  =  C3H3.OH 
wie  dem  Alkohol  und  der  Essigsäure  neunSteren  zukommen,  und 
dass  die  Verbindung  C3H3  darin  als  C34H33  enthalten  ist.  That- 
sache ist  daher,  dass  den  zwei  Mehrbindungen  der  drei  Koh- 
lenstoffatome nur  eine  Stere  Raumerfüllung  mehr  entspricht. 

Ebenso  sind  Propargylacetat  und  Aethylacetat  bei 
20°  völlig  isoster,  und  minder  genau  Propargyläthyläther 
und  Aethyläthyläther.    In  der  That  hat  man: 


Essigsäure 

=  C22H/023 

;  s= 

117,9°L.  r20  = 

57,2  L. 

es  9x6,36. 

1. 

Propargylalk. 

;S  = 

114,8°Br.  »80  = 

57,6  Br. 

-=  9x6,40. 

Aethylalkoh. 

;  s= 

78,5°L.  vi0  = 

57,5  L. 

=  9x6,39. 

Propargy  lacet. 

=  CR*HC«<V 

;S  = 

122,0°Br.  t>20  = 

97,5  Br. 

=  15  X  6,50. 

tAethylacetat 

;«= 

76,7° L.  v20  = 

97,7  L. 

=  15x6,51. 

•1 

Propargyl-  1 
äthyläther  1 

=  c5'iy<v 

;S  = 

83,0°Br.t>20  = 

100,9  Br. 

=  15x6,73. 

|  Aethyl-  ( 
[  äthylather  1 

85,4°  L.  v20  = 

103,4  L. 

=  15x6,89. 

Hier  verhalten  sich  die  entsprechenden  Propargyl-  und 
Aethyl  Verbindungen  wie  die  Säuren  und  Alkohole  (§  27). 
Sie  sind,  wenn  der  Abstand  vom  Siedepunkt  hinreichend 
gross  ist,  bei  20°  isoster,  obwohl  die  Siedepunkte  der 
Propargylverbindungen  um  36  bis  47°  höher  liegen  als  die- 
jenigen der  entsprechenden  Aethylverbindungen. 

Auch  der  bei  20°  stattfindende  Isosterismus  von: 

Valerylen  =  Cj^8     ;  S  =  45°  v2Q  =  1 00,2  Br.  =  15x6,68. 

u.  Propargyläthyläth.  =  C66H8a<V;  5  =  83°  »20  =  100,9  Br.  =  15x6,73, 

obwohl  ihre  Siedepunkte  um  38°  differiren,  ist  bemerkens- 
werth  und  eine  Bestätigung  der  gleichen  Thatsache. 

Ann.  d.  Pdjb.  u.  Chem.  N.  F.  XIV.  44 


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690 


H.  Schröder. 


§  67.  Es  dient  noch  eine  andere  Beziehung  als  Unter- 
stützung dafür,  dass  diese  Auffassung  der  Volumenconstitution 
des  ein  werthigen  Propargyls  als  C34H33  wohl  die  richtige  ist. 
Das  Dipropargyl  wird  hiernach  =  C68H68.  das  ist  aber 
genau  die  Volumenconstitution  des  Benzols,  dem  es  isomer 
ist.  Es  stimmt  dies  überein  mit  der  sonst  so  vielfach  fest- 
gestellten Thatsache,  dass  Isomerien  von  gleichen  Sät- 
tiguugs Verhältnissen  sich  nur  im  Volumenmaass,  nicht  in 
der  St  er  en  zahl  unterscheiden  und  deshalb  nahe  isoster.sind. 

VIIL    Das  Naphtalin. 

§  68.  Das  Naphtalin  =  C10Ha  ist  nach  Kopp7 s  Beob- 
achtung beim  Siedepunkt  vollkommen  isoster  mit  den  Estern 
C68H1:J12023  und  hat  demnach  21  Steren.    So  ist  z.  B.: 

f  Naphtalin  «  C10l3H88     ;  v  =  149,0  K.  =21x7,10. 

I  Essigsaures  Isobutyl  =  Cft6H1212043;  v  =  149,1  PP.  =  21  x  7,11. 

Die  10  Atome  Kohlenstoff  des  Naphtalins  haben  also 
13  Steren  ßaumerfüllung. 

So  lange  nicht  anderweite  vergleichbare  Beobachtungen 
von  Naphtalinderivaten  vorliegen,  muss  ich  auf  weitere  Schluss- 
folgerungen aus  der  obigen  Thatsache  verzichten. 

IX.   Das  Schema  der  Benzolstructur. 

§  69.  Mit  dem  Kekule'schen  Se,chseckschema  für  die 
Structurformel  des  Benzols,  wonach  drei  doppelte  mit 
drei  einfachen  Bindungen  der  sechs  Kohlenstoffatome,  in 
ringförmiger,  geschlossener  Kette  abwechseln  sollen,  ist  die 
nach  dem  Mitgetheilten  ausser  Zweifel  stehende  Volumen- 
constitution des  Benzols  =  C68H66  absolut  unvereinbar. 

Sie  ist  dagegen  sehr  wohl  vertraglich  mit  dem  haupt- 
sächlich von  Ladenburg  empfohlenen,  durch  ein  dreiseitiges 
Prisma  dargestellten  Structurschema,  nach  welchem  jedes  der 
sechs  Kohlenstoffatome  mit  drei  anderen  benachbarten  ein- 
fach verkettet  ist;  ein  Structurschema,  welches  auch  durch 
die  Art  der  Charakterisirung  der  möglichen  Isomerien 
der  Benzolderivate  vor  dem  Sechseckschema  entschiedene 
Vorzüge  hat.  Je  drei  in  einer  Basis  des  Prismas  unter- 
einander ringförmig  verkettete  Kohlenstoffatome  würden  hier- 


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H.  Schröder 


691 


nach  den  Raum  von  vier  Steren  erfüllen;  die  sechs  Kohlen- 
stoffatome zusammen  also  acht  Steren. 

Es  führen  in  dieser  Beziehung  die  Folgerungen  aus  der 
Volumenconstitution  zu  dem  nämlichen  Resultate,  wie 
die  von  Thomsen  aus  der  bei  der  Verbrennung  frei  wer- 
denden Wärme  auf  die  mögliche  Structurformel  des  Benzols 
gezogenen  Folgerungen. 

WennBrühl  aus  der  Molecularrefraction  denSchluss 
zieht,  dass  nur  das  Sechseckschema  entspreche,  weil  für 
jede  Doppelbindung  zweier  Kohlenstoffatome  in  ungesät- 
tigten Substanzen  der  Fettreihe  die  Molecularrefraction  um 
zwei  Einheiten  grösser  wird,  als  sich  aus  den  von  Landolt 
und  ihm  aus  Differenzen  abgeleiteten  Einflüssen  der  Eie- 
rn entaratome  berechnet,  und  weil  die  Molecularrefraction 
des  Benzols,  drei  solchen  nach  dem  Sechseckschema  vor- 
liegenden Doppelbindungen  entsprechend,  um  3  X  2  =  6  Ein- 
heiten grösser  ist,  als  jene  Berechnung  ergibt,  so  muss  ich 
schon  hier  wenigstens  vorläufig  bemerken,  den  ausführlichen 
Nachweis  vorbehaltend,  dass  diese  Sc hluss weise  an  sich 
selbst  ungerechtfertigt  ist,  weil  dabei  auf  eine  weitere, 
nach  dem  Sechseckschema  die  Kette  ringförmig  sc h liessende 
Bindung  der  Kohlenstoff atome  und  deren  Einfluss  auf 
die  Molecularrefraction  keine  Rücksicht  genommen  ist. 

Es  wird  sich  aber  noch  ausserdem  aus  der  Molecular- 
refraction selbst  ergeben,  wofür  ich  den  Nachweis  in  einer 
der  K.  Akademie  der  Wissenschaften  zu  München  vorgelegten 
Abhandlung  geliefert  habe,  dass  die  Molecularrefraction 
des  Benzols  ebenso  wenig  wie  das  Molecuiarvolumen  mit 
dem  Sechseckschema,  wohl  aber  mit  dem  dreiseitigen 
Prismenschema  vereinbar  ist. 

Das  Studium  der  Molecularrefraction,  wie  ich  dort 
nachweise,  führt  in  der  That  zu  dem  nämlichen  Resultate, 
wie  das  Studium  der  Verbrennungswärrae. 

Meine  Untersuchungen  über  die  Volumenconstitution  von 
Verbindungen,  welche  ausser  Kohlenstoff,  Wasserstoff 
und  Sauerstoff  noch  andere  Elemente  enthalten,  muss  ich 
für  fernere  Mittheilungen  zurückhalten. 

Karlsruhe,  den  24.  September  1881. 

  44* 


692 


Ä.  Clausius. 


IX.  Veber  die  theoretische  Bestimmung  des  Dampf- 
druckes und  der  Volumina  des  Dampfes  urul  der 
Flüssigkeit;  von  22.  Clausius. 

Zweiter  Aufsatz.1) 


§  1.  In  dem  ersten  auf  den  oben  bezeichneten  Gegen- 
stand bezüglichen  Aufsatze  habe  ich  zur  Bestimmung  des 
Druckes  eines  Gases  als  Function  von  Temperatur  und  Vo- 
lumen folgende  Gleichung  gebildet,  welche  eine  Verallge- 
meinerung der  früher  von  mir  für  Kohlensäure  angewandten 
Gleichung  ist: 

m  L_    _L      27    +  ß 

w  BT    v-a     S&(v  +  ß)*~ 

Hierin  bedeutet  p  den  Druck,  v  das  Volumen  und  T  die  ab- 
solute Temperatur,  nämlich  die  Summe  273  -f  t,  wenn  t  die 
vom  gewöhnlichen  Nullpunkte  an  gezählte  Temperatur  dar- 
gestellt. Ferner  ist  R  die  in  dem  gewöhnlichen  Ausdrucke  des 
Mariotte'schen  und  Gay-Lussac'schen  Gesetzes  schon  vor- 
kommende Constante,  und  a  und  ß  stellen  zwei  andere  Con- 
stante  dar,  deren  Summe  weiterhin  mit  y  bezeichnet  ist. 
&  bedeutet  eine  Temperaturfunction,  welche  für  T=  0  den 
Werth  0  und  für  die  kritische  Temperatur  den  Werth  1  hat, 
im  übrigen  aber  vorläufig  unbestimmt  zu  lassen  ist. 

Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  wir  dieser  Gleichung 
auch  eine  einfachere  Form  geben  können,  wenn  wir  die  Tem- 
peraturfunction mit  den  in  dem  Gliede  vorkommenden  Con- 
stanten Factoren  in  Ein  Zeichen  vereinigen.  Setzen  wir 
nämlich : 

[~}  J~2f(a  +  ß)     27  y' 

so  geht  die  Gleichung  über  in: 

,OX   \  \  

{)  RT~~v-a     6(v  +  ß)2' 

Die  Beziehung  zwischen  der  in  dieser  Gleichung  vor- 
kommenden Temperaturfunction  6  und  der  oben  angewandten 

1)  Siehe  den  ersten  Aufsatz  in  diesem  Bande  p.  279. 


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R.  Clausius. 


693 


Temperaturfunction  &  wird  besonders  klar,  wenn  man  be- 
achtet, dass  derjenige  Werth,  welchen  0  für  die  kritische 
Temperatur  annimmt,  und  welcher  mit  9e  bezeichnet  werden 
möge,  dadurch  zu  bestimmen  ist,  dass  man  in  der  Gleichung 
(2)  für  &  den  Werth  1  setzt.    Daraus  ergibt  sich  nämlich: 

(4)  fc-gi;, 

und  infolge  dessen  kann  man  schreiben: 
(5) 

Bei  der  Anwendung  der  Gleichung  (1)  auf  den  gesättig- 
ten Dampf  wurde  der  Druck  des  gesättigten  Dampfes  mit 
P  und  der  Bruch  PjRT  mit  TI  bezeichnet.  Die  Volumina 
des  gesättigten  Dampfes  und  der  unter  demselben  Drucke 
stehenden  Flüssigkeit  wurden  nach  der  sonst  üblichen  Weise 
mit  s  und  a  bezeichnet,  aber  für  die  Differenzen  s  —  a  und 
a  —  a  noch  die  vereinfachten  Zeichen  W  und  w  eingeführt. 
Um  die  Grössen  //,  fV,  w  in  ihrer  Abhängigkeit  von  &  zu 
bestimmen,  wurden  zunächst  alle  vier  Grössen  als  Functionen 
der  Grösse  X  «*  log ( Wjw)  ausgedrückt,  und  dann  wurde  zur 
Erleichterung  der  weiteren  Rechnungen  eine  Tabelle  hinzu- 
gefügt, aus  welcher  man  für  jeden  Werth  von  &  den  ent- 
sprechenden Werth  von  l  entnehmen  kann.  Ich  sagte  dabei, 
dass  es  nach  der  Berechnung  der  Tabelle  für  l  keine  Schwie- 
rigkeit weiter  habe,  auch  für  77,  W  und  w  eine  ähnliche 
Tabelle  zu  berechnen,  und  diese  erlaube  ich  mir  nachstehend 
(auf  p.  694)  mitzutheilep. 

Vorher  ist  jedoch  noch  eine  Bemerkung  zu  machen.  Die 
Werthe,  welche  die  Grössen  ü,  fVundw  bei  der  kritischen 
Temperatur,  bei  der  A  =  0  ist,  annehmen,  und  welche  mit 
/7C,  Wt  und  we  bezeichnet  werden  mögen,  ergeben  sich  aus 
den  oben  erwähnten  in  §  3  meines  vorigen  Aufsatzes  ent- 
haltenen Ausdrücken,  wenn  man  noch  die  in  §  4  enthaltenen 
Reihen  berücksichtigt,  folgendermassen: 

(6)  ^  =  87'    ^c  =  2/;  »c«2y. 


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694 


R.  Clausius. 


ji 

w 

ff 

1  A 

TV, 

c 

J 

\ 

1  A 

0,20 
0,21 
0,22 

0,23 
0,24 
0,25 
0,26 
0,27 
0,28 
0,20 
0,30 
0,31 
0,32 
0,33 
0,34 
0,35 
0,36 
0,37 

0.3S 

0,39 

0.40 

0,41 

0,42 

0,43 

0.44 

0,45 

0,46 

0,47 

0,48 

0,49 

0,50 

0,51 

0,52 

0,53 

0,54 

0,55 

0,56 

0,57 

0,58 

0,5  V» 

0,60 

0,61 

0,62 

0,63 

0,64 

0.65 

0.66 

0.67 

0,68 

0,69 

0,70 

0,71 


0,0000059 
0,0000126 
0}0000249 
1 1.0000462 
0,0000814 

0,0001367 
o,i  II  102201 

0,0003416 
0,0005131 
0,0007483 
0,0010627 
0,0014738 
0,0020002 
0,0026621 
0,0034808 
0,0044780 
0,0056763 
0.0070987 
0,0087680 
0,010706 
0,012936 
0,015479 
0,018356 
0,021589 
0,025193 
0,029187 
0,033589 
0,038413 
0,043680 
0,049398 
0,055577 
0,062232 
0,069372 
0,07  7  (»04 
0,085139 
0,093783 
0,10294 
0,11261 
0.12281 
0,13353 
0,14478 
0,15657 
0.16887 
0,18171 
0,19508 
'  0,20899 
0,22343 
0,23837 
0.25385 
0,26985 
( »,26837 
0,30340 


67 
123 
213 
352 
553 
834 
1215 
1715 
2352 
3144 
4111 
5264 
6619 
8187 
9972 
11983 
14224 
16693 
19380 
2230 
2543 
2877 
3233 
3604 
3994 
4402 
4824 
5267 
5718 

<;i79 

6655 
7140 
7632 
8135 
8644 
9157 
967 

1020 

1072 

1125 

1179 

1230 

1284 

1337 

1391 

1444 

1494 

1548 

1600 

1652 

1703 


672780 
317340 
160680 
86505 
49140 
29263 
18166 
11702 
7TS9,7 
5339,9 
3758,3 
2708,6 
1994,6 
1497,4 
1144,2 
888,41 
699,97 
558,90 
451,73 
369,24 
304,94 
254,25 
213,84 
181,30 
154,87 
133,22 
Ii  5,34 
IOC  .45 
87,953 
77.421 
68,476 
60,836 
54,275 
48,612 
43,698 
39,414 
35,664 
32,3»»,.t 
29,460 
26,884 
24,595 
22,549 
20,720 
19,078 
17,700 
16,265 
15,056 
13,958 
12,960 
12,049 
11.217 
10.454 


355440 
156660 
74175 
37365 
19877 
11097 
6464 
3912,3 
2449,8 
1581,6 
1049,7 
714,0 
497,2 
353,2 
255,79 
188,44 
141.07 
107.17 
82,49 
64,30 
50,69 
40,41 
32,54 
26,43 
21,65 
17,88 
14,89 
12,497 
10,532 
8,945 
7,640 
6,561 
5,663 
4,914 
4,284 
3,750 
3,295 
.  2.909 
2,576 
2,289 
2,046 
1,829 
1,642 
1,478 
1,335 
1,209 
1,098 
998 
911 
S32 
763 


0,033767 
0,035714 
0,037692 
0,039700 
0,041740 
0,043812 
0,045918 
0,048059 
0,050235 
0,052448 
0,054701 
0,056991 
0,059321 
0,061695 
0,064113 
0,066575 
0,069083 
0,071638 
0,074245 
0,076903 

0,079612 
0,082379 
0,08520! 
0,088084 
0,091028 
0,094037 

0,0971 12 

0^10026 

0,10347 

0,10676 

0,11013 

0,11358 

0,11712 

0,12074 

0,12445 

0,12826 

0,13217 

0,13619 

0,14031 

0,14456 

0,14893 

0,15340 

0,15803 

0,16279 

0,16770 

0,17277 

0,17801 

0,18341 

0,18901 

0,19479 

0,20079 

0,20702 


1947 

1978 

2008 

2040 

2072 

2106 

2141 

2176 

2213 

2253 

2290 

2330 

2374 

2418 

2462 

2508 

2555 

2607 

2658 

2709 

2767 

2822 

2883 

2944 

3009 

3075 

3148 

321 

329 

337 

345 

354 

362 

371 

381 

391 

402 

412 

425 

437 

447 

463 

476  ^ 

491 

507 

524 

540 

560 

578 

600 

623 


y  Google 


R.  Clausius. 


695 


e 


0,71 
0,72 
0,73 
0,74 
0,75 
0,76 
0,77 
0,78 
0,79 
0,80 
0,81 
0,82 
0,83 
0,84 
0,85 
0,86 
0,87 
0,88 
0,89 
0,90 
0,91 
0,92 
0,93 
0,94 
0,95 
0,96 
0,97 
0,98 
0,99 
1 


n 

nc 

0,30340 
0,32094 
0.33900 
0,35755 
0,37661 
0,39617 
0,41621 
0,43672 
0,45772 
0,47919 
0,50115 
0,52357 
0,54642 
0,56975 
0,59352 
0,61774 
0,64237 
0,66745 
0,69297 
0,71889 
0,74523 
0,77200 
0,79913 
0,82668 
0,85461 
0,88294 
0,91164 
0,94073 
0,97018 
1 


1754 
1806 
1855 
1906 
1956 
2004 
2051 
2100 
2147 
2196 
2242 
2285 
2333 
2377 
2422 
2463 
2508 
2552 
2592 
2634 
2677 
2713 
2755 
2793 
2833 
2870 
2909 
2945 
2982 


K 

10,454 
9,7533 
9,1086 

H,  Ö140 
7,9646 
7,45ül 
6,9844 
6,5467 
6,1389 
5,758S 
5,4034 
5,0711 
4,7596 
4,4669 
4,1914 
3,9317 
3,6865 
3,4541 
3,2333 
3,0231 
2,8226 
2,6300 
2,4450 
2,2657 
2,0906 

I,  9176 
1,7436 
1,5635 
1,3627 
1 


7007 
6447 
5946 
5494 
5085 
4717 
4377 
4078 
3801 
3554 
3323 
3115 
2927 
2755 
2597 
2452 
2324 
2208 
2102 
2005 
1926 
1850 
1793 
1751 
1730 
1740 
1801 
2008 
3627 


w 

W 

c 

0,20702 
0,21347 
0,22019 
0,22717 
0,23445 
0,24204 
0,24997 
0,25827 
0,26697 
0,27612 
0,28573 
0,29587 
0,30659 
0,31797 
0,33004 
0,34293 
0,35675 
0,37160 
0,38764 
0,40508 
0,42422 
0,44528 
0,46888 
0,49552 
0,52618 
0,56225 
0,60619 
0,66303 
0,74542 
1 


645 
672 
698 
728 
759 
793 
830 
870 
915 
961 
1014 
1072 
1138 
1207 
1289 
1382 
1485 
1604 
1744, 
1914 
2106 
2360 
2664 
3066 
3607 
4394 
5684 
8239 
25458 


Diese  drei  Werthe  kann  man  daher,  ebenso  wie  den 
Werth  @c,  als  direct  durch  die  Constante  y  bestimmt  be- 
trachten, und  demgemä8s  folgende  Brüche  bilden: 

n   w    _  w 

Diese  Brüche  sind  es,  deren  Werthe  in  der  Tabelle  (p.  694) 
neben  den  dazu  gehörigen,  stufenweise  steigenden  Werthen 
des  mit  &  bezeichneten  Bruches  Sj0e  angeführt  sind. 

§  2.  In  der  vorstehenden  Tabelle  ist  eine  für  alle  Stoffe 
gleichmässig  geltende  Beziehung  der  Grössen  77,  W  und  w 
zu  einer  noch  unbestimmt  gelassenen  Temperaturfunction  B 
dargestellt  Wie  sich  nun  die  Beziehung  zwischen  jenen 
Grössen  und  der  Temperatur  selbst  gestaltet,  ob  und  in 


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696  R.  Clausius. 

welchem  Grade  auch  sie  für  verschiedene  Stoffe  überein- 
stimmt1), das  hängt  von  dem  Verhalten  jener  Temperatur- 
function  ab.  Ich  ging  in  meiner  Untersuchung  ursprünglich 
von  der  Voraussetzung  aus,  dass  man  die  Temperaturfunc- 
tion  durch  einen  Ausdruck  darstellen  könne,  welcher  nur 
Eine  von  der  Natur  des  Stoffes  abhängige  Constante  ent- 
halte, fand  aber  bei  näherer  Betrachtung,  dass  man  in  so 
einfacher  Weise  doch  nicht  zu  einer  genügenden  Ueberein- 
stimmung  mit  der  Erfahrung  gelangen  kann.  Nach  viel- 
fachen Vergleichungen  ergab  sich  mir  als  geeignetste  Form 
einer  Gleichung  zur  Bestimmung  des  von  uns  mit  &  bezeich- 
neten Bruches  QjQc  die  folgende: 

ms  ®c        a  k 

(0  ö^"^ 

worin  «,  b  und  n  Constante  sind,  die  für  verschiedene  Stoffe 
verschiedene  Werthe  haben. 

Es  handelt  sich  nun  darum,  diese  Constanten  für  ein- 
zelne Stoffe  zu  bestimmen. 

Was  zunächst  die  Kohlensäure  anbetrifft,  so  habe  ich 
in  der  für  sie  speciell  aufgestellten  Formel2)  der  Tempe- 
raturfunction  0  eine  sehr  einfache  Form  gegeben,  nämlich 
die,  welche  man  aus  der  Gleichung  (7)  erhält,  wenn  man  in 
ihr  b  =  0  und  n  =  2  setzt,  wodurch  sie  übergeht  in : 

Qc  _  a 

  0~~T" 

1)  Zwei  ältere  über  diese  Beziehung  aufgestellte  Sätze  habe  ich  schon 
vor  lauger  Zeit  besprochen  (Pogg.  Ann.  82.  p.  273.  1851,  und  Abband- 
lungensammlung  1.  p.  119.  1864).  Nennt  man  nämlich  die  Temperaturen, 
welche  bei  verschiedenen  Flüssigkeiten  zu  gleichen  Dampfspannungen 
gehören,  entsprechende  Temperaturen,  so  sind  nach  Dal  ton  die 
Differenzen  zwischen  entsprechenden  Temperaturen  gleich. 
Groshans  dagegen  hat  eine  Gleichung  aufgestellt,  (Pogg.  Ann.  78.  p. 
112.  1849),  welche  unter  der  Voraussetzung,  dass  die  Temperaturen  von 
—  273°  C.  an  gezählt  werden,  aussagt,  dass  für  irgend  zwei  Flüssigkeiten 
alle  entsprechenden  Temperaturen  proportional  seien.  Von 
diesen  beiden  Siit7.cn  weicht  der  zweite  zwar  nicht  so  weit  von  der  Er- 
fahrung ab,  wie  der  erste,  aber  doch  immer  noch  zu  weit,  um  ihm  die 
Bedeutung  eines  wirklichen  physikalischen  Gesetzes  zugestehen  zu  können. 
2)  Clausius,  Wied.  Ann.  9.  p.  337.  1880, 


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R.  Clausim. 


697 


wofür  man  auch  schreiben  kann: 

0  =  T2  Const. 

Indessen  habe  ich  schon  bei  der  Veröffentlichung  jener 
Formel  hinzugefügt,  dass  ich  versucht  hätte,  gewisse  zwischen 
ihr  und  den  Beobachtungen  von  Andrews  noch  bestehende 
Differenzen  durch  Anwendung  einer  complicirteren  Tempe- 
raturfunction  auszugleichen,  dass  ich  davon  aber  wegen  der 
Unsicherheit  der  betreffenden  Beobachtungsresultate  wieder 
Abstand  genommen  hätte. 

Dasselbe,  was  ich  damals  von  den  vorhandenen  Be- 
obachtungsresultaten sagte,  gilt  auch  jetzt  noch.  Insbeson- 
dere ist  zu  bemerken,  dass  die  Andrews'schen  Beobachtungen 
sich  nur  auf  Temperaturen  über  0°  beziehen,  während  die 
Formel  auch  unter  0°  bis  zu  dem  bei  —57°  liegenden  Ge- 
frierpunkte der  Kohlensäure  gültig  bleiben  muss,  und  daher 
zur  Bestimmung  ihrer  Constanten  auch  Beobachtungswerthe 
von  ähnlichem  Temperaturumfange  erfordert.  Nun  besitzen 
wir  zwar  eine  von  Regnault  veröffentlichte  Spannungs- 
reihe des  gesättigten  Kohlensäuredampfes1),  welche  sich, 
wenn  auch  nicht  bis  —57°,  so  doch  bis  —25°  erstreckt, 
aber  bei  den  Versuchen,  mittelst  deren  Regnault  diese 
Zahlen  gefunden  hat,  scheinen  erhebliche  Fehlerquellen  ob- 
gewaltet zu  haben.  Die  von  Regnault  für  Temperaturen 
über  0°  angeführten  Spannungen  weichen  von  den  von 
Andrews  beobachteten2)  beträchtlich  ab,  und  ganz  beson- 
ders auffällig  ist  es,  dass  Regnault  bis  zu  Temperaturen 
über  42°  die  Spannungen  des  gesättigten  Kohlensäure- 
dampfes beobachtet  haben  will,  während  es  jetzt  nach  den 
Versuchen  von  Andrews  feststeht,  dass  es  schon  von  31° 
an  gar  keinen  gesättigten  Kohlensäuredampf  mehr  gibt,  weil 
keine  Condensation  mehr  stattfindet. 

Unter  diesen  Umständen  halte  ich  es  für  gerathen,  für 
Kohlensäure  vorläufig  die  oben  erwähnte,  von  mir  aufge- 
stellte Formel  als  eine  angenähert  richtige  beizubehalten, 
und  die  genauere  Bestimmung  der  Constanten  erst  dann 


1)  Regnault,  Relation  des  exper.  etc.  2«  p.  625.  1862. 

2)  Andrews,  Proc.  of  the  Roy.  Soc.  23,  p.  516.  1875. 


698 


R.  Clausius. 


vorzunehmen,  wenn  auch  für  Temperaturen  unter  0°  bis 
zum  Gefrierpunkte  der  Kohlensäure  zuverlässige  Beobach- 
tungsdata vorliegen. 

§  3.  Ein  Stoff,  welcher  zur  Vergleichung  der  theoretisch 
bestimmten  Dampfspannungen  mit  den  beobachteten  beson- 
ders geeignet  ist,  ist  der  Aether.  Für  diesen  besitzen  wir 
die  von  Regnault  bestimmte  Spannungsreihe1),  welche  von 
—  20°  bis  120°  reicht,  und  deren  Zuverlässigkeit  wohl  nicht 
bezweifelt  werden  darf,  und  eine  Spann ungsreihe  von  Sajo- 
tschewsky2),  welche  von  100°  bis  zu  der  kritischen  Tem- 
peratur 190°  reicht. 

Von  diesen  beobachteten  Spannungen  habe  ich  drei  zur 
Bestimmung  der  in  (7)  vorkommenden  Constanten  angewandt 
und  folgende  Zahlen  gefunden: 

«  =  2665;    ä  =  0,76786;    n  =  1,19233. 

Unter  Anwendung  dieser  Zahlen  kann  man  aus  (7)  für  jeden 
Werth  von  T  den  entsprechenden  Werth  von  OjOc  be- 
rechnen und  dann  den  dazugehörigen  Werth  des  Bruches 
II/IJc  aus  der  Tabelle  entnehmen.  Aus  diesem  Bruche, 
welcher  sich  auch  so  schreiben  lässt  PTC\PCT,  ergibt  sich, 
da  Pc  und  Tc  bekannt  sind,  sofort  der  Werth  von  P.  Auf 
diese  Weise  habe  ich  für  eine  in  Absätzen  von  je  20°  fort- 
schreitende Reihe  von  Temperaturen  die  Spannungen  be- 
rechnet und  nachfolgend  unter  der  Bezeichnung  P^  zu- 
sammengestellt. Zur  Vergleichung  habe  ich  unter  P^  die 
beobachteten  Werthe  hinzugefügt,  und  zwar  unter  100°  die 
von  Regnault  beobachteten,  über  120°  die  von  Sajo- 
tschewsky  beobachteten  und  für  100°  und  120°  die  aus 
den  Angaben  beider  Beobachter  genommenenen  Mittelwerthe. 


t 

-20° 

0° 

200 

40° 

t 

60°  80° 

1 

p 

-M>eob. 
J 

0,0881 
0,0907 
-0,0026 

0,2427 
0,2426 
+  0,0001 

0,572 
0,569 
+  0,003 

1,195 
1,193 
+  0,002 

2,265 
2,270 
-0,005 

8,978 
3,97T 
+0,001 

1)  Regnault,  Relation  des  exper.  2.  p.  393. 

2)  Sajotschewsky,  Beibl.  8.  p.  741.  1879. 


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1 


R.  Clausius.  699 


t       j      100°    |  120° 

140° 

160° 

180° 

190° 

-^ber. 

Pb«ob. 
J 

6,557 
6,549 
+  0,008 

10,27 
10,28 
-0,01 

15,41 
15,42 
-0,01 

22,33 
22,34 
-0,01 

31,41 
31,90 
-0,49 

36,90 
36,90 
0 

Man  sieht,  dass  die  Uebereinstimmung  zwischen  den  be- 
rechneten und  beobachteten  Spannungen  meistens  eine  fast 
vollommene  ist.  Nur  bei  180°  kommt  eine  Differenz  von 
unzulässiger  Grösse  vor,  welche  im  Vergleiche  mit  den  übri- 
gen Differenzen  sehr  auffällig  ist.  Diese  ist  aber  unzweifel- 
haft vorzugsweise  durch  eine  Ungenauigkeit  des  Beobachtungs- 
werthes  verursacht,  was  am  deutlichsten  daraus  hervorgeht, 
dass  Sajotschewky  selbst  mittelst  einer  aus  den  übrigen 
Beobachtungswerthen  abgeleiteten  empirischen  Formel  die 
Spannung  bei  180°  zu  31,56  statt  31,90  bestimmt  hat,  wo- 
durch sich  die  Differenz  mit  dem  aus  unserer  Tabelle  ab- 
geleiteten Werthe  von  0,49  auf  0,15  reducirt. 

Ebenso  wie  die  Werthe  von  11/ Z7C  ergeben  sich  aus  un- 
serer Tabelle  auch  die  Werthe  von  W\WC  und  wjwc. 

Um  aus  diesen  Brüchen  die  Werthe  von  W  und  w  ab- 
zuleiten, muss  man  Wc  und  wc  und  somit,  gemäss  (6),  die 
Constante  y  kennen,  zu  deren  Bestimmung  wiederum  die 
Constante  R  erforderlich  ist.  Die  letztere  erhält  man  auf 
folgende  Weise.  Die  Grösse  R  ist  ihrer  Bedeutung  nach 
dem  specifischen  Gewichte,  welches  die  Stoffe  im  vollkomme- 
nen Gaszustande  haben,  umgekehrt  proportional.  Nun  ist 
für  atmosphärische  Luft  der  Werth  von  R  bekannt1),  näm- 
lich 29,27,  und  daraus  folgt  für  Aether,  wenn  d  das  auf  atm. 
Luft  bezogene  specifische  Gewicht  des  Aetherdampfes  im  Zu- 
stande eines  vollkommenen  Gases  bedeutet: 


(8) 


Es  fragt  sich  nun,  welches  specifische  Gewicht  man  dem 
Aetherdampfe  im  vollkommenen  Gaszustande  zuzuschreiben 
hat.   Als  solches  kann  man,  wie  ich  glaube,  dasjenige  an- 


1)  S.  Clausius  Mechanische  Wärmetheorie  I.  S.  55 


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700 


R.  Clausius. 


nehmen,  welches  man  erhält,  wenn  man  nach  der  für  Aether 
geltenden  chemischen  Formel  C4H10O  voraussetzt,  dass  1  VoL 
Sauerstoff  und  10  Vol.  Wasserstoff  mit  der  entsprechenden 
Menge  Kohlenstoff  2  Vol.  Aetherdampf  geben,  nämlich  das 
specifische  Gewicht  2,5604.  Unter  Anwendung  dieser  Zahl 
für  d  ergiebt  sich  aus  der  vorigen  Gleichung: 

i?=  U,4318. 

Dieser  Werth  bezieht  sich  auf  ein  Kilogramm  des  be- 
trachteten Stoffes,  also  im  vorliegenden  Falle  des  Aethers. 
und  es  gilt  in  ihm  als  Volumeneinheit  ein  Cubikmeter  und 
als  Druckeinheit  der  Druck,  welchen  ein  über  die 
Fläche  von  einem  Quadratmeter  verbreitetes  Ge- 
wicht von  einem  Kilogramm  ausübt.  Diese  Einheiten 
wollen  wir  auch  bei  der  Bestimmung  der  anderen  Constanten 
und  der  Grössen  s  und  a  beibehalten. 

Um  y  zu  bestimmen,  können  wir,  gemäss  (6),  setzen: 

W  r~  8/7c  -    8PC  ' 

und  hieraus  ergiebt  sich,  wenn  wir  unter  Anwendung  der  von 
Sajotschewsky  für  die  kritische  Temperatur  und  den  kri- 
tischen Druck  gefundenen  Werthe  setzen:  Tc  =  273  +  190  =  463 
und  Pc  =  36,9  .  10333,  und  für  R  den  vorher  bestimmten 
Werth  anwenden: 

y  =  0,001  7352. 

Wenn  man  nun  mit  Hülfe  des  durch  2y  dargestellten 
Werthes  von  Wc  und  wc  aus  den  oben  erwähnten  Brüchen 
W\Wt  und  wjwc  die  Grössen  W  und  w  gewonnen  hat,  und 
von  ihnen  zu  den  mit  s  und  a  bezeichneten  Volumen  des 
dampfförmigen  und  flüssigen  Aethers  gelangen  will,  so  muss 
man  dazu  noch  die  Constante  u  kennen,  da  s  =  W  -f-  a  und 
g  =  w  -f-  a  ist.  Zur  Bestimmung  von  a  wendet  man  am 
besten  irgend  ein  beobachtetes  Flüssigkeitsvolumen  an,  von 
weichem  man  den  für  dieselbe  Temperatur  berechneten  Werth 
von  tc  abzuziehen  hat.  Für  0°  hat  der  flüssige  Aether  nach 
Kopp  das  specifische  Gewicht  0,736  58,  woraus  man,  wenn 
man  noch  berücksichtigt,  dass  das  Volumen  <j  sich  nicht  auf 
den  Druck  von  1  Atm.,  sondern  auf  den  Druck  von  0,2426 


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B.  Clausius. 


701 


Atm.  bezieht,  erhält  a  =  0,001  357  8.  Ebenso  erhält  man  für 
20°  nach  Kopp  a  =  0,001  400  1.  Wenn  man  mit  Hülfe  dieser 
Grössen  a  bestimmt  und  aus  beiden  nahe  übereinstimmenden 
Werthen  das  Mittel  nimmt,  so  findet  man 

a  =  0,001  087  6. 
Es  möge  hier  gleich  noch  hinzugefügt  werden,  dass  sich 
nach  der  Bestimmung  von  y  und  u  sofort  auch  der  Werth 
von  ß  ergiebt,  da  ß  =  y  —  u  ist.   Es  kommt  nämlich: 

ß  =  0,000  647  6. 

Unter  Anwendung  der  gefundenen  Werthe  der  Constan- 
ten können  wir  nun  aus  den  Brüchen  W\WC  und  w/wc  die 
Grössen  s  und  a  berechnen,  und  erhalten  für  die  oben  be- 
trachtete Reihe  von  Temperaturen  folgende  Werthe. 


t 

—20° 

0° 

20° 

40° 

60°  80° 

8 

3,182 
0,001318 

1,238 
0,001356 

0,5562 
0,001402 

0,2793 
0,001455 

0,1524 
0,001520 

0,08883 
0,001600 

t 

100° 

120° 

140°  160° 

180° 

190° 

8 

ü 

0,05417 
0,001702 

0,03408 
0,001837 

0,02175 
0,002030 

0,01373  0,008016 
0,002335  i  0,002982 

0,004558 
0,004558 

Schliesslich  möge  hier  noch  die  Form,  welche  die  allge- 
meine Gleichung  (3)  nach  der  Bestimmung  von  6  annimmt, 
hinzugefügt  werden.  Gemäss  (7)  und  (4)  hat  man  zu  setzen : 

(•*--»)• 

Hierfür  kann  man  unter  Einführung  neuer  Constanten  kürzer 
schreiben. 

(10)  ~  =  AT~n  -  B 

und  dadurch  geht  (3)  über  in 

p    _      1         AT~n  -  B 
~RT  ~  ~v  —  a         (v  +  W ' 

Die  für  Aether  geltenden  Werthe  der  Constanten  A  und  B 
ergeben  sich  aus  den  oben  für  a,  b  und  y  angeführten 
Werthen  folgendermassen: 

^4=  15,607;    5  =  0,0044968. 


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702 


R.  Ciausius. 


§  4.  Die  Stoffe,  bei  denen  man  die  Beobachtung  der 
Dampfspannungen  noch  nicht  bis  zur  kritischen  Temperatur 
hat  ausdehnen  können,  bieten  für  die  Bestimmung  der  in 
der  Gleichung  (7)  vorkommenden  Constanten  a,  b  und  n 
Schwierigkeiten  dar,  die  um  so  grösser  sind,  je  weiter  die 
höchste  Beobachtungstemperatur  noch  von  der  kritischen 
Temperatur  entfernt  ist.  Ist  nämlich  dieser  Temperatur- 
abstand sehr  gross,  so  können  Aenderungen  der  Gonstanten, 
welche  in  dem  Temperaturintervall,  für  welches  Beobach- 
tungen vorliegen,  nur  geringe  Unterschiede  der  berechneten 
Dampfspannungen  verursachen,  doch  für  die  berechnete  kri- 
tische Temperatur  und  den  ihr  entsprechenden  Druck  einen 
beträchtlichen  Unterschied  zur  Folge  haben. 

Zu  diesen  Stoffen  gehört  das  Wasser.  Ich  habe  ver- 
sucht, aus  den  Regnault'schen  Spannungsbeobachtungen, 
welche  bis  etwas  über  220°  reichen,  die  wahrscheinlichsten 
Werthe  der  Constanten  abzuleiten,  und  bin  nach  vielfachen 
Vergleichungen  zu  folgenden  Zahlen  gelangt: 

a  =  5210;       £  =  0,85;       n  =  1,24. 

Mit  Hülfe  dieser  Zahlen  und  unter  der  Voraussetzung, 
dass  für  die  Temperatur  von  100°  die  Dampfspannung  eine 
Atmosphäre  beträgt,  habe  ich,  wie  beim  Aether,  für  eine  in 
Absätzen  von  je  20°  fortschreitende  Reihe  von  Temperaturen 
die  Dampfspannungen  aus  unserer  Tabelle  abgeleitet  und  die 
nachstehenden  Werthe  gefunden.  Soweit  die  Beobachtungs- 
werthe  reichen,  habe  ich  auch  sie  zur  Vergleichung  hinzu- 
gefügt, und  zwar  habe  ich  dazu  diejenigen  Werthe  gewählt, 
welche  Regnault  direct  aus  den  von  ihm  construirten 
Curven  entnommen  hat,  und  welche  er  als  das  unmittelbarste 
Ergebniss  seiner  Beobachtungen  betrachtet.  Wo  er  zwei 
aus  verschiedene  Curven  erhaltene  Werthe  anführt,  habe  ich 
deren  Mittel  genommen.  Unter  den  beobachteten  Spannungen 
stehen  die  Differenzen  mit  den  berechneten  Spannungen. 
Ausserdem  habe  ich  in  dieser  Tabelle  auch  gleich  die  be- 
rechneten Werthe  von  s  angeführt,  von  denen  weiter  unten 
die  Rede  sein  wird. 


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R.  Ciausius.  703 


t 

20° 

40° 

60° 

80° 

100° 

~  7*»—  

TD 

-M>er. 

p 

beob. 

J 

0,00605 
0,00031 
216,6 

0,02248  0,07183 
0,02288  0,07225 
0,00040  0,00042 
59,30        !  19,81 

0,195b 
0,1958 
0,0002 
7,725 

0,4665 
0,4666 
0,0001 
3,422 

1 
1 

0 

1,677 

t 

120° 

140° 

160°    |  180° 

200° 

220° 

■p 
Pb*ob. 

s 

1,962 
1,960 
-0,002 
0,8927 

3,571 
3,569 
-0,002 
0,5085 

6,106 
6,118 
0,012 
0,3060 

9,907 
9,922 
0,015 
0,1924 

15,37  22,97 
15,35  22,88 
-  0,02       -  0,09 
0,1253  ,  0,08371 

t        J      240°          260°     !  280° 

300°  j     320°  332,32° 

Pber. 

s 

33,23 
0,05700 

46,73 
0,03912 

64,15 
0,02680 

86,27  113,9 
0,01796  0,01111 

134,1 
0,005892 

Die  Zusammenstellung  der  berechneten  und  beobachteten 
Spannungen  zeigt  in  dem  ganzen  Temperaturintervall  von 
0°  bis  220°  eine  sehr  befriedigende  Uebereinstimmung,  und 
danach  darf  man  es  wohl  als  wahrscheinlich  annehmen,  dass 
auch  die  für  die  höheren  Temperaturen  berechneten  Spannungs- 
werthe,  sowie  die  berechnete  kritische  Temperatur  332,32° 
und  der  ihr  entsprechende  Druck  von  134  Atmosphären  nicht 
zu  weit  von  der  Wahrheit  abweichen.  i 

Was  nun  die  übrigen  in  den  Formeln  vorkommenden 
Constanten  anbetrifft,  so  erhält  man  für  72,  gemäss  der 
Gleichung  (8),  wenn  man  darin  für  d  den  Werth  0,6221  setzt, 
welcher  aus  den  für  die  spec.  Gewichte  von  Wasserstoff  und 
Sauerstoff  von  ßegnault  gefundenen  Werthen  hervorgeht: 

R  =  47,05. 

Daraus  ergibt  sich  weiter,  gemäss  (9),  wenn  man  für 
Tc  und  Pc  die  oben  gefundenen  Werthe  anwendet: 

y  =  0,002  569. 

Um  a  zu  bestimmen,  muss  man  von  einem  beobachteten 
Volumen  des  flüssigen  Wassers  den  für  dieselbe  Temperatur 
berechneten  Werth  von  w  abziehen.    Nun  zeigt  aber  das 


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704 


B.  Claushts, 


flüssige  Wasser,  wenn  man  es  von  0°  an  erwärmt,  die  be- 
kannte eigentümliche  Erscheinung,  dass  es  sich  anfangs 
zusammenzieht  und  erst  über  4°  ausdehnt,  und  dass  auch 
dann  noch,  innerhalb  eines  beträchtlichen  Temperaturinter- 
valls, der  Ausdehnungscoefficient  viel  veränderlicher  ist,  als 
bei  anderen  Flüssigkeiten.  Diese  Erscheinung,  welche 
unzweifelhaft  mit  denjenigen  Molecularkräften  zusammen- 
hängt, die  beim  Gefrieren  des  Wassers  als  Krystallisations- 
kräfte  wirken,  wird  durch  unsere  zur  Bestimmung  von  u? 
dienende  Gleichung  nicht  mit  ausgedrückt,  weil  bei  ihrer 
Aufstellung  diese  Art  von  Kräften  nicht  mit  berücksichtigt 
ist.  Hierdurch  entsteht  nun  für  die  Bestimmung  von  a  eine 
Unsicherheit,  indem  man  je  nach  der  Temperatur,  auf  welche 
das  zur  Bestimmung  angewandte  Wasservolumen  sich  bezieht, 
verschiedene  Werthe  von  u  erhält.  Wendet  man  das  bei  20° 
beobachtete  Wasservolumen  an,  so  kommt. 

a  =  0,000  754, 

und  wenn  man  diese  Zahl  von  der  oben  für  y  angeführten 
Zahl  abzieht,  so  erhält  man: 

ß  =  0,001  815. 

Auf  die  berechneten  Werthe  des  Dampfvolumens  s  hat 
die  in  Bezug  auf  die  Constante  a  stattfindende  Unsicherheit 
nur  einen  sehr  geringen  Einfluss,  da  die  ganze  Grösse  von  u 
gegen  das  Dampfvolumen  bei  allen  Temperaturen,  die  der 
kritischen  Temperatur  nicht  zu  nahe  liegen,  sehr  klein  ist 
Die  für  die  oben  betrachtete  Eeihe  von  Temperaturen  be- 
rechneten Werthe  von  ä  sind,  wie  schon  erwähnt,  der  letzten 
Tabelle  mit  angefügt.  Sie  stellen  das  Volumen  eines  Kilo- 
gramm Dampf  in  Cubikmetern  dar. 

Giebt  man  endlich  noch  der  den  Druck  p  bestimmenden 
Gleichung  die  unter  (11)  angeführte  Form: 

p    =  _J  A  T~n  —  B 

ET     v-a       (u  +  #2  ' 
so  haben  die  hierin  vorkommenden  Constanten  A  und  B 
für  Wasser  folgende  Werthe: 

A  =  45,17;       j5  =  0,00  737. 


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S.  Oppenheim. 


705 


X.    lieber  eine  Gleichung,  welcher  die  lebendige 
Kraft  schwingender  Bewegungen  genügt; 
von  S.  Oppenheim. 

In  seinem  Buche  „Lec,ons  sur  les  coordonnees  curvilignes 
et  leurs  diverses  applications"  beweist  Lame  den  Satz1),  wo- 
nach, wenn  v  das  Potential  der  Gravitation,  T  die  lebendige 
Kraft  der  durch  dasselbe  erzeugten  Bewegung  ist,  ebenso  wie 

J2K=  0;    auch  J2T=  0 
ist.    Er  selbst  bemerkt  hierzu:  „  .  .  .  resultat  qui  s'accorde 
singulierement  avec  les  nouvelles  idees  sur  la  puissance  dy-  v 
nainique  de  la  chaleur." 

Wir  wollen  im  Nachfolgenden  eine  analoge  Gleichung 
für  die  lebendige  Kraft  ableiten,  und  zwar  für  eine  Bewegung, 
welche  durch  das  Potential: 


-MW 


charakterisirt  ist.  Die  Integration  ist  über  das  Volumen 
des  Körpers  ausgedehnt.    Die  lebendige  Kraft  sei: 


_  • 

wenn  wir  der  Kürze  halber  (dg/dt)  =  £  u.  s.  w.  schreiben. 
Das  Princip  der  Erhaltung  der  Energie  liefert  die  Gleichung 
E=  T+  Z3,  und  dieselbe  nach  t  differenzirt: 


d  T  .    d  P      d  E       jr»  jv 

rf7  +  7F=  dt=0<  d-  h- 

•  ••    ia    ,  (dt  s'f  ,etei  .  es  s'( 

■                                     •  • 

d //   dt}      dt]  dij  dr]  dtj 

ß.r   cx      Bif  d if  dz  dz 


dx  dx 


1)  Siehe  §  93  p.  169:  Travail  de  l'attraction. 

Ann.  d.  I*hj>.  u.  Chem.  N.  F.  XIV.  45 


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706  S.  Oppenheim. 

Statt  nun,  wie  gewöhnlich  geschieht,  den  zweiten  Theil  dieser 
Gleichung  nach  dem  Green'schen  Satze  zu  behandeln,  wollen 
wir  hier  folgende  Annahmen  machen: 


(1) 


ö^-±j^  dj^-j-s  ez=±is 


Dadurch  wird: 

und  ebenso  die  anderen  Grössen,  sodass  die  Gleichung  jetzt 
die  Form  erhält: 

fdt  {t     i  a,  i)  +  h  (u - a2  fi)  +  £  tu  g  -  x  ja  j) }  =  e 

und  somit,  da  die  £  £  als  voneinander  unabhängig  betrach- 
tet werden  müssen,  die  drei  Gleichungen  liefert: 

(2)     pjf- 141-0:  fnJ-lJrf-O;  p£-14£-0, 
welche  die  bekannten  Differentialgleichungen  für  die  transver- 
salen Schwingungen  sind. 

Was  die  Bedingungsgleichungen  (1)  anlangt,  so  können 
wir  die  physikalische  Bedeutung  derselben  in  folgender  Weise 
interpretiren. 

Betrachten  wir  nämlich  die  Verschiebungscomponenten 
|  7)  £  als  Functionen  der  x  y  z  t,  bezeichnen  mit  x0  y0  z0  tQ 
einander  entsprechende  Anfangswerthe  von  x  y  z  t,  so  ist  nach 
dem  Taylor'schen  Satze: 

S-{.+[(^*.)(§|)4+(y-y.)(J|)o+(*-*.)g+(^(jf)J  +  •  •• 

und  mit  Rücksicht  auf  diese  Gleichungen  (1): 

£  -  So  +  x  [±  «       ±  ßto-9o)  ±r('-*o)+*(<-o]  +  -- 

und  analog  und  £,  d.  h.  die  Bedingungsgleichungen  (1) 
drücken  aus,  dass  die  j  y  £  Functionen  sind,  deren  Argument: 

±  « (»  -  '0)  ±  /%  -  y0)  ±  y  (*  -  «0)  +  Ä  (<  ~  W 

1)  Mit  anderen  Worten:  Die  GL:  p£— 14,€«0  zerfallt  in  die  3  GL: 
(öfö*)  =  ±  («/*)*,  (d:ldy)  =  ±(ßlk)$,  (dtldz)=±{riu)i.   Ueber  eine 


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4 

I 

&  Oppenheim.  707 
Die  Gleichungen  (2)  liefern  hierzu  noch  die  Bedingung: 

Aus  den  Gleichungen  (1)  in  Verbindung  mit  (2)  rnsultirt  nun 
die  abzuleitende  Relation  für  die  lebendige  Kraft. 
Es  ist  nämlich: 

.ithin:  ^^iV=(ir+(g)2+g)2. 

,^,[(|i)V(g)V(i)2]; 

ferner  ist: 

p{»A4£;  und    ,a|.|  =  AjJ2|, 

und  die  beiden  Gleichungen  addirt: 

p»*  +  <B-*[U«+[ffi'+®),+  ö)l. 

Indem  nun  ähnliche  Gleichungen  für  ?]2  und  g2  gelten, 
ergibt  die  Addition  und  nachfolgende  Integration  über  den 
Raum  des  betrachteten  Körpers: 

In  analoger  Weise  kann  auch  die  Glnichung: 

abgeleitet  werden. 

Ueber  eine  Verallgemeinerung  dieser  Gleichungen  für 
den  Fall  gewisser  erzwungener  Schwingungen,  ferner  für  den 
Fall  von  Schwingungen  mit  einem  Geschwindigkeitspotentiai 
sowie  eine  Anwendung  dieser  Gleichungen  auf  die  Theorie 
der  Wärmeleitung  wollen  wir  in  einer  nächsten  Abhandlung 
berichten. 

dieser  Theilung  analoge  sieht'  B.  Strutt-Rayleigh,  Akustik,  2.  §245 
und  Earnshaw,  Phil.  Trans.  1860. 


45* 


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708 


XI.   Blectrische  Einheiten  nach  den  Beschlüssen 
des  internationalen  Cangresses  der  Electriker 

zu  Paris  1881. 

1)  Als  Grundeinheiten  der  electrischen  Maasse  gelten 
das  Centimeter,  die  Masse  eines  Grammes  und  die  Secunde. 
(C.  G.  S.) 

2)  Die  bis  jetzt  angewandten  Einheiten,  das  Ohm  und 
Volt,  behalten  ihre  gegenwärtigen  Bedeutungen:  109  für 
erster  es  und  108  für  letzteres. 

3)  Die  Widerstandseinheit  Ohm  wird  dargestellt  durch 
eine  Quecksilbersäule  von  1  qmm  Durchschnitt  bei  0°  C. 

4)  Eine  internationale  Commission  soll  beauftragt  wer- 
den, durch  neue  Versuche  die  Länge  der  Quecksilbersäule 
von  1  qmm  Durchschnitt  bei  0°  C.  zu  bestimmen,  welche 
den  Werth  Ohm  repräsentirt. 

5)  Man  nennt  Ampere  die  Stromintensität,  welche  ein 
Volt  in  einem  Ohm  hervorruft 

6)  Man  bezeichnet  als  Coulomb  die  Electricitätsmenge, 
welche  durcb  ein  Ampere  in  einer  Secunde  geliefert  wird. 

7)  Man  definirt  als  Farad  die  Capacität,  welche  durch 
die  Bedingung  charakterisirt  ist,  dass  ein  Coulomb  in  einem 
Farad  ein  Volt  gibt. 


Berichtigungen. 

In  meiner  Dissertation1)  Wied.  Ann.  6.  p.  86,  über  die  experimen- 
telle Bestimmung  von  Lichtgeschwindigkeiten  in 
Krystallen  linden  sich  einige  Versehen,  auf  welche  Hr. 
Hollefreund  in  Göttingen  die  Freundlichkeit  hatte,  mich 
aufmerksam  zu  machen: 
p.  107  Z.  8  v.  o.  muss  es  heissen  „2  V  =  76,89°" 
p.  103  Z.  3  v.  u.  „0,65833  =  a". 

W.  Kohlrausch. 
Bd.  XU.  (Goldstein)  p.  249  Z.  9  v.  u.  lies  „den  p.  109  gegebenen". 

Bd.  XIII.  (V.  Wroblewski)  p.  615  Z.  21  v.  o.  lies  „Contraction"  statt 
„Concentration". 
p.  617  Z.  5  v.  u.  lies  „negativen  Logarithmus  von  cos2</i"  statt 

„C082f/". 

Bd.  XIV.  (Lorberg).   Dem  Ende  von  §  1  ist  Folgendes  anzufügen: 
„Uebrigens  bemerke  ich,  dass  die  im  folgenden  Paragraphen  ge- 
gebene Lösung  des  Problems  sich  nicht  wesentlich  ändert, 
wenn  man  die  Constante  k\q  der  Poisson'schen  Gl.  (1),  statt 
sie  =  0  zu  setzen,  als  unbestimmte  Constante  beibehält." 


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Namenregister  zum  Jahrgang  1881. 


A. 

Auerbach,  F.,  Magnetische  Nach- 
wirkung 14,  308. 

B. 

B  a  r  u  s .  C.  s.  Strouhal. 

Beetz,  W.,  Elasticität  und  elee- 
trisches  Leitungsvermögen  der 
Kohle  12,  65.  —  Natur  (Ter  galva- 
nischen Polarisation  12,  290.  474. 

Beseel- Hagen,  E..  Neue  Töpler'- 
sche  Queeksilberluftpumpe  12. 425. 

Boltzmann,  L.,  Specifische  Wärme 
des  Chlors  etc.  13,  544. 

Budde,  E.,  Taucherglocke  12,208. 
—  Clausius'sches  Gesetz  und  Be- 
wegung der  Erde  im  Räume,  II 
12.  644. 

C. 

C  h  a  p  p  u  i  s .  P.,  Absorption  der  Koh* 
leneäure  durch  Holzkohle  12,  161- 

Christiansen,  C,  Wärmeleitung 
14,  23. 

Clan  ei  us,  R.,  Electrodynamik  12, 
639.  —  Bestimmung  des  Dampf- 
druckes und  der  Volumina  des 
Dampfes  und  der  Flüssigkeit  14, 
279.  692. 

Cohn,  E..  Widerstand  polarisirter 

Zellen  18,  665. 
Congress  der  Electriker.  Elec- 

trische  Einheiten  14,  692. 

D. 

Dietrich,  W.,  Intensitäten  der  bei- 
den Natriumlinien  12,  519. 

Dorn,  E.,  Absolute  Grösse  der  Gas- 
molecüle  18,  378. 


E. 

E  d  1  u  n  d ,  E.,  Depolarisator  12,  1 49. 
Erhard,  Th. ,  Glasplattensäule  12, 

655.  —  Electrische  Eigenschaften 

des  Indiums  14,  504. 
Exner,  F.,  Natur  der  galvanischen 

Polarisation  12,  280. 

F. 

Feussner,  W.,  Interferenzerschei- 
nungen dünner  Blättchen  14,545. 

Fröhlich,  J.,  Clausius'  Gesetz  und 
die  Bewegung  der  Erde  im  Räume 
12,  121.  —  Modification  des  Lich- 
tes durch  Reflexion  an  engen  Me- 
tallgittern 13,  138. 

Fromme,  C. ,  Electromotorische 
Kraft  galvanischer  Combiuationen 
12,  399.  —  Wirkungen  der  mag- 
netischen Coercitivkraft  13,  318. 
—  Maximum  des  temporären  Mag- 
netismus 13,  695. 

(i. 

Gold  st  ein,  E.,  Electrische  Licht- 
erscheinung in  Gasen  12,  90.  — 
Entladung:  der  Eleetricität  in  ver- 
dünnten Gasen  12,  249. 

Graetz,  L.,  Wänneleitungsfähigkeit 
von  Gasen  14,  232,  541. 

G  r  u n m  a  ch ,  L.,  Electromagnetische 
Drehung  der  Polarisationsebene 
der  strahlenden  Wärme  14,  85. 

H. 

Hailock,  W.,  Lichtgeschwindigkeit 
in  verschiedenen  Quarzflächen  12, 
147. 


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710  Namem 

Hankel,  W.,  Electricität  in  hemi- 
morphen  Krystallen  durch  Aen- 
derung  des  Druckes  in  der  Rich- 
tung der  unsymmetrisch  ausgebil- 
deten Axen  13,  640. 

Hansemann,  G.,  s.  Kirchhoff. 

He  11  mann,  H.,  Electrisehc  Entla- 
dungen 14,  543. 

Helm,  G.,  Vennittelung  der  Ferne- 
wirkungen durch  den  Aether  14, 
149. 

Heimholt/,  H.,  Auf  das  Innere 
magnetisch  oder  dielectrisch  pola- 
risirter  Körper  wirkende  Kräfte 

13,  385.    —  Electrodynamische 
Wage  14,  52. 

Hertz,  H.  R.,  Vertheilung  der  Elec- 
tricität auf  der  Oberfläcne  beweg- 
ter Leiter  18,  266.  —  Kinetische 
Energie  der  bewegten  Electricität 

14,  581. 

Herwig,  H.,  Capacität  von  Con- 
densatoren  mit  starrem  Isolator 
13,  164. 

Holtz,  W.,  Erscheinungen  an  Flam- 
men 12,  661.  —  Künstlich  geform- 
ter, polarunterschiedlich  sich  rich- 
tender und  polarunterschiedlich 
angezogener  Körper  12,  477.  — 
Eindringen  der  Electricität  18, 
207.  —  Influenzmaschinen  13,  623. 

Hoorweg,  J.  L.,  Thermische  Theo- 
rie des  galvanischen  Stromes  12, 75. 

h 

v.  Jolly ,  Pb.,  Anwendung  der  Wage 
auf  Probleme  der  Gravitation  14, 
331. 

Julius,  V.  A.,  Volta'sche  Funda- 
mentalversuche  13,  276.  S.  auch 
Korteweg. 

K. 

Kay  ser,  H.,  Verdichtung  von  Gasen 
an  Oberflächen  in  ihrer  Abhängig- 
keit von  Druck  und  Temperatur 
12,  526.  14,  450. 

Kerber,  A.,  Höhe  der  Erdatmo- 
sphäre 14,  117. 

Ketteier,  E.,  Disrjersionsgesetz  auf 
durchsichtige ,  nalbdurchsichtige 
und  undurchsichtige  Mittel  12,  363. 
—  Refraction  und  Absorption  des 
Lichtes  12,  4SI. 


egister. 

> 

Kirchhoff,  G.  u.  G.  Hansemann, 
Leitungsfähigkeiten  der  Metalle 
für  Wärme  und  Electricität  13, 
406. 

K  i  1 1 1  e  r ,  E.,  Spannungsdifferenz  zwi- 
schen sich  berührenden  Flüssig- 
keiten 12,  572. 

Klang,  H. ,  Elasticitätsconstanteu 
des  Flussspathes  12,  321. 

Klocke,  Fr.,  s.  K.  R.  Koch. 

Koch,  S.,  Reibungsconstante  des 
Quecksilbers  14,  1. 

Koch,  K.  R.,  und  Fr.  Klocke, 
Bewegung  der  Gletscher  14,  509. 

Koenig,  R.,  Stösse  und  Stosstöne 
bei  harmonischen  Intervallen  12, 
335.  —  Stosstöneapparat  für  Vor- 
lesungsversuche 13,  350.  —  Luft- 
schwingungen in  Orgelpfeifen  13, 
569.  —  Klangfarbe  14,  369. 

Kohlrausch,  W.,  Töne  beim  Durch- 
strömen von  Gasen  durch  Spalten 
13,  545. 

Kola  Sek,  F.,  Theorie  der  Reso- 
nanz 12,  353. 

Konowalow,  D.,  Dampfspannung 
von  gemischten  Flüssigkeiten  14, 
34,  219. 

Korteweg,  D.  J.,  Einfluss  der 
räumlichen  Ausdehnung  der  Mole- 
cüle  auf  den  Druck  eines  Gases 
12,  136. 

Korteweg,  D.  J.,  und  V.  A.  Ju- 
lius, Electrisehc  Ausdehnung  bei 
Glas  und  Kautschuk  12,  647. 

Kundt,  A.,  Einfluss  des  Druckes 
auf  die  Oberflächenspannung  der 
Flüssigkeiten  12,  538.  —  Doppel- 
brechung des  Lichtes  in  beweg- 
ten reibenden  Flüssigkeiten  1 3,1 10. 

Kuschel,  J.,  Ueberführungszahlen 
der  Jonen  für  Lithium-  und  Koh- 
lensäureverbindungen 18,  289. 

L. 

v.  Lang,  V.,  Dispersion  des  Ara- 
gonits  14,  571. 

Lecher,  E.,  Absorption  der  Sonnen- 
strahlung durch  die  Kohlensäure 
unserer  Atmosphäre  12,  466. 

Lecher,  E.,  und  J.  Pernter,  Ab- 
sorption dunkler  Wärmestrahlen 
in  Gasen  und  Dämpfen  12,  180. 

L  e  h  m  a  n  n ,  O. ,  Kry  stallanalyse  1 8, 

506. 


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Namenregister.  • 


711 


Lipp  ich,  F.,  Spectra  gasförmiger 
Körper  12,  380. 

Lohst  0.,  Glüherscheinungen  an 
Metallelectroden  innerhalb  einer 
Wasserstoflatmosphäre  von  ver- 
schiedenem Drucke  12,  109. 

Lomrael,  E.,  Polarisationsapparat 
aus  Magnesium  platincyanür  13, 
347.  —  Dispersionsgesetz  18,  353. 
—  Drehung  der  Polarisationsebene 
14,  523. 

Lorberg,  H.,  Electrische  Elemen- 
targesetze 12,  115.  —  Wärmelei- 
tung 14,  291,  426. 

Lorentz,  H.A.,  Virial  in  der  kine- 
tischen Gastheorie  12,  127,  660. 

L'orenz,  L.,  Leitungsvermögeu  der 
Metalle  für  Wärme  und  Elcctri- 
cität  18,  422,  582. 

Lubarseh,  0.,  Fluorescenz  14,  575. 

M. 

Maschke,  H.,  Akustischer  Apparat 
14,  204. 

Mever,  L.,  und  0.  Schumann, 
Transpiration  von  Dämpfen  18,  1. 

Moser,  J.,  Eleetroly tische  Ueber- 
führung  und  Verdampfung  und 
Condensation  14,  62. 

M  ü  1 1  e  r  -  E  r  z  b  a  c  h,  W.,  Contraction 
und  Wärme  bei  Bildung  von  Ha- 
loidsalzen  18,  522. 

Muraoka,  H.,  Galvanisches  Ver- 
halten der  Kohle  18,  307. 

N. 

Neesen,  F.,  Quecksilberluftpumpe 
18,  383. 

Nies,  F.,  und  A.  Winkelmann, 
Volumenänderungen  einiger  Me- 
talle beim  Schmelzen  18,  43. 

0. 

Oberbeck,  A.,  Schallstärke  18, 222. 
Oppenheim,  S.,  14,  705. 

P. 

Paalzow,  A.,  Volumenometer  18, 
332.   14.  176. 

Paalzow,  A.,  und  H.  W.  Vogel, 
Sauerstofispectrum  18,  336. 

Pernter,  J.,  s.  Lecher. 

Planck,M.,Sättigungsge8etzl8,535. 

P u  1  f  r  i c h ,  C,  Ausorption  des  Lich- 
tes in  isotropen  und  anisotropen 
Medien  14,  177. 


R. 

v.  Reis,  M.  A.,  speeifische  Wärme 
flüssiger  organischer  Verbindungen 
18,  447. 

Reitlinger,  E.,  und  A.  v.  Urba- 
nitzky,  Geissler'sche  Röhren  13, 
670. 

Reitlinger  E.,  und  F.  Wächter, 
Electrische  Ringfiguren  und  deren 
Formveränderung  durch  den  Mag- 
net 12,  590.  —  Disgregation  der 
Electroden  und  Licntenberg'sche 
Figuren  14,  591. 

R  i  e  c  k  e ,  E. ,  Bewegung  eines  elec- 
trischen  Theilchens  im  magneti- 
sehen  Felde  und  negatives  Glimm- 
licht 18,  191.  —  Vom  Erdmagne- 
tismus auf  einen  drehbaren  linea- 
ren Stromleiter  ausgeübte  Kraft 
18,  194.  —  Von  einer  Influenz- 
maschine zweiter  Art  gelieferte 
Electricitätsmenge  18,  255.  —  In- 
ducirter  Magnetismus  13,  465. 

Riess,P.,  Influenzmaschine  18,543. 

Ritter,  A.,  Höhe  der  Atmosphäre 
und  Constitution  gasformigerWelt- 
körper  12,  445.  13,  360.  14,610. 

Röntgen,  W.  C.,  Töne  durch  in- 
termittirende  Bestrahlung  eines 
Gases  12,  155. 

S. 

Schellbach,  K.  H.,  Minimum  der 
Ablenkung  im  Prisma  14,  367. 

Schering,  K.,  Horizontale  erdmag- 
netische Kraft  für  Göttingen  i.  J. 
1880  18,  328. 

Schoop,  P.,  Aenderung  der  Dampf- 
dichte einiger  Ester  mit  Druck 
und  Temperatur  12,  550. 

Schröder,  IL,  Volumenconstitution 
flüssiger  Verbindungen  14,  656. 

S  c  h  u  1 1  e  r ,  A.,  Quecksilberluftpumpe 
18,  528.  —  Bildungswärme  des 
Wassers  14,  226. 

Schulze-Berge,  F.,  Electricitäts- 
erregung  beim  Contact  von  Metal- 
len und  Gasen  12,  293.  —  Theorie 
des  Volta'si'hen  Fundamentalver- 
suches 12,  319. 

Schumann,  O.,  Dampfspannung 
homologer  Ester  12,  40.  s.  Meyer. 


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712 


Namenregister. 


Siemens,  W.,  Dynamoeleetrische 
Maschine  14,  460.  —  Theorie  des 
Electromagnetismus  14,  635. 

Slotte,  K.  F.,  Reibung  der  Lö- 
sungen einiger  Chromate  14,  13. 

Sohne ke,  L.,  Newton'sche  Ringe 
13,  139. 

Sohnckc,  L. ,  und  A.  Wangerin 
Newton'sche  Ringe  12,  1.  201. 

Sprung,  A.,  Bahnlinitn  eines  freien 
Theilchens  auf  der  rotirenden  Erd- 
oberfläche 14,  128. 

Stefan,  J.,  Abweichungen  der  Am- 
pere'schen  Theorie  des  Magnetis- 
mus von  der  Theorie  der  electro- 
magnetischen  Kräfte  12,  620. 

Strecker,  K.,  Specifische  Wärme 
des  Chlor-,  des  Brom-  und  des 
Jodgases  13,  20. 

Streiutz,  F.,  Zersetzung  des  Was- 
sers an  Platinelectroden  durch 
Entladung  von  Leydener  Flaschen 
13,  644. 

Strouhai,  V.,  und  C.  Barus,  ther- 
moelectrische  Stellung  des  Eisens 
und  Stahls  bei  Magnctisirung  1 4, 54. 

T. 

v.  Than,  C,  Thermochemische  Un- 
tersuchungen 13,  64.  —  Calori- 
metrische  Messungen  14,  393. 

Tumlirz,  0.,  Beugungserscheinun- 
gen vor  dem  Rande  eines  Schir- 
mes 12,  159. 


U. 

Umow,  N.,  Electroö^ynamische  In- 

duetionsgesetze  13,  185. 
v.Urbanitzky,  A.,  8.  Reitlinger. 


V. 


Vierordt,  K. 

Fraunhofer^1 
Vogel,  A.  W., 


Photometrie  der 
len  Linien  13,  338. 
s.  Paalzow. 
VoTkinann,  P.,  Spec.  Gewicht  des 
destillirten  Quecksilbers  13,  209. 
—  Ausdehnung  des  Wassers  durch 
die  Wärme  14,  260. 

W. 

Wächter,  F.,  s.  Reitlinger. 

Wangerin,  A.,  s.  Sohneke. 

Wrarburg,  E.,  Magnetische  Unter- 
suchungen 18,  141. 

Wiedemanu,  E.,  Beiträge  zur  Ge- 
schichte der  Naturwissenschaften 
bei  den  Arabern.  VI.  14,  368. 

W  i  n  k  e  l  m  a  n  n,  A.,  Wärmeleitungs- 
fähigkeit  der  Gase  14,  534.  s.  auch 
Nies. 

v.  Wroblewski,  S.,  Anwendung 
der  Photometrie  auf  dasStudium  der 
Diffusionserscheinungen  13,  606. 

Wüllnerj  A.,  Erhitzung  des  Eises 
18,  105.  —  Spectra  des  Wasser- 
stoffs und  Acetylens  14,  355.  — 
Spectra  der  Kohlenstoffverbindun- 
gen 14,  363. 


Druck  tou  Mutiger  &  Witt  ig  In  Leipzig. 


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