ANNALEN DER
PHYSIK UND
CHEMIE
Di
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ANNALEN
DER
PHYSIK UND CHEMIE.
NEUE FOLGE.
BAND XIT.
ANNALEN
DER
PHYSIK UND CHE:
F. A. C. GREfl, L. W. GILBERT, l C. POGGENDORFF.
NEUE FOLGE.
BAND XIY.
DER GANZEN FOLGE ZWEIHUNDERT UND FÜNFZIGSTER.
UNTER MITWIRKUNG
DEB PHYSIKALISCHEN GESELLSCHAFT IN BERLIN
BEGRÜNDET UND FORTGEFÜHRT DURCH
UND INSBESONDERE DES HERRN
H. HELMHOLTZ
.U9GEOEBEN VON
G. WIEDEMANN.
NEBST SECH9 FIGURENTAFELN.
, S L
LEIPZIG, 1881.
VERLAG VON JOHANN AMBROSIUS BARTH.
«
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Inhalt
«Neue Folge. Band XIV.
Neuntes Heft.
-■ "~ Seite
I. S. Koch. Ueber die Abhängigkeit der Reibungsconstante
des Quecksilbers von der Temperatur 1
II. K. F. Slo tte. Ueber die innere Reibung der Losungen
einiger Chromate 13
III. C.Christiansen. Einige Versuche über die Wärmeleitung 23
IV. D. Konowalow. Ueber die Dampfspannungen der Flüssig-
keitsgenüsche 34
V. H. Helmhoitz. Ueber eine electrodynamische Wage . . 52
VI. V. Strouhal u. C. Barus. Ueber die Aendenmg der ther-
moelectrischen Stellung de* Eisens und des Stahls durch
Magnetisirung 54
VII. J. Moser. Der Krcisprucess, erzeugt durch den Keactions-
strom der electrolytisehen Ueberführung und durch Verdain-
pfung und Condensation 62
VIII. L. Grunmach. Ueber die electroniagnetische Drehung der
Pnlarisationsehene der strahlenden Wärme in festen und
flüssigen Körpern 85
IX. A. Kerb er. Die Höhe der Erdatmosphäre 117
X. A. Sprung. Ueber die Bahnlinien eines freien Theilchena
auf der rotirenden Erdoberfläche und deren Bedeutung für
die Meteorologie 12b
vi Inhalt.
Sitte
XI. G. Helm. Ueber die Vermittelung der Femewirkungen
dnrch den Aethp.r 141»
XII. A. Paalzow. Bemerkung zu der Abhandlung: Ueber ein
neues Volumenoineter , , . , , s t . , . s__s . . 176
Geschlossen am 15. August 1881.
Zehntaa TTflft
I. C. Pul fr ich. Photometrische Untersuchungen über Ab-
sorption des Lichtes in isotropen und anisotropen Medien . 177
IL D. Konow alow. Ueber die Dampfspannung von gemischten
Flüssigkeiten 219
III. A. Schuller. Ueber die Bildungswärme des Wassere . . . 226
IV. L. Graetz. Ueber die Wärmcleitungsfiihigkcit von Gasen
und ihre Abhängigkeit von der Temperatur 232
V. P. Volkmann. Zu den bisherigen Beobachtungen der Aus-
dehnung des Wassers durch die Wärme 260
VI. R. Claus ius. Ueber die theoretische Bestimmung des Dampf-
druckes und der Volumina des Dampfes und der Flüssigkeit 279
VII. H. Lorberg. Ueber Wärmeleitung in einem System von
Cylindern, und über die experimentelle Bestimmung der Lei-
tungsfahigkeit des Wassers 291
VIII. F. Auerbach. Magnetische Untersuchungen.
Zweite Abhandlung: Ueber die magnetische Nachwirkung 308
IX. Ph. v. Jolly. Die Anwendung der Wage am* Probleme
der Gravitation . , , , , , , , , , , , , , . 33_L
X. A. Wflllner. Ueber die Spectra des Wasserstoffs und des
Acetylens 355
XI. A. Wällner. Einige Bemerkungen zu den Versuchen des
Hrn. Wesendonck über Spectra der Kohlenstoffverbindungen 363
XII. K. H. Schellbach. Das IMinimum der Ablenkung eines
Lichtstrahls im Prisma . . . . . . . , , , , . , s 361
XIII. E. Wiedemann. Beiträge zur Geschichte der Naturwissen-
schaften bei den Arabern. VT. . , . . . , . . , . 368
Geschlossen am 15. September 1881.
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Inhalt. VII
ü
Elftes Heft.
Seite
I. R. Koenig. Bemerkungen über die Klangfarbe .... 369
II. C. v. Than. Ueber die Vergleichuug der Ergebnisse calori-
metrischer Messungen 393
IIL H. Lorberg. Ueber Wärmeleitung in einem System von
Cylindern, und über die experimentelle Bestimmung der Lei-
tungsfähigkeit dca Wassers 426
IV. H. Kayser. Ueber die Verdichtung von Gasen an Oberflächen
in ihrer Abhängigkeit von Druck und Temperatur .... 450
V. W. Siemens. Die dynamoelectrische Maschine .... 469
VI. F. Himstedt. Ueber die Dämpfung schwingender Magnete
durch Eisenplatten 48H
VIL Th. Erhard. Ueber einige eiectrische Eigenschaften des
Indiums , , , , , . . . , . . . , . . , , , , 504
VIH. K. R. Koch u. Fr. Klocke. Ueber die Bewegung der
Gletscher 509
IX. E. Lommel. Theorie der Drehung der Polarisationsebene 523
X. A. Winkel mann. Zu den Versuchen des Hrn. T„. Graft tz:
„Ueber die Wärmeleitungsfähigkeit der Gase und ihre Ab-
hängigkeit von der Temperatur" 534
XI. L. Graetz. Ueber die Wärmeleitungsfähigkeit der Gase.
Erwiderung auf die Bemerkungen des Hrn. Winkel mann 541
XII. H. Hellmann. Ueber eiectrische Entladungen 543
Geschlossen cm 16. October 1881.
Zwölftes Heft.
I. W. Feussner. Ueber die Interferenzerscheinungen dünner
Blättehen mit besonderer Rücksicht auf die Theorie der
Newton'schen Ringe 545
II. V. v. Lang. Ueber die Dispersion des Aragonits nach arbi-
trärer Richtung 571
III. 0. Lubarsch. Bemerkungen zu den Arbeiten des Hrn.
Lamansky über Fluorescenz 575
IV. H. R. Hertz. Obere Grenze für die kinetische Energie der
bewegten Electricität 581
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VIII Inhalt.
l
V.
E. Reitlinger u. Fr. Wächter. Ueber Disgregation der
Seit*
Elektroden durch positive Electricität und Erklärung der
OH 1
VT
A n 1 ff Ol1 1 Tu torfill ilfltltl rrOtl iiV\ßv fliö T-T/\Vwi / 1 n t* A fmAcrtliÖra
a. jui n 1. u iiici oudiiiii^cii uuci nie nunu cicr AimuopiiHrc
DIU
VII.
W. S i &m e n s. Beiträge zur Theorie des Elektromagnetismus
cor.
VIII.
H. Schröder. Untersuchungen über die Volumenconsti-
656
IX. R. Clausiu8. Ueber die theoretische Bestimmung des
Dampfdruckes und der Volumina des Dampfes und der Flüs-
692
X.
S. Oppenheim. Ueber eine Gleichung, welcher die leben-
dige Kraft schwingender Bewegungen genügt
< wo
XI.
Electrische Einheiten nach den ReRr.hlüssen de.« inter-
nationalen Congresses der Electriker zu Paris 1881 . . .
708
Berichtigungen
708
Namenregister
709
Geschlossen am 15. December Ißtl,
Nachweis zn den Figurentafeln.
Taf. I. Koch, Fig. 1 — 3. — Christiansen, Fig. 4. — Moser,
Fig. 5—7. — Orunmach, Fig. 8—9.— Sprung, Fig. 10—11.
Taf. II. Konowalow.
Taf. III. Pulfrich, Fig. 1. — Schuller, Fig. 2—3. — Auerbach,
Fig. 4.
Taf. IV. v. Than, Fig. 1—3. — Kayser, Fig. 4-6. — Koch und
K locke, Fig. 7—9.
Taf. V. Feussner, Fig. 1. — Hertz, Fig. 2—3. — Reitlinger u.
Wächter, Fig. 4—12.
Taf. VT. W. Siemens.
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1881. A N N A L E N Jf° 9.
DER PHYSIK UND CHEMIE.
NEUE FOLGE. BAND XIV.
I. lieber die Abhängigkeit der Meibungsconstante
des Quecksilbers von der Temperatur;
van Syn. Koch.
Ueber die Reibungsconstante des Quecksilbers liegen
seit Poise inllo, welcher die Gültigkeit des nach ihm be-
nannten Gesetzes für diese Flüssigkeit nicht bestätigen
konnte, zwei Arbeiten vor: E. Warburg1): „Ueber den Aus-
fluss des Quecksilbers aus gläsernen Capillarröhren" und
E. Villari2): „Sull efflusso del mercurio per tubi di vetro di
piccolo dianietro." Beide Untersuchungen bestätigen, dass
das Gesetz von Poiseuille auch für den Durchfluss des
Quecksilbers durch Capillaren gilt. Die absolute Grösse des
Reibungscoefficienten aber zeigt nach den beiden Forschern
eine so grosse Differenz, dass es erwünscht erschien, durch
neue Versuche zwischen den beiden Werthen zu entscheiden.
Nach Hrn. War bürg ist der Reibungscoefficient des Queck-
silbers bei 17° in den jetzt gebräuchlichen Einheiten
(Gramm1 Cent.-1 See.-1) u = 0,01602. Villari hat aus
seinen Versuchen die Poiseuille'sehe Constante bestimmt und
findet dieselbe aus einer Versuchsreihe C= 2223). Um eine
andere Versuchsreihe mit dieser ersten in Uebereinstimmung
zu bringen, muss er diese Constante mit 1,086 multipliciren,
findet sie also C = 222 . 1086 = 241. 4) Ueberhaupt zeigen
seine Resultate sehr grosse Abweichungen unter sich; die
Werthe der Constanten C liegen zwischen 208,3 (Tab. XVIII,
1) E. War bürg, Pogg. Ann. 140. p. 367. 1870.
2) E. Villari, Mem. dell' Acc. delle Sc. dell' Inst, di Bologna; (3) 6.
p. 1. 1876.
3) L c. p. 30.
4) 1. c. p. 31.
Ana. d. Phji. u. Chem. N. F. XIV. 1
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2
S. Kock.
4. Versuch) und 257,6 (Tab. X, 1. Versuch), zwei Zahlen, die
um 23,5 °/0 der kleineren differiren. Daraus berechnet sich,
dass die Reibungsconstante im Mittel zwischen 8 und 12° C.
zwischen den Grenzen fi = 0,03445 und fi = 0,02786 läge;
diese Zahlen repräsentiren aber, auf dieselbe Temperatur
bezogen, eine fast doppelt so grosse Reibungsconstante, ob-
gleich die Methode der Versuche im wesentlichen bei beiden
Forschern dieselbe war.
Eine Untersuchung der Reibungsconstanten des Queck-
silbers schien aber noch aus anderen Gründen von Interesse.
Zunächst ist das Quecksilber die einzige einfache Flüs-
sigkeit, welche bis jetzt in dieser Richtung hat untersucht
werden können; sodann wurde die Untersuchung innerhalb
eines sehr grossenTemperaturintervalles durchgeführt,
während die früheren ähnlichen Untersuchungen sich inner-
halb enger Temperaturgrenzen halten; endlich verhält sich
Quecksilber als metallische Flüssigkeit bezüglich der Ab-
hängigkeit des electrischen Leitungsvermögens von der
Temperatur entgegengesetzt als alle anderen untersuchten
Flüssigkeiten, welche electrolytisch leiten. Da nun eine ge-
wisse Wechselbeziehung zwischen dem mechanischen und elec-
troly tischen Reibungswiderstande vorhanden zu sein scheint *),
so ist es wünschenswerth, zu wissen, ob das Quecksilber
vielleicht auch bezüglich seiner Reibungsconstanten im Ver-
gleich mit den Electrolyten ein eigenthümliches Verhalten
zeige.
Der Apparat. Zur Bestimmung der Reibungsconstan-
ten wurde die Methode des Durchfliessens durch Capillaren
verwendet. Der eigentliche Durchflussapparat war ganz
aus Glas gefertigt und hatte die in Fig. 1 Taf. I angedeu-
tete Gestalt. Das Gefäss W war dazu bestimmt, diejenige
Menge von Quecksilber aufzunehmen, für welche die Durch-
flusszeit beobachtet werden sollte; es hatte genau cylindri-
sche Gestalt. Die Verengerungen am oberen und unteren
1) G.Wiedemann, Pogg. Ann. 99, p. 230. 1856. Grotrian, Pogg.
Ann. 157. p. 130. 1876 und 160. p. 238. 1877. F. Kohlrausch, Wied.
Ann. 6. p. 207. 1879.
v
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S. Koch. 3
Ende hatten den Zweck, den Anfang und das Ende der
Durchflusszeit genau erkennen zu lassen ; in der weiten Röhre
nämlich war die Bewegung des Quecksilbers so langsam,
dass der Durchgang der Kuppe durch eine Marke auch mit
Hülfe des Fernrohres nicht mit hinlänglicher Genauigkeit
beobachtet werden konnte. Die Biegungen am unteren Ende
der weiten Röhren verhinderten den Eintritt des erwärmten
Quecksilbers in die verticalen Schenkel, wodurch die stören-
den Folgen dieses Eintrittes möglichst vermieden wurden.
Bei den Temperaturen über 100° befand sich das Stück uv
(46 cm lang) innerhalb des Thermostaten; die Temperatur
von ungefähr 100° wurde durch Wasserdampf erzeugt.
Um Temperaturen von 0° und darunter constant zu
erhalten, wurde der Durchflussapparat so tief in Eis oder
eine Kältemischung gebracht, dass die Capillare sich etwa
5 cm unter der Oberfläche des Bades befand.
Als Thermostat für höhere Temperaturen wurde der
von Hrn. von Babo construirte und in den Berliner
Berichten1) beschriebene Apparat benutzt, welcher sich aus-
gezeichnet bewährte. Derselbe gestattete bei constantem
Gasdrucke die Temperatur beliebig lange constant zu erhal-
ten, sodass auch bei Temperaturen, welche über 300° lagen,
innerhalb von fünf Stunden Schwankungen von kaum 2°
vorkamen, nachdem einmal die constante Temperatur erreicht
war, was auch bei den höchsten Temperaturen (340°) nach
etwa einer Stunde stets stattfand.
Die Temperatur wurde mit Hülfe eines Jolly'scheii
Luftthermometers bestimmt. Das Gefäss desselben hatte
die Gestalt einer Röhre von etwa 1 qcm Querschnitt und
41 cm Länge. Diese lag der ganzen Länge nach neben der
Capillaren und dem vorgewärmten Quecksilber, so aber, dass
die beiden Enden dieser Röhre vom Rande des Thermo
statenmantels etwa 2,5 cm abstanden. Um die Gleichförmig
keit der Yertheilung der Temperatur im Thermostaten zu
controliren, waren noch die beiden Quecksilberthermomete:
k und / eingeführt. Taf. I Fig. 2 zeigt die Zusammensetzung
1) v. Babo, Berl. Ber. 18 p. 1219. 1880.
1*
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4
S. Koch
des Apparates im Querschnitt, Fig. 3 Taf. I von der Seite;
a ist die Röhre des Luftthermometers, b die Capillare und
c der Thermoregulator.
Methode des Versuches. Zuerst wurde der Durch-
flussapparat gereinigt durch successives Hindurchsaugen von
Salpetersäure, destillirtem Wasser, Alkohol, Aether und
trockener, warmer Luft. Das Quecksilber selbst wurde wäh-
rend mehrerer Tage mit Schwefelsäure behandelt, welcher
einige Tropfen Salpetersäure zugesetzt waren; sodann wurde
es mehrere mal in dünnem Strahle in heisses Wasser filtrirt,
zuletzt getrocknet und warm in den Durchflussapparat hin-
einfiltrirt. Für eine Versuchsreihe wurde das Quecksilber
destillirt und auf Verunreinigungen chemisch untersucht; es
zeigte sich keine Spur von Beimischung eines anderen
Metalles. Die Resultate dieser Versuchsreihe ergaben keine
Abweichung.
Durch Neigen und Schütteln wurden Luftbläschen sorg-
fältig entfernt und die Oeffnungen der verticalen Schenkel
nachher beständig durch Watte verschlossen gehalten. Der
so vorbereitete Durchflussapparat wurde nun mit Hülfe des
Kathetometers horizontal gestellt, neben ihm zu beiden Seiten
das Luftthermometer a und der Thermoregulator cc an-
gebracht und dann der Mantel des Thermostaten darüber
gelegt. Etwaige Spalten am Thermostaten wurden mit Asbest
verstopft. Jetzt wurde der Apparat auf die gewünschte
Temperatur erwärmt und sodann mit dem Kathetometer die
dem Beginne und dem Ende des Versuches entsprechenden
Höhen der Quecksilbersäule in den beiden Schenkeln ax , ev
a2, e2 (Fig. 1 Taf. I) gemessen. Dasselbe geschah zur Con-
trole nochmals am Ende jeder Versuchsreihe. Durch kleine
Thermometer t, und t2> welche an die Verticalschenkel an-
gelegt waren, wurde die Temperatur innerhalb dieser Röhren
ermittelt und ebenso die Temperatur des Quecksilbers im
Glefasse W. Durch die Biegungen am unteren Ende der
Verticalröhren war das Herüberströmen des erwärmten Queck-
silbers verhindert; ausserdem waren diese Röhren durch
Holzschirme gegen die Strahlung des Thermostaten geschützt;
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S. Koch. 5
■
es trat daher in denselben eine bedeutende Temperaturer-
höhung überhaupt nicht ein. Um einen Anhaltspunkt über
die Genauigkeit dieser Temperaturbestimmung zu haben,
wurde ein Thermometer in das Quecksilber eingetaucht und
dessen Angabe mit derjenigen des aussen angelegten ver-
glichen; bei dem Versuche Nr. 12, Tab II zeigte das äussere
t2 =23°, das eingetauchte dagegen 25°. Ein Fehler von 5°
in dieser Bestimmung würde aber, wie aus dem Ausdehnungs-
coefficienten des Quecksilbers folgt, noch nicht einen Fehler
von 0,1 °/0 im schliesslichen Resultate veranlassen.
Mit Hülfe der Luftpumpe, welche mit dem oberen Fort-
satze des Gefasses W verbunden war, wurde das Quecksilber
in dieses Gefäss herüber gesaugt; durch Zugiessen und Weg-
nehmen von Quecksilber aus dem anderen Schenkel wurde
der Druckunterschied so variirt, dass derselbe zwischen 20
und 45 cm Quecksilber betrug. Nachdem die Verbindung
mit der Luftpumpe aufgehoben war, begann das Durchfliessen.
Die Zeitpunkte, in welchen das Quecksilber jede der beiden
Verengerungen passirte, wurden beobachtet und dadurch die
Durchflusszeit bestimmt. Bei derselben Temperatur wurden
immer mehrere Versuche angestellt, und aus den beobachteten
Durchflusszeiten, welche unter sich selten um 74% abwichen,
das Mittel genommen. Sowohl das Volumen des Gefasses
W als der Radius der Capillaren war durch Auswägen mit
Quecksilber bestimmt; für die Bestimmung des Radius der
Capillaren wurde eine Bunge'sche Wage benutzt, mit der
bis auf Zehntelmilligramme genau gewogen werden konnte.
Berechnung der Versuche. Der Durchfluss fand
nicht bei constantem Drucke statt; die Druckhöhe änderte
sich in beiden Schenkeln; es ist daher die Gleichung zur
Berechnung der Reibungsconstanten zunächst abzuleiten.
Bezeichnet p die Reibungsconstante, B den Radius der
Capillaren, / die Länge derselben, ä, - ht die Druckdifferenz
an den Enden der Capillaren, gemessen durch die Höhe
einer Quecksilbersäule von 0°; dv das Volumen des in dem
Zeitelement dt durchfliessenden Quecksilbers, p das specifische
Gewicht des Quecksilbers bei 0° und g die Fallbeschleuni-
gung, so ist:
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6
S. Koch.
v ' 8 . . I
Sind </j und q2 die Querschnitte der Röhren an den Stellen,
wo die Flüssigkeitsoberflächen sich zur Zeit t befinden, so
ist dv = — q1dhl=q2dk2. Bezeichnet ferner T die Durch-
flusszeit für das Volumen V und ist:
Äj m und h2 = a2 zur Zeit * = 0
und Aj = Cj und /t2 = e2 zur Zeit t = T,
so folgt aus q2dh2=* — ft'/Aj durch Integration:
Ä m SlS + ga ~ ji
Dadurch geht Gleichung (I) über in:
— 7, an, = 5 -. »
woraus nach Trennung der Variabelu folgt:
(II) log nat , — ^ , = ^fliffJg-f-f .
Für ^ und <p2 lassen sich noch direct gemessene Grössen
einführen. Es ist nämlich: ql {^—ej = V und q2 (e2 — a2) — V.
Wenn man hieraus q1 und y2 bestimmt und in (II) einfuhrt,
so ergibt sich:
n.R*T. j(at -a2) -(<?,-*„)*
(III) « = -
B. V.l. log nat (aJL^°?)
Nun macht aber noch der Umstand, dass das durch-
messende Quecksilber eine andere Temperatur hat, als
dasjenige im Gefässe W, eine Correctur nöthig. In der
Theorie bezeichnet nämlich V das Volumen des durch-
messenden Quecksilbers; dieses ist aber nicht direct zu.
beobachten, sondern es ist aus dem Volumen des Gefässes
W und der Durchflusstemperatur zu berechnen. Bezeichnet
Q das Gewicht des Quecksilbers, das bei 0° von dem Gefasse
W gefasst wird, und a das specifische Gewicht des Queck-
silbers bei der Durchflusstemperatur, so ist für V einzufüh-
ren Ql<r.
Die endgültige Gleichung zur Bestimmung von fi ist
also :
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5. Koch.
7
8.?.J.lognat(^£^)
Die Dimensionen des Apparates wurden, so weit
es die Umstände erlaubten, innerhalb möglichst weiter Gren-
zen variirt. Die benutzten Capillaren, welche einen gleich-
massigen Querschnitt besassen, hatten folgende Radien:
R1 =0,015 185 9 cm, Ä2 = 0,010 831 2 cm; R3 = 0,005 359 63 cm.
Die übrigen Dimensionen anzugeben, wäre zu weitläufig, da
die ganz aus Glas gefertigten Durchflussapparate öfters zer-
sprangen und bei den Reparaturen die Grössenverhältnisse
wechselten. So war z. B. die Länge der Capillaren R2 bei
den ersten Versuchen, welche mit derselben angestellt wur-
den, / = 33,98 cm; nach mehrmaliger Reparatur dieses Appa-
rates hatte dieselbe nur noch eine Länge von 29,9 cm. Ich
beschränke mich daher darauf, die Grenzen anzugeben, zwi-
schen welchen die übrigen Versuchsbedingungen variirten.
Die grösste Länge einer Capillaren betrug 41,8 cm, die
kleinste 20,98 cm; die grösste Druckdifferenz ax — a% = 44,22 cm,
die kleinste ex — e2 = 19,64 cm.
Diese Aenderungen in den Dimensionen genügten, um
die in der Secunde durchfliessende Menge des Quecksilbers
zwischen sehr weiten Grenzen variiren zu lassen. So betrug
dieselbe bei dem Versuche Nr. 3, Tab. III 6,68 mg, dagegen
bei Versuch 7, Tab. I 268 mg, also das Vierzigfache.
Ich lasse nun die vollständige Angabe aller Daten fol-
gen, weiche sich auf die bei 340,1 angestellte Versuchsreihe
beziehen, mit Ausnahme der das Luftthermometer betref-
fenden.
Zimmertemperatur 16°; Radius der Capillaren 0,00535963
cm; Länge derselben /= 20,98 cm; ^=49,22 cm; ^ = 45,75
cm; a2 = 5,0 cm; e% — 9,245 cm; am Schlüsse der Versuchs-
reihe zur Controle a% = 5,02, e2 = 9,26. Mittlere Temperatur
des Quecksilbers im ersten Schenkel: tx = 21 °; im zweiten
Schenkel: ^ = 22°, im Gefässe fV:t=lS°7 Temperatur des
Thermostaten nach dem Luftthermometer: 340,1°, Gewicht
des Quecksilbers im Gefässe W\ 29,441 g bei 13,5°; Durch-
Üusszeit: 41 Min. 45 See. beim ersten und 41 Min. 39 See.
Digitized
8
S. Koch.
beim zweiten Versuch. Daraus ergibt sich al— a% = 44,05;
eY - et « 86,367 cm (auf 0° reducirt). T = 2502 See.
Diese Daten ergeben : jUjao.i = 0,008 975.
Die Resultate der Versuche sind in folgenden Ta-
bellen zusammengestellt. Jedes Ergebniss ist das Mittel aus
einer Verruchsreihe bei derselben Temperatur oder bei Tem-
peraturen, die höchstens um 2° C. ditferirten.
Tabelle I.
Versuche mit der Capillare Rx = 0,015 185 9 cm.
t
pt beob.
f*t her-
Fehler in %
L
-18,1
0,01836
0,01823
+ 0,78
2.
0
1688
1697
-0,53
3.
16,7
1575
1592
-1,07
4.
99
1227
1223
+0,27
5.
124
1171
1152
+ 1,64
6.
237,8
282
986
972
+ 1,43
7.
9499
9411
+ 0,92
Dass in höheren Temperaturen bei dieser Capillare die
beobachteten Reibungsconstanten stets beträchtlich zu gross
gefunden wurden, mag daher rühren, dass die Capillare im
Vergleich zum Thermostaten sehr lang war, (nämlich 41,8 cm
zu 46 cm) sodass die Menge des vorgewärmten Quecksilbers
kaum hinreichte.
Tabelle II.
Versuche mit der Capillare JB2= 0,010 831 2 cm.
t
pt beob.
(jt ber. .
Fehler In %
L
-21,4
0,01868
0,01847
+ 1,13
2.
0
1698
1697
+ 0,06
3.
9,2
1631
1640
-0,56
4.
10,1
1620
1631
-0,7
5.
12,5
1599
1618
-1,18
6.
18,3
1561
1582
-1,21
7.
98,8
1228
1224
+ 0,33
8.
99,1
1225
1222
+ 0,22
9.
154
1092
1090
+0,24
10.
176,2
1047
1045
+ 0,14
11.
272
9492
9477
+0,16
12.
314,7
9183
9172
+0,19
Digitized by Google
S Koch. 9
Tabelle HL
Versuche mit der Capillare i?3 = 0,005 359 63 cm.
t°
ftt beob.
1
fit ber.
—
Fehler in %
1.
11,5
0,01619
0,01625
-0,37
2.
12,8
1605
1615
-0,66
3.
13,6
1592
1610
—1,23
+0,09
4.
196,7
1018
1017
5.
249
9642
9652
-0,11
6.
262,5
9615
9543
+0,71
7.
263
9636
9540
+ 1,00
8.
316
9177
9160
+ 0,19
9.
340,1
8975
9054
-0,88
Die Resultate der Beobachtung werden durch folgende
Gleichung dargestellt:
Ht= 0,016 969 - 0,000066 052 5/
+ 0,000 000 208 47 f - 0,000 000 000 245 5 1 .
Die aus dieser Gleichung berechneten Werthe von tt
sind mit den aus den Versuchsdaten berechneten in den Ta-
bellen zusammengestellt und verglichen. Bei der grossen
Zahl der zu beobachtenden Daten erscheinen die Abwei-
chungen, welche sich nie auf 2°/0 belaufen, nicht über Er-
warten gross.
Eine Vergleichung der gefundenen Grösse mit den
früheren Bestimmungen der Reibungsconstanten ergibt fol-
gendes Resultat:
E. Warburg: /jl17 = 0,01602. Obige Gleichung pl7« 0,01591
Villari: «10 = 0,02977. „ „ p10= 0,01633
Die Uebereinstimmung der beiden ersten Werthe ist
sehr befriedigend, die Differenz beträgt nur 0,7 °/0- Dagegen
lässt sich der aus Villari' s Versuchen berechnete Reibungs-
cogfficient mit den beiden anderen durchaus nicht in Ein-
klang bringen; er ist fast doppelt so gross als diese, obgleich
ich diejenige Versuchsreihe Villari's zu Grunde gelegt habe,
welche die kleinere Reibungsconstante ergibt, nämlich die-
jenige, aus welcher p. 31 die Poiseuille'sche Constante zu
222.1,086 bestimmt ist. Die Ursache der Abweichung so-
wohl in der absoluten Grösse des von ihm bestimmten
Werthes von p als auch der einzelnen Versuchsreihen unter
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10 & Koch.
sich, welche sich auf über 23% belauft, ist von Villari
selbst theilweise angedeutet. Zunächst standen ihm nicht
Capillaren von constantem Querschnitt zu Gebote; die von
ihm benutzten waren „wenig calibrisch".1) Dieser Umstand
ist aber von der grössten Bedeutung, da die Gleichung zur
Berechnung der Reibungsconstanten die vierte Potenz des
Radius enthält. Sodann erscheint auch die Methode, den
Apparat zu reinigen, ungenügend. Der gläserne Theil des-
selben wurde nämlich so lange mit Quecksilber ausgespült,
bis dasselbe mit reiner, glänzender Oberfläche ausfloss2);
dieses Kriterium gibt aber durchaus keine Bürgschaft für
die Reinheit des Quecksilbers und des damit gespülten Appa-
rates.3) Ferner kann der Umstand von nachtheiligen Folgen
gewesen sein, dass die Capillare eingekittet war4), da das
Einkitten zu sehr erheblichen Verunreinigungen des Appa-
rates und des Quecksilbers Veranlassung geben kann.
Daher ist es Villari auch nicht gelungen, das Gesetz
von Poiseuille durch Aenderung der Versuchsbedingungen
„en bloc" 5) zu beweisen, d. h. für die Constante C auch wirk-
lich einen constanten Werth zu erhalten, was doch der ein-
zige vollgültige Beweis für die Richtigkeit des Gesetzes
gewesen wäre; er beweist daher die einzelnen Theile des
Gesetzes („das Gesetz der Längen, des Druckes, der Radien")
durch selbständige Versuchsreihen, deren Mittelwerthe immer
noch 8°/0 voneinander abweichen.6)
Vergleichung mit anderen Substanzen. Für eine
grosse Anzahl von Flüssigkeiten ist die Reibungsconstante
mit Bezug auf ihre Abhängigkeit von der Temperatur unter-
sucht, meistens allerdings nur innerhalb ziemlich enger Grenzen.
Wenn man nun mit diesen Resultaten das Verhalten des
Quecksilbers vergleicht, so ist dasselbe qualitativ nicht ver-
schieden: die Reibungsconstante nimmt mit der Temperatur
1) L c p. 7.
2) ibid.
3) Quincke, Pogg. Ann. 139. p. 66. 1870.
4) 1. c. p. 7.
5) 1. c. p. 9.
6) 1. c. p. 31.
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& Koch.
11
ab, und zwar bei niederen Temperaturen rascher als bei
höheren; allein die Grösse dieser Aenderung ist beim Queck-
silber relativ sehr klein. Die Zusammenstellung der für
einige Stoffe gefundenen Resultate möge dieses zeigen.
In der folgenden Tabelle steht unter A der Name der
Substanz, unter B der Name des Beobachters, unter C das
Temperaturintervall, innerhalb dessen für den betreffenden
Stoff die Beobachtung ausgeführt wurde; unter D die beob-
achtete Abnahme von /x in diesem Temperaturintervall, und
zwar in Procenten des kleineren Werthes, und unter E die
entsprechende Aenderung von u bei Quecksilber innerhalb
desselben Intervalles. In dieser Tabelle sind ausser Wasser
und Glycerin nur diejenigen Stoffe aufgenommen, deren Rei-
bungsconstante durch die Temperatur am wenigsten beein-
tlusst wird.
Tabelle IV.
B
E
■
Schöttuer
2,8-25,6
880%
110
1 1 i'O
Wasser . . ... . .
Sprung
0 —50
220
21
Ameisensäureäthyläther
Reilstab
13,1 -47,5
46
13,6
Methylalkohol . . .
11,5—42,5
43
12,5
Essigsäuremethyläther .
13,7—40,1
&
11
Aceton
»»
11,1—43
14
12,8
Aethyläther ....
10,1—28
2,2
8,3
Aldehyd
n
10 —20
0
5,2
Aus dieser Zusammenstellung ist ersichtlich, dass fast
alle Substanzen eine grössere Aenderung der Reibungscon-
stanten aufweisen, als das Quecksilber; Aceton hat eine
ungefähr ebenso grosse, Aethyläther und Aldehyd eine klei-
nere. Dieser letztere Umstand ist auffallend; es ist aber
nicht schwer, die Ursache desselben zu erkennen. Alle
diejenigen Stoffe nämlich, welche eine geringe Aenderung
von fjL zeigen, sind nur in einem kleinen Temperaturintervall
untersucht, welches ganz in der Nähe des Siedepunktes der
betreffenden Substanz liegt. (Der Siedepunkt des Acetons ist
56°, des Aethyläthers 34,45°, des Aldehyds 22°). Nun hat
aber bei allen Stoffen in der Nähe des Siedepunktes die
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12 S. Koch.
Temperatur den geringsten Einfluss auf die Reibungscon-
stante, wie ein Blick auf die betreffenden Curven lehrt. Ver-
gleicht man das Verhalten des Aethers und des Aldehyds
mit demjenigen des Quecksilbers bei einer solchen Tempe-
ratur, die man als analog ansehen kann, so zeigt sich wieder,
da8s das Quecksilber wenigstens keine grössere Aenderung
der Reibungsconstanten erfährt, als diese Stoffe. In dem
Intervall von 316 bis 340° z. B. erniedrigt sich u für jeden
Grad nur noch um 0,09 °/0 (Aether zwischen 10 und 28° um
0,12°/0), und der Verlauf der Curve für Quecksilber lässt ver-
muthen, dass in dem Intervall von 350 bis 360° eine Aende-
rung der Reibungsconstanten sich ebenso wenig nachweisen
Hesse, wie für Aldehyd zwischen 10 und 20°.
Es war auch von Interesse, zu sehen, ob das Queck-
silber in der Nähe des Gefrierpunktes und des Siedepunktes
Unregelmässigkeiten in der Aenderung der Reibungsconstan-
ten zeige. Innerhalb derjenigen Temperaturen, zwischen
welchen ich beobachtet habe (—21,4 und 340,1°) habe ich
eine Unstetigkeit in der Curve, welche die Abhängigkeit der
Reibungsconstanten darstellt, nicht bemerken können. Leider
vermochte ich nicht dem Gefrierpunkte und dem Siedepunkte
so nahe zu kommen, als es erwünscht gewesen wäre. Bei
den niedrigen Temperaturen scheiterte der Versuch daran,
dass es mir nicht gelang, hinlänglich lange Zeit eine con-
stante Temperatur zu erhalten, welche dem Gefrierpunkte
des Quecksilbers näher gelegen wäre als die durch Schnee
und Salz erzeugte. ' Bei den hohen Temperaturen hatte
meine Versuchsanordnung einen anderen störenden Umstand
zur Folge. Der Thermostat hätte zwar leicht gestattet,
höhere Temperaturen zu erzeugen und constant zu erhalten.
Da aber das Quecksilber nach jedem einzelnen Versuche mit
Hülfe der Luftpumpe wieder zurückgesaugt wurde, so kam
es dabei unter niedrigeren Druck und gerieth in ein hefti-
ges, für den zerbrechlichen Durchflussapparat öfters verhäng-
nissvolles Sieden.
Physikal. Inst. d. üniv. Freiburg i/Br., Juli 1881.
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K F. Slotte.
13
IL Veber die innere Reibung der Lösungen einiger
Chromate; van K. F. Slotte.
Untersuchungen über die innere Reibung oder die Zähig-
keit von Salzlösungen sind in neuester Zeit von Hrn. Sprung1)
und — mit Rücksicht auf die Beziehungen zwischen der
inneren Reibung und dem galvanischen Leitungs vermögen —
von Hrn. Gr o tri an2) ausgeführt. Durch die unten beschrie-
benen Versuche, die sich hauptsächlich an die Untersuchungen
des Hrn. Sprung anschliessen, habe ich einen kleinen Bei-
trag zur Kenntniss desselben Gegenstandes zu liefern ge-
sucht.
Die Zähigkeiten wurden mittelst der Ausflussmethode
bestimmt, and zwar durch Beobachten der Ausflusszeiten
eines bestimmten Volumens der zu untersuchenden Flüssig-
keiten bei constantem Druck. Der von mir benutzte Apparat
hatte dieselbe Einrichtung wie der von Hrn. Sprung ange-
wandte. In Bezug auf die allgemeine Anordnung desselben
verweise ich auf die Abhandlungen des Hrn. G. Wie de mann3)
und Hrn. Sprung.4) Ich will nur noch über einzelne Theile
des Apparates Folgendes mittheilen.
Zur Bestimmung der Temperatur des Wassers im Glas-
kasten, in dem sich das Ausflussrohr befand, diente ein in
Zehntelgrade getheiltes, justirtes Thermometer. Die Kugel
des Thermometers befand sich dicht über dem mittleren
Theile des Capillarrohres. Die Spritzflasche, in welcher — wie
bei Hrn. Sprung — die durchgegangene Untersuchungs-
flüssigkeit aufgefangen wurde, war ebenfalls mit einem Ther-
mometer versehen, sodass die Flüssigkeit bei einem neuen
Versuche vor dem Füllen des Ausflussrohres auf die erfor-
derliche Temperatur erwärmt werden konnte.
Die Erwärmung des das Ausflussrohr umgebenden Wassers
1) Sprung, Pogg. Ann. 149. p. 1. 1876.
2) Grotriau, Pogg. Ann. 157. p. 130, 237. 1876; 160. p. 238. 1877.
Wied. Ann. 8. p. 529. 1879.
3) G. Wiedein an n, Pogg. Ann. 99. p. 221. 1856.
4) Sprung, Pogg. Ann. 159. p. 4. 1876.
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14 KR Statte.
im Kasten wurde durch eine Art von Wasserheizung bewerk-
stelligt. In der Nähe des Kastens war nämlich ein mit Was-
ser gefüllter, durch einen Deckel wasserdicht verschlossener
Kessel aufgestellt, der mit dem Kasten in doppelter Verbin-
dung stand. Der obere Theil des Kessels communicirte mit
dem Kasten durch einen Kautschukschlauch, der in eine
nahe dem Boden des Kastens befindliche, mit Hahn ver-
sehene Oeffnung ausmündete, während eine zweite Röhren-
leitung den Deckel des Kessels durchsetzte und nahe am
Boden desselben mündete. Das im Kessel erwärmte Wasser
strömte bei geöffnetem Hahn aus dem oberen Theile des
Kessels in den Kasten hinein, während aus dem Kasten
wieder kälteres Wasser in den Kessel zurückfloss.
Zur Bestimmung der Ausflusszeiten benutzte ich eine
mit Arretirung versehene Secundenuhr.
Die Versuche wurden folgendermassen ausgeführt. Nach-
dem das Wasser im Glaskasten und die zu untersuchende,
vorher filtrirte Flüssigkeit in der Spritzflasche auf die er-
forderliche Temperatur gebracht waren, wurde das Ausfluss-
rohr nebst der Hohlkugel mit der Flüssigkeit gefüllt, die
Spritzflasche wieder an die Mündung des Ausflussrohres ge-
bracht und das Rohr mit dem Apparate, durch welchen der
constante Druck erzeugt wurde, in Verbindung gesetzt. Die
Zeitpunkte, in welchen die Oberfläche der Flüssigkeit im
Ausflussrohre die beiden darauf angebrachten, zu einer ge-
nauen Bestimmung des ausgeflossenen Volumens dienenden
Marken passirte, suchte ich immer auf Zehntelsecunden zu
schätzen. Grössere Ungleichförmigkeiten in der Erwärmung
des Wassers im Kasten wurden durch oft wiederholtes Um-
rühren vermieden und die Temperaturschwankungen des
Wassers während der Dauer eines Versuches sorgfältig inner-
halb der Grenzen von höchstens 0,1° unter bis 0,1° über
dem bestimmten Temperaturpunkt gehalten, bei welchem die
Ausflusszeit zu beobachten war. Mit gleicher Sorgfalt habe
•ich auch Druckänderungen zu vermeiden gesucht.
Zuerst bestimmte ich die Ausflusszeiten von destillirtem
Wasser bei vier Temperaturen. Darauf folgte die Unter-
suchung der Salzlösungen, von denen auch jede bei vier Tem-
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K. F. Slotte.
15
peraturen durchgeleitet wurde, und zwar im allgemeinen
dreimal bei jeder Temperatur.
Sobald die Bestimmung der Ausflusszeiten von den ver-
schiedenen Concentrationen einer Salzlösung abgeschlossen
war und ein neues Salz zur Untersuchung gelangen sollte,
wurde jedesmal destillirtes Wasser bei einer von den vier
Temperaturen durchgeleitet und die Ausflusszeit desselben
beobachtet. Diese Ausflusszeiten stimmten immer mit den
zuerst gefundenen Zahlen für Wasser genau überein und
zeigten somit, dass der Apparat keine Veränderungen erlit-
ten hatte.
Die specifischen Gewichte der Lösungen sind alle mit dem
Pyknometer bestimmt und beziehen sich auf Wasser von 4°C.
Die Procentgehalte (Gewi chtsth eile Salz auf 100 Ge-
wichtstheile Lösung) habe ich durch Analysen ermittelt, und
zwar folgendermassen. Eine mit Salzsäure und Alkohol ver-
setzte, gewogene Menge der Lösung wurde über dem Wasser-
bade erwärmt, bis der Aldehydgeruch verschwunden war,
und nach Zusatz von Ammoniak wieder digerirt, bis die Flüs-
sigkeit über dem Niederschlage ganz farblos war. Darnach
wurde der ausgewaschene Niederschlag im Luft bade getrock-
net, geglüht und als Chromoxyd gewogen.
Jede Lösung wurde zweimal analysirt, mit Ausnahme der
Lösungen von saurem Ammoniumchromat, bei welchen die
Concentration nur einen unbedeutenden Einfluss auf die
Zähigkeit ausübt. Für die zweite Concentration des sauren
chromsauren Kaliums habe ich jedoch nur einen von den aus
den Analysen erhaltenen Procentgehalt benutzt, nämlich den-
jenigen, der mit einem nach dem specifischen Gewichte aus
einer Tabelle1) berechneten Procentgehalten am nächsten über-
einstimmt. Ebenso habe ich für die erste Concentration des
chromsauren Magnesiums nur diejenige von den gefundenen
Procentzahlen angewandt, welche am nächsten mit dem Ver-
lauf der Curve übereinstimmt, die sich mit den specifischen
Gewichten als Abscissen und den Mitteln aus den durch die
Analysen gefundenen Procentgehalten der beiden anderen
1) F. Kohlrausch, Leitfaden der prakt. Physik, p. 224. 1877.
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16
K. F. Slotte.
Concentratiorien als Ordinaten construiren lässt. In der fol-
genden Tabelle stelle ich die Resultate meiner Analysen
zusammen.
Conc.
K,Cr907
O
H
o
\i
NasO04
(NHJäCr207
(NH4)aCr04
MgCr04
1. | 2.
1.
2.
3.
1.
2.
3.
1. 2. 3.
1.
2. 3.
Gef. |
Proc. 1
Mittel
|
4,69 6,97
4,74 -
4,71,6,97
24,27
24,25
24,26
5,83
5,69
5,76
10,55
10,69
UM»
14,68
14,93
14,81
6,85
6,85
13,00
13,00
19,93
19,93
10,57 19,78 27,95
10,4619,71,28,12
10,5219,75 28,04
12,31
12,31
21,94
21,77
21,86
27,64
27,78
27,71
Das zu den Versuchen benutzte saure Kaliumchromat
wurde vorher umkrystallisirt, ebenso das neutrale Kalium-
chromat. Dennoch war die von mir benutzte Lösung dieses
Salzes wahrscheinlich mit einer kleineren Menge fremder
Substanzen verunreinigt. Denn während nach einer Tabelle
von Kremers1) dem gefundenen specifischen Gewichte der
Lösung der Procentgehalt 25,72 entsprechen sollte, betrug
der Gehalt an K2Cr04 in der Lösung nach zwei von mir
ausgeführten, gut übereinstimmenden Analysen nur 24,26 Proc.
Auch sind die von mir gefundenen Zähigkeiten dieser Lö-
sung etwas grösser als die Zähigkeiten, die sich durch
graphische Interpolation aus den Beobachtungen des Hrn.
Sprung für eine KjCr04 - Lösung dieser Concentration er-
geben.
Das saure Ammoniumchromat war in dem chemischen
Laboratorium des Hrn. G. Wiedemann hergestellt und
wurde ohne Umkrystallisirung zu den Versuchen benutzt;
ebenso die übrigen Salze, die aus der chemischen Fabrik des
Hrn. Dr. Schuchardt in Görlitz bezogen waren.
Nach der Theorie des Hrn. Hagenbach2) ist die *
Zähigkeit:
1) Kremers, Pogg. Ann. 96. p. 63. 1855.
2) Hagenbach, Pogg. Ann. 109. p. 358. 1860.
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K F. Slotte..
17
wo P das Gewicht der Volumeneinheit Wasser, // die Höhe
der drückenden Wassersäule, t die Ausflusszeit des Volumens
W, r den Radius, / die Länge des Capillarrohres, s das spe-
cifische Gewicht der Flüssigkeit und y die Beschleunigung
der Schwerkraft bedeutet.
Durch eine einfache Transformation erhält man aus (1):
71
8 Wl
PHr*
t -
W- . *
»'»fir.«**« '
Wird der Ausdruck auf der linken Seite mit /' bezeich-
net und:
A
W2
2 >glln*r*
gesetzt, so ist:
t'=t-
A.*
Bei dem von mir benutzten Apparate war W— 27,067 ccm,
/ = 31,7 cm, r = 0,029 cm, //= 162,7 cm. Wird g = 980,9 cm
gesetzt, so erhält man A = 520,17. Zur Berechnung der
den Zähigkeiten proportionalen Zahlen t' hat man also:
. 520,17.*
t = t 1
In den folgenden Tabellen, in denen die Resultate mei-
ner Versuche zusammengestellt sind, bedeutet T die Tem-
peratur in Celsiusgraden, t die Mittel der beobachteten Aus-
flusszeiten in Secunden, t' die nach (2) berechneten Zahlen;
z ist die Zähigkeit, wenn die des Wassers bei 10° gleich 100
gesetzt wird (also gleich 100^ dividirt durch 260,5); p ist
das Mittel der aus den Analysen einer Lösung erhaltenen
Procentgehalte, und s ist das specifische Gewicht.
W a 8 8 e r.
T
Beobachtete Ausflusszeiten
/
?
z
10°
262 263
262 263
262,5
260,5
100
20
203 202
202,5 202,5
202,5
199,9
76,7
30
163 163,5
163,5 163
163,3
160,1
61,5
40
135 135
134,5 134,5 ,
134,8
130,9
50,2
Ann. d. Phjs. u. Cbem. N. F. XIV.
2
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18
K. F. Slotte.
Saures chromsaures Kalium. e^^K^li
p
*
s
4,71
1,0325 bei 11°
6.97
1,0493 bei 10,6°
24,26
1,2335 bei 18°
T
t r
j
z
* | f
z
t i t' z
10°
20
30
40
259,7
201,3
163,9
136,9
257,6
198,6
160,6
138
98,9
76,2
61,7
51,1
259 256,9
203,1 200,4
164,9 > 161,6
138 134
98,6
76,9
62
51,4
349,1 347,3 133,3
279.7 277,4 106,5
231,9 229,1 87,9
196.8 193,5 74,3
Neutrales chromsaures Natrium.
p
ß
5,76
1,0576 bei 17,4°
10,62
1,1125 bei 17,1°
14,81
1,1644 bei 20,7°
T
t
t'
z
1
t t
z
t
r
z
10°
20
30
40
306,5
238,8
192,6
159,2
304,7
236,5
189,7
155,7
117
90,8
72,8
59,8
368,6 367
284,2 282,2
228,2 225,7
188,9 185,8
140,9
108,3
86,6
71,3
454,5
346,9
277
226,5
453,2
345,2
274,8
223,8
174
132,5
105,5
85,9
Saures chromsaures Ammonium.
V
s
6,85
1,0393 bei 12°
13,00
1,0782 bei 10,5°
19,93
1,1258 bei 12°
T
t
— - - - ,
£
z
t
«'
z
t
t'
z
10°
20
30
40
259,8
202,7
166
139,2
257,7
200
162,7
135,3
98,9
76,8
62,5
51,9
260,3
206
169,7
142,8
258,1
203,3
166,4
138,9
99,1
78
63,9
53,3
264,3
211,6
176,2
149,3
262,1
208,8
172,9
145,4
100,6
80,2
66,4
55,8
Neutrales chromsaures Ammonium.
p
s
10,52
1,0633 bei 13°
19,75
1,1197 bei 13,7°
28,04
1,1727 bei 19,6°
T
t
£
z
t
t'
z
t
t'
z
10°
20
30
40
284
224,5
154,1
282,1
222
150,5
108,3
85,2
57,8
315,1
251
208,2
175,6
313,3
248,7
205,4
172,3
120,3
95,5
78,8
66,1
361
288,8
240
203,2
359,3
286,7
237,5
200,2
137,9
110,1
91,2
76,9
Digitized by Google
K. F. Slotte. 19
Chromsaures Magnesium.
p
9
12,31
1,0886 bei 13,6°
21,86
1,1641 bei 14,5°
27,71
1,217 bei 13,6°
T
t
f
z
t
t'
z
t
f
z
10°
20
30
40
396,9 1 395,5
302,4 1 300,5
241,9 239,6
198,2 195,3
151,8
115,4
92
75
594,3
446,5
352,7
285
593,3
445,1
351
282,9
227,8
170,9
134,7
108,6
828,4
614,8
477,5
380,8
827,6
613,8
476,2
379,1
317,7
235,6
182,8
145,5
Aus den Untersuchungen des Hrn. Sprung1) ergibt sich
u. ti., dass die „gleichconcentrirten Lösungen der Salze, welche
die Basen: Kali, Natron und Ammon mit den Säuren:
H2S04, HCl, HNOs, HC108, HBr, HJ bilden, hinsichtlich
ihrer Zähigkeit der Ordnung der vorstehenden Säuren folgen,
so zwar, dass den Sulfaten die grösste, den Jodiden die ge-
ringste Zähigkeit zukommt." (Als „gleichconcentrirte" be-
zeichnet Hr.Sprung solche Lösungen, welche gleiche Grewichts-
mengen Salz in gleichen Gewichtstheilen der Lösung ent-
halten.) Dass auch die (neutralen) Salze, welche die oben
genannten Basen mit der Chromsäure bilden, sich in diese
Reihe einordnen lassen, ist aus der folgenden Tabelle er-
sichtlich. Die Zahlen in dieser Tabelle sind die Zähigkeiten
von Lösungen der Salze, deren Namen über den verticalen
Reihen stehen, wenn die Zähigkeit des Wassers bei 10°
gleich 100° gesetzt wird. Die Zähigkeiten der Lösungen von
NagCrC^ und (NH4)2Cr04 sind aus den vorstehenden Ta-
bellen genommen, die übrigen durch graphische Interpolation
und Reduction auf Wasser von 10° aus Hrn. Sprung's
Beobachtungen erhalten.
Procentgehalt
Temp.
K2S04
KjCrO,
KCl
9,77
f 10°
\ 30°
110,9
71,1
106,3
68
96,2
62,7
Na.2S04
Na^CK^
NaCl
5,76
10°
117,3
117
108,4
75,8
10,62
30°
88,4
86,6
(NHJ,S04
(NH4)aCr04
NH4C1
19,75
/ 10°
137,7
120,3
78,8
91,6
1 30°
88,8
63,8
1) Sprung, Pogg. Ann. 159. p. 27. 1876.
2*
20
K. F. Slotte.
Aus dieser Zusammenstellung gebt hervor, dass die
Chromsäure zwischen der Schwefelsäure und der
Salzsäure in der oben genannten Reihe Platz findet.
Die beiden zweibasischen Säuren stehen also in der Reihe
vor den einbasischen.
Aus den Beobachtungen des Hrn. Sprung1) folgt weiter,
dass von den gleichconcentrirten Lösungen der Salze, welche
die oben genannten einbasischen Säuren mit den Basen
NaOH, KOH, NH4OH bilden, die Lösungen der Natriumsalze
die grösste, die der Ammoniumsalze die geringste Zähigkeit be-
sitzen. Die Lösungen der Salze, welche die genannten Basen
mit der Schwefelsäure bilden, folgen in dieser Hinsicht einer
anderen Ordnung. Zwar besitzen auch unter ihnen die Lö-
sungen des Natriumsalzes grössere Zähigkeit als gleichcon-
centrirte Lösungen des Kalium- oder Ammoniumsalzes; aber
die Zähigkeit einer Lösung von K2S04 ist kleiner als die
einer (NH4)2S04 -Lösung derselben Concentration. — Auch
unter den Lösungen der entsprechenden Chromate kommt
denen des Natriumsalzes — wie aus den obigen Tabellen
leicht zu ersehen ist — die grösste Zähigkeit zu. Um zu
entscheiden, welcher Ordnung die beiden anderen Chromate
in dieser Hinsicht untereinander folgen, habe ich in der
untenstehenden Tabelle meine Beobachtungen für (NH4)2Cr04
mit denen von Hrn. Sprung für K2Cr04 in ähnlicher Weise
wie oben verglichen.
Die Zähigkeit einer Lösung von (NH4)2Cr04 wäre somit
— wenigstens bei niedrigeren Temperaturen — grösser als
die einer K2Cr04- Lösung derselben Concentration, und die
Salze, welche die oben genannten drei Basen mit der Chrom-
säure bilden, würden demnach hinsichtlich der Zähigkeit
derselben Ordnung folgen wie die entsprechenden Sulfate.
(NH4)4Cr04 K,CiO<
120,3 116,8
78,8 77,9
06.1 6ö,7
137,9 133,1
91.2 90,5
28,04
1) L c.
Digitized by Google
K. F Slotte.
21
Benutze ich meine eigenen Beobachtungen für KjCr04, so
wird jedoch das Resultat ein anderes. Denn die Zähigkeit
der von mir untersuchten K2Cr04- Lösung — die doch, wie
schon oben erwähnt ist, wahrscheinlich eine den Ausfluss
verzögernde Menge fremder Substanzen enthielt — ist um
ein geringes grösser als die einer gleichconcentrirten Lösung
von (NH4)2Cr04.
In Bezug auf die von mir untersuchten sauren Chro-
mate will ich nur hervorheben, dass die Zähigkeiten von Lö-
sungen dieser Salze sehr wenig von der des Wassers abzu-
weichen scheinen, selbst wenn die Procentgehalte der Lö-
sungen beträchtlich sind, wie es z. B. bei der stärksten
Concentration von (NH4)2Cr207 der Fall ist
Da der Einfluss der Temperatur bei allen Untersuchungen
über Flüssigkeitsreibung von grosser Bedeutung ist, erlaube
ich mir zuletzt eine empirische Formel mitzutheilen , durch
welche die Beziehung zwischen der Zähigkeit und der Tem-
peratur bei Wasser und vielleicht auch bei einigen anderen
Flüssigkeiten dargestellt werden kann. Wenn nämlich mit
t die Temperatur, mit z die Zähigkeit, mit a, b und c drei
Constanten bezeichnet werden, so scheint eine Gleichung
folgender Form : (t + a){* + b)-e
wenigstens für Wasser angenähert zu gelten. Es wäre somit:
c *
z — — o .
t -f a
Mit Benutzung der Beobachtungen von Hrn. Sprung,
die ein weites Temperaturgebiet umfassen, finde ich, wenn
die Zähigkeiten durch die corrigirten Ausflusszeiten t' aus-
gedrückt werden, für Wasser:
21591 ßß
7+ 80,t
und für eine 23,37-procentige Lösung von Chlorammonium:
29300 ßQ „
' = JTW -63'3*
Die ursprünglich aus drei Beobachtungen bestimmten
Constanten sind nachher mit Hülfe der übrigen Beobach-
tungen corrigirt.
Digitized by Google
22
K F. Slotk.
Die Ueberein6timmung der beobachteten und der aus
diesen Formeln berechneten Zahlen kann aus der folgenden
Zusammenstellung beurtheilt werden.
Temp.
Wasser
Chlorammonium
Beobachtet
Berechnet
Beobachtet
Berechnet
0°
649,2
651,3
539,4
539,6
5
551,3
549,1
472,4
487,9
483,3
10
475
437,9
436,7
15
414,5
412,7
397,4
397,4
20
365
365
365,2
363,8
25
327,6
325,9
336,9
334,8
30
293,05
264,6
293,3
309,4
309,5
35
265,7
40
240,75
242
266,2
267,4
45
220,5
221,5
50
202,8
173,7
203,6
234,1
233,9
60
173,6
206,5
206,5
Bei einigen anderen Salzlösungen und einigen von Hrn.
Reil stab1) untersuchten Alkoholen habe ich die Zähigkeiten
durch eine Gleichung obiger Form zwar angenähert, aber
weniger genau ausgedrückt gefunden. Für andere Flüssig-
keiten als die genannten habe ich die Formel noch nicht
geprüft.
Zur Berechnung der Zähigkeit aus der Temperatur
dürfte eine Gleichung dieser Form vielleicht bequemer sein
als die bekannte quadratische Formel von Poiseuille.
Sei es mir schliesslich gestattet, den Herren Prof.
G. Wiedemann und Prof. E. Wiedemann für die gütige
Unterstützung und Anregung, die sie mir sowohl bei dieser
als auch bei anderen Arbeiten haben zu Theil werden lassen,
meinen aufrichtigen Dank auszusprechen.
Phys.-chem. Laborat. d. Univ. Leipzig.
1) Rellstab, Ueber Transpirat, homol. Flüssigk. Bonn 1868.
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O. Christiansen.
23
III. Einige Versuche über die Wärmeleitung;
von C. Christiansen.
I Theorie.
In den letzteren Jahren haben viele Physiker das Wärme-
leitungsvermögen zu bestimmen gesucht, und es liegt jetzt
eine ganze Keihe Arbeiten darüber vor. Ohne mich auf
eine Kritik derselben einzulassen, will ich nur bemerken,
dass nicht nur die angewandten Methoden, sondern auch die
gewonnenen Resultate sehr voneinander abweichen. Nur in
sehr wenigen Fällen kennt man das absolute Leitungsver-
mögen der Körper, und selbst über das relative kann man
in vielen Fällen Zweifel hegen. Dies beruht in der Haupt-
sache darauf, dass man durch die Versuche eine Grösse be-
stimmt, die ausser dem Leitungsvermögen zugleich das spe-
cifische Gewicht und die specifische Wärme enthält.
Als ich von dem „Carlsb erger fond" eine Unterstützung
zur Untersuchung der Brechung des Lichtes in stark gefärb-
ten Körpern erhalten hatte, bemühte ich mich gleichzeitig,
andere physikalische Constanten dieser Stoffe zu bestimmen.
Besonders suchte ich eine Methode auf, durch welche das rela-
tive Leitungsvermögen für Wärme auf eine einigermassen
einfache und doch genaue Weise gefunden werden konnte
Drei runde Kupferplatten I II III (Taf. I Fig. 4) waren
durch ganz kleine Glasstückchen voneinander getrennt. Ihre
Dimensionen und Gewichte waren folgende:
i n in
Durchmesser . 13,13 13,13 13,13
Dicke .... 0,9 0,9 0,9
Gewicht . . . 975 g 994 g 991g
In die cylindrische Seitenfläche jeder Platte war ein
Loch gebohrt, in welches besonders dazu verfertigte Thermo-
meter eingesetzt wurden, welche von —10 bis +50° gingen
und in Fünftelgrade getheilt waren. Zwischen dem Be-
hälter und dem ersten Theilstriche lagen ungefähr 10 cm, so-
dass der Behälter beliebig weit in das Loch hineingebracht
werden konnte. Die Platten I und II waren ausserdem durch-
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bohrt, die Bohrungen konnten mit Kupferpfropfen geschlos-
sen werden. Durch diese Löcher konnte der Zwischenraum
zwischen den Platten mit einer Flüssigkeit gefüllt werden,
ganz wie in den Versuchen des Hrn. H. F. Weber.1)
A und B sind Messinggefässe, A wird durch einen Strom
kalten Wassers abgekühlt. Durch B wird ein Strom war-
men Wassers geleitet. — Nach Verlauf einiger Minuten
kommt der ganze Apparat in Wärmegleichgewicht. Nennt
man die Temperatur der Platten I, II, III resp. Tv T2, T31
die Leitungsfähigkeit des Körpers, der den obersten Zwischen-
raum füllt, Kv die Leitungsfähigkeit des Körpers, der den
untersten füllt, Kv die Entfernungen der Platten ex und e2,
ihre Grundfläche S, so ist die Wärmemenge, welche in einer
Minute von I nach II fliesst:
die, welche von II nach III fliesst:
Wenn die äussere Wärmeleitung verschwindend ist, hat man :
Werden schlechte Wärmeleiter untersucht, so wird diese
Formel in der Regel benutzt werden können. Die Methode
ist so einfach und sicher, dass sie zu technischen Unter-
suchungen gebraucht werden kann, wo es gilt, die Leitungs-
fähigkeit verschiedener Sorten Papier, Tuch, Fell u. s. w. zu
vergleichen.
Bisweilen wird eine Berichtigung nothwendig, da die
Temperatur der Kupferplatten als constant vorausgesetzt ist,
was nur richtig ist, wenn die Zwischenräume mit sehr
schlechten Leitern erfüllt sind. Ist die Temperatur in der
obersten Fläche der obersten Kupferplatte gleich in der
untersten x, in den zwei anderen y und y', z und z', die
Dicke der Kupferplatten e0 und ihre Leitungsfähigkeit K0,
so hat man:
1) H. F. Weber, Wied. Ann. 10. p. 103. 1880.
•
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C. Christiansen. 25
2 ' ^2—2' 3~~ 2 '
also ist: x — x =^ y — y — z — z = 8.
Obenstehende Gleichung kann deshalb geschrieben werden:
rr (5 2\ — T2 — 5 T2 — 7 j — <5
Äo7=Äi , = Ä2 — ~
Mit hinreichender Genauigkeit ist:
(2) *=§
Um # zu bestimmen, muss man zwar das Verhältniss
Ky / K0 kennen, es genügt aber, wenn dasselbe annähernd
gegeben ist.
Ist die Leitungsfähigkeit eine Function von der Tem-
peratur, so genügen diese Formeln nicht vollständig. Unter
der Annahme, dass ihr die Form:
(3) K=k(l + au)
gegeben werden kann, wo k und a Constanten sind und u die
Temperatur, kann man leicht ihren Einfluss berechnen. Die
Wärmemenge, die durch eine horizontale Ebene im Ap-
parat geht, ist constant, man kann also setzen:
-*(! + ««)£-<?.
wo dx ein Element einer verticalen Linie ist; daraus folgt:
-Ä(M + Jaw2) = Cx + C",
wo C eine neue Constante ist Ist nun für x = 0, u = Tv
für x = e, u = T2, so wird:
(4) C=ä(i + «£±^)^.
Ist die äussere Wärmeleitungsfähigkeit für die Kupfer-
platten hj die Oberfläche der cylindrischen Fläche Ay die
Temperatur der Luft T0, dann ist die an die Luft in der
Minute abgegebene Wärmemenge:
hA(T2-T0)
und die vollständige Gleichgewichtsbedingung:
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26 C. Christiansen.
Sk, (l + 5 ±5 «,) 5^ - + ^* «J -? = hA{T2-7
K1_eLTi-TJ. Ahe, Tt- T0\ ,
jt2 - *4 2\ - rs l1 + SJT8 Tt- rj
wo Äi die Leitungsfähigkeit bei der Temperatur T2)
und Ä*2 dieselbe Grösse bei der Temperatur |(Ts-fT3) ist.
Um den Einfluss der Umgebung zu vermindern, müssen
die mittleren Schichten so dünn als möglich gemacht und
die mittelste Platte beinahe auf der Temperatur der um-
gebenden Luft gehalten werden.
Bei diesem Verfahren beabsichtigt man hauptsächlich
nur die relative Leitungsfähigkeit zu finden; man erhält aber
auch die absolute, wenn man den variablen Zustand hinzu-
zieht. Betrachtet man eine Schicht von der Dicke dx, von
der Wärmeleitungsfähigkeit ä, dem spe einsehen Gewicht clf
der speeifischen Wärme c, ist die Temperatur der einen
Grenzfläche m, die der anderen u + dujdx .dx, so sind die in
die Schicht eintretenden und austretenden Wärmemengen in der
Zeit dt, resp. — kS dujdx. dt und — kS(duldx+d2u/dx2.dx)dt.
Die Schicht empfängt also eine Wärmemenge:
Steigt die Temperatur in derselben Zeit um du, dann ist
dieselbe Wärmemenge gleich cgSdudx, und man hat die
Gleichung: ^
Sie wird erfüllt durch u = c, u = cx und durch:
(7) W= ae-9itsm(xl(p + q); * = j/^-
Die Aufgabe kann leicht gelöst werden, wenn die Tem-
peratur der Platten I und III constant angenommen wird.
Für die Schicht zwischen I und II kann man setzen:
Mj . tx - * + 2a «T^'sin (s^y + ft).
Für die Schicht zwischen II und III:
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C. Christiansen.
27
wo x positiv abwärts, y positiv aufwärts gerechnet wird.
Unter obiger Annahme wird:
Ausserdem muss für x=^e1 gleich für y = e2 sein, des-
halb : a sin t, kl <p — b sin e2 .
Ist die Temperatur der mittleren Kupferplatte 0, ihre Dicke
e0, ihr spec. Gewicht und ihre spec. Wärme g und c, so
empfangt sie eine Wärmemenge:
-ky8d£dt-kt8*%dt,
wo x = el und y — e2 zu setzen ist, von welcher ein Theil
cge0Sdö die Platte erwärmt, ein anderer hA(d-T0)dt an
die Luft abgegeben wird, und man hat:
Nun ist zugleich:
0 = T, + JPae'^'ffllie, A, cp,
Hieraus ergibt sich:
kx Xx cos e1X1(p sine2l2(f> + ^ sin ^ Ax <p cos <>2 ^ qp
= ^cp e0 — , J sin *j Xj qp sin e% Aa qp.
Wird = e2 angenommen und werden die beiden Zwischen-
räume mit demselben Körper gefüllt, so reducirt sich die
Gleichung auf:
S kx c q e9 \ex Aj q> I
Bestimmt man jetzt cp durch Beobachtung von 6 und
setzt den gefundenen Werth in obige Gleichung ein, so kann
man X und dadurch k finden, wie es schon Weber ge-
than hat.
2. Wärmeleitung der Luft.
Auf die beschriebene Weise kann man zwar die Wärme-
leitung der Luft untersuchen und namentlich das Leitungsver-
mögen verschiedener Luftarten vergleichen. Da aber darüber
schon viele Bestimmungen vorliegen, so werde ich hier nur
einige Versuche über die Abhängigkeit des Wärmeleitungs-
Yermögens von der Temperatur mittheilen.
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28
C. Christiansen.
Bei diesen Versuchen wurden beide Zwischenräume gleich
dick gemacht.
Tabelle L
Beide Zwischenräume mit Luft gefüllt, e. = eq = 0,0214 cm.
— _ —
a.
T0 - 10,6°
D.
T0 = 12,0°
-
c.
T0 = 13,0°
T,
T%
T*
Ti
T%
Tx
T,
Ts
Im
19,8°
13,0°
6,4°
33,6°
20,5°
7,3°
48,4°
28,75°
8,35°
3
19,55
13,0
6,4
33,5
20,5
7,3
48,8
28,7
8,4
5
19,4
12,9
6,4
33,9
20,6
48,8
28,8
8,35
7
19,4
12,8
6,3
33,75
20,6
7,8
48,8
28,8
8,4
9
19,6
12,8
6,2
33,9
20,6
7,3
48,45
28,8
8,4
11
19,6
12,85
6,15
33,7
20,65
7,2
48,9
28,75
8,4
13
19,4
12,8
6,15
33,8
20,6
7,2
48,6
28,8
8,4
Mittel
19,54
12,88
6,29
33,73
20,58
7,27
48,68
28,77
8,39
Tabelle EL
Beide Zwischenräume mit Luft gefüllt. ex = e% = 0,0754 cm.
T0 = 11,8°
T0 = 13,9°
T,
Tx
T%
Ts
0m
25,8°
15,6°
5,4°
47,6°
26,6°
5,25°
3
25,8
15,6
5,4
48,0
26,6
5,2
6
26,15
15,65
5,45
47,6
26,6
5,2
9
26,0
15,7
5,5
47,6
26,6
5,2
12
25,8
15,75
5,5
47,8
26,6
5,2
15
25,6
15,65
5,4
47,6
26,6
5,2
18
47,6
26,6
5,2
Mittel
25,86
15,66
5,44
47,69
26,60
5,21
Wäre das Wärmeleitungsvermögen von der Temperatur
unabhängig, so müssten TY— T2 und T2 — T3 gleich sein;
dass dies aber nicht der Fall ist, zeigt die folgende Zusam-
menstellung der Resultate.
Tabelle HL
I»
Ic
II»
T
Tt
Tx-T%
T,-T3
8
5
d'
10,6°
12,0
13,0
11,8
13,9
-i
12,9°
20,6
28,8
15,7
26,6
6,66°
13,15
19,91
10,20
21,09
6,59°
13,31
20,38
10,22
21,39
6,6°
13,2
20,1
10,2
21,2
+ 0,07°
-0,16
-0,47
-0,02
-0,30
-0,05°
-0,19
-0,46
-0,04
-0,30
Dass (2^- T2) - (T2- T3) = S mit wachsender Tempe-
ratur abnimmt, beweist, dass das Leitungs vermögen mit der
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C. Christiansen.
29
Temperatur zunimmt. Setzen wir nämlich in (5) K^K^K,
ai = a2 = a und J T2) + | (T2- T3) - 5, so nimmt sie
die Form an:
Weil die rechte Seite der Gleichung positiv ist, muss,
wenn wie hier S negativ ist, a positiv sein. Durch diese
Formel lassen sich die Versuche berechnen, wenn man:
a = 0,001504, ^ = 0,3931 , j = 1,43.
setzt. Es sind unter b' die Werthe von 8 angegeben, die
man mit diesen Coefficienten erhält; die Uebereinstimmung
ist, wie man sieht, sehr befriedigend. Der hier gefundene
Werth von a ist bedeutend kleiner als der von Winkel-
mann1) gegebene; und die Sache bedarf wohl einer näheren
Untersuchung, besonders mit Rücksicht auf die Wärme, die
durch Strahlung von der einen zur anderen Platte geht.
III. Wärmeleitung der Flüssigkeiten.
Um die Anwendbarkeit der Methode auf Flüssigkeiten
zu prüfen, habe ich das Verhältniss des Wärmeleitungs Ver-
mögens der Luft zu denen einiger Flüssigkeiten zu bestimmen
gesucht. Der obere Zwischenraum war mit Luft, der untere mit
der Flüssigkeit gefüllt. Es war e1== 0,0214cm, e2= 0,1909cm.
Tabelle HL
a. Luft und
b. Luft und
c. Luft und
d. Luft und
Wasser
Wasser
Weingeist
Glycerin
= 13,4°
= 13,9°
To
= 14,2°
T0
= 16,4°
Tt
T
T
T>
T>
Tx
T,
r.
Zi
T%
0m
28,6°
14,8«
8,7°
45,7°
20,8° 10,4°
30,2°
19,6°
7,8°i
1 31,2°
16,8°
6,6°
2
29,4
14,65,8,5
45,8
21,0
10,55
29,8
19,6
7,75'
31,1
16,8
6,6
4
30,0
14,8
8,4
145,9521,15 10,6
30,0
19,6
7,6
31,0
16,7
6,4
6
29,8
14,8
8,45
46,0
21,2
10,55
30,4
19,65
7,6
31,35
16,65
6,35
8
30,5
14,9
8,5
46,05 21,2
10,4 1
30,2
19,7
7,6
31,3
16,65
6,4
10
30,2
15,0
8,5
46,0
21,15 10,4
31,2
16,65 6,4
12
20,2
14,9
8,5
1 46,0
21,1
10,4
1 31,15
16,6
6,4
Mittel
29,81
14,84
8,51
] 45,93 21,09 10,47
30,12
19,63
7,67
31,20
16,69 6,45
l) Winkelmann, Pogg. Ann. 157. p. 514. u. 159. p. 177. 1876.
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30 C. Christiansen.
e. Luft und
f. Luft und
g. Luft und
h. Luft und
Glyceriu
Olivenöl
Olivenöl
Citronenöl
V
= 16,4°
To
= 17,8°
T0
= 18,2°
To
= 19,0°
T
Ts
Tx
*.
T*
gy
Tt
T%
T3
Om
4ß 4°
23,6°
7,4°
; 32,8°
21,3°
6,4°
i 48,4°
30,6°
6,75°
31,75°
20,5°
5,65°
2
45,9
23,55
7,4
'32,6
21,3
6,3
|48,5
30,65 6,75
31,6
20,6
5,6
4
46,0
23,5
7,35
32,2
21,2
6,2
48,3
30,6
6,75
31,7
20,65 5,6
A
D
46,2
23,45,7,35
32,4
21,1
6,2
48,5
30,6
6,75
31,85
20,8
5,6
8
46,1
23,5
7,35
32,8
21,2
6,15
48,4
30,65
6,75
31,45
20,75
5,6
10
46,2
23,6
7,4
!32,6
21,2
6,1
48,7
30,7
6,75
31,65
20,75 5,6 .
12
46,4
23,6
7,4
1 32,8
21,2
6,1
Mittel
46,17
23,54
7,38
| 32,60,21,21
6,21
;48,47|30,63
6,75 ||31,67
20,67 5,61
Die Resultate sind in Tabelle V zusammengestellt.
Tabelle V.1)
i(Ti + Tj T-T% \\(T, + Ts)\ T,- T,
T*-T0
Ä*
a. Luft u. Wasser . .
22,32
14,97
11,67
6,33
1,4
21,09
b. „ „ Wasser . .
33,51
24,84
15,78
10,62
7,2
20,87
c. „ „ Weingeist
24,88
10,49
13,65
11,96
5,4
7,82
d. „ „ Glycerin .
23,94
14,52
11,57
10,24
0,3
12,64
e. „ „ Glycerin .
34,85
22,63
15,46
16,16
7,1
12,49
f. ,, „ Olivenöl . .
26,90
11,39
13,71
15,00
3,4
6,77
g. „ „ Olivenöl . .
39,55
17,84
18,69
23,88
12,4
6,66
h. „ „ Citronenöl
•
26,17
11,00
13,14
15,06
1,7
6,52
Es ist hier zugleich unter K das Leitungsvermögen der
Flüssigkeit in Bezug auf Luft angegeben. Man sieht, dass das
Leitungsvermögen mit der Temperatur abnimmt; der Grund
ist, dass das Leitungsvermögen der Luft mit der Temperatur
zunimmt.
Als eine Probe der Richtigkeit der oben gefundenen
Grössen habe die in Tabelle VI angegebenen Versuche an-
gestellt.
1) In der Berechnung von K ist auf die Verdampfung von Wein-
geist und Citronenöl Rücksicht genommen.
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C. Christiansen, 31
Tabelle VI.
Olivenöl. — Glycerin. c, = 0,1945 cm, et — 0,1937 cm.
—- — i
.1 nl'j ■ i
- Ii!
T0 « 17,0"
1\ m 16,8°.
Tt
T
T,
Tx
T,
T9
Om
35,35°
16,7"
6,4«
49,2°
21,45°
6,8°
2
35,0
16,6
6,3
49,2
21,55
6,8
4
35,2
16,45
6,2
49,2
21,6
6,8
6
35,45
16,45
6,2
49,2
21,6
6,8
8
35,2
16,4
6,2
49,0
21,6
6,8
10
35,3
16,4
6,2
48,8
21,55
6,75
12
35,65
16,45
6,2
49,0
21,5
6,8
Mittel
35,31
16,49
6,24 |
| 49,09
21,55
6,79
Hieraus erhält man:
Tx - T% 18,82° 27,54,
T%-Tx 10,25 14,76.
Das Verhältni8s zwischen dem Leitungsvermögen des
G-lycerins und dem des Olivenöls wird also resp. gleich 1.83
und 1,86, während die Tabelle V das Verhältniss gleich
1,87 ergibt.
Tabelle VI.
K
K'
K
Wasser ....
21,09
0,0745
283
Weingeist ....
7,82
0,0292
268
Glycerin ....
12,64
0,0402
314
Olivenöl ....
6,77
0,0235
288
Citronenöl ....
6,77
0,0210
310
In obenstehender Tabelle findet sich unter K das von
mir gefundene relative Leitungsverraögen, unter K' das von
Weber gefundene absolute Leitungsvermögen. Die Ueber-
einstimmung ist so gross, wie man sie nur erwarten kann, wenn
man bedenkt, dass nur das Wasser in beiden Versuchsreihen
ganz dasselbe ist. Die Versuche sind für die Temperatur
nicht corrigirt worden, ich werde das nachholen und die Re-
sultate mittheilen, wenn ich das Leitungsvermögen der Luft
bei verschiedenen Temperaturen genauer bestimmt habe.
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32
C. Christiansen.
IV. Wärmeleitung fester Körper.
Ich habe mehrere feste Körper auf dieselbe Weise auf
ihr Leitungsvermögen untersucht. Der obere Zwischenraum
war immer mit Luft gefüllt. In den mittleren Zwischenraum
wurde der zu untersuchende Körper gebracht. Von der
grössten Bedeutung war es hierbei, dass sich kein schäd-
licher Raum zwischen den Kupferplatten und dem Körper
befand. Eigentlich hatte man hierzu Quecksilber dazwischen
zu bringen, ich habe mich aber begnügt, Wasser oder Grly-
cerin zu verwenden. Es sei die Dicke der Flüssigkeitsschicht
gleich e, ihr Leitungsvermögen gleich yk (das der Luft gleich
k gesetzt), das Leitungsvermögen des zu untersuchenden
Körpers gleich xk, dann wird:
Sk^-eT>[\ + * ^y^) - hA (T2- T0) - Sk) ,
oder wenn man:
_ J» i 1
y * r
setzt:
Es sei hier gleich bemerkt, dass das letzte Glied von
gar keinem Einfluss ist wegen der Kleinheit des Factors:
hA
Ich mache gewöhnlich zwei Versuche. Bei dem einen
wird die zu untersuchende Platte trocken eingelegt, bei dem
anderen ist die Platte auf beiden Seiten benetzt. Man findet
somit zwei Werthe yx und y2 von y, und es ist:
l _ l
n-n' -L _ ±
.Vi y% ri ri
wo Y\ uno^ y2 das relative Leitungsvermögen der den „schäd-
lichen Raum" ausfüllenden Flüssigkeit sind.
So ergab sich an einer Spiegelglasplatte:
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G Christiunsen.
33
Tabelle VII.
Luft und Spiegelglasplatte (trocken). et = 0,0212 cm. c, = 0,277 cm.
0m
2
4
6
8
Mittel
T0 = 12,0»
1 T0 = 12,5°
21 | 2»,
i gy 1 Tt
—
30,9°
31,1
31,0
30,95
30,7
30,93
!
14,5°
14,3
14,36
14,4
14,35
14,34
i
5,7°
5,8
5,8
5,8
5,8
5,78
49,7°
49,6
49,6
49,6
22 4°
22,75
22,5
22,4
7,8°
8,2
7,5
7,5
49,62 22,51 | 7,76
Tabelle VIII.
Luft und Spiegelglasplatte (mit Wasser benetzt).
ex = 0,0212 cm. et = 0,277 cm.
T0 = 19,0°
r0 = 18,8C
T>
T,
r.
Tt
Om
31,4°
12,45°
5,7°
45,8°
16,9°
6,3°
2
30,8
12,4
5,7
45,8
16,9 |
6,3
4
31,5
12,4
5,7
45,6
16,9
6,3
6
31,0
12,4
5,6
45,6
16,8
6,25
8
—
45,5
16,85
6,2
Mittel
31,17
12,41
5,68
45,66
16,87 |
6,27
Aus der Tabelle VII findet man resp. yx = 26,1 und
^, = 25,3, aus der Tabelle VIII, ya= 37,6 und y% = 37,2.
Setzen wir nun yx = 25,7, y2 = 37,4, so erhalten wir:
x = 38,3.
Durch ähnliche Versuche habe ich das Leitungsvermögen
des Marmors gleich 120 gefunden.
Die hier beschriebene Methode lässt sich auch nach
anderen Richtungen hin anwenden, z. B. zur Messung elec-
trischer Widerstände, wenn man statt der Temperatur das
Potential misst. Man könnte vielleicht dem Apparate den
Namen Leitungssäule geben, und wenn es sich um schnelle
Messung mehrerer Widerstände handelt, könnte man sehr
wohl mehrere Schichten übereinander legen.
Kopenhagen, März 1881.
Ann. <L Phjn, n. Chem. N. F. XIV.
3
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34
D. Konowalow.
IV. lieber die Dampfspannungen der Flüssigkeits-
gemische; van JD. Kanawalaw*
(1. Abhandlung.)
Nach dem Dalton'schen Gesetz findet man bekanntlich
den Druck eines Gemisches aus gegenseitig indifferenten und
von der Condensation weit entfernten Gasen, indem man für
jedes einzelne den Druck so berechnet, als wenn es den
Raum allein erfüllte, und diese „Partialdrucke" addirt. Ebenso
verhalten sich nach den Versuchen von Magnus1) und Reg-
nault2) die gesättigten Dämpfe solcher Flüssigkeiten, die
gar nicht ineinander löslich sind: die Spannkraft des Ge-
menges ist gleich der Summe der Spannkräfte der Compo-
nenten. Lösen sich dagegen die Flüssigkeiten ineinander,
so tritt (ebenfalls nach Versuchen von Magnus und Reg-
nault) immer ein Verlust an Spannkraft ein, und es wird
gewöhnlich angenommen, dass die Spannkraft bei Gemischen
dieser Art einen mittleren Werth zwischen denen der beiden
einzelnen Flüssigkeiten hat.*)
Indessen kennt man seit längerer Zeit Ausnahmen von
dieser Regel.
So ist z. B. bei Gemischen von Ameisensäure und Wasser
die Spannkraft kleiner als die des Wassers und der Amei-
sensäure für sich. — R o s c o e hat gezeigt, dass eine Mischung
von 77,5% Ameisensäure und 22,5% Wasser bei 760 mm
Druck constant bei 107° siedet, während der Siedepunkt der
Ameisensäure bei 101,1° lag.
Die Annahme, dass es sich hier um ein nach bestimm-
ten Verhältnissen zusammengesetztes Hydrat handelt, wider-
legt er dadurch, dass bei einem anderen Druck eine andere
Mischung als die angegebene constant siedet.
Jedenfalls wird das Verhalten der Stoffe in Dampfform
in einem gewissen Zusammenhange zu demjenigen im flüssigen
Zustande stehen. In diesem letzteren aber ist die vollstän-
1) Magnus, Pogg. Ann. 88. p. 481. 1836.
2) Regnault, Compt. rend. 39. p. 301, 345 u. 397. 1854; Pogg.
Ann. 98. p. 537. 1854.
3) Wüllner, Experimentalphysik. 8. p. 567.
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D. Konowalow.
35
dige Unlöslichkeit nur ein Grenzfall; theilweise ineinander
lösliche Flüssigkeiten bilden Zwischenstufen, und selbst unter
den in allen Verhältnissen mischbaren Flüssigkeiten kann
man diejenigen Fälle, wo die Trennung der Flüssigkeiten
sehr leicht geschieht, von denjenigen unterscheiden, wo die-
selbe ausserordentlich schwer ist.
Man kann erwarten, dass dementsprechend auch in Dampf-
form die Grösse der Wechselwirkung variirt, und es liegt
nahe, den Zusammenhang zwischen den Wirkungen in beiden
Zuständen, dem flüssigen und dem dampfförmigen zu suchen.
Zu diesem Zwecke eignen sich am besten die homologen
Reihen. Die allmähliche Aenderung der Eigenschaften beim
Uebergange von den ersten Gliedern der Reihe zu den mehr
und mehr zusammengesetzten lässt die Erscheinungen leichter
verfolgen und vergleichen. Ich habe daher unternommen,
die Gemische dieser Körper mit einer bestimmten Flüssig-
keit zu untersuchen. Die ausgewählten Reihen sind: die
Alkoholreihe CnH2n+20, und die Säurereihe CnH2n02. Als
gemeinsame zweite Flüssigkeit wurde bei beiden Gruppen
Wasser benutzt. Die ersten Glieder der beiden Reihen
mischen sich in allen Verhältnissen mit Wasser. Vom vierten
Glied an bei den Alkoholen, vom fünften bei den Säuren
bilden sich beim Zusammenmischen schon zwei Schichten,
deren Zusammensetzung sich desto mehr der der reinen
Flüssigkeiten nähert, je zusammengesetzter das Glied ist.
Die Untersuchung erstreckte sich auf die vier ersten
Glieder der beiden Reihen. Es wurden für jede Flüssigkeit
eine Anzahl Mischungen nach der Wage hergestellt und ihre
Spannkräfte bei möglichst identischen Temperaturen gemessen.
Die erhaltenen Resultate wurden sodann graphisch darge-
stellt, indem die Procentgehalte als Abscissen und die Spann-
kräfte als Ordinaten aufgetragen wurden. Die letzteren
mussten zuerst durch graphische Interpolation auf die genau
gleichen Temperaturen entsprechenden Grössen reducirt werden.
Die Methode.
Die Spannkraft der gesättigten Dämpfe ist bisher nach
zwei verschiedenen Methoden untersucht worden. Die eine
3*
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36
D. Konowaloiü.
besteht darin, die Siedetemperatur einer Flüssigkeit zu be-
stimmen, die sich unter einem gemessenen äusseren Drucke
befindet. Bei der anderen verbreiten sich die Dämpfe in
einem abgeschlossenen Räume, der kein fremdes Gas enthält,
und man bestimmt den von ihnen hervorgebrachten Druck
bei einer gemessenen Temperatur.
Für die vorliegende Aufgabe war nur die zweite Methode
brauchbar, da nur diese gestattet, den Dampfraum beliebig
klein zu machen, bei der Entwickelung von grossen Dampf-
massen aber sich die Zusammensetzung der zurückbleibenden
Flüssigkeit im allgemeinen ändert. Es wurde daher im
wesentlichen die Versuchsanordnung von Magnus1) gewählt.
Doch waren in Einzelheiten einige Abänderungen nothwen-
dig, da aus dem soeben erwähnten Grunde das Auskochen
der Flüssigkeiten vermieden werden musste. So ergab sich
der im Folgenden beschriebene Apparat (s.Fig.).
Zur Aufnahme der Flüssigkeit diente der ge-
schlossene Schenkel a einer U-förmigen Röhre
von 15 mm lichtem Durchmesser, dessen offe-
ner und längerer Schenkel b in den Hahn ß
endigte. An das untere Ende von a setzte
sich eine enge Röhre c an, die ebenfalls durch
einen Hahn y geschlossen werden konnte.
Auf die Röhren a und b war eine Millimeter-
theilung geätzt. In diesen Apparat wurde
zunächst so viel Quecksilber gegossen, wie
zur Ausfüllung der Röhren a und c und
i
a
eines kleinen Theils von b nöthig war. Dann
wurde c mit einem Trockenapparat und b
mit einer Quecksilberluftpumpe verbunden. Sobald die letz-
tere in Thätigkeit gesetzt wird, streicht trockene Luft durch
die ganze Quecksilbermasse, die hierbei in der Röhre b steht,
und indem man den Apparat gleichzeitig mit einer Bunsen'-
schen Flamme erwärmt, entfernt man in kurzer Zeit die
letzten Spuren von Feuchtigkeit. Sodann bewirkt man durch
Neigen des Apparates, dass sich a vollständig mit dem noch
1) Magnus, Pogg. Ann. 61. p. 225. 1844.
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D. Konowalow.
warmen Quecksilber füllt. Nunmehr wird die zu unter-
suchende Flüssigkeit in c mittelst eines feinen Trichters ein-
gebracht (der Hahnkörper y wird so lange entfernt) und b
und c mit der Quecksilberluftpumpe verbunden. Man öffnet
den Hahn y und lässt die Flüssigkeit bis nahe an den Hahn
steigen. Dann wird y geschlossen und ß geöffnet. Die
Flüssigkeit sinkt, und über ihr bildet sich ein luftverdünnter
Raum,- der sich schnell mit der in der Flüssigkeit gelösten
Luft füllt. Durch leichtes Erwärmen kann man den Vor-
gang beschleunigen. Nur in wenigen Fällen war es nöthig,
diese Operation zu wiederholen, meistens war die Flüssigkeit
bereits nach dem ersten mal so luftfrei, dass durch ihre Ad-
häsion an dem Glas eine Quecksilbersäule von ca. 100 mm
getragen wurde. Freilich trennt sich hierbei gleichzeitig ein
Theil der zu untersuchenden Mischung in Dampfform von
der Flüssigkeit; die Menge desselben ist jedoch so gering,
dass die Zusammensetzung des Gemisches dadurch nicht
merklich geändert wird. Endlich erwärmt man leicht den
über der Flüssigkeit befindlichen Raum so lange, bis durch
den Druck der Gase die gewünschte Menge der Versuchs-
substanz nach a hinübergetrieben ist. Der Rest wird aus
C herausgesaugt und der Hahn y wiederum geschlossen.
Der Apparat ist nunmehr für den Versuch vorbereitet. Er
wird in verticaler Stellung fixirt» b mittelst einer T -Röhre
einerseits mit der Luftpumpe, andererseits mit einem offenen
Manometer verbunden. Der eine Schenkel des letzteren Hess
sich vor einer verticalen Spiegelscala verschieben, welche mit
dem Kathetometer controlirt war. Alle Verbindungen waren
ausschliesslich aus Glas gefertigt, indem entweder die Glas-
röhren aneinander geschmolzen oder mit Siegellack inein-
ander gekittet waren. Die nöthige Beweglichkeit war den
einzelnen Theilen durch eingeschaltete Glasfedern gewährt.
Das Röhrensystem a, b und c, das auf eine constante
und messbare Temperatur gebracht werden sollte, tauchte
etwa zur halben Länge in ein mit Wasser gefülltes Becher-
glas von 4,5 1 Inhalt, das auf einem Sandbade stand und
oben durch einen Holzdeckel geschlossen war. Dieser hatte
Oeffnungen für die Röhren b und c, für zwei Thermometer
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38
D. Konowalow.
und für den Stab eines aus Glasröhren schlangenförmig ge-
bogenen, leichten Rührers. Letzterer, durch einen electro-
magnetischen Motor getrieben, machte 50 bis 60 doppelte
Gänge in der Minute. — Von den Thermometern hing eines,
dessen Angaben als dieTemperaturen der untersuchten Flüs-
sigkeit angenommen wurden, unmittelbar neben «, das andere,
durch welches die Gleichförmigkeit der Temperatur des
Bades controlirt wurde, nahe der Wand des Becherglases.
Beide, von Baudin gefertigt, waren in Halbgrade von ca.
1 mm Länge getheilt. Caüber und feste Punkte wurden con-
trolirt Die bei den benutzten Temperaturen unbedeutenden
Correctionen auf das Luftthermometer (im Maximum 0,3°)
wurden gemäss den Angaben von Kohlrausch1) vorgenom-
men. Ein drittes Thermometer, dessen Kugel sich oberhalb
des Becherglases befand, diente zur Correction für den her-
ausragenden Faden der beiden ersten.
Becherglas, Sandbad und Brenner waren nochmals mit
einer Papphülle umgeben, in welcher sich an zwei gegenüber-
liegenden Stellen durch Glasplatten geschlossene Oeffnungen
befanden. Man erwärmte das Bad auf eine Temperatur, die
nur wenige Grad unterhalb der gewünschten lag, und drehte
dann, falls dieselbe kleiner als etwa 50° war, den Brenner
vollständig ab, während man anderenfalls eine kleine Flamme
brennen liess. Die Temperatur stieg dann mit abnehmen-
der Geschwindigkeit weiter und gelangte nach einigen Minu-
ten zu einem Maximum, auf welchem sie sich während einer
für die Beobachtung ausreichenden Zeit constant erhielt.
Der gesuchte Druck berechnet sich, wie bei Magnus,
aus dem Barometerstand, der Höhendifferenz der Queck-
silberoberflächen in den beiden Schenkeln des Manometers
und derjenigen in den Röhren a und b. Die letztere war mit
Hülfe der Luftpumpe und des Manometers stets auf höch-
stens 3 bis 5 mm herabgedrückt. Sie wurde, um die stören-
den Brechungen in den umgebenden Glashüllen zu vermeiden,
direct auf der aufgeätzten Theilung mit einem Fernrohr ab-
gelesen. Die Lage beider Theilungen gegeneinander aber
1) F. Kohlrausch, Leitfaden der prakt. Physik. 3. Aufl. p. 64.
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D. Konowalow.
39
wurde, ehe der Apparat mit Becherglas und Hülle umgeben
war, mit dem Kathetometer bestimmt. Man vermeidet dadurch
den Fehler, den bei nicht genau verticaler Stellung des
Apparates der horizontale Abstand beider Röhren hervor-
ruft. Selbstverständlich geschah die Ablesung nur dann,
wenn das Quecksilber einen unveränderlichen Stand einhielt.
Bei höheren Temperaturen gibt dies eine empfindlichere Probe
auf die Constanz der Temperatur, als sie die Beobachtung
des Thermometers gewährt.
Zur Prüfung des Apparates wurden zunächst Versuche
mit destillirtem Wasser angestellt In der folgenden Ta-
belle stelle ich unter S die erhaltenen Zahlen für die Spann-
kräfte mit denjenigen zusammen, die sich für dieselben
Temperaturen Taus Magnus' Interpolationsformel ergeben.
T
s
Differ.
M- K
T
8
Differ.
M-K
nach nach
KonowaL Magnus
nach
Konowal.
nach
Magnus
16,5°
13,7
13,9
+0,2
70,7°
239,8
2*9,6
-0,2
26,4
25,4
25,6
+ 0,2
80,45
359,4
360,6
+ 1,2
40,4
56,5
56,2
-0,3
90,0
523,4
524,8
+ 1,4
50,25
92,9
93,4
+ 0,5
91,25
549,95
550,4
+ 0,5
59,2
142,8
143,2
+ 0,4
Zur Vergleichung mögen hier noch für einige Tempera-
turen die Differenzen 8 zwischen Werthen aus derselben
Formel und den von Magnus selbst direct beobachteten
Zahlen folgen:
T = 16,82° 23,85° 44,9° 52,12° 58,66° 78,33° 91,34°
Ö = +0,72 -0,22 -0,14 +0,72 +0,59 +0,45 -0,83
Man sieht, dass die von mir benutzte Methode gut ist.
Versuche.
A. Alkohol-Wasser-Mischungen.
1) Methylalkohol. 400g käuflicher Methyalkohol wur-
den in Oxalsäureester verwandelt, der letztere durch Kochen
mit Kalilauge verseift, und der Alkohol abdestillirt. Der
durch Potasche aus der wässerigen Lösung abgeschiedene
Alkohol wurde zunächst mit frisch geglühter Potasche getrock-
net und dann über frisch gebranntem Kalk zweimal destillirt.
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40
D. Konowalow.
Diese, wie auch alle später zu erwähnenden fractionirten
Destillationen wurden mit einem von Alvergniat verfertig-
ten Apparate mit fünf Kugeln und Platindrahtnetzen aus-
geführt. Die Spannungen des reinen Alkohols ergaben sich
wie folgt:
T= 15,0° 29,3° 43,0° 43,15° 53,9° 65,4°
8 = 72,4 153,4 292,4 295,0 470,3 756,6
T bedeutet, wid auch stets im Folgenden, die Tempera-
tur; S die Spannung in Millimetern Quecksilber von 0° C.
Auf Grund dieser Zahlen ist die Curve A gezeichnet.
Mischungen mitWasser. Die angegebenen Procent-
gehalte bezeichnen (wie stets im Folgenden) Gewichtsverhält-
nisse, die direct durch Wägung gefunden waren.
Wasser -
Alkoh. -
-75,46%
-24,54%
Wasser
Alkoh.
-50,74%
-49,26%
Wasser
Alkoh.
-36,6°/°
-63,6%
Wasser
Alkoh.
-27,7%
-72,3%
T~
s
T
S
~T
T
8
17,25°
29,9
43,2
53,6
64,9
84,25
30,15
62,6
126,2
207,25
345,7
750,8
17,0°
29,9
43,3
53,5
65,5
76,7
44,5
90,6
177,3
284,0
479,9
747,6
12.55°
29,75
43,7
54,0
65,7
39,8
104,2
206,2
330,2
543,45
18,65°
29,25
43,2
53,5
65,5
71,15
63,7
112,8
224,6
357,8
591,7
747,7
Hiernach sind auf Taf. II die Curven für die mitt-
leren Temperaturen 18,0°, 29,5°, 43,2°, 53,5° und 65,2° con-
struirt. Abscissen sind die in der Mischung enthaltenen
Procente Alkohol, Ordinaten die Spannkräfte.
2) Aethylalkohol. Käuflicher absoluter Alkohol wurde
über Kalk destillirt und der mittlere Theii des Destillats
zur Untersuchung benutzt. In der folgenden Tabelle sind
meine für den reinen Alkohol gefundenen Zahlen mit denen
zusammengestellt, die sich aus Regnaul t's Beobachtungen
nach Zeuner's Interpolationsformel berechnen.
T
Konowalow
Regnault
18,7°
41,3
41,1
35,5
106,3
105,9
49,5
215,3
214,7
65,4
443,8
766,5
444,0
78,55
766,1
Für die Mischungen mit Wasser ergab sich (vgl. Taf. II).
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D. Konmcalow.
41
Alkoh.
Wasser -14,3°
85,7°'
Alkoh.
Wasser
— 68,12%
-31,98%
Alkoh. -50,4%
Wasser -49,6%
Alkoh. -33,13%
Wasser —66,87%
i
17,4
40,7
60,45
70,2
79,65
79,95
i
5
35,9
133,3
346,35
532,5
782,9
789,5
T
18,1
40,45
60,65
70,35
80,5
5
34,2
123,0
327,8
509,7
768,7
T
15,3
15,5
40,6
60,05
59,65
70,3
70,15
80,5
80,55
8
27,4
27,7
117,5
301,4
295,7
473,4
470,7
720,0
720,9
T
21,15
40,9
60,45
70,4
80,25
8
85,1
107,1
281,6
436,7
654,0
Der reine Alkohol, sowie eine Reihe von Mischungen,
unter denen sich auch diejenige zu gleichen Theilen befindet,
sind bereits von Wüllner untersucht worden. Seine Resul-
tate weichen jedoch von den meinigen und ebenso für den
reinen Alkohol von denen von Regnault zum Theil nicht
unerheblich ab.
3. Propylalkohol. 300 g käuflicher Propylalkohol
(von Kahl bäum) wurden mit frisch gebranntem Kalk ge-
trocknet und fractionirt. Für die Versuche wurde der bei
97° (Barometerstand, B0 — 749,2) constant siedende Theil
(50 g) benutzt. Es ergab sich (vgl. die Curve C) :
T= 11,5° 16,8° 21,8° 28,35°
S m 8,1 10,0 17,2 24,7
59,4° 59,9° 70,4° 74,9°
30,6°
29,5
33,75°
35,7
80,5° 81,75°
39,1°
48,3
81,9°
49,2°
85,3
89,6°
52,35°
101,0
98,6°
S= 143,25 146,9 245,8 304,2 384,1 405,2 406,4 561,7 794,9
Ebenso für ein anderes Präparat, das in derselben Weise
behandelt wurde:
T
S
16,5°
10,9
52,4°
101,1
59,9°
148,5
70,5°
247,7
82,1°
411,4
Die Zahlen beider Reihen stimmen gut überein; gleich-
wohl können sie nicht als die vollkommen genauen Werthe
für reinen Propylalkohol gelten, da bei der Darstellung des
Präparates die Möglichkeit kleiner Verunreinigungen nicht
ausgeschlossen ist und beide Proben aus derselben Quelle
bezogen waren. Für die Mischungen mit Wasser erhielt ich
(s. Taf. II).
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42
D. Konowalow.
Wasser— 93,8°,
» Alkoh. — 6,2* i
Wasser— 78,2" „
Alkoh. — 21,8%
T
17,65 !
40,3
51,0
59,8
69,35
80,85
88,5
S
20,8
79,4
138,7
214,2
334,1
540,3
740,4
T
16,25
32,6
42,9
52,1
51,45
61,4
70,55
80,75
88,6
S
19,0
51,2
91,2
149,0
144,2
235,1
357,2
;547,5
|747,0
Waaser —04,1"
Alkoh.
35.9%
T
16,25
33,0
42,35
50,65
60,5
70,9
80,3
88,0
S
19,2
54,6
91,8
141,75
231,5
368,8
546,0
745,3
Wasser— 47,2°,,
Alkoh. -62,8« 0
Wasser— 37,78%
Alkoh. — «2,27%
T
19,65
32,35
40,15
51,55
60,95
71,4
81,4
87,7
S
24,5
52,9
82,6
149,8
237,5
382,8
579,8
749,9
T
19,4
33,0
42,7
51,05
60,5
71,43
81,4
87,6
8
25,1
56,8
94,8
148,7
234,8
384,1
586,0
749,0
Wasser— 11,2%
Alkoh. —88,8" o
19,4
32,55
42,2
51,2
61,35
70,85
80,65
89,4
90,55
S
19,4
42,7
74,1
119,2
195,05
295,5
455.8
649,6
1 751,2
4) Isobutylalkohol. Das nächste Glied der homo-
logen Reihe normaler Alkohole CnHan+aO, der normale Bu-
tylalkohol, ist schwer in grösserer Menge rein darzustellen.
Mit ihm theilt aber sein isomerer Isobutylalkohol die Eigen-
schaft, sich im Wasser nur theilweise zu lösen, und da mir
die Kenntniss gerade derartiger Flüssigkeiten an sich von
Interesse zu sein schien, habe ich den Gährungsbutylalkohol
(Isobutylalkohol) untersucht. — 300 g käuflicher Alkohol (von
Kahlbaum), über Kalk getrocknet und fractionirt, lieferten
ein bei 107,8 bis 108,0° (£0= 761,4) siedendes Präparat, für
welches sich folgende Spannungen ergaben:
r= 15,80 30,85° 51,0° 61,25° 70,9° 80,2° 91,2° 100,05°
8 = 6,55 17,5 58,0 100,4 164,3 250,7 403,45 577,5
Zur Controle wurde der flüchtige Theil noch einmal ge-
trocknet und fractionirt. Das so gewonnene, bei 107°
(B0 = 741,8) constant siedende Präparat ergab (s. Taf. II
Curve D).
T= 14,75° 30,85° 50,45°
S = 5,8 17,7 55,5
60,4°
70,7°
80,0° 91,0° 99,9°
94,1 160,05 246,0 395,2 570,3
Dieses Präparat zeigt etwas kleinere Spannungen. Der
Grund der übrigens nicht bedeutenden Abweichungen liegt
wahrscheinlich darin, dass das erste Präparat nicht voll-
kommen wasserfrei war.
Es wurden sodann Wasser und Alkohol je mit einer so
kleinen Menge der anderen Flüssigkeit versetzt, dass sich in
beiden Fällen eine klare Lösung bildete. Dabei fand sich:
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D. Konowalow.
43
Wasser — 5,95%
Alkohol — 94,05%
Wasser — 93,9%
Alkohol— 6,1%
16,9 17,6
40.3 65,5
59,9 176,5
71.4 299,9
81.5 457,6
95,1 784,0
T S
T 8
18,1 18,9
40.3 71,7
59.4 193,9
70,9 331,3
81,55 516,15
91,0 746,05
Es wurde dann Wasser mit etwa seinem halben Volumen
Alkohol in den Apparat gebracht. Dabei bilden sich zwei
Schichten, von denen die untere Wasser, die obere Alkohol
als vorwiegenden Bestandteil enthält. Bei den Beobach-
tungen der Spannkraft musste hier darauf Rücksicht genom-
men werden, dass die Zusammensetzung der beiden hete-
rogenen Schichten von der Temperatur abhängig und zur
Herstellung des Gleichgewichtszustandes durch Diffusion eine
längere Zeit erforderlich sein konnte. Es genügte daher
hier nicht, die Temperatur nur während der Beobachtung
constant zu erhalten. Durch Regulirung der Flamme wurde
erreicht, dass dieselbe während einiger Stunden nur innerhalb
0,3° schwankte. Erst am Ende dieses Zeitraumes wurden
die Messungen vorgenommen; ausserdem wurden für einige
Temperaturen die Beobachtungen wiederholt. Folgendes sind
die Resultate:
T= 12,1° 41,65° 46,8° 59,9° 71,4° 71,5° 80,85° 81,6°
S = 14,3 82,2 107,9 207,6 355,6 356,15 530,8 550,0
Endlich wurde eine bei ungefähr 40° gesättigte Lösung
von Isobutylalkohol in Wasser der Untersuchung unterwor-
fen. Es ergab sich:
T= 16,65° 40,8° 59,9° 71,8° 81,6° 89,0° 97,2°
S = 19,0 78,8 207,0 360,5 548,0 731,6 991,9
Schon aus diesen Zahlen, mit voller Deutlichkeit aber
aus einer graphischen Darstellung, ist ersichtlich, dass die
Spannungen bis zu etwa 70° vollkommen mit denjenigen der
vorigen Reihe zusammenfallen. Nun ist bekannt1), dass die
Löslichkeit des Isobutylalkohols in Wasser mit steigender
1) W. Alexejeff, Jahresber. für Chemie. 1876. p. 47.
T= 81,2° 88,75° 88,55°
8 = 537,4 728,3 722,4
89,1°
738,6
Digitized by Google
44
D. Konowalow.
Temperatur bis etwa 52° abnimmt, dann wieder steigt und
bei etwa 73° den Betrag erreicht, den sie bei 40° besass. In
Uebereinstimmung hiermit zeigte die Beobachtung bei Tem-
peraturen über 40° eine Trübung der Flüssigkeit, die erst
bei 70° wieder verschwand. Es lag also in dem Intervall
40 bis 70° auch hier ein Gemenge zweier Lösungen vor, von
denen freilich die eine nur in äusserst geringer Menge vor-
handen war. Die Versuche beweisen demnach, dass die
Spannkraft des Gemenges der beiden Lösungen unabhängig
ist von dem Mengenverhältnisse der beiden Bestandtheile.
Die Spannkraftscurven haben also die Form der in Taf. II
gezeichneten.
B. Säure- Wasser-Mischungen.
Alle untersuchten Säuren waren von Kahlbaum be-
zogen. Die beiden ersten Säuren der Reihe: Ameisensäure
und Essigsäure wurden zuerst destillirt und dann durch
Erstarrenlassen, Weggiessen des flüssigen Theils, Schmelzen
und Wiederholen dieser Operationen gereinigt. Die beiden
anderen, Propionsäure und Butter säure, wurden durch frac-
tionirte Destillation gereinigt. Die Spannkräfte der Säuren
selbst sind schon von Landolt1) eingehend untersucht. Seine
Zahlen habe ich in die Spannkraftscurven der Gemische als
Endordinaten eingetragen. Nur die Spannkräfte der reinen
Ameisensäure, die schwer in wasserfreiem Zustand zu er-
halten ist, habe ich zu grösserer Sicherheit nochmals be-
stimmt. In der nachstehenden Tabelle sind die von mir ge-
fundenen Werthe mit den aus Landolt' s Formel berech-
neten zusammengestellt.
Ameisensäure.
8
17,5
40,5
59,7
70,1
Konowalow Landolt
29,1 | 27,8
85,5
187,8
280,2
83,1
187,0
279,1
Ich gebe im Folgenden die für die Mischungen der
Säuren erhaltenen Zahlen, (s. Taf. II.)
1) Landolt, Lieb. Ann. Supplementbd. 6. p. 129. 1868.
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D. Konowaloic.
45
1. Ameisensäure 2. Essigsäure.
(Schmelzpunkt + 7°). . (Schmelzpunkt + 16°).
Am eis.
— 22,66
Ameis.
— 60,02
—
Amela.
— 79,78
Waas —81,8
Wiim.
— 49,9
Was«.
— 19,78
Waas.
-77,34
Waas.
— 48,98
Wass.
— 20,22
Essigs. - 18,2
Essigs.
— 50,1
Essigs.
— 80,22
T
! 8
T
S
T
I *
1 — ' , —
T S
T
1 S
T
: s
18,9
15,3
16,95
11,7
18,0
1 14>5
1 16,65 13,35
16,45
12,5
16,0
11,8
42,35
58,0
31,8
29,1
42,15
54,5
49,85 87,7
49,95
85,0
49,85
78,2
61,35 147,4
42,9
51,7
61,05
80,55 352,5
80,2
335,6
80,0
300 7
UVV } 1
80,8
343,6
54,9
102,7
59,9
123,3
100,0 750,2
100,0
724,0
100,05
; 645,7
100,0
719,8
70,1 1
169,9
80,7
290,9
80,95
309,4
80,8
292,1
*
90,7
457,85
9!,8
590,7
99,65
644,0
3. Propionsäure,
4. Buttersäure
auB Propionnitril.
(Siedetemp.
= 163° bei B0 = 748,1.)
(Siedetemp. = 139° bei B0= 741,5.)
Wasa.-
•75,08%
Waas. -
-60,63
Waas.
— 24,32
Waas. — 74,52
Was«. -
-50,0
Wass. -
-29,9
Pr. -
24,92
Pr. .
-49,37
Pr.
-75,68
B. - 25,48
B. -
-50,0
B. -
-70,1
T
s
T
8
T
s
T ! 8
T
s
T
16,85
14,1
15,95
12,8
17,3
13,75
18,3 15,15
15,0
14,2
19,45
16,4
46,85
76,6
46,35
73,25
46,7
69,6
49,85 90,4
31,25
35,6
50,2
90,8
62,9
167,7
64,0
173,8
63,4
151,4
80,5 364,9
42,75
65,5
80,45
351,3
81,25
370,8
70,2
229,5
81,45
336,7
99,7 766,4
52,25
109,4
100,0
740,8
99,25
746,9
81,5
379,3
99,6
676,35
60,35 1
152,3
90,0
528,6
70,3
237,3
99,5
739,6
■
79,6
350,8
i
99,0
741,1
I
Uebcrsicht der Resultate.
Vergleichen wir zunächst die Reihe der Alkohole, so
zeigt sich, dass beim Fortschreiten zu den höheren Gliedern
der Charakter der Curven, welche die Spannkräfte als Func-
tion der Mischungsverhältnisse darstellen, sich fortwährend
in demselben Sinn ändert. Die Curven des Methylalkohols
fügen sich der Geraden an, welche die Spannkräfte des reinen
Wassers und des reinen Alkohols verbindet (Linie des arith-
metischen Mittels). Für die niedrigsten Temperaturen liegt
sie ganz unterhalb derselben, bei den höheren Temperaturen
erhebt sie sich theilweise über sie. Alle Ordinaten der Cur-
ven liegen zwischen den Anfangs- und Endordinaten, die
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46
D. Konowalow.
Spannungen der Gemische liegen zwischen denjenigen der
reinen Flüssigkeiten. Die Curven der Gemische des Aethyl-
alkohols liegen sämmtlich und für die höheren Temperaturen
beträchtlich oberhalb der oben erwähnten Geraden. Aber
auch hier noch liegt die Grösse aller Ordinaten einer Curve
zwischen Anfangs- und Endordinate.
Bei dem Propylalkohol dagegen liegen fast die ganzen
Curven oberhalb der beiden äussersten Ordinaten, die Span-
nung der Gemische ist grösser, als die jeder ein-
zelnen Componente.
Diese Curven haben folglich ein Maximum, und zwar
entspricht dasselbe einem Alkoholgehalt von etwa 75 °/©-
Der mittlere Theil der Curven verläuft ungefähr geradlinig
mit schwacher Neigung gegen die Abscissenaxe, sodass die
Spannkraft von der Zusammensetzung fast unabhängig ist, so
lange nicht einer der Bestandteile ausserordentlich überwiegt.
Beim Butylalkohol, dem ersten nur theilweise löslichen
Glied der Reihe, wird dieser mittlere Theil der Curve ge-
radezu eine Parallele zur Abscissenaxe, das Maximum ist
zu einer Linie ausgestreckt, von deren Endpunkten aus die
Curve schnell zu den Grenzordinaten sinkt. Die Ordinate
des Maximums ist nur wenig kleiner als die Summe der
letzteren. Der Charakter dieser Curve weicht nur noch wenig
von . derjenigen ab, die nach Regnault die Spannung des
Gemenges von zwei in einander vollkommen unlöslichen
Flüssigkeiten darstellt, und welche aus zwei isolirten Grenz-
ordinaten und einer horizontalen Geraden besteht, deren Or-
dinate gleich der Summe jener ist. — Die Depression der
Curve unter das Niveau, welches diesem Grenzfall entspricht,
der Verlust an Spannkraft, den die Flüssigkeiten bei ihrer
Mischung erleiden, findet einen einfachen numerischen Aus-
druck in der Grösse von p= S/A+B, wo 5 die Spann-
kraft eines Gemisches von bestimmter Zusammensetzung,
A und B die Einzelspannungen sind. Ich stelle die Werthe
dieser Grössen für das Mischungsverhältniss 1 : 1 bei den
verschiedenen Beobachtungstemperaturen zusammen.1)
1) Wüllner, der fi für Acthylalkohol ebenfalls bestimmt hat, schloss,
dass diese Grösse stets eine constante sei (für das Mischungsverhältniss
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D. Konotcalatr,
47
Methylalkohol
Aethylalkohol
Propylalkohol
Isobutylalkohol
T
17,0
29,9
43,3
53,5
65,2
0,47
0,48
0,49
0,497
0,51
T
15,3 0,6
40,6 0,6
60,0 0,6
70,15 0,6
80,5 0,6
T
19,6
35,0
60,0
80,0
88,0
0,77
0,77
0,765
0,75
0,75
T im
12,1 0,89
46,8 0,87
71,4 0,86
81,6 0,86
89,1 0,85
Ganz ähnliche Verhältnisse zeigt die homologe Reihe
der Säuren.
Die Curven für die Gemische der Ameisensäure haben
ein scharf ausgeprägtes Minimum, welches ungefähr einem
Säuregehalt von 70 °/0 entspricht. Es liegt hier der extreme
Fall vor (zu dem, mindestens für die Beobachtungstemperaturen,
bei der Alkoholreihe kein Analogon existirt), dass die Spann-
kräfte für den bei weitem grössten Theil der Gemische
kleiner, als jede der beiden einzelnen Spannungen
Bind.
Die Curven für Essigsäure und Propionsäure verlaufen
mit zunehmendem Gefälle von der Spannkraft des reinen
Wassers zu der niedrigeren der reinen Säuren. Die Con-
vexität ist stärker für die Propionsäure; die Spannkräfte
bleiben hier von 0% Dis c*rca 60°/o Säuregehalt fast con-
stant.
Die Curven für Buttersäure endlich besitzen ein
Maximum. Dasselbe verschiebt sich mit steigender Tempe-
ratur zu Mischungen von geringerem Säuregehalt. Ich lasse
auch hier die Werthe von fi folgen.1)
Ameisensäure
Essigsäure
Propionsäure
Buttersäure
T
T
u
T
T | p
17,0
0,28
16,45
0,45
16,0
0,63
15,0 0,75
31,8
0,32
46,3
0,725
31,25 0,79
54,9
0,37
50,0
0,54
64,0
0,76
52,25 , 0,87
80,5
0,40
80,2
0,58
81,5
0,80
79,6 0,87
100,0
0,42
100,0
0,61
99,5
0,79
99,0 0,89
1 : 1). Die obigen Zahlen zeigen, dass sie für die verschiedenen Alkohole
eine bald zunehmende, bald abnehmende Function der Temperatur ist
(Wällner, Pogg. Ann. 129. p. 353. 1866).
1) Die Abhängigkeit von der Temperatur tritt hier noch deutlicher,
als bei den Alkoholen hervor.
Digitized by Google
48
D. Konowalow.
Folgerungen.
Es sollen nun die gewonnenen Resultate benutzt werden,
um einige allgemeine Folgerungen über das Sieden gemisch-
ter Flüssigkeiten zu ziehen.
Die Spannkraft der Dämpfe einer aus zwei verschiedenen
Substanzen bestehenden Flüssigkeit ist im allgemeinen eine
Function des Mischungsverhältnisses. (Der specielle Fall der
nur theilweise in einander löslichen Flüssigkeiten, für den
dies nach dem oben Gesagten durchgängig nicht gilt, bleibt
von der folgenden Betrachtung ausgeschlossen und soll in
einer späteren Abhandlung discutirt werden.) Eine solche
Mischung, die sich in einem abgeschlossenen Raum befindet,
werde auf constantcr Temperatur gehalten. Wir denken uns
diesen Raum ausser von festen Gefässwänden durch einen
beweglichen Stempel begrenzt. Dann sind die Bedingungen
des stabilen Gleichgewichts: erstens, dass der auf dem
Stempel lastende äussere Druck gleich dem Druck der ge-
sättigten Dämpfe für die gegebene Temperatur ist; zweitens,
dass bei der Vergrösserung (resp. Verkleinerung) des Dampf-
raumes der Dampfdruck nicht grösser (resp. kleiner) wird,
als der äussere Druck. Der Druck kann also bei der Ver-
grösserung des Dampfraumes entweder constant bleiben oder
kleiner werden. Auf Grund dieses Satzes können wir nun
die Beziehung zwischen der Zusammensetzung der Flüssig-
keit und der des Dampfes aufstellen.
Erster Fall. Die Dampfspannungscurve steigt, ds/dp > 0,
wo s die Spannkraft, p der Procentgehalt der Flüssigkeit
A im Gemische ist Dabei sei der Dampfraum zunächst un-
endlich klein gedacht. Wenn dann derselbe vergrössert wird,
so muss s ^ s , folglich p ^ p\ oder wenn A und B die
gegebenen Mengen der Flüssigkeiten sind, so muss A/B^ ÄjB ',
wo Ä und B' die Fltissigkeitsmengen nach der Vergrösserung
des Dampfraumes, oder Aj B ^A — aj B — b, wo a und b
die Mengen der Flüssigkeiten in Dampfform, folglich A'jB'
^a/b.
Zweiter Fall. Hat man eine fallende Curve (dsjdp<0),
so muss:
sein.
Digitized by Google
D. Konowalow.
49
Dritter Fall. Geht nun dsjdp von > 0 zu < 0, oder
umgekehrt über, so muss an der Stelle, wo es Null wird:
B ~~~ b
sein. Folglich: Jede Mischung, der ein Minimum
oder Maximum der Spannkraft entspricht, hat —
bei der betreffenden Temperatur — dieselbe Zu-
sammensetzung, wie Lhi Dampf. Hieraus ergibt sich,
dass die Flüssigkeitsgemische, bez. ihrer Destillation in drei
scharf unterschiedene Gruppen zerfallen.
A. Gemische, deren Spannungscurve weder ein Mini-
mum, noch ein Maximum besitzt. Bei ihnen braucht kein
Mischungsverhältniss zu existiren, dessen Zusammensetzung
mit der seines Dampfes identisch ist. Existirt es thatsäch-
lich nicht — und dies zeigt die Erfahrung (s. u.) — so wird
sich bei dem Verdampfen die Zusammensetzung fortwährend
ändern, und folglich ändert sich auch fortwährend bei con-
stant gehaltener Temperatur die Spannkraft, bei constan-
tem äusserem v Druck die Siedetemperatur : es gibt kein
constant siedendes Gemisch. Von welchem Mischungsver-
hältnisse man auch ausgehen möge; das Endresultat einer
fortgesetzten (wiederholten) Destillation ist stets, dass die
Flüssigkeit von höherer Spannung rein übergeht, die von
kleinerer Spannung rein zurückbleibt.
B. Gemische, deren Spannungscurve ein Maximum be-
sitzt. Bei der Verdampfung unter constanter Temperatur
bleibt eine Flüssigkeit zurück, deren Spannkraft und Zu-
sammensetzung sich von der des Maximums entfernt. Der
zuerst gebildete Dampf liegt folglich näher am Maximum.
Umgekehrt: bei constantem Druck, bei der Destillation, ent-
fernt sich der Rückstand von der Zusammensetzung, die zur
minimalen Siedetemperatur gehört. Das erste Destillat nähert
sich ihr. Daraus folgt: erstens, destillirt man diese erste
Portion nochmals und fährt mit den successiven Destillaten
in derselben Weise fort, so erhält man endlich ein Destillat
von minimaler Siedetemperatur, und dies ist ein constant
siedendes Gemisch. Zweitens, destillirt man das Gemisch
Ann. dL Phys. u. Chem. N. F. XIV. 4
Digitized by Google
50
■
D. Konowalotc.
weiter, so erhält man endlich einen Rückstand, der nur noch
eine der beiden Flüssigkeiten enthält. Welche dies ist, hängt
von der ursprünglichen Zusammensetzung der Mischung ab.
Sie ist dadurch bestimmt, dass die letztere zwischen ihr und
der Mischung mit maximaler Spannkraft liegt. Unter den
von mir untersuchten Flüssigkeiten gehören zu dieser Gruppe
Propylalkohol und Buttersäure. Dass der erstere, mit
Wasser im Yerhältniss 77 zu 23 (ungefähr) gemischt, ein
constant siedendes Gemisch bildet, ist bereits seit lange be-
kannt. Derselben Zusammensetzung entspricht das Maximum
in der Spannungscurve.
Die Destillation der mit Wasser gemischten Buttersäure
habe ich selbst untersucht. Eine Mischung von etwa 17%
Säuregehalt begann bei 99,8° zu sieden. Das zuerst über-
gehende Destillat enthielt circa 20 °/0 Buttersäure, eine spä-
tere Probe nur noch circa 14°/0(bei 99,9°) endlich stieg die
Temperatur bis 100° und gleichzeitig wurde aus dem Rück-
stand durch Chlornatrium keine Buttersäure abgeschieden.
Derselbe bestand also bereits nach der ersten Destillation
aus fast reinem Wasser, obwohl die Siedetemperatur des
letzteren 63° unter der der Buttersäure (163°) liegt. Um die
Mischung von maximaler Spannung zu erhalten, wurde der
Process wiederholt, in dem jedesmal die erste Hälfte des
Destillats der neuen Destillation unterworfen wurde. Bei
der dritten Destillation gingen bereits 9/i0 der Flüssigkeit mit
constanter Zusammensetzung von 25% Säuregehalt und bei
der constanten Temperatur 99,5° über.
Es wurde ferner ein Gemisch von ca. 40 % Säuregehalt
der Destillation unterworfen. Die Temperatur stieg von
99,6 bis 163°, und der Rückstand bestand aus reiner Butter-
säure.
C. Gemische, deren Spannungscurven ein Minimum be-
sitzen. Aus Ueberlegungen, die den vorstehenden ganz ähn-
lich sind, folgt, dass nach fortgesetzter Destillation der Rück-
stand endlich die Zusammensetzung von minimaler Spann-
kraft hat, das endliche Destillat aber, wenn man, wie oben,
stets die zuerst übergehende Portion der neuen Destillation
unterwirft, aus derjenigen ungemischten Flüssigkeit be-
Digitized by
D. Konowalow. 51
steht, die mit der ursprünglichen Mischung auf derselben
Seite der Minimalmischung liegt. Dies ist der Fall bei der
Ameisensäure, welche, wie bereits oben angegeben, nach
Roscoe im Verhältniss von 77,5°* mit 22,5 °/0 Wasser ge-
mischt bei 107,1° C. siedet. Dieses Mischungsverhältniss ent-
spricht dem Minimum der Spannkraft.
In der folgenden Tabelle habe ich alle anderen mir be-
kannten constant siedenden Gemische nebst ihren Siedetem-
peraturen und denen ihrer Bestandtheile zusammengestellt.
Zuaammer
UKtZUDg de«
Siedetemperatur
Siedetemperatur
Siedetemperatur
Gern
isches
d. ernten Bert.
d. zweiten Best
d. Gemisches
110°
126
127
107,1
- 2
120,5
85,5
43
HCl, HsO . .
HBr, H,0 . .
HJ, H.,0 . . .
H,C02, H20 .
CH3/U '
HN03, HsO .
C8H80, H.0 .
CAO, CS, •) .
< - 20°
< - 20
< - 20
99,9
< - 20
86
97,4
78,3
100°
100
100
100
- 21
100
100
48
Es zeigt sich, dass bei allen die Siedetemperatur des
Gemisches entweder grösser oder kleiner, als die jedes Be-
standtheiles ist, d. h. dass ihre Spannungscurven sämmtlich
ein Minimum oder ein Maximum besitzen. Die bis jetzt
vorliegenden Erfahrungen führen demnach zu dem Satz, dass
die Existenz eines solchen Punktes nicht nur die ausreichende,
sondern auch die nothwendige Bedingung für das Vorhanden-
sein eines constant siedendes Gemisches bildet. Man hat
diesen Gemischen früher eine einfache moleculare Zusammen-
setzung zugeschrieben und sie als Hydrate bezeichnet. Doch
hat schon Roscoe3) gezeigt, dass sich ihre Zusammensetzung
mit dem Druck ändert, unter welchem sie destillirt werden.
1) Friedel, Bull. Soc. Chim. 24. p. 160. 1875.
2) Bcrthelot, Compt. rend. 67. p. 430. 1868.
3) Roscoe, Jahresber. f. Ch. p. 235. 1862. — Lieb. Ann. 112.
p. 327. 1859 iL 110. p. 203. 1860.
4*
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52
H. Helmholtz.
Dasselbe ergeben raeine Beobachtungen für die Buttersäure.
Es ist» demnach unmöglich, dass diese Gemische im allge-
meinen nach einfachen molecularen Verhältnissen zusammen-
gesetzt sind.
Phys. Inst. d. Univ. Strassburg i. E., Juli 1881.
V. lieber eine electrodynanvteche Wage;
von H. Helmholt».1)
Um die durch die Veränderungen der Richtung und In-
tensität des Erdmagnetismus verursachten Störungen- bei der
Messung galvanischer Ströme durch ihre electromagnetische
Wirkung zu vermeiden, habe ich mich bemüht eine electro-
dynamische Wage zu construiren. An den Enden des Bal-
kens einer kleinen chemischen Waage habe ich statt der
Schalen ' zwei Spiralen von Kupferdraht aufgehängt, deren
Höhe ihrem inneren Durchmesser gleich ist. Ihre Axe ist
vertical, sie können sich um dieselbe nicht drehen. Zwei
grössere, ebenso hohe Spiralen von grösserem Radius werden
in einer festen Stellung von einem horizontalen Metallstabe
gehalten, der in seiner Mitte an der die Wage tragenden
Säule befestigt ist. Die Verbindungen der Drähte sind der-
art angeordnet, dass die eine der beweglichen Spiralen von
der festen angezogen, die andere abgestossen wird. Beide
feste Spiralen liegen etwas oberhalb der beweglichen. Die
angezogene Spirale hebt sich, die abgestossene sinkt beim
Durchleiten des Stromes durch den Schliessungskreis.
Bei der Construction einer solchen Wage sind zwei
Schwierigkeiten zu überwinden. Erstens muss der Strom in
die beweglichen Spiralen ohne Verminderung ihrer Beweg-
lichkeit und ohne Einführung schwach aneinander gepresster
Contact stellen, wodurch der Widerstand verändert würde, ein-
geführt werden. Diese Schwierigkeit Hess sich in sehr befrie-
digender Weise durch Anwendung von Rauschgold beseitigen.
Etwa 30 cm lange und 6 — 7 mm breite Streifen hiervon sind
1) Aus Proceedings of the London Roy. Soc. 1881. April 7.
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H. Helmholtz. 53
sehr biegsam, zeigen keine innere Reibung, haben einen sehr
massigen Leitungswiderstand und werden infolge ihrer relativ
grossen Berührungsfläche mit der Luft nicht leicht erhitzt.
Jede der beweglichen Spiralen wurde mit den anderen den
Strom leitenden Drähten durch zwei solche Streifen verbun-
den, welche von den am oberen Theil des Glaskastens der
Wage befestigten Messingstücken herunterhängen.1)
Die zweite Schwierigkeit ist die Spiralen in eine solche
Lage zueinander zu bringen, dass weder die Stabilität noch
die Empfindlichkeit der Wage beeinträchtigt wird. Hierzu
darf die Intensität der electrodynamischen Kraft während
der gewöhnlichen kleinen Schwingungen der Wage sich
nicht zu sehr ändern. Diese Kraft ist bekanntlich Null, wenn
die Mitte der beweglichen Spirale in einer Höhe mit der der
festen liegt, sodann bei unendlicher Entfernung beider Spi-
ralen von einander. Zwischen beiden Lagen existirt ein
Maximum der Kraft, welches nahezu der Coincidenz der
oberen Fläche der einen mit der unteren Fläche der anderen
Spirale entspricht. Zwischen der centralen Lage und den
Lagen der Maximalwirkung ist der Differentialquotient der
Kraft bei wachsendem Abstand der Mittelpunkte der Spi-
ralen positiv und wird bei Ueberschreitung der Lage der
Maximalwirkung negativ. Bei unendlicher Entfernung wird
er wieder Null. Zwischen der Lage der Maximalwirkung
und der unendlichen Entfernung muss es also eine Lage
geben, wo der negative Differentialquotient der Kraft ein
Maximum hat, und der zweite Differentialquotient Null ist.
Diese Lage muss man den Spiralen geben. Da stets der
Abstand des einen Spiralenpaares um ebenso viel vermindert
wird, wie der des anderen vermehrt wird, so hängt die Ver-
änderung der Kraft nur vom zweiten Differentialquotienten
ab. Ist derselbe positiv, so erzeugt der Strom ein labiles
Gleichgewicht; ist er negativ, so wird die Stabilität der
1) Solche Streifen von Rauschgold, durch welche ein Strom geleitet
wird, und die zwischen die Magnetpole gehängt werden, können sehr gut
zur Demonstration der Wirkung des Magnets auf bewegliche Leiter
dienen. Sie werden angezogen, abgestossen, gegen die Schwere gehoben,
oder in Spiralen um den Magnet gewickelt, je nach der Lage des letzteren.
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54
V. Strouhal u. C. Barus.
"Wage vermehrt; d. h. sie ist mit Strom weniger empfindlich
als ohne Strom. Werden die Spiralen auf die richtige Ent-
fernung gebracht, so wird weder die Empfindlichkeit noch
die Stabilität der Wage geändert, und auf diese Weise kann
man die richtige Stellung finden.
Ist der Apparat gut eingestellt, so ist der Fehler,
welcher bei der Einstellung der Wage gemacht werden kann,
nicht grösser als ein Milligramm. Da die durch den Strom
ausgeübte Kraft dem Quadrat der Intensität proportional
ist, so bestimmt man die Intensität eines Stromes, welcher
durch ein Gramm äquilibrirt wird, bis auf 72000- Die
Kraft, welche der electrodynamischen Kraft entgegenwirkt
und sie misst, ist allein die Schwere und keinen Schwan-
kungen unterworfen, wie der Erdmagnetismus oder die Elas-
ticität eines gedrillten einfachen oder bifilaren Drahtes, an
welchem solche Spiralen aufgehängt sind.
Die Bestimmungen der electrodynamischen Aequivalente
des einem Gegengewicht von 1 g entsprechenden Stromes,
welche durch verschiedene Beobachter während des letzten
Jahres angestellt wurden, haben eine sehr befriedigende
Uebereinstimmung ergeben.
VT. lieber die Aenderung der thermoelectrischen
Stellung des Eisens und des Stahls durch Magne-
tisirung; van V. Strouhal und C. Barus.
Es liegen bereits viele Thatsachen vor, welche beweisen,
dass die Molecularstructur des Eisens und des Stahls
durch Magnetisiren eine je nach der Magnetisirungsrich-
tung im allgemeinen verschiedene Aenderung erfährt, und
dass infolge dessen auch alle durch die Molecularstructur
bedingten Eigenschaften, wie das thermische und galva-
nische Leitungsvermögen und das thermoelectrische
Verhalten des Eisens und des Stahls, ebenfalls geändert
werden. In Betreff des galvanischen Leitungs Vermögens
sind die Versuche von Beetz1) als diejenigen hervorzuheben,
1) Beetz, Pogg. Ann. 128. p. 202. 1866.
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V. Strouhal it. C Bants.
55
welche gegenüber den vielen früheren, einander zum Theil
widersprechenden Versuchen anderer Beobachter1) entschei-
dende Resultate auf diesem Gebiete geliefert haben, und
zwar in dem Sinne, dass bei longitudinal magneti-
sirten Drähten eine Zunahme des Widerstandes (von
etwa 0,03 bis 0,06 Proc.) eintritt, dass dagegen bei
transversal magetisirten Drähten eine Widerstands-
änderung (die grösser wäre als etwa 0,0005 Proc.) nicht
nachweisbar ist. In Betreff des thermoelectrischen
Verhaltens müssen noch die ersten und zugleich die ein-
zigen über diese Frage angestellten Versuche von Thom-
son2) als massgebend hingestellt werden, aus welchen eine
Aenderung in dem Sinne sich ergibt, dass ein longitu-
dinal magnetisirter Draht electropositiver , ein
transversal magnetisirter electronegativer wird, so-
dass also der Thermostrom durch heiss vom unmagnetischen
zum longitudinal magnetischen, beziehungsweise vom trans-
versal magnetischen zum unmagnetischen Drahte fliesst.
Diese Thatsachen werden von besonderer Wichtigkeit
bei Beurtheilung der Frage, in wie fern man das Maass
für den Härtegrad des Eisens und des Stahls, das wir
für den unmagnetischen Zustand der Drähte angewandt
haben3), auch auf den magnetischen Zustand derselben aus-
dehnen darf. Wenn der Härtegrad eines Drahtes durch
seinen galvanischen Widerstand und seine thermoelectrische
Stellung gemessen werden soll, und wenn durch Magnetisiren
diese beiden Eigenschaften sich beträchtlich ändern würden,
wobei doch der Härtegrad keine Aenderung erfährt, so
müsste man wohl eine solche Wahl des Maasses für nicht
zweckmässig erklären oder wenigstens zwischen den beiden
Zuständen, dem magnetischen und unmagnetischen, streng
unterscheiden.
Was zunächst den transversalen Magnetismus be-
trifft, so ist derselbe nach den Beobachtungen von Beetz
1) Eine Zusammenstellung und theilweise Kritik dieser Versuche ent-
hält Gr. Wiedemann, Galv. 2, a. p. 586.
2) W.Thomson, Phil. Trans. 8. p.722. 1856.
3) Strouhal u. Barus, Wied. Ann. 11. p. 930. 1880.
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56
V. Strouhal u. C. Bants.
auf den galvanischen Leitungswiderstand ohne Ein-
fluss. Da sonst die thermoelectrische Stellung in
der Veränderlichkeit gleichen Schritt hält mit dem gal-
vanischen Leitungsvermögen, so sollte man erwarten,
dass auch das thermoelectrische Verhalten durch den
transversalen Magnetismus keine Aenderung erfährt, und
dass somit die Beobachtungen Thomson's vielleicht auf
andere Ursachen zurückzuführen wären.
Praktisch wichtiger als der transversale ist der longi-
tudinale Magnetismus. Der Einfluss einer longitudinalen
Magnetisirung auf den Leitungswiderstand ist indessen nach
den Beobachtungen von Beetz doch nur ein sehr kleiner,
indem er im ungünstigsten Falle etwa ein halbes Zehntel
Procent beträgt und beim Stahl wahrscheinlich noch kleiner
als beim Eisen ist. Auf den Härtezustand übertragen, würde
diese Veränderung einem so geringen Unterschied im Härte-
grade entsprechen, dass derselbe praktisch kaum von Bedeu-
tung ist. Man kann somit, trotzdem dass der Leitungswider-
stand eines Stahldrahtes durch longitudinale Magnetisirung
sich ändert, denselben doch als Maass des Härtezustandes
beibehalten, da eben diese Aenderung von nur sehr geringem
Betrage ist.
Was das thermoelectrische Verhalten betrifft, so ist fol-
gender Umstand besonders hervorzuheben. Bei Verände-
rungen des Härtezustandes eines Stahldrahtes ändert sich
sein Leitungswiderstand und seine thermoelectrische Stellung
gleichzeitig, und zwar in dem Sinne, dass bei wachsendem
Widerstände der Draht thermoelectrisch negativer wird.
Es ist bemerkenswerth, dass beim Magnetisiren eine Verän-
derung im entgegengesetzten Sinne eintritt, indem durch
Magnetisirung der Widerstand des Drahtes (nach Beetz)
zunimmt, der Draht selbst dagegen (nach Thomson)
electropositiver wird. Mit anderen Worten: Bei Unter-
schieden im Härtezustande fliesst der Therniostrom heiss vom
schlechter leitenden zum besser leitenden Drahte,
dagegen bei Unterschieden im magnetischen Znstande umgekehrt
vom besser leitenden zum schlechter leitenden.
Dieses auffallende Verhalten einerseits, sowie noch mehr
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V. Strouhal u. C. Bants.
57
der Umstand, dass Thomson's Versuche bloss qualitativ
gewesen, für uns dagegen quantitative Angaben über den
Betrag der Veränderung der thermoelectrischen Stellung
durch Magnetisirung sehr erwünscht waren, veranlasste uns,
eine Wiederholung des Thomson'schen Versuches anzustellen.
Ein ausgeglühter Eisendraht, etwa 0,8 mm dick und
400 mm lang, mit seinen beiden Enden an Kupferdrähte an-
geklemmt, wurde sammt einem der beiden Knpferdrähte
durch eine Magnetisirungsspule gesteckt und in deren Axe
befestigt. An beiden Seiten der Spule, in möglichster Nähe
derselben, befanden sich zwei doppelt tubulirte, mit Petroleum
gefüllte Ballons, in denen die beiden Endstellen des Drahtes
auf verschiedene Temperaturen t und T gebracht wurden.
Im übrigen war die Anordnung des Versuchs, sowie die Be-
obachtungsmethode dieselbe wie bei unseren früheren ther-
moelectrischen Bestimmungen1), und es möge deshalb zur
Vermeidung weitläufiger Beschreibungen dahin verwiesen
werden.
Die Magnetisirungsspule, 223 mm lang, enthielt 10 Lagen
von je etwa 55 Windungen eines nahe 3 mm dicken Kupfer-
drahtes.
Als Stromquelle wurde eine Siemens'sche dynaraoelec-
trische Maschine angewandt. Die Stromstärke, an einer
Tangentenbussole gemessen, ergab sich bei den angewandten
Widerständen im Mittel als:
Bezeichnet bei einer Magnetisirungsspirale a die halbe
Länge, r den Halbmesser einer Windungslage, n die Anzahl
der Windungen, und ist ferner b die halbe Länge des zu
magnetisirenden £)rahtes, so berechnet sich die magne-
tische Scheidekraft Xb einer Windungslage auf
den äussersten Punkt (im Abstände b von der Mitte)
des Eisendrahtes als:
1) Strouhal u. Barus, Uebcr Anlassen des Stahls. Würzburg 1880.
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58
V. Strouhal u. C. Bants.
und die mittlere Scheidekraft X einer Windungslage
auf den ganzen Eisendraht als:
X= ^[V(a + *)* + r» - W- £)2T^].
Für unsere Spule ergibt die Rechnung, für alle Windungs-
lagen ausgeführt, die Zahlen:
2Xb = 350 m,g'2 , SX = 5280 mf* •
mm • sec min /? sec
Diese Zahlen berechtigen wohl zu der Annahme, dass
der Eisendraht dem Zustande der vollen magnetischen Sät-
tigung wenigstens sehr nahe gewesen.1)
Die Bestimmung des magnetischen Einflusses auf die
thermoelectrische Stellung des Eisendrahtes geschah nun in
der Weise, dass zuerst eine Beobachtungsreihe ohne Strom,
dann mit Strom, dann wieder zur Controle ohne Strom aus-
geführt und jedesmal fünf Bestimmungen der thermoelectri-
schen Kraft e (im compensirten Zustande, Einheit Siemens-
Weber) angestellt wurden. Die Drahtleitung vom Beobach-
tungszimmer zum Thermoelement bestand aus Kupferdraht
einer und derselben Sorte, sodass in dieser Leitung ein Auf-
treten fremder electromotorischer Kräfte nicht zu befürchten
war. Das Thermoelement mit der magnetisirenden Spule
befand sich in einem vom Beobachtungszimmer sehr entfern-
ten Locale, sodass ein directer Einfluss der Magnetisirungs-
spule auf das sehr empfindliche Sauerwald'sche Galvanoskop,
1) Die grösstc mittlere Scheidekraft, welche Ruths (Ueber den Mag-
netismus weicher Eisencylinder. Dortmund 1876. Beibl. 1. p.65) bei seinen
Untersuchungen über das Verhalten des temporären Magnetismus angewandt
hat, war X = 400 bei Eisendrähten und X = 1470 bei Stahldrähten. Die
Drähte befanden sich dabei im homogenen magnetischen Felde. Letzteres
war bei unserer Anordnung nicht der Fall, indem die magnetische
Scheidekraft für den äussersten Punkt des Eisendrahtes 350, für den
mittleren Punkt dagegen 9400 gewesen ist. Gegenüber diesen grossen cen-
tralen Kräften und der grossen durch sie bedingten magnetischen Induc-
tion erscheint jedoch die obige Annahme der genäherten magnetischen
Sättigung auch für den äussersten Punkt des Eisendrahtes nicht unbe-
rechtigt
Digitized by Google
V. Stroukal u. C. Bants.
59
an welchem die Compensation des Thermoelementes durch
einen Zweigstrom des DanielTschen Elementes beobachtet
wurde, nicht nachweisbar war.
Im Folgenden sind die Resultate der erwähnten drei Be-
obachtungsreihen zusammengestellt. Der Berechnung der
electromotorischen Kraft e aus den Temperaturen T und t
wurde die Formel:
e^a{T-t)^b{Tn--t%)
zu Grunde gelegt. Nach dieser wurden bei der I. und
III. Reihe die Constanten a und b ermittelt und aus den
Mittelwerthen derselben für das Element: Kupfer — unmag-
netisches Eisen wurden bei der II. Reihe für die Beobach-
tungstemperaturen üTund t diejenigen Werthe von e berechnet,
welche dem unmagnetischen Eisendraht entsprechen würden.
Diese Werthe sind in der Zusammenstellung in Klammern
den wirklich beobachteten beigefügt.
t
T
1 «.10»
beobachtet
e . 10 3
berechnet
Diff.
I. Draht ,
umnagiietisch
15,5
15,4
15,3
15,3
15,2
71,9
60,1
50,0
39,7
31,0
5,938
4,810
3,839
2,755
1,803
t 5,937
4,824
3,824
2,745
1,809
+ 1
-14
15
10
- 6
a.l05= 12,484
Ä.10^-2,24
IL Draht
magnetisch
15,1
15,0
15,0
15,0
14,9
88,6
72,5
58,2
46,2
35,9
7,097
6,093
4,725
3,500
2,416
(7,045)
(6,058)
(4,689)
(3,470)
(2,384)
52
35
36
30
32
TJI. Draht <
uii magnetisch
i
14,8
14,8
14,8
14,7
14,7
90,8
79,3
67,8
54,0
45,4
7,724
6,694
5,644
4,303
3,428
7,708
6,707
5,645
4,307
3,423 i
16
-13
- 1
a.l05= 12,487
6.107=:-2,22
Die Vergleichung der beobachteten electromotorischen
Kräfte: Kupfer-Eisen magnetisch mit den aus den Con-
stanten a und b berechneten Kräften: Kupfer-Eisen
unmagnetisch ergibt eine Bestätigung der Beobachtungen
von W. Thomson. Ein longitudinal magnetischer
Eisendraht ist thermoelectrisch positiver als ein
unmagnetischer.
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60
V. Strouhal u. C. Barus
Indessen sind die Abweichungen verhältnissniässig gering
und gehen bei den angewandten Temperaturen in diejenigen
Decimalstellen ein, welche auch schon durch Beobachtungs-
fehler theilweise beeinflusst werden. Mit Rücksicht auf
diesen Umstand würden sich die Constanten des Thermo-
elements unmagnetisches — magnetisches Eisen aus den vor-
liegenden Beobachtungsreihen nicht mit befriedigender Sicher-
heit ableiten lassen.
Wir haben deshalb noch andere Beobachtungen bei
grösseren Temperaturdifferenzen in der Weise angestellt, dass
die Temperaturen t und T möglichst constant gehalten und
die thermoelectrische Kraft e abwechselnd bei geschlossenem
und unterbrochenem Strome bestimmt wurde. Wenn bei
unterbrochenem Strome bei passender Wahl der Widerstände
der Thermostrom durch einen Zweigstrom des Danieirschen
Elementes compensirt wurde, und somit das Spiegelgalvano-
meter keinen Ausschlag ergab, so zeigte sich bei geschlosse-
nem Strome sofort ein bleibender Ausschlag des Spiegel-
galvanometers, und zwar im Sinne einer Zunahme des Ther-
mostromes. Dass man es hier mit wirklichen Aenderungen
der thermoelectrischen Stellung zu thun hatte und nicht etwa
mit anderen Einflüssen, welche jenen Ausschlag bedingt
hätten, dafür stimmt der quantitativ regelmässige Verlauf
der Abweichungen bei Anwendung verschiedener Tempera-
turen T. Als solche wurden gewählt die Siedetempera-
turen von Wasser und Anilin und die Schmelztem-
peratur von Blei.
Im Folgenden sind die Mittelwerthe angeführt, wie sie
sich bei den drei angewandten Temperaturen aus vielen ab-
wechselnd vorgenommenen Beobachtungen bei offenem und
geschlossenem Strom ergeben haben. Für die Differenzen
der electromotorischen Kraft e bei offenem und geschlosse-
nem Strome sind auch die Constanten a und b des Elementes
unmagnetisches — magnetisches Eisen berechnet.
Die Variation der thermoelectrischen Constante a des
Eisens durch Magnetisirung beträgt somit 0,037. Nun er-
reicht die Variation dieser Constante beim Stahl durch
Härten und Ausglühen den Werth 13,5.
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V. Strouhal n. C. Bants.
61
t
T
e . 103 , o.lO3
beobachtet berechnet
Dift.
>
._
L Draht |
unmagnetisch |
16,5
15,4
17
99,2
184,0
328
8,26
13,22
12,35
8,28
13,17
12,40
-2
+ 5
-5
a.l0»*= 13,05
b 107=-2 62
n. Draht J
magnetisch |
16,5
1 s
17
99,2
184,0
328
8,30
io,r>rr
12,62
8,32
12,67
-2
+ 6
-5
a.l05= 13,08
6.107=-2,61
Element: |
unmagnet. — J
magnetisches |
Eisen
16,5
15,4
17
99,2
184,0
328
0,042
0,119
0,267
0,044
0,111
0,272
-2
+ 8
-5
a.l05= +0,037
&.107= +0,015
Also selbst in dem Falle, dass sich Stahl betreffs Mag-
netisirung quantitativ gleich verhalten würde — was jedoch
nach Thomson's Beobachtungen nicht der Fall ist — würde
die Variation durch Magnetisirung gegenüber der Gresammt-
variation durch Härtung nur den verhältnissmässig kleinen
Betrag von wenigen Zehnteiprocenten bei vollständiger mag-
netischer Sättigung erreichen. Falls es sich — wie prak-
tisch immer — nur um den permanenten Magnetismus han-
delt, ist dieser Betrag noch beträchtlich kleiner, sodass gegen
die Anwendung der thermoelectrischen Constante als Maass
des, Härtezustandes auch für magnetische Drähte kein Be-
denken entsteht. Immerhin bleibt es bemerkenswerth , dass
in der That der Thermostrom bei magnetischen
Unterschieden in entgegengesetztem Sinne fliesst
als bei Härteunterschieden, nämlich vom besseren
zum schlechteren Leiter, was wohl die Verschieden-
artigkeit der die Erscheinung bedingenden Ursachen charak-
terisirt.
Würzburg, Physikal. Inst., 10. Juni 1881.
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62
J. Moser
VII. Der Kreisprocess 9 erzeugt durch den Beae-
tionsstrom der electrolytischen Veberführung und
durch Verdampfung und Condensation;
von James Moser.
(Aus den Nova Acta der k. Leop.-Carol.-Deutsch. Acad. der Natiirforsch.
Bd. 41. Th.I. Nr. 1; mitgeteilt vom Hrn.* Verf.)
§ 1. Der ßeactionsstrom der Ueberführung.
Zur Erlangung einer klaren Uebersicht über das Gebiet
der electromotorischen Kräfte der galvanischen Ketten ist
vor allem die Frage zu stellen und zu beantworten, inwie-
weit die electromotorische Kraft einer Kette chemischer An-
ziehungskraft und inwieweit der Anziehungskraft zwischen
dem Wasser und den darin gelösten Verbindungen entspricht.
Indem ich letztere beiden Kräfte einander gegenüber stelle,
folge ich der gegenwärtigen Auffassung, die zwar beide Kräfte
gemeinsam als Ursache von thermischen und electrischen
Wirkungen, von Volumenänderungen u. s. w. betrachtet, aber
unterscheidet zwischen chemischer Anziehungskraft einerseits,
welche die verschiedenen Elemente nach dem Gesetz der
multiplen Proportionen verbindet, und der Anziehungskraft
andererseits, welche die gelösten Substanzen gleichmässig im
Wasser in beliebiger Proportion vertheilt.1)
Die Aufgabe ist also, die Wirkungen dieser beiden
Kräfte zu trennen. Es ist entweder eine galvanische Kette
herzustellen, in welcher nur chemische Anziehungskraft, oder
eine Kette, in welcher nur die Anziehungskraft zwischen dem
Wasser und den gelösten Substanzen stromerzeugend wirkt.
Beobachtungen an Ketten der letzteren dieser beiden
Arten will ich zunächst mittheilen. In der vorliegenden Ab-
handlung jedoch wird nur von Ketten, in welchen gar keine
chemischen Differenzen bestehen, und erst in einer folgenden
1) Diese Gegenüberstellung zeigt, wie misslich die gegenwärtige An-
nahme einer Verschiedenheit der beiden Kräfte ist. Die Frage nach der
Einerleiheit derselben, welche mit der vielfach erörterten nach der
Existenz constanter Hydrate in wässerigen Lösungen zusammenfallt, ist
jedoch noch durch Versuche zu entscheiden.
V
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J. Moser.
63
von Ketten, in denen die Wirkungen vorhandener chemischer
Differenzen sich aufheben, die Rede sein.
Bei der Herstellung einer Kette, in welcher nur die An-
ziehungskraft zwischen dem Wasser und der gelösten Sub-
stanz die treibende Kraft ist, waren also alle chemischen
Processe auszuscheiden. Es durften nur Verschiedenheiten
der Concentration vorhanden sein oder Aenderungen derselben
während des Stromes eintreten. Ebenso mussten zur Elimini-
rung aller chemischen Wirkungen die Electroden aus dem-
jenigen Metall bestehen, welches sich in der Lösung befand.
Zwei Gläser mit verschieden concentrirten Lösungen
desselben Salzes wurden durch einen Heber verbunden und
durch eine metallische Leitung mit den eben erwähnten
Electroden der Kreis geschlossen. Dann beobachtete ich in
allen untersuchten Fällen, bei Zink-, Kupfer-, Eisen-, Silber-
salzen, der Schwefel-, Salz-, Salpeter-, Essigsäure und vielen
anderen, dass die Anziehungskraft zwischen dem Salz und
dem Wasser allein und ganz analog der von ihr immer ge-
trennt betrachteten chemischen Anziehungskraft einen Strom
erzeugt, der gesetzmässig, in allen Fällen übereinstimmend,
in der Flüssigkeit von der verdünnteren zur concentrirteren
Lösung geht.1) Sein Schema ist:
Zn, verdünntes ZnS04, concentrirtes ZnS04, Zn.
Dieser Strom, der in der verdünnten Lösung Metall auf-
löst, in der concentrirten ausscheidet, dessen Arbeit darin
besteht, dass die Concentrationen sich ausgleichen, verschwin-
det, wenn eine Gleichmässigkeit der Concentration erreicht
ist. Er ist aufzufassen als Reactionsstrom gegen die Ueber-
führung der Ionen, wie der Polarisationsstrom Reactions-
strom gegen den Zersetzungsstrom ist. Denn wird irgend
ein Salz electrolysirt, so wird immer die Lösung an der
Anode concentrirter, an der Kathode verdünnter. Meine
Versuche ergeben, dass dann eine electromotorische Kraft auf-
tritt, welche der der electrolysirenden Batterie entgegenwirkt.
Schon 1804, also 29 Jahre vor Faraday's Entdeckung
der Ueberführung, hat C. F. Buchholz „eine merkwürdige
1) Vorläufige Mitteilung dieses Stromes. Naturf. Vers. München Sept.
1877. Berl. Monatsber. 8. Nov. 1877.
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64
J. Moser.
Absonderung von Zinn in regulinischer Gestalt aus seiner
Auflösung in Salzsäure"1), auf welche er Wasser gegossen
hatte, beobachtet, die durch den Strom bewirkt war, welcher,
wie ich eben zeigte, der Reactionsstrom gegen die Wande-
rung der Ionen ist.
Was die weitere Literatur dieses Gegenstandes betrifft,
so kann ich mich darauf beschränken, auf Hrn. G. Wi e de-
in an h's Galvanismus und ausserdem auf die Arbeit des
Hrn. Bleekrode2) und auf die des Hrn. Paalzow3) zu ver-
weisen.
Im allgemeinen durch Concentrationsunterschiede er-
zeugte Ströme werde ich im Folgenden kurz Concentrations-
ströme nennen.
Die electromo torischen Kräfte der Reactionsströme der
Ueberführung, welche ich bis zu einem Fünftel Daniell beim
Zinkchlorid beobachtete, mass ich nach dem von Hrn. E.
du Bois-Reymond abgeänderten PoggendorfPschen Com-
pensationsverfahren.
Bei meiner Versuchsanordnung (Taf. I Fig. 5) lieferte
den Hauptstrom, dessen Zweigstrom das eine Mal die elec-
tromotorische Kraft der Concentrationskette, das andere Mal
l/M der eines constanten Zink-Kupfer-Elementes compensirte,
ein gewöhnliches Daniell'sches Element, D. Um dieses, wenn
nicht gemessen wurde, leicht auseinander nehmen zu können,
waren neben dasselbe zwei leere Gläser gestellt, eins für
die Thonzelle, das andere für den Zinkcylinder bestimmt.
Von dem Kupferpole dieses Elementes D ging der
Hauptstrom zunächst durch den Brückendraht ab und dann
durch den Schlüssel SD, mittelst dessen dieser Hauptstrom
geschlossen und geöffnet werden konnte, zum Zinkpole des
Daniell zurück.
Der Brückendraht bestand, um feinere Ablesungen an
ihm machen zu können, aus Kupfer. Waren sehr kleine
electromotorische Kräfte zu beobachten, sodass nur ein sehr
kleiner Theil des Daniell zur Compensation erforderlich war,
1) C. F. Buchholz, Gehlen's Journ. 8. 1804.
2) Bleekrode, Pogg. Ann. 142. p. 611. 1871.
3) Paalzow, Pogg. Ann. Jubelbd. p. 643. 1874.
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J. Moser.
65
dann schaltete ich ausserdem noch den Neusilberdraht bc
der Brücke dadurch ein, dass ich in die Klemmschraube des
Schlüssel SD statt des nach b einen nach c führenden Lei-
tungsdraht einfügte.
Bei grösseren Kräften wurde nur dieser Neusilberdraht
angewandt und auf ihm abgelesen.
Zerlegen wir nämlich deri Gesammtwiderstand W im
Hauptstrome in den Theil zwischen Anfang und Ende der
Nebenleitung w und den übrigen R, dann ist die electromo-
torische Kraft des Concentrationsstromes:
Soll der abzulesende Widerstand w für kleine Werthe von e
gross werden, dann muss R gross sein, was durch Hinzu-
fügung des Neusilberdrahtes erreicht wird. Für grössere
Werthe von e wird der Bruch dadurch desto mehr der Ein-
heit genähert, je grösser man tc im Verhältniss zu R macht,
wenn man w also statt am Kupferdraht am Neusilberdraht
der Brücke abliest. .
Die compensirende Nebenleitung dieses Hauptstromes
beginnt am Anfange des Brückendrahtes a, geht zum Schlüs-
sel Sq, mittelst dessen das Galvanometer G ein- und aus-
geschaltet wird, zu diesem Galvanometer und wieder zum
Schlüssel Sq, führt dann zum Pohl'schen Quecksilbercommu-
tator Cp, von diesem durch die zu compensirende Kette zurück,
um beim Schlitten S wieder im Brückendraht zu enden.
Das Galvanometer, an dem ich beobachtete, hatte 20 800
Windungen. Je nach der Stellung des eben erwähnten Com-
mutators Cp wurde das eine Mal die zu bestimmende elee-
tromotorische Kraft e der Concentrationskette k, das andere
Mal eine bekannte electromotorische Kraft e0 compensirt.
Diese Kraft <?0=V9i Daniell wurde in der Weise her-
gestellt, dass von der electromotorischen Kraft eines sehr
constanten Zink-Kupfer-Elementes l/n abgezweigt wurde.
In den Strom dieses Elements Dh wurde mittelst eines
99 Meilen Telegraphendraht haltenden Siemen s'schen Stöpsel-
Ann, d. Phys. u. Chem. N. F. XIV. 5
e =
w + E
D.
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66
J. Mosei\
rheostaten ein Widerstand von 91 Meilen eingeschaltet
und vom Anfang A bis Ende feiner dieser 91 Meilen ein
Nebenstroni, auf welchem die PotentialdifFerenz also sehr nahe
*/91 Daniell betrug, abgezweigt. Dieser Strom ging zum Com-
mutator CP und kehrte, durch die oben beschriebene Neben-
leitung des gewöhnlichen Daniell um das Galvanometer ge-
führt, zum Commutator und nach E zurück.
Bei der Concentrationskette ist darauf zu achten, dass
die Electroden vor jedem Versuche gut ausgeglichen sind,
sodass, wenn sie in derselben Lösung sich befinden, das Gal-
vanometer keinen Strom anzeigt. Ich stelle solche Electro-
den, bei denen es darauf ankommt, dass stets dieselben Stellen
von der Flüssigkeit benetzt werden, jetzt leicht auf folgende
Weise her. Von einem 6 cm langen und 5 mm breiten Blech-
streifen werden die mittleren 4 cm mit Wachskolophonium-
kitt so überzogen, dass sie vollständig (auch an den Kanten)
isolirt sind. Die beiden freien, je 1 cm langen Enden wer-
den gut gereinigt, das eine amalgamirt und an das andere
eine Klemmschraube befestigt. Zwei solche Electroden wer-
den zunächst in ein Glas mit concentrirter Lösung des Sul-
fates des betreffenden Metalles gestellt und der Stromkreis
geschlossen.
Damit der Strom, durch welchen sich die Electroden
ausgleichen, möglichst grosse Intensität habe, muss die
metallische Leitung, welche die Klemmschrauben der Elec-
troden verbindet, kurz sein; es ist daher das Galvanometer
nur während der Ablesung einzuschalten. Nachdem die Elec-
troden in der Sulfatlösung ausgeglichen sind, werden sie ab-
gespült, getrocknet und kommen dann erst in eine concen-
trirte Lösung des zu untersuchenden Salzes und aus dieser,
wieder in geeigneter Weise abgespült, in die verdünnten zu
untersuchenden Lösungen. Hierbei ist ihre Gleichartigkeit
wiederholt zu prüfen. Die erste Ausgleichung ist oft sehr
zeitraubend; weitere oft schon in den verdünnten Lösungen
erreichbar. Einmal ausgeglichene Electroden lasse ich daher
nicht ungeschlossen und nicht lange in verschiedenen Salz-
lösungen stehen. Die Flüssigkeiten befanden sich meist in
Gläsern von 5 cm Durchmesser und ebenso grosser Höhe;
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J Moser
67
in letzter Zeit habe ich auch U-Röhren von 15 min Durch-
messer und 6 cm Höhe angewandt. Als Heber empfehlen
sich 10 mm weite Röhren mit engen, jedoch nicht capillaren
Oeffnungen; dann kann man den gefüllten Heber empor-
heben, ohne das Flüssigkeit ausÜiesst.
In den Concentrationsstrom ist noch ein Rühmkorff scher
Stromwender CB eingeschaltet, der indessen für die in dieser
Abhandlung mitgetheilten Ströme nicht in Betracht kommt.
Nach dieser Methode und mit diesen Apparaten be-
stimmte ich zunächst die zehn electromotorischen Kräfte
zwischen je zwei von fünf Lösungen von Zinksulfat. Ich
stelle in der folgenden Tabelle diese electromotorischen Kräfte
zusammen, wobei die Einheit nahe 0,001 Daniell ist.
Zinksulfat.
100 Th. Löaung
enthalten ZnSO, + 7H20
15%
30%
45^0
60%
15%
30%
45%
18
22
5
28
18
7
3»i
21
17
9
Diese Zahlen zeigen, dass eine Spannungsreihe be-
steht, d. h. dass es nur auf die Concentration der End-
lösungen ankommt. Denn es ist z. B. die electromotorische
Kraft:
zwischen 15 und 30 procentiger Lösung 5,
» 30 60 „ „ n
it 15 „ 60 „ „ 21.
Dieses Gesetz einer Spannungsreihe bestätigte ich dann
dadurch, dass ich beispielsweise fünf Gläser, von denen das
1.. 3., 5. gleich starke Lösung von 45%, das 2. stärkere von
60°yo, das 4. schwächere von 15n;o enthielt, durch vier Heber
hintereinander verband. Ich tauchte die eine Electrode in
Glas 1, die zweite der Reihe nach in 2, 3, 4, 5. Beim Ein-
tauchen dieser zweiten Electrode in Glas 2 und 4 ergaben
si€h jedesmal Ablenkungen, von denen die eine durch die
electromotorische Kraft 9 zwischen 45- und ÖOprocentiger
Lösung, die andere Ablenkung durch die Kraft 13 zwischen
45- und 15procentiger Lösung in entgegengesetzter Richtung
5*
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68
J. Moser.
hervorgerufen wurde. Beim Eintauchen der zweiten Elec-
trode in 3 und 5 erhielt ich keinen Strom, denn die Con-
centrationen der Endlösungen waren gleich.
Ich will hier schon erwähnen, dass zwischen die beiden
Endlösungen auch irgend ein anderes Sulfat geschaltet wer-
den kann, ohne dass sich die electromotorische Kraft ändert.
Diese Versuche machte ich auch an einer Reihe anderer
Salze. So bestimmte ich die fünfzehn electromotorischen
Kräfte zwischen je zwei von sechs Kupfersulfatlösungen.
Kupfersulfat.
B.
C.
I).
E.
F.
A.
10
16
21
25
27
B.
6
11
15
17
C.
5
9
11
D.
~4
«
E.
2
F war eine Lösung, die in 100 Theilen 30 Theile kry-
stallisirten Salzes (CuS04 + 5H20) enthielt. Von dieser
Lösung waren 100 Volumen theile in E mit 3373, in D mit
100, in C mit 300, in B mit 700, in A mit 2900 Volumen-
theilen Wassers versetzt.
Für Chlorzink- und für J odcadmiumlösungen, bei denen
der Gehalt an wasserfreiem Salz der concentrirtesten durch
das specifische Gewicht nach den Tabellen von Hoffmann-
Schädler bestimmt, und deren verdünntere durch geeignete
Mischung dieser concentrirten Lösung mit Wasser hergestellt
waren, ergaben sich folgende Werthe.
Chlorzink. Jodcadmium.
Anode
Kathode
El. Kraft
i in 0,001 D
Anode
Kathode
EL Kraft
in 0,001 D
gr ZnCL auf gr ZnCl, auf
100 gr H^O lOOgr Ü20
gr CdJ., auf gr CdJ2 auf
lOOgr Waas. 100 gr Wass.
1
3
18,1
1
2
4,1
3
5
8,8
2
3
3,0
5
10
12,1
3
5
4,6
10
15
8,0
5
10
6,0
15
20
5,5
10
15
3,1*
20
25
6,2
24,5
15
20
25
50
20
40
10,5
50
75
26,8
40
60
8,0
75
100
24,7
60
80
7,0
100
125
27,9
125
150
30,6
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J. Moser.
69
Durch diese electromotoriscken Kräfte ist die Arbeit
der Ströme direct bestimmt.
§ 2. Theorie des Kreisprocesses, erzeugt durch deu Reac-
tionsstrom der Ueberführung und durch Verdampfung und
Condeneation.
Die Arbeit dieser Ströme könnte indirect gemessen wer-
den durch die W'ärniewirkungen und Volumenlinderungen,
die sich beim Mischen verschiedener Lösungen desselben
Salzes beobachten lassen.
Hr. Helmholtz1) hat indessen einen Kreisprocess, bei
dem die durch den Concentrationsstrom bewirkte Aenderung
der ursprünglichen Concentration durch Dampfentziehung
und -Zuführung wieder rückgängig gemacht wird, theoretisch
untersucht und so die Abhängigkeit der von mir vorher gefun-
denen electromotorischen Kräfte, der Hittorf sehen Ueber-
führungszahlen und der Dampfsjmnnungen der Salzlösungen
voneinander dargestellt, während ich mich mit der Construc-
tion eines Apparates zur Ermittelung der in Betracht kom-
menden geringen Dampfspannungen und mit deren Messung
beschäftigte.
Nach Hrn. Hittorfs Vorgange können wir uns die
Wanderung der Ionen im Wasser bei einem gewöhnlichen
electrolytischen Process, also etwa der Galvanoplastik, auf
folgende Art veranschaulichen.
Vor der Wanderung sei die Anordnung diese:
qw qw qw qw qic \ qic qw qw qw qw
aaaaa\aaaaa
k h k k k \ k k k k k
Hierbei bezeichne a ein Aequivalent des Anions, z. B.
S04, k ein Aequivalent des Kations, z.B. Cu, qw die damit
verbundenen q Gramm Wasser. Nachdem der electrolysi-
rende Strom einige Zeit hindurchgeflossen, sollen sich diese
a, k, qio in folgender Weise gegeneinander verschoben haben.
qw qw qw qw qic \ qw qic qic qw qw
a a a a a \ a a a a a
k k k k k | k k k k k
1) Helmholtz, Berl. Ber. 26. Nov. 1877; Wied. Ann. 8. p. 201. 1878.
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70 J. Moser.
Nehmen wir das Wasser als ruhend an, und fassen wir
besonders die Mitte des Wassers ins Auge, dann verhält
sich im obigen Beispiel die über die Mitte fortgeführte An-
zahl von A äquivalenten des Kations zu der für k und a
gleichen Zahl der freigewordenen Aequivalente wie 1 : 3, die
Zahl der in entgegengesetzter Richtung über die Mitte des
Wassers geführten Aequivalente des Anions zur Zahl der
frei gewordenen wie (3 — 1):3 = 2:3. Ist ein Aequivalent
frei geworden, was durch die electrostatische Stromeinheit
in der Zeiteinheit bewirkt wird, dann ist 7s > allgemein 1/n
Aequivalent Kation und 1 — l/8l allgemein 1 — 1/n Aequi-
valent Anion übergeführt worden.
Diese Zahlen 1/n und 1 — 1/n nennt Herr Hittorf
Ueherführungszahlen des Kations, beziehentlich des Anions.
Für den Kreisprocess betrachten wir diese relative Be-
wegung von «, ä, qw so, dass wir das Anion, insbesondere
die Mitte von a, in Ruhe annehmen. Dann haben sich in
unserem Beispiel, wenn 3 h zur Kathode geführt sind, 2 qio
in demselben Sinne bewegt, d. h. für 1 ä, 2/sqw: Allgemein
für jedes ausgeschiedene Aequivalent sind (1 — 1/n) q Gramm
Wasser zur Kathode geführt worden.
Diejenigen, welche nach Herrn Hittorf über Ueber-
führung gearbeitet haben, wie die Herren G. Wiedemann,
F. Kohl rausch und in der eben erwähnten Abhandlung
Herr Helmholtz, bezeichnen die Hittorfsche Ueberfüh-
rungszahl 1/n mit n. Da ich mich hier letzterer Abhandlung
anschliesse, werde ich auch die Ueberführungszahl (im Bei-
spiel Ys) im Folgenden n nennen. Dann sind also, wenn
ein Aequivalent, und zwar durch die Stromeinheit in der
Zeiteinheit, ausgeschieden ist, q (1 — n) g Wasser übergeführt
worden.
Wir hatten oben gesehen, dass die Arbeit des Reac-
tion8stroms der Ueberführung, welche Arbeit wir jetzt fest-
stellen, in Ueberführung, durch welche sich eine gleichmässige
Concentration herstellt, bestand.
Durch den Concentrationsstrom (Zn, verdünntes S04Zn,
concentrirtes S04Zn, Zn) ist die verdünnte Lösung concen-
trirter, die concentrirte verdünnter geworden. Wenn wir die
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J. Moser
71
ursprüngliche Ungleichheit, deren Abnahme die erhaltene
Stromarbeit entspricht, wieder herstellen wollen, dann müssen
wir eine dieser erhaltenen gleiche Arbeit darauf verwenden,
der concentrirten, verdünnter gewordenen Lösung das zuge-
führte Wasser durch Verdampfen zu nehmen und dieses
Wasser der verdünnten, concentrirter gewordenen, durch
Condensation zurückzugeben. Denn, indem wir den concen-
trirteren, stark Wasser anziehenden Theilen, deren Dampf
geringeren Druck, mithin grösseres Volumen hat, Dampf ent-
ziehen und diesen Dampf den verdünnteren, schwach Wasser
anziehenden Theilen, deren Dampf stärkeren Druck, daher
kleineres Volumen hat, zuführen, leisten wir Arbeit.
Für 1 gr Wasser beträgt diese Arbeit unter der An-
nahme, dass die Wasserdämpfe bei den Temperaturen der
Untersuchung bis zu 30° dem Mariotte-Gay-Lussac'schen
Gesetze folgen, wenn p den Druck des gesättigten Dampfes
über der Lösung, V das Volumen eines Grammes Dampf bei
diesem Druck bezeichnet:
/ Vdv-
k
Die Grenzen «, k sollen andeuten, dass von der ver-
dünnten Lösung an der Anode bis zu der concentrirten an
der Kathode zu integriren ist, welche Endlösungen — dies
sei hier wiederholt — die Grösse der electromotorischen
Kraft bedingen.
Für q(l — n) gr Wasser, welche, wie wir oben sahen,
durch die Stromeinheit übergeführt werden, beträgt diese
Arbeit der Verdampfung und Condensation demnach:
a
ff/ . (1 - Ii) Vdp.
k
Nun ist andererseits die Arbeit des Concentrationsstromes,
wie die jedes electrischen Stromes, in der Zeiteinheit gleich
dem Producte aus Intensität in Potentialdifferenz:
J(Pfc-Pa);
also die der Stromeinheit Pk — Pa.
Für die Arbeit dieser electrostatischen Stromeinheit
haben wir mithin die Beziehung:
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72
J. Moser.
Pk-Pa = fq(l-H)Vdp
k
und demnach für die Arbeit der electromagnetischen Ein-
heit (gr 72 cm Vi ^c-1), wenn @ das Verhältniss dieser
beiden Einheiten ist:
a
© (Pk - Pa) = <g/y (1 - ») Frfp.
k
Bezeichnen wir die electromotorische Kraft eines Da-
nielFschen Elements in electromagnetischem Maass mit:
3l_= 100 5400Ü0cm-^-
u sec*
nach den Bestimmungen des Hrn. F. Weber und die von
mir beobachteten electromotorischen Kräfte, deren Einheit
0.001 D ist, mit A, so wird :
a
(1) A %L - - P.) - e/7(l - n) Krfp.
fe
Diese Gleichung zeigt die Abhängigkeit der electromo-
torischen Kraft des Reactionsstroms der Ueberführung, der
Ueberführungszahl und der Dampfspannung so von einander,
dass wir, wenn zwei derselben gegeben sind, den Werth der
dritten berechnen können.
§.3. Methode und Apparat zur Bestimmung geringer Dampf-
spannungen. Messungen dieser bei wässerigen Salzlösungen.
Zur Ermittelung der noch nicht bestimmten Grössen
dieser Dampfspannungen der wässerigen Lösungen der in Be-
tracht kommenden Metallsalze habe ich einen Apparat con-
struirt, mit dem sich aber nicht nur diese, sondern die
Dampfspannungen irgend einer Flüssigkeit bestimmen lassen.
Princip des Apparats: (Taf. I Fig. 6) Zwei Mano-
meter, von denen das eine m mit Wasser, das andere M mit
der zu untersuchenden Flüssigkeit gefüllt ist, werden durch
ein T-Rohr verbunden. Der dritte Arm dieses T-Rohrs führt
zur Luftpumpe. Es sei bis auf einen geringen Ueber druck
der äusseren Luft evacuirt. Das Wasser befinde sich zwischen
den Niveaux na und ni9 die der Salzlösung seien Na und AJ.
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J. Moser.
73
Die beiden mit einander und mit der Luftpumpe ver-
bundenen Räume der beiden Manometer zwischen den Ni-
veaux Ni und w< nenne ich innere Räume, die abgeschlosse-
nen Räume über Na und na äussere.
Dann hält, da sich die gleichen und entgegengesetzten
Drucke auf die inneren Niveaux beider Flüssigkeiten iV; und
m aufheben, der Druck der Säule Salzlösung zwischen Na und
Ni plus der Spannung des Dampfes über dem äusseren Ni-
veau der Lösung das Gleichgewicht dem Druck der Säule
Wasser zwischen na und rii plus der Spannung des Dampfes
über dem äusseren Niveau des Wassers. So viel der Druck
jener Säule Salzlösung grösser ist, als der Druck dieser Säule
"Wasser, um so viel ist die Spannung des Dampfes über der
Salzlösung kleiner, als die des Dampfes über reinem Wasser.
Beschreibung des Apparates. Der Apparat, mit
welchem ich zuerst beobachtete, bestand aus den beiden Ma-
nometern, welche beide mittelst Schliffstücke durch ein Gabel-
rohr — an Stelle des T-Rohrs — verbunden waren. Der
dritte Arm des Gabelrohrs führte zur Luftpumpe und trug
einen Hahn. Der Evacuirung wegen war jedes der Mano-
meter mit drei Hähnen versehen, und zwar befand sich ober-
halb des inneren Niveau (Taf. I, Fig. 6) einer derselben, die
beiden anderen oberhalb des äusseren Niveau. Die Schenkel
des Manometers waren in Millimeter von gleichem Nullpunkt
aus getheilt. Die Länge des äusseren Schenkels jedes der
Manometer von der Biegung bis zum unteren der beiden
Rähne betrug 500 Millimeter. Der obere Hahn war um
etwa 100 Millimeter vom unteren entfernt. Die innere Weite
der Manometerrohre war über 10 Millimeter.
Um dem Dampfe oberhalb der beiden äusseren Niveaux
•gleiche Temperatur zu geben, wird der Apparat bis über
die unteren Hähne der äusseren Rohre unter Wasser ge-
setzt. Damit die beiden Manometer sich bei der Ablesung
nicht- decken, sind die Schenkel des Gabelrohrs ungleich lang.
Das Lumen dieses Gabelrohrs ist eng, ein bis zwei
Millimeter, um ein Ueberdestilliren des Dampfes vom Wasser
zur Lösung zu erschweren. Dieses Ueberdestilliren wird aber
hauptsächlich verhindert durch die zwischen den inneren Ni-
74
J. Moser.
veaux befindliche Luft. Falls es sich einmal störend erwei-
sen sollte, was bei meinen Versuchen nicht der Fall war,
so wäre es nur nöthig, die Hähne an den inneren Rohren,
nachdem sie ganz kurze Zeit geöffnet waren, und Gleich-
gewicht eingetreten ist, wieder zu schli essen.
Ich evacuire in derselben Weise, wie bei meinen Ver-
suchen „über die Torricelli'sche Leere"1). Es wird zuerst
bis zum oberen Hahn des äusseren Rohres ausgepumpt, dann
der untere geschlossen, sodass zwischen beiden Hähnen sich
ein Vacuum befindet, in welches ich die aus der Flüssigkeit
aufsteigenden Luftblasen einlassen kann. Der vollkommneren
Evacuirung wegen nehme ich dann die ausgepumpte Mano-
meterröhre, nachdem sämmtliche Hähne geschlossen sind,
von dem Gabelrohr und koche aus, indem ich die Röhre ge-
neigt in eine Schale erwärmten Wassers tauche. So kann
ich die Luft so gut entfernen, dass die ganze Säule von 500
mm Länge haftet und selbst bei starker Erschütterung der
Röhre nicht herabfällt. Ich hatte Gelegenheit, meine eben
angeführten Beobachtungen zu wiederholen: Ist alle Luft
entfernt, dann haftet die Flüssigkeit am Manometer, und
haftet sie nicht, dann ist Luft vorhanden.
Um diese geringen Spuren von Luft, so gut es ging, oft
und leicht entfernen und bei Beobachtungsreihen immer ver-
schieden auf die beiden Manometer vertheilen zu können,
habe ich dem Apparat für die Bestimmung der Dampfspan-
nung der Salzlösungen eine etwas abgeänderte Form (Taf. I,
Fig. 7) gegeben2), bei welcher auch die äusseren, also alle
Räume mit einander und mit der Luftpumpen communiciren
können. Bei dieser Abänderung hatte ich ursprünglich auch
die Absicht, die beiden äussern Räume, oberhalb Na und na ,
vor dem Evacuiren in Verbindung zu setzen, sodass nach'
demselben der geringe Rückstand von Luft in beiden wieder
getrennten Räumen gleichen Druck ausübte.
Die beiden Schenkel jeder Manometerröhre sind hier
auch oben verbunden, sodass die Röhre ein Rechteck bildet,
1) J. Moser, Pogg. Ann. 160. p. 138. 1877.
2) Gefertigt von Hrn. F. Müller. Berlin, Leipziger Strasse 22.
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J. Moser.
75
von dessen oberer kleiner Seite eine Röhre zum Grabelrohr
führt. Nahe der oberen Umbiegung ist jeder Schenkel durch
einen Hahn B§, Ha, hit ha abzuschliessen. Die Röhren stehen
in einem grossen Glasgefäss mit Wasser, dessen Temperatur
regulirt werden kann, nahe hintereinander, um gleiche Tem-
peratur in ihnen zu erzielen, und seitlich, der Ablesung wegen,
so verschoben, dass die Schenkel des einen Manometers in
den Zwischenraum des anderen fallen. Die Luft wird eben-
falls durch abwechselndes Auspumpen und Kochen entfernt,
was mit Hülfe einer Wasserluftpumpe geschehen kann.
Nachdem evacuirt ist, wird der Hahn Hy dann alle Hähne
geschlossen, bis auf //<. Durch Eintritt von wenig Luft
steigt das Niveau Na bis Ha. Man schliesse Ht und öffne
darauf Ha. Das Niveau Na sinkt, aber nicht zum ursprüng-
lichen Stande, denn über iV; ist Luftdrvfck. Durch Drehung
des Kolbens der Pumpe wird jetzt Na etwa 1 mm über Ha
gehoben, dann //„ geschlossen. Ebenso verfährt man mit
dem anderen Manometer, setzt beide darauf durch Oeffnen
der Hähne Hi und h{ in Verbindung und gibt durch Bewegung
des Kolbens der Pumpe den Flüssigkeitssäulen geeignete Hö-
hen und schliesst H. Es muss so gut evacuirt sein, dass bei
diesem Einstellen der Niveaux mit der Stiefelluftpumpe, die
übrigens auch hier durch eine Wasserluftpumpe ersetzt werden
kann, keine Luftblasen aus den oberen Schichten aufsteigen.
Vor dem Ablesen der Niveauxstände mittelst Katheto-
meters ist darauf zu achten, dass die Menisken gut und
gleichmässig ausgebildet sind.
Damit dies der Fall ist, müssen die Röhren sehr gut
gereinigt sein, was ich durch abwechselndes Ausspülen mit
Aether, Salpetersäure und Wasser erreiche.
Um den Apparat in dieser Form zu füllen, muss er
evacuirt werden; um ihn zu entleeren, werden die Hähne
herausgenommen. Diese sind nach der Füllung zu fetten.
Mit dieser Form des Apparates sind die unten mitgetheilten
Bestimmungen gemacht.
Erwähnen will ich noch, dass sich für schnelle, aber nur
angenäherte Bestimmungen der Apparat so ändern lässt,
dass nur das Wassermanometer in Anwendung käme und
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76
J. Moser.
statt des zweiten Manometers ein Grlaskölbchen, welches die
zu untersuchende Lösung in geringer Menge oder überhaupt
einen die Dampfspannung vermindernden Körper enthält.
Bei völliger Entfernung der Luft gibt dann die Differenz der
beiden Niveaux des Wassermanometers die Abnahme der
Dampfspannungen.
Von den Messungen, die ich in grosser Zahl mit dem
Apparate anstellte, um zunächst die Beziehungen wieder auf-
zufinden, die Herr Wüllner zwischen dem Salzgehalt der
Temperatur und dem Dampfdruck beobachtet hatte, wurden
die ersten am Zinkchlorid gemacht. Wie dieses Salz, wie
wir oben sahen, starke electromotorische Kräfte bis l/a Da-
niell liefert, so vermindert auch eine Lösung die 150 gr
ZnCl3 auf 100 gr Wasser enthält, bei 20° C. die Dampf-
spannung um über 160 mm Wasser, also bis lj3 der des
reinen Wassers, vermehrt also das Volumen des Dampfes
auf das Dreifache.
Für Chlorzinklösungen, die je 25, 50, 75, 100, 125 g
ZnClj, auf 100 g Wasser enthielten, fand ich bei 20,2° C.
folgende Werthe der Verminderung in mm Wasser:
Chlorzink.
25 %
50 %
75 %
too
125%
19.4
19,2
19,8
40.2
39,5
39,8
69,9
69,5
70,2
101,8
101,7
102,1
133,9
133,2
Im Mittel 19,50
39,83
69,87
101,9
133,6
Diese Zahlen wurden an einer Theilung, die den Röhren
eingeätzt war, abgelesen. Die folgenden Beobachtungen, bei
denen ich nur das Mittel aus mehreren mittheile, machte ich
mittelst eines Kathetometers. Ich fand bei 30° C. — dies
war die Temperatur des die Manometer umgebenden Wassers
— für die folgenden Salze:
J o d c a d m i u m.
Gehalt g CdJ« j Verminderung in
auf 100 g H.;0 j mm Wasser bei 30" C
10 2,6
20 4,0
40 9,7
80 21,0
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J. Moser. 77
Zinksulfat. Kupfer sulfat.
Gehalt g ZnS04
auf 100 g H,0
Verminderung In
mm Ws«»er bei 30° C.
Gehalt g CuSO,
auf 100 g H,0
Verminderung in
mm Waaaer bei 30" C.
25
50
13,4
39,9
25
-
12,0
Der Verlauf dieser Werthe stimmt mit dem der von
Hrn. von Babo und Hrn. Wüllner für andere Salze ge-
fundenen überein. In folgender Tabelle stelle ich für jedes
der von Hrn. Wüllner untersuchten Salze die Verminde-
rungen verschiedener Concentrationen bei einer constanten
und zwar möglichst hohen unter den Temperaturen, bei denen
er beobachtete, zusammen.
Quecks. Quecks.
Vq PI
1 flfl ^ o
1UU,Q
Kj.
10°/0 44,90 mm
20% 92,41 mm
Na SO
»
10
18 66
25
45 67
i> cl Ei u3
1 aa 9.
Ii
10
lKJ ii
27 28
30
79 07
IT Ol
1 AA 3
10
30 78
20
61.90
1 AA R
1UU,Ö
ii
5 .
9.50 ..
10 .
18.10 ..
TT NO
Q7
»
10 „
16,51 „
30 „
48,25 „
NiSO,
99,3
ii
10 „
13,20 „
20 „
25,90 • „
CaN2Oe
69,4
11
20 „
14,41 „
40 „
28,05 „
Na„HP04
81,6
Ii
12,5 „
11,00 „
25 „
21,50 „
NaaO
69,36
u
10 „
16,554 „
20 „
35,605 „
1
30 „
56,401 „
K20
72,05
11
10 „
12,146 „
20 „
24,787 „
30 „
44,500 „
40 „
62,384 „
49 „
78,695 „
CaCl2
99,3
ii
7,5 „
23,000 „
15 „
53,948 „
30 „
133,514 „
Rohrzucker
100,9
50 „
23,76 „
150 „
79,85 „
Die von Hrn. von Babo und Wüllner beobachteten
Werthe, und in Uebereinstimmung mit diesen die von mir
gefundenen ergeben, dass bis zu einem gewissen Grade der
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78 J. Moser.
l
Verminderung diese dem Salzgehalt einfach proportional ge-
setzt werden kann. Erst bei verhältnissmässig grösseren Ver-
minderungen, welche sich bei den concentrirteren Lösungen
derjenigen Salze zeigen, die in grosser Menge im Wasser
löslich sind, wachsen die Verminderungen stärker, als im
einfachen Verhältniss mit dem Salzgehalt.
Herr Wüllner hat, um das von Hrn. v. Babo aufge-
stellte Gesetz, dass die Verminderungen einfach proportional
dem Salzgehalt sind, beizubehalten, in den Fällen, in weichen
sich stärkere Verminderungen und mit diesen stärkere Ab-
weichungen zeigen, diese Abweichungen dadurch erklärt, dass
beim Natron das vierfache, beim Kali das fünffache, beim
Chlorcalium das sechsfache Hydrat als gelöstes Salz zu be-
trachten sei. Beim Zucker hingegen macht er zur Erklärung
der stärkeren Abweichung die Annahme, dass eine chemische
Zersetzung stattgefunden habe.
Für die weitere Untersuchung des Kreisprocesses kommt
es jedoch nur auf die durch die Beobachtungen festgestellte
Thatsache an: Wir sind bis zu einer gewissen, durch die
Beobachtung zu bestimmenden Grenze berechtigt, die Ab-
nahme der Dampfspannung p0 — p, dem Salzgehalt einfach
proportional, also den mit einem Gramm Salz verbundenen
S Grammen Wasser und den mit einem Aequivalent Salz
verbundenen q Grammen Wasser umgekehrt proportional zu
setzen, zu schreiben:
und:
(3) pq-p = 1 .B = 1A
Po O p0 q p0'
§ 4. Vergleichung der Versuche und der Theorie.
Aus dieser eben experimentell erhaltenen Beziehung:
(2) Po-P-J
folgt: dp = b-\.
Diesen Werth von dp setzen wir in die Gleichung (1)
p. 72 ein, dann wird dieselbe:
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J. Moser. 79
a
Unter der Annahme, dasß bei den geringen Dampf-
spannungen, bis bei 30° C, die Wasserdämpfe das Mariotte-
Gay-Lussac'sche Gesetz befolgen, wird:
V = .
P
wenn p0 den Druck des gesättigten Dampfes über reinem
Wasser und V0 das Volumen eines Grammes dieses Dampfes
bezeichnet. Nehmen wir für p den aus 2 sich ergebenden
Werth: 6
Po~J> ■
so bekommen wir:
wofür wir auch schreiben können:
k S -
Po
Nach 2 ist aber:
b = q(Po-p), ®b = ®q{Po-p)\ also:
Po
Der Werth von @y ergibt sich auf folgende Weise:
q war die Anzahl der Gramme Wasser, welche mit der
durch die electrostatische Einheit zersetzten Salzmenge ver-
bunden war. Mit der Qs fachen, durch die electromagnetische
Einheit zersetzten Salzmenge ist die @ fache Wassermenge,
also (£<7 g Wasser verbunden. Die durch die electromagne-
tische Einheit (gr * cm * sec"1) zersetzte Salzmenge beträgt.
J
\
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80 J. Moser.
da nach Hrn. Bunsen die durch diese Einheit zersetzte
Wassermenge in 1 sec 0,000 927 05 gr ist:
0,000 927 05 gr,
-
wenn MfRfi das Verhältniss der Moleculargewichte, also M
für CuSÜ4 159,5 und H20 das des Wassers, also 18 bedeu-
tet. Mit diesen Grammen Salz sind <&q gr Wasser, mit 1 gr
Salz S gr Wasser verbunden. Es ist also:
= 0,000 927 05 H^ö£'.
Die Verminderung der Dampfspannung bestimmt sich
also aus 4, wenn die Ueberführungszahlen und die electro-
motorischen Kräfte der Concentrationsströme bekannt sind,
durch die Gleichung:
p0 - p 1000
Po °
0,00092705 Sp0 V0f (1- n) dS.
- k S —
Po
Für ein und dasselbe Salz muss:
a
\ f{l — n) — — ^ d S = const.
Ai s-?~
Po
sein, weil dann alle anderen Factoren dieser Gleichung und
das Product (p0—p) jp0 . S = Bjp0 = t nach 3 ebenfalls constant
ist. Diese Grösse, welche wir mit e bezeichnet haben, wird
in vielen Fällen gegen S zu vernachlässigen sein.
Zur Berechnung des Integrals ist die Ueberführungszahl
1 — n als Function der lösenden Wassermenge S darzustellen.
Dies habe ich durch die empirische Formel:
deren Constanten ich für jedes untersuchte Salz aus den
Beobachtungen Hittorfs bestimmte, gethan und dadurch
eine für das Intervall der von ihm beobachteten Werthe
hinreichende Darstellung dieser erhalten.
Dann wird:
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J. Moser. 81
a a
Setzt man
1 iL i10 ß i10
so mü8ste r\ constant sein.
Es wird dann:
Po 0,000 927 05 ^Sp9V0 n
lo
Berechnet man die Verminderung für die einprocentige
Lösung, so ist: £ = 100.
Die Spannung des Wasserdampfes über reinem Wasser
beträgt nach Regnault bei 20° C. 23,65 gr auf ein Quadrat-
centimeter, also in absolutem Kraftmaass, wenn die (kon-
stante der Erdschwere g = 981 cm/sec3 ist:
Dn = 23201 gr a •
™ cm sec2
Das Volumen von 1 gr Wasserdampf bei 20° C. ist:
V0 = 58704 cm3,
und, wie wir schon oben sahen:
^= 109 540 ^.
Es wird also der Factor von \jt] allgemein:
0,006 7819-^;
mithin für die einprocentige Lösung irgend eines Salzes:
0,006 781 9^- •
Po MV
Jodcadmium.
Die in der folgenden Tabelle I eingeklammerten Werthe
von 1 — n sind bei der Berechnung der Interpolationsformel :
d. Phjs. u. Chem. N. F. XIV. 6
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82
J. Moser.
zu Grunde gelegt und aus ihnen:
« = 0,378, ß = 26,007, y = 28,01
bestimmt worden. Nach dieser Formel wurden die beiden
anderen Werthe berechnet und neben die von Hrn. Hittorf
beobachteten gesetzt.
Tabelle L
5
l-n
beobachtet
l-n
berechnet
8
1 — n
beobachtet
1 - n
berechnet
166,74
69,60
18,12
0,613 |
0,642
0,931
0,501
(0,642)
(0,931)
4,28
3,04
1,83
1,140
1,192
1,258
1,161
(1,192)
1,224
Mit Hülfe dieser Darstellung von 1 — n als Function
von S ist das Integral berechnet worden. Der Werth von
e ergibt sich aus den Beobachtungen zu 0,05, er könnte
daher gegen S vernachlässigt werden.
Das Integral ist dann durch A dividirt und auf diese
Weise der Werth der Constanten i\ der folgenden Tabelle II
erhalten. Mit dem Mittelwerth dieses y = 0.0448 sind die
berechneten A hergestellt worden.
Tabelle II.
100
=
50
33,33
20
10
6,67
5
2,5
A beob.
7,1
11,7
17,7
22,3
25,4
35,9
A ber.
4,3
7,0
11,5
18,1
22,4
25,6
33,5
0,0471
0,0444
0,0441
0,0458
0,0450
0,0451
0,0418
Im Mittel | 0,0448
Die grössten Abweichungen vom Mittel zeigen die erste
und letzte Reihe der Tabelle; das kommt daher, dass hier
der Verlauf der durch die Interpolationsformel dargestellten
Werthe ein anderer als der der von Hrn. Hittorf beob-
achteten zu werden beginnt.
Wenn man mit diesem Mittelwerthe von ?? die Vermin-
derung der Dampfspannung für eine einprocentige Lösung
berechnet, so findet man:
Po
0,00041 .
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J. Moser.
83
Andererseits ergibt sich aus den oben initgetheilten Ver-
minderungen :
von 2,6 mm für die lOprocentige Lösung 0,26 mm
» 4,0 „ „ „ 20 „ „ 0,20 „
ff W n » n 40 „ „ 0,24 „
n 21,0 „ „ „ 80 „ „ 0,26 „
für die einprocentige, d. h. im Mitttel:
0,24 mm und Po~p = 0,00056 .
Po
Zinksulfat.
Aus den Beobachtungen des Hrn. Hittorf:
s
n
267,16
0,636
4,052
0,760
2,524
0,778
bestimmen sich die Constanten der Interpolationsformel:
« = 0,634, ß= 1,470, y = 7,616.
Aus den Beobachtungen der Dampfspannung ergibt sich
« = 0,125, sodass wir in derselben Weise wie beim Jodcad-
mium die folgende Tabelle aufstellen können.
8a
A beob.
A ber.
V
163
34,625
10,7
10,8
0,0411
10,889
18,9
19,4
0,0417
4,994
25,1
25,6
0,0415
■
2,963
31,9
30,0
0,0384
Als Mittelwerth für ?; findet sich:
0,04067,
mit dessen Hülfe die berechneten A hergestellt sind. Ebenso
finden wir mittelst desselben für die Verminderung der Dampf-
spannung der einprocentigen Lösung:
= 0,00104 ,
Po
und, in guter Uebereinstimmung damit, aus der Beobachtung
der Dampfspannung von 13,4 mm für die 25procentige Lö-
sung bei 30° C:
^Zl = 0.00125
Po
für die Lösung von ein Procent.
84
J. .'f' -er
Kupfersulfat.
Hier bestimmt sich aus den eingeklammerten Werthen
der folgenden Tabelle die Interpolationsformel so, dass:
a = 0,636 , ß = 0,822 , y = 2,99
wird. Mit dieser Formel ist der vierte Werth der Tabelle
berechnet.
s
1 — n beob.
1 - n ber.
148,3 — 39,67
18,08
9,56
6,35
0,644
0,675
0,712
0,724
(0,644)
(0,675)
0,701
(0,724)
Die Beobachtung ergibt e = 0,116.
Ebenso wie beim Jodcadmium und Zinksulfat ist unter
Benutzung dieser Formel die Tabelle II aufgestellt
sa
Sk
A beob.
A ber.
9
128,5
r i * "-t : '. i
4,208
6,352
8,496
17,07
34,22
27
25
21
16
10
27,3
23,8
21,3
15,6
10,4
Im Mittel
0,037
0,035
0,038
0,036
0,038
0,0368
Der Mittelwerth von r; ergibt für die Verminderung der
Dampfspannung der einpro centigen Lösung:
= 0,00112. k
Po
Die Beobachtung der Dampfspannung der 25procentigen
Lösung liefert unmittelbar:
£l-? = 0,00116.
Chlorzink.
Innerhalb der Concentrationen, für welche ich bei Chlor-
zinklösungen die oben mitgetheilten electromotorischen Kräfte
beobachtet habe, ist nur eine Ueberführungszahl von Hrn.
Hittorf, und zwar:
für S = 2,77, \-n= 1,08
festgestellt. Aus diesem Werthe, aus der electromotorischen
Kraft:
A — 24,5 zwischen den Lösungen, deren S = 4 und 5 = 2,
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L. Grunmach.
85
und aus dem durch die Dampfspannungen bestimmten 6 = 0,33
berechnet sich: = 0,0134,
und hieraus für die einprocentige Lösung:
= 0,0037 ,
Po
während die oben mitgetheilten Beobachtungen der Dampf-
spannungen der 25- und ÖOprocentigen Lösungen:
terJP = 0,0033
ergeben.
In diesen untersuchten Fällen sind daher Theorie und
Versuch in recht guter Uebereinstimmung, sodass dieser jene
bestätigt, jene diesen in befriedigender Weise erklärt.
Berlin, Juli 1878.
VIII. lieber die electromagnet Ische JDrelitmg der
Polarisationsebene der strahlenden Wärme in festen
wnd flüssigen Körpern; von Leo Grunmach.
§ 1. Einleitung.
Die aus der Undulationstheorie gefolgerte Identität des
Lichtes mit der strahlenden Wärme ist seit dem von Melloni
gelieferten Nachweis der Existenz der letzteren in rascher
Aufeinanderfolge für die Reflexion, Brechung, Dispersion und
Polarisation experimentell bestätigt worden. Es lag daher
nahe, dass unmittelbar nach Faraday 's berühmter Entdeckung
der „Magnetisirbarkeit des Lichtstrahls" der analoge Ver-
such auch für die strahlende Wärme ausgeführt wurde. Wart-
mann J) leitete die von einer Locatelli'schen Lampe gelieferten,
durch eine Glimmersäule polarisirten Wärmestrahlen durch
ein zwischen den Polen eines kräftigen Electromagnets be-
findliches Steinsalzprisma und durch eine zweite Glimmersäule,
deren Schwingungsebene gegen die der ersteren unter einem
Winkel von 90° gekreuzt war, auf eine Thermosäule, welche
mit einem in beträchtlicher Entfernung vom Electromagnet
1) Wartmann, Compt. rend. 22. p. 745. 1846. Pogg. Ann. 71.
p. 573. 1847.
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86
L. Grunmack.
aufgestellten Galvanometer verbunden war. Er bemerkte, dass
die Galvanometernadel, welche unter dem Einflüsse der durch
die Glimmersäulen nicht aufgehaltenen Wärmestrahlen eine
constante Ablenkung zeigte, ihre Stellung veränderte, so oft
er den Strom wirken liess, woraus er auf eine Drehung der
Polarisationsebene der strahlenden Wärme durch den Magnet
glaubte schliessen zu können. Der Versuch wurde bald nach
seiner Mittheilung mehrfach in Paris wiederholt, jedoch
ohne Erfolg. Im Jahre 1849 gaben de la Provostaye und
Desains1) der Wartmann'schen Versuchsanordnung eine
nicht unwesentliche Modifikation, indem sie statt des Lampen-
lichts Sonnenlicht und statt der Glimmersäulen als Polari-
sationsapparate zwei achromatisirte Kalkspathprismen an-
wandten, die so aufgestellt wurden, dass ihre Hauptschnitte
einen "Winkel von 45° mit einander bildeten. Die Thermo-
säule war von dem Ruhmkorffschen Electromagnet, zwischen
dessenPolen sich ein Flintglasstück von 38 mm Dicke befand, um
4 Meter entfernt, das Galvanometer noch etwas weiter. Bei
Schliessung des von einer starken galvanischen Batterie ge-
lieferten magnetisirenden Stromes in der einen oder anderen
Richtung wurde der Ausschlag der durch den Thermostrom
bereits abgelenkten Nadel vermehrt oder vermindert, und man
glaubte sich genügend vergewissert zu haben, dass diese
Wirkung nicht etwa einem durch den magnetisirenden Strom
hervorgerufenen Inductionsphänomen oder einer directen Ein-
wirkung des Electromagnets auf die Galvanometernadel zu-
zuschreiben war. Allein die Versuche dieser beiden ausge-
zeichneten Forscher zeigen weder unter sich eine befriedigende
Ueberein8timmung, noch erscheinen sie ganz einwurfsfrei,
da die Innehaltung von Vorsichtsmaassregeln vermisst wird,
deren Berücksichtigung zum sicheren Nachweis relativ so
geringer Wirkungen, wie der beobachteten, unerlässlich ist.
Es liegen zwei unabhängige, aus einer nicht sehr grossen
Anzahl von Einzelbeobachtungen bestehende Beobachtungs-
reihen vor, bei denen der magnetisirende Strom das eine Mal
von einer Batterie von 50 Muncke'schen, das andere Mal
1) de la Provostaye u. Desains, Ann. de chim. et de phys. (3)
27. p. 232. 1849.
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L. Grunmach.
87
von 30 Bunsen'schen Elementen geliefert wurde, und bei denen
die durch den Thermostrom allein hervorgebrachten mittle-
ren Galvanometerablenkungen 20, resp. 12 Scalentheile be-
trugen. Die bei Schliessung des magnetisirenden Stromes
beobachteten Ablenkungen waren im ersten Falle im Mittel
2% wobei noch zu bemerken ist, dass die Unsicherheit
der Einzelbeobachtung die Hälfte dieses Betrages erreichte
und sogar überschritt, im zweiten Falle dagegen 3'
Wenn nun die beobachteten Werthe schon an und für sich
nicht beträchtlich sind, und wenn ferner die verhältnissmässig
bedeutende Verschiedenheit ihrer Grösse im Vergleich zu
den in beiden Fällen hindurchgelassenen Quantitäten pola-
risirter Wärmestrahlen (20:2 und 12:3) sich sehr schwer
erklären lässt, da nähere Angaben über die Grösse der
magnetischen Kräfte fehlen, so ist bei diesen Versuchen das
wesentliche Erforderniss nicht genügend berücksichtigt, dass
unmittelbar vor dem Schliessen und unmittelbar
nach dem Oeffnen des magnetisirenden Stromes die
durch den Thermostrom allein hervorgebrachte Ab-
lenkung der Galvanometernadel zu beobachten und
in Rechnung zu ziehen ist, und dass eine lineare
Interpolation zwischen den beiden so erhaltenen
Werthen nur dann statthaft ist, wenn ihre Differenz
im Vergleich zu der durch die Erregung des Mag-
nets hervorgebrachten Ablenkung genügend klein
ist, um in das Bereich der zufälligen und unvermeid-
lichen Beobachtungsfehler zu fallen. Hält man diese
Vorschrift nicht inne, so kann der beobachtete Effect durch
die Veränderlichkeit der Intensität des Thermostroms leicht ver-
deckt und illusorisch gemacht werden, denn selbst bei heiter-
stem Himmel kann während einer Minute die Intensität der
von der Sonne gelieferten, auf die Thermosäule fallenden
Wärmestrahlen in der Weise variiren, dass dadurch, voraus-
gesetzt, dass man es mit genügend empfindlichen Instrumen-
ten zu thun hat, eine Schwankung der Galvanometerablen-
kung um einige Skalentheile bedingt ist.
Die mitgetheilten Versuche sind meines Wissens die
einzigen, welche in der physikalischen Literatur über diesen
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88
L. Grunmach.
interessanten und für den Zusammenhang der Lieht, Wärme-
und electrischen Erscheinungen wichtigen Gegenstand vor-
liegen; ich habe es daher für wtinschenswerth gehalten, eine
ausgedehnte Untersuchung hierüber mit vollkommeneren Hülfs-
mltteln und unter Vermeidung, resp. Berücksichtigung aller
möglichen Fehlerquellen auszufuhren, und es ist mir nach
vielen, zum Theil sehr mühevollen, Vorversuchen gelungen,
nicht nur die electromagnetische Drehung der Polari-
sationsebene der strahlenden Wärme in mehreren
festen und flüssigen Körpern unwiderleglich nach-
zuweisen, sondern auch die Abhängigkeit der Grösse
dieser Drehung von der Natur der Substanz, von
der Intensität der auf sie wirkenden galvanischen
Ströme, resp.magnetischenKräfte, von derLänge der
durchstrahlten Schichtete, durch quantitative Messungen
zu bestimmen. Die Mittheilung dieser im Spätsommer des
Jahres 1879 im physikalischen Cabinet der hiesigen Königl.
Technischen Hochschule angestellten Versuche und der aus
ihnen gewonnenen Eesultate bildet den Gegenstand vor-
liegender Abhandlung.
§2. Beschreibung der bei den Versuchen angewandten Apparate.
Bevor ich zur ausführlichen Beschreibung meiner Ver-
suchsanordnung übergehe, will ich zuvor kurz die ange-
wandten Apparate besprechen.
Als Wärmequelle benutzte ich bei den hier mitzu-
theilenden Versuchen ausschliesslich Sonnenlicht Die An-
wendung einer Leuchtgasflamme ist wegen der zu geringen
Intensität der von ihr gelieferten Wärmestrahlen ungeeignet,
Drummond'sches Kalklicht oder gar electrisches Licht, welches
ich an mehreren Tagen, veranlasst durch die anhaltende Un-
gunst der Witterung, anzuwenden genöthigt war, wegen der
Inconstanz durchaus unbrauchbar.
Das Sonnenlicht wurde von einem möglichst genau justirten
Silbermann' sehen Heliostaten reflectirt; ein auf eine 13 m
von ihm entfernte Wand geworfenes Sonnenbild wurde in
1V2 Stunden um 4 cm aus seiner anfänglichen Lage verrückt.
Wenn auch durch die aus dieser Verschiebung etwa resul-
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L. Grunmach.
89
tirende Aenderung der Intensität der reflectirten Wärmestrahlen
die mitzutheilenden Ergebnisse in keiner Weise getrübt werden
konnten, einerseits, da die Ausführung eines ganzen Beob-
achtungssatzes nur wenige Minuten währte, andererseits, weil
sowohl unmittelbar vor dem Schliessen des magnetisirenden
Stromes als auch unmittelbar nach dem Oeffnen desselben
die durch den Thermostrom allein hervorgebrachten Ab-
lenkungen beobachtet wurden, so war doch, damit die Wärme-
strahlen die Substanzen stets in genau derselben (axialen)
Richtung durchdrangen, von Zeit zu Zeit ein Nachcorrigiren
im Gange des Heliostaten nothwendig. (Vgl. hierüber S. 109.)
Polarisirt wurden die Wärmestrahlen durch Nicoi'sche
Prismen; anfänglich benutzte ich ein KalkspathrhomboÖder
und ein Nicol'sches Prisma (von 85 mm, resp. 30 mm Rhomben-
seite), welche Hr. Prof. Helmholtz so freundlich war,
mir für diese Versuche zu leihen. Leider hatte das erstere,
welches zu objectiven Darstellungen mittelst electrischen
Lichtes benutzt worden war, infolge der grossen Hitze mehrere
Sprünge erhalten, welche die zu beobachtenden Wirkungen
iu hohem Maasse beeinträchtigten, sodass ich statt desselben
als polarisirenden Apparates mich eines in der Masse schwarzen
Glasspiegels von 3,5 mm Dicke bediente, der, um eine möglichst
grosse Intensität zu erzielen, direct auf den Heliostaten ge-
setzt wurde. Indessen war die Intensität der reflectirten
Wärmestrahlen auch so noch eine geringe, und die erhaltenen
Wirkungen nicht gross genug, um die Abhängigkeit der Grösse
der Drehung von den sie bedingenden und auf sie einwirkenden
Umständen durch quantitative Messungen zu bestimmen.
Befriedigende Resultate erhielt ich erst, als ich in den Besitz
von zwei ausgezeichneten von Hrn. Niendorf in Bernau ver-
fertigten NicoPschen Prismen gelangt war. Dieselben sind
von ungewöhnlicher Grösse und seltener Reinheit, die Seite
des Rhombus beträgt 55 mm, die Länge des Prismas 135 mm1).
Für die Ausführung von Messungen ist die Anwendung so
grosser Prismen sehr wünschenswerth, die älteren Versuche
— /
1) Eiiiß derselben war auf der Berliner Gewerbeaussteilung im Jahre
1879 unter der reichhaltigen Sammlung der von Niendorf ausgestellten
NicoPschen Prismen vertreten.
i
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90
L. Grunmack.
sind vorzugsweise deshalb so unsicher, weil die kleine Oeffnung
der Prismen auch nur einer sehr kleinen Menge von Wärme-
Strahlen den Durchgang gestattet. Bei den vorhin erwähnten
Versuchen von de la Provostaye und Desains1) betrug
die Ablenkung, welche die direct durchgehenden Wärme-
strahlen bewirkten, wenn die Hauptschnitte der beiden Kalk-
spathprismen einen Winkel von 45° miteinander bildeten,
und wenn sich kein Diamagneticum zwischen ihnen befand,
nur 16,5", während bei meinen Versuchen unter den
gleichen Umständen die Grösse dieser Ablenkung weit über
300» (d. h. 300 mm einer in 2,5 m Entfernung vom
Spiegel des Galvanometers aufgestellten mittelst Fernrohr
beobachteten Scala) erreichte.
Zur Messung der Wärmewirkungen diente eine sehr
empfindliche, aus 25 Paaren von Wismuth- und Antimon-
stäben bestehende Thermosäule von quadratischer Oberfläche;
die einzelnen Elemente, 30 mm lang und 1,5 mm dick, sind
gut voneinander isolirt, an ihren Enden zugeschrägt und mit
Kienruss überzogen; ferner ein Siemens'sches aperiodisches
Spiegelgalvanometer mit Glockenmagnet und Kupferdämpfung
von rühmlichst bekannter Güte und Empfindlichkeit.
Zur ElectrisirungundMagnetisirung der Körper
durch welche die Durchstrahlung stattfand, dienten:
1) eine 250 mm lange und 55 mm weite, aus 600 Windungen
bestehende Spirale von doppelt isolirtem Kupferdraht von
3 mm Dicke; 2) ein sehr kräftiger Joule'scher Hufeisenelectro-
magnet, auf dessen 360 mm lange und 75 mm dicke Schenkel
zwei würfelförmige Anker von weichem Eisen von 75 mm
Seite aufgesetzt wurden, welche in axialer Richtung cylindrische
Durchbohrungen von 50 mm Durchmesser hatten.
Als Stromquelle wurden durchgehends Bunsen'sche
Elemente von grosser Oberfläche angewandt, deren Anzahl
im Maximum 35, im Minimum 6 betrug.
§ 3. Beschreibung der Versuehsanordnung.
Die Versuchsanordnung, von welcher auf Taf. I Fig. 8
eine schematische Darstellung gegeben ist, war nun folgende :
l) L c p. 86.
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L. Grunmach.
91
Die von dein Heliostatenspiegel Hin horizontaler Richtung
reflectirten Wärmestrahlen treffen zunächst das in einer Ent-
fernung von 0,75 m aufgestellte erste polarisirende Nicol'sche
Prisma Px\ unmittelbar hinter demselben befindet sich der
Electromagnet E (oder die Spirale), zwischen dessen Polen
sich die Diamagnetica D befinden. 5,5 m vom Electromag-
net entfernt ist eine achromatische Linse Lx von 0,25 m
Brennweite aufgestellt, hinter derselben das analy sirende
Nicol'sche Prisma P2 und endlich die mit Reflectoren ver-
sehene Thermosäule T, von der Linse Lx um deren Brenn-
weite, vom Electromagnet also um nahezu 6 m entfernt.
Auf der entgegengesetzten Seite von T ist noch als leicht
regulirbare Wärmequelle eine Ableselampe A aufgestellt,
deren Wärmestrahlen durch die Linse Z3 auf die Thermo-
säule concentrirt werden können, um für gewisse Control-
versuche die auf die andere Seite der Thermosäule vom
Heliostaten her auffallenden Wärmestrahlen zu neutralisiren.
Vor und hinter der Thermosäule befinden sich in Charnieren
bewegliche doppelwandige Metallschirme S3 und Sv desgleichen
vor und hinter dem Electromagnet mit passenden kreis-
förmigen Oeffnungen versehene schwarze Pappschirme
und &j. Von den beiden Polen der Thermosäule führen gut
isolirte Leitungsdrähte zu einem auf dem Beobachtungstische
M befindlichen Commutator Kx und von dort zum Galvano-
meter G\ ferner gehen von der im Nebenzimmer befindlichen
galvanischen Batterie sehr starke isolirte Zuleitungsdrähte
nach einem zweiten, etwa 1,5 m vom ersten entfernten, Commu-
tator K^1) und von letzterem zum Electromagnet E. Mittelst
dieser beiden Commutatoren können also sowohl der Thermo-
strom wie der magnetisirende Strom bald im einen, bald im
anderen Sinne geschlossen werden. Auf dem Tische befinden
sich ferner das Beobachtungsfernrohr B und die in Millimeter
getheilte Scala in einer Entfernung von 2,5 m vom Spiegel
des Galvanometers, welches seinerseits vom Electromagnet
um 8,5 m entfernt ist.
1) Die beiden Commutatoren und also auch die Zuleitungsdrähte zur
Thermosäule und zum Electromagnet sind in der Figur zu nahe anein-
ander gezeichnet
92
L. Grimmach.
Das polarisirende Nicol Px ist in seiner Fassung unbe-
weglich befestigt, während das analysirende Nicol P2 mittelst
einer Alhidade um seine Axe drehbar und die Grösse der
Drehung an der getheilten Kreisfläche abzulesen ist.
Die Hauptschnitte der beiden Prismen waren nun bei
den Versuchen stets gegeneinander um einen Winkel von 45°
geneigt. Der Vortheil dieser bereits von de laProvostaye
und Desains angegebenen Anordnung ergibt sich aus
folgender Betrachtung. Bei dem analogen optischen Versuch
pflegt man, um das Gesichtsfeld vollständig zu verdunkeln,
den Hauptschnitten der NicoPschen Prismen eine Neigung
von 90° gegeneinander zu geben; wird nun der Magnet er-
regt, so ist zwar die Quantität der durchgelassenen Licht-
strahlen eine geringe, aber unser Auge ist eher befähigt, den
Contrast zwischen absoluter Dunkelheit und einem schwachen
Lichtschimmer, als den Unterschied in der Lichtintensität
zweier Bilder wahrzunehmen; bei dem thermischen Versuch
kommt es nicht auf diesen Contrast, sondern darauf an, die
Differenz der Quantitäten der durchgehenden Wärmestrahlen
beim Schliessen des Stromes nach verschiedenen Richtungen
möglichst gross zu machen, und dies erreicht man durch
obige Aufstellung. Denn setzt man die Ablenkung, welche
die durchgehenden Wärmestrahlen hervorbringen, wenn die
Hauptschnitte parallel zueinander sind, gleich Eins, und be-
zeichnet man mit d die durch den Magnet hervorgebrachte
Drehung der Polarisationsebene, so werden die Ablenkungen
für die beiden betrachteten Fälle sich darstellen durch die
Ausdrücke : cos2 (45° — 9) — cos245° = $ sin 2 S
und: cos2 (90°— S) - cos2 90° = sin2£,
von denen der erstere für kleine Werthe von S der bei weitem
grössere ist.1)
Die einen einzelnen Versuch bildenden Manipulationen
und Ablesungen sind nun in folgender Reihenfolge, welche
die Möglichkeit der Elimination der in § 5 discutirten Feh-
1) Dass man mit dieser Aufstellung überhaupt die günstigste Wir-
kung erzielt, ergibt sich einfach folgendermassen:
Damit 6 cosaa* Bx = — 2 cosa* sina* ein Maximum sei, muss
sin 2 x — cos a x — 0, also x = \ix sein.
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L. Grunmach.
93
lerquellen darbieten, ausgeführt worden. Es wird, bevor das
Diamagneticum zwischen die Pole des Electromagnets ge-
bracht ist, die Ruhelage der Galvanometernadel beobachtet
und dann der magnetisirende Strom nach beiden Richtungen
geschlossen, sowohl wenn der Thermestrom geöffnet, als wenn
er geschlossen ist. Wir wollen zunächst der Einfachheit
wegen voraussetzen, dass durch Schliessung des magnetisi-
renden Stromes weder eine directe magnetische Einwirkung
noch eine störende Inductionswirkung ausgeübt werde, dass
also bei geöffnetem Thermostrora die Galvanometernadel in
ihrer ursprünglichen Nulllage, bei geschlossenem Thermostrom
in der durch letzteren bedingten abgelenkten Lage verharre,
gleichviel ob der magnetisirende Strom geschlossen sei oder
nicht. Nachdem nun die zu untersuchende Substanz in ge-
eigneter Weise zwischen die Pole gebracht und die Ruhelage
der Galvanometernadel notirt ist, wird der Thermostrom
mittelst des Commutators Ä'j zuerst etwa im positiven
Sinne (cfr. p. 95) geschlossen und die durch ihn hervorge-
brachte Ablenkung abgelesen, hierauf der magnetisirende
Strom im positiven Sinne mittelst des Commutators K% ge-
schlossen und die nunmehrige Ablenkung abgelesen, der
letztere Strom geöflhet und neuerdings die durch den Ther-
mostrom allein hervorgebrachte Ablenkung beobachtet, der
magnetisirende Strom nach der entgegengesetzten Seite ge-
schlossen, die Ablenkung notirt, letzterer wieder geöffnet und
schliesslich wieder die durch den Thermostrom allein hervor-
gebrachte Ablenkung beobachtet. In dieser Weise wurde
nun in rascher Aufeinanderfolge ein ganzer Beobachtungssatz
ausgeführt und am Schlüsse desselben wieder die Nulllage
der Galvanometernadel notirt. Hierauf wird der Thermostrom
im negativen Sinne geschlossen und genau in derselben
Weise wie vorhin ein Beobachtungssatz ausgeführt. Es wird
nun für die Berechnung stets die bei geschlossenem Thermo-
strom und geschlossenem magnetisirenden Strom erfolgte Ab-
lenkung combinirt mit dem arithmetischen Mittel aus den
beiden durch den Thermostrom allein hervorgebrachten Ab-
lenkungen und als Maass für die electromagnetische Drehung
der Polarisationsebene die Summe der beiden Differenzen an-
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94
L. Grunmach.
gesehen, die man erhält, wenn der magnetisirende Strom im
positiven und im negativen Sinne geschlossen ist.
§ 4. Die eigentlichen Versuche.
A. Von festen Körpern wurden dem Versuche unter-
worfen:
I. Sehr schweres Flintglas (extra heavy) vom speci-
fischen Gewicht 3,879 J) ; Brechungsexponent für die Z)-Linie
1,650 (welches für spectralanalytische Zwecke, bei denen es
auf starke Dispersion ankommt, angewandt wird, z. B. für
Prismenkörper ä vision directe, ferner für Mikroskopsysteme
mit starker Oeffnung):
a) ein Prisma von gleichschenklig dreieckigem Quer-
schnitt von 158 mm Länge, 48 mm Basis und 43 mm Schenkel-
länge,
b) ein Prisma mit quadratischem Querschnitt (52 mm
Seite) von 42 mm Länge (von vier Seiten angeschliffen),
c) ein Prisma von denselben Dimensionen (jedoch nur
von zwei Seiten angeschliffen).
II. Leichtes Flintglas vom specifischen Gewicht
3,2004; Brechungsexponent für die .D-Linie 1,573 (welches
vorzugsweise zu Objectiven für photographische Zwecke ver-
wandt wird); ein Parallelepipedum 117 mm lang, 34 mm breit
und 42 mm hoch.
III. Spiegelglas vom specifischen Gewicht 2,725;
Brechungsexponent für die .D-Linie 1,538. Eine Platte von
107 mm Länge, 65 mm Breite und 24 mm Dicke.
B. Von Flüssigkeiten: a) Schwefelkohlenstoff,
b) Terpentinöl, c) destillirtes Wasser, d) Alkohol.
Die Flüssigkeiten befanden sich in einer mit ebenen
Spiegelglasplatten verschlossenen Röhre von 205 mm Länge
und 27 mm Durchmesser.
1) Die Bestimmungen des specifischen Gewichts, bei denen mich Herr
Assistent J. Baumann freundlichst unterstützte, sind auf der Kais. Nor-
mal-Eichungs-Kommission mit der für Hauptnormale üblichen Genauigkeit
ausgeführt worden.
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L. Grunmach.
95
A. Versuche mittelst des Electromagnets.
Es bedeuten: a0i a2 die Ausschläge, welche durch den
Thermostrom allein hervorgebracht werden, b und c die Aus-
schläge, welche durch den Thermostrom und den magneti-
sirenden Strom hervorgebracht werden, wenn letzterer in dem
einen oder anderen Sinne geschlossen wird. Der Thermostrom
ist im positiven (negativen) Sinne geschlossen, wenn die durch
ihn hervorgebrachten Ablenkungen oberhalb (unterhalb) von
500 s. fallen (500 s. = Nulllage der Galvanometer nadel). Der
magneti sirende Strom ist im positiven (negativen) Sinne ge-
schlossen, wenn die durch den Thermostrom hervorgebrachten
Ablenkungen durch ihn vergrössert (verkleinert) werden.
30. August 1879.
1. Parallelepipedum aus leichtem Flintglas.
Länge der durchstrahlten Schicht 117 mm.
6 Bunsen'sche Elemente. M = 36 8. Nulllage 500 s.
L Thermostrom im negativen Sinne geschlossen.
Thermo«
ström
allein
Magneti-
airender
Strom im
(— ) Sinne
Thermo-
ström
allein
Magneti-
•irender
Strom im
(+) Sinne
Thermo-
strom
allein
Drehung
im
(+) Sinne
, a. + ai
6 i--
Drehung
im
(— ) Sinne
a, + a.
2
Summe
der
Dre-
hungen
b
«1
c
a2
-4
dx+dt
400
402
401
402
406
397,5
400
399
400,5
402,5
400
403
401
404
405
403
403,5
404
408
407
402
401
402
406
405
-2,5
-2,5
-2,0
-2,5
-3,0
-2,0
-1,5
-2,5
-3,0
-2,0
-4,5
-4,0
-4,5
— 5,5
-5,0
Mittel -4,7 s.
itrom allein her-
Nulllage 500 s. Mittlere durch den Th<
vorgebrachte Ablenkung 97,4 s. Drehung der Polarisations-
ebene der strahlenden Wärme pro 100 s. —4,8 s.
II.
Thermostrom im positiven Sinne geschlossen.
603
601
603,5
605,5
604
-2,0
-2,0
1 "4,0
604
602,5
604
606
604
-1,5
-2,0
-3,5
604
602
604
607
605
-2,0
-2,5
1 -4,5
Mittel -4,0s.
Nulllage 500 s. Mittlere durch den Thermostrom allein her-
vorgebrachte Ablenkung 103,9 s. Drehung der Polarisations-
ebene der strahlenden Wärme pro 100 s. -3.85 s.
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96
L. Grunmach.
30. Aug. 1879. 15 Bunsen'sche Elemente. A/=118s.
t Thermostrom im positiven Sinne geschlossen.
aQ •
b
c
1 *■
i —
610
605
612
617
611
-6,0
— 5,5
-11,5
611
604
610
616
608
-6,5
-7,0
-13,5
608
602,5
609
616,5
611
-6,0
-6,5
-12,5
611
605
613
619
614
-7,0
-5,5
-12,5
Mittel -12,5 s.
Nulllage 500 s. Mittlere durch den Thermostrom allein her-
vorgebrachte Ablenkung 110,9 s. Drehung der Polarisations-
ebene der strahlenden Wärme pro 100 s. —11,8s.
n.
380
380,5
381
375
Thermostrom umgekehrt.
373
380
386,5
380,5
381
-7,0
-6,0
372,5
381,5
387,5
-8,5
-6,0
371
378
383
375
-8,5
-6,5
367,5
374
380
372
-7,0
-7,0
-13,0
-14,5
-15,0
-14,0
Mittel -14,1s.
Nulllage 500 s. Mittlere durch den Thermostrom allein her-
vorgebrachte Ablenkung 122,0 s. Drehung der Polarisations-
ebene der strahlenden Wärme pro 100 s. —11,6 s.
I.
30 Bunsen'sche Elemente. A/=214s.
Thermostrom im negativen Sinne geschlossen.
339
322
339
358,5
342
-17,0
-18,0
-35,0
342
323,5
343
362
346
-19,0
-17,5
-17,5
-36,5
346
329
347
366
346
-19,5
-37,0
Mittel -36,2 s.
Nulllage 500 s. Mittlere durch den Thermostrom allein her-
vorgebrachte Ablenkung 156,9 s. Drehung der Polarisations-
ebene der strahlenden Wärme pro 100 s. —23,1s.
U# Wiederholung desselben Versuchs.
346
327,5
342
361,5
344
-16,5
-18,5
-35,0
344
326
342
358,5
340
-17,0
-17,5
-17,5
-34,5
340
| 321,5
338
356
336
-19,0
-36,5
Mittel -35,3 s.
Nulllage 500 s. Mittlere durch den Thermostrom allein her-
vorgebrachte Ablenkung 158,9 s. Drehung der Polarisations-
ebene der strahlenden Wärme pro 100 s. —22,2 s.
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L. Grunmach.
97
30. August 1879.
Thermostrom umgekehrt; magnetisirender Strom zuerst im (+) und her-
III.
uach im (— ) Sinne geschlossen.'
»
«i
c
1 -
j ät
<*i +rf3
648
646
647
645
647
668,5
665,5
666,5
664,5
666,5
650
648
650
647
649
629
628
628
628
628,5
646
647
645
647
647
+ 19,5
+ 18,5
+ 18,0
+ 18,5
+ 18,5
+ 19,0
+ 19,5
+ 19,5
+ 19,0
4~ 19%5
+ 38,5
+ 38,0
+ 37,5
+ 37,5
+ 38 0
Mittel +37,9s.
Nulllage 500 s. Mittlere durch den Thermostrom allein her-
vorgebrachte Ablenkung 147,6 s. Drehung der Polarisations-
ebene der strahlenden Wärme pro 100 s. +25,7 s.
Zur Ausführung von Controlversuchen wird die vom
Heliostaten her auf die eine Seite der Thermo säule fallende
Wärmemenge neutralisirt, indem Strahlen einer anderen leicht
regulir baren Wärmequelle (Ableselampe A in Taf. I Fig. 8)
durch eine Linse L2 auf die entgegengesetzte Seite der Ther-
mosäule concentrirt werden, bis die Ablenkung der Gralvano-
meternadel nahezu Null ist. Diese Controlversuche sind
im Folgenden stets bezeichnet durch: „Thermostrom neu-
tralisirt".
Die Einzelbeobachtungen werden in derselben Reihen-
folge wie vorher ausgeführt.
30. August 1879.
jy# Thermostrom im positiven Sinne geschlossen und neutralisirt.
b
•
c
aa
4
d2
514
517
521
495
499
501
475,5
482,5
482
495
503
500
+ 17,5
+ 20,0
+ 19,0
=j
+ 19,5
+ 18,5
+ 18,5
+ 37,0
+38,5
+ 37,5
Mittel +37,7s
V. Thermostrom im umgekehrten Sinne geschlossen und neutralisirt.
497
480,5
497
515
500
-16,5
-16,5
-33,0
500
479
494
514,5
496
-18,0
-19,5
-37,5
496
477,5
493
510,5 1
491
-17,0
-18,5
-35,5
Ann. d. Phy». u. Chem. N. F. XIV.
Mittel -35,3 s.
7
98
L. Grunmach.
4. September 1879.
2. Prisma aus schwerem Flintglas mit quadra-
tischem Querschnitt (von 4 Seiten angeschliffen).
a) Lunge der durchstrahlten Schicht 42 mm.
20 Bunsen'sche Elemente. iW=166s.
j# Thermostrom im positiven Sinne geschlossen.
«0
b
«i
c
«2
dx J
<*»
rf, + d9
757
750
758
761
773,5
768,5
775,5
778,5
754
754
758
762
733,5
737,5
741,5
745,5
750
758
761
763
+ 18.0
+ 16,5
+ 17,5
+ 17,0
+ 18,5
+ 18,5
+ 18,0
+ 17,0
+ 36,5
+ 35,0
+ 35,5
+ 34,0
Mittel +35,4s.
Nulllage 500 s. Mittlere durch den Thermostrjom aliein her-
vorgebrachte Ablenkung 257,4 s. Drehung der Polarisations-
ebene der strahlenden Wärme pro 100 s. -f 13,75 s.
I.
643
647
652,5
655
30 Bunsen'sche Elemente. M = 221 s.
Thermostrom im positiven Sinne geschlossen.
657
647
634,5
647
+ 12,0
+ 12,5
+ 24,5
662
651
638,5
642,5
652
+ 13,0
+ 13,0
+ 26,0
670
657,5
655
+ 15,0
+ 13,5
+ 28,5
668
655
641
655
+ 13,0
+ 14,0
+ 27,0
Mittel + 26,5 s.
Nulllage 500 s. Mittlere durch den Thermostrom allein her-
vorgebrachte Ablenkung 151,4 s. Drehung der Polarisations-
ebene der strahlenden Wärme pro 100 8. + 17,5 s.
II.
355
351,5
341
337,5
Thermostrom umgekehrt.
351 I 363,5 ! 351 -12,0
351,5 I 364,5 j 350,5 | -14,0
-12,5 -24,5
Mittel -26,0 s.
Nulllage 500 s. Mittlere durch den Thermostrom allein her-
vorgebrachte Ablenkung 148,1 s. Drehung der Polarisations-
ebene der strahlenden Wärme pro 100 s. —17,6 s.
Wiederholung dieses Versuchs.
III.
354
356
344
343
357
352
370
367
356
354
-11,5
-11,0
-13,5
-14,0
-25,0
-25,0
| 343 |
Mittel -25,0s.
Nulllage 500 s. Mittlere durch den Thermostrom allein her-
vorgebrachte Ablenkung 145,4 s. Drehung der Polarisations-
ebene der strahlenden Wärme pro 100 s. -17.2 s.
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L. Grvnmuch.
99
4. September 1879.
IV.
Thermostrom neutralisirt.
«0
b
«h
c
1
i
dy + rf8
514
509
502,5
500
510
510
521,5
522,5
509
509
-9,5
-9,5
-12,0
-13,0
-21,5
-22,5
Mittel -22,0s.
V.
Thermostrom im umgekehrten Sinne geschlossen und neutralisirt.
505 I 518 | 507 493 I 501 I +12,0 I +11,0 I +23,0
501 | 515,5 , 504 491 500 +13,0 i +11,0 ! +24,0
Mittel +23,5s.
8. Sept 1879. b) Länge der durchstrahlten Schicht 52mm.
30 Bunsen'sche Elemente. M = 228 s.
VI.
370
357
366
355
367
354
363
352
363
353
Thermostrom im negativen Sinne geschlossen.
368
370
369
367
367
I
382
383
379
380
379,5
366
367
363
363
365
!
-12,0
-13,0
-14,0
-13,0
-12,0
-15,0
-14,5
-13.0
-15,0
-13,5
!
-27,0
-27,5
-27,0
-28,0
-25,5
Mittel -27,0s.
Nulllage 500 s. Mittlere durch den Thermostrom allein her-
vorgebrachte Ablenkung 133,2 s. Drehung der Polarisations-
ebene der strahlenden Wärme pro 100 s. —20,3 s.
VII. Thermostrom umgekehrt.
611 600
621 608
626 612
628 613
Mittel -26,2 b.
Nulllage 500 s. Mittlere durch den Thermostrom allein her-
vorgebrachte Ablenkung 121,6 s. Drehung der Polarisations-
ebene der strahlenden Wärme pro 100 s. —21,55 s.
8. September 1879.
VIII. ThermostTom im positiven Sinne geschlossen und neutralisirt.
615
630,5
621
-13,0
-12,5
-25,5
622
637
626
-13,5
-13,0
-26,5
624
639
628
-13,0
-13,5
-13,0
-26,0
625
637
622
-13,5
-27,0
504
492
506
519,5
507
491
503
517,5
505
490
507
520
IX.
Thermostrom um
494
509,5
497
482
493
508
495
4S3
498
508,5
496
482
494
509,5
500
484,5
499
512,5
503
487,5
501
1 515,5
504
488,5
507
505
506
493
498
494
499
501
500
-13,0
-14,0
-16,0
+ 14,0
+ 14,0
+ 11,5
+ 12,5
+ 11,5
+ 13,0
-13,0
-13,5
-13,5
-26,0
-27,5
- 29,5
Mittel -27,7s.
+ 13,0
+ 13,5
+ 13,0
+ 15,0
+ 14,5
+ 13,5
+ 27,0
+ 27,5
+ 24,5
+ 27,5
+ 26,0
+ 26.5
Mittel +26,0s.
7*
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100
L. Grunmach.
10. September 1879.
3. Prisma aus schwerem Flintglas mit quadrati-
schem Querschnitt (nur von 2 Seiten angeschliffen).
Länge der durchstrahlten Schicht 42 mm.
10 Bunsensche Elemente. M = 92 s.
I.
Thermostro
m im pc
>sitivcn Si
nne gesch
ossen.
«o
b
«i
c
ä,
d.
1 dl
775
778
771
765
764
760
773
772
770
786,5
780,5
779,5
778
771
768
- 9,0
-11,0
-10,5
-11,0
- 9,0
-10,5
-20,0
-20,0
-21,0
Mittel -20,3 s.
Nulllage 500 s. Mittlere durch den Thermostrom allein her-
vorgebrachte Ablenkung 272,4 s. Drehung der Polarisations-
ebene der strahlenden Wärme pro 100 s. —7,5 s.
II.
Thermostrom umgekehrt.
234
242,5 \
230
223
236
+ 10,5
+ 10,0
+ 20,5
236
241,5
230
224
236
+ 8,5
+ 9,0
+ 17,5
236
245,5
234
223,5
234
+ 10,5
+ 10,5
+ 21,0
Mittel +19,7s.
Nulllage 500 s. Mittlere durch den Thermostrom allein her-
vorgebrachte Ablenkung 266,6 s. Drehung der* Polarisations-
ebene der strahlenden Wärme pro 100 s. +7,4 8.
30 Bunsensche Elemente. Af= 244 *\
jll Thermostrom im negativen Sinne geschlossen.
-10,5 i -10,5 I -21,0
- 9,5 i -12,5 -22,0
-10,0 | -11,5 1 -21,5
Mittel -21,5 s.
Nulllage 500 s. Mittlere durch den Thermostrom allein her-
vorgebrachte Ablenkung 119,6 s. Drehung der Polarisations-
ebene der strahlenden Wärme pro 100 s. —18,0 s.
380
370,5 |
382
392
381
381
371 . 1
380
393
381
381
370
379
391
380
IV.
Thermostrom im positiven Sinne geschlossen.
610
622,5
612
600
608
+ 11,5
+ 10,0
608
622,5
622,5
611
600
608
+ 13,0
+ 9,5
608
613
601,5
610
+ 12,0
+ 10,0
+ 21,5
+ 22,5
+ 22,0
Mittel +22,0s.
Nulllage 500 s. Mittlere durch den Thermostrom allein her-
vorgebrachte Ablenkung 1 10,3 s. Drehung der Polarisations-
ebene der strahlenden Wärme pro 100 s. + 19,9 s.
Digitized by Google
L. Grunmach. 101
10. Sept. 1879.
ym Thermoßtrom im positiven Sinne geschlossen und neutralisirt.
«0
6
«i
c
as dx
dx +^
503
506
508
514,5
518
518,5
509
510
509
496
498
500
506 I + 8,5
508 + 10,0
512 i +10,0
+ 11,5
+ 11,0
+ 10,5
+ 20,0
+ 21,0
+ 20,5
Mittel +20,5s.
VI. Thermostrom umgekehrt und neutralisirt.
514
504
514
525
513
-10,0
-11,5
-21,5
513
503
512
523
509
- 9,5
-12,5
-22,0
509
500
512
524
510
-10,5 1
-13,0
Mittel -22,3 s.
8. September 1879.
4. Prisma aus schwerem Flintglas von gleich-
schenklig dreieckigem Querschnitt.
Länge der durchstrahlten Schicht 158 mm.
30 Bunsen'sche Elemente. M = 228 s.
I. Thermostrom im positiven Sinne geschlossen.
630
647,5
632
610
628
+ 16,5
+20,0
+ 36,5
628
647
630
608
624
+ 18,0
+ 19,0
+37,0
624
646,5
627
605
621
+ 21,0
+ 19,0
+ 40,0
621
639,5
638
621
602
618
+ 18,5
+ 17,5
+36,0
618
620
603
622 | +19,0
+ 18,0
+ 37,0
Mittel + 37,3 s.
Nulllage 500 8. Mittlere durch den Therm ostrom allein her-
vorgebrachte Ablenkung 124,8 s. Drehung der Polarisations-
ebene der strahlenden Wärme pro 100 s. 4-29.9 s.
II. Thermostrom umgekehrt.
377 1
361
379
398
381
-17,0
-18,0
-35,0
381
360
379
399
380
-20,0
-19,5
-39,5
880 |
360
378
399
1 380
-19,0
-20,0
-39,0
Mittel +37,8s.
Nulllage 500 s. Mittlere durch den Thermostrom allein her-
vorgebrachte Ablenkung 120,9 s. Drehung der Polarisations-
ebene der strahlenden Wärme pro 100 s. —31,3 s. •
jjj Thermostrom neutralisirt.
499
478
494
514
498
-18,5
-18,0
-36,5
488
478
495
517
499
-18,5
-20,0
-38,5
499
480
500
520
504
-19,5
-18,0
-18,0
-37,5
504
487
506
526
512
-17,0
-35,0
Mittel -36,9 s.
litized by Google
102
L. Grunmach.
8. September 1879.
jy Thermostrom umgekehrt und neutralisirt.
«0
b
«,
' 1
0,
<*.
dx + d2
499
519
501
480
497
+ 19,0
+ 19,0
+ 38,0
497
516,5
501
480
496
+ 17,5
+ 18,5
+ 36,0
■196
1 515
500
481 1
499
+ 17,0
+ 18,5
+ 35,5
499
518,5
501
480,5
500
+ 18,5
+ 20,0
+ 38,5
500
| 517,5
499
480
499
+ 18,0
+ 19,0
+ 37,0
Mittel + 37,0 s.
12. Sept. 1879. 5. Spiegelglasplatte.
Länge der durchstrahlten Schicht 24 mm.
30 Bunsen'sche Elemente. M = 238 s.
j Thermostrom im positiven Sinne geschlossen.
615
620
615
607,5
613
+ 5,0
+ 4,5
+6,5
+ 11,5
613
618
614
608,5
614
+ 5,5
+ 10,0
Mittel + 10,7 s.
Nulllage 500 s. Mittlere durch den Thermostrom allein her-
vorgebrachte Ablenkung 114,2 s. Drehung der Polarisations-
ebene der strahlenden Wärme pro 100 8. +9,4 s.
n.
Thermo8trom umgekehrt.
330 I
372
374
380
376
370,5
374
381
374
367,5
372 j
381
376
874
378
-5,0
-4,5
-5,5
-5,0
-10,0
-7,0
-11,5
-6,0
-11,5
Mittel -11,0 s.
Nulllage 500 s. Mittlere durch den Thermostrom allein her-
vorgebrachte Ablenkung 124,6 s. Drehung der Polarisations-
ebene der strahlenden Wärme pro 100 s. —8,8 s.
507
504
IV.
Thermostrom im negativen Sinne geschlossen und neutralisirt.
| 509,5 |
| 509,5 |
501,5
499,5
507
505
504
503
-5,5
I -5,0
-4,0
- 9,5
-5,5
-10,5
Mittel -10,0 s.
Thennostrom umgekehrt und neutralisirt.
506
511
506
502
508
+ 5,0
+ 5,0
508
512
508
502
505
+ 4,0
+ 4,5
+ 10
+ 8,5
Mittel + 9,2 s.
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L. Grunmach.
103
2. Sept 1879
6. Schwefelkohlenstoff.
Länge der durchstrahlten Schicht 205 mm. •
10 Bunsen'sche Elemente. M = 70 s
Thennostroin im negativen Sinne geschlossen.
0
4 + d%
416
417
414
415
415
414
414
415
421
420,5
419,5
420,5
419,5
418,5
419,5
419,5
418
417
416
416
416
415
416
415
413,5
411,0
411,5
411,5
411,5
410,5
411,5
410,0
417
414
415
415
414
414
415
414
+ 4,0
+ 3,5
+ 4,5
+ 5,0
+ 4,0
+ 4,0
+ 4,5
+ 4,5
+ 4,0
+ 4,5
+ 4,0
+ 4,0
+ 3,5
+ 4,5
+ 4,0
+ 4,5
+ 8,0
+ 8,0
+ 8,5
+ 9,0
+ 7,5
+ 8,5
+ 8,5
+ 9,0
Mittel +8,4s.
Mittlere durch den Thermostrom allein her-
blenkung 84,5 s. Drehung der Polarisations-
strahlenden Wärme pro 100s. +9,9 s.
4. Sept 1879. 16 Bunsen'sche Elemente. M— 102 s
IL Thermostrom im negativen Sinne geschlossen.
Nulllage 500 s.
vorgebrachte Ali
ebene der
408
414
405 1
397
403
+ 7,5
i +7,0
+ 14,5
+ 13,0
403
409,5 ,
402
396
402
+ 7,0
+ 6,0
402
411
405 1
397
404
+ 7,5
+ 7,5
+ 15,0
Mittel +14,2s.
Nulllage 5008. Mittlere durch den Therraostrom allein her-
vorgebrachte Ablenkung 95,9 s. Drehung der Polarisations-
ebene der strahlenden Wärme pro 100 s. + 14,8 s.
6. Sept. 1879. 20 Bunsen'sche Elemente. J/=128s.
HI. Thermostrom im negativen Sinne geschlossen.
408
398
406
414
407
- 9,0
-10,0
- 8,5
-7,5
-16,5
407
397
407
417
409
-9,0
-19,0
409
400
i 408
416
407
-8,5
-17,0
Mittel -17,5s.
Nulllage 500 s. Mittlere durch den Thermostrom allein her-
vorgebrachte Ablenkung 92,6 s. Drehung der Polarisations-
ebene der strahlenden Wärme pro 100 s. +18,9 8.
IV.
610
610
611
Thermostrom umgekehrt.
602
602
601,5
612
611
609
!
620
619,5
617
610
611
608
-9,0
-8,5
-8,5
9,0
•8,5
■8,5
-18,0
-17,0
-17,0
Mittel -17,3 s.
Digitized by Google
104
L Grunmach.
Nulllage 500 s. Mittlere durch den Thermostrom allein her-
vorgebrachte Ablenkung 110,1s. Drehung der Polarisations-
ebene der strahlenden Wärme pro 100 8. —15,7 s.
6. September 1879.
V.
Thermostrom neutralisirt.
«0
b
a,
c
<h
dt
<*>
501
492
501
508
499
-9,0
-8,0
-17,0
499
490
499
509
501
-9,0
-9,0
-18,0
501
490,5
499
507
498
-9,5
-8,5
-18,0
VI.
499
495
497
Mittel -17,7 s.
Thermostrom umgekehrt geschlossen und neutralisirt.
508,5
502,5
508,5
500
497
502
488,5
489,5
491,5
495
497
498
+ 9,0
+ 6,5
+9,0
+ 9,0
+ 7,5
+ 8,5
+ 18,0
+ 14,0
+ 17,5
80 Bunsen'sche Elemente. M
Mittel + 16,5 s.
206 s.
VII.
Thermostrom im negativen Sinne geschlossen.
382
362
378
395,5
379
-18,0
-17,0
-35,0
379
358
376
394,5
378
-19,5
-17,5
-37,0
-36,5
378
359
376
396,5
380
-18,0
-18,5
380
359,5
879
398,5
381
-20,0
-18,5
-38,5
Mittel -36,7 s.
Nulllage 500 s. Mittlere durch den Thermostrom allein her-
vorgebrachte Ablenkung 121,2 s. Drehung der Polarisations-
ebene der strahlenden Wärme pro 100 s. —30,3 s.
VTJX Thermostrom umgekehrt.
620 I
620
619
620
603
622
640
620
-18,0
-19,0
-37,0
606
625
642
619
-16,5
-20,0
-36,5
602
620
688
620
-17,5
-18,5
-18,0
-35,5
603
623
641
624
-17,5
-36,0
Mittel -36,2 s.
Nulllage 500 s. Mittlere durch den Thermostrom allein her-
vorgebrachte Ablenkung 121,4 s. Drehung der Polarisations-
ebene der strahlenden Wärme pro 100 8. —29,8s.
7. Sept. 1879.
IX.
499
497
493
498
30 Bunsen'sche Elemente.
Thermostrom neutralisirt.
514,5
511
509
513
503
485
497
+ 13,5
+ 15,0
+28,5
498
480
493
+ 13,5
+ 15,5
+ 29,0
499
484
498
+ 13,0
+ 14,5
+ 27,5
500
484
496
+ 14,0
+ 14,0
+ 28,0
Mittel + 28,2s.
Digitized by Google
L. Grunmach. 105
7. September 1879.
y Thermostrom-umgekehrt und neutralisirt.
«0
b
«i
c
dx
dt
dx+dt
499
497
496
500
513
512,5
513,5
514
498
499
500
501
4S2
482
486
486
497
496
500
500
+ 14,5
4-14,5
4-15,5
+ 13,5
+ 15,5
+ 15,5
+ 14,0
+ 14,5
+ 30,0
+ 30,0
+ 29,5
+ 28,0
Mittel +29,41'.
35 Bunsen'sche Elemente. M «= 237 s.
Thermostrom im negativen Sinne geschlossen.
415
396
409
425,5 I
413
-16,0
-14,5
-30,5
413
395,5
412
426,5
414
-17,0
-13,5
-30,5
414
393
408
423,5
408
-18,0
-15,5
-33,5
408
390,5
404
420,5
406
-15,5
- 15,5
-31,0
Mittel -3l,4P.
Nulllage 500 s. Mittlere durch den Thermostrom allein her
vorgebrachte Ablenkung 90,1 s. Drehung der Polarisations-
ebene der strahlenden Wärme pro 100 s. —34,9 s.
XII.
590
589
584
585
Thermostrom umgekehrt.
608 •
595 [
574,5
589
+ 15,5
+ 17,5
+ 33,0
605
590
569,5
584
+ 15,5
+ 17,5
+ 33,0
604
590
570,5
585
+ 17,0
+ 17,5
+ 17,0
+ 34,0
604
588 ;
570,5
585
+ 16,0
+ 33,5
Mittel +33,4i\
Nulllage 500 s. Mittlere durch den Thermostrom allein her-
vorgebrachte Ablenkung 88,4 s. Drehung der Polarisations-
ebene der strahlenden Wärme pro 100 s. +37,8 s-
XIII.
Wiederholt
630
653
632
606
625
+ 22,0
+ 22,5
+44,5
625
648
623
598
618
+ 24,0
+ 22,5
+46,5
618
642,5
620
600
622
+ 23,5
+ 21,0
+44,5
622
646
625
604
625
+22,5
+ 21,0
+ 43,5
Mittel +44,7P.
Nulllage 500 8. Mittlere durch den Thermostrom allein her-
vorgebrachte Ablenkung 124,4 s. Drehung der Polarisations-
ebene der strahlenden Wärme pro 100 s. -f- 35,9 s.
106
L. Grunmach,
12. Sept. 1879. ' 7. Terpentinöl.
Länge der durchstrahlten St!hicht 205 min.
30 Bunsen'sche Elemente. M = 238 s.
I. Thermostrom im positiven Sinne geschlossen.
«0
b
„, | c
dx
d.
dt + «£,
560
559
558
565
561
562
562 558
557 555,5
561 , 559
559
558
561
+ 4,0
+ 3,0
+ 2,5
+2,5
+ 2,0
+ 2,0
+ 6,5
+ 5,0
+ 4,5
Mittel +5,3 s.
Nulllage 5008. Mittlere durch den Tbermostroin allein her-
vorgebrachte Ablenkung 59,7 s. Drehung der Polarisations-
ebene der strahlenden Wärme pro 100 s. +8,9 s.
II.
Thennostrom umgekehrt.
450
446
448
451,5
449
-3,0
-3,0
-6,0
449
446
449
452
447
-3,0
-2,5
-4,0
-7,0
447
444
446
448,5
444
-3,5
-6,0
Mittel -6,3 s.
Nulllage 500 s. Mittlere durch den Thermostrom allein her-
vorgebrachte Ablenkung 52,4 s. Drehung der Polarisations-
ebene der strahlenden Wärme pro 100 s. — 12,0 s.
13. Sept. 1879. 8. Destillirtes Wasser.
Länge der durchstrahlten Schicht 205 nun.
35 Bunsen'sche Elemente. M = 249 s.
Thermostrom im negativen Sinne geschlossen.
I.
435
436
434
433
I
439,5
440
436,5
434
437
436
435
431
435
432
432
429
436
434
433
430
+ 3,5
+ 4,0
+ 2,0
+ 2,0
+ 1,5
+ 3,0
+ 2,0
+ 1,5
+ 5,0
+ 7,0
+ 4,0
+ 3,5
Mittel +4,6 s.
'Nulllage 500 s. Mittlere durch den Thermostrom allein her-
vorgebrachte Ablenkung 65,9 s. Drehung der Polarisations-
ebene der strahlenden Wärme pro 100 s. +7,0s.
Thermostrom umgekehrt.
IL
580
583
576
572
!
583,5
584
577
573
582
580
573
570
580
578
571
567
I
583
576
572
566
+ 2,5
+ 2,5
+ 5,0
+ 2,5
+ 2,5
i unsicher)
+ 2,5
+ 1,5
+ 4,0
+ 2,0
+ 1,0
+ 3,0
unsiclif -
Mittel +4,5s.
Digitized by Google
L. Grunmach. 107
Nulllage 500 s. Mittlere durch den Thermostrom allein her-
vorgebrachte Ablenkung 75,8 s. Drehung der Polarisations-
ebene der strahlenden Wärme pro 100 s. +5,9 s.
13. Sept. 187t). 9. Absoluter Alkohol.
Länge der durchstrahlten Schicht 205 mm.
3 > Bunsen'sche Elemente. 3/= 249 s.
I_ Thermostrom im positiven Sinne geschlossen.
«o
h
ax c
<*2
dl + cU
592
596
599
594
599
597
595 595
598 597
596 593
!
596
599
m
+ 0,5
+ 2,0
+ 0,5
+ 0,5
+ 1,5
+ 2,0
+ 1,0
(unsicher)
+ 3,5
+ 1,5
(unsicher)
Mittel +3,5 s. (?).
Nulllage 500 s. Mittlere durch den Thermostrom allein her-
vorgebrachte Ablenkung 95,6 s. Drehung der Polarisations-
ebene der strahlenden Wärme pro 100 s. +3,7 s. (?).
Die beobachteten, die electromagnetische Drehung dar-
stellenden Ablenkungen sind sehr unsicher; die Differenzen
zweier aufeinanderfolgenden, durch den Thermostrom allein
hervorgebrachten Ablenkungen erreichen und überschreiten
sogar deren Grösse; der Versuch wird deshalb unterbrochen.
B. Von den mittelst der Spirale angestellten Ver-
suchen, welche nicht so grosse Wirkungen wie die sub A
mitgetheilten ergaben, seien nur folgende mitgetheilt:
3. September 1879.
Glasprisma (mit dreieckigem Querschnitt) aus
schwerem Flintglas.
Länge der durchstrahlten Schicht 158 mm.
•15 Bunsen'sche Elemente. i=4,2°.
j Thermostrom im positiven Sinne geschlossen.
a9
h
ax
c
1
at
dx +rfa
642
646
640
634
640
+ 5,0
+ 6,0
+ 11,0
640
640
639
634
640
+ 5,5
+ 5,5
+ 11,0
640
647
641
635
640
+ 7,5
+ 5,5
+ 13,0
108 L. Cfrunmach.
Nulllage 500 8. Mittlere durch den Thermostrom allein her-
vorgebrachte Ablenkung 140,3 s. Drehung der Polarisations-
ebene der strahlenden Wärme pro 100 s. +8,3 s.
3. September 1879.
jj Thermostrom umgekehrt.
a0
b
<h
c
a4
<*.
rf2
dx + c£2
351
356
360
356
364
366,5
352
859
362
349
355
357,5
356
360
363
+4,5
+ 6,5
+ 5,5
+ 5,0
+ 4,5
+ 5,0
+ 9,5
+ 11,0
+ 10,5
Mittel + 10,8 s.
Nulllage 500 s. Mittlere durch den Thermostrom allein her-
vorgebrachte Ablenkung 142,4 s. Drehung der Polarisations-
ebene der strahlenden Wärme pro 100 s. +7,2s.
30 Bunsen'sche Elemente, i = 7,3 °.
HI. Thermostrom neutralisirt.
493
501
495 |
485
492
+ 7,0
+ 8,5
+ 15,5
492
499,5
490
484
495
+ 8,5
+8,5
+ 17,0
495
498
489
480
486
+ 6,0
+ 7,5
+ 13,5
Mittel + 15,3 s.
IV. Thermostrom im positiven Sinne geschlossen.
370 |
380
374
368
1 377
+ 8.0
+ 7,5
+ 15,5
377
383
375
370
380
+ 7,0
+ 8,5
+ 7,5
+ 14,5
380 !
389
, 381 |
373
382
+ 8,5
-t-17,0
Mittel +15,7 s.
Nulllage 500 s. Mittlere durch den Thermostrom allein her-
vorgebrachte Ablenkung 123,0 s. Drehung der Polarisations-
ebene der strahlenden Wärme pro 100 8. -f 12,8 s.
V. Thermostroin umgekehrt.
640
645,5 1
635
627
635
+ 8,0
+ 8,0
| +16,0
635
644
634
626
635
+ 9,5
+ 8,5
+ 18,0
635
640,5
630
621
625
+8,0
+ 8,5
+ 16,5
629
638,5
629
619
628
+ 9,5
+ 9,5
+ 19,0
Mittel + 17,8 s.
Nulllage 500 s. Mittlere durch den Thermostrom allein her-
vorgebrachte Ablenkung 132,8 s. Drehung der Polarisations-
ebene der strahlenden Wärme pro 100 s. -t- 13,4 s.
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L. Grunmach. 10$
§ 5. Berechnung der Versuche und Discussion der
Fehlerquellen.
Die Berechnung vorstehend mitgetheilter Versuche ist
aus ihrer Anordnung wohl leicht ersichtlich; die in der Columne
rfj + d2 enthaltenen, die Grösse der electroraagnetischen
Drehung der Polarisationsebene darstellenden Zahlen sind
stets in einen Mittelwerth vereinigt, welcher der mittleren,
durch den Thermostrom allein hervorgebrachten Ablenkung
entspricht; letztere ergibt sich als arithmetisches Mittel aus.
der ersten sub Col. a0 und sämmtlicher sub Col. ax und at
verzeichneten Ablenkungen (die darauffolgenden Zahlen unter
a0 sind nämlich genau dieselben wie unter a2 und nur der
leichteren Uebersi cht wegen wiederholt). Diese der Quan-
tität der polarisirten Wärmestrahlen entsprechende-
mittlere Ablenkung ist stets gleich 100 gesetzt und
die electromagnetische Drehung auf diese Grösse reducirt
worden.
Diejenigen Versuche, bei welchen die auf die eine Seite
der Thermosäule fallende Wärmemenge durch die Lampe
und Linse neutralisirt wurde, lassen eine derartige Reduction,
da die Grösse des Thermostroms ja nicht beobachtet wurde,,
natürlich nicht zu; sie gelten nur als Controlversuche, ohne
bei der Ermittelung der Resultate benutzt zu werden.
Mannigfaltig sind die Vorsichtsmaassregeln, von deren
Berücksichtigung die Ausführbarkeit exacter Messungen ab-
hängig ist.
1. Auf den Umstand, dass der polarisirte Wärme-
strahl genau mit der Richtung der magnetischen
Kraftlinie zusammenfällt, sowie auf die Aufstellung
der diamagnetischen Substanzen ist besondere Sorg-
falt zu verwenden, da die Grösse der Drehung von der Nei-
gung, welche die Richtung des Wärmestrahls mit der Richtung
der Wirkung der magnetischen Kraft bildet, abhängt. Aus
V erdet' s Versuchen über die electromagnetische Drehung
der Polarisationsebene des Lichts1) ergibt sich, dass der
1) Verdet, Ann. de chim. et de phys. (3) 48. p. 37. 1854; Wied.
Galv. 2. p. 753.
M ^ Digitized by Google
110
L. Grunmuch.
Winkel, um welchen die Polarisationsebene des Lichts ge-
dreht wird, bei gleicher magnetisirender Kraft dem cosinus
des Neigungswinkels zwischen der Richtung des Lichtstrahls
und" der axialen Richtung der magnetischen Wirkung pro-
portional ist.
Aber auch die Verschiedenheit in der Lage der Diamag-
netica kann die Erscheinungen in hohem Maasse beeinflussen.
Es gibt wohl kaum ein Glasstück, welches, besonders
wenn es irgend einer starken mechanischen Einwirkung1)
ausgesetzt gewesen, mit grossen guten Nicols untersucht,
sich nicht als doppeltbrechend erwiese. Mir sind von Hrn.
Mechaniker H a e n s c h die verschiedensten bei der Construction
optischer Apparate zur Verwendung kommenden Glassorten
bereitwilligst zur Verfügung gestellt worden, ich habe die
Glasstücke von allen Seiten anschleifen lassen und mit den
grossen Nicols untersucht und kein einziges Stück gefunden,
welches nicht das Licht depolarisirte. Man darf sich bei der
Prüfung solcher Glasstücke in Bezug auf Doppelbrechung nur
grosser Nicol'scher Prismen bedienen. Glasstücke, welche
mir von renommirten Firmen mit der Versicherung, sie hätten
sich nach der Untersuchung als einfachbrechend ergeben,
übersandt worden sind, erschienen in der That, mit kleinen
1) Im Herbste des Jahres 1877 suchte ich die von Hrn. Kerr (Phil.
Mag. (4) 50. p. 337—348, 446—458) mitgetheilten Versuche, betreffend
eine neue Beziehung zwischen Eleetricität und Licht, nach welchen
dielectrische Medien durch starke Electrisirung doppeltbrechend werden
sollen, zu wiederholen. Durch einen Zufall erhielt ich ein parallelepipe-
disches Stück guten Flintglases von 105 mm Länge, 70 mm Breite und
24 mm Dicke, welches, allerdings mit kleinen Nicols untersucht, einfach
brechend erschien. Als ich aber in dasselbe, nach Kerr's Vorschrift,
der Länge nach conaxiale Löcher zur Aufnahme der Electroden hatte
bohren und die anstossenden Endflächen poliren lassen, ergab nunmehr
die Untersuchung, dass das Glas doppeltbrechend geworden war. Ich
bemerke bei dieser Gelegenheit, dass es mir nicht gelungen ist, die Kerr'-
schen Versuche zu reproduciren , obschon die angewandte Electricitäts-
quelle sehr bedeutend (grosser RuhmkorfFscher Inductionsapparat, ge-
speist von sechs Bimsen' scheu Elementen, Funkenlänge 10 bis 15 cm^
und obschon der Polarisationsapparat so empfindlich war, dass der ge-
ringste mechanische Druck , z. B. sanftes Auflegen des Fingers auf die
< Glasplatte, die Erscheinung der Doppelbrechung deutlich hervorbrachte.
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L. Grunmach. 111
Nicols untersucht, als nicht doppelbrechend, weil man wegen
des kleinen Gesichtsfeldes in der Regel nur die nicht depo-
larisirenden Theile erblickte; untersuchte ich sie dagegen mit
den grossen Nicols, so zeigten sie das schwarze Kreuz, wie
es deutlicher eigens zu dem Zwecke behandelte Glaser nicht
zeigen können. Es sind daher die Glasstücke so aufzustellen,
dass die Wärmestrahlen durch die nicht depolarisirenden
Theile, am besten durch den Mittelpunkt des schwarzen
Kreuzes gehen, und man hat zu dem Ende nach ähnlichen
Vorschriften zu verfahren, wie sie für die Aufstellung und
Justirung eines Spectralapparates gelten.
2. Die directe Einwirkung des Electromagnets
auf die Galvanometernadel liesse sich wohl durch geeignete
Aufstellung und Drehung der Instrumente vollständig aus-
schliessen, jedoch nur für eine ganz bestimmte Lage der
Galvanometernadel. Denn gesetzt, es fände keine Einwirkung
des Magnets auf die Nadel, wenn letztere ihre Nulllage
inne hat, statt, so wäre dadurch keineswegs ausgeschlossen,
dass der Magnet gleichwohl auf die durch den Thermostrom
bereits abgelenkte Nadel eine Einwirkung ausübte, da nun-
mehr die Richtung der magnetischen Axe der Nadel gegen
die der magnetischen Kraftlinie eine andere geworden. Ich
bemerke, dass bei meinen Versuchen zwar niemals bei An-
wendung der Spirale, in einigen Fällen aber bei Anwendung
des Electromagnets, wenn er durch sehr starke Ströme
(30 bis 35 Bunsen'sehe Elemente) erregt wurde, eine directe
Einwirkung stattfand, die einige Scalentheile betrug; es schien
mir nicht gerathen, diese Einwirkung stets durch eine Aende-
rung in der Aufstellung, wenn letztere den unter 1. erörterten
Anforderungen gemäss mit Mühe bewerkstelligt war, zu be-
seitigen; ich wandte vielmehr zu diesem Zwecke die einfache
und bequeme Methode an, dass ich unmittelbar vor dem
Beginn und unmittelbar nach dem Schlüsse eines jeden Be-
obachtungssatzes, der durchschnittlich etwa 5 Minuten lang
währte, die directe Einwirkung des Magnets (vergl. S. 93)
auf die Galvanometernadel beobachtete, und zwar sowohl,
wenn letztere in ihrer Nulllage verharrte, als auch, wenn
sie durch einen kleinen mittelst der Wheastone'schen Brücke
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112
L. Grunmach.
leicht regulirbaren Zweigstrom eines Daniell'schen Elementes
so weit abgelenkt war, als es der mittleren Grösse der durch
den Thermostrom hervorgebrachten Ablenkung entsprach.
In den wenigen Fällen, in denen eine directe Einwirkung
nachweisbar war, trat die derselben entsprechende geringe
Aenderung in der Nulliage der Nadel in Rechnung.
Ob und in wie weit ferner die beobachtete Drehung der
Polarisationsebene durch etwaige Inductionsphänomene
oder durch directe magnetische Einwirkungen hätte beeinflusst
werden können, war aus den zu wiederholten Malen ausge-
führten Versuchen ersichtlich, bei denen die Diamagnetica
von den Polen des Magnets entfernt und, um dieselbe ther-
mische Wirkung zu erzielen, unmittelbar vor die Thermo-
säule gebracht wurden. Eine Inductionswirkung wurde nie-
mals beobachtet; die Grösse der durch den Thermostrom
hervorgebrachten Ablenkung wurde bei dieser Anordnung
durch den magnetisirenden Strom in den meisten Fällen gar
nicht verändert, nur in einzelnen Fällen, in denen mit sehr
starken Strömen gearbeitet wurde, zeigte sich eine der soeben be-
sprochenen in Bezug auf Grösse und Sinn genau gleiche Wirkung.
Als Controlversuche gelten ferner die sämmtlichen unter
der Bezeichnung „Thermostrom neutralisirt" angeführten Ver-
suche.
3. Dass eine constante Wärmequelle für das Ge-
lingen der Versuche unerlässliche Bedingung ist, und wie
man, selbst wenn Sonnenlicht bei heiterem, unbewölktem Himmel
zur Verfugung steht, zu verfahren hat, um den störenden
Einfluss der unvermeidlich auftretenden Variationen in der
Intensität des Thermostromes zu eliminiren, ist bereits mehr-
fach auseinander gesetzt worden. Damit die einen Versuch
bildenden Einzelbeobachtungen in möglichst rascher Auf-
einanderfolge ausgeführt werden können, ist die Anwendung
eines aperiodischen Galvanometers wünschenswerth.
§ 6. Methode der Messung der Intensität des erregenden Stromes
und der Stärke der wirkenden magnetischen Kraft
Zur Messung der Intensität des um die diamag-
netischen Substanzen geleiteten electrischen Stro-
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L. Grnnmach.
113
me8 bediente ich mich des von Kundt und Röntgen1) bei
ihrer Arbeit „über die electromagnetische Drehung der Pola-
risationsebene des Lichts in Gasen" angewandten Verfahrens.
Vor und nach einer jeden Beobachtungsreihe wurde die electro-
magnetische Drehung der Polarisationsebene des Lichts in
der 205 mm langen Säule von flüssigem Schwefelkohlenstoff
gemessen und aus beiden Messungen das Mittel genommen.
Als Lichtquelle diente eine Natronflamme, als electrisi-
rende Spirale direct die grosse Versuchsspirale; die Strom-
intensität in letzterer wurde dem Betrage der Drehung pro-
portional gesetzt. Es war auf diese Weise eine unmittelbare
Vergleichung zwischen dem optischen und dem thermischen
Phänomen in Bezug auf Sinn und Grösse der Wirkung er-
möglicht. In den mitgetheilten Versuchen ist neben der Anzahl
der angewandten Elemente stets die Stromstärke i, in Graden
der Drehung in Schwefelkohlenstoff ausgedrückt, verzeichnet.
Zur Messung der Grösse der magnetischen Kräfte,
die auf die diamagnetischen Substanzen wirkten, wenn dieselben
sich zwischen den Polen des Electroraagnets befanden, wandte
ich einen Apparat an, den ich zu einem anderen Zwecke,
nämlich die Abhängigkeit der Wirkungsweise des Telephons
von der Dicke der schwingenden Platte zu untersuchen, con-
struirt hatte, und von welchem auf Taf. I Fig. 9 eine Seiten-
ansicht gegeben ist. Die an dem einen Ende mit dem Griffe G
versehene Spindel S ist durch die beiden Lager Lx und L2
so unterstützt, dass sie in ihrer Längsrichtung nach Ueber-
windung einer geringen Reibung leicht bewegt werden kann ;
das andere Ende der Spindel trägt eine mit einer cylindrischen
Vertiefung versehene Holzplatte H, in welche Eisenplatten E
von verschiedener Dicke durch den Ring R festgeklemmt
werden können. Um die Grösse der Verschiebung der Spindel 6*
mit ihren Theilen variiren zu können, ist das eine Lager L2
auf dem Tische T verschiebbar und kann an jeder Stelle
durch die Klemmschrauben Kx und K2 festgeklemmt werden,
während die durch den Lagerkörper L2 gehende mit einer
Trommel versehene Mikrometerschraube M zur feineren Ein-
stellung der Verschiebungsgrösse der Spindel in ihrer Axen-
1) Kundt u. Röntgen, Münch. Ber. p. 148. 1879.
Ann. <L I hyg. u. Chetn. N. F. XIV. g
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114
L. Grunmach.
richtung dient. Gegenüber der Eisenplatte befindet sich eine
Spirale, in deren Oetfnung ein starker Magnet fest gelagert
ist. Denkt man sich die Enden der Spirale verbunden, so
tritt bei jedem Entfernen oder Nähern der Eisenplatte in
der Spirale ein Inductionsstrom auf, dessen Stärke unter
Anderem von der Stärke des Magnets abhängt. Dieser
Apparat wurde nun, nachdem der Magnetstab durch einen
Cylinder von weichem Eisen ersetzt war, in geeigneter Weise
mitten zwischen die Pole des Magnets, und zwar stets genau an
dieselbe Stelle, gebracht, die Spindel ein für allemal auf ihre
Maximalverschiebung eingestellt, die Enden der Spirale mit
dem Siemens'schen Galvanometer verbunden und dann vor
und nach jeder Beobachtungsreihe in der angedeuteten Weise
ein Beobachtungssatz ausgeführt. Die Intensität der beim
schnellen Hin- und Zurückbewegen der Spindel in der Spirale
erzeugten Inductionsströme ist der magnetischen Wirkung
zwischen den Polen proportional, und ihre Grösse wird durch
die Grösse der beobachteten Galvanometerablenkung ausge-
drückt. Die beiden aus den am Beginn und am Schluss
eines jeden Versuches angestellten Beobachtungssätzen er-
haltenen Mittelwerthe wurden in einen Hauptmittelwerth
vereinigt. Die denselben darstellende Zahl M befindet sich
in den sub A mitgetheilten „Versuchen mittelst des Electro-
magnets" stets neben der Anzahl der Elemente verzeichnet,
sie stellt die Grösse der auf die Substanz wirkenden magne-
tischen Kraft, ausgedrückt in Scalentheilen der Galvanometer-
ablenkung, dar.
§7. Zusammenstellung der Resultate und ISchlussfoigerungen.
Fassen wir die Ergebnisse der im Vorstehenden näher
besprochenen Versuche zusammen, indem wir die Resultate,
welche aus unter gleichen Umständen angestellten Beob-
achtungssätzen gewonnen sind, zu Mittelwerthen vereinigen,
so ergibt sich, wenn wir
mit n die Zahl der jedesmal angewandten Bunsen'schen
Elemente,
mit D die Summe der beiden nach entgegengesetzten
Seiten gerichteten Drehungen der Polarisationsebene der strah-
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L. Grunmach.
115
lenden Wärme, ausgedrückt in Scalentheilen der Galvano-
meterablenkung und bezogen auf eine gleich 100 gesetzte
Menge polarisirter Wärmestrahlen,
ferner mit i die Intensität des erregenden Stromes bei
Anwendung der Spirale, ausgedrückt in Graden der Drehung
der Polarisationsebene des Lichts in flüssigem Schwefelkohlen-
stoff (205 mm lange Säule),
endlich mit M die durch die Induction gemessene Stärke
der auf die Substanzen wirkenden magnetisirenden Kraft,
ausgedrückt in Scalentheilen der Galvanometerablenkung,
bezeichnen, folgende Zusammenstellung:
A. Versuche mittelst
1. Leichtes Flintglas.
Breehungsexponent : 1 ,573.
Länge der durchstrahlten Schicht
117 mm.
n
D
.
D
M
6
4,3
36
0,119
15
11,4
118
0,096
30
23,7
214
0,111
des Electromagnets.
5. Spiegelglasplatte.
Breehungsexponent: 1,538.
Länge der durchstrahlten Schicht
2. Schweres Flintglas.
Breehungsexponent: 1,650.
a) Länge der durchstrahlten Schicht
42 mm.
20
30
I
13,7
17,3
166
221
0,083
0,078
b) Länge der durchstrahlten Schicht
52 mm.
30 I 20,9 228
0,092
3. Schweres Flintglas.
Länge der durchstrahlten Schicht
42 mm.
10
30
7,45
18,95
92
244
0,081
0,078
n
n
M
! H
30
1
9,1
238
0,038
4. Schweres Flintglas.
Länge der durchstrahlten Schicht
158 mm.
30 ) 30,6 | 228 | 0,134
6. Flüssiger Schwefel-
kohlenstoff.
Breehungsexponent: 1,626.
Länge der durchstrahlten Schicht
205 mm.
10 9,9 | 70 1 0,141
16 14,8 I 102 ! 0,145
20 17,3 12H 0,135
30 30,05 206 0,146
35 36,2 237 0,153
7. Terpentinöl.
Breehungsexponent: 1,474.
Länge der durchstrahlten Schicht
205 mm.
30 10,45 | 238 | 0,044
8. Destillirtes Wasser.
Breehungsexponent : 1 ,333.
Länge der durchstrahlten Schicht
205 mm.
35 ! 6,45 ! 249 | 0,026
9. Absoluter Alkohol.
Brechuugsexponent: 1,365.
Länge der durchstrahlten Schicht
205 mm.
35 | 3,7 (?) j 249 | 0,015(?)
8*
Digitized by Google
t
116 L. Grunmach.
B. Versuche mittelst der Spirale.
Schweres Flintglas. Länge der durchstrahlten Schicht 158 mm.
M
B
•
i
D
»
15
30
7,75 8.
13,1
4,2°
7,3
1,85
1,79
Aus dieser Zusammenstellung lassen sich folgende Schlüsse
ziehen:
1) In festen wie in flüssigen diathermanen Kör-
pern findet eine electromagnetische Drehung der
Polarisationsebene der strahlenden Wärme statt,
und zwar stets in dem Sinne, in welchem der Strom
die Spirale durchfliesst, resp. die Magnetkerne um-
kreist.
2) Die Grösse dieser Drehung ist unter sonst glei-
chen Umständen für die verschiedenen Substanzen
sehr verschieden; die Drehung ist um so grösser,
je grösser der Brechungsindex der Substanz ist1).
3) Bei directer Einwirkung eines um den diather-
manen Körper geleiteten galvanischen Stromes ist
die Grösse der Drehung der Intensität des Stromes
proportional.
4) In einem zwischen den Polen eines Electro-
magnets aufgestellten diathermanen Körper ist
die Grösse der Drehung der auf ihn wirkenden mag-
netischen Kraft proportional.
5) Die Grösse der Drehung wächst mit der Länge
der durchstrahlten Schicht; indess konnte die Ab-
hängigkeit der Grösse der Drehung von der Länge
numerisch nicht festgestellt werden.
Berlin , Physik. Cab. d.K. Techn. Hochschule, April 1881.
Es ist mir eine angenehme Pflicht, Hrn. Prof. Dr. Paalzow,
der mir mit der grössten Bereitwilligkeit und Liberalität die
für diese Untersuchung nöthigen Apparate seines Cabinets
zur Verfügung gestellt hat, hierfür auch an dieser Stelle
meinen verbindlichsten Dank auszusprechen.
1) Abgesehen vom Alkohol, für den die Bestimmungen überhaupt
unsicher sind.
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A. Kerber
117
IX. Die Höhe der Erdatmosphäre;
von JDr. A. Kerber.
L Die Cardinalpunkte der Atmosphäre.
Für kleine Zenithdistanzen repräsentirt die Atmosphäre
ein optisches System von brechenden Medien, getrennt durch
centrirte Kugelflächen von kleiner Oeffnung, sodass auf sie
die von Gauss und Möbius aufgestellte Theorie solcher
optischen Systeme angewendet werden kann.1) Von Wich-
tigkeit ist die Bestimmung der „Cardinalpunkte" durch
diese Theorie. Zu diesen rechnet man bekanntlich 1) die
Hauptbrennpunkte /, f im ersten und im letzten Me-
dium A, A'.
In ihnen ver-
einigen sich
die im entge-
gengesetzten
Medium der
Axe paralle-
len Strahlen;
2) die Kno-
tenpunkte
k,k' mit der Eigenschaft, dass jeder im ersten Medium gegen
k zielende Strahl (ab) im letzten Medium in der durch k'
zu seiner Anfangsrichtung gelegten Parallele cd weitergeht;
3) die Hauptpunkte h, h\ für welche Bild und Gegen-
stand, auch hinsichtlich ihrer Stellung, identisch sind. —
Die Lage dieser Cardinalpunkte kann auch hier, wie bei
allen complicirteren Systemen, deren Constitution nicht be-
kannt ist, nur experimentell gefunden werden2) auf Grund
der astronomischen Bestimmungen der Strahlenbrechung durch
die Atmosphäre.
Fig. l.
1) Gauss, Dioptr. Untersuchungen, Gott. 1840. Vgl. Helmholtz,
Phys. Optik, Braunschw. 1861. Im Folgenden verweise ick auf die weit-
verbreitete Physik von Mousson.
2) Mousson, Phys. 2. Aufl. § 731. 3. Aufl. § 810.
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118
A. Kerber.
Es sei m der Mittelpunkt der Erde, c der Standort des
Beobachters, cc ein kleiner Bogen eines grössten Erdkreises.
bb' der zuge-
hörige Durch-
schnitt dessel-
ben mit der
f Grenze der
Atmosphäre,
«ein Fixstern;
abc ein von a
nach c gehendes Strahlenbündel, welches in c in die Rich-
tung cf gebrochen wird, sodass £ die scheinbare Zenith-
distanz, g die astronomische Refraction bestimmt; am die
Axe des optischen Systems, dessen erstes Medium das Va-
cuum, für welches n — 1 , das letzte die unbegrenzt gedachte
unterste Luftschicht mit dem Brechungsverhältniss n.
Die Knotenpunkte der Atmosphäre fallen in den
Mittelpunkt der Erde. Denn da wegen der concentrischen
Begrenzung der brechenden Medien der Strahl in einer
Curve durch die Atmosphäre geht, deren Tangenten niemals
parallel sind, so kann nur ein auf m hinzielender Strahl im
Medium n in derselben Richtung weitergehen.
Die Lage des zweiten Brennpunktes/' ergibt sich
leicht, wenn der von a ausgehende Strahl als ursprünglich
der Axe parallel betrachtet wird. Derselbe wird aus seiner
Anfangsrichtung um den Betrag der astronomischen Refrac-
tion = g abgelenkt und zielt im letzten Medium nach dem
zweiten Brennpunkte des Systems. Die zugehörige Brenn-
weite F folgt aus Acmf\ denn es ist cm = Ä, <?' = £ und
wegen ab \\ a/\ < a = g, mithin:
(1) % F'=±R.
Das Verhältniss der astronomischen Refraction zur
scheinbaren Zenithdistanz g : £ beträgt aber nach den jetzigen
Refractionstafeln für den mittleren Luftzustand 57,3" !), so-
dass man setzen kann:
1) Bruhns, Astr. Strahlenbrechung, p. 19.
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119
(2) ' ' f = 57,3".(1 + J),
wo 57,3 J einen etwaigen ßeobachtungsfehler vorstellt, den
wir, um in den Resultaten den Grad der Genauigkeit zu
prüfen, mit in Rechnung ziehen. Hiernach ist:
(3) j F" 5^F (1-4; Air*- 6366,7 km :
F= ca. 22 918 400 km.
Die erste Brennweite der Atmosphäre folgt aus der
Beziehung, wonach die Entfernung der beiden Brennpunkte
von den zugehörigen Knotenpunkten dem Brechungsverhält-
niss der bezüglichen Medien verkehrt proportional ist.1) Man
hat also:
(4) F= ?i'F'= £*-(l-J)i d- i- F= ca- 22924900 km,
wobei das Brechungsverhältniss für den mittleren Luftzu-
stand [1 = 0,752 m, t ma 9,3 °C.) nach Ketteler's Bestimmung
= 1,000 282... angenommen wurde.
Sämmtliche Gestirne, der Mond allein ausgenommen,
stehen ausserhalb der Brennweite F. Die Atmosphäre er-
zeugt daher von ihnen verkehrte reelle Bilder : die Strahlen-
bündel treten convergent ins Auge, sodass sie inner-
halb der Brennweite (p des ganzen Auges (d. h. von der
Retina gerechnet, jenseits <p) zu ebenfalls verkehrten Bil-
dern sich vereinigen, und es entsteht daher auf der Netzhaut
unter allen Umständen ein Zerstreuungskreis, kein
scharfes Bild, wodurch die Ausbreitung des Sternenbildes
auf der Netzhaut ihre physiologische Erklärung findet.
Vom Monde dagegen erzeugt die Atmosphäre, weil er
innerhalb ihrer vorderseitigen Brennweite steht, ein auf-
rechtes virtuelles Bild, und das Auge empfängt divergente
Strahlenbündel. Mithin steht das von beiden optischen
Systemen, der Atmosphäre und dem Auge, erzeugte (ver-
kehrte) Bild, von der Retina an gerechnet, diesseits qp,
aber wegen der bedeutenden Entfernung des Objectes immer
noch so weit vor der Netzhaut, dass es einer ausseror-
dentlichen Accommodation bedarf, um ein scharfes Netzhaut-
1) Mousson, 2. § 731 (4), 8. § 809 (4).
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120
A. Kerber.
bildchen zu erhalten. In der dadurch bewirkten Spannung
des Muskelapparates liegt die Erklärung für das scheinbare
Schweben des Mondes in der Atmosphäre. Das Bild des
Mondes wird aber auch bei dieser ausserordentlichen Accoin-
modation die Nervenfasern der Netzhaut eben nur berühren,
und da diese streifende Berührung beim gewöhnlichen Sehen
für eine ganz bestimmte terrestrische Entfernung, die durch
D bezeichnet sei, erfahrungsmässig eintritt, so versetzt das
Auge auch den Mond, welcher auf die Retina denselben
Reiz ausübt, in die Entfernung D, wodurch das scheinbare
Schweben desselben an einem verhältnissm ässig nahen
Punkte der Atmosphäre erklärlich wird.1)
Was endlich die Lage der Hauptpunkte h betrifft, so
ist ihre Entfernung von dem zugehörigen Brennpunkte gleich
der Entfernung des entgegengesetzten Brennpunktes von
seinem Knotenpunkte2), also (Fig. 2): .
/// = F, fh' = F, daher mh (d. i. fm -fh) = F- F,
und auch: mh' (d. i. fh' ' - f m) = F— F.
folglich: mit — mh' ' = F— F
und, die Werthe.aus (3) und (4) eingesetzt:
(5) mh = mA' = (1 - A) = ca. 6463 km.
Die beiden Hauptpunkte fallen also, wie die Knoten-
punkte, in einen Punkt h zusammen, der vom Erdcentrum
6463 km, von der Erd-
oberfläche c durch-
schnittlich :
6463-6366,7= 96,3 km
entfernt ist. Nach der
Definition des Haupt-
punktes decken sich da-
her Gegenstand und
Bild im Punkte h, d. h.
Fig. 3. alle imYacuum nach
1) D bestimmt man experimentell, indem man die Entfernung misst,
in welcher eine intensive Flamme eben noch scharf gesehen wird.
2) Mousson, 2. § 731 (2), 8. § 809 (2).
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A, Kerbet .
121
h hinzielenden Strahlen divergiren nach ihrem
Durchgange durch die Atmosphäre von demselben
Punkte h. Denkt man sich z. B. zwischen einem Fixstern
und der Erde etwa ein planetarisches Nebelsystem, und es
stände das von letzterem erzeugte Fixsternbild (Fig. 3) im
Punkte h, der nun für die Atmosphäre als leuchtendes Ob-
ject zu betrachten wäre, so würden die nach h convergiren-
den Strahlen ab von der Atmosphäre so gebrochen werden,
dass sie bei ihrem Eintritt in das letzte Medium ri von h
in der Richtung cd zu divergiren schienen und also in dem-
selben Punkte ein identisches virtuelles Bild gesehen würde,
in welchem ohne das Vorhandensein der Atmosphäre ein
reelles Fixsternbild entstehen müsste.
IL Erster Näherungswerth für die Höhe der Atmosphäre.
Bei der Natur der Lichtcurve ab cd, welche ihre Con-
cavität dem Erdcentrum zuwendet, liegt es auf der Hand,
dass der Hauptpunkt innerhalb der Atmosphäre liegen
mus8. Denn wäre (Fig. 3) e der Hauptpunkt, so würde ein
Strahl, der im Vacuum die Richtung ef haben mag, bei
seinem Eintritt in das Medium ri in der Richtung egk
weitergehen müssen, wenn in e ein dem Gegenstande iden-
tisches Bild entstehen soll; das ist jedoch unmöglich, weil
ef und gk nicht Tangenten derselben Curve in f und g sein
können. Daraus folgt also H>ck, d. h. nach den Bemer-
kungen zu (5):
(6) H> 96,3 km.
Eine genauere Bestimmung ergibt sich aber sofort aus
folgender Betrachtung. Da die Lichtcurve für kleine Zenith-
distanzen nahezu ein Kreisbogen von sehr grossem Krüm-
mungshalbmesser ist1), so können die Tangenten bh und ch
(Fig. 3) als gleich betrachtet werden, und weil nun, immer
unter der Voraussetzung einer kleinen Zenithdistanz die
Tangenten mit den Entfernungen des Hauptpunktes von den
Grenzen der Atmosphäre vertauscht werden können, so hat
man annähernd:
1) Brünns, Aatr. Strahlenbrechung, p. 66.
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122
A. Kerber.
H = 2cA, d. i. nach (5):
(7) //= 2ä[^ (1 - J) - l] = ca. 192,6km.
Danach würde die Bestimmung aus dem Dämmerungs-
bogen, wie sie Alhazen gegeben hat (sie führt auf eine Höhe
von etwa 79 km), viel zu niedrig sein, und in der That folgt
aus den Fresnel'schen Intensitätsformeln für reflectirtes un-
polarisirtes Licht, dass die Alhazen'sche Beweisführung kei-
neswegs das Vorhandensein noch höherer Luftschichten aus-
schliesst.
Nach jenen Formeln ist nämlich für eine einfallende
Lichtmenge == 1, wenn durch e, b der Einfalls- und der Bre-
chungswinkel bezeichnet werden, die Intensität des gespiegel-
ten Lichtes:
sin * (e- b)
1 +
C08
COS
%(e±b}\
■ sin2(e + 6)
Da in unserem Falle die Reflexion an der dünneren
Schicht erfolgt, das Brechungsverhältniss also n:(n + Sn) ist,
so hat man sin b = (1 + Sn) sin e, cos b — cos e — sin e tge.ön
und erhält nach Einführung dieser Werthe:
[1 + (sin 2e — cos3*?)2],
2 cos 2 e — ön
oder, da hier e in der Nähe von 90° bleibt, annähernd:
ön
r- ( ön y
~ V2cosae ) '
(8)
Nun sei (Fig. 4) mc der Erd-
radius und ac der Horizont des Ortes
c, s die Sonne. Bei einer Spiege-
lung ihres Lichtes an einer Luft-
schicht vom Radius i? + k in der
Richtung des Horizontes ist alsdann
sine=l — h:R, cos2e = 2Ä:i2,
und die Intensität der in c gesehe-
nen Lichtstrahlen nach (8) :
r, (ön.RY
Wenn nun bei einer Spiegelung in der Höhe von 79 km
die Dämmerung ihr Ende hat, d. h. die Sterne der kleinsten
Fig. 4.
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A. Kerber.
123
Lichtintensität J0 dem blossen Auge sichtbar werden, so
folgt daraus doch nur, dass die Intensität der Spiegelung in
dieser Höhe, (Jn.Ä/4. 79)2, < J0 geworden ist. Ob aber
eine weitere Verringerung der Intensität eintritt, d. h. noch
höhere spiegelnde Luftschichten vorhanden sind, entzieht sich
der directen Wahrnehmung; die Möglichkeit kann wegen J0
> 0 auf keinen Fall bestritten werden.
Dass die Atmosphäre bedeutend höher als 79 km ist
(o:f = 57,3" als richtig angenommen) ergibt sich auch aus
der Differentialgleichung der astronomischen Refraction:
E sin * n '
9) ö O = — 1= ; — - — x4 — = • — i
welche für kleine Zenithdistanzen auf die Beziehung führt:
v R u * ö n
»* •
Setzt man hier für h seinen Maximalwerth Hy sodass
die rechte Seite noch kleiner wird, so ist:
v R u > 6 n
und nach Integration von der Grenze der Atmosphäre [n = 1)
bis zur Erde [n = n):
p> 5^-^(1»'- 1), woraus: H > [i (n' - 1) - l] ■ R,
also: £:o = 1:57,3 »' — 1 = 0,0002820, R = 6366,7 km
eingesetzt:
(10) i/>96,3 km, vgl. (6).
III. Die Symmetriepunkte der Atmosphäre und der Zenithpunkt
des Strahles.
Symmetrisch nenne ich der Kürze wegen zwei conjugirte
Punkte a, a (Fig. 5), für welche die Divergenzwinkel des
Strahles mit der Axe einander gleich sind, sodass:
(11) a = a'.
Ihre Entfernungen vom Mittelpunkte der Erde seien D,D'.
Nach der Gauss'schen Theorie ist das Verhältniss der Ob-
ject- und Bildhöhe (D : D') , multiplicirt mit dem Ver-
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124
A. Kerber.
hältniss der Tangenten der zugehörigen Divergenzwinkel
(tga'.tga), gleich dem umgekehrten Verhältnisse der
Brechungsquotienten des ersten und des letzten Mediums1),
also:
Z)' ' = n ' °^er nac^ 1)' ~ n un(* we8en
/Ion B F F F'
(12) jy-y W W
Eine zweite Bestimmungsgleichung für D, D' ergibt sich
aus der von Gauss entwickelten Beziehung zwischen zwei
Paaren conjugirter Punkte, z. B. den Knotenpunkten m
und den Symmetriepunkten a, a'2). Dividirt man die Ent-
fernungen des einen Paares m von den Brennpunkten, also
Fy F\ durch die Entfernungen der beiden Paare von einan-
der, also durch D, D'\ so ist die Summe der Quotienten
= +1, und man hat daher:
(13) ? + ™ = 1, mithin nach (12) :
~ = D = 2F, D'=2F.
Hieraus ergeben sich sodann die Entfernungen der
Symmetriepunkte von den Grenzen der Atmosphäre,
nämlich: ab'=2F-R-H, a'c' = 2F'+R,
und: F= 22 924 900, 22 918 400, Ä = 6366,7, 7/=200km
eingesetzt,
(14) a b' = 45 843 200, aV = 45 843 200 km.
1) Mousson, 2. § 730 (7), 8. § 808 (19).
2) Mousson, 2. § 730 (4), 3. § 808 (16).
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<A, Kerber .
125
Die Symmetriepunkte sind also von den Gren-
zen der Atmosphäre annähernd gleich weit entfernt,
und der Ein- und Austrittspunkt des zugehörigen
Strahles, b und c, haben (wegen a = a) gleichen Ab-
stand von der Axe, sodass:
(15) bc\\am.
Unter dem Zenithpunkte des Strahles verstehe ich
(Fig. 6) den Durchschnittspunkt d seiner Anfangsrichtung mit
dem verlän-
gerten Ra-
dius des Be-
obachtungs-
ortes. Es
seien a, a
zwei belie-
bige conju-
girte Punkte,
deren Entfernung vom Erdcentrum D. D', die Divergenz-
winkel des zugehörigen Strahles et, a\ so hat man nach
dem soeben angeführten Satze in der Nähe des Zenithes:
Aus Amca folgt aber, wegen y — t,'.
und dies in (16) eingesetzt:
/ « Da'
(17) iTT = n-
Ferner ist in Amad} wenn man die Höhe des Zenith-
punktes durch h bezeichnet:
Fig. 6.
JR + h
, 2>«-(Ä+A).(t + ri,
n
sodass sich (17) in:
(18) (l + i'
verwandelt. Hieraus ergibt sich, wenn für g : £ der Werth (2)
eingesetzt wird:
(19) h - O'- 1) - 57,3" 7t' (1 + J)] .R m ca. 0,027 km.
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126
Am Kerber
Die Höhe des Zenithpunktes ist für Zenith-
distanzen bis gegen 1° von g und £ unabhängig, d. h.
der Zenithpunkt hat für denselben Ort i? und den-
selben Luftzustand n eine unveränderliche Lage.
IV. Zweiter Näherungswerth für H\ Genauigkeitsgrenze des
Resultates.
Da wegen (15) die Dreiecke bcd und amd (Fig. 5) ein-
ander ähnlich sind, so hat man für den Symmetriepunkt a:
und, aus (4) und (19) die Werthe eingesetzt:
(20) 7/=2/?[;-1,(l-J)-W'J
= ca. 189,0 km gegen 192,6 in (7).
Die Uebereinstimmung beider Werthe zeigt, dass der
durch Gleichsetzung der Entfernungen in (14) gemachte Fehler
ohne wesentlichen Einfluss auf das Resultat der Rechnung
ist; dass also in der That die Entfernungen der Symmetrie-
punkte von den Grenzen der Atmosphäre (für y : J = 57,3"
und n— 1 = 0,000282) einander nahe gleich sind.
Von den beiden Formeln für H in (7) und (20) ist
übrigens die erste am genauesten, weil die Lichtcurve in der
Nähe des Zenithes von einem Kreisbogen unendlich wenig
abweicht.
Was die numerische Bestimmung //= 192,6 km an-
langt, so würde unter der Voraussetzung, dass das in (2) an-
genommene Verhältniss der Refraction zur Zenithdistanz
(57,3") bis auf a/1000 des Betrages richtig ist, A < 0,001 zu
setzen sein, und dieses würde in der Bestimmung der Höhe
der Atmosphäre auf einen Fehler von wenigen Kilometern
führen. *)
V. Schlussbemerkungen.
Es liegt nahe, auf Grund der obigen Bestimmung eine
neue Entwicklung der Differentialgleichung (9) der astrono-
mischen Refraction zu versuchen.
1) Inzwischen hat sich mir ergeben, dass die numerischen Bestim-
mungen für y : «'—1 und H einer wesentlichen Corrcctur bedürfen.
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A. Kerber.
127
Als Gesetz der Abnahme der Brechbarkeit mit der
Höhe ergibt sich mit grosser Wahrscheinlichkeit die Be-
ziehung:
(' \ in
::?) •«>
die ganz ähnlich abgeleitet wird, wie das Bunsen'sche Ab-
sorptionsgesetz. Naoh Einführung dieses Werthes würde
dann die Lösung der Differentialgleichung keine Schwierig-
keiten machen, und auch die Gleichung der Lichtcurve leicht
zu finden sein.
Was die Constante m betrifft, so ergibt sie sich am
sichersten aus einer genauen Refractionsbestimmung. Später
werde ich den gefundenen Werth von m durch die Tempera-
turabnahme mit der Höhe prüfen, indem ich hoffe, durch
einen mir verwandten Physiker, der voraussichtlich noch
Jahre lang in den Tropen
verweilen wird, in den Be-
sitz des bezüglichen Mate-
rials gesetzt zu werden.
Auch glaube ich nach mei-
nen bisherigen Versuchen,
dass es mir gelingen wird,
für die Abnahme der Brech-
barkeit und die Bestimmung
der Constanten aus der Be-
obachtung des Abend-
rothes directes Beweisma-
terial zu beschaffen. Es sei
(Fig. 7) cm der Erdradius
und ca der Horizont des Ortes c; in s, s" stehe die Sonne
t\ t" Stunden nach ihrem Untergänge; de und a" c" seien
die Höhen (h\ h") der spiegelnden Luftschichten, e und e" die
bezüglichen Einfallswinkel. Alsdann ergibt sich leicht:
'-(*-£)■■ '-&-£)*■
A'=(l-sine')Ä, A"=(l-sin<?")Ä,
und nach (8) als Intensität der Spiegelung an den Schichten
h\h", deren Brechungsverhältnisse durch n^i 'bezeichnet seien:
Fig. 7.
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128 A. Sprung.
r_( dn y ( ön- y
U \2cosVj ' l2cosae"J '
Misst man nun mittelst eines guten Photometers die Inten-
sität J', J", so kann die Abnahme der Brechbarkeit zwischen
zwei benachbarten Schichten in der Höhe h\ h'\ hl" etc. be-
rechnet werden; denn es ist:
ön = 2coa2e'YJ', ön= 2cös V ]/J" etc.
Chemnitz, Februar 1881.
X. lieber die Bahnlinien eines freien Theilchens
auf der rotirenden Erdoberftäclie und deren Be-
deutung für die Meteorologie;
von J>r. A. Sprung.
Obwohl die im Jahre 1735 von Hadley ausgesprochene
Anschauung über den Einfluss der Axendrehung der Erde
auf die Strömungen der Atmosphäre, besonders durch Dove's
Schriften, ausserordentlich bekannt geworden ist und in fa9t
alle Handbücher der Meteorologie und Physik Aufnahme
gefunden hat, wurde die wirkliche Construction der Bahn
eines Lufttheilchens nach dem Hadley'schen Princip im all-
gemeinen doch nur selten ausgeführt. Indessen findet man
gerade in diesen Annalen drei Abhandlungen1), welche sich
die Aufgabe gestellt haben, die Bahnlinien der Winde streng
zu berechnen, und zwar unter der entweder bestimmt ausge-
sprochenen, oder dem Sinne nach leicht erkennbaren Voraus-
setzung, dass die Lufttheilchen als frei bewegte Massenpunkte
zu betrachten seien. Es handelt sich also in diesen Arbeiten
um ein streng zu formulirendes mechanisches Problem, näm-
lich um die freie Bewegung (Trägheitsbewegung) eines Massen-
punktes, welcher gezwungen ist, auf einer rotirenden Ober-
fläche zu verharren. Seit dem Jahre 1858 hat eine Reihe
1) von Bayer, Pogg. Ann. 104. p. 477. 1858. — Ohlert, Pogg.
Ann. 110. p. 234. 1866; — Mousson, Pogg. Ann. 129. p. 652. 1866.
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A» Sprung,
129
von Mathematikern sich mit dieser Aufgabe beschäftigt, und
von Coriolis1) wurde etwa im Jahre 1861 ein allgemeiner
Satz aufgestellt, nach welchem jedes Problem der relativen
Bewegung auf ein Problem der absoluten Bewegung zurück-
geführt werden kann. Aus diesen analytischen Unter-
suchungen ergibt sich nun zur Evidenz, dass das Hadley'-
sche Princip den Einfluss der Axendrehung der Erde
auf Bewegungen parallel ihrer Oberfläche nur sehr unvoll-
kommen zum Ausdruck bringt, sodass auch die darauf
basirten Rechnungen in den oben angeführten drei Arbei-
ten nothwendiger Weise zu unrichtigen Resultaten führen
mussten.
Von besonderem Interesse erscheint aber die älteste
von ihnen (von v. Baeyer) dadurch, dass darin Reflexionen
auftreten, welche die Tendenz verrathen, sich von der Had-
ley'schen Vorstellung zu befreien; p. 380 heisst es: „Ein
Lufttheilchen, welches auf der ruhenden Oberfläche unseres
Rotationssphäroids unter einem bestimmten Winkel gegen
den Meridian in Bewegung gesetzt wird, und in der ihm
gegebenen Richtung seinen Weg ohne jede Hemmung und
Störung unter dem allgemeinen Einfluss der Schwere fort-
setzt, wird eine kürzeste Linie beschreiben Denken
wir uns jetzt das Erdsphäroid aus dem betrachteten Zu-
stande der Ruhe in Bewegung versetzt, so wird das Luft-
theilchen, wo es in der Richtung « in Bewegung gesetzt
wird, bereits eine Bewegung im Sinne der Rotation besitzen,
es kann daher auch nicht mehr eine kürzeste Linie beschrei-
ben, sondern sein Weg wird die Abwickelung der kürzesten
Linie, nach diesem ihm innewohnenden Rotationsverhält-
niss, auf der sphäroidischen Oberfläche sein". Leider werden
diese fruchtbaren Vorstellungen im Verlaufe der mathemati-
schen Deduction zu Grünsten der Hadley'schen Theorie wieder
vollständig bei Seite gelassen. Als ich, erst in diesem Jahre,
mit der v. Baeyer'schen Abhandlung bekannt wurde, erinner-
ten mich obige Zeilen lebhaft an ein Verfahren, welches ich
im Jahre 1879 angewandt habe, um die Entstehung der
1) Coriolis, Journ. de l'ecole polytechn., 15. p. 142.
Ann. d. Phy». u. Chem. N. F. XIV. 9
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130
A. Sprung»
relativen Bahnen in einfacheren ' Fällen eines rotirenden
Systemes, wie die Erde es darstellt, zur Anschauung zu
bringen und darauf auch eine Ableitung der Gleichungen
der relativen Bewegung zu gründen1). Meine Betrachtung
war einfach folgende: Wenn eine ebene Scheibe gleichförmig
rotirt, so wird ein Körper oder Massenpunkt, welcher ent-
weder von gar keinen, oder von solchen Kräften beeinflußt
wird, deren Richtung in die Normale zur Scheibe fällt, ab-
solut genommen in einer geraden Linie gleichförmig fort-
schreiten, und die relative Bahn auf der Scheibe ist die
continuirliche Reihe der Punkte, welche successive mit dem
Körper in Berührung kommen. Diese Vorstellung, welche
offenbar mit derjenigen des Generals v. Baeyer im Grunde
übereinstimmt, kann auf das in Rede stehende rotirende
System des Erdsphäroids ausgedehnt werden; dabei ergibt
sich aber sogleich, dass der erste Theil des obigen Citates
aus v. Baeyer' s Abhandlung eine Unrichtigkeit enthält:
der Weg des Massenpunktes auf dem ruhend gedachten Erd-
sphäroid könnte nur dann eine (mit constanter Geschwindig-
keit durchlaufene) kürzeste oder geodätische Linie sein, wenn
die Anziehungskraft der Erde überall zur Oberfläche
normal stände; in Wirklichkeit steht aber die Schwer-
kraft, d. h. die Resultirende aus Anziehungskraft und Cen-
trifugalkraft, senkrecht zur Erdoberfläche, letztere ist also
nur vermöge ihrer Rotation eine Niveaufläche. Wird sie
ohne Gestaltsänderung in Ruhe versetzt, so erfolgt die der
Oberfläche parallele Bewegung eines Körpers unter dem Ein-
flüsse einer horizontalen, polwärts gerichteten Kraft, welche
eine Componente der Anziehungskraft bildet und ihrer Grösse
nach leicht angegeben werden kann. Bezeichnet man näm-
lich die Polhöhe des Massenpunktes auf der Erdoberfläche
(welche hier und im Folgenden ganz allgemein nur als Ro-
tationskörper betrachtet werden soll) mit <p, den Abstand
von der Axe mit r und die Winkelgeschwindigkeit der Erd-
1) A. Sprung: Studien über den Wind und seine Beziehungen zum
Luftdruck, Theil I: Zur Mechanik der Luftbewegungen; aus dem Archiv
der Deutschen Seewarte Nr. 1. 1879. — Zeitschrift der Oesterr. Ges. für
Meteorol. 15. 1880.
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A. Sprung.
131
rotation mit w, so ist die Beschleunigung1) jener horizon-
talen und polwärts gerichteten Componente der Anziehungs-
kraft gleich dem Ausdrucke:
rw2sin
welcher die horizontale, zum Aequator gerichtete Compo-
nente der Centrifugalkraft bei relativer Ruhe eines Massen-
punktes auf der rotirenden Erdoberfläche darstellt; denn
die Bedingung, dass diese beiden horizontalen Kräfte einan-
der das Gleichgewicht halten, bestimmt gerade die Gestalt
der rotirenden Erdoberfläche.
Am Pole und am Aequator hat diese Kraft den Werth
Null und erreicht etwa für q ; = 45° ihr Maximum; auf der
Calotte vom Pole bis 45° Breite verhält sich dieselbe also
ähnlich, wie beim sphärischen Pendel für Elevationswinkel
zwischen 0° und 90° die Componente der Schwerkraft, unter
deren Einflüsse das Pendel seine Bewegungen ausführt. Im
allgemeinen wird daher die „freiwillige 44 absolute Be-
wegung eines Körpers, welcher nicht an der Rotation der
Erdoberfläche Theil nimmt, sondern ohne Reibung auf der-
selben hingleitet, ebenfalls in ununterbrochenen Oscillationen
um den Pol als Centrum bestehen; erfolgte die ursprüngliche
Bewegung in der Richtung eines Meridians, so wird der
Körper diesen nie verlassen; erfolgte dieselbe in der Rich-
tung eines bestimmten, von der Geschwindigkeit abhängigen
Breitenparallels, so wird der Körper letzteren immerfort mit
constanter Geschwindigkeit durchlaufen etc. etc.
Dass man aber behufs der Construction der relativen
Trägheitsbewegung auf der rotirenden Erdoberfläche in der
oben angedeuteten Weise von jener absoluten Bewegung aus-
gehen darf, ist gar nicht zu bezweifeln; weil nämlich von
einem anderen Einflüsse der rotirenden Oberfläche auf den
bewegten Massenpunkt, als demjenigen einer starren, wider-
stehenden Wand, vollkommen abgesehen wird, so kann man
sich diese rotirende Fläche als unendlich dünn und den
ruhenden, gleichgestalteten Erdkörper eng umschliessend vor-
stellen, indem ja die wirkenden physikalischen Kräfte (An-
1) Der Kürze halber wird im Folgenden der Ausdruck „Kraft"
immer für die beschleunigende Kraft angewandt.
9*
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132
A. Sprung.
ziehungskraft) vom Bewegungszustande des Erdkörpers voll-
kommen unabhängig sind. Es erscheint somit lohnend, dem
oben ausgesprochenen Probleme der absoluten Bewegung
unter dem Einflüsse der polwärts gerichteten Kraft reo2 sin <p
näher zu treten und dasselbe zunächst wenigstens approxi-
mativ zu behandeln, gerade so, wie man das Problem der
Pendelschwingungen für unendlich kleine Amplituden be-
sonders zu lösen pflegt.
In der Nähe des Poles ändert sich nämlich sinqp nur
sehr langsam, r aber sehr schnell; man begeht hier also
keinen grossen Fehler, wenn man dem sin cp den Grenzwerth
1 im Pole beilegt und dementsprechend auch die Bewegungs-
componenten parallel der Erdaxe vernachlässigt, d. h. die
Bewegung als eine ebene betrachtet; der Fehler ist alsdann
ein rein geometrischer und leicht abzuschätzen, indem ja
die aus der besonderen Gestalt der Oberfläche entspringen-
den Kräfte bereits berücksichtigt sind. Mit Bezug auf die
im Pole beginnenden und in der Tangentenetene liegenden
Coordinaten x und y sind daher die Differentialgleichungen
der Bewegung folgende:
(In aller Strenge gelten diese Gleichungen für die absolute
Bewegung eines Flüssigkeitstheilchens parallel dem ebenen
Grunde eines kreisförmigen, mit der Geschwindigkeit o> ro-
ttenden Gefässes, in welchem die [tropfbare] Flüssigkeit
einer zur Bodenfläche normalen Kraft unterworfen ist —
soweit man sich nämlich diese absolute Bewegung als eine
gänzlich unbehinderte vorstellen kann).
Die Gleichungen (1) stimmen mit denjenigen, auf
welche man die Theorie der Schwingungen in einem ela-
stischen Medium gründet, vollkommen überein; sie können
(beispielsweise durch die Substitution x oder y — ext) einzeln
integrirt werden und führen zu den endlichen Gleichungen1):
1) Man vgl. beispielsweise folgende Lehrbücher der Physik: Wüliner,
3. Aufl. 1. p. 443 u. 450; Mousson, 2. Aufl. 2. p. 531; Müller, 7. Aufl.
1. p. 278 u. 281. — Man findet an diesen Stellen auch die sogleich
zu erörternde geometrische Darstellung angegeben.
(1)
d*x
dt*
2 * 9
= — rto". — = — xcjz.
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A. Sprung.
133
(2) {
x s= a sin cd t
y m b cos ü) t,
aus welchen ersichtlich ist, dass sich der Punkt in einer
Ellipse bewegt, welche die Längen a und b zu Halbaxen
hat; denn aus (2) ergibt sich die Gleichung der Ellipse:
Setzt man:
/ ^\ 2 TT
(4) w= r,
so bedeutet T die ganze Umlaufszeit des Punktes in der
Ellipse, denn nach einer Zeit t = T erreichen alle Coordi-
naten sowohl, als auch die Geschwindigkeitseomponenten Ux
und Uy dieselben Werthe, weiche sie zur Zeit t = o hatten;
da nun aber w die Winkelgeschwindigkeit der rotirenden
Fläche bedeutet, so lehrt die Gleichung (4), dass die Um-
laufszeit der absoluten (elliptischen) Bewegung mit
derjenigen der rotirenden Fläche übereinstimmt.
Die absolute Bewegung des Punktes kann nun mit
Leichtigkeit construirt werden. Man wähle beispielsweise
die Umlaufszeit T der Oberfläche (und des Massenpunktes)
zu 24 Secunden (vgl. Fig. 10 auf Taf. I), zerlege die Peri-
pherie eines über dem Durchmesser 2a construirten Kreises
in 24 gleiche Theile und fälle von den Theilpunkten aus
Normalen auf den Durchmesser, was in diesem Falle durch
paarweise geradlinige Verbindung der zu 2 a symmetrisch ge-
legenen Theilpunkte ausgeführt werden kann. Die 12 Durch-
messer, welche die 24, in der Peripherie gelegenen Theilpunkte
verbinden, zerlegen gleichzeitig einen über der kleinen Axe2£
construirten Kreis in 24 gleiche Stücke; von den Theilpunkten
dieser kleinen Kreisperipherie fälle man Normalen auf den
zu 2a senkrechten Durchmesser 2b und verlängere sie beider-
seits bis zum grösseren Kreise. Rechnet man die Zeit t von
demjenigen Momente an, in welchem sich der Körper im
Endpunkte des Radius b befindet, so liegen die mit 0, 1,
2, 3 bezeichneten Durchschnittspunkte der beiden Nor-
malensysteme auf der durch die Gleichungen (2), (3) und
(4) für T=24 charakterisirten elliptischen Bahn, aus wel-
(*/a)» + (j/ib)2 = 1.
J
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134
A. Sprung.
eher sich die entsprechende relative Bewegung in folgender
Weise ergibt.
Der absoluten Bewegung des Körpers bis zu den Punk-
ten 1, 2, 3 entspricht eine Rotation der Fläche um einen
Winkel o>, 2«, 3w — ; offenbar findet man demnach im
Momente t — o diejenigen Punkte I, ET, III der rotten-
den Fläche, welche nach 1, 2, 3.... Secunden mit dem
Körper in Berührung kommen werden, dadurch, dass man
auf den durch 1, 2, 3 gelegten concentrischen Kreisen
beziehungsweise um die Kreisbögen ^w, 2r2«, 3r3«
nach rückwärts, der Rotationsbewegung der Fläche ent-
gegengeht. Dabei ergibt sich nun in augenfälliger Weise
das wichtige Resultat, dass die relative Trägheitsbahn aus
einem Kreise besteht, welcher in der absoluten Umlaufszeit
T zweimal, und zwar in solcher Weise durchlaufen wird,
dass der Sinn der Drehung der entgegengesetzte ist von
demjenigen der Rotation der Fläche.
Indem man hinsichtlich der Gestalt der elliptischen
Bahn und der Richtung, in welcher der Körper sie durch-
läuft, verschiedene Modificationen eintreten lässt1), wird man
im Stande sein, den Zusammenhang der absoluten und der
relativen Bewegung unmittelbar geometrisch klar vor Augen
treten zu lassen und sich auch z. B. davon zu überzeugen,
dass der Kreis für dieselbe relative Geschwindigkeit v stets
dieselbe Grösse hat, möge er nun durch den Drehungspunkt
M gehen oder in grösserer Entfernung davon verlaufen.2)
Ein Bestreben des bewegten Körpers, im Breitenkreise zu
1) Figur 10 z. B. unterscheidet sich von Fig. 11 nur dadurch, dass
die Ellipse in entgegengesetztem Sinne durchlaufen wird; die relative
Geschwindigkeit und der Trägheitskreis sind infolge dessen etwa 2'/i ma*
so gross als in Fig. 10.
2) Mit Hülfe einer Kreidekugel, welche man auf einer paraboloidisch
geformten rotirenden Schreibtafel dahinrollen lässt, wird man eine auto-
graphische Darstellung dieser relativen Trägheitsbahnen ausführen können;
die unvermeidliche Reibung wird sich nur darin manifestiren, dass die
(annäherungsweise kreisförmigen) Curven allmählich enger und enger
werden. Als zweckmässige Dimensionen des Apparates empfehle ich
folgende: Durchmesser der paraboloidischen Schale: 120 cm; Vertiefung
der Mitte: 10 cm. Hierbei muss die Umlaufszeit T2,7 Secunden betragen.
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A. Sprung.
135
verharren oder den Parallelismus mit den Breitenkreisen zu
erreichen, wie die Hadley-Dove'sche Theorie es annahm, ist
also durchaus nicht vorhanden; für jedes Azimuth der Be-
wegung ist die Tendenz, nach rechts von der jeweiligen Be-
wegungsrichtung abzuweichen, ganz genau dieselbe.
Versuchen wir jetzt, der obigen Construction mit der
Rechnung zu folgen. Die relative Bewegung werde auf ein
mit dem rotirenden Systeme fest verbundenes Coordinaten-
sy stein (£, »/) bezogen, welches in dem Momente t — o (den
die Figur wiedergibt) mit ar, y zusammenfällt. Bezeichnet
man mit B den Winkelabstand von der y-Axe zur Zeit t
in der absoluten, mit ß den entsprechenden Abstand von
der »;-Axe in der relativen Bewegung, so ist offenbar:
(5) ß = B — cot.
Ferner, wenn r den Radiusvector zur Zeit t bezeichnet:
,x = rsmB <£ = rsinß
v ' \y = rcos B v ' \ rt = rcos ß.
Aus (5) ist abzuleiten:
| rsinß = rsini? coscot — rcosB sin«£
\ rcos ß aa rcos B cosw^-f rsinJ? sin cu£,
oder, indem man x, y aus (2) in (6), rsini? und rcos B aus
(6) in (8) und endlich rsin,i und rcosß aus (8) in (7) sub-
stituirt:
| = (a — b) sin co t cos co t
7] = bcos2wt -f asin2cot = a — (a — b)co$2cot.
Hierfür aber kann unter Anwendung bekannter gonio-
metrischer Formeln geschrieben werden:
(9) t = Sf*rin2«f, tj = - cos2a,< + a-±±.
\{a — b) ist der Radius des gesuchten Kreises, J(a -f- b)
der Abstand seines Mittelpunktes m vom Drehungspunkte M
auf der tj-Axe.
Anstatt nun, wie hier geschehen, bei der Construction
von der absoluten Bewegung auszugehen, kann man auch
umgekehrt verfahren, indem man sich für irgend eine Ent-
fernung b des Körpers vom Drehungsmittelpunkte M die
beliebige relative Geschwindigkeit v0 in beliebiger Richtung
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136 A. Sprung.
gegeben denkt; zur Vereinfachung werde indessen angenom-
men, dass v0 auf dem Radius vector b senkrecht stehe, und
zwar sei v0 im Sinne der Rotation des Systemes (von West
nach Ost) positiv gerechnet. Alsdann ist v0 -f- bw die ab-
solute west- östliche Geschwindigkeit des Körpers zur Zeit
* = 0, für welche sich nach (3) der Ausdruck: (Ux\ — ata
ergibt; man hat also die Relation:
(10) aw = v0 + ba, oder a — b =
durch welche die Gleichungen (9) schliesslich in folgende
übergehen :
(11) t = ^°-sin2w, ,-_-£-coe2»f + (4 +-£-).
Somit ist:
an
~- der Radius des Trägheitskreises.
I Tjm = b + die ?;-Coordinate seines Mittelpunktes m.
Diese Gleichungen geben uns über die relative Träg-
heitsbewegung des Körpers jeden gewünschten Aufschluss.
Zunächst kann man ableiten:
i>0cos2a><; £jL = v0 sin2o>*.
Daraus aber: v = |/(^)2 + [§j = °o>
d. h. die relative Trägheitsbewegung ist eine gleichförmige,
unterscheidet sich also von der absoluten Trägheitsbewegung
im freien Räume nur dadurch, dass ihre Bahn nicht gerad-
linig, sondern gekrümmt ist. Bei dem für unsere Figuren
angenommenen Drehungssinn des Systemes, welcher mit
demjenigen der Nordhemisphäre übereinstimmt, liegt der
Krümmungsmittelpunkt stets auf der rechten Seite der
Bahn, denn die Mittelpunktscoordinate 7jm des Kreises
wird < £, sobald vQ negativ wird, d. h. die ursprüngliche re-
lative Geschwindigkeit von Ost nach West gerichtet ist.
(Für v0 = o wird iim — b, q = o und a = b, d. h. der Punkt
bleibt in relativer Ruhe, während seine absolute Bahn aus
einem Kreise besteht. — Für v0 = — ba> wird ijm = +\b
und a = o: die absolute Bahn besteht aus einer Pendelbe-
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A. Sprung.
137
wegung in einer geraden Linie. Nun wechselt a das Vor-
zeichen, d. h. für noch geringere Geschwindigkeiten v0 werden
die Ellipsen in entgegengesetztem Sinne durchlaufen. — Für
v0 — — 2b (o wird rlm = o, g = b und a = — b: der Mittel-
punkt m des relativen Trägheitskreises fällt mit dem Dreh-
ungsmittelpunkte M zusammen, die absolute Bahn ist wieder,
wie für v0 = o, ein Kreis, der Sinn der Rotation aber der
entgegengesetzte, wie vorher).
Die Winkelgeschwindigkeit 2w der relativen
Trägheitsbewegung ist doppelt so gross als diejenige
der Rotation des Systemes, die relative Bahn wird somit in
der Umlaufszeit T des Systemes zweimal durchlaufen. Auch
die Figuren ergeben unmittelbar — wie oben schon ange-
deutet — eine Umlaufszeit von 12 Secunden, während für
das System 24 Secunden angenommen waren. Da nun unsere
Untersuchung mit einem hohen Grade der Annäherung auf
die Umgebung des Nordpols der Erde angewandt werden
kann, so gelangt man direct zu dem interessanten Resultate,
dass ein an die Erdoberfläche gebundener, sonst aber voll-
kommen frei bewegter Körper von der ursprünglichen Rich-
tung doppelt so stark abweicht, wie die Ebene des Fou-
cault'schen Pendels.
Der Werth von <y ist 0,000072 92 m, sodass sich die
die Länge des Radius g bei einer Geschwindigkeit von v m
10 m, welche derjenigen eines frischen Windes gleichkommt,
zu etwa 69 km ergibt; der Körper überschreitet also bei
dieser Geschwindigkeit nur wenig den Raum zwischen zwei
aufeinanderfolgenden Breitengraden.
Auf einer nicht rotirenden Ebene kann eine Bahn, wie
sie sich für die relative Bewegung als Trägheitsbahn ergeben
hat, durch eine stets von links nach rechts, senkrecht zur
jeweiligen Richtung wirkende physikalische Kraft A = v2/g
erzeugt werden: substituirt man aber für g den Werth aus
(11'), so kommt:
(12) A = 2vm.
Die Bewegung auf der rotirenden Umgebung des Poles
darf man somit wie eine absolute behandeln, wenn man
ausser allen, für gewöhnlich zu berücksichtigenden Kräften
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138
A. Sprung,
noch diese eine Kraft A hinzufügt; dieselbe wird in der
neueren Meteorologie als „ablenkende Kraft der Erdrotation"
bezeichnet.
Ein Luftstrom in der Nähe des Nordpoles kann in
irgend welcher Richtung nur dann geradlinig Üiessen, wenn
eine von rechts nach links gerichtete Kraft im Betrage von
2t?(w diese Abweichung von der Trägheitsbahn ermöglicht;
der Luftdruck wird also dementsprechend im Luftstrome
von links nach rechts ansteigen müssen. — Ebenso würde
die Flüssigkeit in einem irgendwie gerichteten geradlinigen
Flussbette rechts ein wenig höher stehen als links, und zwar
ergibt sich, unabhängig von der Natur der tropfbaren Flüs-
sigkeit:
l " 7
wenn H— H0 die Höhendifferenz zwischen den beiden Fluss-
1) Es wird sogleich bewiesen werden, dass dieser Gleichung in irgend
einer Breite qp die folgende entspricht:
cf(H — H0) = 2vctänq> . L.
Beispielsweise hat 2a>sin<jn für <p = 50° den Werth 0,^00111 7; für
eine Flussbreite L = 100 m und eine Geschwindigkeit v = 10 m ergibt
sich hieraus jBT— JI0 *» 0,0114 m. In jeder Horizontalschicht ist somit
der Druck des Wassers rechts um etwa 1,14 cm Wasserhöhe grösser als
links. Dieser Betrag erscheint allerdings sehr unbedeutend; indessen ist
der Geologe daran gewöhnt, geringfügige, aber constante Einflüsse grosse
Wirkungen hervorbringen zu sehen. Daher dürfte die so häufig wieder-
kehrende und beispielsweise am unteren Laufe der Elbe, Weser, Themse,
Seine und Gironde, ferner an der Donau, Wolga und den übrigen süd-
russischen Flüssen so deutlieh hervortretende Erscheinung, dass die rechte
Seite des Flusses von Hügelreihen unmittelbar begrenzt wird, während
sich links ein ziemlich breiter Streifen ganz flachen Landes am Strom-
bette hinzieht, auf eine allmähliche Verlagerung des letzteren von links
nach rechts durch die Axendrehung der Erde zurückzuführen sein. In
neuerer Zeit hat diese bereits von Baer aufgestellte Erklärung vielfach
Widerspruch gefunden.
Mit Leichtigkeit ergibt sich aus obigen Erörterungen die Beziehung
zwischen Windrichtung, Windstärke und Luftdruck vertheilung, welche
in dem Buys-Ballot'schcn Gesetze einen empirischen Ausdruck gefunden
hat Näheres darüber findet man in den Arbeiten von Guldberg und
Mohn im 12. Bd. der Zeitschr. der österr. Ges. für Meteor., p. 49, 177,
257 u. 273. 1877; ferner Sprung, Ann. d. Hydr. u. maritim. Meteorol.
8. Jahrg. p. 603. 1880 u. Beibl. 5. p. 237. 1881.
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A. Sprung.
139
ufern, L die Breite des überall gleichschnell fiiessenden
Flusses bezeichnet.
Der specielle Fall der Trägheitsbewegung in der Um-
gebung der Pole wurde im Vorstehenden besonders deswegen
so ausführlich behandelt, weil sich hier die Construction der
Bahnlinien auf Grund einiger allgemein bekannter Lehren
der Physik ausführen lässt. Für andere geographische
Breiten wird die Aufgabe erheblich schwieriger, indessen
lassen sich auch hier mit Hülfe unserer Auffassung des
Vorganges einzelne Resultate unmittelbar gewinnen.
Der Zustand relativer Ruhe einesKörpers, welchen derselbe
auf der Horizontalebene in irgend einer Polhöhe cp erfahrungs-
gemäss von selbst beibehält, besteht — absolut genommen — aus
einer kreisförmigen Oscillation unter dem Einflüsse einer pol-
wärts gerichteten Componente rw2sin<p der Anziehungskraft
der Erde. Für die bei der absoluten Bewegung erforderlichen
Kräfte ist es nun aber offenbar ganz gleichgültig, ob der
Breitenkreis von West nach Ost oder von Ost nach West
mit der Geschwindigkeit reo durchlaufen wird. In letzterem
Falle ist aber die relative Bewegung des Körpers eine ost-
westliche mit der relativen Geschwindigkeit v = 2ra>; letztere
Bewegung ist somit gerade so wie die relative Ruhe ein spe-
cialer Fall der relativen Trägheitsbewegung. Nur in zwei
ganz bestimmten Fällen der relativen Geschwindigkeit ver-
mag also ein freier Körper im Breitenkreise zu verharren,
während man früher annahm, dass das schliessliche Resultat
jeder Ablenkung durch die Erdrotation in einer Bewegung
parallel den Breitenkreisen bestehe. — Leicht erkennt man,
dass der horizontale Krümmungsradius des Breitenkreises,
dessen Krümmung ja durch Vergleichung mit der geodä-
tischen Linie (auf der Kugel mit dem grössten Kreise) be-
stimmt werden muss, gleich ist der Seitenlinie r/sin cp des-
jenigen Kegels, welcher in der Polhöhe cp die Erdoberfläche
ringsum berührt. Die „ablenkende Kraft der Erdrotation"
ist also in diesem Falle = (2rw)2. (sinqp/r), wofür nach der
obigen Relation u = 2rw der Ausdruck A = 2i>&>sin<jp ge-
schrieben werden kann. Die „ablenkende Kraft" ist also
140
A. Sprung.
in der Breite <p (wenigstens für die Geschwindigkeit v =
2 reo) kleiner als am Pole, wo sich der Werth 2vw ergeben
hatte; die Richtung ist dieselbe wie dort: senkrecht zur
Bahn, nach rechts auf der nördlichen, nach links auf der
südlichen Hemisphäre, und zwar wird hierdurch der Einfluss
der Erdrotation vollständig repräsentirt, weil die betrachtete
relative Trägheitsbewegung eine gleichförmige ist.
Zur Vervollständigung und Generalisirung dieses Re-
sultates möge das allgemeine Problem der absoluten Be-
wegung unter dem Einflüsse der polwärts gerichteten Kraft
rw2sin<jp hier kurz behandelt werden.
Bezeichnet V die absolute Geschwindigkeit parallel der
Oberfläche des Rotationskörpers, 0 das Azimuth der ab-
soluten Bewegung (von Nord über Ost nach Süd positiv
gerechnet), und ds das Bahnelement, so wird das Princip der
lebendigen Kraft durch folgende Gleichung dargestellt:
d(\V*) = rw2sinyd$cos0.
Da aber, wie geometrisch unmittelbar ersichtlich,
— dr/{ds cos©) = sinqp, so kann dieselbe geschrieben werden:
d(\ V*) - -ra>2dr,
aus deren Integration sich ergibt:
(13) V2 = D-r2oj2
(D eine Constante). Ferner liefert das Princip der Erhal-
tung der Flächen:
(14) Fsin 9 = ~,
In diesen beiden Gleichungen ist das allgemeine Pro-
blem enthalten und bis zu einem gewissen Grade bereits
gelöst. Aus (14) ergibt sich nämlich zunächst: V2cos20 =
V2 — C2/r3,und nach Einführung des Werthes von F2 aus (13):
(15) Fcos0 = j/z>-r2*>2--£l.
Die Ausdrücke (14) und (15) enthalten die west-östliche
und die süd-nördliche Componente der absoluten Geschwin-
digkeit als Functionen des Abstandes r von der Axe; man
hat davon nur die Geschwindigkeiten der Erdoberfläche an
der betreffenden Stelle zu subtrahiren, um die entsprechen-
den Componenten vsin# und vcos& der relativen Geschwin-
digkeit zu erhalten; dabei ergibt sich:
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Am Sprung.
141
(16) t>sin# = £-rw, »cos# = j/ D-r!io2~^.
Durch Quadriren und Addiren dieser Gleichungen ge-
langt man zur folgenden:
(17) v* = D-2Cu> = v0*
Die Geschwindigkeit der relativen Trägheitsbewegung
ist also in jeder beliebigen Breite der Erdoberfläche constant,
geradeso wie es sich oben für die Umgebung des Poles er-
geben hatte.
Nach einem allgemeinen, für alle Rotationskörper gül-
tigen Satze lässt sich ferner der Radius q der geodätischen
Krümmung einer beliebigen, in der Oberfläche des Rotations-
körpers verlaufenden Curve durch:
rcoBfrds
ausdrücken; substituirt man aber in d(rsm&) = rcos&d& +
sin#c?r die beiden, aus der ersten der Gleichungen (16) mit
Rücksicht auf (17) gewonnenen Werthe:
cos&d& = — ^(-pr + (o^jdr und sin# =si|^- rwj,
so kommt:
V COS fr d 8 j •, cos & d 8 1
g = ~z ~j — , oder, da — - = - . —
r 2 war 7 ' — dr sin 9)
(18) o = — .
v ' r 2wsinqp
Dieser Werth des Krümmungsradius q der relativen
Trägheitsbahn entspricht vollkommen dem oben (vgl. Gl.lT)
für die Umgebung des Poles gefundenen Werthe g = Jv/w,
und lässt erkennen, dass die Bahn um so schwächer ge-
krümmt ist, jemehr man sich dem Aequator nähert; für
letzteren selbst (cp = 6) geht sie in die geodätische Linie
über; auf der südlichen Hemisphäre ist q> negativ, und hat
somit auch der Krümmungsradius das entgegengesetzte Vor-
zeichen wie auf der Nordhemisphäre: Der Krümmungs-
mittelpunkt liegt hier auf der rechten, dort auf der linken
Seite der Trägheitsbahn. Der Beweis dieser Behauptung
ist leicht mit Hülfe einer genaueren Betrachtung des Aus-
druckes für sin# in der ersten der Gleichungen (16) zu
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142
A. Sprung.
führen; setzt man z. B. fest, dass sin# = 0 werden soll für
r = rM so ist dieselbe zu schreiben:
Betrachtet man nun zwei Stellen der Erdoberfläche mit
dem gleichen Abstände r0 von der Axe, von denen die eine
auf der nördlichen, die andere auf der südlichen Hemisphäre
gelegen ist, so ist sin# in beiden Fällen = o, d. h.: die
Bewegung eine rein südnördliche; im weiteren Verlaufe dieser
Bewegungen wird aber r auf der nördlichen Hemisphäre
kleinerund damit sin#>o; auf der südlichen dagegen wird
r grösser und damit 8in#<o: der Körper entfernt sich also
dort nach rechts, hier nach links aus dem Meridian.
Verfolgt man die Bewegung (beispielsweise für die nörd-
liche Hemisphäre) noch weiter, so ergibt sich, dass:
demWerthe & = 90° der Abstand rx = - ^ + V r0» +
entspricht; den Werth 360° erreicht & wieder für r = r0, also
in derselben geographischen Breite, in welcher & = o war,
leicht kann man aber überschauen, dass der Körper hierbei
nicht zum Meridian des Ausgangspunktes zurückkehrt, sondern
einen weiter westlich gelegenen Meridian erreicht; da nämlich
die Krümmung der Bahn continuirlich abnimmt, während
& die Werthe von 90° bis 270° durchläuft, so muss Bchon
der südlichste Punkt der Bahn weiter westwärts liegen als
der vorhergehende nördlichste Punkt. Die Bewegung ist
also zwischen zwei bestimmte Breitenkreise eingeschlossen
und führt den Körper in vielen , nahezu kreisförmigen Win-
dungen allmählich nach Westen. Vermuthlich steht dieses
Fortrücken im Zusammenhang mit einer Eigentümlichkeit der
entsprechenden absoluten Bewegung, welche dieselbe mit der-
jenigen des sphärischen Pendels gemein hat: bekanntlich
zeigen hier die zeitlich aufeinanderfolgenden höchsten Lagen
ein regelmässiges Fortschreiten in bestimmter Richtung auf
einem horizontalen Kreise.
Die correcte Darstellung der relativen (oder absoluten)
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A. Sprung.
143
Bahn in Form einer Gleichung zwischen den geographischen
Coordinaten tp und X setzt voraus, dass die Form des Rota-
tionskörpers bekannt, also r als eine bestimmte Function
der Polhöhe (p gegeben sei: r = r(<p) (z. B. für die Kugel
r=Äcosqp; für das Sphäroid r «= Rcostp/Vl — «2sin2gp). Da
v sin = r (dX j dt) , und v cos # = 1 /sin 9) (dr / rfqp) (<ty> / dt) ist, so
wären die Gleichungen (16) zunächst zu schreiben:
dl C — r!<y
(19)
(fr
und hieraus ergibt sich durch Elimination von dt das auszu-
führende Integral:
9
f {C-r*<o)dr~d<r
(20) X = - , rfy
in welchem die Constanten D und C nach (16) durch die
Werthe von v, & und r, oder nach (14) und (15) durch die
Werthe von V, ß und r im Anfangszustande ausgedrückt
werden können:
| D= t,2 + 2ro2 ws + 2f,r0 w sin &0 (= F02 + r02 g>2)
1 j *C=r02a, + t,r0sin#0 (-F0r0sin80)
Lohnend erscheint die Erledigung dieser auf elliptische
Functionen führenden Aufgaben deswegen nicht, weil erstens
die Function r von cp für die Erde nicht einmal ganz sicher
angegeben werden kann, und zweitens die sorgfältige Er-
mittelung der Bahnlinien für die Meteorologie nur eine unter-
geordnete Bedeutung hat; denn die frühere Ansicht, dass die
Lufttheilchen den Trägheitsbahnen wirklich folgten, ist durch
die synoptischen Wetterkarten, welche die gleichzeitigen Zu-
stände auf grossen Gebieten kennen lehren, vollkommen
widerlegt. Man darf jetzt sogar behaupten, dass in Wirk-
lichkeit nicht einmal der Krümmungssinn der Trägheits-
bahnen der häufigere ist: es gibt viel mehr „cyclonal" als
„anticyclonal" gekrümmte Windbahnen.
Von grösstem Interesse ist dagegen die Erkenntniss.
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144
A. Sprung.
dass die Tendenz zur Kichtungsänderung durch die Erd-
rotation weit grösser und allgemeiner ist, als man früher
annahm; entsprechend der Gleichung (12) kann die von links
nach rechts wirkende „ablenkende Kraft" nach dem Werthe
für q in (18) geschrieben werden:
(22) A = 2vios\Ti(p
wo (p für die nördliche Hemisphäre positiv, für die südliche
negativ zu nehmen ist. Die dynamischen Differentialgleich-
ungen für horizontale Bewegungen auf der rotirenden Erd-
oberfläche sind somit bei einem rechtwinkeligen Coordinaten-
system, dessen positive y-Axe sich von der positiven Richtung
der x-Axe aus nach links erstreckt, die folgenden:
(23) g-X+2„**V%, g-r-2tt«n„£. ,
Bei Bewegungen einer Flüssigkeit bestehen die gegebenen
Kräfte im allgemeinen nur aus den Druckkräften, sodass
Xund Y beziehungsweise durch — \jö{dp>dx) und — \ja(dpjdy)
(<r = Dichtigkeit) zu ersetzen sind. Mit Bezug auf die An-
wendung dieser Gleichungen und die bei beliebig gerichteten
Bewegungen erforderliche Erweiterung derselben sei auf die
in neuerer Zeit in erfreulicher Weise sich mehrenden theo-
retischen Untersuchungen meteorologischer Vorgänge hinge-
wiesen1); da indessen im Anschluss an obige Vorstellungen
die verticalen Kräfte leicht ermittelt werden können, so
möge hier eine kurze Besprechung derselben folgen.
Bei Bewegungen parallel der Erdoberfläche hat der
vertical nach unten gerichtete Druck N offenbar den Werth:
iV = Cr p = 5 r>
Xl -ttj It.,
worin G die verticale Componente der beschleunigenden
Kraft der Anziehung, und R den Krümmungsradius desje-
nigen Normalschnittes bezeichnet, welcher die Richtung der
absoluten Bewegung berührt; R1 und R2 aber bezeichnen
1) W. Ferrel: Meteorological researches; Report of the Superin-
tendent of the U. S. coast- and geodetic survey for 1875 und 1878. —
C. M. Guldberg et H. Mohn: Etudes sur les mouvemente de l'atmos-
phere; programme de TUnivcrsitS de Christiania pour 1876 et 1880. —
J. Finger: Wien. 13er. p. 7. Jahrg. 1877 und 1880.
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A. Sprung. 145
die Krümmungsradien der Hauptnormalschnitte des Rota-
tionskörpers: paraDel dem Meridian und dem Breitenkreise,
und zwar ist:
Für 0 ist das Azimuth & der relativen Bewegung ein-
zuführen; nach (14), (15) und (16) hat man:
Kcos 0 = v cos &; Fsin 9 = v sin & + rw.
Demnach ist:
ff q _( p2 cos* # ü* sin' # \ _ r'w* _ 2rv w sin # ^
Vi?! ) Äa
oder, wenn in die letzten zwei Glieder der vorstehende Aus-
druck für R2 eingeführt wird:
2
(24) N = G — rco'cos 9 — 2t? cj cos <p sin # — Vg, ,
wo Är den Krümmungsradius des Normalschnittes parallel
der relativen Bewegungsrichtung & bedeutet. Die beiden
ersten Glieder vereinigen sich zur Beschleunigung g der
Schwerkraft:
(25) G — r <ö2 cos (p g*
Hat die Bewegung des Körpers eine verticale Compo-
nente, so wird dieselbe Gleichung (24) gültig sein, wenn da-
rin v die Geschwindigkeit der horizontalen Projection der
Bewegung, und & deren Azimuth bedeutet. An der Grösse
der Kraft N wird die verticale Componente der Bewegung
nur dann etwas ändern, wenn letztere nicht gleichförmig ist,
und zwar entspricht die Aenderung dem Ausdrucke (Ph/dt2
für die verticale Beschleunigung. Der ganze Complex der
verticalen Kräfte ist als eine modificirte Schwerkraft g zu
betrachten, sodass derselbe — anstatt g allein — in die
Differentialgleichung :
dp — — agdh
der barometrischen Höhenformel einzuführen ist, wenn man
den Bewegungszustand der Atmosphäre bei Ableitung der
Formel berücksichtigen will. Nach der Zustandsgieichung
der Gase ist die Dichtigkeit a in folgender Weise abhängig
vom Druck p und der absoluten Temperatur T:
p = (7 KT
(K die Gasconstante der atmosphärischen Luft).
Ann. d. Phjs. u. Chem. N. F. XIV. 10
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146 A. Sprung.
Wird die Aenderung der Zusammensetzung der Luft
mit der Höhe ausser Acht gelassen und die Temperaturab-
nahme nach oben — dem gewöhnlichen Gebrauche ent-
sprechend — als constant betrachtet: T= T0 — eh, so ergibt
sich schliesslich folgende Differentialgleichung:
(26) " - Ä (' ~ 2vm «* » Sin * — 57 + g) •
(Genau genommen ist noch eine Function der Höhe Zt
und der geographischen Breite cp.) Diese Gleichung ist für
die Meteorologie insofern von grosser Bedeutung, als sie die
horizontale Vertheilung des Luftdrucks in irgend einer Höhe
h zu bestimmen gestattet, falls diese Vertheilung z. B. im
Meeresniveau (h = 0) bekannt ist, und hinsichtlich der Be-
urtheilung der Temperaturen und des Bewegungszustandes
genügende Anhaltspunkte gegeben sind.
Um beispielsweise die Grösse des Einflusses der hori-
zontalen Luftbewegung auf die verticale Druckvertheilung
kurz zu untersuchen, werde angenommen, dass die Tempe-
ratur überall = T0, also e = 0 sei; da auch tPh/dt2 = 0, so
ergibt die Integration:
T0Kl?° = (Ä - h0) [g-2vLo cos (p sin & - **] •
Für die ruhende Atmosphäre hätte man:
(27) TtXif - (* -
Wird nun vorausgesetzt, dass p (der Luftdruck im
oberen Niveau) in beiden Gleichungen denselben Werth
hat, so ergibt die Subtraction:
. r0jr;E«(Ä-Ä0)(2o«co8y"siii^ + ^J-
Ersetzt man hierin Ii — ä0 durch den Werth aus (27),
und die Verhältnisse pjp etc. durch die Verhältnisse B0/B
etc. der Barometerstände, so ergibt sich schliesslich:
(28) f = (Sf(!,"~"""+S)
Es bedeute z. B. B = 620 mm den Barometerstand der
Schneekoppe, B0 = 748 mm den entsprechenden Barometer-
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A. Sprung, 147
stand zu Breslau (Niveaudifferenz etwa 1450 m), es sei
ferner t> =30 m (Geschwindigkeit eines heftigen Sturmes)
und cp ==51°; alsdann berechnet sich der Exponent rechts
zu 0,000 280 8 sin & + 0,000014 4. Seine extremen Werthe
und die entsprechenden Werthe von B0 im Niveau von Bres-
lau sind folgende:
Expouent Rj(mm)
&!& = 90° (Westwind): 0,000 295 2 747,958,
für & = 270° (Ostwind) : - 0,000 266 4 748,037.
Daraus folgt, dass unter sonst gleichen Verhältnissen
der Luftdruck an der Unterseite des 1450 m hohen, mit
einer Geschwindigkeit von 30 m fliessenden Luftstromes, bei
gleichem Luftdruck an der Oberseite, bei Ostwind um etwa
0,079 mm höher sein wird als bei Westwind. Hätte man
das Glied v2jR' vernachlässigt, so würde sich für Westwind
ergeben haben B0 = 747,960, und die Differenz zwischen
West- und Ostwind zu 0,080 mm. Der Einfluss dieses Glie-
des ist somit sehr unbedeutend.
Uebrigens ist der ganze Effect der horizontalen Luft-
bewegungen insofern als sehr geringfügig zu bezeichnen, als
die Luftdruckänderung von 0,08 mm an unseren Barometern
kaum noch beobachtet werden kann. Da nun die horizon-
talen, durch die Axendrehung der Erde bedingten Kräfte
von derselben Ordnung sind (Gl. 22), wie die soeben betrach-
teten verticalen, und in der Breite von 45° ihnen genau
gleich werden, so erhebt sich die Frage, woher es komme,
dass die ersteren für die Meteorologie von so grosser Be-
deutung sind; der Grund liegt einfach darin, dass in horizon-
taler Richtung weit grössere Dimensionen zur Verfügung
stehen. Kommt es doch z. B. gar nicht selten vor, dass das
ganze Gebiet zwischen den Alpen und dem südlichen Skan-
dinavien von ein und demselben Luftstrome eingenommen
wird, wobei die Druckdifferenz zu beiden Seiten des Stromes
(in der Richtung senkrecht zu den Isobaren gemessen) etwa
30—40 mm beträgt. Hieraus berechnet sich für die Länge
eines Aequatorgrades (111 km) ein „Gradient" von 2,5 bis
3,3 mm, und für die Länge von V/2 km (wie sie oben in
verticaler Richtung in Betracht gezogen wurde) ergibt sich
10*
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148
A. Sprung.
die mit unseren Barometern nicht mehr zu messende Diffe-
renz von 0,039 mm. Wird also in etwa 50° Breite ein bis-
her ruhendes, von "West nach Ost sich erstreckendes Luft-
parallelepiped von ll/2 km Höhe und Breite in stürmische
Bewegung versetzt, so muss sich gleichzeitig die Druckdiffe-
renz an den einander gegenüber liegenden Flächen sowohl
in horizontaler als auch in verticaler Richtung um etwa
0,04 mm ändern. Umgekehrt genügt aber auch die Erzeu-
gung und Andauer so geringer Druckunterschiede, um die
stürmische Bewegung allmählich hervorzurufen; im Grunde
genügt hierzu aber schon die horizontale Druckdifferenz, und
hätte man die Vorgänge, wenn sie sich in dieser Anordnung
vollziehen, so aufzufassen, dass die Bewegung der Lufttheil-
chen im ersten Momente in der Richtung des Gradienten
erfolgt, welche aber mit wachsender Geschwindigkeit und
abnehmender Beschleunigung mehr und mehr verlassen wird,
bis die Richtung der gleichförmig gewordenen Bewegung
schliesslich zur Richtung des Gradienten senkrecht steht,
oder — bei Anwesenheit von Reibungswiderständen, welche
eine Gomponente des Gradienten parallel dem Luftstrome
nach vorn erforderlich machen — sich dieser senkrechten
Richtung wenigstens bis zu einem gewissen Grade nähert
Die Aenderung der verticalen Druckdifferenz ist erst als
eine Folge des Bewegungszustandes zu betrachten, indem
dessen Effect hier als eine blosse Verringerung der Schwer-
kraft aufgefasst werden kann.
Eine weitere wichtige Frage ist diejenige nach der Be-
ziehung zwischen der verticalen Druckvertheilung und dem
Zustande der Bewegung in derselben Richtung. Wenn ausser
der Verschiedenheit des Druckes keine bewegenden Kräfte
vorhanden sind, so ist die Gleichung (26) zu verwenden und
geht für v = 0 über in:
Es werde angenommen, dass d2h/dt2=b eine constante Grösse
sei. Verfahrt man ganz ähnlich wie vorher, so ergibt sich
schliesslich : ~- /^\--
9
*
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A. Sprung.
149
(B0 ist der Werth des Barometerstandes B im unteren Niveau
für den Zustand der gleichförmigen Bewegung). Fragt man z. B.,
wie gross b im Falle der oben angewandten Werthe für W0 und
B werden wird, wenn die Relation B0 . 748,1 = B0 748,0 be-
steht, die Druckdifferenz im Zustande der beschleunigten Be-
wegung also um 0,1 mm grösser ist als im Zustande der
Ruhe oder gleichförmigen Bewegung, so ergibt sich eine auf-
wärts gerichtete Beschleunigung von b = 0,007 m pro See.
(Hat die Luft gleichzeitig eine ostwestliche Componente
der Geschwindigkeit im Betrage von 25 bis 30 m, so wird
die Druckabnahme von unten nach oben um 0,10 + 0,04
= 0,14 mm grösser sein müssen als im Zustande der Ruhe.)
Wird auf irgend eine Weise, z. B. durch aufwärts ge-
richtete Abfuhr der Luft in der Höhe eine Zunahme der
verticalen Druckdifferenz von 0,1 mm erzeugt und erhalten,
so mu8s ein Aufsteigen der Luft eintreten, und man kann
durch Integration der obigen Gleichung d2hj dt% = b die Ge-
schwindigkeit ermitteln, welche die Lufttheilchen bei Zurück-
legung einer Strecke h —h0 von ll/2 km erlangen. Da b als
constant vorausgesetzt wurde, so ergibt sich:
^ = V2*(Ä-A0).
Für den obigen Werth von b erhält man dhjdt m 4,58 m pro See.
Bei dieser verticalen Bewegung tritt bekanntlich infolge der
Erdrotation wieder eine horizontale Componente der Bewe-
gung auf, falls dieselbe nicht durch Druckdifferenzen verhin-
dert wird. Die Tendenz, bei einer aufsteigenden Bewe-
gung nach Westen abzuweichen, wird durch den Ausdruck
Hdhjdf) oo cosgp repräsentirt, wie mit Hülfe des Princips der
Erhaltung der Flächen leicht nachgewiesen werden kann.
Hamburg, Juni 1881.
XI. TJeber die Venmittelung der Femetvirkungen
durch den Aether; von Georg Helm in Dresden.
Schon vielfach ist die Aufmerksamkeit der Physiker auf
die eigenthümliche Erscheinung hingelenkt worden, dass die
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150
G. Helm.
mathematischen Formen, auf welche die Potentialtheorie,
insbesondere die Theorie der magnetischen und electrischen
Erscheinungen führt, sich in der Hydrodynamik und Elasti-
citätslehre wiederfinden; oft lässt sich ja dieselbe Formel
aus dem einen Gebiete in das andere umdeuten, aus der
Theorie der Fernewirkungen in die Theorie des stetig den
Raum erfüllenden Mediums. Englische Physiker haben ver-
sucht, diese innigen mathematischen Beziehungen zu neuen
physikalischen Anschauungsweisen zu verwerthen : grundlegend
in den allgemeinen Umrissen hat Faraday, in bestimmter
mathematischer Ausdrucksweise Maxwell1) electrische und
magnetische Erscheinungen dem Einflüsse eines Mediums
zugeschrieben, und von Thomson ist versucht worden, auf
die Helmholtz'schen Integrale der hydrodynamischen Diffe-
rentialgleichungen einen neuen Atomismus zu gründen.
Als Fortschritte inductiver Erkenntniss werden derartige
Untersuchungen besonders dann angesehen werden können,
wenn sie die Fernewirkungen zu dem Medium in Beziehung
setzen, dessen Annahme bereits zur Erklärung der Strahlung
erforderlich ist, zum Aether. Der Versuch, sich des Aethers
zur Erklärung noch anderer Erscheinungen als der optischen
zu bedienen, erscheint von vornherein als aussichtsvoll. Man
muss ja, um die optischen Erscheinungen zu erklären, an-
nehmen, dass der Aether ein Stoff sei, der sich nach den
Differentialgleichungen des elastisch festen Körpers bewegt,
bedient sich aber dann nur der transversalen Wellen, welche
durch diese Gleichungen zugelassen sind. Aber dieselben
Differentialgleichungen lassen noch mannichfache andere Vor-
gänge, longitudinale Wellen, statische Spannungszustände zu:
es fragt sich, ob diese zur Erklärung nicht optischer Phäno-
mene herangezogen werden können. Das Problem, das in
diesem Aufsatze in Angriff genommen worden ist, stellt sich
also zunächst in der Form dar: Haben die Begriffe und
Functionen, auf welche die Gravitation, die electrischen und
magnetischen Wirkungen zurückgeführt worden sind (z. B.
Dichtigkeit, Potential, dielectrisches Moment, electrische
Strömung u. s. f.), Bedeutung für den Aether, d. h. für einen
1) Maxwell, A treatise on electricity aiid magnetism. Oxford 1S73.
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G. Helm.
151
Körper, der sich den Differentialgleichungen des elastisch
festen Körpers gemäss bewegt. Ist dies der Fall, so wird
sich daraus eine Auffassungsweise der Naturerscheinungen
ergeben, welche die Fernewirkungen und die Strahlung um-
fasst, indem sie beide aus einheitlichen Gesichtspunkten ma-
thematisch zu beschreiben vermag.
Die Optik stellt über ihren Aether fest, 1) nach welchen
Gleichungen er sich bewegt, 2) dass es Aether von verschie-
dener Beschaffenheit gibt, dass nämlich die Bewegungscon-
stanten des Aethers der verschiedenen physischen Körper
verschiedene Grösse besitzen, 8) dass zwischen dem Aether
und den ponderablen Molecülen Energieübertragung statt-
findet. Ueber die Art dieser Uebertragung lassen sich aber
verschiedene Hypothesen bilden, die zur Erklärung der Emis-
sion, Absorption, Dispersion u. s. w. genügen. Für uns kommt/
nun auf diese Energieübertragung alles an, wenn wir eine
Vermittelung der Fernewirkungen durch den Aether begrün-
den, wenn wir nur überhaupt die Bewegung der Molecüle
im Aether untersuchen wollen, oder mathematisch ausgedrückt:
es kommt ausser auf die Differentialgleichungen des Aethers
noch auf die zu erfüllenden Grenzbedingungen an. Es wird
daher zunächst nöthig sein, dass wir uns eine bestimmte
Vorstellung bilden über die Bewegung der Molecüle im
Aether überhaupt, und dann wird es bei der Untersuchung
der einzelnen Fernewirkungen erforderlich sein, Annahmen
über die Energieübertragungen zu machen, welchen diese
Wirkungen entspringen.
I. Die Bewegung der Molecüle im Aether. — Die
Aberration des Lichtes nöthigt zu der Annahme, dass die
Atome sich durch den Aether hindurchbewegen können, so-
dass dort, wo Aether ist, nach beliebig kurzer Zeit ponde-
rable Materie (und umgekehrt) sein kann, ohne dass dabei
ein Widerstand merklich wird. Nun darf man sich diese
Bewegung der Atome keinesfalls vorstellen, wie die Bewe-
gung eines starren Körpers in einer Flüssigkeit. Der Aether
ist eben keine Flüssigkeit: seine Bewegungsgleichungen lassen
nur unendlich kleine Verrückungen aus der Gleichgewichts-
lage zu, keine Aufhebung des Zusammenhanges der benach-
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152
G. Helm.
harten Theile auf die Zeit des Atomdurchganges durch das
betreffende Raumelement. Es bleibt wohl kaum etwas anderes
übrig, als die Annahme, dass alle Atome für den Aether
durchdringlich sind. Diese Durchdringung darf jedoch nicht
etwa so vorgestellt werden, dass Aether und Atome sich
überhaupt gar nicht beeinflussen, dass die letzteren sich be-
wegen, als wäre der erstere nicht vorhanden. Denn dann
wäre nicht nur Emission, Absorption, Dispersion unmöglich,
es würde auch sogar eine mit der Aberration in innigster
Beziehung stehende Erscheinung unerklärt bleiben, die En-
trainirung l) , wonach das Licht in bewegten Körpern eine
andere, vom Brechungsexponenten und der Geschwindigkeit
abhängige Fortpflanzungsgeschwindigkeit besitzt, als in ruhen-
den. Eine klare anschauliche Vorstellung von dem Vorgange
der Durchdringung der Atome durch den Aether gewinnt
man, wie mir scheint, wenn man sich einer anderen
Hypothese erinnert, zu der die Aberration nöthigt. Denken
wir uns die Erde auf ihrer Bahn um die Sonne. Der Aether
des freien Weltraumes wird nach einiger Zeit Aether der
Erdatmosphäre sein, und nach wenigen Secunden ist diese
selbe Aethergruppe Aether des Objectivs eines Beobachtungs-
fernrohres u. s. f. Wir müssen daher 'annehmen, dass der
Aether ausserordentlich rasch seinen Zustand zu wechseln
vermag, da ja doch die Fortpflanzungsgeschwindigkeit für
Trans versal wellen in dem angeführten Beispiele sich rasch
ändert. Die ponderablen Molecüle, welche durch den Aether
hindurchstreichen, ändern den Zustand seiner Beweglichkeit
(seine Dichtigkeit oder seine Elasticität). Der Aether in
den verschiedenen Körpern ist hiernach als überall aus gleich-
artiger Substanz bestehend zu denken, die nur unter dem
Einflüsse von Kräften, welche jenen Körpern charakteristisch
sind, einen verschiedenen Grad der Beweglichkeit, verschie-
dene Werthe der Constanten ihrer Bewegungsgleichungen
anzunehmen fähig ist. Nun ist ein physischer Körper im
Sinne der Optik ein Conglomerat aus Aether von gewisser
Beschaffenheit und aus Molecülen. Was man von dem einen
dieser Bestandteile behauptet, warum kann man es nicht
1) Vergl. Ketteier, Astronomische Undulationstheorie. Bonn 1873.
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G. Helm. 153
auch von dem anderen annehmen, warum nicht jedes Molecül
sich denken als aus jener universellen Substanz bestehend,
die einen anderen Grad der Beweglichkeit im freien Aether
des Weltraumes, einen anderen im Aether eines Körpers —
und eben abermals einen anderen Zustand im Molecül selbst
besitzt? Denkt man sich Aether und Molecül als verschie-
dene Substanzen, so muss man 1) dem letzteren Durchdring-
lichkeit für den Aether, und 2) dem Aether die Fähigkeit,
seine Dichtigkeit oder Elasticität, seine Beweglichkeit ändern
zu können, zuschreiben. Denkt man sich aber Aether und
Molecül als aus derselben Substanz bestehend, so bleibt nur
die zweite dieser Annahmen erforderlich.
Ich nehme also an, dass die Molecüle kleine Volumina
(in isotropen Körpern, von denen allein die Rede ist,
Kugeln) seien, die mit demselben Stoffe, dem Aether, erfüllt
sind, der sich auch ausserhalb derselben, den ganzen Raum
stetig erfüllend, befindet. Dieser Stoff besitzt einen anderen
Grad der Beweglichkeit im freien Welträume, einen anderen
in der Nähe der Mblectile, einen anderen in den Molecülen.
Ausserhalb der Molecüle bewegt sich dieser Stoff gemäss
den Differentialgleichungen des elastisch festen Körpers, aber
die Constanten der Bewegungsgleichungen sind verschieden
im freien Welträume und in der Nähe der Molecüle, d. i. in
den physischen Körpern. In den Molecülen, nehme ich an,
bewegt sich der Stoff nach den Differentialgleichungen des
flüssigen Körpers; ich mache diese Annahme in Rücksicht
auf die magnetischen und electrischen Erscheinungen, die
sich aus ihr, wie ich zeigen werde, herleiten lassen. Ich
werde kurz den Aether ausserhalb der Molecüle als fest,
den in ihnen als flüssig bezeichnen, ohne damit andere Ana-
logien heranziehen zu wollen, als die der Beweglichkeit der
kleinsten Theile. Ich kann dann kurz das Molecül als eine
Stelle im Räume bezeichnen, wo der Aether verflüssigt wird;
bewegt es sich, so bewegt sich die Ursache dieser Verflüssi-
gung, und Stellen, die vorher fest waren, werden flüssig, und
umgekehrt. Damit ist noch nichts ausgesagt über die Ge-
setze, nach denen sich diese Molecüle bewegen. Wir nehmen
die Axiome der Mechanik für sie ebenso in Anspruch, wie
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154 G. Helm.
für die materiellen Punkte der gewöhnlichen Vorstellungs-
weise. Materielle Punkte sind eben nach unserer Hypothese
solche Punkte des Raumes, die in ihrer Umgebung den Aether
verflüssigen und sich den mechanischen Axiomen gemäss be-
wegen. Eine andere Frage ist es freilich, ob die Mechanik
des Aethers aus einer umfassenderen Annahme diese Axiome
wie unsere weiteren Hypothesen herleiten kann. Dieses
Problem liegt tiefer und ist in der vorliegenden Arbeit nir-
gends berührt. — Die Geschwindigkeit eines ponderablen
Körpers ist nun nicht etwa die Geschwindigkeit des in ihm
befindlichen Aethers, weder der festen Aetherelemente, noch
der flüssigen Elemente seiner Molectile: die Geschwindigkeit
des Körpers ist vielmehr nur die Geschwindigkeit, mit wel-
cher der Aether seinen Bewegungszustand ändert. Wie rasch
sich auch der Körper bewegt, die Aethertheilchen in ihm
sind nur unendlich kleiner Verrückungen fähig, der bewegte
Körper ist in jedem Momente aus anderen Aethertheilchen
constituirt; nicht die Substanz, aus der er besteht, ist cha-
rakteristisch für ihn, sondern die Spannungen, Schwingungen,
Strömungen in seinem festen Aether und in seinen Mole-
cülen ; nicht die Substanz bewegt sich, sondern ihr Zustand,
die Kraftwirkung, welcher sie unterliegt. Mit anderen Wor-
ten, ich schlage vor, bez. der Bewegung ponderabler Körper
denselben Schritt zu thun, der bez. des Lichtes von der
Emissions- zur Undulationshypothese geführt hat.
II. Die Energieübertragung zwischen den Mo-
lecülen und dem äusseren Aether. — Ein leuchtendes
Molecül versetzt den umgebenden Aether in transversale
Schwingungen, wobei Energie vom Molecül an den Aether
abgegeben wird. Die Erfahrung findet eine Analogie zu
dieser Energieübertragung in der Reibung. Man wird zur
Annahme einer reibungsartig an der Oberfläche des Mole-
cüls wirkenden Kraft genöthigt, um die Lichtemission zu
erklären, und leuchtend würde man nach der oben dargelegten
Anschauungsweise ein Molecül nennen, in welchem der flüs-
sige Aether in hin und her wirbelnder Bewegung durch innere
Kräfte erhalten wird. Umgekehrt, schwingt der Aether trans-
versal in der Nachbarschaft eines Molecüls, so wird dessen
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G. Helm.
155
Inhalt durch jene Reibung in Bewegung versetzt, es findet
Absorption statt. Für uns kommt nun alles auf die nähere
Beschaffenheit jener reibungsartigen Kraft an, neben der
auch noch weitere Energieübertragungen an der Oberfläche
des Molecül8 denkbar sind, solche, die der Optik, welche nur
von transversalen Wellen redet, entgehen, oder solche, welche
bei den verschiedenen Versuchen, die Dispersion und die Ab-
sorptionserscheinungen zu erklären, herangezogen worden
sind. Ich werde zeigen, wie jede Art der Fernewirkung durch
eine Art der Energieübertragung an der Molecüloberfläche
ersetzt werden kann, wie an die Stelle jeder Hypothese über
Fernewirkungen eine Hypothese über solche Energieübertra-
gung an der Grenzfläche des inneren und äusseren Aethers
treten kann. So wird z. B. im nächsten Abschnitt der Gleich-
gewichtszustand des Aethers betrachtef, welcher eintritt, wenn
ein (kugelförmig gedachtes) Molectil auf den umgebenden
Aether allseitig gleiche Zugspannungen ausübt, welche nach
dem Mittelpunkte des Molectils gerichtet sind. Es wird sieb
dort ergeben — was übrigens auch auf einem mehr popu-
lären Wege leicht dargelegt werden kann — , dass unter
diesen Umständen Verrückungen der Aetherelemente statt-
finden, die umgekehrt proportional dem Quadrate des Ab-
standes vom Molecül sind. Um daher die Gravitation durch
Energieübertragung im Aether zu erklären, muss man 1) an-
nehmen, dass jedes Molecül gewisse Zugspannungen auf die
benachbarten Aetherelemente ausübt, und 2) dass jedes Mo-
lecül sich verhält, wie ein materieller Punkt, welcher von
einer beschleunigenden Kraft erfasst wird, die proportional
und gleichgerichtet den Verrückungen der benachbarten
Aetherelemente ist. Die zweite Hypothese hat dann zur
Folge, dass ein im Aether vorhandenes zweites Molecül einer
Kraftwirkung unterliegt, die dem Gravitationsgesetze gemäss
ist. (Diese Hypothese ist übrigens nahe verwandt einer von
Helmholtz1) zur Erklärung der Absorptionserscheinungen
angewendeten.) Es bedarf also zweier Hypothesen zur Ab-
leitung der Gravitation, einer Emissions- und einer Re-
1) Helmholtz, Pogg. Ann. 154. p. 582. 1875. Berl. Ber. 1874. p. 667.
Referat in Klein, Theorie der Elasticität u. s. w.
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156
G. Belm.
ceptionshypothese. Man wird daher, wenn man die Gravi-
tation allein ins Auge fasst, unsere Auffassung nicht eine ver-
einfachende Erklärung derselben nennen können, der "Werth
dieser Auffassung der Gravitation liegt nur in der Ver-
knüpfung der Fernewirkung mit den Aethererscheinungen.
Aehnlich wiederholt sich dieses Auftreten einer Emissions-
und einer Receptionshypothese bei den anderen Fernewir-
kungen, wobei dahingestellt bleibt, ob ein tieferes Eindringen
in. die Mechanik der Energieübertragung zwischen flüssigem
und festem Aether diese verschiedenen Hypothesen und die
Gültigkeit der mechanischen Principien für die Molectile,
wie für materielle Punkte auf gemeinsame Wurzeln zurück-
zuführen vermag.
So liegt es z. B. nahe, die Annahme flüssigen Aethers
in den Molecülen nur' als eine Folge der zum Zwecke der
Gravitationserklärung angewendeten Hypothese anzusehen,
dass die Molecüle central gerichtete Spannungen ausüben.
Denn da aus letzterer Hypothese folgt, dass die Verrückun-
gen der Aetherelemente dem Quadrate der Entfernung vom
Molecüle umgekehrt proportional sind, so müssen die Ver-
schiebungen in der Nähe des Molecüls ausserordentlich
wachsen und grösser sein, als es mit der Erhaltung des
festen Zustandes vereinbar ist. Das dadurch entstehende
flüssige Aethergebiet wäre dann eben das Molecül. Hierbei
würde ein allmählicher Uebergang aus dem festen in den
flüssigen Zustand stattfinden, der Aether an der Molecül-
oberfläche sich also wie eine reibende Flüssigkeit verhalten,
eine Annahme, aus der sich in der That die Coercitiverschei-
nungen erklären zu lassen scheinen. Da ich jedoch meine
Hypothesen lediglich an den Fernewirkungen, den am ge-
nauesten festgestellten physikalischen Erscheinungen ent-
wickeln will, so bedarf ich der Annahme dieser Uebergangs-
Schicht nicht und nehme provisorisch einen sprungweisen
Uebergang aus dem festen in den flüssigen Zustand an.
III. Die Gravitation. — Sind uvw die Projectionen
der Verrückung eines Aethertheilchens aus der natürlichen
Gleichgewichtslage, bezogen auf drei senkrechte Coordinaten-
axen xyz, ist ferner:
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G. Helm. 157
/ia\ du dv die
die Dilatation, welche am Orte xyz hervorgebracht wird, so<
bestimmen sich, wenn äussere Kräfte nicht wirken, die Be-
schleunigungscomponenten an dieser Stelle durch die Glei-
chungen :
' g» = c*Ju + (0i _ ^ g, gf - C«J„ + (C -
(1)
wobei Cc die Fortpflanzungsgeschwindigkeiten longitudinaler
und transversaler Wellen bezeichnen und A die Operation
d2/dx2 -f d2jdyl -f- d2jdz\ Die Differentiation der Gleichun-
gen nach xyz und die Addition ergibt noch:
(1») = C*Jo.
Diesem Gleichungssysteme genügen bekanntlich die bei-
den Lösungen:
U - dx> v~ dy> W~ dz*
,9X dT dB dA dr dB dA
öy ö* 1 d* dx ' dx
wenn die neu eingeführten Functionen bis auf eine additive
Constante den Bedingungen:
(2*) J£ * C"A^
entsprechen. Die Lösung (3) führt zu den Transversalwellen
der Optik, wenn die Functionen ABT von der Zeit ab-
hängig sind, also Wellen stattfinden. Sie wird uns später
zu den magnetischen Erscheinungen führen für den Fall der
Unabhängigkeit jener Functionen von der Zeit, also für den
Fall, dass ein statischer Spannungszustand stattfindet.
Aus der Lösung (2) wollen wir jetzt die Gravitations-
erscheinungen herleiten. Während sich die Optik mit den
Schwingungen beschäftigt, die im Aether auftreten können j
werden uns besonders die von der Zeit unabhängigen Ver-
rtickungen interessiren, welche im Aether möglich sind,.
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158 G. Helm.
■
Thatsächlich werden beide Erscheinungen gleichzeitig statt-
finden: jedes Theilchen wird aus seiner natürlichen Gleich-
gewichtslage gerückt werden und im allgemeinen um eine
neue Gleichgewichtslage schwingen, in welche es übergeht,
sobald es seine Schwingungsenergie an die benachbarten
Theilchen abgegeben hat. Es seien u0 v0 w0 die Componenten
der von der Zeit unabhängigen Verrückungen, also die Pro-
jectionen des Abstandes der neuen Gleichgewichtslage von
der natürlichen Gleichgewichtslage, utvtwt die Componenten
der mit der Zeit veränderlichen Elongation, dann muss sein:
uo dx ' dy ' W°~ dz '
d(pt d(ft dfft
M<= ö*> r<= Jj> Wt = J7'
und bis auf eine additive Constante:
{4*>) Jrfo = rTü=0, C2Jrft =
Zu denselben Resultaten gelangt man, wenn man die Glei-
chungen (1) zerfällt in:
(5)
da
d*u
da
dx
d £* ~~
C2
dx
da
d*v
C2
da
dy
de ~
dy
da
dz
8-w
dt* -
c2
da
dz
Av =
Aw = U^ = C2"U - C*Aw
d2 a SU A _
und diese für u0vuwu anwendet, wobei sich ergibt:
(6) A «„ = |& = 0, A v, = *£ = 0,Awo =8£ = 0,
also a0 eine Constante.
Da ich im Folgenden lediglich die von der Zeit unab-
hängigen Verschiebungen betrachten werde, die Schwingun-
gen also ausser Betracht lasse, welche vor Eintritt einer
neuen Ruhelage stattfinden werden, so will ich, den Index 0
unterdrückend, die Projectionen des Abstands der neuen
Gleichgewichtslage von der natürlichen Lage mit uvw be-
zeichnen. Ich setze also:
{?a) u = edx> w~ä*; G=z AW ^ = 0
und wähle nun die Function q> so, dass ausserhalb der Molecüle:
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G. Helm.
159
(7b)
<p = - >
A(p = a = 0
ist. Hierbei bedeutet r » V(a? — |)2 + (y — + (* — £)' den
Abstand der Stelle xyz des Aethers vom Mittelpunkte
eines Molecüls, m eine dem Molecüle eigentümliche Con-
stante, -S" eine über alle vorhandenen Molecüle zu erstreckende
Summation. Durch diese Wahl von <p wird erreicht, dass
uv w und g überall ausserhalb der Molecüle eindeutig und
stetig sind und im Unendlichen verschwinden. Olfenbar be-
friedigt (p nicht die Grenzbedingungen, welche an der Ober-
fläche der Molecüle eingehalten werden müssten, wenn diese
sich wie starre Kugeln in einer Flüssigkeit verhielten. Es
treten vielmehr Theile des festen Aethers in das flüssige
Gebiet des Molecüls ein, andere aus diesem aus, gemäss der
oben auseinandergesetzten Anschauungsweise. Letztere er-
innert übrigens an eine von Riemann1) zuerst angewendete
Hypothese, welche auch den Zweck hatte, jener für die
Gravitation wesentlichen Function <p physikalische Bedeutung,
und zwar für ein incompressibles flüssiges Medium, beizulegen.
Die Bedeutung der für das Molecül charakteristischen
Constante m ergibt sich aus der Berechnung der an der
Oberfläche des Molecüls nach unserer Hypothese stattfinden-
den Spannungen. Der Druck, welcher auf ein Flächen-
element ausgeübt wird, das im Punkte xyz normal zur
X-Axe der Coordinaten liegt, habe die Componenten Xx Yx Zx,
und analoge Bedeutung mögen die mit yz und n indicirten
Kraftcomponenten haben, wobei n eine beliebige Richtung
bezeichnet. Dann ist, wenn die Dichtigkeit des elastischen
Mediums im Punkte xyz, E= uc2 seine Elasticitätsconstante
bezeichnet, allgemein:
1) Web er 's Ausgabe der Werke, p. 502. Vgl. auch eine Bemer-
kung des Verf. dazu in der Ztschr. f Math. u. Phys. 23, p. 261. 1878.
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160 G. Helm.
also in unserem Falle, wo die Verrückungen uvw ein Poten-
tial (p besitzen:
X. = - 2E{ g + C,-r^}, Y. = Z,= -Ufa,
my, - - % + ^ ^ }, * - * - -«a
Z2 = - 2* j ß + £^ J9 },Xy=Yx=- 2E^
Daraus folgt wegen A<p = 0,
A'n = -Yx cos xn -f A'j, cos y n + cos zw = — 2 ^
und analog: n — M^g,
Wäre nur ein Molecül vorhanden, hätten die Aetherver-
rückungen also das Potential <p = m/r, so würde das Ober-
flächenelement des kugelförmig gedachten Molecüls, dessen
Radius a heisse, den Normaldruck erleiden:
N=4-^£, woraus folgt:
(10) ro=^T--
Die Hypothese, dass das Verschiebungspotential cp existire,
ist also gleichbedeutend mit der, dass jedes Molecül eine
Aetherspannung an seiner Oberfläche erzeugt. Die Con-
stante m ist dem Verhältniss dieser dem Molecül eigenth
liehen Spannung zur Elasticitätsconstante des Aethers und
ausserdem dem Volumen des Molecüls proportional.
Da wir das Molecül als ein Gebiet flüssigen Aethers
auffassen, so muss in ihm der Druck constant sein, wenn
im Innern Gleichgewicht herrschen soll. Nehmen wir an,
dass der innere Druck immer gleich dem eben berechneten
N sei, so wird sich ein Gleichgewichtszustand im Molecül
wie im äusseren Aether herstellen, falls nur ein Molecül vor-
handen ist. Treten noch andere Molecüle hinzu, so ist der
innere Druck N nicht mehr im Stande, dem äusseren Aether-
drucke das Gleichgewicht zu halten, es wird also Aether in
das Molecül ein- und aus ihm heraustreten. Die dabei
auftretenden Aenderungen in der Dichtigkeit des flüssigen
Aethers dürfen vernachlässigt werden, wenn der Radius des
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G. Helm.
161
Molecüls gegen den Abstand der Molecüle vernachlässigt
werden kann. Ist dies nicht zulässig, wie bei molecularen
Vorgängen, so muss der Einfluss dieser Dichtigkeitsverände-
rungen berücksichtigt werden, und ich werde weiter unten
zeigen, dass sich solche Störungen als electrische Erschei-
nungen äussern müssen. Keineswegs kann der Druck, wel-
cher an der Oberfläche des Molecüls wirkt, dasselbe wie
eine beschleunigende Kraft bewegen; man erinnere sich der
in Abschnitt 1 vorausgeschickten Grundlage unserer Ent-
wickelungen: den Aether bewegen, der ein Molecül momen-
tan constituirt, heisst nicht noth wendig das Molecül bewegen.
Zu der beschleunigenden Kraft führt uns vielmehr —
dem in Abschnitt 2 dargelegten Plane zufolge — eine be-
sondere Receptionshypothese. Man muss annehmen, das
Molecül verhalte sich wie ein materieller Punkt, welcher
von einer Kraft erfasst wird, die von den Verschiebungen
des Aethers, der das betrachtete Molecül umgibt, ab-
hängt, nämlich, dass die Componenten der beschleunigenden
Kraft seien:
11) X= m\ 2, ] = mJ. - f , Z= mJ. -a,
wo die Integrationen über die Oberflächenelemente ds des
Molecüls zu erstrecken sind. Die Werte uvw bestehen je
aus zwei Antheilen: einem von dem betrachteten Molecül
selbst herrührenden, der bei der Integration verschwindet,
und einem von allen übrigen Molecülen veranlassten:
d ^ m d ^ m d m
BxZa r 9 ÖyZr > özZ r 9
wo die Summation über alle Molecüle, das betrachtete aus-
geschlossen, zu erstrecken ist. Diese Antheile sind für alle
Oberflächenelemente des betrachteten Molecüls constant,
- wenn der Radius des Molecüls klein ist gegen den Abstand
der Molecüle. Unter dieser Voraussetzung wird:
d. h. die beschleunigende Kraft ist die Gravitation.
IV. Der Magnetismus. Unserer Auffassung der
Fernewirkungen fügt sich die MaxwelFsehe Behandlung des
Ann. d. Pbyii. u. Chem. N. F. XIV. 11
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162
G. Helm
Magnetismus naturgemäss ein. Am Eingange des vorigen
Abschnitts wurde bereits darauf hingewiesen, dass den
elastischen Differentialgleichungen noch durch eine zweite
allgemeine Lösung genügt wird. Indem wir wieder wie dort
Schwingungen unberücksichtigt lassen und lediglich die mit
den Gleichgewichtsbedingungen des Aethers vereinbaren
Verrückungen uvw behandeln, setzen wir unter Beibehaltung
der früheren Bezeichnungen:
, dA
er
2^[(-ö^-(-i)|f](^=o,
dB dA X 1 \r t-\SB , <6A] . „ „
du . dv . dtc A
Hierdurch werden die Gleichgewichtsbedingungen erfüllt:
o —
(2)
0 = c*Jw + (C2-c*)^,
0 = e»Jt>+ (C'-c*) J?,
Es bedeutet r = V(.r - £)« + (y - >?)2 + (s - £)2 den Ab-
stand des Aethertheilchens im Orte xyz von einem Molecül.
dessen Centrum die Coordinaten besitzt. Die Summation
J£ erstreckt sich über alle Molecüle. Wir genügen den Be-
dingungen für die Functionen ABT, wenn wir setzen:
(1») J=-22~,B=-*2°'rß> r=-22'y,
wo aßy die Richtungscosinus einer Linie N bedeuten, die
wir uns durch den Mittelpunkt des Molecüls gezogen
denken, und deren Richtung für das Molecül ebenso eine
charakteristische Constante ist, wie die Grösse ro oder die
früher eingeführte Zahl m. Nun ist:
«-22£[(y-t»)r-(»-Ö/S].
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G. Helm.
163
ei
BNT
Befindet sich nur ein Molecül im Räume, so reduciren sich
diese Summen auf je ein Glied, und es gelten die Beziehungen:
M d\ {«(*- B + V(1J- V)+W(Z- L) = 0,
K ' \ua + vß +wy = 0,
d. h. die Verschiebungen u v w stehen senkrecht zu r und zu
der charakteristischen Richtung 2VJ sie können also betrachtet
werden als hervorgegangen . durch eine unendlich kleine
Rotation des Aethers um die Axe Nf wobei freilich die
Winkelbewegung 2 co/r3 für Theile in verschiedenem Abstände
r vom Molecül eine verschiedene ist, nämlich umgekehrt pro-
portional der dritten Potenz des Abstands. Sind beliebig
viele Molecüle im Räume vorhanden, so erleidet jedes Aether-
theilchen eine Rotation, deren Componenten sind:
t t(d« dv\ , b (ba dB ajrt j A s USA.
*~2Vdy ' " dz)-*dx\dx+ 8y + dz) dx^dy
i .(du dw\ .d(dA,dB,df\ VAU d^d(o
\ö* " dy)~~*dz \dx ^ dy ^ dz) ~ " dz^dN r
Die Rotation w selbst, die das Aethertheilchen erleidet, hat
daher, wenn ihre Axe die Richtung iV' hat, die Grösse:
Die physikalische Bedeutung der Constanten w und N
erhellt, wenn man die Kräfte aufsucht, welche an der Ober-
fläche eines Molecüls ausgeübt werden, das sich allein im
Räume befindet. Man findet durch eine Rechnung, die ana-
log der im vorigen Abschnitt ausgeführten verläuft, unter
Beibehaltung der dortigen Zeichen:
Xn = GE-^(y cos (yn) — ß cos (#»)),
(4) j Yn = 6 E-^ cos (z n) — y cos (.r it)J ,
Zn — 6 E^(ß cos (xn) — a cos (y n)) ,
als Componenten der auf das Oberflächenelement des Mole-
cüls, dessen Normale n heisst, ausgeübten Kraft. Wie man
sieht, ist dies eine Schubkraft, parallel zum Oberflächen-
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164
G. Helm.
element, senkrecht zur Axe N gerichtet. Nennt man S
die Grösse des Schubes, der in grösster Entfernung von der
Axe, am Aequator der Molecülkugel stattfindet, so ergibt sich:
(5) S_6£f,«-44.
Die Constante cd ist daher proportional dem Verhältniss der
grössten Schubkraft, welche an der JVlolecüloberfläche wirkt,
zur Elasticitätsconstante des Aethers und proportional dem
Volumen des Molecüls. Die Richtung N ist die Richtung
der Axe, um welche die Schubkräfte zu drehen streben.
Wenn es also Molecüle gibt, welche Schubkräfte dieser
Art auf den umgebenden Aether ausüben, so wird der durch
die Gleichungen (1) charakterisirte Zustand des Aethers ein-
treten. Solche Molecüle heissen magnetische, die Aether-
umgebung ein Magnetfeld. Man braucht noch nicht näher
auf die Mechanik des flüssigen Aethers in den Molecülen
einzugehen, um zu erkennen, dass in einem magnetischen
Molecül ein Wirbel um die Axe N existiren muss, dessen
Bewegung durch innere, dem magnetischen Molecül eigen-
tümliche Kräfte erhalten wird, welche unzerstörbar sind,
wie die Gravitationsspannungen, die allen Molecülen eigen-
tümlich sind. Durch Reibung an der Molecüloberfläche
erzeugt die Rotation im Innern des Molecüls jene Schub-
spannungen im Aether. Umgekehrt, wo der Aether in den
dadurch hervorgerufenen Zustand versetzt ist, wird durch
dieselbe Reibung eine Rotation im Innern eines zweiten
Molecüls hervorgerufen, dasselbe wird diamagnetisch, sein
Aether wirbelt nämlich um eine der Axe des magnetischen
Molecüls entgegengesetzt parallele so, dass an der Molecül-
oberfläche seine Winkelgeschwindigkeit proportional dem
oben berechneten cd' ist. Der Proportionalitätsfactor hängt
von der Grösse der reibenden Kraft an beiden Molecülen ab.
Es erübrigt noch, die ponderomotorische Kraft festzu-
stellen, welche zwischen magnetischen oder diamagnetischen
Molecülen wirksam ist. Man muss annehmen, dass sich
zwei derselben, deren Constanten coN, bez. cd' N' sind, ver-
halten wie materielle Punkte, zwischen welchen eine beschleu-
nigende Kraft wirkt, deren Potential proportional ist mit:
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G. Helm.
165
(6)
8^
BN
BN r
ö io
8
dN
BN r
Man erkennt, wie die eben dargelegte Auffassungsweise
der magnetischen Erscheinungen durchaus auf dem Boden
der Weber -Ampere'schen Hypothese über den Magnetismus
und Diamagnetismus steht. An Stelle der Molecularströme
treten Wirbel in den flüssigen Molecülen, Wirbel von unver-
änderlicher Rotationsgeschwindigkeit an Stelle der Ströme in
magnetischen Molecülen, dagegen an Stelle der Inductions-
ströme diamagnetischer Molecüle Wirbel, welche durch die
Schubspannungen des umgebenden Aethers hervorgerufen sind.
V. Leiter und Dielectrica. Die electrische
Strömung. — Nach der im ersten Abschnitt entwickelten
Hypothese ist jeder physische Körper ein Aggregat von
Molecülen aus flüssigem Aether, welche in festen Aether
eingelagert sind, dessen Eigenschaften von jenen Molecülen
mitbedingt werden. Die Fortpflanzung der Energie durch
ein solches Aggregat hindurch wird daher von der Fort-
pflanzung im festen Aether und von der Fortpflanzung in
den flüssigen Theilen bedingt sein. Dabei sind zwei Grenz-
fälle denkbar. Es kann erstens der Einfluss der flüssigen
Theile verschwindend klein sein gegen den des festen
Aethers, was man sich dadurch anschaulich machen kann,
dass man sich die Zwischenräume zwischen den Molecülen
sehr gross denkt gegenüber den Dimensionen derselben. Ein
solcher Körper wird z. B. Licht nur unmerklich absorbiren.
Wir nennen ihn ein Dielectricum. Es kann zweitens der
Einfluss der festen Theile auf die Energiefortpflanzung ver-
schwindend klein sein, was man sich etwa so vorstellen
könnte, dass die flüssigen Aethergebiete zu grösseren Com-
plexen zusammenhängen, nicht jedes flüssige Gebiet rings
von festem Aether, sondern umgekehrt die festen Stellen
rings von Verflüssigungsgebieten umgeben sind. Einen solchen
Körper nennen wir einen Leiter. In ihm wird sich der
Einfluss des festen Aethers auf die Energiefortpflanzung nur
dadurch geltend machen, dass er die im flüssigen Aether
stattfindenden Bewegungen an den Grenzflächen reibungs-
artig beeinflusst. Der flüssige Aether wird sich daher nahe-
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166
G. Helm.
zu wie eine Flüssigkeit mit innerer Keibung bewegen, da ja
solche Grenzflächen, an denen sich Reibung äussert, den
ganzen Körper durchsetzen. Helmholtz hat in der That
gezeigt,1) dass die ßewegungsgleichungen des reibenden
Gases mit denen der Electricität in Leitern übereinstimmen.
Hier ist nun der Ort, wo die Reibung, welche zwischen
dem flüssigen Aether des Molecüls und dem äusseren festen
Aether an der Grenzfläche stattfindet, definirt werden muss.
So lange der innere Aether an einem Element der Grenz-
fläche ruht oder mit constanter Geschwindigkeit sich be-
wegt, wird offenbar auch der äussere Aether in der Gleich-
gewichtslage sein oder um ein constantes Stück aus der-
selben verschoben. Aendert sich aber die innere Strömung,
so verschiebt sich der äussere Aether aus seiner bisherigen
Lage. Sind daher XYZ die Componenten der auf den
äusseren Aether ausgeübten Kraft, Ar/ Y' Z' die Componenten
der Kraft, welcher der benachbarte flüssige Aether unter-
liegt, so wird es am einfachsten sein, anzunehmen, dass
die letzteren Componenten den Aenderungen, welche die
ersteren im Zeitelement erleiden, proportional sind, was
unter der Annahme kleiner Geschwindigkeiten ausgedrückt
wird durch:
n. y» k BJC y* x d Y x BZ
W * -T~nTt> 1 - An dt ' * ~ An dt'
Freilich, wenn man nur ein Grenzelement betrachtet, so
dürfte man, an der Analogie mit der Reibung festhaltend,
nur die dem Element parallelen Componenten der gesamm-
ten beiderseitig wirkenden Kräfte in solcher Weise einander
proportional setzen. Aber man erwäge, dass es sich um
Uebertragung in einem Conglomerat flüssiger und fester
Bestandtheile handelt, welches auf sehr kleinem Räume
Grenzflächenelemente in allen denkbaren Stellungen enthält,
auf so kleinem Räume, dass sich die darin wirkenden Kräfte
nicht merklich unterscheiden. Dieselbe Erwägung berechtigt
auch dazu, sich die Energieübertragung durch Reibung
1) Crelle's Journ. 72, p. 1. 1870. Referat in G. Wiedeinann,
Galvanismus II, 2.
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(2)
G. Helm. 167
überall, stetig, stattfindend zu denken. Heisst nun die
Dichtigkeit des äusseren festen Aethers ju, so ist:
X=ti6£ = u(C'-c*)*± + c>nJ«!
A n ' x ' dx dt 4 7i ' dt 1
und in analoger Weise ergeben sich 1" und Z'. Die Differential-
gleichungen für die Bewegung einer Flüssigkeit lauten aber:
du dp . v, / dv dp . v ,dw dp . 7<
rfu' . , (du. dv', dw\ n , ^r* /
£ + " W* + 57 + 57 j = °» ? = crV>
wo j^' die Dichtigkeit im Punkte xyz^ u vw die dort herr-
schenden Geschwindigkeitscomponenten, p der daselbst aus-
geübte Druck, X' Y' Z' die Componenten der dort angreifen-
den äusseren Kräfte, endlich C die Fortpflanzungsgeschwin-
digkeit longitudinaler Wellen bezeichnen. Es folgt daher
für den inneren flüssigen Aether:
* dt - dx^An"^ C * dx dt^ 4n"° * dt1
,dv dp . x /r,2 t\ d da x , A du
,<£ = _ 3p' * (C, _ c2) a sc » [SJ|».
d£ 9« An 1 v 7 9« dt An' dt
Diese Gleichungen gehen über in die des reibenden Gases, wenn :
9u / dv / dw , r i i. i dir >
W dt=U> Tt V ' 97 * " folSllch 97 = *
gesetzt wird. Wir raachen diese Substitutionen, d. h. wir neh-
men an, dass die Geschwindigkeiten in den festen und flüssigen
Körperelementen unmerklich verschieden sind. Sie sind da-
her auch durchgehends so klein, dass djdt mit djdt ver-
tauscht werden darf, weil dies für die Bewegungsgleichungen
des festen Aethers Voraussetzung ist. Wir setzen also:
X'=^u(^~c^ + ^uc^u',
(3)
(5)
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168 G. Helm.
und haben die Gleichungen (2) für diese Werthe von
X'Y' Z' zu erfüllen. Zu der Lösung, die den electrischen
Phänomenen entspricht, gelangen wir, indem wir statt der
Grössen X' Y' Z' p neue, ihnen proportionale Functionen
einführen:
(6) tr= --x\, v = - y'2, w — , 9= 4 A%,
wo ft0' einen Specialwerth der wenig veränderlichen Dichtig-
keit des flüssigen Aethers bezeichnet, und nun setzen:
C2-c2
(?)
M = —
t? = —
tt? = —
4nC* dxj r dt atl~j~ J r
C2- c2 6 C l dq> ,4 , f F'
c2-ca e r \ dcf ,4 , cw
4n C2 d*
wo die Integrationen über den leitererfüllten Raum, dessen
Element c?r2 heisse, zu erstrecken sind. Diese Werthe von
u v w erfüllen zunächst die Gleichungen, die man durch
Substitution von (6) in (5) erhält, da unter der oben ge-
machten Annahme über die Kleinheit der Veränderungen
aller Geschwindigkeiten, also auch der Dichtigkeit und des
Drucks im flüssigen Aether:
(&\ '-du' — **L L^JL LLiiL iL iL
W 0 " dx + dy + dz ~ fi' dt ~ fi0' dt ~ p0' dt - C* dt
gesetzt werden darf, wo pQ' der zur Dichtigkeit w0' gehörige
besondere Werth des Druckes ist, also nach (2) p0' = C2f*d'
Durch die Substitutionen (6) gehen aber die Gleichun-
gen (2) über in die Gleichungen der electrischen Strömung:
Lrr_. fo'C'»** £L du
XU ^C2 dx |uc2 dt
(9)
y fji0'C'2 djp fi' dV ött' <h/ dta' c2 djp
v - - — C2- ~dy ~ ^lÄ' Ihc^lllj + dz ~~ C* dt1
fi C2 ö« /**2 dt
die in der gewöhnlichen Form erscheinen, wenn (i = p0,
C= C ist. Wir haben nur x, den Coefficienten, von dem
die Energieübertragung zwischen festem und flüssigem Aether
abhängt, den specifischen Leitungswiderstand zu nennen.
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G. Helm.
169
sowie die den übertragenen Kräften proportionalen Grössen
U V W als die Strömungscomponenten aufzufassen.
Die Geschwindigkeitscomponenten u'v'w' des Aethers
sind dann die Componenten des electrodynamischen Poten-
tials, wie die Gleichungen (7) lehren, deren erste Glieder
rechts bei der Integration über geschlossene Ströme ver-
schwinden. Dass auch die dem Drucke p' proportionale
Function y> das electrostatische Potential darstellt, beweist
folgende Rechnung, die sich einer von Helmholtz a. a. O.
ausgeführten anschliesst. — Zufolge (7) ist:
,_ ök ö*. dtc _ C-c> rfqp f I JT y, *7 , \ .
Bx By 8z C« dt +J ( U Bx + V 8y + n Bz\ *
Man setze = — ein und integrire partiell:
6 " -W dt + J T [e Gf + Wx + 'a % I 1
+ J^T [*^' cos (xi w) + cos (^i w) + W cos (zi n)] dsi i
wo die letzte Integration über die Leiteroberfläche erstreckt
wird, deren Elemente ds die innere Normale n haben. Die
zunächst noch nöthigen Integrationen über eine kleine Kugel,
deren Centrum xyz und über die Kugelfläche mit unendlich
wachsendem Radius sind nach bekannten Schlüssen auf das
Resultat ohne Einfluss. Führt man -nun ein:
de BU' BT BW
dt ~ Bx + By + Bz '
— jj^P cos + V' cos (y n) -f W cos (zn) ,
so findet man:
und diese Gleichung ist nach (8) erfüllt, wenn:
(11) <P-fjr*ti+fTdti>
<jp ist also nach den Festsetzungen über TT V' W als elec-
trostatisches Potential zu bezeichnen, da nach (10) die Func-
tionen e und e electrische Dichtigkeiten genannt werden müssen.
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170
G. Helm.
Statt der von Helmholtz zur Verallgemeinerung des
Ampere'schen Gesetzes eingeführten Constante k erscheint
in unseren Gleichungen c2/ C2, das Quadrat des Verhältnisses
der beiden Fortpflanzungsgeschwindigkeiten. Dieselbe Grösse
wird weiter unten als die Dielectricitätsconstante 1 -f 4nK
erscheinen, womit eine Aussicht auf experimentelle Prüfung
der vorliegenden Theorie eröffnet ist.
Endlich ergeben die Gleichungen (9), falls fi = n0\ C— C
angenommen wird, als das Verhältniss der electrostatischen
zu den electrodynamischen Maasseinheiten die Grösse c2, das
Quadrat der Lichtgeschwindigkeit. Das ist auch nach Max-
well's Theorie der Fall und steht bekanntlich mit Messun-
gen von Weber, Maxwell und Thomson in guter Ueber-
einstimmung.
Zu den Differentialgleichungen (9) treten noch Grenz-
bedingungen. Zu den von Helmholtz a. a. 0. benutzten,
führt die Annahme, dass an den Leiteroberflächen die Ver-
rückungen und Normaldrucke stetig sind, und dass der Aether
in unendlicher Ferne ruht.
Die oben eingeführten Kräfte XYZX'YZ' wirken
auf die Aetherelemente , beschleunigen also nicht die Mole-
cüle. Die Kräfte, welche auf die letzteren wie auf materielle
Punkte ausgeübt werden, äussern sich als Wärme und pon-
deromotorische electrodynamische Wirkung. Ob sie sich aus
jenen auf die Aetherelemente ausgeübten Kräften mittelst
eines allgemeinen Princips herleiten lassen, bleibt auch hier
eine offene Frage. Wir stellen nur hypothetisch fest, dass:
die pro Zeit- und Volumenelement entwickelte Wärme ist,
und dass die electrodynamische Wirkung das Potential besitzt:
/ f t (*V u; + v; v;+ w; dt, dt,.
VI. Der dielectrische Zustand. — Jede Störung
des Druckes in dem flüssigen Aether der Molecüle veran-
lasst Strömungen dieses flüssigen Aethers, die sich durch
Reibung auf den umgebenden festen Aether übertragen,
d. h. mit anderen Worten, jede electrische Strömung erzeugt
Schwingungen im festen Aether. In den Dielectrica brauchen
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G. Helm
171
nur diese Schwingungen berücksichtigt zu werden, nicht die
gleichzeitig auftretenden Strömungen in den Molecülen. Durch
die Dielectrica werden sich also Transversal- und Longitu-
dinalwellen fortpflanzen. Hat die electrische Strömung zu
einem Gleichgewichtszustande des flüssigen Aethers geführt,
haben sich also die Druckdifferenzen ausgeglichen, so hört
auch diese Wellenbewegung auf, und der feste Aether be-
findet sich auch in einem gewissen Gleichgewichtszustande.
Das ist sein electrostatischer Zustand. Den Differential-
gleichungen für das Gleichgewicht des festen elastischen
Körpers:
1)
c2Jw + (C2-c2)^ = 0, . , .
* a , trtw 2*ö<r r, ~~ s* dz
c2Jv + (C2-c2)^- = 0,
/ J<X=0,
c9Jm? + (C2-c2)^ = 0,
wird genügt durch die Annahme:
c* dx1 47ic2 J r dt 1
, C*-c2 da C8-c2 f 1 da ,
(2) { z/t, = - — ^ , * = - 4n c, J T -ö- dt, + v0,
A C*-c*da C*-e2 fl da , .
wo die Integration über den ganzen, mit festem Aether er-
füllten Raum zu erstrecken ist, dessen Element dr1 heisst,
und wieder r = V(.r — |)a (y — *y)2 + (z — £)2 den Abstand
dieses Elementes rfxj im Punkt von dem Punkte xyz
bezeichnet, in welchen die Verrückung u v w entsteht. u0v0w0
bedeuten Functionen, die im Integrationsraume den Bedin-
gungen genügen:
(2b) ^«o = 0> ^o = °> Jtc0=0.
Ueber diese Functionen muss nun so verfügt werden,
dass der Ausdruck dujdx + dv/dy + dw/dz, gebildet aus
den Gleichungen (2), den Werth a annimmt. Setzt man:
n \ dua dt'* , ötr0 . j
M • °o = eF + Ty 7 + • 80 Wlrd :
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172 G. Helm.
$1 öl e±
du , dv , dw C2— c8 / | r 8a , r da , r da
öl
c* _ cs r 1 ca — c8 r 1 da
47tc* J r 1 4rrc8 J r on ü
zufolge des Green'schen Satzes. Hier ist die zweite Inte-
gration über alle Elemente ds der Grenzfläche des festen
Aethers, also über alle Leiteroberflächenelemente zu führen.
Die nach aussen gerichtete Normale der letzteren heisst n.
Bei dieser Anwendung des Green'schen Satzes ist zunächst
eine kleine um xyz beschriebene Kugel vom Integrations-
raume auszuschliessen ; eine bekannte Schlussweise zeigt,
dass das Eesultat dadurch nicht beeinflusst wird. Die Inte-
gration über die Kugelfläche mit unendlich wachsendem Ka-
dius R kann ebenfalls unterdrückt werden, wenn dajdn
stärker als 1 \R gegen die Null convergirt. Da nun im
äthererfüllten Räume A a — 0 sein muss, wenn Gleichgewicht
bestehen soll, so fragt es sich, ob (t0 so gewählt werden
kann, dass:
/on C*-c8 f l da , .
Das erste Glied der rechten Seite ist ein Flächenpoten-
tial, und zwar ein Potential der Leiteroberflächen. Der
Sprung, den dajdn an diesen Flächen erleidet, ist dajdn
selbst, denn im Innern der Leiter kann Gleichgewicht nur
herrschen, wenn dort a constant, also die Ableitung nach
der inneren Normale gleich Null ist. Somit ist:
(4) -r-f1^*-*»
x ' 4rcJ r dn
und Gleichung (3) wird:
Wir wollen noch definiren:
/z>\ a Ba a daQ
(6) -4*e = ^, _4*eo=^>
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G. Helm. 173
wodurch wir erhalten:
(6b) a = Jy ds, <tq =f?±ds, e = £%e0.
Die Function a0 hat sämmtliche Eigenschaften des elec-
trostatischen Potentials, welchem also in unserer Theorie die
Dilatation des Aethers proportional ist. DerProportionalitäts-
factor ist als die sogenannte Dielectricitätsconstante anzusehen :
(7) £t«l + 4*jr; 4nK=-^~/.
In Medien, in welchen C= c ist, würde eine dielectrische
Polarisation nicht stattfinden.
Die Gleichungen für das dielectrische Moment erhalten
wir, wenn wir dessen Componenten UVW definiren durch:
u = J^.dr1+ ?/0, Jmo = 0,
v = J^y drx + y0 , A u0 = 0 ,
/W
— dti+WQ, Aw0 = Q.
Denn dann wird mit Benutzung von (2), (5) und (6):
Um, * fi. 4l = ff* ds,
4itc' dxj r 4n C* axj r
„ C2-c» d Ce , C'-c1 8 C e, ,
F - 1^ lg J T tls = ~in C»- älJ r rf*>
Der hier auftretende Factor (C2 — c2)/4^Ca ist nach (7)
gleich - K.
Die Grössen e und e0 lassen sich noch durch die di-
electrischen Momente ausdrücken, welche an den Leiterober-
flächen vorhanden sind:
e= - ~ 2^ = - ( *7cos (xn) + Kcosty n) + fTcoB(zn)),
(10)1 * C
e0 = — jjr—% ( C/cos (.r n) -f Fcos (yw) -f fVcos (zn)) .
So lange der electrische Gleichgewichtszustand nicht
eingetreten ist, gelten für den Aether der Dielectrica die
elastischen Differentialgleichungen, welche, wenn man durch
f
Au =
(8) ■
A v =
Ate =
(9)
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174 G. Hehn.
die Gleichungen (8) das dieleetrische Moment einführt, die
Maxwell'sche Form annehmen:
(11)
. rr C3-c26(T 1 d-u . „ö<r0 1 ö5«
A Cl-c*da 1 ö3tc - _ ^ 9tr0 1
e2 o: e2 ör oz e% ot-
Die hier entwickelte Theorie der Dielectrica schliesst
sich den von Faraday herrührenden und von Maxwell
mathematisch durchgeführten Vorstellungen an. Sie bietet
eine sehr durchsichtige Auffassung der Uebertragung elec-
trischer Energie. Ein electrisch geladener Körper ist ein
solcher, der das umgehende Medium in einen Zustand der
Spannung versetzt. Ist der Körper nicht gleichzeitig durch-
strömt, so geht überhaupt nichts in ihm vor, der electro-
statische Vorgang findet (wie . besonders Maxwell scharf
hervorhebt) im wesentlichen nur im Dielectricum statt. Nen-
nen wir einen Körper positiv electrisch, der das umgebende
Medium verdünnt, negativ einen, der es verdichtet. Die Ver-
dünnung (bez. Verdichtung) <t ist der Entfernung r vom
Leiter umgekehrt proportional und direct proportional dem
„Gefälle" an der Leiteroberfläche, d. h. dem Differential-
quotienten = —\jAn*dajdn. Dieses Gefälle stellt die elec-
trische Dichtigkeit, die Verdünnung das electrische Potential
dar. Ein positiv electrischer Körper hat ein positives Ge-
fälle, da er den umgebenden Aether verdünnt, und diese* Ver-
dünnung nach dem Unendlichen hin zu 0 abnimmt. In der
Umgebung eines solchen positiven Körpers herrscht also
überall positives Gefälle in der Richtung vom Körper fort,
negatives in der entgegengesetzten. Ein zweiter Leiter wird
daher an der dem ersten zugewandten Seite negatives, an der
abgewandten positives Gefälle besitzen und demgemäss elec-
trisch influirt sein.
Die electrische Anziehung und Abstossung erfordert die
Annahme, dass an der Leiteroberfläche eine beschleunigende
Kraft auf die Molecüle des Leiters wie auf materielle Punkte
übertragen wird, deren Componenten sind:
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G. Helm. 175
1 da der _ ^ SL C t± dg _L . °° e f fl ([g
An'dn dx~ eidxJ~r Sf Tn dn' dif ~ *l dyJ r '
dv d_ Cej_j
Schliesslich sei bemerkt, dass nach Formel (7) (abwei-
chend von dem Maxwell'schen Ergebniss) die Dielectricitäts-
constante l + 47rÄ"nur dann dem Quadrate des Brechungs-
index proportional ist, wenn in allen Medien die Fortpflan-
zungsgeschwindigkeit für Longitudinalwellen die gleiche ist.
Ob dies der Fall, kann daher durch Vergleichung der
Diele ctricitätsconstante und des Brechungsindex experimentell
entschieden werden.
Die dargelegte Auffassung der Naturerscheinungen erklärt
die sogenannten Fernewirkungen durch eine Fortpflanzung
der Energie in demselben Medium, in welchem sich die
Energie fortpflanzt, die wir als Licht und strahlende Wärme
kennen. Durch gewisse transversale Schwingungen um die
natürliche Gleichgewichtslage pflanzt der Aether die letzt-
genannten Formen der Energie fort, während die Fernewir-
kungen bedingt werden durch bleibende Verrückungen der
Aethertheile in eine neue, die betreffende Fernewirkung
charakterisirende Gleichgewichtslage. Der Uebergang aus
einer Gleichgewichtslage in die andere wird durch Trans-
versal- und Longitudinalschwingungen herbeigeführt.
In ihrem hier dargelegten Stadium ist unsere Auffas-
sungsweise noch eine mangelhafte, sie ist nach zwei Rich-
tungen hin weiterer Entwickelung bedürftig. Die pondero-
motorischen Wirkungen müssen auch nach obiger Darlegung
noch durch so viel Receptionshypothesen erklärt werden, als
es verschiedene Arten solcher Fernewirkungen gibt. Auch
muss hypothetisch angenommen werden, dass sich die Mole-
cüle wie materielle Punkte nach den Axiomen der Mechanik
bewegen. Ein tieferes Eindringen in die Mechanik des
Aethers dürfte eine Verminderung der Anzahl dieser Hypo-
thesen herbeiführen. Ferner erübrigt es, die molecularen
Vorgänge der dargelegten Auffassung zu unterwerfen. Eine
flüchtige Betrachtung einzelner derselben lässt erwarten, dass
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176
A. Paalzow.
für ihre Erklärung gerade die Mechanik des Aet
von besonderem Werthe erweisen wird. Dabei
eine Erweiterung unserer Principien nöthig mache
noch radiale Schwingungen der Molecüle, bei denen
Volumen periodisch ändert, heranzuziehen sind.
Aber in dem jetzigen Stadium bereits scheinen
vorgetragenen Anschauungen ein erhebliches Stück d
der mathematischen Physik näher zu führen: alle
tiven Unterschiede der Materie auf Unterschiede
wegungszustandes zu reduciren. Denn meine D
zeigt, dass zur Erklärung der Fernewirkungen und d
lung nur die Annahme eines einzigen Stoffes (des Aethe
derlich ist, d. h. dass für diese Erscheinungen alle Q
die man einem Stoffe zuschreiben kann, einflusslos sin
der einen, dass er sich bewegt, oder dass im Begriff
nichts anderes gedacht zu werden braucht, als „das Bew
XII. Bemerkung zu der Abhandlung
Heber ein neues Volumenometer1) ; vonA. Tat
Herr Dr. v. Baumhauer schreibt mir, dass er ii
Archiv. Neerland. III. p. 385. 1868 ein Volumenom
schrieben habe, welches dem meinigen identisch glq|
Ich habe weder die Beschreibung noch das Ins
selbst gekannt, finde auch in den Fortschritten der
keinen Bericht darüber.
Herr Dr. v. Baumhauer, der mir jetzt einen
seiner Beschreibung zusendet, sagt von dem betreffen
strument selbst, dass es dem von Regnault cons
ähnlich sei. Ich kann ihm daher nur die Priorität i
auf die Anwendung des Kautschukschlauches zuer
was ich hiermit gern thue.
Selbst wenn ich das Instrument gekannt hätte,
ich keinen Anstand genommen haben, auch das mi
dem Rüdorff'schen ähnliche, zu beschreiben, da ich
quemer finde, und das schon vor Jahren construirt
auf Wunsch einiger Collegen, die es sich angeschafft
zu publiciren.
1) Paalzow, Wied. Ann. 13. p. 332. 1881.
Druck Ton Metzger & Witt ig in Leipzig.
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Tan
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iinü Kid. 10 II ,Ane.„
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. . * \ -
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1881. A H N A L E N Jß 10.
DER PHYSIK UND CHEMIE.
NEUE FOLGE. BAND XIV.
I. Photometrische Untersuchungen über Absorption
des Lichtes in isotropen und anisotropen Medien;
von Carl Pulfrlch.
(Auszug aus der Dissertation nebst Zusätzen.)
Die ältesten Untersuchungen über die Bestimmung der
Lichtabsorption in farbigen Medien liegen uns in den Arbei-
ten von Beer1) und Glan2) vor. Dieselben beschränken
sich auf die Absorption des durch rothes Glas gegangenen
Lichtes in Salzlösungen von verschiedener Concentration.
Ausserdem besitzen wir von Bunsen und Roscoe3) Ab-
sorptionsmessungen an Lösungen von gewöhnlicher rother
Tinte und endlich solche von Zöllner4) an dunkelgrauen,
aber durchweg klaren Mischungen verschiedener Salzlösungen.
Das durch diese Arbeiten festgestellte Absorptionsgesetz,
dass das Licht bei seinem Durchgange durch jede neue
Schicht immer den gleichvielten Theil seiner Intensität ver-
liert, fand 0. Hagen6) auch für die Krystalle bestätigt
Von den neueren Untersuchungen verdienen besonders
die werthvollen und umfangreichen Arbeiten von Vier or dt6)
genannt zu werden; diese und die Messungen von Glan7),
1) Beer, Pogg. Ann. 86. p. 78. 1852.
2) Glan, Pogg. Ann. .141. p. 68. 1870.
3) Bunsen u. Roscoe, Pogg. Ann. 101. p. 247. 1857.
4) Zöllner, Pogg. Ann. 109. p. 254. 1860.
5) 0. Hagen, Pogg. Ami. 106. p. 331. 1859.
6) Vierordt, „Die Anwendung des Spectralapparates zur Messung
des farbigen Lichtes", Tüb. 1871. „Die Anw. etc. zur Photometrie der
Absorptionsspectren", Tüb. 1873. „Die Anw. etc. in der quantitativen
Analyse", Tüb. 1876.
7) Glan, Wied. Ann. 8. p. 54. 1878.
Ann. <L Phys. u. Chem. N. F. XIV. 12
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178
C Pulfrich.
Gouy, Trannin, Govi, Hüfner und Anderen dehnen sich
auf Licht von verschiedener Wellenlänge aus.
In der vorliegenden Arbeit habe ich mir die Aufgabe |
gestellt, genaue Messungen der Absorptionscurven einiger
farbiger Medien auszuführen. Die Arbeit zerfällt in vier
Theile; im ersten gebe ich das angewandte Beobachtungs-
verfahren, im zweiten und dritten die Ergebnisse der Beob-
achtungen und werde mich endlich im vierten Theile auf
einen Vergleich der Ketteler'schen Dispersionstheorie mit
meinen Beobachtungen einlassen.
Die experimentellen Untersuchungen geschahen in dem
hiesigen Cabinet unter der gütigen Leitung und Beaufsich-
tigung des Hrn. Prof. Dr. Ed. Ketteier, wofür ich ihm
auch an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank ausspreche.
L Das Beobachtungsverfahren.
1) Die benutzten Apparate. Für die Untersuchungen
standen mir die beiden Spectrophotometer von Vierordt1)
und Glan2) zur Verfügung, und zwar das erstere in seiner
einfachsten ursprünglichen Gestalt mit nur zwei beweglichen
Platten; das letztere ist von Schmidt und Haensch in
Berlin verfertigt. Der Vierordt'sche Apparat hat jedoch nnr
in einem Falle Verwendung gefunden. Im Uebrigen sind die
mitgetheilten Beobachtungen alle mit dem Glan'schen Pho-
tometer angestellt worden.
Das Princip, auf welchem dieser Apparat basirt3), ist
wie dessen Behandlung hinlänglich bekannt, und bedarf nur
das benutzte Exemplar einer kurzen Besprechung. Während
beim Vierordt'schen Photometer der Quotient der Spalt-
breiten das Verhältniss der übrig bleibenden Lichtmenge (is)
zur ursprünglichen (=1) misst4), wird bekanntlich beimGlan'-
schen Photometer ^ gefunden nach folgender Formel:
1) a. a. 0. Tüb. 1873.
2) Glan, Wied. Ann. 1. p. 851. 1877.
3) H. C. Vogel hat (Berl. Monatsber. p. 104. 1877) den GWschen
Apparat mit einigen Aenderungcn zu astro-physikalischeu Zwecken ver-
wandt.
4) Ein directer Vergleich der beiden Apparate ergab für geringe und
mittlere Absorptionen Gleichheit der nach den verschiedenen Methoden
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C. Pulfrich
179
h = J ctSJ" = tg2«' .ctg2«,
wo a den Winkel bedeutet, um den das Nicol bis zur Gleich-
heit der beiden Spectren gedreht werden muss, von der Stelle
aus gerechnet, wo das ordentliche Bild verschwindet.1) ax und
a sind zwei Coefficienten, welche die Schwächung der beiden
Lichtbündel im Apparate selbst bezeichnen und dement-
sprechend ist d der zur Erhaltung gleicher Helligkeit nöthige
Drehungswinkel bei gleich beleuchteten Spalten.
Zum Zwecke der Erreichung einer möglichst gleichen
Beleuchtung wurde der Apparat zuerst mittelst einer Libelle
auf seine horizontale Stellung geprüft und dann die Licht-
quelle mit dem Spalte in gleiche Höhe gebracht. Für den
speciellen Fall, dass a^a, wird « = 45°; und dieser Werth
resultirte auch in den meisten Fällen, a wurde vor und
nach einer jeden Versuchsreihe sorgfältig bestimmt. Machte
sich während derselben für die als Lichtquelle benutzte
Petroleumflamme eine langsame Aenderung des Winkels d
bemerkbar, so wurde für die intermediären Punkte passend
interpolirt. — Es ergab sich ferner der Winkel u für alle
Strahlen des Spectrums gleich. Nur im äussersten Roth
(bei Beginn der calorischen Strahlen) trat eine geringe Ab-
weichung ein. Die Ursache dieses letzteren Umstandes
dürfte wohl in einer ungleichen Emissionsfähigkeit der beiden
um die Breite des vorderen Plättchens voneinander abstehen-
den Flammenpartie en zu suchen sein.
Es sei hier gleich bemerkt, dass bei Drehungen des
Nicols sich eine Verschiebung2) des Spectrums gegen die
bestimmten Werthe t.; für stärkere Absorptionen jedoch fielen die nach
Vieror dt gefundenen L bedeutend grösser aus. Gerade da, wo das Vier-
ordt'sche Photometer in seiner vorliegenden Gestalt seine Dienste ver-
sagte, entwickelte das Glan'sche erst recht seine Leistungsfähigkeit. —
Im Uebrigen wird der Vierordt'sche Apparat überall da brauchbar sein,
wo die Ab8orptionscurve keine zu starken Krümmungen zeigt.
1) Zur Bestimmung dieses Punktes, welcher für das benutete Exemplar
bei + 0°16' liegend gefunden wurde, beobachtete ich mit Erfolg das
Verschwinden des Na- und Li-Lichtes. Dabei war die untere Hälfte des
weit geöffneten Doppelspaltes durch einen Schirm verdeckt
•2) Wegen mangelnden Parallelismus der Endflächen des Polarisations-
prismas; vgl. Glan, Pflüger's Archiv. 24« p. 320. 1881.
12*
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180
C. Pulfrich.
Scala bemerkbar machte. Bis zu 90° ist sie ungefähr gleich
1 Seal entheil dem rothen Ende des Spectrums' zu. Die
abgelesenen Drehungswinkel (ich beschränkte mich auf den
L Quadranten) gehören also zu mehr oder minder nach Blau
verschobenen Wellenlängen. Insbesondere tritt dies im Roth
stark hervor. Bei den weiter unten folgenden Beobachtungs-
reihen ist dieser lästige Umstand unberücksichtigt geblieben;
nur bei den Turmalinen (p. 199) habe ich, wegen der Eigen-
tümlichkeit der Absorptionscurven dieser Krystalle, die Cor-
rection auf eine dort angedeutete Weise vorgenommen.
Immerhin erleiden die übrigen Curven, wo dieselbe unter-
blieben ist, nur geringe Verschiebungen nach Blau. Jedoch
ist klar, dass dieser Umstand eine wesentliche Rolle bei der
Beurtheilung der Quotienten Q in den weiter unten folgen-
den Tabellen spielt.1)
Infolge der verschiedenen ordinären wie extraordinären
Dispersion des Kalkspaths war eine scharfe Berührung der
beiden Spectren nur für eine Farbe möglich. Um sie für
jeden beliebigen Spectralbezirk herzustellen, musste die Lage
des Collimatorspaltes etwas geändert und demzufolge das
Fernrohr von neuem eingestellt werden. Letzteres hatte nun
aber ein Undeutlichwerden der Scala zur Folge; dieselbe
zeigte bei Bewegungen des Auges nicht unbeträchtliche Ver-
schiebungen gegen die Ocularblende. Es gab dieser Um-
stand leicht zu Fehlern in der Ablesung von Scalentheilen
(resp. X) Anlass. Um dies in etwas wenigstens zu vermeiden,
wurde (bei Messungen über einen nicht zu grossen Spectral-
bezirk) die Stellung der Scala zum Fernrohr so regulirt,
dass für die Mitte des betreffenden Feldes Ocularblende,
Scala und Spectrum deutlich erschienen und keine Parallaxe
zeigten.2)
1) Wollte man das Nicol nicht, wie bei dem benutzten Exemplar, am
Collimatorrohr , sondern am Ende des Fernrohrs anbringen, so würden
jetzt die Scalentheile genau die gleiche Verschiebung erhalten bei Dreh-
ungen des Nicols, wie das Spectrum.
2) Sehr zweckmässig erscheint mir das jüngst von einem französi-
schen Physiker in Anwendung gebrachte Verfahren, das Plättchen am
Spalte durch einen schmalen, verschiebbaren Keil zu ersetzen. Zweck
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a Pulfrich.
181
2) Lichtquellen. Als solche wurden benutzt Dru-
mond'sches Kalklicht und schliesslich wegen der grösseren
Constanz Petroleumlicht.1) Jeder Tabelle ist die jeweils be-
nutzte Lichtquelle beigeschrieben.
In allen Fällen war durch Linsen von ziemlicher Brenn-
weite bewirkt, dass parallele Lichtstrahlen vertical auffielen.
Die Flamme (bis zu 0,75 m vom Spalte entfernt) war von
einem Kasten umschlossen, welcher nur Licht zum Photo-
meter durchliess. Hier war wiederum durch aufgestellte
schwarze Schirme und dem Collimatorrohre umgehängte
Tücher dem auffallenden Lichte jeder andere Weg als allein
durch den Apparat versperrt. Im Augenblicke der Messung
herrschte vollständige Dunkelheit der Umgebung.2) Hervor-
zuheben ist, dass ich das rechte Auge nur zur Einstellung
auf Gleichheit der beiden Spectralfelder benutzte. Bei den
übrigen Ablesungen und Notirungen war es stets mit einem
Tuche verbunden.
3) Herstellung der Absorptionsgefässe. Um die
Lichtschwächung durch Reflexion zu vermeiden, benutzte ich,
so weit es sich um Flüssigkeiten handelte, zuerst folgendes
Gefäss. Durch Combination dreier homogener, planparalleler
Glasplatten wurde ein zur Aufnahme der Flüssigkeit be-
stimmter Hohlraum hergestellt. Zwei waren aus derselben
Glasscheibe geschnitten und stiessen mit ihren scharfen
Schnittflächen genau aneinander; die dritte, grössere, bildete
und Nutzen hiervon liegen klar auf der Hand. Zunächst werden die zur
genauen Einstellung notwendigen Verrückungen am Collimatorrohre und
Fernrohre illusorisch, indem die scharfe Berührung der beiden Spectren
durch einfaches Hin- und Herschieben des Keiles erreicht wird. Ausser-
dem kommen eventuelle Verschiebungen von Scala und Farbe (die frei-
lich bei meinem Apparate nicht auftraten), vor allem aber das oben ge-
zeichnete Undeutlichwerden der Scala vollständig in Wegfall. Dem Ex-
periment bleibt dann noch die Entscheidung überlassen, ob der Umstand,
dass nun theils andere Flammenparthieen zur Vergleichung kommen, von
störendem Einfluss sein kann.
1) Nach Zöllner bewahrt die Flamme ihre Constanz 1 bis 2 Stun-
den hindurch.
2) Ueber die Vorsichtsmassregeln siehe Vierordt a. a. 0.; ferner
Helmholtz, „Physiologische Optik" und endlich Vogel, „Spectralana-
lyse".
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182
C. Pulfrich.
die Rückseite des Gefässes. Es entstand so eine Doppel-
schicht, bestehend aus einer unteren und einer genau sich
daran anschliessenden oberen Schicht; die Dicke der letzte-
ren konnte mittelst zwischen gelegter Messingstreifen variirt
werden. Die hierdurch hervorgerufene Dickendifferenz $ (der
Einfluss der Reflexion ungleich geschwächter Lichtbündel
an der hinteren Glasfläche möge vernachlässigt werden) bil-
dete somit die wirksame Schicht; sie wurde mit einem sehr
feinen Sphärometer (500theilig, 1 Theil =0,000 856 mm) ge-
messen. — Jedoch ist dieses Gefäss nur bei den Vorver-
suchen und den in Tab. II niedergelegten Beobachtungen be-
nutzt worden. Mängel bezüglich der aneinander stossenden
Schnittflächen obiger Glasplatten machten es namentlich für
den Vierordt'schen Apparat wenig brauchbar. Bei allen fol-
genden Versuchen benutzte ich das sog. Schulz'sche Gefäss1).
Die obere, genau horizontal zu stellende Fläche des in die Zelle
eingetauchten Glaskörpers projicirt sich auf dem Spalte als
haarscharfe Linie. Auch liegt nicht, wie es bei den obigen
Gefässen (dieselben werden bei der Messung durch das Sphä-
rometer mehr oder weniger zusammengepresst) der Fall ist,
die Gefahr einer Aenderung der wirksamen Schicht vor.
4) Bestimmung der Wellenlängen. — Behand-
lung des Ocularsp altes. Zur Uebertragung der Scalen-
theile in Wellenlängen wählte ich den Weg der graphischen
Darstellung. Zu dem Ende wurden etwa löFraunhofer'sche
Linien, die bekannten Spectrallinien der Salze K, Li, Na,
Ca, Ba, Tl, Sr und die drei Wasser stofflinien Ha, Hß und
Hr in die Scala eingezeichnet; die ihnen zukommenden Wellen-
längen wurden dann nach den Messungen von Thalen
und Sieben als Ordinaten aufgetragen. Die in sehr grossem
Maassstabe ausgeführte Zeichnung gestattete für jeden Theil-
strich der Scala die zugehörige Wellenlänge bis auf wenige
Einheiten der 4. Decimale genau abzulesen, eine für meine
Zwecke hinreichende Genauigkeit. Vor und nach einer jeden
Versuchsreihe wurde die Lage der Na-Linie, welche stets
auf 170 der Glan'schen Scala stand, genau revidirt. Tab. I
1) II. W. Vogel, Spectralanalyae, p. 342.
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C. Pulfrich.
183
gibt einige Scalentheile nebst den dazu gehörigen Wellen-
längen L — Der Ocularspalt hatte gewöhnlich die Breite
eines Scalentheiles. Doch musste dieselbe je nach dem ge-
wählten Spectralbezirk, resp. der Steigung der Absorptions-
curve, entsprechend variirt werden. Auch erwies es sich als
zweckmassig, im Blau den Spalt auf das Zwei- bis Dreifache
zu verbreitern.
Wellenlängen. . Tab. L
Sc.
Sc. X
Sc.
1 » 1
1 Sc.
L1
130
135
140
145
150
0,7520
0,7255
0,7009
0,6782
0,6572
155 0,6379
160 0,6201
165 1 0,6038
170 0,5889
175 0,5755
180
185
190
195
200
0,5630
0,5514
0,5407
0,5307
0.5212
210
220
230
240
250
0,5037
0,4881
0,4741
0,4609
0,4498
5) Berechnung der Extinctionscoefficienten aus
den Lichtmengen ib. Durch Absorption wird die Amplitude
der in das ponderable Mittel eindringenden Schwingungen ver-
mindert. Denken wir uns das Mittel in unendlich viele und dünne
Schichten von der Breite Jb zerlegt und machen ferner die An-
nahme, dass die Abnahme der Excursion dem durchlaufenen
Wege Ah und dem Amplitudenwerth A beim Eintritt in die
Schicht proportional sei, so ergibt die Entwickelung für den
Endwerth der Amplitude Av nach dem Durchgange durch
eine endliche Schicht von der Dicke $, die Exponential-
function :
A* — A.e
— «•8
Hierin ist e die Basis des natürlichen Logarithmensystems.
x bedeutet die Absorptionsconstante, welche mit dem Ex-
tinctionscoefficienten b/X durch die Gleichung:
2nb A - "
l *' X ~ 2n
verknüpft ist. Ersetzt man nun das Quadrat der Amplitu-
den durch die bezüglichen Lichtintensitäten, so ergibt sich
(die Anfangswerthe A und i gleich 1 gesetzt):
h - H S
unter M den Modulus des natürlichen Logarithmensystems
verstanden. A und 5 werden beide durch 1 mm als Einheit
gemessen.
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184
C. Pulfrich
II. Untersuchung farbiger Flüssigkeiten.
Cyanin in Alkohol. Cyanin zeigt, in Alkohol gelöst,
einen nahezu symmetrischen Absorptionsstreifen bei der
Fraunhofer'schen Linie Z>; die Absorption nimmt dem blauen
Ende des Spectrums zu etwas langsamer ab.
Das benutzte Cyanin stammt aus der Fabrik von Kahl-
baum in Berlin. " Zur Bestimmung der Concentration diente
eine in 0,20 ccm getheilte Glasröhre. Tab. II p. 185 gibt die
für eine Keihe von alkoholischen Cyaninlösungen ((7=1 bis
C m gefundenen Extinctionscoefficienten e. Die Dicke
der wirksamen Schicht war für sämmtliche Concentrationen
l = 1,044 mm. Die erste Verticalcolumne der Tab. II ent-
hält die Scalentheile des Glan'schen Apparates, die zweite
die zugehörigen Wellenlängen in Tausendstel Millimetern ange-
geben. Bei den gegebenen Versuchsbedingungen wurden die
mittleren Partieen des Absorptionsstreifens erst durch allmäh-
liche Verdünnung zugänglich. Immerhin ist der Verlauf der
Curven ganz interessant.
Mittelst eines feinen Meyerstein'schen Spectrometers
wurde die mittlere Wellenlänge Xm für sämmtliche Concen-
trationen bestimmt. Die gefundenen Werthe stehen am
Schluss von jeder Verticalcolumne. Ich lege auf diese Zahlen
zwar wenig Gewicht; sie zeigen aber deutlich, wie sich die
scheinbare Mitte des Absorptionsstreifens mit abnehmender
Concentration dem rothen Ende zu verschiebt. Es ist dieses
der Unsymmetrie des Absorptionsstreifens zuzuschreiben; von
einer eigentlichen Verschiebung mit wechselnder Concentra-
tion kann natürlich nicht die Eede sein. Die gleiche Er-
scheinung tritt ein, wenn bei Anwendung derselben Lösung
die durchstrahlte Schicht variirt wird, während dasjenige h
welches dem Maximum der Absorption entspricht, keine Ver-
schiebungen erleidet.
Die Temperatur schwankte während einer Versuchsreihe
zwischen 17 und 21° C. Innerhalb dieser Grenzen trat
keine merkliche Einwirkung der Temperatur auf Absorption
zu Tage. Die Verdunstung des Alkohols war bei der schma-
len Berührungsfläche der Flüssigkeit mit der Luft eine
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C. PitlfricL
185
geringe; sie wurde durch einen aufgelegten Deckel auf ein
Minimum beschränkt.1)
Für jeden gewählten Spectralbezirk wurden mindestens
drei Einzelmessungen gemacht und daraus das Mittel ge-
nommen. Nach Beendigung einer Versuchsreihe, die in der
Reihenfolge vom rothen zum blauen Ende des Spectrums ge-
schah, wurden rückwärts einige Controlbestimmungen gemacht.
Cyanin in Alkohol.
Kalklicht. 8 = 1,044 mm. Tab. II (s. Taf. III Fig. 1 l2).
Sc.
k :
Conc.
= 1
Conc.
Conc. Conc.
Conc Conc. Conc.
— 1
1«
_ 1
32
= '/..
6 =
k
5 =
b
k
6 =
b
k
E =
b
k
h =
£ -
b
I.
140
144
146,5
148,5
150
152
155
157,5
160
162
172
175
177,5
ISO
182,5
ls.~>
187,5
190
192,5
195
200
205
210
215
220
225
230
240
260
0,7009
0,6827
0,6719
0,6635
0,6572
0,6495
0,6379
0,6290
0,6201
0,6136
0,5836
0,5755
0,5692
0,5630
0,5572
0,5514
0,5460
0,5407
0,5357
0,5307
0,5212
0,5122
0,5037
0,4957
0,4881
0,4809
0,4741
0,4609
0,4387
0,0015
0,0273
0,0489
0,0898
0,0120
0,02*6
0,0487
0,0910
0.00*50
(),O160
0,0266
0.0413
0,0*45
0,0097
0.0169
0,0250
0,0492
0,1314
0,0035
0,0091
0,0145
0,0283
0,0747
0,1391
0,2790
0,1990
0,2162
0,1252
0,1605
0,0964
0,1156
0,01500
0,0879
0,0379
0,0332
0,0135
0,0073
5715 5740
0,1830
0.1231
0.0837
0,0549
0,0334
0.0220
0,0135
0.2*35
0.2201
0,lf>94
0,1423
0.1068
0,0630
0,0392
0^0238
0,0139
0,1709
0,1503
0,1140
0,0905
0,0816
0.0442
0,0260
0,0200
0,0030
0,0066
0,01*8
0,0423
0.0796
0,1520
0,2421
0,1*54
0.1499
0.1240
0,1043
0,0855
0,0711
0,0572
0,0406
0,0349
0,0220
0,0162
0,0080
0,0015
0,0053
0.0148
0,0314
0,0650
0,1000
0,0762
0,0643
0,0500
0,0424
0,0370
0,0330
0,0247
0,0150
0,0097
0,0063
;.ot= 0,000 mm| 571 1
5781
5808 5839 5864
588«)
1) Bei leicht flüchtigen Lösungsmitteln (siehe weiter unten Schwefel-
kohlenstoff und Chloroform) wurde direct nach Füllung des Gcfässes ein
passender Deckel sorgfaltig aufgekittet.
2) Zur Erläuterung dieser und der folgenden Figuren, welche die be-
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186
C. Pulfrich
Im Anschluss hieran lasse ich eine Tabelle folgen, wel-
che zwei sehr dünne Cyaninlösungen umfasst. Ausser den
Werthen e sind noch die gefundenen Drehungswinkel a {ccf
ist ebenfalls angegeben) und die übrig bleibenden Licht-
mengen ih verzeichnet, In der letzten Columne stehen die
Quotienten Q der Extinctionscoefficienten. Ich wandte ein
dem Glan'schen Apparate beigegebenes Schulisches Ab-
sorptionsgefäss an; die Dickenditferenz der beiden Schichten
(Dicke des Glaskörpers) war $ = 9,901 mm. Als Lichtquelle
diente hier und bei den folgenden Versuchen eine gewöhn-
liche Petroleumlampe mit Rundbrenner. Bei einiger Uebung
Cyanin in Alkohol.
Petroleum licht.
j% —
Q
= 9,901
mm.
Tab. III (s. Taf. III F
ig. 1 2.
I. Versuchsreihe
n. v
ersuehsreihe
Sc.
l :
a
= 44° 22'; lm =
= 0,590
u
= 43° 55'; lm-
= 0,590
Q
•
h
■
h
b
B=T
rt
1 "7
152
0,6495
45«
» r
0,945
0,0004
45° 15'
0,911
■ ■■ "
0,0007
1,75
157
0,6308
47
40
0,794
0,0018
49
39
0,669
0,0032
1,77
159,5
0,6219
52
10
0,577
0,0044
56
55
0,394
0,0075
1,70
162
0,6136
58
58
0,346
0,0085
68
3
0,151
0,0152
1,78
164
0,6071
65
3
0,207
0,0127
ff C
l D
42
0,0602
0,0226
1,78
167
0,5979
72
5
0,100
0,0185
81
32
0,0205
0,0312
1,69
1,72
169
0,5920
73
26
0,0846
0,0199
83
0,0140
0,0343
172
0,5836
72
23
0,0965
0,0188
81
55
0,0187
0,0320
1,70
173,5
0,5795
70
2
0,126
0,0166
79
32
0,0317
0,0277
1,67
176,5
0,5717
65
15
0,203
0,0128
74
53
0,0676
0,0216
1,69
179
0,5655
61
17
0,287
0,0100
70
25
0,118
0,167
0,0172
1,72
181,5
0,5595
59
2
0,344
0,0086
67
3
0,0144
1,67
186,5
0,5482
55
16
0,460
0,0062
61
29
0,274
0,0104
1,68
191
0,5387
52
38
0,558
0,0047
191,5
0,5377
52
15
0,574
0,0045
55
41*
0,432
0,0068
1,51
196
0,5288
49
36
0,693
0,0029
51
*
0,608
0,0040
1,40
201
0,5194
47
58
0,778
0,0020
48
40*
0,717
0,0027
1,35
205
0,5122
46
50
0,841
0,0013
47
15*
0,792
0,0019
1,45
210
0,5037
46
3
0,888
0,0009
obachteten Absorptionscurven darstellen, möge Folgendes dienen. Bei den
Abscissen A entspricht eine Einheit der dritten Dec. */, mm der Zeich-
nung. Zur leichteren Orientirung sind die Ziffern einiger Scalentheile bei-
geschrieben. Bei den Ordinaten e ist in den Figuren 1 1, 1 3, 1 4, 1 6, 1 7 u. 1 9
Taf. III eine Einheit der 3. Dec. gleich 2, 3 mm der Zeichnung. Die Ordi-
naten der Fig. 1 i sind wie die der Figuren 1 8, in zehnfach kleinerem
Massstabe aufgetragen worden.
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C. Pulfrich.
187
gelangte ich zuletzt dazu, den Winkel a in allen Theilen des
Spectrums bis auf 5 — 7 Minuten genau zu bestimmen; erst
im blauen Theile stiegen die Beobachtungsfehler bis zu
30 Minuten, ja im letzten Blau und Violett bis zu 1 bis 2
Grad an.
Ein Fehler von 10 Minuten in der Bestimmung von u
hat nun aber für mittlere Absorptionen in der Grösse i%
eine Ungenauigkeit von 5 bis 6 Einheiten der dritten Deci-
male zur Folge. Für geringe Absorptionen stellt sich der
Genauigkeitsgrad für is bedeutend geringer, für starke hin-
gegen bedeutend höher (vgL die Werthe \ und a in Tab. III
und den folgenden). Für die Extinctionscoefficienten e macht
sich die Sache so, dass die letzte Ziffer der hingeschriebe-
nen "Werthe um höchstens zwei Einheiten unsicher ausfallt.
Dieser Genauigkeitsgrad gilt für Tab. ELI und alle folgenden
Versuchsreihen, wo das obige Absorptionsgefäss(ä= 9,901mm)
benutzt worden ist.
Die in Tab II (p. 185) verzeichneten Extinctionscoeffi-
cienten haben einen geringeren Grad von Genauigkeit, einer-
seits wegen Anwendung des Kalklichtes und andererseits
wegen der dort angegebenen, sehr geringen Dickendifferenz 5.
Derselbe wird nochbesonders durch den p. 180 erwähnten Um-
stand herabgedrückt. Ich habe deshalb auch in Bezug auf
Tab. II darauf verzichtet, die bezüglichen Quotienten Q hin-
zuzuschreiben. Die Quotienten Q der Tab. III sind selbst-
verständlich innerhalb der Beobachtungsfehler gleich.1) Der
Mittelwerth sämmtlicher, mit Ausschlus der vier letzten, ist
1,717.
Uebermangansaures Kali. Das Absorptionsspectrum
dieses Salzes, welches in sehr starker Verdünnung fünf selb-
ständige Streifen zeigt, von D bis ungefähr F} ist photo-
metrisch schon von Vierordt2) untersucht worden. In den
Regionen stärkerer Absorption musste jedoch Vierordt wegen
der Unbrauchbarkeit seines Apparates für sehr starke Ab-
1) Vgl. p. 180 oben.
2) Vierordt, Die Anwendung des Spectralapparates etc. p. 101.
Tüb. 1873.
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188
C. Pulfrich.
Sorptionen1), die Lösungen immer mehr verdünnen (Conc.
1, Yi un& Ys)* ^-us ^en gefundenen Extinctionscoeffi-
cienten leitete dann Vierordt das Absorptionsverhältniss
/ Co^entmtion \ ^ ^ ^ ^ ^ dem GWschen
\ Extmcüonscoerncient/
Photometer zwei wässerige Lösungen (Conc. 1 und von
übermangansaurem Kali untersucht. Die Kesultate stehen
in Tab. IV. Die letzte, mit Q überschriebene Columne gibt
die Quotienten der zusammengehörigen Extinctionscoeffi-
cienten. Die Bedeutung der übrigen Columnen ist dieselbe
wie in Tab. III.
Ue bemiaiigansaures Kali.
Petroleumlicht. 3 = 9,901 mm. Tab. IV (s. Taf.III Fig. 1 3).
Concentration 1
Concentration V*
«
'=45° 5'
a
'= 45° 5'
Q
Sc.
k :
1
•
*
b
b
«
E=T
€=T
49°
35'
0,730
0,0025
46° 5'
0,933
0,0005
0,0008
o,uu
1 tt.K
U,OUoO
52
5
0,610
0,0040
46
35
0,901
«\ nn
o,uu
170
0,5889
56
24
0,444
0,0065
47
25
0,850
0,0013
5,00
175
0,5755
74
33
0,0767
0,0206
51
45
0,626
0,0038
5,32
177
0,5705
78
45
0,0398
0,0259
53
55
0,534
0,0050
5,18 I
180
0,5630
79
50
0,0323
0,0276
54
0,531
0,0051
5,41
183
0,5560
84
0,0111
0,0361
54
32
0,509
0,0054
6,66
185
0,5514
85
45
0,0055
0,0418
57
38
0,404
0,0073
5,73
187
0,5471
86
30
0,0038
0,0448
59
50
0,340
0,0087
5,15 II
5,27
190
0,5407
85
52
0,0052
0,0422
58
42
0,372
0,0080
193
0,5347
85
55
0,0051
0,0424
57
47
0,400
0,0074
5,73
195
0,5307
86
23
0,0040
0,0444
58
57
0,365
0^0081
5,48
198
0,5250
86
29
0,0038
0,0447
59
41
0,344
0,0086
5,18 m
200
0,5212
85
38
0,0059
0,0414
58
32
0,377
0,0078
5,31
5,57
203
0,5158
83
10
0,0145
0,0340
55
42
0,469
0,0061
206
0,5105
83
0,0151
0,0337
55
50
0,463
0,0062
5,44
209
0,5054
83
22
0,0136
0,0346
55
52
0,462
0,0062
5,58 IV
212
0,5005
79
15
0,0363
0,0267
215
0,4957
76
2
0,0622
0,0223
52
5
0,610
0,0040
5,56
217
0,4927
74
27
0,0780
0,0205
218
0,4911
73
44
0,0857
0,0198
:
- V
220
0,4881
73
0,0940
0,0190
52
35
0,589
0,0043
4,42
223
0,4838
71
15
0,116
0,0173
225
0,4809
66
43
0,186
0,0135
49
0,746
0,0024
5,63
230
0,4741
63
5
0,259
0,0109
240
0,4609
54
47
0,501
0,0056
46
52
0,882
0,0010
5,60
250
0,4493
50
35
0,679
0,0031
-
1) Der kleinste Werth, welcher bei Vierordt (a. a. O.) für L vor-
kommt, ist t = 0,033; in der Tab. V ist der kleinste Werth »s= 0,0038;
vgl. ferner die in Tab. IX etc. vorkommenden Werthe t"3
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C. Pulfrich.
189
Die Tabelle zeigt deutlich die fünf Absorptionsmaxima.
Numerirt man dieselben in ihrer Reihenfolge von Roth
nach Blau mit I, II,. . V, so ergeben sich II und III als
ziemlich gleich, dann folgt abwärts IV, I und endlich V.
Die gleiche Reihenfolge findet Vi er or dt; bei ihm ist III
etwas grösser als II.
Aus den neueren Untersuchungen Gl an' s *) geht hervor,
dass die Abhängigkeit der Absorption von der Dichtigkeit
— bei gleicher durchstrahlter Masse — des absorbirenden
Körpers, wenn überhaupt vorhanden, jedenfalls sehr gering
sein muss. Es ist deshalb der Mittelwerth von Q (= 5,39)
identisch mit dem Concentrationsverhältniss. Die Abwei-
chungen sind einfache Beobachtungsfehler.
Ueber Verschiebungen von Absorptionsstreifen,
welche ein Farbstoff zeigt, wenn derselbe in verschiedenen
Lösungsmitteln gelöst wird, haben vielfach Kundt, Hagen-
bach u. A. experimentirt. Es gab zu den folgenden Ver-
suchen der Gedanke Anlass, zu erfahren, ob nicht viel-
leicht neben der Verschiebung auch Aenderungen in der
Gestalt oder Intensität des Absorptionsstreifens eintreten
würden.
Ich untersuchte Cyanin in Alkohol2), Terpentinöl,
Chloroform und Schwefelkohlenstoff (s. Tab. V p. 190),
und ferner Anilinblau in Wasser und Alkohol (s. Tab.
VI p. 191).
Um gleiche Dichtigkeit des Farbstoffs zu erzielen, fügte
ich zu je 10 ccm des betreffenden Lösungsmittels immer
fünf gleiche Tropfen der alkoholischen Cyaninlösung , resp.
der wässerigen von Anilinblau. In Beziehung auf die Ter-
pentinöl- und Schwefelkohlenstofflösungen verdient bemerkt
zu werden, dass beide schon am Tage nach ihrer Herstel-
lung ihre Farbe verloren hatten und durchsichtig geworden
waren.
1) Glan, Wied. Ann. 8. p. 54. 1878.
2) Diese Reihe ist identisch mit der Versuchsreihe II in Tab. III.
Den neuen Scalentheilcn wurden durch graphisches Interpoliren die ent-
sprechenden e gegeben.
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190
C. Pulfrich.
Es ist nach diesen Zahlen die Verschiebung des Ab-
sorptionsstreifens nach Roth zu bei Cyanin mit gleichzeitiger
Abnahme, bei Anilinblau jedoch mit gleichzeitiger Zunahme
der Absorption verknüpft.1)
Fehler bezüglich der Concentration können bei der
Herstellung der Lösungen stattgefunden haben; es ist des-
halb schwer zu entscheiden, ob Dicht vielleicht hierin der
Grund für obige Abweichungen zu suchen ist.
Dieses weiter und genauer zu verfolgen, bleibt künftigen
Versuchen vorbehalten. Der Gegenstand dürfte noch eine
genaue Berücksichtigung und Prüfung verdienen.
Cyanin.
Petroleumlicht, ä = 9,901 mm. Tab. V (s. Taf. III Fig. 1 4).
C in
C m
C in
C in
Sc.
Ix
Alkohol Terpentinöl
Chloroform
Schwefelk.
h
b
b
b
6=T
fi==T
fi=sT
150
0,6572
0,0001
0,0010
0,0008
0,0021
152
0,6495
0,0004
0,0026
0,0021
0,0041
155
0,6379
0,0018
0,0057
0,0043
0,0124
157,5
0,6290
0,6201
0,0045
0,0115
0,0086
0,0183
160
0,0079
0,0185
0,0235
0,0155
0,0222
162
0,6136
0,0152
0,0194
0,0222
164
0,6071
0,0226
0,0258
0,0214
0,0200
166
0,6008
0,0289
0,0259
0,0216
0,0173
168
0,5949
0,0328
0,0239
0,0203
0,0145
170
0,5889
0,0337
0,0208
0,0172
0,0121
172
0,5836
0,0316
0,0176
0,0148
0,0103
175
0,5755
0,0246
0,0136
0,0110
0,0082
180
0,5630
0,0160
0,0092
0,0082
0,0055
185
0,5514
0,5407
0,0115
0,0067 0,0058
0,0048 | 0,0039
0,0036
0,0022
190
0,0077
0,5900
0,6050
0,6035
0,6170
1) H. W. Vogel gibt für Anilinblau in Alkohol eine hiervon etwas
abweichende Curve (siehe dessen Spectralanalyse p. 286).
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C. Pulfrich. 191
A n i 1 i u b 1 a u.
Petroleumlicht, j m 9,901 mm. Tab. VI (s. Taf. III Fig. 1 •).
A.
in Wasser
A.
in Alkohol
Sa
r
a =
44° 20'; Äw
= 0,592
t
a =
44° 15'; Xn
= 0,599
X :
•
0
■
h
a
£ BS
n
140
0,7009
.
46°
35'
0,849
0,0013
145
0,6782
47°
15'
0,815
0,0016
50
46
0,632
0,0037
150
0,6572
0,6495
52
57
0,544
0,0049
0,0064
o7
0,399
0,0074
152
55
35
0,449
60
0,317
0,0092
155
0,6379
59
35
0,330
0,0089
64
12
0,222
0,0121
157
0,6308
62
7
0,267
0,0106
66
40
0,176
0,0140
160
0,6201
0,6136
64
24
0,219
0,0122
69
_
0,140
0,0158
162
65
15
0,203
0,0128
69
50
0,128
0,0165
164
0,6071
65
58
0,190
0,0134
70
23
0.121
0,0170
166
0,6008
66
27
0,182
0,013 1
70
25
0,120
0,01 »1
168
0,5949
66
50
0,175
0,0140
70
10
0,123
0,0168
170
0,5889
0,5836
0,5755
66
50
0,175
A n« JA
0,0140
69
48
0,128
0,138
0,01 6o
172
66
27
0,182
0,013 1
69
8
0,01 o9
175
65
33
0,197
A At A4
0,0131
67
22
0,165
0,0145
180
0,5630
63
55
0,230
0,0118
64
1 3
X o
O 900
0,0121
183
0,5560
62
10
0,266
0,0106
62
8
0,265
0,0107
185
0,5514
61
11
0.289
0,0100
60
32
0,302
0,0096
188
0,5450
59
17
0,336
0,0087
58
15
0,363
0,0081
190
0,5407
58
3
0,372
0,0079
56
47
0,407
0,0072
195
0,5307
55
25
0,454
0,0063
53
10
0,534
0,0051
200
0,5212
52
52
0.548
0,0048
50
42
0,636
0,0036
205
0,5122
50
45
0,638
0,0036
49
15
0,705
0,0028
210
0,5037
49
17
0,708
0,0028
48
5
0,765
0,0022
220
0,4881
47
44
0,789
0,0019
47
7
0,820
0,0016
'230
0,4741
46
55 0,835
0,0015
46
15
0,870
0,0011
III. Untersuchung einiger dichroitischer Präparate und
Krystalle.
Veranlasst durch die freundliche Empfehlung des Gegen-
stände« durch Herrn Prof. Dr. Ed. Ketteier habe ich mit
einigen mir zugänglichen Krystallen und künstlichen Präpa-
raten Absorptionsmessungen vorgenommen.
Ueber Absorption des Lichtes in pleochromatischen
Krystallen haben vielfach Haidinger, Beer, Grailich,
Bunsen1), O. Hagen2) u. A. experimentirt8) Haidinger's
1) Bunsen, Pogg. Ann. 128. p. 100. 1866.
2) O. Hagen, Pogg. Ann. 106. p. 331. 1859.
3) Siehe auch von Las au Ix, Ueber den durch Druck an den Kry-
stallen der natürl. Silberhaloide hervorgerufenen Dichroismus, Sitzungs-
ber. der schles. Ges. f. vaterl. Cultur. 26. Febr. 1879.
■ Digitized by Co
192
C. Pulfrich.
dichroskopische Lupe gestattet den Zusammenhang der Ab-
sorption mit der Vibrationsrichtung zu erkennen. Aus den
Versuchen von Beer1) geht hervor, dass sich das Absorp-
tionsverhältniss beider Strahlen für verschiedene Theile des
Spectrums anders gestaltet, also eine Function der Wellen-
länge ist. Es ergab sich in den meisten Fällen die Thatsache,
dass dem schnelleren (schwächer gebrochenen) Strahle eine
geringere Absorption zukomme, als dem langsameren (stärker
gebrochenen). Abweichungen hiervon hat Beer beim Idio-
kras (Vesuvian) nachgewiesen; für den einen Theil des Spec-
trums war das Absorptionsverhältniss >1, für den anderen
< 1. Dasselbe fand Grailich2) beim Apatit.
0. Hagen hat für eine Anzahl pleochroitischer Kry-
stalle durch photometrische Messung das Absorptionsverhält-
niss für einige Wellenlängen bestimmt. Er vermuthet, „dass
für 8ämmtliche Krystalle, welche als der Babinet'schen Regel:
jeder Krystall absorbirt mehr den Strahl mit der kleineren
Geschwindigkeit, widersprechend gefunden werden, das Ab-
sorptionsverhältniss für einen Theil der Farben > 1, für den
anderen < 1 sei; und es sei möglich, dass die Babinet'sche
Regel, unter eine präcisere Form gebracht, doch allgemein
gültig sei". Um hierüber ins Klare zu kommen, stellte
er sich die Aufgabe, ausser dem Verhältniss der Absorp-
tionen, noch jede für sich allein als Function von X zu
bestimmen.
Der frühzeitige Tod Hagen's hinderte ihn, seine Ver-
suche nach dieser Richtung hin fortzusetzen. Dieselben wür-
den ihn sehr wahrscheinlich zur Entdeckung der anomalen
Dispersion geführt haben, welche bekanntlich erst einige
Jahre später durch Le Roux geschah. — Die seit jener
Zeit vielfach verbesserten und neu erfundenen Photometer
haben es möglich gemacht, auf dem von Hagen vorgeschrie-
benen Wege weiter zu arbeiten.
So lässt sich mit Leichtigkeit schon der Glan'sche Ap-
parat zu Messungen verwenden.
1) Beer, Pogg. Ann. 82. p. 429. 1851.
2) Krystallogr.-opt. Untersuch. Wien u. Olmütz, p. 52. 1858.
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C. Pulfrich.
193
Zu dem Ende ist das Präparat vor dem Collimatorspalt
so lange zu drehen, bis seine Hauptschnitte mit denen des
Kalkspaths zusammen fallen, und in dieser Stellung zu be-
festigen. Man hat so zwei Spectren, welche die Absorption
des Lichtes in den beiden Vibrationsrichtungen darstellen.
Durch Drehen des Nicols stellt man für jeden einzelnen
Spectralbezirk die Gleichheit der Lichtstärke wieder her,
und es bestimmt sich so das Verhältniss v der beiden
übrigbleibenden Lichtmengen, die ich mit i'h und ij bezeich-
nen will.
Rückt man jetzt, ohne an der Lage der bezüglichen
Hauptschnitte etwas zu ändern, die Platte so weit in die
Höhe, dass sie nur die obere Hälfte des Spaltes bedeckt,
so lässt sich ohne Weiteres i'h (die auffallende Lichtmenge
= 1 gesetzt) bestimmen. Um is zu finden, wäre jetzt die
untere Hälfte des Coilimatorspaltes mit der Platte wieder
in der gleichen, oben definirten, Lage zu bedecken. Es er-
scheint jedoch zweckmässiger, die Platte auch im zweiten
Falle vor der oberen Spalthälfte anzubringen, jetzt aber in
einer um 90° gedrehten Stellung.1)
Nach dieser Methode habe ich einige dichroitische Prä-
parate und Krystalle untersucht. Die ersteren sind theils
von Wilh. Steeg in Homburg verfertigt, theils verdankt
sie das hiesige Laboratorium der Freundlichkeit des Frei-
herrn von Seherr-Thoss. Die Ergebnisse der Beobach-
tungen stelle ich im Folgenden zusammen.
1. Versuchsreihe. Ziemlich heller Kautschuk nach
einer Richtung hin ausgezogen und so zwischen zwei Glas-
platten eingekittet (von Freiherrn v. Seherr-Thoss).
Schon gewöhnlicher Plattenkautschuk zwischen den
Fingern ausgezogen, zeigt, mit der dichroskopischen Lupe be-
trachtet, auffälligen Dichroismus, der zuerst vonKundt2) be-
1) Zu bemerken ist, dass die directe Bestimmung von v nur bei
grösseren Krystallplatten oder dicliroitischen Präparaten möglich ist; sind
dieselben kleiner als das vor dem Collimatorspalte befindliche Plättchen,
so gestattet der Apparat nur die Messung der Werthe tj und tj .
2) Kundt, Pogg. Ann. 151. p. 125. 1874.
Ann. d. Phye. u. Chem. N. F. XIV. 13
Digitized by Google
194
C. Pulfrich
merkt und von ihm ..temporärer Dichroismus" genannt wurde,
da die Erscheinung nur so lange dauert, als der an sich isotrope
Körper der Zugkraft ausgesetzt ist. Derjenige Strahl, dessen
Schwingungen in die Zugrichtung fallen, ist der am stärksten
absorbirte.
Obige Platte zeigte, durch die dichroskopische Lupe
betrachtet, zwei in Beziehung auf Helligkeit verschiedene,
farblose Bilder; das hellere besass einen etwas röthlichen
Anflug.
In der oben angegebenen Weise mit dem Glan'schen
Photometer untersucht, ergaben sich die in Tab. VII. p. 195
stehenden Resultate. Die Platte war vor dem Spalte so
befestigt, dass die Zugrichtung senkrecht stand zur Längs-
richtung des Spaltes, v — if/ij ist das gefundene Verhältniss
der übrig bleibenden Lichtmengen ia' und i'f; in den darauf
folgenden Columnen stehen die beobachteten Werthe i'h und
if. Vernachlässigt man den constanten Factor, welcher von
der Dicke der Platte abhängt, so geben die negativen Lo-
garithmen von i'& und die Absorptionscoefticienten, und
deren Differenzen den Logarithmus von w, negativ genommen.
So kann der direct gefundene Werth v zwar nicht dazu dienen,
aus ihm das Absorptionsverhältniss Q= — logij'/— logij (siehe
die letzte Columne) in den beiden Schwingungsrichtungen
abzuleiten; er kann aber wohl zur Verificirung der Bestim-
mungen — logz'j und — logij' beitragen. Berechnet man in
Tab. VII aus diesen zwei Werthen durch einfache Subtraction
— logu, so treten nicht unbeträchtliche Abweichungen von
dem direct beobachteten Werthe auf, welche zum Theil in
einer ungenauen Bestimmung des Nullpunktes (ce) begründet
sein mögen; grossentheils aber sind dieselben dem Einfluss
der Lichtschwächung durch Reflexion zuzuschreiben. Bei der
directen Vergleichung beider Spectren fällt dieser Umstand
ausser Betracht, da die Reflexion für beide Lichtbündel als
gleich betrachtet werden kann. In den beiden anderen
Fällen aber ist er wohl zu berücksichtigen; die richtigen
Extinctionscoefficienten sind etwas kleiner als die experi-
mentell gefundenen.
Digitized by Google
a Pulfrich. 195
Kautschuk (1. Versuchsreihe).
Petroleumlicht
Tab. VII.
Sc. | i:
» 1
t"
i
-log/;'
Q
150 0,0572
160 0,6201
170 0.5.SS9
180 0^5630
190 0,5407
200 0,5212
0,558 0,607
0,471 0,553
0,438 0,525
0,422 0,484
0,406 0,448
0,390 0,414
0,310
0,271
0,249
0,214
0,185
0,167
0,217
0,257
0.280
0.315
0.349
0,383
0,509
0,567
0,604
0,670
0,733
0,777
2,345
2,206
2,157
2,128
2,100
2,030
In beiden Spectren (siehe die Tabelle) wächst die Ab-
sorption dem Blau zu; das Absorptionsverhältniss aber, Q.
nimmt ab.
2. Versuchsreihe. Oxalsaures Chromoxydammo-
niak J) 1. in Keilform und 2. in Plattenform. (Von W.Steeg.)
Dieser Körper bot in mehrfacher Hinsicht interessante
Erscheinungen.
Hielt man den Keil, der zwischen zwei Glasplättchen
vermuthlich eingekittet war, vor das Auge, so sah man zwei
getrennte Spectren, einen blauen und einen rothen Streifen,
und zwar in umgekehrter Reihenfolge als beim gewöhnlichen
Glasspectrum. Zuerst vermuthete ich, es sei dies die Er-
scheinung der anomalen Dispersion; es stellte sich aber bald
bei Anwendung von polarisirtem Lichte heraus, das der rothe
Streifen dem ordinären, der blaue dem extraordinären Spec-
trum angehörte.
Mit der dichroskopischen Lupe betrachtet, zeigte der
Keil ein hellblaues Bild und ein zweites, in dünneren Schich-
ten mit grau -grünlicher, in dickeren mit bräunlich -rother
Färbung.
Vor den .Spalt des Glan'schen Photometers gebracht,
ergaben sich zwei vollkommen von einander verschiedene
Absorptionsspectren. Gemeinsam ist beiden ein schmaler,
aber stark ausgesprochener Absorptionsstreifen zwischen den
l) Das sehr verwandte Oxalsäure Chromoxydkali ist in seinen be-
merken8werthen optischen Eigenschaften zuerst von Brewster (Pogg.
Ami. 28. p. 384. 1833) untersucht worden und heisst daher auch Brew-
ster'sches Salz.
13*
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196
C. Pulfrich.
Fraunhofer'schen Linien B und C} zusammenfallend mit dem
Theilstrich 139 der Glan'schen Scala. Es scheint dies der-
selbe Streifen zu Bein, welchen H. W. Vogel1) für grüne
und violette Modifikationen des Chromoxyds zuerst bemerkte.
Beide sind jedoch an Intensität merklich verschieden.
Dann folgt im unteren Spectrum ein schmaler, sehr
schwacher Absorptionsstreifen bei 145 und ein gleicher im
oberen Spectrum bei 148,5.2)
Von hier an steigt in beiden Spectren die Absorptions-
curve, erreicht ein Maximum, fällt dann wieder bis ungefähr
200, resp. 210, um endlich dem Violett zu wieder anzusteigen.
Die photometrische Prüfung ergab Gleichheit der beiden Ab-
sorptionen bei 186 — 190. Von hier aus gerechnet dem
Roth zu war das Absorptionsverhältniss >1, dem Blau zu
dagegen kleiner. Die beigegebene Zeichnung (Taf. III.
Fig. le) möge ein ungefähres Bild der beobachteten Er-
scheinung geben. Es erklärt sich hieraus das Auftreten
der beiden oben erwähnten (blauen und rothen) Streifen: im
ersten Falle, bei dem am wenigsten abgelenkten Spectrum,
gehen hauptsächlich blaue, im zweiten, bei dem am meisten
abgelenkten Spectrum, gehen hauptsächlich rothe Strahlen
durch.
3. Versuchsreihe. Indigo auf einer Glasplatte gleich-
mässig vertheilt und in bestimmter Richtung verrieben. (Von
Freiherrn v. Seherr-Thoss.)
Die dichroskopische Lupe ergab ein dunkel- und ein
hellblaues Bild, letzteres mit röthlicher Färbung. Die Zahlen
in Tab. VIII haben die gleiche Bedeutung wie die in Tab. VII
und sind auf dieselbe Weise gewonnen. Jedoch ist tj' nicht
direct beobachtet, sondern aus v und ij berechnet. Auch
hier hat die Lichtschwächung durch Reflexion »störenden Ein-
fluss. Man könnte zwar diesen Uebelstand durch Eintauchen
des Präparates in ein Gefäss mit Wasser etwas vermeiden;
das habe ich aber unterlassen, um die schönen Präparate
nicht zu beschädigen.
1) Vogel, Spectralanalyse p. 242 u. 245.
2) Ich habe mich von dieser eigenthürnliehen Erscheinung zu den
verschiedensten Zeiten überzeugen können.
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C. Pulfrich. 197
Indigo (3. Versuchsreihe).
Petroleumlicht. Tab. VIII.
o _
OC
kl
Mi
= i
'8
i
-log*,
Q
nerccnnei
140
0,7009
_
0,3073
0,513
145
0,6782
0,2830
0,1430
0,2500
0,0708
0,602
1,150
1,911
150
0,6572
0,1960
0,0280
0,708
1,552
2,193
155
0,6379
0,1056
0,1608
0,0170
0,794
1,770
2,230
160
0,6201
0,0994
0,1825
0,0184
0,878
1,879
2,140
170
0,5889
0,1109
0,1254
0,0139
0,902
1,857
2,059
180
0,5630
0,1525
0,1473
0,0225
0,832
1,649
1,982
190
0,5407
0,2690
0,2077
0,0559
■ 0,683
1,253
1,834
200
0,5212
0,4059
0,2275
0,0923
0,643
1,035
1,609
210
0,5037
0/.486
0,2486
0,2486
0,1361
0,605
0,865
1,431
1,368
220
0,4881
0,5995
0,1491
0,605
0,827
Die beiden Spectren zeigen der Tabelle zufolge einen
breiten Absorptionsstreifen ungefähr bei D. Die Curve des
Absorptionsverhältnisses Q hat ein Maximum ungefähr für
X = 0,6300.
Von den übrigen dichroitischen Präparaten, welche ich un-
tersuchte, und die ebenfalls durch Freiherrn v.Seherr-Thoss
dargestellt sind, zeigte namentlich eins das Phänomen des
Dichroismus sehr deutlich; es war dies ein Präparat, welches
durch Aufstreichen von chrysamminsaurem Kali *) in einer be-
stimmten Richtung erhalten war. Das ordinäre Bild war intensiv
orangegelb, das extraordinäre schwärzlich purpurroth. Es
wurde nun diese Platte so vor dem Spalte des Gltn'schen
Apparates angebracht, dass dessen Längsrichtung mit der
Strichrichtung zusammenfiel; im oberen Gesichtsfeld war
dann die ganze blaue Seite absorbirt bis etwa 156, im un-
teren nicht so weit, bis 158. Weitere Eigentümlichkeiten
der beiden Absorptionsspectren Hessen sich mit Sicherheit
nicht erkennen, weil die aufgestrichene Masse nicht voll-
kommen homogen vertheilt war. —
4. Versuchsreihe, a) grüner Turmalin, b) rother
Turmalin; parallel der Axe geschnitten.
Da bis jetzt, meines Wissens, keine Bestimmungen über
die Absorption in Turmalinkrystallen vorliegen (ausser den
1) Siehe den sehr interessanten Aufsatz von M. y. Seherr-Thoss,
Wied. Ann. 6. p. 270. 1879.
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198
G Pulfrich.
bekannten von 0. Hagen1), so theile ich im Folgenden die
vollständigen Versuchsreihen mit. Untersucht wurden zwei
grüne Turmalinplatten und eine rothe (s. Tab. IX, X und
XI). Von den grünen war die erster e (Dicke $ = 2,511 mm)
einer neuen Turmalinzange des Cabinets entnommen, ebenso
der rothe Turmalin (ein dünnes Plättchen, auf eine Glas-
platte aufgekittet; Dicke § = 0,141 mm); der zweite grüne
Turmalin war ein ungeschliffenes Stück (mittlere Dicke
I = 3,01 mm).
Mit der dichroskopischen Lupe untersucht, ergab sich
für das II. Spectrum vollständige Dunkelheit; das erstere
war grün, resp. roth gefärbt.
Zur näheren Erläuterung der Tabellen diene Fol-
gendes:
Wie schon früher angedeutet, wurde hier die Correction
der Scalentheile vorgenommen. Zu dem Ende wurde die
rothe H- Linie in ihren Stellungen zwischen zwei Scalen-
theilen bei verschiedenen Drehungswinkeln a notirt; die
hieraus construirte Curve gab zu jedem Winkel a die Ver-
schiebung bis auf lj10 Sealentheil genau.
Was nun insbesondere die Resultate der Messungen an-
geht, so war eine genaue Bestimmung nur bei Spectrum I
möglich. Bei dem zweiten musste der Ocularspalt bis zu
10 Scalantheilen verbreitert werden, wollte man überhaupt
noch Licht wahrnehmen: (vgl. die Lichtmengen ih.2) Zur Con-
trole wurde die Bestimmung von u = i\fi\ vorgenommen und
daraus mit Hülfe von Spectrum I die Daten für Spectrum
II berechnet. Durchgeht man die Tabellen im Einzelnen, so
zeigt sich oft vollständige Uebereinstimmung. Die übrigen
Abweichungen finden ihre Erklärung in fehlerhaften Bestim-
1) Derselbe konnte mit seinem Apparat nur das Absorptionsver hält -
niss Q messen. — Seine 1858 veröffentlichte Dissertation, worin wahr-
scheinlich die Zahlenwerthe für Turmalin angegeben sind, ist mir leider
nicht zu Gesicht gekommen.
2) Man sieht zugleich, dass z. B. für die mittleren Partieen (Tab. IX)
sich das Verhältniss der übrig bleibenden Lichtmengen zu 1 : 465 heraus-
stellt, also die Benutzung desTurmalins zur Polarisation des Lichtes wohl
gerechtfertigt ist.
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C. Pulfrick.
199
mungen des Nullpunktes1) und des Winkels u. Die Reflexion
an den Flächen der Krystalle war durch Eintauchen der-
selben in ein planparalleles Gefäss mit Alkohol beseitigt.
Grüner Turmalin. (4.
I'etroleumlicht.
2,51 1 mm.
Versuchsreihe, a.)
Tab. IX a. (s. Taf.lII Fig. 1 7
)
e
8 p c c t r n in I
Sc.
'S "u
' £ Ii
X
f= b
c —
et
u
i '
5
142,5
148,40
0,6h55
1 8'
44"
1 4
l ) (X )4
0,1725
145
14o,<5
0,6750
b2
13
44
OQ
•»O
0 0 1 R
0,1275
147,5
14s. 1 5
0,6650
7!»
14
44
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\ », 1». 1,J
0,1060
150
1 50,55
0,6551
76
10
44
.Li
0,0891
!55
155,40
0,6365
69
12
O 1 4T
0,0616
160
160.25
0,6193
63
28
44
•)o ,
0,0443
165
165.20
0,6031
60
0,334 1
0,0351
170
170.15
0,5885
5*
7
0,384
0,0303
J (0
I i "7 \ 1
- —
Ol
43
44
54
0,397
0,OJ;).>
ISO
180,15
0,5(;_'T
58
15
0,380
0.0306
185
185,15
0.5511
58
55
0,862
0,0322
190
190.15
0,5404
59
5
44
55
0,356
0,0327
195
195,15
0,5304
59
43
0.389
0,0M43
200
200,20
0,5208
60
29
0,319
0,0362
205
205.20
0,5118
61
15
«
56 ,
0,300
0,0382
210
210,25
0,5033
62
15
0,276
0,0409
215
215,25
0,4953
63
10 |44
0.250
0,04 10
220
220,25
0,4*77
64
0 i
0.234
0,0460
230
230.30
0,4737
66
39* | . .
58
0,186
0,0534
240
240,35
0,4604
68 22*
0,157
0,0587
250
250,45
0,4488
73
, *
4 1
59
0.093
0.0752
S p e c t r u m II
« = 44° 56'
}s8° 20 0.000*4 0,224
I
88 19 0,00086 0,223
j8S 19 I 0,00086 0,223
ss 1«> 0,00086 0*223
88 19 i 0,000S6' 0,223
3,8
6,2
7,6
7,0
6,5
Tab. IXt
Sc.
«=44°56 * = i
150 \
88°
4' *
160 |
87
38
170 j
87
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87
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190 ]
200
87
42
210 f
88
7 *
0,001 1
0,0017
0.0022
0,0022
0,0016
0,0010
B p e e tr um
II
Q
•>r
'i
b
e= ;.
89°
16
0,00016
0,277
4,4
88
39
0,00056
0,237
6,7
88
18
0,00088
0,223
7,6
SS
22
0,00081
0,22$
88
40
0,00054
0,238
6,8
88
58
0,00032
0,255
6,7
1) Vgl. die Anm. 1 p. 179. — Die Bestimmung der Werthe « bei
Spectrum II gab ein Mittel an die Hand, diesen Nullpunkt zu controli-
ren, indem vor und hinter 90° auf Gleichheit eingestellt wurde. Die so
gefundenen Werthe schwankten zwischen -}-0012' und -f 0°19', Zahlen,
zwischen denen die früher gefundene genau in der Mitte steht.
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200
C. Pulfrich
Grüner Turmalin. (4. Versuchsreihe, a.)
Petroleumlicht 5 - 3,01 mm.' Tab. X». (s. Taf. III Fig. 17.)
Sc.
l
Spectrum I
«'= 44° 58'
öC.
;
abgelesen
in Bexug auf
X :
h
—
ff (*c\rr\cr\ rt
rt
u
e ~ T
147,5
148,25
._
0,6645
82°
47'
0 016
0 1098
0 0H86
150
150,65
0,6547
79
23
0 035
155
155,45
0,6363
72
37
0,098
0 0615
160
160,30
0,6191
66
OK
30
0 187
0 0443
165
165,20
170,15
0,6032
62
26
0,272
0,0343
0,0294
170
0,5885
60
8
0,329
175
175,15
0,5751
59
44
0,340
0,0285
180
180,15
1 Rt\ 1 r;
loO, 10
0,5626
60
9
0,329
0,0294
1
loo
0,5511
60
34
0,318
0,0303
190
190,20
0,5403
61
10
0,302
0,0316
200
200,25
0,5207
64
7
0,235
0,0383
210
210,30
0,5032
67
33
0,170
0,0468
220
220,40
0,4875
71
22
0,113
0,070
0,0575
230
230,50
240,65
0,4734
75
10
0,0703
240
0,4601
78
25*
0,042
0,0839
Tab. Xb.
Sc.
Spectrum II
rt'=44°2'
Q
«'= 45° 2
v V
i
a
b
€=ST
140—240
140-240
87° 20'
0,000 217
88° 18'
88° 26'
■ ■
0,00088
0,00074
0,1859
0,1906
6,5
6,7
Rother Turmalin (4. Versuchsreihe, b.)
Petrolenmlicfat 5=0,141 mm. Tab. XTa. (s. Taf. III Fig. 1 s.)
Sc.
ab-
Sc.
auf a
140
145
150
1 55
160
165
170
175
180
185
190
e
220
230
140,20
145,15
150,15
155.15
160,15
165,15
170,20
175,20
1 80,25
185,25
190,25
200,30
210,30
220,35
230,40
0,7000
0,6776
0,6566
0,6373
0,6196
0,6033
0,5883
0,5750
0,5624
0,5509
0,5402
0,5206
0,5032
0,4876
0,4736
Spectrum I
« = 44° 47
60° 39'
58 44
58 18
58 4
58 50
59 40
61 8
62 38
63 34
64 34
65 8
66 28
67 30
68 22*
0,295
i 0,352
0,375
0,382
0,360
0,337
0,299
0,264
0,243
0,223
0,212
0,187
j 0,169
0,155
0,689
0,592
0,553
0,545
0,576
0,613
0,681
0,752
0,797
> 0,848
0,876
0,947
1,005
1,053
Spectrum II
a'= 44° 47'
b
X
Q
|86° 44
\l 26
87 36
87 40
I
I
I
I
I
J87 44
|87 44
jHT 42
188 —
0,0031
0,0020
0,0017
0,0016
0,0015
0,0015
0,0016
0,0012
3,256
3,514
3,589
3,621
3,654
3,654
3,639
5,4
6,4
5,6
4,8
4,3
4,0
3,8
3,795 3,7
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C. Pulfrich.
Tab. Xlb.
201
Sc. i
o :
«'=44° 47'
Spectrum II
6 = T
150 t
160 '
170 |
180 [
190 ;
200 !
210
230
}
84° 2'
84 9
84 5
83 49
83 54
83 56
83 59
0,0108
0,0103
0,0106
0,0115
0,0113
0,0111
0,0100
86(
86
87
87
87
20*
42
1
4
22
87 36
87 43
0,0039
0,0034
0,0028
0,0027
0,0022
0,0018
0,0016
3,133
3,205
3,326
3,334
8,467
3,573
3,623
5,7
5,2
4,4
4,0
3,8
3,7
3,6
Bezüglich der Absorptionsspectren haben sich als cha-
rakteristisch für die Turmalinkrystalle die beiden Absorp-
tionsstreifen im Ultrablau und Ultraroth (beim ordinären
Spectrum sowohl wie beim extraordinären) herausgestellt,
welche sich bis ins sichtbare Spectrum hinein erstrecken
und dort eine Art Kessel bilden. Bei dem rothen Turmalin
tritt der letztere etwas zurück. Auch bei den grünen Tur-
malinen zeigt sich bezüglich des Streifens im Blau eine Ver-
schiedenheit.
Für die Quotienten Q ergibt sich beim grünen Turma-
lin ein Maximum 7,6 (resp. 6,7). Beim rothen hingegen
scheint erst an der rothen Grenze des Spectrums ein Maxi-
mum erreicht zu sein. — Ob das von Hagen vermuthete
Gesetz, „dass das Absorptionsverhältniss Q symmetrisch sei
in Beziehung auf Amax.". hier seine Bestätigung findet, lässt
sich mit Sicherheit nicht entscheiden. Dazu müssten noch
die Daten von Spectrum II genauer bestimmt werden an
dünner geschliffenen Krystallplatten.
5. Versuchsreihe. Titanit, parallel der Axe ge-
geschnitten, Dicke j = 4,233 mm (s. Tab. XII).
Die dichroskopische Lupe ergab für das zweite Spectrum
ein rothbraunes Bild, während das erste wasserhell war, mit
einem Stich ins Grünliche.
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202 C. Pulfrich.
T i t a 11 i t. (5. Versuchsreihe.)
l'etroleumlicht. ; = 4 233 nim. Tab. XII i. (s. T
Spectrum I
,e'=44M
Spectrum II
» - 44° 4'
Sc.
Q
b
e=T
(t
b
147,5
150
155
160
170
180
190
200
21(1
220
230 |
240|
0,6077
0,6572
0,6379
0,6201
0,5890
o,:»t;:;o
0,5407
0.5212
0,5037
0,4881
0,4741
53° 16
o4 16
55 25
56 18
55 56
55 24
55 20
54 12
54 22
55 34
57 12
0,522
0,485
0.445
0,417
0,428
0,446
0,448
0,487
0,481
0,440
0,309
0,0122
0,0136
0,0152
0,0165
0,0159
0,0152
0,0151
0,0135
0,0137
0,0154
0,0177
59° — *
_
62 48
67 32
70 52
74 8
76 2*
76 54*
78 57*
_
0,340
0,248
0.160
0,113
0,0757
0,0580
0,0507
0,0357
0,0203
0,0263
0.0344
0,0410
0,0485
0,0535
0,0560
0,0626
1,49
1,59
2.18
2,69
3,21
3,96
4,08
4,06
Tab. XIH.
Sc.
« =
a
44° 4'
v — —
lt
S ji e c t r u m
II
Q
a
'?
b
SSST
150
47'
— — —
1 40
0,778
57° 36'
0,377
0,0184
1,35
1,51
160
50
33
0.634
62
1
0,265
0,0250
170
46
17
0,414
66
32
<M7r,
0,0326
2,05
ISO
62
20
0,258
70
41
0,115
0,0406
2,67
190
66
19
0,180
73
39
0,0807
(».(1473
3,13
200
68
18
0.148
74
29
0,0722
0,0494
3,66
210
69
53
0,126
*- -
45
0,0605
0,0528
3,86
220
72
4
0,098
77
54
0,0432
0,0591
3,90
Die Tabelle bedarf keiner weiteren Erläuterung. In
Spectrum I steigt die Absorption, von Eoth aus gerechnet,
fallt dann wieder langsam, um sieb endlich dem Blau zu
wieder zu heben. Das zweite Spectrum zeigt ein continuirliches
Steigen der Absorption dem Blau zu. Das Absorptionsver-
hältniss Q erreicht erst im Blau ein Maximum.1) —
Von den übrigen Krystallen, von denen die meisten
wenig zu Messungen geeignet waren, untersuchte ich noch
einen optisch zweiaxigen Krystall, Epidot. Dabei wandte
ich auf Vorschlag von Hrn. Ketteier versuchsweise ein
Verfahren an, welches auf der Verbindung eines Kalkspaths
mit dem Vierordt'schen Doppelspalt beruht:
1) Möglicherweise hat eine ungenaue Bestimmung von «' die Daten
etwas gegen einander verschoben.
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(7. Pttlfrich.
203
Das Licht geht zunächst durch einen horizontalen Spalt,
dessen Breite mittelst einer Mikrometerschraube variirt wer-
den kann, durchläuft dann ein Kalkspathrhomboeder l) von
ziemlicher Dicke und wird mittelst einer Linse von grosser
Brennweite auf einen Schirm geworfen; auf demselben ent-
stehen somit zwei vertical übereinanderliegende Bilder des
Horizontalspaltes. Infolge der ungleich starken Dispersion
des Kalkspaths für beide Strahlen ist — ebenso wie beim
Glan'schen Apparate — eine scharfe Berührung für alle
Farben zugleich nicht möglich, kann aber leicht durch Ver-
schmälerung, resp. Verbeiterung des ersteren Horizontal-
spaltes für jede beliebige Farbe erzielt werden. Ist dies
erreicht, so wird jetzt an Stelle des Schirmes der Vierordt'-
sche Doppelspalt gebracht. Bei richtiger Stellung muss die
Trennungslinie der beiden Spalthälften genau mit derjenigen
obiger Spaltbilder zusammenfallen. Die obere Spalthälfte ist
somit von ordinärem, die untere dagegen von extraordinärem
Lichte beleuchtet
Nach diesen Vorbereitungen schiebt man den zu unter-
suchenden Krystall zwischen Doppelspalt und Kalkspath so
ein, dass seine Hauptschnitte mit denen des Kalkspaths zu-
sammenfallen; es gelangen dann die vom Krystall in den
beiden Schwingungsrichtungen nicht absorbirten Lichtmengen
zur Vergleichung und können in der von Vierordt ange-
gebenen Weise gemessen werden. Zunächst erhält man bei
vollständiger Bedeckung des Doppelspaltes direct v = iJ'/jJ, i'(
und i J 'durch Bedeckung der Spalthälften. Mit Bezugnahme auf
die Bestimmung von i J' resp. i'h ist zu bemerken, dass der Kalk-
spath sehr vortheilhaft durch ein Nicol ersetzt werden kann.
Die Schwierigkeiten der Ausführung solcher Messungen
sind nicht grösser als bei Absorptionsbestimmungen von
Flüssigkeiten mit dem Vierordt'schen Apparate. Die
Schwächung, welche der Lichtstrahl an den Flächen des
Kry stalls durch Reflexion erleidet, wird auf eine schon
früher erwähnte Weise beseitigt: man steckt den Krystall
1) Die Absorption der beiden Liehtbtindel im Kalkspath ist nach den
Beobachtungen von Wild als gleich zu betrachten. — Die Methode eignet
sich auch für ein« objective Darstellung des Dichroisnius.
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204
C. Pulfrich.
in ein planparalleles Gefäss, in welchem sich eine farblose
Flüssigkeit von möglichst gleichem Brechungsexponenten be-
findet. Eine alle Farben gleichmässig schwächende Flüssig-
keit, z. B. gewöhnliche schwarze Tinte, lägst sich sehr gut
zur Lichtschwächung der freien Eintrittsspalte verwenden
und ersetzt so die von Vi er or dt empfohlenen Rauchgläser.
Die Absorptionskraft der Flüssigkeit für die Dicke der an-
gewandten Krystallplatte muss natürlich vorher für alle
Spectralfarben genau bestimmt werden.
6. Versuchsreihe. Epidot, ungefähr 2 mm dick;
parallel der Mittellinie geschnitten.
Die Platte war in ein planparalleles Gefäss mit Alkohol
gesteckt. Sonstige Vorsichtsmaassregeln, Rauchgläser etc., habe
ich nicht angewandt. Die ursprüngliche Breite des Vierordf-
schen Doppelspaltes war = lOOTrommeltheile. Zur Berechnung
der Extinctionscoefficienten — logzj' sind die aus v und i'h be-
rechneten Werthe i'J' zu Grunde gelegt. Die Resultate der Be-
obachtungen stehen in Tab. XIII; in der letzten Columne sind
die Quotienten Qder Extinctionscoefficienten angegeben; doch
kommt denselben kein grosser Genauigkeitsgrad zu.
Kalklicht. Epidot. (6. Versuchsreihe). Tab. XIII.
Sc.
X:
<•
*
1
»
4
-iogi;
-log,-'
beobachtet berechnet
0
0,7155
0,453
0,656
0,297
0,183
0,527
j 2,87
5
0,6990
0,375
0,597
0,200
0,224
0,224
0,650
2,90
10
0,6830
0,291
0,535
0,160
0,156
0,272
0,334
0,808
0,988
2,97
15
0,6680
0,222
0,463
0,103
2,95
20
0,6555
0,195
0,404
0,110
0,0788
0,394
1,104
2,80
25
0,6442
0,180
0,365
0,0657
0,438
1,182
2,70
30
0,6319
0,166
0,340
0,110
0,0564
0,469
1,248
2,67
40
0,6094
0,158
0,313
0,0494
0,505
1,306
2,59
50
0,5889
0,158
0,300
0,105
0,0474
0,523
1,324
2,53
60
0,5710
0,180
0,276
0,110
0,0497
0,559
1,304
2,83
70
0,5550
0,215
0,248
0,235
0,121
0,0533
0,605
1,273
2,10
80
0,5420
0,241
0,120
0,0566
0,629
1,247
1,98
1,95
90
0,5298
0,243
0,224
0,117
0,0544
0,650
1,264
95
0,5235
0,224
0,218
0,0488
0,662
1,311
1,98
100
0,5180
0,191
0,167
0,206
0,100
0,090
0,0393
0,686
1,405
2,05
110
0,5080
0,175
0,0292
0,758
1,534
1,595
2,03
120
0,4983
0,164
0,155
0,0254
0,810
1,97
130
0,4895
0,130
0,886
140
0,4807
0,119
~ I
■
0,924
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C Pulfrich.
205
Die beiden Absorptionsspectren zeigen eine Zunahme
der Absorption dem Blau zu, Q dagegen zwei Maxima und
dazwischen ein Minimum.
Mit Hülfe eines Epidotprismas (brechender Winkel un-
gefähr = 21° 20'), dessen eine Fläche der Mittellinie der
optischen Axen parallel war, habe ich die Brechungsindices
einiger Strahlen für Spectrum I und II bestimmt. Letzteres
war um ungefähr 40' stärker abgelenkt; nur mit Mühe konn-
ten einzelne Messungen gemacht werden, da einerseits die
Absorption zu stark war, und andererseits sehr viele falsche
innere Reflexionen auftraten. Gefunden wurden folgende
Zahlen (die Salze wurden in der Flamme eines Bunsen'schen
Gasbrenners verbrannt):
Epidot. Tab. XIV.
Spectral-
linien
a:
Brechungsindices
Spectrum I
Spectrum II
Li«
0,6705
1,7270
1,7573
Ho
0,6562
1,7277
Na
0,5889
1,7328
1,7640
Tl
0,5350
1,7382
HS
0,4861
1,7698*
Die Babinet'sche Regel findet sich also auch hier im
Grossen und Ganzen bestätigt; das am stärksten abgelenkte
Spectrum ist zugleich am stärksten absorbirt. Weitere Eigen-
tümlichkeiten bezüglich der Dispersionscurven lassen sich
aus diesen Zahlen nicht ableiten.
Bei passender Gelegenheit gedenke ich diese Arbeit
fortzusetzen. Dabei wird eine allseitige Bestimmung der
optischen Constanten der Krystalle und insbesondere die
genaue Messung der Extinctions- und Refractionscoefficienten
in den Vordergrund treten. Zu den Refractionsbeobach-
tungen wird wohl am besten der von Ketteier vorgeschla-
gene „Fixator" geeignet sein. Derselbe hat sich bereits bei
farbigen Flüssigkeiten1) als sehr brauchbar erwiesen.
1) Ketteier, Wied. Ann. 12. p. 488. 1881.
206 C. Pulfrich.
IV. Prüfung der Ketteier 'sehen Formeln.
Nach der Kettelerschen Theorie1) bestehen zwischen
dem Refractionscoefticienten a, dem Extinctionscoefficienten b
und der Wellenlänge ). folgende Relationen:
m 2aA _ -ff 2 _ ;•> _ i _ v JAi (*' ~ X™)
W x r (i*-iiy + gn* 1 " ö (*,-*i),-*-*9At'
Hierin bedeutet Z> die Dispersionsconstante und
drückt das Mass für die Wechselwirkung zwischen Aether-
und Körpertheilchen aus; ferner ist g die Reibungscon-
stante der Körpermaterie, nach deren Beschaffenheit wir
es mit durchsichtigen, resp. undurchsichtigen Medien zu
thun haben. lm ist die charakteristische Wellenlänge des
betreffenden Absorptionsstreifens. Die Summenzeichen be-
ziehen sich auf die Anzahl der vorhandenen Absorptionen.
Durch Einführung eines symbolisch complexen Brechungs-
verhältnisses n . — a + b Y — T erhält man für die brechende
Kraft:
Sämmtliche Formeln umfassen sowohl normale wie
anomale Dispersion und gestatten ihre Anwendung auch
auf die Hauptschnitte von Krystallen, sofern nur D für sie
verschieden genommen wird. Man erhält infolge dessen
allgemein zwei gebrochene, absorbirte Strahlen mit je einem
verschiedenen Refractions- und je einem verschiedenen Ex-
tinctionsindex.
Denkt man sich in (I) b und a einzeln als Functionen
von X entwickelt: b = f(X) und a = F{X), so stellt jede dieser
/Gleichungen eine Curve dar; die erstere heisse die Ab-
sorptions-, die letztere die Refractionscurve.
Jetzt denke man sich der Einfachheit halber zunächst
1 ) K e 1 1 e 1 e r, Verhandl. des nat. hist. Vereins f. Rheinland u. Westfalen,
36. Jahrg. IV. Folge. 6. p. 14. 1879; Wied. Ann. 7. p. 117 u. 658. 1879.
2) Dieser Ausdruck ist bereits bei versuchsweiser Beschränkung auf
ein, zwei und drei Glieder an der von Maseart gegebenen Kaikspath-
reihc geprüft worden (Wied. Ann. 12. p. 367. 1881).
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C. JPulfrieh. 207
ein Mittel mit nur einem Absorptiosstreifen, so dass die
Summenzeichen in Wegfall kommen.
Die dann durch die Gleichung (I dargestellte Ourve
zeigt ein Maximum für die Beziehung:
(1)
Würde man die Quadrate der Wellenlängen als Abscissen
behandeln, so wäre die so gezeichnete Absorptionscurve
symmetrisch in Beziehung auf 1%.
Was den Verlauf der zweiten Curve angeht, so gibt die
Differentiation ein Maximum und ein Minimum von«2— b2 für:
(2) *J-tt= ±fflm.lj
Eine experimentelle Prüfung der Formeln (I) verlangt
ausser der Kenntniss der Extinctionscoefficienten (b) die
genaue Bestimmung der Brechungsindices («), sowie der
Wellenlänge Am.2)
Beschränkt man sich jedoch — wie es hier meine Ab-
sicht ist — auf Messung der Absorptionscurve und will
nachher mittelst der gefundenen Constanten die Refractions-
curve berechnen, so ist man selbstverständlich zur Aufstellung
*on Näherungsformeln gedrängt.
Zuerst führe ich statt des (Cauchy-Ketteler'schen) Coef-
ncienten {^nbjX)i den (Bunsen-Wernike'schen) Coefticienten
2>t £j ein, setze also bjl = «; ferner sei abkürzungsweise
(ia - = £ und D . A* = 2) gesetzt.
Für gelöste Farbstoffe mit einem Absorptionsstreifen
wird es genügen, das Summenzeichen auf m Glieder auszu-
dehnen, von denen sich die m — 1 ersten auf das Lösungs-
mittel, das m. auf den gelösten Farbstoff beziehen sollen.
Bei Beschränkung auf geringe Concentrationen wird es
erlaubt sein, in (I) links die kleinen Aenderungen des a von
Farbe zu Farbe zu vernachlässigen; versteht man unter n0' den
mittleren Index des Lösungsmittels (z. B. für hm), so schreibt
sich, sofern man sich noch c angenähert als eine Constante
1) Hat nur praktischen Werth für sehr kleine 6, für welche b2 ver-
nachlässigt werden darf.
2) Ketteier, Wied. Ann. 12. p. 481. 1881.
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208
C. Pulfrich.
denkt, welche insbesondere die Absorption des Lösungsmittel
bestimmen soll:
(I.) 2n0'e = c + ya **n*> fl2 - wo + et + gi^iff •
In der zweiten Gleichung ist b* vernachlässigt worden;
für den durch den Farbstoff modificirten Index n des Lö-
sungsmittels ist der unmodificirte n0 gesetzt, vermehrt um
eine kleine Constante a.
Mittelst der aus drei Beobachtungspaaren berechneten
Constanten g2, £ und c lässt sich dann, vorausgesetzt dass
km bekannt ist, der beobachteten Absorptionscurve e eine
berechnete gegenüberstellen.
Die zweite Gleichung von (Ia) bietet die Möglichkeit,
sofern man n0 kennt und a vernachlässigt, auch die zuge-
hörige Refractionscurve näherungsweise zu bestimmen.
Stimmen insbesondere beobachtete und berechnete Ab-
sorptionscurven gut überein, so mag man sich mit (Ia) be-
gnügen. Ist dies aber nicht der Fall, so setze man die
mittelst der zweiten Gleichung gefundenen Werthe a (statt
des Mittelwerthes n0') in die erstere ein. Eine nochmalige
Berechnung der drei obigen Constanten wird dann zu neuen
Absorptions- und Refractionscurven führen, und man darf
nun schon von vornherein eine grössere Uebereinstimmung
erwarten.
Ich werde mich im Folgenden auf eine Prüfung dieser
Formeln an den im zweiten Theile dargelegten Beobach-
tungen einlassen.
Die symmetrische Form obiger Formel lässt zu einem
Vergleich zwischen Beobachtung und Theorie nur Körper
mit möglichst symmetrischen Absorptionssstreifen zu. Die
angestellten Rechnungen beziehen sich demgemäss blos auf
Cyanin und Anilinblau.
Was nun insbesondere Tab. II. p. 185 angeht, so ergab
in den meisten Fällen eine Berechnung der dort verzeich-
neten Curven e einen negativen Werth für die Reibungscon-
stante g2. Die einfache Betrachtung des Ausdrucks (I) zeigt
aber, dass g% stets eine positive Grösse sein muss. Augen-
scheinlich ist der Einfluss von g2 in der Mitte der Ab-
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C. Pulfrich.
209
sorptionsstreifens am grössten; es sind daher zur genauen
Bestimmung dieser Constante die mittleren e unbedingt er-
forderlich. Da diese in Tab. II fehlen, so bleiben uns von
den Cyaninreihen nur die der Tab. III übrig; und auf diese,
speciell auf die erstere Versuchsreihe, beziehen sich die fol-
genden Rechnungen.
Für iL wurde der Werth A„ = 0,590 genommen und
\Lq = 1,36 gesetzt. Eine mehrmalige Durchführung der Rech-
nung nach Formel (I») ergab eine sehr schlechte Ueberein-
stimmung zwischen Beobachtung und Rechnung. Die Con-
stante c erhielt stets negative Werthe, sodass die berechnete
Absorptionscurve zu beiden Seiten der Mitte noch unter
den Werth Null herabstieg, um sich einer Geraden, welche
um c tiefer liegt als die Abscissenaxe , asymptotisch zu
nähern.
Theoretisch ist das Negativwerden von c keiner Deu-
tung fähig. Eine experimentelle Bestimmung haben bereits
Wild und Glan versucht. Letzterer fand den Schwächungs-
coefficienten x) des Alkohols für eine Schicht von 1 cm zu
0,9915. Eine kleine Umrechnung ergibt hieraus den Werth:
f0 = Jc/no' = 0,000 006 8, eine so verschwindend kleine Zahl,
dass es im Folgenden gestattet sein möge, die Absorption
des reinen Lösungsmittels zu vernachlässigen.
Die angenäherte Constante c lässt sich allgemein auch
auf folgende Weise deuten, wenn wir nämlich ultrarothe und
ultraviolette Absorptionen zulassen.
Man nehme demzufolge für Absorptionen im Ultraviolett
= sehr klein gegen A, für solche im Ultraroth km — A2
sehr gross gegen L Unter dieser Annahme schreibt sich:
J X ~ \ X* + tf V + - ljj ¥.^3J + (Aa - A*)2 + >
1 a ~b ^^[^s^w^^^^r^w1^
Es sei nun in Beziehung auf Absorptionen im Violett
klein gegen Aa, dann schreiben sich die bezüglichen Summan-
1) Dessen Definition siehe Pogg. Ann. 99. p. 271. 1856.
A»n. d. Phj*. u. Chem. N. F. XIV. 14
Digitized by Google
210
C. Pulfrich.
den unter Vernachlässigung der Quotienten zweiter Ord-
nung:
v-i und fr
sei ferner g'i1 gross gegen l\ dann sind die Summanden:
^ — S und w.
Es sei ebenso für Absorptionen im Ultraroth gP klein
gegen H4, so resultirt:
6 — cA2 und — o +/?/.2;
endlich sei g'P gross gegen ÄJ4, so wird:
Folglich hat man, wenn man zusammenfasst:
^-KP 4-^4-^4-^4-^4-
A _AA +^ + A2 + A« + ü2 + <72r ?
(Ib) 1
a* - b* - 1 = W 4- ^ + £ + £r 4- -grf^jr .
Was zunächst den letzteren Ausdruck angeht, so stellt der-
selbe, bei Vernachlässigung des letzten Gliedes, die Dispersion
der sogen, transparenten Mittel dar.1)
Bezüglich des ersteren Ausdruckes glaube ich das sanfte
Abfallen der Absorption von Cyanin dem Violett (nicht dem
Einfluss eines Streifens in jener Spectralregion) zuschreiben
zu müssen, denn ich habe selbst bei den stärksten Concen-
trationen ein Wiederansteigen der Absorptionscurve nicht
beobachten können ; alle nähern sich der Abscissenaxe
asymptotisch.2)
Es kann demnach von Zusatzgliedern der Gleichung (Ib)
für die Absorptionscurve keine Rede sein. Ich habe nun
trotzdem versucht, unter Hinzunahme einzelner Glieder für
Cyanin eine grössere Uebereinstimmung zwischen Beobach-
tung und Theorie zu erzielen; ich gebe im Folgenden eine
1) Siehe die ausführlichen Rechnungen von Kette ler, Pogg. Ann.
140. p. 1 u. 177. 1870.
2) Bei Anilinblau (vgl. obige Tab.) ist dies nicht der Fall dem blauen
Ende des Spectrums zu.
Digitized by Google
C Pulfrich.
211
kurze Uebersicht dieser Bemühungen, ohne die ausführlichen
Rechnungen tabellarisch anzuführen:
Zunächst habe ich die beiden Glieder A und C/A4 dem
Absorptionsgliede $)#/(£3 + = QgjN hinzugefügt. Dabei
war wieder Xm = 0,590. Die Rechnung bezieht sich auf die
erste Versuchsreihe der Tab. III. Die aus den vier Con-
stanten <73, C und A berechnete Absorptionscurve zeigte
zwar den Einfluss des Gliedes Dß*, und zwar in der Weise,
dass sie sich dem Violett zu in die Höhe hob; die Curve
ging aber dem Roth zu noch unter die Abscissenaxe. Hier
erhielt die Constante A, ebenso wie früher c (p.209), einen
negativen Werth. Auch im einzelnen herrschte eine schlechte
Uebereinstimmung zwischen Beobachtung und Rechnung.
Die unter Hinzunahme der Glieder Cß* und Dß9 zu
$}gjN berechnete Curve zeigt einen ähnlichen Verlauf; hier
ergab sich die Constante D als negativ.
Die verhältnissmässig beste Uebereinstimmung zwischen
Beobachtung und Rechnung ergab die dreiconstantige Formel,
wo Cß4, das einzige Zusatzglied bildete. Die durch diese
Formel dargestellte Absorptionscurve kommt in der Natur
sehr häufig vor: C/X* repräsentirt eine einseitige Absorption
dem Violett zu; mit dieser verbindet sich dann ein durch
den Ausdruck %g)N bestimmter Absorptionsstreifen.
Eine Erklärung der Unsymmetrie des Absorptionsstrei-
fens von Cyanin kann nur in der von Ketteier1) ausge-
sprochenen und vielfach vertretenen Anschauung liegen, dass
man es nämlich mit unendlich vielen, continuirlich einander
folgenden Gliedern zu thun habe. Für eine solche Auf-
fassung spricht die bekannte Erscheinung, welche über-
mangansaures Kali bietet, und ferner die von Kundt2) an
der Untersalpetersäure gemachte Beobachtung, dass die dem
Spectrum des Dampfes entsprechenden Absorptionslinien oder
Liniengruppen in dem Absorptionsspectrum des Körpers in
flüssigem Zustande als schwarze Banden sich wiederfinden.3)
1) Kette ler, Pogg. Ann. 160. p. 478. 1877.
2) Kundt, Pogg. Ann. 141. p. 157. 1870.
3) Vgl. auch den Aufsatz von E. Wiedeinann, Wied. Ann. 5.
P- 500. 1879.
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212
C. Pulfrich.
Der analytische Ausdruck hierfür würde der sein, dass
an Stelle der Summenzeichen in obigen Formeln Integral-
zeichen treten.
Wie man aber auch über die Constitution des Absorp-
tionsstreifens (ob einfach, ob zusammengesetzt) urtheilen möge,
so kann man doch unsere Aufgabe dahin präcisiren: es soll
die Absorptionscurve möglichst genau durch die für einfache
Streifen geltende Formel dargestellt werden.
Wir wenden uns deshalb zur Betrachtung der einfachen
zweiconstantigen Formel:
(in) 2<«- •
Am wurde wieder = 0,590 gesetzt. Je nachdem man zur
Berechnung den Constanten g2 und Qg von dem einem oder
anderen Beobachtungspaare Gebrauch macht (Sc. 169 und
181,5; 162 und 169), erhält man verschiedene Curven (siehe
Tab. XV. p. 213, CoL I und II). In den mit A überschrie-
benen Columnen stehen die Differenzen zwischen Beobach-
tung und Rechnung in Einheiten der letzten Ziffer von «.
Abgesehen von den auftretenden grossen Differenzen A
zeigen die Constanten g% eine ziemliche Verschiedenheit
(3:2); auf der rothen Seite des Absorptionsstreifens ergibt
sich wegen der Unsymmetrie desselben ein kleineres g2 als
auf der blauen.
Zur genauen Bestimmung von g2 empfiehlt es sich, zwei
Beobachtungspaare links von Aro herauszuwählen, die Rech-
nung mit zwei rechts liegenden zu wiederholen und dann aus
beiden gefundenen Werthen für g2 das Mittel zu nehmen.
Man erhält schliesslich für Qg vier Werthe und nimmt hier-
aus wieder das Mittel.
Die Ergebnisse dieses auf Tab. III Versuchsreihe I an-
gewandten Verfahrens stehen in der mit III überschriebenen
Columne der Tab. XV. A« hatte denselben Werth wie oben;
die mit einem Sternchen versehenen Beobachtungen haben
zur Constantenbestimmung gedient. Die Uebereinstimmung
ist bedeutend besser, als in den beiden vorhergehenden Co-
lumnen; eine vollständige wird überhaupt infolge der Unsym-
metrie des Absorptionsstreifens nicht erzielt werden können.
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C. Pulfrich
213
Cyanin in Alkohol.
(Tab. III. Versuchsreihe I.)
Tab. XV.
Sc.
152
157
159,5
162
164
167
169
172
173,5
176,5
179 .
181,5
186,5
191,5
196
201
210
b
0,6495
0,6308
0,6219
0,6136
0,6071
0,5979
0,5920
0,5836
0,5795
0,5717
0,5655
0,5595
0,5482
0,5377
0,5288
0,5194
0,5037
beob-
0,0004
0,0018
0,0044
0,0085
0,0127
0,0185
0,0199
0,0188
0,0166
0,0128
0,0100
0,0086
0,0062
0,0045
0,0029
0,0020
0,0009
berechnet
0,0031
0,0056
0,0076
0,0107
0,0135
0,01 78
0,0199*
0,0192
0,0172
0,0140
0,0113
0,0086*
0,0063
0,0044
0,0035
0,0029
0,0020
_
-27
-38
-32
-22
8
+ 7
0
- 4
- 6
-12
-13
0
~ 1
+ 1
- 6
- 9
-11
II
b
berechnet
0,0021
0,0040
0,0056
0,0085*
0,0114
0,0169
0,0199*
0,0185
0,0153
0,0111
0,0087
0,0067
0,0043
0,0027
0,0021
0,0017
0,0012
-17
-22
-12
0
+ 13
+ 16
0
+ 3
+ 13
+ 17
+ 13
+ 19
4-19
+ 18
+ 8
+ 3
- 3
III
berechnet
0,0025
0,0046
0,0064
0,0095*
0,0125
0,0180*
0,0207
0,0186*
0,0169
0,0129
0,0099
0,0077*
0,0051
0,0034
0,0027
0,0022
0,0015
+
+
-21
-2s
-20
-10
2
5
- 8
+ 2
- 3
- 1
+ 1
+ 9
+ 11
+ 11
+ 2
- 2
- 6
g* = 0.00285
$ .g - 0,05371
= 0,00175
= 0,0331
0,00203
0,03991
Da X* (die charakteristische Wellenlänge) nicht direct
aus der Beobachtung bestimmt werden kann, 2abß (resp.
2n0' «) aber sein Maximum für = )}m — y* hat und in
Beziehung auf dieses ?.2 symmetrisch ist, so führe ich statt
/.* diese theoretische Symmetrieabscissc XM ein und erhalte
somit einfacher:
$-<7
(IV)
2n0'.6 =
(i2 - vtf +
(t und g2 sind durch die Gleichung:
(3) * = ^
\
8'
'•L
(-4)
verknüpft.
Gleichung (IV) wurde der Bequemlichkeit wegen den
folgenden Rechnungen zu Grunde gelegt.
Aenderung der Constanten g2 und X) (= DA^ mit
der Concentration. In der folgenden Tab. XVI p. 214
214
C. Pulfrich.
stelle ich die Extinctionscoefficienten und die Constanten für
beide Versuchsreihen der Tab. III einander gegenüber. Bei
dem vorliegenden geringen Werthe von g2 konnte der Unter-
schied von VM und >U vernachlässigt werden, ß wurde aus
zwei Beobachtungspaaren rechts und dann aus zweien links
bestimmt, und schliesslich aus beiden erhaltenen Werthen ß
das Mittel genommen.
Cyanin in Alkohol.
(Tab. III.) Tab. XVI.
I. Versuchsreihe
•
II. Versuchsreihe
oc.
X :
e
h
b
b
S = T
e^ x
J
8 — T"
A
e = T
A i
beobachtet
berechnet
beobachtet
berechnet
152
0,6495
0,0004
0,0026
— 22
0,0007
0,0043
— 36
157
0,6308
0,0018
0,0048
-30
0,0032
0^0082
—50
159,5
0,6219
0,0044
0,0067
-23
0,0075
0,0115
—40
162
0,6136
0,0085*
0,0100
-15
0,0152*
0,0171
-19
164
0,6071
0,0127
0,0130
- 3
0,0226
0,0223
+ 3
167
0,5979
0,0185*
0,0183
+ 2
0,0312*
0,0311
+ 1
169
0,5920
0,0199
0,0206
- 7
0,0343
0,0350
7
172
0,5836
0.01 SS*
0,0190
- 2
0,0320*
0,0323
- 8
173,5
0,5795
0,0166
0,0128
0,0162
+ 4
0,0277
0,0278
1
176,5
0,57 1 7
0,0124
+ 4
0,0216
0,0212
+ 4
179
0,5655
0,0100
0,0095
+ 5
0,0172
0,0163
+ 9
181,5
0,5595
0,0086*
0,0075
+ 11
0,0144*
0,0122
+ 22
186,5
0,5482
0,0062
0,0050
+ 12
0,0104
0,0085
+ 19
191,5
0,5377
0,0045
0,0034
+ 11
0,0068
0,0058
+ 10
196
0,5288
0,0029
0,0027
+ 2
0,0040
0,0046
- 6
201
0,5194
0,0020
0,0009
0,0022
- 2
0,0027
0,0037
10
210
0,5037
0,0015
— 6
0,0026
= 0,00207
= 0.00211
% = 0,04051
- 0,06998
In Bezug auf die Differenzen A von Beobachtung und
Kechnung gilt dasselbe wie oben.1)
1) Nach der 2. Gleich. (Ia) p. 208 ist die Berechnung der ftefractions-
curven a für beide Concentrationen der Tab. III durchgeführt worden. Die
Werthe n0 des Alkohols (für die Temperatur 17,4° C.) sind durch Inter-
polation aus den Beobachtungsreihen von Sieben (Wied. Ann. 8. p. 144.
1879) gewonnen. Die kleine Constante a wurde vernachlässigt. Die
Einwirkung des Absorptionsgliedes ®2i(£*+g2X2) (positiv für A>AW,
negativ für X < X^ stellte sich aber als eine derartig geringe heraus,
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C. Pulfrich.
215
Richten wir nun unser Augenmerk auf die Constanten
f und 2). Die Reibungsconstante g% ändert sich, obiger
Tabelle zufolge, sehr wenig mit der Concentration.
Setzt man aber g% geradezu constant, sieht also die Ex-
tinction in allen Theiien des Spectrums als eine der jewei-
ligen Concentration proportionale an, so wird die Disper-
sionsconstante <3) = Z>^1 der Concentration direct proportional
sein; es würde diese Voraussetzung mit der vielfach gemach-
ten und vielfach wieder bestrittenen Annahme zusammen-
fallen, dass die Extinctionscoefficienten sich verhalten wie
die Gehalte an absorbirenden Substanzen, und weiterhin,
dass eine Dichtigkeitsvergrösserung unter gleichzeitiger Ver-
minderung der durchstrahlten Schicht auf die Absorption ■
ohne Einfluss sei.
"Was nun speciell unsere Constanten S = DX% angeht,
so stehen dieselben im Verhältniss:
®L - !'524 - 1 712
2>a 0,8904 " L'il*'
Dieser Werth ist identisch mit dem Concentrationsver-
hältniss 1,717 (siehe Tab. III p. 186); die Abweichungen der
Quotienten Q haben wir ja als einfache Beobachtungsfehler
hingestellt.
Wir können somit folgenden Satz aussprechen:
In Mitteln mit einem Absorptionsstreifen ist g%
nahezu oder völlig constant und $)(=Z>A^) der Con-
centration direct proportional.
Diese Behauptung ist richtig und um so zutreffender,
als die Concentrationen und ihre Aenderungen gering sind.
Jedenfalls kommt obigem Satze der Gültigkeitsgrad des
Mariotte'schen Gesetzes zu.
Neben Cyanin wurden noch die Anilinblaulösungen
einer Berechnung unterzogen (siehe Tab. XVII auf p. 216).
dass selbst im Maximum, resp. Minimum der Refraction der berechnete
Werth a sich höchstens um 10 Einheiten der 5. Decimale von »0 unter-
schied.
Digitized by Google
216
C. Pulfrich.
A 11 i 1 i n b 1 a u.
(Tab. V.)
Tab. XVII.
Anilinbluu in Wasser
Anilinblau in Alkohol
Sc
; •
»• *
h
h
b
b
e = —
e = Y
beobachtet
berechnet
beobachtet
berechnet
140
|
A — A/ kO
0, « 001»
A AA 1 O
0,0013
0,0032
-}l
14.)
ii i • — _ ■ >
(),b «82
0,6572
0,0» >1 1)
A A A O C'
0,0038
-, - / ß
0,00.) i
f\ A/l «1
0,0041»
— 12
1 50
0,0049
0,0057
0,00 i 4
0,001*2
0,00 i 4
0
lo2
0,641>5
0,0064
0,006b
— ^
A AAÜn
0,0089
+ 3
A OMA
0,6.1 * 9
0,008t»
1 l.t II )h4
+ 5
0.01 21
A A1 1 1
0,01 1 1
i -1 A
+ io
1 PL"
15 1
0,011)0
0,0096
i 1 ii
+ 10
f 1 St 1 Iii
0,01 40
0,0 1 2 i
i 1 O
4- l o
160
0,6201
M /(I Ott
0,0122
0,01 14
+ 8
j k A1 CO
0,0158
0,0148
162
A £? 1 Ol'
0,6 1 36
t \ A1 »l j
0,01 2>
0.0 12 4
+ 4
0.OI60
0,0161
+ 4
164
0,60 t 1
0,0134
0,0132
+ 2
0,01 (0
0,0168
+ 2
166
0,0 1J7
0,013 (
A
0
0,01 4 1
0,01 iO
168
0,o949
0.01 40
£\ £~\t II
0.014 1
— 1
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0,01 <>S
0.0 1 1 1
o
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0,0165
0.01 6 >)
— 1
l
0,5836
0,0 1 3 4
0,01 '»>
— 1
A AI -.A*
0,01 j9*
A III RA
0.0159
0
1 —
!
0,5 7 5o
0,0131
0,0130
+ 1
0,0145
0,0144
4- 1
1 ca
0,5630
0,0118
0,0113
-1- 5
0,0121
0,0121
0
183
0,5560
0,0106*
0,0102
+ 4
0,0107*
0,0107
0
185
0,5514
0,0100
0,0095
+ 5
0,0096
0,0099
- 3
188
0,5450
0^0087
0,0086
4- 1
0,0081
0,0088
- 7
190
0,5407
0,0079
0,0078
+ 1
0,0072
0,0082
-10
195
0,5307
0,0063
0,0067
4
0,0051
0,0070
.-19
200
0,5212
0,0048
0,0059
-11
0,0036
0,0060
-24
205
0,5122
0,0036
0,0051
15
0,0028
0,0052
— 24
210
0,5037
0,0028
0,0046
-18
0,0022
0,0044
-22
220
0,4881
0,4741
0,0019
0,0037
ls
0,0016
0,0038
-22
230
0,0015
0,0031
16
( ».00 1 1
0.0032
-21
ff- = 0,01298
% = 0,1711
VC
= 0,01143
^ 0,1926
Für Alkohol war gesetzt: lß = 0,599 und ir0'= 1,36; für
"Wasser = 0,592 und n0'= 1,33. Die Uebereinstimmung
ist auch hier eine ziemlich gute, wenn man von den beiden
Enden des Absorptionsstreifens absieht. Hier wie bei den
Cyaninreihen erheben sich die berechneten Absorptionscurven
zu beiden Seiten des Streifens in charakteristischer Weise
über die beobachteten. Möglicherweise ist der Absorptions-
streifen von Anilinblau aus mehreren Einzelstreifen (mit sehr
kleinem g2) zusammengesetzt (vgl. unter p. 211), sodass hier-
durch die auftretenden grossen Differenzen ihre Erklärung
finden. — Die Constante g1 erhält einen ungefähr fünfmal
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C. Pulfrich.
217
grösseren Werth als für Cyanin.1) Dem entspricht eine
grössere Abflachung bezüglich der Refractionscurve.
Nachtrag. In einem nach Fertigstellung dieser Arbeit
erschienenen Aufsatze von 0. Hesse2) hat der Verfasser
ebenfalls obige Ketteler'sche Formel (III) p. 212 einer expe-
rimentellen Prüfung unterzogen. Dieselbe fusst auf der Be-
stimmung der Absorptionscurven von Cyanin in Alkohol
mittelst des Yierordt'schen Apparates.
O. Hesse findet eine wünschenswerthe Uebereinstim-
mung zwischen den beobachteten und den mittelst zweier
Beobachtungspaare nach obiger Formel berechneten Extinc-
tionscoefficienten.3) Die Constante D wächst proportional
mit der Concentration C; dagegen sind g% und k2m „lineare
Functionen" von C. Die von 0. Hesse beobachteten Ab-
sorptionscurven sind symmetrisch; der Maximalpunkt dersel-
ben verschiebt sich jedoch mit abnehmender Concentration
dem rothen Ende zu (von )^ = 0,5760 bis /U, = 0,5800 Tau-
sendstel Millimeter).
Abgesehen von meinen Beobachtungen kann man sich
durch einen einfachen Versuch leicht von der Unsymmetrie
des Absorptionsstreifens von Cyanin in Alkohol überzeugen.
Bewegt man nämlich Cyaninlösung in einem keilförmigen
Gefäss vor dem Spalt des Spectralapparates hin und her, so
treten, wenn das Fadenkreuz zuvor auf die Mitte des Ab-
sorptionsstreifens im normalen Beugungsspectrum eingestellt
1) Ketteier hat (Wied. Ann. 11. p.210. 1880) mittelst Construction
die durch obige Gleichungen (I) und (II) repräsentirten Curven unter
allen möglichen Bedingungen verfolgt. Die Abhängigkeit der Refraction
von der Stärke und Ausdehnung der Absorption ist durch die beigefüg-
ten Zeichnungen klar ersichtlich; die Constante g* wird um so grösser,
je weiter sich die Absorption bei gleicher Mittelordinate von lM erstreckt;
sie gibt ein Maass für die Breite des Absorptiousstreifeus , während $
(s= Dk^) die Höhe desselben bestimmt.
2) 0. Hesse, Wied. Ann. 11. p. 786. 1880.
3) Sehr wahrscheinlich aus Verseheu ist ein coustanter Factor ver-
nachlässigt worden. Die b (resp. 2 b) haben Werthe, wie sie den Metal-
len zukommen.
itized by Google
218
C. Pulfrich.
ist, nicht unbeträchtliche Verschiebungen der scheinbaren
Mitte auf. Dasjenige k, welches dem Maximum der Ab-
sorption entspricht, ist für alle Concentrationen constant; ich
finde ?.m = 0,5900; denselben Werth gibt Lommel und Sie-
ben (0,5936) an. — Andererseits steht eine Verschiebung
des Absorptionsstreifens mit wechselnder Concentration in
directem Gegensatz zu dem Gesetz der Proportionalität
zwischen Concentration und Extinctionscoefficient.
Ich füge hieran die Mittheilung eines Versuchs, mittelst
Construction die Absorptionscurve des Cyanins aus zwei Ein-
zelstreifen hervorgehen zu lassen.
Die Ausführung der Construction, wie namentlich der
Rechnung, aus der gegebenen Totalcurve die Partialcurven
abzuleiten, setzt immer eine gewisse Willkür voraus. In
Fig. 1 io Taf. III sei deshalb blos das Zusammenwirken
zweier Absorptionsstreifen dargestellt. Die componirenden
Curven sind punktirt, die resultirende ist ausgezogen. Es
ist hiermit die Möglichkeit einer derartigen Zusammen-
setzung des Absorptionsstreifens von Cyanin aus zwei Ein-
zelstreifen erwiesen; aber es ist aus Fig. 1 io Taf. III er-
sichtlich, dass man den links vom grossen liegenden kleinen
Berg bei den vorliegenden (von Fuchsin, siehe Fig. 1 n
Taf. III abweichenden) Grössenverhältnissen durch kein spec-
troskopisches Verfahren jemals selbständig wird nachweisen
können. Freilich scheint eine kleine Unregelmässigkeit in
dem stetigen Abfall der Absorptionscurve nach Blau zu, w«e
sie die erste Versuchsreihe der Tab. III gibt, diesen zweiten *
Streifen anzudeuten. Es möge dies hier genügen, da gerade
dieser Gegenstand demnächst eine genaue Beleuchtung er-
fahren wird.
Bonn, phys. Cabinet der Univ., Juli 1881.
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D. Konowalow.
219
II. Velber die Dampfspannung von gemischten
Flüssigkeiten; van D. Konowalow.
Zweite Abtheiliuig.
Die theilweise in einander löslichen Flüssigkeiten.
Es wurde in der ersten Abhandlung1) immer angenom-
men, dass die Dampfspannung eines Flüssigkeitsgemisches
nur von der procentischen Zusammensetzung desselben ab-
hängt. Diese Annahme ist dadurch gerechtfertigt, dass die
Grösse der Spannkraft durch ein Gleichgewicht bedingt ist,
welches sich zwischen Dampf und Flüssigkeit auf der Ober-
fläche der letzteren herstellt. So lange die Beschaffenheit
dieser Oberfläche unverändert bleibt, d. h. so lange die pro-
centische Zusammensetzung der Flüssigkeit unverändert bleibt,
bleibt auch die Spannkraft constant.
Hat man dagegen zwei Flüssigkeiten, die sich nicht
vollständig mischen, und bringt man sie zusammen, so löst
sich jede in der anderen nur so weit, bis sie gegenseitig ge-
sättigt sind. Dieser Sättigungsgrad ist für eine bestimmte
Temperatur eine constante Grösse für die gegebenen Flüs-
sigkeiten. Denn, da die Wirkung zwischen beiden Flüssig-
keiten nur auf der Berührungsfläche stattfindet, kann sie nur
von der Concentration und nicht von den absoluten Mengen
der Schichten abhängen. Bringt man das Gemenge solcher
Flüssigkeiten in einen abgeschlossenen Raum und bestimmt
den Druck, so erhält man den Druck, welchen die Dämpfe
der oberen Schicht ausüben. So lange die Beschaffenheit
der oberen Schicht unverändert bleibt, bleibt auch die Spann-
kraft der Dämpfe unverändert. Nun können wir die Be-
schaffenheit dieser Schicht nicht ändern, wenn wir zu der un-
teren, gleichfalls gesättigten Schicht eine beliebige Menge der
Lösung von derselben Concentration zusetzen. Bezeichnet
man also das Mischungsverhältniss der unteren Schicht durch
n und die zuerst gegebenen Mengen der Flüssigkeiten, d. h. der
überhaupt zusammengebrachten, durchs und B, so folgt daraus
1) Konowalow, Wied. Ann. 14. p. 34. 1881.
Digitized by Google
220
D. Konowalow.
dass, wenn die gegebenen Mengen von A und B bis A+nx
und B + x, oder das Mengenverhältniss von AjB bis
(^4 + nx)/(B + x) sich ändern, die Spannkraft des Gemenges
sich nicht ändert. Wir können dies Mengenverhältniss auch
so ausdrücken: A
. . — + n
A + nx x
B + x ~ B_ '
X
Da die obige Ueberlegung für beliebig grosse x gilt, so folgt
daraus, dass die Spannkraft sich nicht ändern wird, wenn das
Mengenverhältniss sich von AjB bis n/1 ändert. Nimmt
man dagegen die untere Schicht allmählich weg, so wird das
eben so wenig Einfluss auf die Dampfspannung der oberen
haben. Bezeichnet man das Mengenverhältniss der oberen
gesättigten Schicht durch m, so folgt daraus, dass, wenn das
gegebene Mengenverhältniss von beiden Flüssigkeiten sich
überhaupt in den Grenzen von n/1 bis m/1 ändert, die
Spannkraft unverändert bleibt. Diese Mengenverhältnisse
n/1 und m/1 entsprechen den gesättigten Lösungen der Flüs-
sigkeit A in B und B in A, folglich müssen diese ge-
sättigten Lösungen gleiche Dampfspannung haben.
Allerdings erreicht man nie, streng genommen, im ersten
Fall, dass das Gemenge von dem Gewichtsverhältnisse:
— 4- n
— sich auf dem oben beschriebenen Wege in eine
— + l
X
Lösung (vom Verhältniss n/1) verwandelt, doch stört das den
obigen Schluss nicht. Denn man bedarf nur unendlich klei-
ner Aenderung der Temperatur, um ein Gemenge in eine
Lösung und umgekehrt überzuführen, wenn die Gewichtsver-
hältnisse der beiden -5 und n/1 unendlich nahe anein-
— + 1
X
ander sind, da bekanntlich der Löslichkeitsquotient w/1 eine
Function der Temperatur ist.
Von der Notwendigkeit der Existenz zweier Lösungen
mit gleicher Spannkraft für theilweise ineinander lösliche
Flüssigkeiten kann man sich auch auf folgende Weise über-
Digitized by Google
D. Konowaloir.
221
zeugen. Man denke sich die genannten Flüssigkeiten in zwei
oben communicirenden Gefassen bei einer constanten Tem-
peratur. Mit der Zeit muss sich ein Gleichgewicht her-
stellen, dessen Bedingungen, Gleichheit des Druckes und der
Zusammensetzung des Dampfes sind. Es muss also jede der
Flüssigkeiten so viel von der anderen absorbiren, dass die
entstandenen Lösungen dem über denselben befindlichen
Dampf keinen ihrer Bestandtheile abgeben; d. h. dieser
Dampf ist für die beiden Lösungen gesättigt.
Die in der ersten Abhandlung beschriebenen Versuche
mit Wasser und Butylalkohol haben in der That gezeigt,
dass, so lange man beim Zusammenmischen der genannten
Flüssigkeiten zwei Schichten hat, die Spannkraft unabhängig
von der Grösse der beiden Schichten, also den Mengenver-
hältnissen der Flüssigkeiten ist. Die Spannungscurve (als
Function der procentischen Zusammensetzung) wird also für
Flüssigkeiten dieser Art in der Mitte durch eine gerade der
Abscissenaxe parallele Linie dargestellt, deren Endpunkte den
gesättigten Lösungen entsprechen. Was die beiden Seiten-
äste der Spannungscurve betrifft, so ist es leicht, auf Grund
der in der ersten Abhandlung entwickelten Ansichten zu
zeigen, dass sie von beiden End- t-o
punkten der Geraden aus nicht
zu gleicher Zeit steigen können,
d. h. dass die Curve das Aussehen
von Figur 1 nicht haben kann.
Denn es wurde gezeigt, dass die
Zusammensetzung des Dampfes
und der Differentialquotient der I — 3
Curve durch folgende Bedingung 1b
verbunden sind: F,S- L
l
r
wenn
ds
wenn ^ < 0, so T^
a A
b — B '
wo, wie früher, * die Spannkraft, p der Procentgehalt,
ajb das Mischungsverhältniss des Dampfes, AjB das der
Flüssigkeit sind. Die Curve Fig. 1 würde also fordern, dass.
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222 D. Konowalow.
für den Punkt (1) ajb < AjB, für den Punkt (2) a1ft1/>^1/51.
Die den beiden Punkten entsprechenden Lösungen haben
aber die gleiche Zusammensetzung des Dampfes ajb, und
zugleich ist A1jBl> AB, folglich können die aufgestellten
Ungleichungen nicht bestehen. Demnach können also die
Fig. 2. Fig. 3.
Spannungscurven nur das Aussehen von Fig. 2 oder Fig. 3
haben. Die Curve Fig. 3 entspricht dem Fall A1/Bl >a/b> AjB.
d.h. dem Fall, wenn die Zusammensetzung des Dampfes zwischen
denjenigen der beiden gesättigten Lösungen liegt, was als das
Wahrscheinlichste erscheint. Daraus folgt, dass die Spannkraft
eines Gemenges dieser Art nur grösser als beide oder als
eine der beiden einzelnen Spannungen der Bestand theile sein
kann.
Die vorstehenden Betrachtungen, welche zu dem Resultate
führen , dass die Dampfspannungen der gesättigten Lösungen
einer Flüssigkeit A in Flüssigkeit B} und der gesättigten Lö-
sung von B in A für diejenige Temperatur, für welche die Lö-
sung gesättigt worden, die gleiche ist, lassen sich nun leicht auf
den Fall übertragen, in welchem man mehr als zwei Flüssigkei-
ten, oder zwei Flüssigkeiten und feste Körper zusammenbringt.
Jedesmal, wenn man mehrere Flüssigkeiten oder Flüssig-
keiten und lösliche feste Körper zusammenbringt, und es
bilden sich zwei getrennte Schichten, muss die Dampfspan-
nung für diese beiden Schichten für diejenige Temperatur,
für die die Sättigung erfolgte, die gleiche sein.
Um diesen Schluss durch die Erfahrung zu prüfen, habe
ich nach der in meiner ersten Abhandlung1) angegebenen
l) 1. c. p. 34.
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D. Konoivalow.
223
Methode die Dampfspannungen von einigen aus zwei oder drei
Flüssigkeiten bestehenden Gemengen, die sich in zwei geson-
derte Schichten trennen, untersucht, und zwar so, dass die
Dampfspannung der einzelnen Schichten gesondert bestimmt
worden ist. In einigen Versuchen enthielten die Flüssig-
keiten auch gleichzeitig Salze gelöst.
Alle Versuche sind bei gewöhnlicher Temperatur aus-
geführt, da die Füllung des Apparates und Sättigung der
Flüssigkeiten bei höheren Temperaturen einige Schwierigkeit
bietet. Die Auswahl der Flüssigkeiten ist durch zwei For-
derungen bedingt: beträchtliche Spannkraft bei gewöhnlicher
Temperatur und leichte Trennung in zwei Schichten nach
dem Schütteln.
Die zu untersuchenden Flüssigkeiten wurden in einem
Probeglas, welches in ein grosses Bad tauchte, zusammen-
gebracht. Nach starkem Schütteln des Glases blieb es
stehen, indem man dafür sorgte, dass das Bad constante
Temperatur behielt. Dann wurden die beiden sich bildenden
klaren Schichten getrennt und jede in je einen der früher
beschriebenen Apparate für die Messung der Dampfspannung
eingebracht. Die Füllung der Apparate geschah in der in
meiner ersten Arbeit beschriebenen Weise. Nur mussten
die Apparate bei dieser Operation in ein Bad von der con-
stanten Temperatur, bei welcher die Sättigung geschehen
war, getaucht werden, da die Löslichkeit sich mit der Tem-
peratur ändert. Sehr flüchtige Flüssigkeiten wurden in eine
mit zwei Röhren versehene Kugel eingeschmolzen. Nachdem
die Flüssigkeiten gesättigt waren, wurden die Spitzen abge-
brochen und die getrennt herausfliessenden Schichten direct
in die Apparate gebracht.
Die Beobachtung geschah möglichst bei derselben Tem-
peratur wie die Sättigung, was durch leichtes Erwärmen
oder Zusatz von kaltem W asser zu dem Bade erreicht wurde.
Ich lasse jetzt die erhaltenen Zahlen folgen.
L Aethyläther und Wasser.
Obere Schicht Untere Schicht
1 ThL Wasser u. 33 Thle. Aethyläther 1 Thl. Wasser u. ^ Tbl. Aethyläther
TS S
19,8 432,2 430,1
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224 Z). Korwwalow.
Spannkraft des
Wassers Aethers •)
t s s
19,8 17,2 429,8
II. Aethyläther, Methylalkohol und Wasser.
s
T Obere Schicht Untere Schicht
15.6 359,1 358,5
III. Aethyläther, Aethylalkohol und Wasser.
5
t Obere Schicht Untere Schicht
18.8 366,8 365,0
IV. Aethyläther, Propylalkohol und Wasser.
s
t Obere Schicht Untere Schicht
15.7 242,3 244,2
Bei den Versuchen II, III und IV enthielt die obere
Schicht Aether im Ueberschuss, die untere Wasser.
V. Schwefelkohlenstoff, Methylalkohol und
Wasser.
s
t Obere Schicht Untere Schicht
16.9 327,0 328,5
Hier bildet der Schwefelkohlenstoff den Hauptbestand-
theil der unteren Schicht.
VI. Methylalkohol, Wasser und Potasche.
s
T Obere Schicht Untere Schicht
18,2 59,8 59,6
Die untere Schicht besteht hauptsächlich aus concentrirter
Lösung von Potasche in Wasser, die obere aus einem Gemisch
von Alkohol und Wasser.
VII. Aethylalkohol, Wasser und Potasche.
s
T Obere Schicht * Untere Schicht
16,7 32,35 32,5
Diese Zahlen bestätigen den Schluss, dass, wenn die
Mischung von verschiedenen festen und flüssigen
1) Nach Regnault.
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D. Konoivalow
225
Körpern zwei Schichten bildet, Dampfspannung
und Zusammensetzung der Dämpfe von den beiden
Schichten gleich sind. Die Differenzen der oben ange-
führten Zahlen lassen sich durch die Schwierigkeit der Ver-
suche dieser Art durchaus erklären. Es ist nämlich unmög-
lich, die Aenderung der Zusammensetzung beim Versuch
völlig zu vermeiden. Diese Aenderung wird von desto
grösserem Einfluss, je mehr die Spannkraft der einzelnen
Flüssigkeiten verschieden ist, und je weniger sie in einander
löslich sind; sodass für die sehr wenig löslichen Stoffe die
Richtigkeit der Regel sich nur noch sehr schwer prüfen
lassen würde. Ich will jedoch einen Versuch mit zwei
ausserordentlich wenig in einander löslichen Körpern, von
denen der eine sehr flüchtig ist, mittheilen, da er zeigt, wie
stark Spuren der Beimischung einer Flüssigkeit zu einer
anderen die Dampfspannung der letzteren ändern. Es wurde
nämlich Wasser mit Schwefelkohlenstoff zusammengeschüttelt
und nachher durch ein nasses Filter filtrirt. Bei der Mesung
ergab sich für die Temperatur 20,8° die Spannkraft S — 44,
nachdem der Dampfraum verkleinert wurde 5=56; Wasser
hat bei dieser Temperatur die Spannkraft S = 18,2.
Es ist jetzt leicht, gewisse Schlüsse bezüglich der Destil-
lation der geschichteten Flüssigkeiten, d. h. solcher, die beim
Mischen sich in zwei Schichten trennen, zu ziehen.
Erster Fall: Es seien nur zwei Flüssigkeiten zusammen-
gebracht. Es wurde im Vorigen gezeigt, dass so lange das
Gewichtsverhältniss der beiden sich in bestimmten Gren-
zen ändert, (m/1 und w/1) die Flüssigkeiten sich bei jeder
Temperatur sättigen werden. Die Spannkräfte der beiden
gesättigten Lösungen sind aber immer einander gleich, folg-
lich ist die Siedetemperatur in denselben Grenzen der Zu-
sammensetzung constant, und in der Kegel niedriger als die
jedes Bestandtheiles.
Zweiter Fall: Haben wir dagegen drei oder mehr Flüs-
sigkeiten, so wird die Erscheinung complicirter. Obwohl die
Spannkraft der beiden Schichten auch hier gleich sein muss,
wird doch die absolute Grösse der Spannkraft beim Sieden nicht
mehr constant. Sie hängt von den Gewichtsverhältnissen der
Ann. d. Phy«. u. Cbem. N. P. XIV. 15
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226
A. Schuller.
Flüssigkeiten in beiden Schichten ab. Es ist nämlich, im
allgemeinen nicht möglich, selbst wenn man nur drei Sub-
stanzen hat, die drei Grössen A, B und C, welche die Meng-en
der gemischten Flüssigkeiten bedeuten mögen, in sechs Theile
in der Weise zu theilen, dass die Quotienten n = (A — ct)/ö7
ri=*{A-a)jc und m = (B-b)ja, m'= (B - b)/{C—c), wo tl, n'y
m, m'die Gewichtsverhältnisse der Substanzen in beiden Schieb-
ten bedeuten (n und n in der einen, und m und m in der anderen)
bei willkürlichen Werthen von A, J5und C constant bleiben, da
wir mehr Gleichungen (7)1) als Unbekannte (6) haben. Diese
Quotienten werden also bei der Destillation sich ändern und.
folglich auch die Spannkraft. Die Siedetemperatur ist mithin
nicht mehr constant.
In vollkommener Ueberein Stimmung hiermit stehen die
Versuche von Pierre und Puchot2), welche eine constante
Siedetemperatur für zwei geschichtete Flüssigkeiten und.
eine variable für drei constatirt haben,
Physik. Inst, der Univ. Strassburg i/E., Juli 1881.
III. lieber die Bildungswärme des Wassers;
von Alois Schuller.
(Vorgetragen in der Sitzung der ungar. Acad. d. Wiss. am 20. Juni 1881.)
1. Zu meinem Bedauern bin ich gezwungen, im Interesse
der mit Dr. Vinzenz Wartha gemeinschaftlich veröffent-
lichten Arbeit3) über die Verbrennungswärme des Wasser-
stoffes aufzutreten, da Dr. Karl v. Than in seinen „Ther-
mochemischen Untersuchungen"4) unser Resultat in Frage
stellt.
1) Die vier oben angerührten und noch drei: A — a = a\ B — b = b\
C — c = c\ wo a, a , 6, b', c, c Unbekannte sind.
2) Pierre u. Puchot, Ann. de chiin. et de phys. 4. p. 26.
3) Schüller u. Wartha, Wied. Ann. 2. p. 371. 1877.
4) K. v. Than, Wied. Ann. 13. p. 84, bes. p. 105. 1881.
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A. Schiller.
227
Vor allem sei mir erlaubt, den Unterschied zwischen
den zwei Verbrennungswärmen zu besprechen.
Wir bestimmten die Verbrennungswärme des H für den
Fall, dass die Verbrennung unter constantem Druck vor
sich geht, und fanden:
Ep = 34 126.
Herr Than hingegen bestimmte wiederholt die Ver-
brennungswärme bei constantem Volumen und fand zuletzt
419,274 Eiscalorien oder:
Ev = 33483
Wärmeeinheiten. Unter Wärmeeinheit verstehe ich die mitt-
lere spec. Wärme des Wassers zwischen 0 und 1000.1)
Ferner behaupteten wir, dass:
Ep~Ev = 403,
während nach Hrn. Than:
Ep — Ev = -j- -f- vApa
sei, wo das erste A 424, das zweite hingegen jj, bedeuten
muss. In diesem Ausdrucke bedeutet PV/A, oder, wenn
man A = jjj setzt, APV diejenige Wärme, welche die noch
unverbundenen Gase // und O entwickeln, während sie in
das angebliche Vacuum einströmen, während vApu die bei
der Condensation des Wasserdampfes auftretende, der äusse-
ren Arbeit entsprechende Wärme darstellt.
Was diese Abweichung betrifft, behaupte ich auch jetzt,
dass Ep — Ev = 403 mittleren Calorien ist. Der Unterschied
rührt nämlich blos von der äusseren Arbeit her, welche bei
der Verbrennung unter constantem Druck während der Vo-
lumenänderung geleistet wird, und diese, da sie nur einmal
geleistet wird, darf nur einmal in Rechnung gezogen werden,
wie aus der folgenden Betrachtung erhellt.
Es bedeute in Fig. 2 Taf. III der mit ganzen Strichen
dargestellte Theil den Apparat , der zur Verbrennung
unter constantem Drucke dient; der obere Theil reprä-
sentire die beiden Gasometer, der untere das Calorimeter C
mit dem im Inneren befindlichen Brenner. Während der
Verbrennung entwickelt sich im Calorimeter die mit Ep be-
1) L c. p. 364.
15*
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228 A. Schuller.
zeichnete Wärme, zugleich sinken die Kolben von K bis A,
und unterdessen wird die Arbeit P V geleistet, wenn P den
constanten Druck und V die Volumenänderung bedeutet. Man
mag sich den Vorgang im Brenner wie immer vorstellen,
jedenfalls wird nicht mehr äussere Arbeit geleistet als PV.
Selbst wenn der Druck vom normalen wesentlich verschieden
wäre, würde sich dieselbe Arbeit ergeben, denn es ist nach
dem Mariotte'schen Gesetze P. F=Const.1) — Will man
auf den Fall der Verbrennung bei constantem Volumen über-
gehen, so braucht man nur das kleine Calorimeter C durch
das grosse, mit unterbrochenen Strichen dargestellte ersetzt
und die Kolben bei K befestigt zu denken. Findet nun die
Verbindung der Gase statt, so entwickelt sich die mit Ev
bezeichnete Wärme, welche von der früheren Ep nur um den
Betrag AP V verschieden sein kann, der für die Massen-
einheit Wasserstoff 403 C. beträgt. Selbstverständlich ist
die äussere Arbeit in causalem Zusammenhange mit der
Condensation des Wasserdampfes, da die Volumenänderung
hauptsächlich hierdurch bedingt ist. Man kann auch mit
Berücksichtigung dieses Umstandes die äussere Arbeit be-
rechnen und findet natürlich bei richtiger Behandlung die-
selbe Grösse. Es kann aber zu keinem richtigen Resultate
führen, wenn man nach Hr. Than die der Temperatur 0°
entsprechende Arbeit in Rechnung zieht, denn diese setzt
voraus, dass die Verflüssigung erst bei 0° geschieht, wäh-
rend doch in unserem Falle ganz ähnliche Verhältnisse ob-
walten, wie bei den zur Bestimmung der Verdampfungswärme
von Regnault ausgeführten Versuchen, wo bei dem im
Calorimeter herrschenden Drucke von 760 mm die 100° ent-
sprechende latente Wärme gemessen wurde. Die dieser
Temperatur entsprechende äussere Arbeit und die zur Sät-
tigung erforderliche Verdichtungsarbeit wäre nun in Rech-
nung zu ziehen. — Jedenfalls verschwindet die Ueberein-
stimmung, welche Hr. Than zwischen seiner Verbrennungs-
wärme und der aus unserer Bestimmung von ihm berech-
neten findet.
1) V ist sehr nahe gleich dem Grasvolumen.
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A. Schuller
229
2. Ein ähnlicher, ebenso wesentlicher Unterschied zeigt
sich in der Berechnung der wahren Verbindungswärme oder
der „chemischen Energie" des Knallgases.
Nach Hrn. Than hätte man aus der bei constantem
Volumen bestimmten Verbrennungswärme nur die 0° ent-
sprechende innere latente Wärme des Wasserdampfes ab-
zuziehen, um die wahre Verbindungswärme zu erhalten.
Dabei wird aber stillschweigend vorausgesetzt, dass die Ver-
tiüssigung erst bei 0° vor sich geht, während sie bei seinen
Versuchen schon bei 96,4° beginnen musste. Ueberdies muss
besonders hervorgehoben werden, dass die innere latente
Wärme bei der Verflüssigung allein gar nicht auftreten
kann, und dass im fraglichen Falle die gesammte Dampf-
wärme1) in Betracht gezogen werden muss.
Da bei den Versuchen des Hrn. Than der Anfangs-
und Endzustand inbetreff des Aggregatzustandes verschieden
sind, so muss man auch hier die Reihe der Umwandlungen
sich gesondert denken, sodass der eine die chemische Ver-
änderung umfassende Theil sich auf gasförmige Bestandtheile
und auf ein gasförmiges Produkt bezieht. Die betreffende
Berechnung kann mit dem zur Verfügung stehenden Material
nur mit roher Annäherung ausgeführt werden, indem man
sich das Gasgemisch erst auf jene 96,4° erhitzt denkt, wozu
iVj Calorien erforderlich seien, dann die Verbindung bewirkt
und den Wasserdampf bis 96,4° abkühlen lässt, wobei die
wahre Verbindungswärme E auftritt, und endlich die Con-
densation bis 0° erfolgen lässt, was iV2 Wärme liefert. Man
hat dann:
Ev = -Nx + E+N2,
wo iVj = 349, N2 = 8,98 J2) = 5352 ist, daher
E=EV - 5003.
Nach Hrn. Than ist Ev = 33483, daher £=28 480.
Dieser Werth ist um 110 Calorien grösser als der von Hrn.
Than mitgetheilte, bleibt aber noch immer um 330 C. hinter
dem von uns berechneten zurück.
1) Zeuner, Wämietheorie, p. 270.
2) Zeuner, 1. c., Tab. lb.
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230
A. Schuller.
Was nun unseren Werth der Energiedifferenz zwischen
Knallgas und Wassergas betrifft, so wäre auch dieser nach
Hrn. Than unrichtig berechnet. Der von seiner Seite ohne
weitere Begründung gemachte Einwurf dürfte zwar schon
mit dem Gesagten entkräftet sein, dennoch will ich unser
nur kurz angedeutetes Verfahren der Berechnung recht-
fertigen.
Denken wir uns das Calorimeter und den Verbrennungs-
apparat V (Taf. III Fig. 3) aus je zwei Theilen bestehend, von
denen die oberen 225°, die unteren 0° besitzen. Die bei 0° und
760 mm Druck eintretenden Gase und O sollen sich im
oberen warmen Theile verbinden, während die Condensation
des Wasserdampfes im unteren kalten Theile erfolgen soll.
Dann wird das einströmende Gas zur Erwärmung auf 225°
Mx Wärme verbrauchen, welche bei dem thatsächlichen Ver-
suche von den schon verbrannten Gastheilen herstammt;
während der Verbrennung unter constantem Drucke ent-
wickelt sich die Verbindungswärme E und die der Verdich-
tung von 3 auf 2 Raumtheile entsprechende Wärme M¥
Die Wärmezunahme des oberen Calorimetertheiles beträgt
also — Mj -f- E + M2. Nun wird der entstandene Wasser-
dampf im unteren ebenfalls gashaltigen Theile unter dem
Drucke einer Atmosphäre zu Wasser condensirt, wobei die
Wärme M3 dem Calorimeter übergeben wird. Letztere
Grösse enthält natürlich jene äussere Arbeit, welche wäh-
rend der Condensation des Wasserdampfes von den nach-
strömenden Theilen geleistet wird; sie wurde direct den
Versuchen Regnault's entnommen, bei denen ganz ähnliche
Verhältnisse obwalteten.1) Nach dem Gesagten ist die ge-
sammte Wärmeent Wickelung:
- Mx + E + M2 + M3 = E,,
also: E= Ep - (M2 + M3 - MJ.
Nach Hrn. Than sollte von der rechten Seite noch
jene Wärmemenge abgezogen werden, „welche durch das
Einströmen der Gase im Vacuum erzeugt wird". Darunter
kann ich nur die der äusseren Arbeit entsprechende Wärme
,
1) Regnault, Mem. de l'acad. des scienc. 26. p. 175. 1862.
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A. Schüller
231
verstehen, denn nur diese Arbeit liefert Wärme beim Ein-
strömen ins Vacuum. Da aber in M2 und Mt der letzteren
Gleichung die der gesammten Volumenveränderung ent-
sprechende Arbeit berücksichtigt ist, so glaube ich den ohne-
hin mit nichts begründeten Einwurf des Hrn. Than beseitigt
zu haben. Nach alledem besteht ein wesentlicher Unter-
schied zwischen der von uns veröffentlichten wahren Ver-
bindungswärme (28 810) und der von Hrn. Than angege-
benen (28370 = 355,245 Eiscal).
3. Schliesslich will ich noch zeigen, wie gross der that-
sächliche Unterschied zwischen den beiden Bestimmungen
ist Man erkennt diesen frei von den Mängeln einer un-
sicheren Umrechnung, wenn man die von Hrn. Than be-
stimmte Verbindungswärme E0 = 33483 um 403 Wärmeein-
heiten, welche der äusseren Arbeit entsprechen, vermehrt
und die Summe (33886) mit der von uns gegebenen Ver-
brennungswärme Ep = 34126 vergleicht. Der Unterschied —
hier 240 C — kann nur von Unvollkommenheiten der be-
folgten Methoden herrühren. Da ich nun keine Fehlerquelle
kenne, welche bei der Verbrennung unter constantem Drucke
eine ähnliche Unsicherheit verursachen könnte, so bin ich
geneigt, anzunehmen, dass die von Hrn. Than befolgte, wohl
noch nicht genug erprobte Methode, trotz der sorgfältigen
Ausführung und der vollkommenen Apparate ähnlichen Feh-
lern unterworfen sein mag. Denn es existiren da zwei
Fehlerquellen, von deren Tragweite man sich kaum einen
Begriff verschaffen kann, einmal die intensive Lichtent-
wickelung, dann die Erschütterung während der Explosion,
welche der Umgebung des Calorimeters eine gewisse Arbeit
übermitteln, wodurch dem Calorimeter eine entsprechende
Wärme entzogen wird. Aus diesem Grunde glaube ich, dass
man den Resultaten der explosiven Verbrennung des Knall-
gases so lange kein Vertrauen schenken kann, bis nicht
Controlversuche ausgeführt sind, bei denen die erwähnten
Fehlerquellen vermieden sind. Diesbezüglich habe ich ver-
sucht, die Verbrennung des Knallgases in verschlossenem
Gefässe langsam zu bewirken, und fand, dass dies dadurch
gelingt, dass man einen kleinen Verbrennungsraum anbringt,
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232
L. Graetz.
der mit dem Gasraum durch eine Silberschrotschicht com-
municirt.
Leider bin ich jetzt nicht in der Lage, Wärmemessungen
ausfuhren zu können, und so muss ich mich darauf be-
schränken, die erwähnten Umstände als mögliche Fehler-
quellen zu bezeichnen.
Budapest, den 20. Juni 1881.
IV. JJeber die Wärmeleitungsfähigkeit von Gasen
und ihre Abhängigkeit von der Temperatur1) ;
von L. Graetz.
§ 1. Während die einatomigen Gase physikalisch defi-
nirt sind durch zwei Constanten, die moleculare Geschwin-
digkeit und die moleculare Weglänge, gehört zur Bestimmung
der mehratomigen Gase ausser diesen noch die Kenntniss
der inneren Kräfte in den Molecülen. Im Fall, dass ein
Gas im Gleichgewicht ist, steht seine intramoleculare Energie
in einem bestimmten constanten Verhältniss zu der Energie
der progressiven Bewegung. Wie sich dagegen die intra-
molecularen Bewegungen verhalten, wenn das Gas kineti-
schen oder thermischen Einflüssen unterworfen wird, wie
durch Reibung und Wärmeleitung, wissen wir noch nicht.
Man definirt die Reibung als bestehend in der Uebertra-
gung des Moments der progressiven Bewegung. Man
erhält aus dieser Definition und den experimentell gefunde-
nen Reibungscoefficienten die moleculare Weglänge L für jedes
Gas. Es entsteht die Frage: wie muss man die Wärmelei-
tungsfähigkeit der Gase definiren, welchen Antheil muss man
der intramolecularen Energie bei der Wärmeleitung zuschrei-
ben, um aus dieser Definition und dem experimentell gefun-
denen Werthe des Wärmeleitungsvermögens denselben Werth
für L zu erhalten. Dieser Weg der einseitigen Definition
ist nicht der correcte, aber zur ersten Orientirung erlaubt.
1) Habilitationsschrift. München 1881.
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L. Graetz.
233
Bei der Einführung der intramolecularen Energie in die
Definition der Wärmeleitung nehmen Maxwell und Clau-
sius zwei Grenzfälle an. Maxwell1) legte seiner Berech-
nung stillschweigend die Annahme zu Grunde, dass die pro-
gressive und die intramoleculare Energie sich genau in dem-
jenigen Verhältnisse an der Wärmeleitung betheiligen, in
welchem sie in dem Gase stehen, falls es im Gleichgewicht
ist, oder mit anderen Worten, dass die Energie der intra-
molecularen Bewegung ebenso schnell fortgeleitet wird wie
die der progressiven Bewegung. Aber schon die ersten Be-
obachtungen Stefan 's *) zeigten, dass die aus dieser An-
nahme berechneten Werthe viel zu gross sind, und schon
Stefan schloss daraus, dass die intramoleculare Energie sich
weit weniger an der Wärmeleitung betheiligt, als Maxwell
annahm. Boltzmann3) bemerkte dann, dass die Versuche
von Stefan und W inkel mann sich im ganzen befriedigend
darstellen lassen unter der Annahme, dass von der intra-
molecularen Energie nicht verhältnissmässig ebenso viel fort-
geleitet würde, wie von der progressiven, sondern dass von
ihr nur 3/is ihre8 Betrages weggeleitet würden. Ein anderes
Verhältniss hat 0. E. Meyer4) aufgestellt. Da die mit dem
Stefan'schen Apparate erhaltenen Zahlen, wie Stefan5)
selbst sagt, nicht ganz exact sind, so beweist diese Darstellung
nur, dass die Wärmeleitung hauptsächlich in der Ueber-
tragung von progressiver Energie besteht. Der zweite extreme
Fall, den zuerst Clausius6) bei seiner Theorie der mole-
cularen Stösse der Berechnung zu Grunde gelegt hat, ist der,
dass die Wärmeleitung nur von der Energie der progressi-
ven Bewegung abhängt, und dass die Molecüle beim Zusam-
raenstoss sich nur verschwindend wenig intramoleculare Ener-
gie mittheilen. Auch in die Maxwell'sche Theorie der fünften
Potenzen hat Boltzmann7) später diese Annahme eingeführt.
1) ~Maxwell, Phil. Mag. (4) 35. p. 216. 1868.
2) Stefan, Wien. Ber. 05. (2) p. 45. 1872 u. 72. (2) p. 69. 1875.
3) Boltzmann, Wien. Ber. 72. (2) p. 458. 1875.
4) 0. E. Meyer, Kinetische Theorie der Gase, p. 197. 1877.
5) Stefan, Wien. Ber. 72. (2) p. 73. 1875.
6) Clausius, Pogg. Ann. 115. p. 1. 1868.
7) Boltzmann, Wien. Ber. 72. (2) p. 458. 1875.
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234
L. Graetz
Nach der Clausius'schen Theorie ist der Wärmeleitungscoef-
ficient, wenn man das Maxwell'sche Vertheilungsgesetz an-
nimmt und möglichst streng rechnet1):
k = 1,530 ij cw,
worin ?j der Reibungscoefficient und cv die specifische Wärme
bei constantem Volumen ist. Aus der MaxweH'schen Theorie
folgt nach Boltzmann für diesen Fall:
k = j(x- \)r,cv,
worin v. das Verhältniss der specifischen Wärmen cpjcv ist.
Die nach den beiden Theorien berechneten Werthe für k
stimmen im allgemeinen nicht überein. Bei Luft, H2 , N„
02, CO, NO sind aber die Differenzen nicht sehr bedeutend.
Für die drei Gase, Luft, Wasserstoff und Kohlensäure, die
im Folgenden untersucht sind, stelle ich die aus beiden
Theorien berechneten Zahlen zusammen, indem ich die Werthe
von rt und cv aus der Zusammenstellung von 0. E. Meyer2)
entnehme.
k0 nach
.
Clausius Boltzniaim
Luft 0,000 049 2 0,000 048 8
Wasserstoff .... 0,000 349 7 0,000 330 1
Kohlensäure .... 0,000040 7 0,000 0304
i
Am sichersten ist noch der Werth für Luft zu berech-
nen, und deshalb wird ein Vergleich der experimentell ge-
fundenen Werthe von k0 für Luft mit dem berechneten die
Entscheidung liefern können, welchen Antheil die progres-
sive Energie, und welchen die intramoleculare Energie an
der Wärmeleitung hat. Nun ergeben meine Versuche für
Luft den Werth k0 = 0,000 048 4 , und die Versuche von
Kundt und War bürg3) ergeben, nachdem der Wasserwerth
ihres Thermometers bestimmt ist, gerade den Werth k0
= 0,000049 2, die also beide mit den oben berechneten
Werthen übereinstimmen. Es folgt aus diesen Zahlen, dass
1) 0. E. Meyer L c. p. 188.
2) ibid. p. 193.
3) Kundt u. Warburg, Pogg. Ann. 156. p. 198. 1875.
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L. Graetz.
235
die der Clausius'schen Berechnung zu Grunde liegende An-
nahme durch die Erfahrung bestätigt wird. Bei der Wärrae-
leitung tritt die intramoleculare Energie nur in unmessbar
geringer Menge ins Spiel, vielmehr besteht die Wärme-
leitung in der Uebertragung von nur progressiver
Energie, ebenso wie die Reibung in der Uebertra-
gung des Moments nur der progressiven Bewegung
besteht. In diesem Sinne kann man kurz sagen, für Rei-
bung und Wärmeleitung verhalten sich auch die
mehratomigen Molectile wie materielle Punkte.
Ausser über die absoluten Werthe des Wärmeleitungs-
vermögens stellen die beiden Theorien noch Forderungen
auf über die Abhängigkeit der Wärmeleitung von Druck
und Temperatur. In Bezug auf den Druck fordern sie beide
die Unabhängigkeit des Wärmeleitungsvermögens von dem-
selben (natürlich nur bis zu einer gewissen unteren Grenze).
Diese Forderung ist durch die Versuche von Stefan, Kundt
und Warburg und Winkelmann1) bestätigt. Eine Aus-
nahme, die Winkelmann2) neuerdings beim Aethylen con-
statirt haben will, lässt sich durch die von ihm nicht be-
rücksichtigte Absorption der strahlenden Wärme durch das
Aethylen erklären, wie weiter unten gezeigt werden wird.
In Bezug auf die Abhängigkeit der Wärmeleitung von
der Temperatur gehen die Forderungen beider Theorien
auseinander. Die Clausius'sche Theorie verlangt, dass die
Wärmeleitung sich ändere wie die Wurzel aus -der absoluten
Temperatur, die MaxweH'sche, dass sie sich wie die absolute
Temperatur ändere. Für den Reibungscoefficienten, für den
die beiden Theorien eben diese Abhängigkeit von der Tem-
peratur verlangen, ergaben die Versuche für die zweiatomi-
gen Gase ein Steigen mit der Temperatur wie T% oder
Erklärt wird diese Abweichung von der (Clausius'schen)
Theorie durch eine Verkleinerung des Molecularquerschnitts
bei höherer Temperatur. Diese ad hoc gemachte Erklärung,
die an sich etwas recht Unwahrscheinliches hat3), wird hin-
1) Winkel mann. Pogg. Ann. 150. p. 497. 1875.
2) Winkel mann, Wied. Ann. 11. p. 474. 1880.
3) Gegen diese Erklärung würde auch sprechen, wenn es sich be-
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236
Z,. Graetz.
fällig gemacht durch die im Folgenden sich ergebende That-
sache, dass der Wärmeleitungscoefticient für Luft und Wasser-
stoff sich höchstens proportional der Wurzel aus der abso-
luten Temperatur ändert. Die entgegengesetzten Resultate
Winkelmann's1), der Aenderungen bis zu T2 gefunden
hat, rühren von verschiedenen störenden Umständen her, die
später angegeben werden.
§ 2. Metbode und Apparate.
Alle Versuche über Wärmeleitung von Gasen sind nach
der Dulong-Petit'schen Methode der Abkühlung angestellt
worden. Auch bei den vorliegenden Versuchen musste, nach-
dem einige andere Methoden, die ich versucht hatte, an der
ausserordentlichen Temperaturleitungsfähigkeit der Gase ge-
scheitert waren, auf diese Beobachtungsweise zurückgegangen
werden. Die Methode leidet an dem doppelten Uebelstande,
dass 1) von dem Thermometergefäss ausser durch Wärme-
leitung auch noch durch Strahlung Wärme abgegeben wird
und dass 2) die aus den Versuchen zu berechnende Wärme-
leitungsconstante , die sich ja mit der Temperatur ändert,
sich auf eine nicht leicht anzugebende Temperatur bezieht.
Die Strahlung suchte Stefan durch Metallgefässe mit sehr
geringer Zwischenschicht zu verkleinern, Winkelmann
suchte sie durch Differenzbeobachtungen zu eliminiren;
Kundt und War bürg endlich, wie früher Narr2), bestimm-
ten die durch Strahlung übergeführte Wärmemenge direct,
welches offenbar der sicherste Weg ist. Die Variation
der Abkühlungsgeschwindigkeit mit der Temperatur
vernachlässigte Stefan, Winkelmann suchte sie angenähert
zu berücksichtigen, Kundt und Warburg endlich bestimm-
ten sie direct aus den Beobachtungen durch Interpolation.
Ein dritter Uebelstand der Methode, auf den wohl noch
stätigte, was E. Wie de mann gefunden hat (Arch. d. scienc. phye. et
nat. 56, p. 273. 1876) dass der Exponent der absoluten Temperatur bei
höheren Temperaturen wieder kleiner wird. Doch da die Apparate von
Wiedemann keine absoluten Werthe ergeben, so muss die Bestätigung
dieses Verhaltens abgewartet werden.
1) Winkelmann, Pogg. Ann. 157. p. 497. 1876 u. 150. p. 177. 1876.
2) Narr, Pogg. Ann. 142. p. 123. 1871.
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L. Graetz. 237
nicht aufmerksam gemacht worden ist1), ist folgender. Da
bei allen Versuchen ausser der durch Leitung übergeführten
Wärmemenge auch noch durch Strahlung Wärme abgegeben
wird, so ist eine einfache Addition und Subtraction dieser
Wärmemengen nur dann erlaubt, wenn die Gase die strah-
lende Wärme nicht theilweise absorbiren. Es ist weiter
vorauszusetzen, dass Gase, welche bei niederer Temperatur
wenig Wärme absorbiren, bei höherer Temperatur doch eine
mehr oder minder beträchtliche Absorption zeigen werden.
Findet aber Absorption statt, so ist es natürlich nicht mehr
erlaubt, von der gesammten übergeführten Wärmemenge die
durch Strahlung übergeführte abzuziehen, vielmehr wird der
Vorgang und die Berechnung dann viel complicirter (s. § 8).
Es haben meine' Versuche mit Kohlensäure bei höherer
Temperatur Abweichungen gezeigt, die ich mir nur durch
Absorption der strahlenden Wärme erklären kann.
Da Apparate aus Metall, wie die Stefan'schen . bei
höheren Temperaturen nicht anzuwenden sind, so wurden
die nachfolgenden Beobachtungen an Glasapparaten ange-
stellt, und es wurde aus den angegebenen Gründen die Beob-
achtungsweise von Kundt und War bürg angewandt.
Die Beschreibung eines der benutzten Apparate und der
speciellen Beobachtungsmethode ist in einer früheren Arbeit 2)
angegeben, in der auch die Zahlen enthalten sind, die zur
Bestimmung der Strahlung dienen. Eine Abbildung ähnlicher
Apparate ist in Pogg. Ann. 155. Taf. IX Fig. 2 zu finden;
nur sind bei meinen Apparaten die Thermometer in den
Hals der Kugel eingeschmolzen.
Im Folgenden sind die Beobachtungen an zwei Apparaten
von Geissler's Nachfolger angegeben, deren Dimensionen
folgende sind. Apparat I Apparat II
Radius der äusseren Kugel ra 2,9775 cm 2,8698 cm
Radius der Thermometerkugel rx . . . . 0,4230 „ 0,4092 „
Länge des Stiels l 15,6 „ 14,7 „
Radius des Stiels s 0,1753 „ 0,1808 „
Gewicht des Hg in der Kugel bei 20° C. . 2,2641 g 1,8979 g
Gewicht des Glases der Kugel g . . . . 0,3171 „ 0,3060 „
1) Beetz berührt diesen Punkt Wied. Ann. 7, p. 451. 1879.
2) Graetz, Wied. Ann. 11. p. 913. 1880.
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238
L. Graelz.
Daraus ergeben sich die Wasserwerthe:
Apparat I Apparat II
C0 0,13205 0,11717
C'lo0 0,13311 0,11900
C18, 0,13475 0,12054
Da die specifische Wärme des Glases doch an einiger
Unsicherheit leidet, so wurde die Verringerung des Gewichtes
des Quecksilbers in der Thermometerkugel bei höheren
Temperaturen nicht in Rechnung gezogen. Es wird aber
an den betreffenden Stellen, wo dies in Betracht kommt,
darauf aufmerksam gemacht werden, welchen Einfluss die
Berücksichtigung dieses Umstandes auf das Resultat haben
würde. Zur Berechnung der Wasserwerthe ist die specifische
Wärme des Quecksilbers constant angenommen worden
= 0,00332 l) und die des Glases nach Dulong und Petit2)
bei 0° 0,177, bei 100° 0,183, bei 182° 0,188.
Die Thermometer wurden corrigirt und durch Vergleich mit
einem Normalthermometer die Temperaturen auf das Luft-
thermometer reducirt. Die angegebenen Zahlen sind die
reducirten. Die Correction der Thermometerangaben wegen
des herausragenden Fadens wurde nicht angebracht.
Nach Beendigung eines Theiles der Versuche wurde an
den Apparat I eine andere Kugel angeschmolzen, deren
Radius r2 = 3,0011 cm war. Der Apparat mit dieser Kugel
ist als Ia bezeichnet.
Die Theorie der Versuche ist von Kundt und Warburg
ausführlich gegeben worden. Sie haben auch experimentell
gezeigt, was Oberbeck3) dann theoretisch bewiesen hat, dass
man die Strömungen in den Gasen durch Verringerung des
Druckes beseitigen kann.
Die Strahlung wird im Folgenden — vollkommene
Diathermansie vorausgesetzt — als unabhängig von der Natur
des durchstrahlten Mediums vorausgesetzt. Das ist sie nach
Clausius4) und Quintus Icilius5) nicht. Doch sind die
1) Winkelmann, Pogg. Ann. 159. p. 152. 1876.
2) Dulong u. Petit, Ann. d. ehim. et de phys. 7. (1) p. 148. 1817.
3) Oberbeck, Wied. Ann. 7. p. 271. 1879.
4) Clausius, Pogg. Ann. 121. p. 24. 1864.
5) Q. Icilius, Pogg. Ann. 127. p. 30. 1866.
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L. Graetz. 239
*
Brechungsexponenten der Gase so wenig von einander ver-
schieden, dass diese Vernachlässigung erlaubt ist.
§ 3. Die Beobachtungen.
Im Folgenden sind die gesammten Beobachtungen an-
gegeben, welche ich für die drei Gase: Luft, Wasserstoff und
Kohlensäure und für die reine Strahlung mit den beiden
Apparaten erhalten habe. Die Strahlungsbeobachtungen
sind unter der Rubrik p = o beigesetzt Die vollständige
Zusammenstellung der Beobachtungen lässt einerseits den
Einfluss der Strömungen erkennen, und zeigt andererseits
sofort, welche Beobachtungen zur Berechnung der Leitungs-
coefficienten genommen werden können.
Tabelle I siehe p. 240 bis 242.
§ 4. Berechnung der Strahlungsbeobachtungen.
Alle Beobachtungen lassen sich, wie aus dem Folgenden
ersichtlich ist, schon recht genau darstellen unter der An-
nahme, dass die Abkühlungsgeschwindigkeit die Form hat:
v = v0 + v1 1.
Man hat danach die Differentialgleichung:
-dt=cct(l + ßt)d&,
worin & die Zeiten und t die Temperaturen bedeuten, letztere
gerechnet von der Temperatur des Bades an. Das Integral
der Gleichung ist:
wo t0 die Temperatur für # = o ist.
Nach dieser Formel hat man aus den Beobachtungen
die a und ß zu berechnen, und die so gefundenen a geben
die Abkühlungsgeschwindigkeiten für die Temperatur des
Bades an. Um ß aus den Beobachtungen zu berechnen,
hat man durch Interpolation zwei Paare von Temperaturen
1 und 2 zu bestimmen, für welche &x — &2 denselben Werth
hat, und hat dann, wenn diese mit mit ^ t2 ^ f4 bezeichnet
werden, die Gleichung (auf p. 243)1):
1) 0. E. Meyer, Pogg. Ann. 142. p. 514. 1871.
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240
L. Graetz.
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3. Kohlensäure
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L. Graetz.
241
4. Strahlung
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242
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Zr. Graetz.
243
U + tä
tt + t%
Die Berechnung der ß aus den Beobachtungen ist keine
sehr genaue; doch ist dies nur eine Correctionsgrösse. Ist
ß bekannt, so ergibt sich a leicht aus der Integralform eL
Die Abweichung der berechneten Werthe von den beob-
achteten erreicht nie 1% der letzteren. In der folgenden
Tabelle II sind die Strahlungsbeobachtungen aus beiden
Apparaten für die niederen und mittleren Temperaturen so
berechnet1):
Tabelle II.
1. Apparat I.
0,001 559
<* =
0,0051
t
&
beob.
&
berech.
Diff.
63,0
0
0
57,8
41
42,1
-M
52,6
88
88,9
-0,9
47,4
143
142,6
+0,4
42,2
204
203,3
+0,7
37,0
31,7
26,5
275
273,5
+ 1,5
356
357,9
-1,9
-3,8
454
457,8
585,6
21,2
587
+ 1,4
0,003 756
ß =
0,0039
t
&
beob.
&
berech.
Diff.
163,6
0
0
158,7
17
17,2
-0,2
153,8
36
36,3
58,0
-0,3
148,8
58
±0,0
143,9
83
81,9
+ 1,1
138,9
110
109,6
+0,4
134,0
142
141,0
+ 1,0
+0,2
129,0
179
178,8
224,5
124,0
224
-0,5
2. Apparat IL
0,001 727
(9-0,
t
beob.
berech.
60,6
0
0
55,6
37
37,0
50,5
79
79,2
45,5
126
126,1
40,5
180
179,7
35,5
242
241,9
30,5
315
315,5
25,5
404
404,0
515,2
20,5
517
Diff.
±0,0
-0,2
-0,1
+ 0,3
+0,1
-0,5
±0,0
+ 1,8
a, = 0,003 858 ß = 0,0067
161,7
156,6
151,5
146,4
141,3
136,3
131,2
126,2
121,2
beob.
&
berech.
Diff.
0
0
16
15,9
+0,1
+0,2
34
33,8
54
54,1
-0,1
78
77,2
+0,8
103
103,6
-0,6
136
135,4
+0,6
172
173,0
-1,0
219
221,2
-2,2
1) Wenn man die Strahlungsbeobachtungen an dem zweiten Ap-
parat ebenso, wie es in der erwähnten früheren Arbeit geschehen ist,
zur Prüfung des Stefan'schen Strahlungsgesetzes benutzt, so erhält man
für das absolute Emmissionsvermögen <t [1012] die drei Werthe 1,093,
1,087, 1,097, die mit den früher gefundenen Zahlen 1,086, 1,057, 1,085,
gut übereinstimmen.
16*
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244
L. Graetz
§ 5. Bestimmung der Wärmeleitungsfähigkeit k0 für Luft
und des Temperaturcoöfficienten y derselben.
Zur Berechnung der Wärmeleitungsfähigkeit der Grase
und ihrer Abhängigkeit von der Temperatur werden im Fol-
genden aus später zu erörternden Gründen nur die Beob-
achtungen zwischen 60 und 20° und zwischen 160 und 120°
benützt. Es müssen dann aus der Tabelle I diejenigen
Beobachtungen herausgenommen werden, bei welchen die
Strömungen keinen Einfluss mehr haben. Danach können
also zur Berechnung der Wärmeleitungsfähigkeit der Luft
bei 0° dienen die Beobachtungen bei p = 19 und p = 9 beim
Apparat I und bei p = 35 und p = 5 beim Apparat II. Die
vollständige Berechnung dieser Versuche ist enthalten in:
Tabelle III.
1. Apparat I.
= 19
« =
0,003 853
<?-
0,0016
« SS
0,003 811
ß-
t
&
beob.
&
berech.
Diff.
t
&
beob.
&
berech.
63,0
0
0
63,0
0
0
57,8
20
20,3
-0,3
57,8
20
20,6
52,6
43
42,8
+ 0,2
+ 1,2
52,6
44
43,3
47,4
69
67,8
47,4
69
68,5
42,2
96
96,0
±0,0
42,2
98
97,0
37,0
128
128,0
±0,0
37,0
130
129,4
31,7
166
166,0
±0,0
31,7
168
167,9
26,5
210
210,3
-0,3
26,5
212
212,7
21,2
265
266,1
-1,1
21,2
267
269,1
^ = 9
0,0016
Diff.
— 0,6
+ 0,7
+ 0,5
+ 1,0
+ 0,6
+ 0,1
-0,7
-2,1
2. Apparat II.
p = 35
a m
0,004 188
0,003 06
« =
0,004 212
0 = 0
t
&
beob.
&
berech.
Diff.
t
beob.
&
berech.
60,6
0
0
60,6
0
0
55,6
17
17,4
-0,4
55,6
50,5
38
37,2
+ 0,8
50,5
37
37,0
45,5
59,5
58,9
+ 0,6
45,5
60
58,6
40,5
84
83,5
+0,5
40,5
83
83,0
35,5
112
111,7
+ 0,3
35,5
111
111,1
30,5
144
144,6
-0,6
±0,0
30,5
144
143,8
25,5
184
184,0
25,5
182
183,0
20,5
233
232,7
+ 0,3
20,5
231
231,4
p = 5
Diff.
±0,0
+ 1,4
±0,0
-0,1
+0,2
-1,0
-0,4
Man erkennt, dass die berechneten Werthe sich den
beobachteten gut anschliessen. Nimmt man also diese Dar-
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L. Graetz. 245
Stellung an, dann berechnet sich k0 aus den ce, wie man aus
der Arbeit von Kundt und War bürg ersieht, nach der
Formel:
iL a.).
Nun ist für den Apparat I im Mittel:
a = 0,003 832 a, » 0,001 559.
Daraus folgt ä0 = 0,000 048 44.
Für den Apparat II ist im Mittel:
a = 0,004 200 a, = 0,001 727.
Daraus folgt k0 = 0,000 048 31.
Als Mittel aus beiden Zahlen erhält man also:
*o - 0,000 048 38 «J^mde '
Dass die beiden Werthe nur um 1/2°/o von einander
abweichen, ist zufällig. Eine solche Genauigkeit lässt die
Berechnungsweise nicht zu.
Dieser Werth von k0 stimmt gut überein mit dem aus
den Beobachtungen von Kundt und Warburg1) sich er-
gebenden. Hr. Prof. Kundt hatte die Freundlichkeit, mir
den Originalapparat, mit dem die Beobachtungen von Kundt
und War bürg angestellt worden waren, zu überlassen, um
den Wasserwerth des Thermometers möglichst genau zu
bestimmen, was nur durch Zerschneiden des Apparates aus-
führbar war. Ich erhielt so C0 = 0,161 34,
und daraus ergibt sich Luft:
Ä0 = 0,000 049 2 - &ramm— •
0 ' centim. secunde
Diese Zahlen stimmen bis auf 17s °/o überein, während
die Abweichungen von den Stefan'schen und Winkelmann'-
schen Werthen 12, resp. 7°/0 betragen. Wie schon in der
Einleitung erwähnt, verlangt die Clausius'sche Berechnungs-
weise gerade diesen absoluten Werth des Wärmeleitungsver-
mögens.
Um ferner die Abhängigkeit der Wärmeleitung von der
Temperatur zu finden, sind ebenso die Versuche bei der
mittleren Temperatur in folgender Tabelle berechnet:
1) Kundt und Warburg, Pogg. Ann. 156. p. 186. 1875.
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246
L. Graetz
Tabelle IV,
1. Apparat I.
p = 33
V
— Q
a =
0,006 393
ß =
0,0018
a m
0,006 393
0,0018
t
beob.
&
berech.
Diff.
4
&
beob.
berech.
Diff.
163,6
0
0
163,6
0
0
158,7
11
11,3
-0,3
158,7
12
11,3
+ 0,7
153,8
24
23,7
+ 0,3
153,8
24
23,7
+ 0,3
148,8
38
37,6
+0,4
148,8
38
37,6
+ 0,4
143,9
53
52,9
+0,1
+ 0,5
143,9
53
52,9
+ o,i
138,9
71
70,5
138,9
71
70,5
+ 0,5
134,0
90
90,2
-0,2
134,0
90
90,2
—0,2
129,0
114
113,7
+ 0,3
129,0
114
113,7
142,0
+ 0,3
124,0
141
142,0
-1,0
124,0
141
-1,0
2. Apparat II.
V =
100
P*
« m
0,007 083
ß « 0,001 95
0,006 890
t
&
beob.
&
berech.
Diff.
&
beob.
161,7
0
0
161,7
0
156,6
151,5
11
10,8
+0,2
156,6
11
23
22,8
+0,2
151,5
23
146,4
36
36,1
+0,1
146,4
36,5
141,3
51
51,0
±0,0
141,3
51,5
136,3
67,5
67,7
-0,2
136,3
69
131,2
87
87,4
-0,4
131,2
89
126,2
110
110,4
-0,4
126,2
112
121,1
138
139,0
-1,0
121,1
140
35
ß = 0,002 27
berech.
0
10,9
23,0
36,5
51,7
68,7
88,7
112,1
141,3
Diff.
+ 0,1
±0,0
±0,0
-0,2
+ 0,3
+ 0,3
-0,1
-1,3
p = 5
a = 0,006 363 ß
m 0,003 86
t
&
beob.
berech.
Diff.
t
& &
beob. berech.
Diff.
161,7
0
0
136,3
70 69,5
+ 0,5
156,6
11
10,9
+0,1
131,2
90 90,2
-0,2
151,5
23,5
23,1
+0,4
126,2
114,5 114,5
±0,0
146,4
36
36,7
-0,7
121,2
144 145,0
-1,0
141,3
52
52,1
-0,1
Es ergibt sich also im Mittel zur Berechnung von t\
aus Apparat I a = 0,006 393 a, - 0,003 765
und daraus = 0,000056 73,
aus Apparat II u = 0,006 779 cc, = 0,003 858
und daraus = 0,000 057 96.
Es ist also im Mittel:
oo :
Ä100 = 0,000 057 34 Jggg x- -
100 ' centim. secunde
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L. Grraetz.
247
Die beiden Werthe von k für 0 und 100° erlauben die Be-
rechnung des Temperaturcoefficienten der Luft y nach der
Formel: Ä100 - k0 (1 + 100 y).
Es ergibt sich daraus1):
y = 0,001 85.
Die Clausius'sche Theorie fordert bekanntlich für y den
Werth 0,00183, während die Maxwell'sche 0,003 66 fordert.
Der gefundene Werth liegt sehr nahe an dem von
Clausius geforderten Werthe. Aus jedem Apparat ein-
zeln ergibt sich:
r = 0,001 74 und 0,002 00.
Die Abweichungen sind, procentisch genommen, nicht unbe-
deutend. Die Art der Berechnung gestattet aber keine
grössere Genauigkeit. Jedenfalls aber beweisen die Werthe.
dass die Wärmeleitung der Luft sich nicht in glei-
cher Weise mit der Temperatur ändert wie die Rei-
bung (für diese ist ^=0,002 77), sondern viel langsamer,
und zwar ungefähr so, wie es die Clausius'sche
Theorie verlangt.
§ 6. Bestimmung von k0 und y für Wasserstoff.
Um für den Wasserstoff die Beobachtungen durch eine
quadratische Formel darzustellen, reicht das Intervall von
40° nicht aus. Um das ganze Intervall von 0 bis 160° zu
benutzen, ist es nothwendig, aus den Beobachtungen erst den
Antheil der Strahlung zu eliminiren. Wenn sich das Ther-
mometer um ät Grade abkühlt 1) durch Strahlung allein in
der Zeit A&B, 2) durch Strahlung und Leitung zusammen in
der Zeit dann kühlt es sich durch Leitung allein (in
den kleinen Intervallen Proportionalität vorausgesetzt) um
At Grade ab in der Zeit:
1) Wenn die Verringerung des Gewichtes des Quecksilbers in der Ther-
mometerkugel bei 100 0 in Rechnung gezogen worden wäre, und wenn die
specifische Wärme desselben als mit steigender Temperatur abnehmend an-
genommen worden wäre, wie Winkelmann behauptet, so würde y noch
kleiner gefunden worden sein.
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248 L. Graetz.
Auf diese Weise kann man aus den Beobachtungen an-
genähert die Strahlung eliminiren. Dies ist in Tabelle V
für die Beobachtungen am Apparat I geschehen.
Tabelle V.
I. Temperaturen zwischen 60 und 20°.
t
Luft p m 9
Wasserst
P
^t + *
— 99
Kohlensäure
p = 6,5
63,0
57,8
52,6
47,4
42,2
37,0
31,7
26,5
21,2
0
20
44
69
1)8
130
168
212
267
IL 1
0
39
86
136
188
248
315
399
494
^emperal
0
5
11
17,3
23,3
32.
41
52
65
m-en zwiscl
0
6
13
20
27
37
47
59
73
ien 160 un
0
26
55
86
122
162
209
266
336
d 120°.
0
,1?
222
315
413
518
645
795
t
Luft p = 9
Wassertoff 1 240
p= \ 103
Kohlensäure
P = 6,5
*.
*.
*1
163,6
0
0
0
0
0
0
158,7
12
43
4
5
13
58
153,8
24
81
8
10
27
125
148,8
38
118
12,5
16
43
183
143,9
53
160
17,5
23
60
245
138,9
71
213
23,5
29,5
31
80
320
134,0
90
262
38
102
403
129,0
124,0
114
330
36
47
129
495
141
397
46
60
161
604
Man ersieht aus diesen Tabellen, dass die Strahlung bei
den Beobachtungen mit Wasserstoff keinen grossen Einfluss
hat. Man kann nun die Berechnung mit einem beliebigen
ß anfangen, aus den beiden Beobachtungsreihen damit cc0
und «100 bilden, aus diesen mit Berücksichtigung von C0 und
C100 einen Werth von y finden, dann das diesem entsprechende
ß zur Berechnung benutzen u. s. f. Auf diese Weise erhält
man als angenäherten Werth y = 0,0015, und wenn man nun
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L. Graetz.
249
die Berechnung mit ß = 0,0008 ausführt , so erhält man für
den Apparat I:
A0 = 0,000 3131,
»wo- 0,0003538.
Auf dieselbe Weise erhält man aus dem Apparat II:
A0 = 0,000324 9,
Ä100 = 0,000 384 9.
Es ist also im Mittel:
iL = 0,000 319 0 f,gramm .
0 7 centim. secunde
^ = 0,000369 3,
und daraus ergibt sich:
y = 0,0016.
Also auch beim Wasserstoff folgt die Wärme-
leitung angenähert dem Clausius'schen Gesetz, wahr-
scheinlicherweise ändert sie sich noch langsamer mit der
Temperatur, als es dieses Gesetz verlangt.
Das Verhältniss der Wärmeleitungsfähigkeiten von Luft
und Wasserstoff ergibt sich aus den obigen Zahlen zu 6,59,
während die Theorie verlangt kw/ki = 7,1. Berechnet man
ebenso die Beobachtungen von Kundt und Warburg mit
dem Werthe £ = 0.0008, so erhält man für dieses Verhält-
niss den Werth 6,75. Diese Abweichungen von der Theorie
können ihren Grund in geringen Verunreinigungen des Was-
serstoffs haben, der ja, wenn er aus Zink und Schwefelsäure
bereitet wird, nur schwer von allen Kohlenwasserstoffen zu
befreien ist.
§ 7. Bestimmung von k0 und y für Kohlensäure.
Um den absoluten Werth des Wärmeleitungsvermögens
der Kohlensäure bei 0° zu berechnen, sind in Tabelle VI wie-
der die betreffenden Beobachtungen mit den vollständigen
Berechnungen angegeben.
250
L. Graetz.
Tabelle VI.
1. Apparat I.
P =
21
(t =
0,003 030
ß =
0,00152
t
beob.
&
berech.
Diff.
63,0
0
0
57,8
26
26,0
±0,0
+ 0,3
52,6
55
54,7
47,4
86
86,6
-0,6
42,2
123
122,5
+ 0,5
37,0
165
163,5
+ 1,5
31,7
26,5
212
212,0
±0,0
268
268,6
-0,6
21,2
337
339,6
-2,6
p = 6,5
a = 0,003 048 ß = 0,00154
t
beob.
a.
vT
berech.
Diff.
63,0
0
0
57,8
26
25,9
+ 0,1
52,6
55
54,4
+0,6
47,4
86
86,1
-0,1
42,2
122
121,8
+ 0,2
37,0
162
162,4
-0,4
31,7
209
210,6
-1,6
26,5
266
266,9
337,5
-0,9
-1,5
21,2
336
2. Apparat II.
P ■
= 10
P
= 1
re =
0,003 290
0,0035
« = 0,003 338 6
ß~
0,0031
t
&
beob.
&
berech.
Diff.
t
&
beob.
&
berech.
Diff.
60,6
0
0
60,6
0
0
55,6
22
21,8
+0,2
55,6
21,5
21,9
-0,4
50,5
50,5
46,5
46,6
-0,1
45,5
74
73,6
+0,4
45,5
74
78,8
+ 0,2
40,5
104
104,3
-0,3
40,5
105
104,6
+ 0,4
35,5
140
139,4
+ 0,6
35,5
141
140,0
+ 1,0
30,5
181
181,1
-0,1
80,5
182
181,2
+ 0,8
25,5
229
230,7
-1,7
25,5
231
230,5
+ 0,5
20,5
290
292,2
-2,2
20,5
291
291,6
-0,6
Die daraus resultirenden Werthe von a mit den Werthen
von a8 combinirt, geben als absoluten Werth des Wärme-
leitungsvermögens der Kohlensäure bei 0°:
aus Apparat I Ä0 = 0,000031 35,
„ „ II k0 = 0,000 030 48,
im Mittel also:
A0 = 0,000 030 91 fframm . .
0 7 centim. secunde
Dieser Werth stimmt zwar ziemlich gut überein mit dem
aus der Clausius'schen Theorie nach den neuesten Zahlen
von Wüllner1) berechneten Werthe:
Ä0 = 0,000031 5.
Indess ist erstens die Kohlensäure ein schon bei niedri-
gen Temperaturen nicht unbeträchtlich absorbirendes Gas,
1) Wüllner, Wied. Ann. 4. p. 340. 1878.
Digitized by Google
L. Graetz.
251
zweitens aber sind auch die Differenzen zwischen den Wer-
then von a für die Kohlensäure und die reine Strahlung
nicht mehr so gross, dass die Werth e von k einen grossen
Anspruch auf Genauigkeit haben können. Darauf beruht
es auch wohl, dass der von Kundt und War bürg erhaltene
Werth für CO«,:
k0 wm 0,000 029 0
mit dem meinigen nicht gut übereinstimmt. Nach den obi-
gen Versuchen ist die Wärmeleitungsfahigkeit der Kohlen-
säure bezogen auf die der Luft als Einheit 0,64, wäh-
rend Kundt und War bürg fanden 0,59. Die Theorie ver-
langt 0,66.
Zur Bestimmung von ^00 für Kohlensäure dient die
vollständige Berechnung in:
Tabelle VII.
1. Apparat L
p = 22
u = 0,005 498 ß = 0,00226
t
&
beob.
berech.
Diff.
163,6
0
0
158,7
13
12,8
+ 0,2
153,8
27
26,9
+0,1
+ 0,2
148,8
43
42,8
143,9
60
60,2
-0,2
138,9
134,0
80
80,3
-0,3
103
103,0
±0,0
-1,0
129,0
129
130,0
162,5
124,0
161
-1,5
p = 6,b
« = 0,005 504 ß = 0,002 26
t
beob.
&
berech.
Dift.
163,6
0
0
158,7
13
12,8
26,9
+ 0,2
+04
+ 0,3
153,8
148,8
27
43
42,7
143,9
60
60,1
-0,1
138,9
80
80,2
-0,2
134,0
102
102,8
-0,8
129,0
129
129,8
162,3
-0.8
-1,3
124,0
161
2. Apparat II.
p = 70
« = 0,005 595
ß =
0,005 25
t
&
beob.
&
berech.
Diff.
161,7
0
0
156,6
11,5
11,6
-0,1
151,5
146,4
25
24,5
+0,5
+ 0,5
39,5
39,0
141,3
55,5
55,6
-o,i
136,3
74
74,3
96,7
-0,3
131,2
97
+ 0,3
126,2
121,2
122
123,0
-1,0
-2,1
154
156,1
« = 0,005 891 5
<* =
0,003 34
t
beob.
&
berech.
Diff.
161,7
0
0
156,6
12
12,0
±0,0
+0,6
151,5
26
25,4
146,4
141,3
40,5
40,8
-0,3
58
57,7
76,7
+ 0,3
136,3
76
-0,7
131,2
99
98,7
+ 0,3
126,2
124
124,9
-0,9
121,2
157
157,8
-0,8
Digitized by Co
252
• L. Graetz.
p = l
t & &
beob. berech.
161,7 0 0
156,6 12 12,2
151,5 26 25,7
146,4 41 41,3
141,3 58 58,4
Aus diesen Zahlen ergibt sich:
für den Apparat I A100 = 0,000 037 49,
„ „ „ n A100 = 0,000 037 90,
also im Mittel:
0,000 087 70 ssSai-
Daraus berechnet sich der Temperaturcoefficient:
r = 0,0022,
der also auch bedeutend kleiner ist als der entsprechende
Coefficient bei der Reibung (y = 0,0033).
Aus den oben angegebenen Gründen kann ich aber
diesen Zahlen selbst keine grosse Sicherheit beilegen.
§ 8. Einfluss der Absorption der strahlenden Wärme auf die
Beobachtungen.
Wenn in einer Substanz, die zwischen zwei unendlichen
Ebenen von den Temperaturen ux und u0 liegt, Wärme nur
durch Leitung übergeführt wird, so ist die Temperaturer-
höhung in einer Schicht von der Dicke dx im Abstand x
von der Ebene ux gegeben durch:
du k d*u j
1ia* ,s*iCd&a*'
Viel complicirter wird die Gleichung, wenn die Substanz
theilweise diatherman ist. Dann wird diese Schicht ausser
dieser Temperaturerhöhung noch eine andere erhalten durch
Absorption der strahlenden Wärme, und sie wird eine Tem-
peraturerniedrigung erleiden durch eigene Emission. Der
Zuwachs an Temperatur setzt sich zusammen 1) aus der
Absorption der von den Wänden ausgestrahlten Wärme,
2) aus der Absorption der von jeder Schicht der Substanz
ausgesendeten Wärme. Es seien Qx die von der Fläche uv
Q0 die von der Fläche uQ ausgestrahlten Wärmemengen von
« - 0,005 818 4 ß = 0,003 34
Diff.
t
a
tT
beob.
Q.
\T
berech.
Diff.
136,3
78
77,6
4-0,4
-0,2
131,2
100,5
99,9
+0,6
+ 0,3
126,2
127,5
126,5
+ 1,0
-0,3
121,2
160
159,8
+0,2
—0,4
Digitized by Google
L, Graetz.
253
bestimmter Farbe X. Es sind QY und Q0 Functionen von uv
resp. w0 und l. Es sei cti die von einer Schicht von der Dicke
1 absorbirte Wärmemenge dieser Farbe, also — log (1 — «i) dx
die von einer Schicht von der Dicke dx absorbirte Wärme-
menge. Dann ist die Temperaturerhöhung in der Schicht dx
im Abstand x durch die Strahlung von den Wänden:
Es sei ferner ikdy die von einer Schicht dy nach einer Seite
ausgestrahlte Wärmemenge derselben Farbe, es ist dann die
Temperaturerhöhung durch die innere Strahlung:
X d
1 0 *
Es ist die Temperaturerniedrigung durch Ausstrahlung =
2/()C.6xdx, wir haben also die Gleichung:
S = vc % - (2 I1 - «ar « + (i - 9
x d
Es sind darin a und € Functionen von u, also auch
Functionen des Ortes. Ohne auf eine nähere Discussion
dieser Gleichung hier einzugehen, die späterer Untersuchung
überlassen bleiben soll, kann man einen einfachen Schluss
aus ihr ziehen. Da die von den beiden, der Schicht x un-
endlich benachbarten Schichten ausgesandten und von der
Schicht x absorbirten Wärmemengen allein schon beinahe
gleich sein werden der von der Schicht x ausgestrahlten
Wärmemenge (da sie von denselben Farben sind), so wird
der zu cPu/dx2 hinzutretende Ausdruck wesentlich positiv
sein, d. h. im Falle stationärer Temperaturvertheilung wird
du/dx > 0 sein.
Die Temperatur fällt nicht nach einer geraden Linie
ab, sondern nach einer gegen die x-Axe concaven Curve.
In jedem Punkte ist die Temperatur infolge der Ab-
sorption eine höhere, als sie ohne Absorption sein würde.
254
L. Graetz
Es wird also in einer bestimmten Zeit weniger Wärme über-
geführt, d. h. der Leitungscoefficient muss scheinbar zu
klein sein.
Ausserdem wird natürlich die durch Strahlung von der
Fläche in derselben Zeit abgegebene Wärmemenge kleiner,
wenn das Gras absorbirt, als wenn es nicht absorbirt. Aus
diesen beiden Gründen muss der aus den Beobachtungen
sich ergebende Werth von k zu klein sein.
Nun ergeben meine Versuche mit Kohlensäure zwischen
den Temperaturen 226 und 180° einen zu kleinen Werth
von k. Eine exacte numerische Berechnung der Beobach-
tungen ist jedoch nicht möglich, weil die Abkühlungszeiten
zu klein sind. Man erkennt indess die Abweichung bei der
Kohlensäure sofort, wenn man die Strahlung nach der in § 6
benutzten Methode eliminirt und die Abkühlungszeiten durch
Interpolation auf dasselbe Temperaturintervall 45—20° (die
Temperatur des Bades gleich 0 gesetzt) bezieht. Man erhält
so folgende Zahlen (aus App. I):
0°
100°
182°
Wasserstoff .
. 54"
49"
38"
. 347"
299"
279"
Kohlensäure .
. 564"
460"
482"
Bei Wasserstoff und Luft nimmt also die Wärmeleitungs-
fähigkeit mit steigender Temperatur stetig zu, bei der Kohlen-
säure nimmt sie erst zu, dann scheinbar ab, ein Verhalten,
welches durch die Absorption der strahlenden Wärme in der
Kohlensäure1) seine volle Erklärung findet; denselben Gang
zeigen die Beobachtungen am Apparat II. Bei Luft nimmt
der Wärmeleitungscoefficient zwischen 100 und 182° weniger
zu als zwischen 0 und 100°. Dies kann davon herrühren,
dass die Luft nicht von ihrer Kohlensäure befreit war. Beim
Wasserstoff scheint y mit steigender Temperatur erheblich
zu wachsen.
Einige Versuche, die ich mit Quecksilberdampf angestellt
habe, scheinen zu beweisen, dass derselbe die strahlende
1) Tyndall, Pogg. Ann. 113. p. 1. 1861. Magnus, Pogg. Ann.
112. p. 497. 1861.
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L. Graetz.
255
Wärme sehr stark absorbirt; doch sind diese Versuche nicht
sicher genug, um genauere Zahlen mitzutheilen.
Aus den angegebenen Ueberlegungen folgt, dass die
Wärmeleitungsfähigkeit von absorbirenden Gasen und Dämpfen
sich nach der Abkühlungsmethode nicht bestimmen lässt.
§ 9. Discussion der Resultate.
Die absoluten Werthe des Wärmeleitungsvermögens von
Luft und Wasserstoff bei 0°, die oben gefunden wurden, stimmen
ziemlich überein mit den von Kundt und War bürg gefun-
denen und beweisen, dass bei der Wärmeleitung die innere
Energie der Molecüle nicht ins Spiel kommt. Die Werthe
von Stefan und Winkelmann sind erheblich zu gross,
wahrscheinlich weil die Form der Apparate nach Stefan
eine genaue Bestimmung der absoluten Werthe nicht zulässt.
Die relativen Werthe von k sind angenähert so, wie es die
Theorie verlangt. Ein erheblicher Widerspruch liegt aber
zwischen den von mir bestimmten Temperaturcoefficienten
und den von Winkelmann bestimmten vor. Die Zahlen
von Winkelmann sind bedeutend grösser als die meinigen.
Und doch lässt sich zeigen, dass die oben abgeleiteten Werthe
von y die grössten sind, die sich aus den Beobachtungen ent-
nehmen lassen. Falls man Correctionen an ihnen anbringen
will, so können diese den Werth von y nur verkleinern,
wodurch der Widerspruch mit Winkelmann noch grösser
wird. Es lässt sich dies leicht z. B. an den Beobachtungen
für Luft (Apparat I) zeigen, indem man die zur Berechnung
von y dienenden Grössen einzeln untersucht. Es ist:
100 y = K° C"° _lt
(«o - ««/> ) Co
1) Die Strahlung kann nach der obigen Methode nur
zu grosse Abkühlungsgeschwindigkeiten a9 geben, wenn noch
Leitung durch das Gas vorhanden ist. Wenn also die Strah-
lung nicht ganz genau bestimmt ist, so werden die a8 und
wird dadurch auch y noch kleiner.
2) Die Beobachtungen der Wärmeleitung und Strah-
lung zusammen sind sicher auszuführen. Die Berechnung,
die weniger sicher ist, gibt, wie Tabelle III und IV
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256 L. Graetz.
zeigen, Werthe von cc, die sich den Beobachtungen gut an-
schliessen. Doch sind die zurückberechneten Zeiten für die
letzten Temperaturen immer etwas zu gross. Eine compli-
cirtere Formel müsste daher noch grössere a ergeben. Da-
durch würde aber y noch kleiner werden.
3) Bei der Bestimmung der Wasserwerthe ist die
Verringerung des Gewichtes des Hg in der Kugel bei höhe-
ren Temperaturen nicht berücksichtigt worden. Es ist auch
nicht das Resultat der Winkelmann'schen l) Beobachtung
benutzt worden, dass die specifische Wärme des Hg mit
steigender Temperatur abnimmt. Berücksichtigt man diese
beiden Verhältnisse, so wird C100 und dadurch auch / noch
kleiner.
Es bleibt also das Resultat bestehen, dass die Wärme-
leitung der Luft sich höchstens proportional der Wurzel aus
der absoluten Temperatur ändert. Ebenso sicher ist das
Resultat für Wasserstoff. Bei der Kohlensäure kann ich
wegen der Kleinheit der Differenzen und wegen des Ein-
flusses der Absorption meine Zahlen nicht für ebenso sicher
halten.
Der Grund der Differenzen zwischen den Werthen von
Winkelmann und den meinigen liegt, wie ich vermuthe,
theils in der Art und Weise der Winkelmann'schen Berech-
nung, theils und hauptsächlich in der bei Winkelmann
nicht vermiedenen Leitung des Glases. Als Beweis dafür
mögen folgende Punkte angeführt werden:
1) Die Winkelmann'schen Beobachtungen geben nicht
die richtigen absoluten Werthe von k für 0° (resp. 7,5°).
Berechnet man diese Werthe nach der Formel:
wo alle auf der rechten Seite stehenden Grössen von Winkel-
mann angegeben sind2), so erhält man:
aus Apparat I k7 5 = 0,000 060 47
aus Apparat III k7fi = 0,000 058 95,
1) Winkelmann, Pogg. Ann. 159. p. 152. 1876.
2) Winkelmann, Pogg. Ann. 157. p. 517. 531. 538. 1876 u. Wied.
Ann. 1. p. 69. 1877.
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L. Graetz.
257
während Winkelmann selbst früher gefunden hatte:
Ä7t5 = 0,000 052 5,
und der richtige Werth ist k7j = 0,000 049, also eine Diffe-
renz von 18°/0' Sind aber die absoluten Werthe von k nicht
richtig, so hat man gar keine Schätzung über die Genauig-
keit der Temperaturcoefticienten.
2) Meine Beobachtungen, nach der Winkelinann'schen
Methode berechnet, ergeben noch viel kleinere Temperatur-
coefticienten, als sie oben angegeben sind. Ich erhalte z.B.
für den Apparat I:
A = jJ /fr = 1>1 1 1 >
und damit für den Temperaturcoefficienten :
' = T^ = 0>0012-
also weit weniger als die Hälfte des von Winkel mann ge-
fundenen Werthes.
3) Die Glasleitung ist bei Winkelmann nicht vermie-
den. Während meine Apparate einen Stiel von 15 cm Länge
hatten und nicht bis über die Einschmelzung, sondern nur
bis zu der Mitte des Halses eingetaucht wurden, mussten
bei den Winkelmann'schen Versuchen die Apparate vollständig
in die Bäder eingetaucht werden. Dazu hatte der Stiel des Ther-
mometers nur eine Länge von 0,4,resp. 1,2 cm. Berechnet man
die Wärmemenge, welche durch das Glas z. B. bei dem Ver-
suche mit Luft1) übergeführt wurde, indem man den abso-
luten Wärnieleitungscoefficienten des Glases nach den Zahlen
von Peel et2) berechnet, so findet man, dass durch das Glas
etwa 10°/0 der gesammten Wärmemenge übergeführt wird.
(Den Querschnitt des Stiels setze ich dabei ebenso gross vor-
aus, wie bei meinen Apparaten). Bei meinen Beobachtungen
habe ich mich überzeugt, dass ein tieferes oder weniger tiefes
Eintauchen auf die Abkühlungszeiten ohne Einfluss ist. Wie
unregelmässig aber und wie wenig exaet zu berechnen der
Einfluss der Glasleitung ist, zeigen folgende Zahlen, die mit
1) Winkelmann, Pogg. Ann. 157. p. 510. 1876.
2) P6clet, Tratte de la chaleur. 1. p.290. Suppl. 105. 1843.
Ann. d. Phys. u. Chero. N. F. XI V. 17
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258 L. Graetz.
einem Apparat mit dickerem und kürzerem Stiel angestellt
wurden. Die Zahlen unter I wurden erhalten, wenn der
Apparat bis in die Mitte des Halses, die unter II, wenn er
über die Einschmelzung eingetaucht war.
Wasserstoff p - 756 290 79 24 7,5 3,5
I 44 60,6 63,5 63 66 70
II 44 55,6 57 58 66 70,6
Aus diesen Gründen halte ich die Winkelmann'schen
Zahlen für unrichtig.
Ferner zeigen die obigen Auseinandersetzungen über
den Einfluss der Absorption, dass es unmöglich ist, mit
Apparaten nach Du long und Petit die Wärmeleitungs-
fähigkeit von Gasen und Dämpfen, welche die strahlende
Wärme absorbiren, auf die gewöhnliche Weise zu bestimmen.
Die so erhaltenen Zahlen für k müssen aus doppeltem Grunde
zu klein sein. In der That geben die Versuche von Win-
kelmann1) für alle absorbirenden Substanzen zu kleine
Werthe, wie die folgenden Zahlen beweisen, die aus der Zu-
sammenstellung von 0. E. Meyer2) entnommen sind.
berechnet beobachtet
NaO 0,000 0425 0,000 0363
CH4 829 647
C2H4 542 414
Ebenso werden die von Winkelmann3) gefundenen Werthe
von Alkoholdampf, Ammoniak, Aether und nach den neuen
Versuchen von Tyndall4) und Röntgen6) auch von Wasser-
dampf alle zu kleine Werthe ergeben. Für Schwefelkohlen-
stoff ist nachgewiesen, dass sein Dampf die strahlende Wärme
wenig absorbirt. Es wäre von Interesse, Reibung und Wärme-
leitung desselben zu bestimmen, um zu sehen, ob auch bei
diesem complicirten Molecül die innere Energie zu der Wärme-
leitung nichts beiträgt.
1) Winkelmann, Pogg. Ann. 15Ö. p. 527. 1875.
2) 0. E. Meyer, Kinetische Theorie der Gase. p. 194.
3) Winkel mann, Pogg. Ann. 159» p. 186. 1876.
4) Tyndall, Proc. Koy. Soc. Febr. 1881.
5) Röntgen, Ber. der Oberhess. Ges. f. Natur- u. Heilkunde. 20.
p. 52. 1881.
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Graetz.
259
Die Temperaturcoöfticienten aller dieser absorbirenden
Gase und Dämpfe, für welche Winkelmann zum Theil
enorm grosse Werthe erhält (für Alkohol z. B. y « 0,00615),
müssen, wie man aus einer Discussion der ihm zur Berech-
nung dienenden Formel leicht erkennt, in Wirklichkeit viel
kleiner sein. Ausserdem geht auch in diese die Glasleitung
ein, die die Resultate unrichtig macht.
Ebenso lässt es sich durch Absorption erklären, dass
Winkelmann1) beim Aethylen gefunden hat, dass das-
selbe bei niederem Druck die Wärme besser leitet als
bei höherem. In der That wächst die absorbirte Wärme-
menge mit der Dichte, und es ist also die scheinbare Lei-
tungsfähigkeit bei höheren Drucken caeteris paribus eine
kleinere als bei niederen Drucken. Der Unterschied von
1 3 °/0 , den Winkelmann dabei gefunden hat, lässt sich voll-
kommen dadurch erklären.
Es scheint mir nach den bisherigen Auseinandersetzungen
bewiesen zu sein, dass wir richtige Werthe für die Wärme-
leitung mit unseren jetzigen Methoden nur für diejenigen
Gase und Dämpfe erhalten können, welche bei den ange-
wendeten Temperaturen die strahlende Wärme nicht absor-
biren. Aber auch für die Gase, wie Luft und Wasserstoff,
ist die Methode der Abkühlung keine gute, da die Strahlung
und die Abhängigkeit der Wärmeleitung von der Tempera-
tur eine genauere Bestimmung, als sie in der vorliegenden
Arbeit gegeben ist, unmöglich machen. Es müssen neue
Methoden benutzt werden, welche von diesen Mängeln frei
sind. Ich glaube, dass die Schallgeschwindigkeit in engen
Röhren, welche, wie Kundt2) bemerkt, wahrscheinlich durch
die Wärmeleitung modificirt wird, eine vortheilhafte Methode
zur Bestimmung der Wärmeleitung geben wird. Dazu müsste
aber die Theorie der Versuche noch weiter gefördert sein,
da die Kirchhoffsche8) Behandlung derselben die Erschei-
nungen nicht völlig wiedergibt.
1) Winkelmann, Wied. Ann. 11« p. 474. 1880.
2) Kundt, Pogg: Ann. 135. p. 543. 1868.
3) Kirchhoff, Pogg. Ann. 184. p. 177. 1868.
n*
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260
P. Volkmann.
Für die Gastheorie gibt die vorliegende Untersuchung
hauptsächlich folgende Resultate:
1) Die Wärmeleitung besteht bei den Gasen, Luft,
Wasserstoff und (bei niederen Temperaturen) auch Kohlen-
lensäure in der Uebertragung von nur progressiver Ener-
gie. Die intramoleculare Energie trägt nur unmessbar wenig
zur Wärmeleitung bei. Die Molecüle verhalten sich also bei
der Wärmeleitung wie materielle Punkte.
2) Die Abhängigkeit der Wärmeleitung von der Tem-
peratur ergibt sich aus den Versuchen angenähert so, wie
es die Clausius'sche Theorie verlangt. Falls Abweichungen
von derselben vorhanden sind, so können diese nur derart
sein, dass die Wärmeleitung sich noch langsamer ändert als
nach der Wurzel aus der absoluten Temperatur.
3) Alle Resultate für Gase und Dämpfe, welche Abwei-
chungen von den aus der Theorie berechneten Werthen
ergeben, sind nicht beweiskräftig, da sie nur die scheinbare
Wärmeleitungsfähigkeit infolge der Absorption der strahlen-
den Wärme ergaben.
4) Die Abweichung des Temperaturcoefficienten der Rei-
bung von dem aus der Theorie berechneten kann ihren
Grund nicht oder nicht allein in der Abnahme des Mole-
cülardurchmessers mit steigender Temperatur haben. Es
ist vielmehr eine andere Erklärung für diese Thatsache zu
suchen.
Phys. Inst, der Univ. Strassburg i. E., März 1881.
V. Zu den bisherigen Beobachtungen der Aus-
dehnung des Wassers durch die Wärme;
von Paul Volkmann.
(Mittheilungen aus dem math.-physikal. Inst, in Königsberg i. Pr. Nr. 4).
Seitdem Miller in seiner Abhandlung über das engli-
sche Pfund l) die damals bekannten und besten Beobachtungen
über die Ausdehnung des Wassers durch die Wärme dis-
1) Miller, Phil. Trans. 146. p. 788. 1856.
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P. Volkmann .
2b 1
cutirt und unter Benutzung des von Regnault gefundenen
Ausdehnungscoefficienten des Quecksilbers reducirt hat, ist
nicht allein eine ganze Reihe neuer Beobachtungen über die
Ausdehnung des Wassers angestellt worden, sondern es hat
sich auch nach genauerer Berechnung der Regnault'schen
Beobachtungen über die absolute Ausdehnung des Queck-
silbers ein nicht unerheblich grösserer Werth für den Aus-
clehnungscoßfficienten desselben ergeben.
Die Beobachtungen von Regnault wurden von Bosscha1)
nach der Formel Vt = V0eat, von Wüllner2) und Levy3)
nach der Formel Vt = F0(l -f- at -f bt2 + ci3) neu berechnet.
Bosscha und Wüllner legten dabei jedem Beobachtungs-
resultate, welches sich als Mittel aus zwei bis sechs Einzel-
messungen ergibt, dasselbe Gewicht, Levy ein der Anzahl
der Einzelmessungen proportionales Gewicht bei. Die Aus-
dehnung des Quecksilbers von 0 bis 100° ist nach:
Diese Werthe geben ein Bild davon, wie weit genau die
Ausdehnung des Quecksilbers für 0 bis 100° bekannt ist.
Zu dieser Unsicherheit tritt noch eine andere, wo denn die
Höhe der communicirenden Röhren beginnt. Regnault
rechnet bei der ersten Anordnung des Beobachtungsappa-
rates dieselbe von der unteren Kante, Bosscha und die
späteren unter der Annahme stattfindender Strömungen von
der Axe der oberen horizontalen Röhre. Dadurch werden
die obigen Zahlenwerthe noch um zwei Einheiten in der
fünften Decimale zweifelhaft.
Die Unsicherheit in der Kenntniss der absoluten Aus-
dehnung des Quecksilbers überträgt sich auf die Bestimmung
der Ausdehnung des Wassers durch die diiatometrische Me-
thode. Wir werden jedoch bei der Vergleichung der besten
1) Bosscha, Pogg. Ann. Ergbd. 5. p. 276. 1871.
2) Wüllner, Pogg. Ann. 163. p. 440. 1874 u. Lehrb. d. Experim.-
Phys. 3. p. 66. 1875.
3) Levy, Ueber die Ausdehnung des Quecksilbers. Inaug.-Diss.
HaUe 1881.
Regnault 0,018153
Bosscha 0,018 241
Wüllner 0,018 253
Levy 0,018207
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262
P. Volkmann,
Beobachtungen über die Ausdehnung des Wassers eine
etwas grössere Abweichung finden, als sie durch die Un-
sicherheit in der Kenntniss der absoluten Ausdehnung des
(Quecksilbers bedingt ist.
Nach dem Gesagten erscheint es bei der Wichtigkeit
des Gegenstandes geboten 1) von neuem in die Discussion
der bisher anerkannten Beobachtungen der Ausdehnung des
Wassers zu treten und 2) etwa den von Levy neu berech-
neten Ausdehnungscoefficienten des Quecksilbers bei der Re-
duction der Beobachtungen zu berücksichtigen.
Die Ausdehnung des Wassers ist nach zwei Methoden
untersucht worden. Nach der einen, der hydrostatischen,
wurde derselbe Körper in Wasser von verschiedenen Tem-
peraturen gewogen; der Gewichtsverlust des Körpers ist dann
gleich dem Gewicht des von dem Körper verdrängten Was-
sers. Bezeichnen wir denselben bei 0° mit bei t° mit g ,
dann ist das Volumen des Wassers bei t°, bezogen auf das
bei 0° als Einheit:
i (1 + kt)-
Hierin bedeutet k den Ausdehnungscoefficienten des Körpers.
Die Reduction der Volumina auf 4° als Einheit wird meist
erst später vorgenommen, nachdem die Volumina auf 0°
als Einheit von Grad zu Grad berechnet sind.
Diese Methode ist von Hällström1), Hagen2) und
Matthiessen3) angewandt worden. Alle drei wandten als
Körper Glas an. Sie bestimmten den linearen Ausdehnungs-
coefficienten durch Beobachtung und berechneten daraus
durch Multiplication mit 3 den cubischen Ausdehnungscoef-
ficienten. Gegen dieses Verfahren, bei Glas aus dem linea-
ren Ausdehnungscoefficienten auf den cubischen zu schliessen,
hat Regnault4) Einwände erhoben. Indem man derselben
Glassorte verschiedene Formen gebe, leide die Homogenität
des Glases, und die Ausdehnung desselben dürfte daher in
1) Hällström, Pogg. Ann. 1. p. 129. 1824.
2) Hagen, Berl. Ber. p. 1. 1855.
3) Matthiessen, Pogg. Ann. 128. p. 512. 1866.
4) Regnault, Mem. de l'acad. de France. 21. p. 274. 1847.
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P. Volkmann.
verschiedenen Richtungen verschieden sein; sodann bedürfe
es noch Beobachtungen zur Prüfung der Annahme, dass die
Ausdehnung einer Glashülle sich ebenso verhielte, wie die
einer continuirlichen Glasmasse — der moleculare Zustand
könnte in beiden Fällen ein anderer sein. Regnault führt
an dieser Stelle keine Beobachtungen auf, an einer anderen
Stelle1) weist er die Ableitung des cubischen Ausdehnungs-
coefficienten aus dem linearen damit zurück, dass er aus
Beobachtungen schliesst, selbst dieselbe Glassorte besitze
nicht gleichen cubischen Ausdehnungscoefficienten, je nach-
dem sie Röhrenform hat oder zu Kugeln von verschiedener
Grösse ausgeblasen ist. Regnault zeigt aber auch, dass
die Ausdehnung eines und desselben Glasapparates (Röhre)
zwischen denselben Temperaturgrenzen nicht immer dieselbe
ist (es variirt 100A im Maximum um 0,00005) und macht dazu
die richtige Bemerkung, dass diese Unregelmässigkeiten es
sind, welche die Verschiebung der festen Punkte bei Ther-
mometern bewirken. Dieses Verhalten des Glases ist durch
eine Arbeit von Pernet2) genauer untersucht, eine Arbeit,
deren ich bereits bei einer anderen3) Gelegenheit gedacht
habe. Aus den Beobachtungen von Pernet an Thermo-
metern aus gewöhnlichem Glase lassen sich schon die Be-
merkungen folgern, welche Crafts4) neuerdings gemacht hat,
dass nach vorangegangener Erwärmung die Ausdehnung des
Glases im allgemeinen kleiner sei, als vor derselben. In
Betreff der Regnault'schen Beobachtungen, welche nicht lange
nach Anfertigung der Ballons aus den Röhren angestellt sein
dürften, trifft diese Bemerkung für leicht schmelzbares Glas
zu, für schwerschmelzbare Sorten verhält es sich gerade um-
gekehrt.
Nach dem Bisherigen muss der Regnault'sche Einwand
gegen die Ableitung des cubischen Ausdehnungscoefficienten
aus dem linearen bei Glas als zweifelhaft und eine darauf
1) Regnault, Pogg. Ann. 55. p. 584. 1842.
2) Pernet, Ueber die Nullpunktsdepressionen der Normalthermo-
meter. Inaug.-Diss. Breslau 1875.
3) Volkmann, Wied. Ann. 13. p. 210. 1881.
4) Crafts, Compt. rend. 91. p. 371. 414. 576. 1880.
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264
P. Volkmann.
bezügliche Beobachtung als wünsehenswerth erscheinen: Ich
habe an einem Glasrohre gleichzeitig die lineare und cu-
bische Ausdehnung zu messen versucht. Das Glasrohr wurde
an einem Ende geschlossen, an dem anderen in eine feine
Spitze ausgezogen, mit Quecksilber gefüllt und ausgekocht.
Die Beobachtung wurde mit einem Apparate ausgeführt,
der nach Angabe des Hrn. Prof. Voigt für das hiesige
mathem.- physikalische Institut zur Bestimmung des linearen
Ausdehnungscoefficienten von Stäben aus verschiedenen Me-
talUegirungen angefertigt war.
Ich sehe von einer Beschreibung desselben ab, da ich
die Beobachtungen nur als vorläufige gelten lassen möchte;
hier nur soviel, dass das Glasrohr seiner ganzen Länge nach
mit Ausnahme der ausgezogenen Spitze constanten verschie-
denen Temperaturen ausgesetzt wurde, und dass die Mikro-
skope, mit denen die lineare Ausdehnung gemessen wurde,
auf einem eigens construirten Comparator in bekanntem
Abstand voneinander gehalten wurden.
Bezeichnen wir mit lx den Abstand der angebrachten
Marken, deren Verrückung durch die Mikroskope gemessen
wurde, bei tx° Q.\ mit A die Verrückung der Marken bei
*2°, so ergibt sich der lineare Ausdehnungscoefficient a aus:
^ Ii 1 + atx
Bezeichnen wir analog mit px das Gewicht des in dem
Bohr enthaltenen Quecksilbers bei tx 0 C, mit A das Gewicht
des bei t2° C. austretenden Quecksilbers, mit q den Aus-
dehnungscoefficienten des Quecksilbers, so ergibt sich der
cubische Ausdehnungscoefficient k aus:
( 1 A\ 1 + 1 + *i .
V pj i + gtt ~~ \ +htx '
Der lineare Ausdehnungscoefficient des untersuchten
Glasrohres a ergab sich aus folgenden Beobachtungen:
lx = 906 mm, ^ = 14,95°, *2 = 99,75°, A = 0,676 mm,
/j = 906 mm, tY = 14,7 °, = 99,85°, A = 0,679 mm.
Es bestimmt sich a im Mittel daraus = 0,000008 82. Das
Dreifache desselben ist also 0,000026 5.
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P. Volkmann.
265
Die obere Temperatur t2 konnte durch einen Dampf-
kessel recht constant erhalten werden. Zur Herstellung der
unteren Temperatur ^ wurde die Wasserleitung der Stadt
benutzt; jedoch wechselte die Temperatur derselben zu be-
deutend, sodass oft die Thermometer an den beiden Enden
des Glasrohres um 1 0 differirten, überhaupt ein Schluss von
den Thermometern auf die Temperatur des Glasrohres un-
sicher war. Aus diesem Grunde möchte ich den Beobach-
tungen noch keine endgültige Bedeutung beilegen.
Gleichzeitig mit den obigen Beobachtungen wurden zur
Bestimmung des cubischen Ausdehnungscoefficienten dessel-
ben Glasrohres folgende Daten gewonnen:
Pl = 256,5 g, #, = 14,7 °, t2 = 99,75°, A = 3,326 g,
Pl = 256,5 g, ^ = 15,05°, t2 = 99,85°, A = 3,320 g.
Bei der Angabe von px ist bereits das Gewicht der im
capillaren Bohre in freier Luft befindlichen Quecksilber-
menge in Abzug gebracht.
Der cubische Ausdehnungscoefficient des Glasrohres be-
stimmt sich dann, je nach den verschiedenen Werthen über
die Ausdehnung des Quecksilbers von Regnault, Wüll-
ner, Levy:
0,000 026 6, 0.000 027 4, 0,000 027 0,
0,000 026 4, 0,000 027 2, 0,000 026 8.
Diese Zahlenwerthe für die cubische Ausdehnung des
Glasstabes zeigen, dass, so lange die Ausdehnung des Queck-
silbers nicht mit grösserer Sicherheit bekannt ist, so lange
überhaupt die Frage nach dem Zusammenhang des linearen
und cubischen Ausdehnungscoefficienten bei Glas endgültig
nicht entschieden werden dürfte. Soviel zeigt jedoch schon
jetzt die Vergleichung des dreifachen linearen Ausdehnungs-
coefficienten 0,000026 5 mit den obigen Zahlenwerthen, dass,
wenn überhaupt ein Unterschied vorhanden, er jedenfalls
kleiner ist, als sich ihn Regnault vorgestellt hat.
Ich komme nun zur Besprechung der nach der hydro-
statischen Methode angestellten Beobachtungen über die
Ausdehnung des Wassers.
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266
P. Volkmann.
Hüllst röm1) Hess sich aus derselben Glasmasse eine
Röhre und eine Kugel verfertigen. Mit der* Kugel wurden
die Wägungen ausgeführt, an der Röhre aus Beobachtungen
zwischen +3 und +30° der lineare Ausdehnungscoefficient
bestimmt. Auf den von allen sonstigen Beobachtungen ab-
weichenden Ausdehnungscoefficienten, insbesondere auf die
Grösse des Coefficienten des quadratischen Gliedes, ist schon
vielfach aufmerksam gemacht. Hällström wandte zur Be-
stimmung desselben ein „dünnes" Rohr von über 4 Fuss Länge
an, und zwar wurde dasselbe mittelst einer Feder gegen eine
feste Wand gedrückt. Eine infolge des Druckes der Feder
eingetretene Biegung des dünnen Rohres ist vielleicht die
Ursache des abweichenden Werthes für den Ausdehnungs-
coefficienten; wenigstens musste die Feder im Sinne einer
Verkürzung wirken, wodurch die Ausdehnung der Röhre
zwischen 0 und 30° zu klein erhalten wurde. Infolge davon
werden auch die Volumenwerthe der Gewichtseinheit Wasser
von ihm kleiner, als von anderen Beobachtern gefunden und
können daher nicht aufrecht erhalten werden.
Hagen2) Hess, um sicher dieselbe Glasmasse zu haben,
aus demselben Rohr, von dem er den linearen Ausdehnungs-
coefficienten bestimmt hatte, die Kugel blasen. Das Rohr
wurde dadurch verschiedenen Temperaturen ausgesetzt, indem
Wasser von möglichst constanter Temperatur dasselbe durch-
strömte. Hagen nahm dann die Temperatur des Wassers
für die des ganzen Rohres an. Inwiefern dies richtig ist,
lässt sich aus der Differentialgleichung:
ersehen. Es bestimmt sich die Temperatur von der der um-
gebenden Luft an gerechnet für jede Stelle des Rohres als
Function von r zu:
d2&
1 dfr
r dr
— o
1) Hällström, Pogg. Ann. 1. p. 149. 1824.
2) Hagen, Berl. Ber. p. 1. 1855.
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P. Volkmann.
267
Hierin bedeutet &t die innere Temperatur des durch-
strömenden Wassers, R den äusseren, Rx den inneren Radius
des Rohres, h das Ausstrahlungs-, ä das Leitungsvermögen
der Röhrensubstanz. Die mittlere Temperatur der Röhre
ergibt sich hiernach:
1 f / A-Blog j V
Diese mittlere Temperatur wäre richtiger für die Tem-
peratur des Rohres zu nehmen. Das Rohr bei Hagen,
aus dem die Kugel geblasen wurde, hatte die Radien:
R = 1 cm, Rl = 0,7 cm. Es ist da:
Der Quotient kjh bestimmt sich nach den Beobachtungen
von H. Weber bei Eisen zu 451, bei Neusilber zu 266 [cm].
Für Glas sind mir keine Bestimmungen von kjh bekannt, es
ist jedoch anzunehmen, dass für Glas kjh wesentlich kleiner
ist, als für Metalle. Die von Hagen angegebenen Ausdeh-
nungscoefficienten wären jedenfalls zu vergrössern. Die Wä-
gungen im Wasser werden ferner nicht lange nach Herstel-
lung der Kugel aus der Röhre vorgenommen sein} der
Ausdehnungscoefficient würde nach den früheren Bemer-
kungen dann zu verkleinern sein.
So gross nach alle diesem die Unsicherheit in der Be-
stimmung der Ausdehnung des Glasballons ist, so wird die
Vergleichung der von Hagen erhaltenen Wasservolumina
mit denen anderer Beobachter die Entscheidung für die Bei-
behaltung der Hagen'schen Zahlenwerthe bieten. Es zeigt
sich nun eine genügende Uebereinstimmung mit anderen
Beobachtungen; die beiden angegebenen Fehlerquellen in der
Bestimmung der Ausdehnung des Glases, die in entgegen-
gesetztem Sinne wirken, scheinen sich demnach aufgehoben
zu haben. Die von Hagen aufgestellten Werthe für die
Wasservolumina werden vermöge der grossen Anzahl von
192 Beobachtungen dazu dienen, bei der Aufstellung der
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268
P. Volkmann.
mittleren Zahlenwerthe für die Wasservolumina bei ver-
schiedenen Temperaturen eine ausgleichende Rolle zu spielen.
Die bei über 90° angegebenen Werthe der Wasservolumina
erscheinen zu niedrig. Als Grund dafür führt schon Mat-
thi essen an, dass bei hohen Temperaturen Hagen keine
besondere Vorsichtsmaassregel nahm, um die Condensation
des Dampfes auf der Oberfläche des Platindrahtes zu hindern,
an dem die Glaskugel aufgehängt war.
Matthiessen1) bestimmte an einem dicken Glasstabe
zunächst den linearen Ausdehnungscoefficienten (dabei wurden
Nachwirkungsdilatationen2) des Glases wahrgenommen). Sodann
wurden von dem Glasstab Stücke abgeschnitten, um mit ihnen
die Wägungen in Wasser von verschiedenen Temperaturen
auszuführen. Bei diesem Verfahren erscheint die Ableitung
des cubischen Ausdehnungscoefficienten aus dem linearen am
wenigsten angreifbar. Andererseits ist zu bemerken, dass
sich ein massives Glasstück weniger für die Untersuchung
der Ausdehnung des Wassers eignet, als eine hohle Glas-
kugel, indem jenes nicht so schnell die Temperatur der um-
gebenden Flüssigkeit annehmen wird. Auch erscheint die
Grösse der in Anwendung gekommenen Glasstücke (15 ccm)
für den vorliegenden Zweck zu gering. Die Kugel von
Hagen nahm den Raum von 130 ccm ein.
Matthiessen theilt drei Versuchsreihen mit, jede an
einem anderen Glassttick angestellt. Er gibt den Vortheil
auf, Wägungen bei 0° vorzunehmen, indem diese Temperatur
sich am leichtesten constant herstellen lässt, woher es sich
auch empfiehlt, zunächst das Volumen bei 0° als Einheit zu
Grunde zu legen. Er bezieht die Volumina von vornherein
auf 4°, hat aber nur in der ersten Versuchsreihe eine Wä-
gung bei 4° vorgenommen. Um die zwei letzten Versuchs-
reihen zu ver werth en, bleibt ihm nichts anderes übrig, als
aus den fünf ersten Beobachtungen der ersten Reihe das
Volumen der Gewichtseinheit Wasser für jede erste Beob-
achtung der beiden anderen Reihen zu berechnen. Dadurch
1) Matthiessen, Pogg. Ami. 128. p. 512. 1866.
2) L c. p. 521.
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P. Volkmann.
269
aber wird jenen fünf Beobachtungen der ersten Reihe ein
zu bedeutender Einfluss eingeräumt. So dürfte denn bei der
Berechnung der Ausdehnung des Wassers eigentlich nur die
erste Reihe in Betracht kommen, welche aber zur Aufstel-
lung einer Tabelle zu wenig Daten enthält; es liegen z. B.
zwischen den Temperaturen 4 und 20° nur drei Beobach-
tungen vor.
Matthiessen stellt für alle drei Beobachtungsreihen
zwei Interpolationsformeln auf. Bei der Berechnung der
ersten für Temperaturen zwischen 4 und 32° unterdrückt er
die Beobachtungen bei 19,75 und 20,90°, da sich, wie er sagt,
„durch vorausgegangene Berechnung ihre Fehlerhaftigkeit
unzweifelhaft herausgestellt hatte". Es sind dies gerade zwei
Beobachtungen, welche sich den von anderen Beobachtern
gefundenen Werthen am meisten anschliessen; die von
Matthiessen angegebenen Volumina zwischen 10 und 34°
fallen nämlich bedeutend höher aus, als sämmtliche von an-
deren Beobachtern gefundenen Werthe. Eine neue Berech-
nung der Beobachtungen von Matthiessen, ohne irgend
eine auszuschliessen, hat unter Zugrundelegung der Miller'-
schen Form log Vt = «(f- 3,94)2 + b (t- 3,94)3 Hr. Studiosus
Valentin ausgeführt, jedoch bleiben auch hier die Werthe
zwischen 10 und 30° zu hoch. Ich kann einen Grund zu
dieser Abweichung nur in der Kleinheit der Glasstücke,
sowie in der geringen Anzahl der in Betracht kommenden
Beobachtungen sehen. Bei höheren Temperaturen ist die
Ausdehnung des Wassers regelmässiger. Hier genügen weniger
Beobachtungen, demgemäss ergeben sich auch hier die Mat-
thiessen'schen Beobachtungen in besserer Uebereinstimmung
mit anderen.
Die zweite Methode, nach der die Ausdehnung des Was-
sers durch die Wärme bestimmt ist, die dilatometrische,
besteht in der Beobachtung der scheinbaren Ausdehnung des
Wassers in einem Dilatometer. Das wahre Volumen des
Wassers bei t°, bezogen auf das bei 0° als Einheit, ergibt
sich nach drei Arten der Beobachtung:
(T+ r) (1 + hj)
V
(F+»)(l +*0
P
P0 (1 + kt)
Pt
*
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270
P. Volkmann.
Hierin bedeutet V das Volumen des in dem Dilatometer
enthaltenen Wassers bei 0°, v die Anzahl Theilstriche, um
welche sich das Wasser bei t° scheinbar ausdehnt, P das
Gewicht des eingeschlossenen Wassers, P0 und Pt die Ge-
wichte des Wassers bei 0° und t° bis zu derselben Marke,
endlich k den cubischen Ausdehnungscoefficienten des Dila-
tometers.
Bei den Methoden 1 und 2 werden die Volumina durch
Auswägung mit Quecksilber bestimmt. Ein Vortheil der
Methode 1 und 3 ist, dass nur die Verhältnisse der Volu-
mina, resp. der Gewichte vorkommen. Die Methode 2 setzt
das specifische Gewicht des Quecksilbers und mithin die
Dichtigkeit des Wassers bei 0° als bekannt voraus.
Der cubische Ausdehnungscoefficient des Glases wird
durch die Beobachtung der scheinbaren (dt) und der Kennt-
niss der absoluten Ausdehnung des Quecksilbers (St) be-
stimmt. Es ist:
dt = Jt + ht + ktAt.
Die meisten Beobachter setzten das Dilatometer mit
Quecksilber gefüllt nur den Temperaturen 0 und 100° aus.
Rossetti1) hat dagegen eingewandt, dass man die Ausdeh-
nung des Glases nicht linear mit der Temperatur setzen
dürfe. Er hat bei seinen Beobachtungen die Ausdehnung
der Dilatometer von 25 zu 25° bestimmt. Rechnet man die
von ihm gefundenen Ausdehnungscoefficienten unter Zugrunde-
legung der von Levy angegebenen Werthe für die Ausdeh-
nung des Quecksilbers um, so fällt der Einwurf fort. Es
bestimmen sich die Ausdehnungscoefficienten:
Rossetti Levy
0 - 25 0,000 024 H 0,000 026 5
0 - 50 0,000 025 1 0,000 026 4
0 — 70 0,000 025 4 0,000 026 3
0 — 1 00 0,000 026 2 0,000 026 7
Endlich zeigen die Beobachtungen der linearen Ausdeh-
nung des Glases von Hagen und Matthiessen, dass die
Annahme einer linearen Function der Temperatur für die
1) Rossetti, Pogg. Ann. Ergbd. 5. p. 259. 1871.
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P. Volk mann.
271
Ausdehnung zwischen 0 und 100° zu dem vorliegenden Zweck
ausreichend ist.
Despretz1) hat seine Beobachtungen nach dem ersten
Verfahren mit mehreren Dilatometern angestellt, er gibt aber
nur einen Werth für den cubischen Ausdehnungscoefficien-
ten des Glases 2) an. Es geht daraus hervor, dass nicht für
jedes Dilatometer der cubische Ausdehnungscoefficient be-
stimmt wurde, wie es alle späteren Beobachter getban haben.
Aus der Vergleichung der mit vier Instrumenten beobach-
teten Volumina3) ergibt sich denn auch, dass z. B. dem
Dilatometer der ersten Reihe ein grösserer Ausdehnungs-
coefficient zukommen dürfte als dem Dilatometer der vier-
ten Reihe. Aus diesem Grunde kann den Beobachtungen
von Despretz nicht das Gewicht beigelegt werden, wie den
späteren. Zwar heben spätere Beobachter, wie Matthiessen,
die Uebereinstimmung ihrer Werthe mit denen von Des-
pretz gerade hervor, ohne jedoch zu bedenken, dass seinen
Bestimmungen noch der alte Dulong-Petit'sche Werth der
Ausdehnung des Quecksilbers zu Grunde lag. In Wahrheit
ergeben die Depretz'schen Beobachtungen im Vergleich zu
anderen alle zu grosse Volumina.
Sehr zahlreich sind die Beobachtungen von Pierre4)
nach dem ersten Verfahren. Er wandte drei Dilatometer
an und bestimmte für jedes den Ausdehnungscoefficienten
des Glases. Es sind der Untersuchung der Ausdehnung des
Wassers zwischen 0 und 100° acht Beobachtungsreihen ge-
widmet, und die genaue Berechnung derselben durchFranken-
heim6) zeigt, wie gut die Reihen in sich stimmen. Dagegen
gelang es Frankenheim nicht, für grössere Intervalle, wie
z. B. Kopp es gethan hat, Interpolationsformeln aufzustellen.
Man könnte geneigt sein, dies auf constante Fehler zurück-
zuführen, die den einzelnen Beobachtungsreihen anhaften.
Eine Vergleichung der Pierre'schen Werthe mit anderen
zeigt mit Ausnahme der Volumina für 20—50° (entsprechend
1) Despretz, Ann. de chim et de phys. 70. p. 5. 1839.
2) L c. p. 15. 3) 1. c. p. 19—23.
4) Pierre, Ann. de chim. et de phys. (8) 15. p. 325. 1845.
5) Frankenheim, Pogg. Ann. 8tt. p. 451. 1852.
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272
P. Volkmann
der siebenten Reihe von Pierre) grössere Zahlenwerthe, als
es dem Mittel aus den besten Beobachtungen entspricht. Es
mag dies daher rühren, dass mit den drei Dilatometern nicht,
wie bei Kopp, das ganze Intervall von 0 — 100° gleichmassig
untersucht wurde, sondern mit jedem nur kleinere Intervalle,
dabei konnten dann Fehler in der Bestimmung der Aus-
dehnung des Glases einen grösseren Einfluss gewinnen. Un-
entschieden bleibt auch aus der Darstellung, ob für jedes
Dilatometer das Volumen des Wassers bei 0° bestimmt oder
ob, wie bei Matthiessen, die Reihen aufeinander bezogen
wurden. Die meisten Beobachter sind der Ansicht, dass die
Pierre'schen Beobachtungen für höhere Temperaturen (von
50° an) zu grosse Volumina geben. — Endlich will ich noch
auf einen mir nicht unwesentlich erscheinenden Unterschied
der Beobachtungsart aufmerksam machen. Alle anderen be-
obachteten mit offenen Dilatometern, Pierre schmolz wäh-
rend des Auskochens das Dilatometer zu, sodass also der
Raum über der Flüssigkeit luftleer war.
Mit sehr grosser Sorgfalt sind die Beobachtungen von
Kopp1) gleichfalls nach dem ersten Verfahren an drei Dila-
tometern angestellt. Vergleicht man die beobachteten und
berechneten Werthe der Volumina Wasser bei den einzelnen
Dilatometern, so ist die Differenz der Werthe bei B über-
wiegend negativ, bei C überwiegend positiv, D nimmt eine
mittlere Stellung ein. Demnach scheint der Ausdehnungs-
coefficient des Dilatometers B zu klein, von C zu gross be-
stimmt zu sein. Eine solche Vergleichung zeigt, wie wichtig
es ist, bei derartigen Untersuchungen mehrere Apparate zu
benutzen, und wie vortheilhaft die Beobachtungen von Kopp
sich dadurch z. B. von denen von Hagen unterscheiden.
Aehnliche Bemerkungen, wie hier bei Kopp, kann man auch
bei Matthiessen an den mit drei verschiedenen Glasstticken
angestellten Beobachtungsreihen machen.
Die Beobachtungen vonJolly2) beruhen auf einer Ver-
bindung des mit 1. und 3. bezeichneten Verfahrens. Zur leich-
1) Kopp, Pogg. Ann. 72. p. 1. 1847.
2) Jolly, Ber. d. Acad. zu München, p. 141. 1864.
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P. Volkmann.
273
teren Füllung und Reinigung waren die Dilatometer ausein-
ander zu nehmen. Die Röhre war in den Hals der Kugel
eingeschliffen, und zwar wurde zu den Beobachtungen das
Ende der Röhre schwach eingefettet. Wenn dadurch auch
einer der Uebelstände vermieden wird, die Mendelejeff *)
bei Gelegenheit der Beschreibung von Pyknometern hervor-
gehoben hat, darauf beruhend, dass die Flüssigkeit vermöge
des Ueberdrucks um die eingeschliffene Stelle austritt, so
bleibt der andere bestehen, dass das Volumen des Gefasses
durch die Lage der eingeschliffenen Röhre bestimmt wird,
die nicht immer ganz dieselbe Stellung einnimmt. Insbe-
sondere wird bei verschiedenen Temperaturen die Tiefe, bis
zu der die Röhre in den Hals der Kugel gesteckt werden
kann, leicht eine verschiedene sein, zumal wenn beiden Theilen
ein nicht ganz gleicher Ausdehnungscoefh'cient zukommt. So
scheint bei Jolly bei höheren Temperaturen die Röhre tiefer
in den Hals der Kugel gesteckt zu sein, als bei niedrigen.
Das Gewicht des Wassers pt ist dann bei höheren Tempe-
raturen geringer, das Volumen Wasser ergibt sich mithin
nach der Formel vt— (/'o/Pj) (1 -M*) zu gross. Uebrigens hat
Jolly keine Interpolationsformeln für seine Beobachtungen
berechnet, vielmehr sind die Beobachtungen von Grad zu
Grad angestellt. Erwähnen nur will ich die in der Jolly'-
schen Abhandlung enthaltenen Beobachtungen von Henrici,
die auf dem dritten Verfahren basiren. Es sind ihrer zu
wenige, als dass darnach eine Tafel mit einiger Sicherheit
aufgestellt werden könnte.
Nach dem zweiten Verfahren sind die Beobachtungen
von Rossetti2) angestellt. Der Nachtheil dieser Methode
gegenüber den anderen ist bereits oben angegeben, er tritt
hier um so mehr hervor, als die Volumina der Dilatometer
falsch bestimmt sind. Es wird zwar bei der Auswägung
mit Quecksilber das Gewicht der von dem Quecksilber ver-
1) Mendelejeff, Pogg. Ann. ISO. p. 125. 1869.
2) Rossetti, Atti dell' Istituto Veneto (3) 12. p. 73. 1866—1867; 13.
p. 1078. 1867—1868. Im Auszug Pogg. Ann. Ergbd. 5. p. 258. 1871.
Ann. d. Pbji. u. Chem. N. P. XIV. 18
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P. Volkmann.
drängten Luft in Rechnung gezogen, das von den Gewichten
selbst verdrängte Luftvolumen aber überall unberücksichtigt
gelassen. Auf p. 94 der ersten Abhandlung befinden sich
folgende Angaben für das Instrument 15:
Barometer 755,94 mm, Temperatur 8,0° C.
Gewicht des Instruments, gefüllt mit Quecksilber
von 0°C. bis zum Theilstrich 100 894.587 g
Gewicht des Instruments gefüllt mit Luft . . . 53,487 ,,
also Gewicht , des Quecksilbers in Luft . . . 841,100 g
Das Gewicht der vom Quecksilber verdrängten Luft wird
dann richtig zu 0,077 g berechnet.
Nun aber werden folgende unrichtigen Schlüsse gezogen:
1) Gewicht des Instruments ohne Luft bis zum
Theilstrich 100 53.410 g
2) Gewicht des Quecksilbers im Vacuum . . 841,177 „
3) Volumen des Instruments bis zum Theilstrich
100 bei 0° 61,86974 ccm
«
Rechnen wir das specifische Gewicht der Gewichtsstücke
zu 8,4 (Messing), so ergibt sich 2) das Gewicht des Queck-
silbers im Vacuo 841,052 g und demnach 3) das Volumen
61,860 ccm. Eigenthümlich erscheint die erste Angabe und
veranlasst zu folgender Bemerkung: Wenn ich ein offenes
Gefäss in Luft wäge — ob dasselbe übrigens offen oder
durch einen Glasstöpsel geschlossen ist, ist gleichgültig, so
lange die Dichtigkeit der Luft aussen und innen gleich ge-
setzt wird, wie es Rossetti thut — so wird jedenfalls die
darin befindliche Luft nicht mit gewogen, es kann füglich
von dem Gewichte des Instruments ohne Luft nicht ge-
sprochen werden. Etwas anderes wäre es, das Gewicht des
Instruments im leeren Räume anzugeben, dann käme aber
nicht das von dem Instrument umschlossene, sondern das
von der Glaswand verdrängte Volumen in Betracht.
In ähnlicher Weise mögen auch die Wasserwägungen
falsch berechnet sein. Es fehlen die näheren Angaben, um
die Werthe verificiren zu können. Wenn auch schliesslich
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P. Volkmann.
275
die von Rossetti von Grad zu Grad aufgestellten Werthe
der Volumina Wasser den von anderen Beobachtern gege-
benen mehr oder weniger sich nähern, 6p glaube ich nach
dem Mitgetheilten doch dieselben in der am Ende dieser
Arbeit gegebenen Tafel nicht aufnehmen zu müssen.
Es erübrigt jetzt noch , für die Beobachtungen von
Pierre, Kopp und Jolly die Reductionen anzugeben. Die
beiden ersten nehmen den Dulong-Petit'schen , Jolly den
Regnault'schen Werth für die Ausdehnung des Quecksilbers.
Legen wir die Berechnung der Regnault'schen Beobach-
tungen durch Levy zu Grunde, so sind unter Benutzung der
in den Arbeiten enthaltenen Angaben die Werthe von:
Pierre um 4-0,000 001 S7 /
Kopp „ +0,000 001 94/
Jolly „ 4-0,000 000 54/
zu vermehren. Die Temperatur, bei der das Wasser seine
grösste Dichtigkeit hat, bestimmt sich darnach bei Pierre
zu +3,74°, bei Kopp zu +8,94° C. Der von Joule und
Playfair1) nach einer directen hydrostatischen Methode be-
obachtete Werth -f- .3,945 ist also mit dem Kopp'schen
identisch und dürfte der zuverlässigste sein. Hagen fand
4-3,87°.
Ich stelle nun die Werthe der Volumina Wasser, be-
zogen auf das Volumen bei 4° als Einheit nach Hagen.
Matthiessen, Pierre, Kopp und Jolly zusammen, und
zwar sind dabei schon die erwähnten Correctionen angebracht.
Für die höheren Temperaturen theile ich die Werthe nur
von 5 zu 5° und nur auf fünf Decimalstellen mit. Die
eingeränderten Zahlenwerthe müssen nach dem früher Mit-
getheilten als weniger sicher bezeichnet werden und sind
dalier bei Aufstellung der mittleren Volumina unberücksich-
tigt geblieben.
1) Joule u. Play fair, Pogg. Ann. 71, p. 574. 1847.
18*
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276
P. Vohmann.
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4330
431b
Die noch übrig gebliebenen Abweichungen sind unbe-
deutend. Als mittlere Werthe für die Volumina und Dich-
tigkeiten des Wassers ergeben sich folgende Werthe:
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P. Volkmann.
277
Volumen
Diff.
0
1
2
3
4
5
6
l
9
10
11
12
1,000122
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028 ;
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031
067
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456
55
39
21
7
8
23
36
51
63
80
89
106
114
0,999878
933
972
993
1,000000
0,999992
969
933
882
819
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650
544
/ Volumen Diff.
i
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
1,000570
703
847
997
1162
339
527
731
939
2156
383
621
868
133
144
150
165
177
188
204
208
217
227
238
247
Dichtig-
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0,999430
297
154
004
8839
663
475
272
065
7849
623
386
140
Für die höheren Temperaturen hegnüge ich mich, die
mittleren Werthe für die Volumina mitzutheiien.
t
Volum.
t
Volum.
t
Volum.
25
1,00287
50
1,01197
80
1,02891
30
0425
55
1436
85
3225
35
0586
60
1694
90
3574
40
0770
65
1967
95
3941
45
0974
70
2261
100
4323
75
2572
Diese mittleren Zahlenwerthe, welche die Dichtigkeit,
resp. die Volumina des Wassers bis auf 0,1° C. genau wie-
dergeben dürften — das zeigt die Vergleichung der von den
verschiedenen Beobachtern aufgeführten Volumina — sind
kleiner als die von Miller angegebenen; es rührt dies daher,
dass Miller die Beobachtungen von Despretz und Pierre
vollständig aufgenommen hat. Auch Rossetti hat mittlere
Zahlenwerthe aufgeführt, indem er sämmtliche Beobachtungen
von Despretz an zusammenfasste , aber er hat weder die
Beobachtungen auf denselben Ausdehnungscoefficienten des
Quecksilbers reducirt, noch denselben ein verschiedenes Ge-
wicht beigelegt.
Mit dieser Aufstellung der mittleren Zahlenwerthe ist
der Zweck der vorliegenden Arbeit erreicht. Die Mühe, aus
diesen mittleren Zahlenwerthen eine empirische Formel ab-
zuleiten, welche die Ausdehnung des Wassers von 0 — 25°,
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278
Volkmann
wie bei Miller, oder gar von 0 — 100°, wie bei Rossetti,
darstellt, schien mir in keinem Verhältniss zum Gewinn zu
stehen; wird man doch bis auf 0,1° C. — so weit also die
Dichtigkeit des Wassers sicher ist — mit Leichtigkeit Werth e
aus der Tafel interpoliren können.
Geben wir noch einen kurzen Ueberblick über die bis-
herigen Arbeiten:
Hällström hat das Verdienst, die ersten einigermassen
exacten Beobachtungen angestellt, insbesondere die Methode
der kleinsten Quadrate auf die Beobachtungen angewandt zu
haben. An der Hand dieser Methode hat er1) die Unzu-
länglichkeit der Arbeiten von Munke und Stampfer nach-
gewiesen. Ein weiterer Fortschritt lag in der gleichzeitigen
Anwendung mehrerer Beobachtungsapparate, für die aber
einzeln die Ausdehnungscoefticienten bestimmt werden muss-
ten. Es war dann auch ferner erforderlich, dass die Beob-
achtungen an jedem Apparate für sich eine geschlossene
Reihe bildeten, insbesondere die Fundamentalbestimmungen
bei 0° (resp. 4°) enthielten, ein Vortheil, der von Mat-
thiessen und vielleicht auch von Pierre unbeachtet ge-
lassen wurde. Jolly gibt allein an, seine Thermometer mit
dem Luftthermometer verglichen zu haben, aber die Abwei-
chung seiner Werthe bei 50° von den übrigen äussert sich
gerade in dem entgegengesetzten Sinne, wenn wir nach
Recknagel den Stand des Quecksilberthermometers bei
50° um 0,2° zu hoch annehmen. — Die Temperatur der
grössten Dichtigkeit des Wassers ist nach den besten Be-
obachtungen zu -f 3,94° C. zu setzen.
Alle Beobachtungen geben die Ausdehnung des Wassers
nicht direct, bei allen ist die Ausdehnung des Glases in
Rechnung zu ziehen, wodurch vermöge des eigenthümlichen
Verhaltens des Glases eine gewisse kleine Unsicherheit in
die Zahlenwerthe für die Volumina hineinkommt. Indess
ist bei der Uebereinstimmung der bisherigen besten Beob-
achtungen eine wesentliche Aenderung der angegebenen
Werthe nicht zu erwarten. Es liegt kein Bedürfniss vor,
1) Hällström, Pogg. Ann. 34. p. 220. 1835.
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H. Clausais.
279
die Ausdehnung des Wassers von neuem auf den bisherigen
Wegen zu untersuchen, dagegen wäre der Versuch nicht ab-
zuweisen, auf demselben Wege, auf dem Regnault die ab-
solute Ausdehnung des Quecksilbers bestimmt hat, beruhend
auf dem Satze von den communicirenden Röhren, auch die
absolute Ausdehnung des Wassers zu beobachten.
Königsberg i. Pr., Juli 1881.
VI. lieber die theoretische Bestimmung des Dampf-
druckes und der Volumina des Dampfes und der
Flüssigkeit; von R. Clans ins.
§ 1. Wenn man ein Gas bei constanter Temperatur
mehr und mehr zusammendrückt, so beginnt, wie man weiss,
bei einem gewissen Drucke die Condensation, welche sich
ohne Druckzunahme vollzieht, und erst, wenn sie beendet
ist, bedarf es zu noch weiterer Volumenverminderung einer
Vermehrung des Druckes, welcher dann in starkem Verhält-
nisse wachsen muss. Neben diesem wirklichen Verlaufe der
Sache hat bekanntlich J. Thomson einen anderen Vorgang
ersonnen, der zwar in der Wirklichkeit nicht stattfinden kann,
weil die in ihm vorkommenden Gleichgewichtszustände zum
Theil labil sind, der aber theoretisch doch denkbar ist, näm-
lich eine Volumenänderung, bei der die ganze Masse als
tortwährend homogen vorausgesetzt wird, und der Druck
sich demgemäss stetig ändert. Die Curve, welche für diesen
letzteren Vorgang die der Volumenänderung entsprechende
Druckänderung darstellt, kann man kurz die theoretische
Isotherme nennen. Die wirkliche Isotherme unterscheidet
sich von ihr dadurch, dass auf einer gewissen Strecke, welche
bei der Zusammendrückung dem Condensationsprocesse und
umgekehrt bei der Ausdehnung dem Verdampfungsprocesse
entspricht, die gekrümmte Linie durch eine der Abscissenaxe
parallele gerade Linie ersetzt ist. Diese Gerade muss, wie
sich aus dem zweiten Hauptsatze der mechanischen Wärme-
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280
R. Clausius.
theorie nachweisen lässt, so liegen, dass die bei der Ver-
dampfung gethane äussere Arbeit gleich derjenigen ist, welche
bei derselben Volumenzunahme gethan werden würde, wenn
der Druck sich nach der theoretischen Isotherme änderte.1)
Diesen über die Lage der Geraden geltenden Satz kann
man nun anwenden, um aus der allgemeinen, für alle Vo-
lumina geltenden theoretischen Druckformel denjenigen Druck
abzuleiten, welchen der gesättigte Dampf ausübt. Die erste
hierüber veröffentlichte Untersuchung, welche mir bekannt
geworden ist, findet sich in einem interessanten Aufsatze von
van der Waals*). Der Verf. hat zwar von der vollstän-
digen Mittheilung seiner Rechnungen und der aus ihnen
hervorgegangenen Endgleichungen Abstand genommen, weil
die ersteren zu langwierig und die letzteren zu verwickelt
und ausserdem nur für einen beschränkten Theil der Curven
gültig seien, hat aber eine Reihe daraus gezogener wichtiger
1) Als ich in meinem Aufsatze über das Verhalten der Kohlensäure
(Wied. Ann. 9. p. 337. 1880) die Lage der Geraden in der oben ange-
gebenen Weise bestimmte, betrachtete ich die betreffende Frage als eine
noch offene. Dabei hatte ich meine Kenntniss von Max well fs Ansich-
ten aus der Quelle geschöpft, die als die maassgebendste betrachtet
werden musste, nämlich aus seinem Werke über die Wärmetheorie, und
zwar aus der letzten von ihm bearbeiteten, i. J. 1875 erschienenen Auf-
lage. In dieser Auflage hat er eine in den früheren Airflagen ausge-
sprochene, vom Obigen abweichende Ansieht fortgelassen, ohne jedoch
eine andere Ansicht an deren Stelle zu setzen, woraus ich natürlich
schliessen musste, dass er jene Ansicht als unrichtig erkannt, aber noch
keine ihn mehr befriedigende gewonnen habe. Nachträglich habe ich
durch eine gütige Mittheilung des Hrn. van der Waals erfahren, dass
Maxwell noch an einem anderen Orte über die Sache gesprochen und
dort eine mit dem Obigen übereinstimmende Ansicht geäussert hat, näm-
lich in einem am 18. Febr. 1875 in der Chemical Society gehaltenen
Vortrage, welcher dann in „Nature" vom 4. u. 11. März 1875 abgedruckt
ist. Weshalb Maxwell die dort geäusserte Ansicht in der in demselben
Jahre erschienenen neuen Auflage seines Werkes nicht erwähnt hat, ist
mir unbekannt.
2) Van der Waals, Onderzoekingen omtrent de overeenstemmeude
eigenschappen der normale verzadigden-damp-en vloeistoflijnen , Amster-
dam 1880: auch aufgenommen in die von Roth veröffentlichte Ueber-
setzung des Buches : Over de continuiteit van den gas-en vloeistoftoestand,
Leipzig 18S1.
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R. Clausius.
281
Folgerungen zusammengestellt. Eine andere ebenfalls sehr
werthvolle Untersuchung über den Gegenstand ist in neuester
Zeit von Planck veröffentlicht1), worin sowohl die allge-
meinen Gleichungen als auch ihre specielle Anwendung auf
Kohlensäure mitgetheilt sind.
Auch ich hatte mich schon, bevor ich diese Untersu-
chungen kennen lernte, seit längerer Zeit mit demselben
Gegenstande beschäftigt, und der Abschluss meiner Unter-
suchung war nur durch die Beschwerlichkeit der numerischen
Rechnungen verzögert, welche zur Vergleichung der theore-
tischen Formeln mit den Beobachtungsdaten nöthig waren.
Nachdem nun aber jene Untersuchungen von van der Wa als
und Planck veröffentlicht sind, glaube ich auch mit der
Veröffentlichung der meinigen nicht länger zögern zu dürfen,
und ich will mir erlauben, in diesem Aufsatze zunächst die
allgemeinen, von der Natur der einzelnen Stoffe unabhängigen
Formeln und eine darauf bezügliche Zahlenreihe mitzutheilen,
indem ich mir vorbehalte, die Anwendungen auf bestimmte
Stoffe in einem anderen Aufsatze folgen zu lassen.
§ 2. Die Formel, welche ich in meinem Aufsatze über
das Verhalten der Kohlensäure zur Darstellung des Druckes
als Function von Volumen und Temperatur im Anschlüsse
an frühere von anderen Autoren aufgestellte Formeln ge-
bildet habe, lautet:
worin pf v und T Druck, Volumen und absolute Temperatur,
und Ä, c, a und ß Constante bedeuten. Diese Formel habe
ich zunächst für Kohlensäure durch Vergleichung mit den
Beobachtungsresultaten von Andrews gebildet und habe
nur als Vermuthung hinzugefügt, dass sie sich bei anderer
Bestimmung der Constanten, ohne sonstige Aenderung, auch
auf die übrigen Gase anwenden lassen werde. Als ich nun
aber den Versuch machte, sie auf solche Stoffe, für welche
ausgedehnte und zuverlässige Reihen von Beobachtungsdaten
vorliegen, insbesondere auf den Wasserdampf anzuwenden,
1) Planck, Wied. Ann. 18. p. 535. 1881.
(1)
Tip + ßf
c
282
R. Clausiiis.
fand ich, dass zur Herstellung einer genügenden Ueberein-
stimmung doch noch eine weitere Aenderung mit der Formel
vorgenommen werden muss, und zwar eine Aenderung, die
ich früher, als ich mich nur mit der Kohlensäure beschäf-
tigte, schon einmal im Auge hatte, von der ich damals aber
wegen der Unsicherheit derjenigen Beobachtungsdaten, auf
welche ich sie hätte gründen müssen, zurückgekommen war.
Es muss nämlich an die Stelle des im letzten Gliede vor-
kommenden Bruches c/T eine allgemeinere Temperaturfunction
mit mehr unbestimmten Constanten gesetzt werden.
Da für die hier zunächst beabsichtigten allgemeinen Ent-
wicklungen die genauere Kenntniss der Temperaturfunction
noch nicht nöthig ist, so wollen wir uns vorläufig damit be-
gnügen, sie durch Einführung eines neuen Zeichens anzu-
deuten. Zur Bequemlichkeit der Bechnungen ist es aber
zweckmässig, dieses neue Zeichen nicht so zu wählen, dass
es einfach an die Stelle des Bruches c/T zu setzen ist, son-
dern so, dass es eine andere, diesen Bruch enthaltende
Grösse vertritt. Dazu wollen wir der Gleichung (1) folgende
Form geben:
p 1 c
R T ~~ V-'a ~ WT^^Tß? 1 I
und hierin möge der Bruch
c , . 27 + $
RT2 durch 8> |
ersetzt werden, worin & die unbestimmt gelassene Tempe-
raturfunction bedeuten soll, von der vorläufig nur soviel
gesagt werden möge, dass sie für T = 0 ebenfalls den Werth
o, und für die kritische Temperatur den Werth 1 hat. Durch
diese Substitution geht die vorige Gleichung über in:
K) RT v-u 8fr(v + ßf
Um diese Gleichung auf den Verdampfungsprocess an-
zuwenden, wollen wir den Druck des gesättigten Dampfes
zur Unterscheidung mit P bezeichnen und für das Volumen
des gesättigten Dampfes und der unter demselben Drucke
stehenden Flüssigkeit die auch sonst von mir gebrauchten
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R. Claushts. 283
Zeichen s und a anwenden. Da nun die Gleichung sowohl
für die Flüssigkeit als auch für den gesättigten Dampf gelten
muss, so können wir aus ihr folgende zwei Gleichungen bilden:
P 1 27 [a + 0)
(3)
(4)
RT G-a 8,'/(r7 + $2
P = 1 27 (« + £L
ÄT *-« 80- +
Um ferner auszudrücken, dass die bei der Verdampfung
geleistete äussere Arbeit gleich derjenigen sein muss, welche
man bei derselben Volumenzunahme erhalten würde, wenn
der Druck sich nach der theoretischen Isotherme und der
ihr entsprechenden Formel änderte, hat man zu setzen:
s
P(s — a ) m J pdv ,
und wenn man hierin für /; den durch die Gleichung (2) be-
stimmten Werth setzt, dann die Integration ausführt und die
so entstehende Gleichung noch mit /? T dividirt, so kommt:
(5) -g T (f - t) « lOg _ - — gyü (—^
Der Bequemlichkeit wegen wollen wir noch folgende
vereinfachte Zeichen einführen:
(6)
RT>
w = 6 — «; W = s — #,
dann lauten die Gleichungen (3), (4) und (5):
(I) 17-1- 27'
i» 8t9-(»t< + j-)*
(Iii) fl(r-^-i*^Ä(-4-- * )■
?ü 8 it Vto + y ff +yj
Diese drei Gleichungen sind es, welche man zur Rech-
nung anzuwenden hat, indem sich aus ihnen die Werthe von
II, w und W für jeden Werth von & bestimmen lassen, was
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284
R. Clausius.
dann weiter, wenn & als Function von T bekannt ist, dazu
führt, die Werthe von 77, w und W auch für jeden Werth
von T zu bestimmen.
§ 3. Wollte man die Rechnung so ausführen, dass man
die drei Grössen 77, w und W direct als Functionen von &
auszudrücken suchte, so würde man eine transcendente Glei-
chung zu behandeln haben, welche sich in geschlossener Form
nicht auflösen lässt. Es ist daher, wie Planck ganz richtig
sagt, besser, zunächst alle vier Grössen 77, w, W und & als
Functionen einer zweckmässig gewählten neuen Veränder-
lichen zu bestimmen. Planck hat als solche neue Verän-
derliche eine Winkelgrösse (p gewählt, welche er vorläufig
noch mit einer anderen Grösse r vereinigt und mit dieser
zusammen durch folgende Gleichungen definirt hat:
JT=rco82?. to = rsin2J«
2 ' 2
Ich habe dagegen in meinen Rechnungen einfach die in
Gleichung (III) vorkommende Grösse \og(Hrjw) als die neue
Veränderliche gewählt, welche ich mit X bezeichnet habe.
Bevor wir dieses Zeichen in die obigen Gleichungen
einführen, wollen wir dieselben noch etwas umgestalten. Aus
(I) und (II) folgt ohne weiteres:
J 21 y J 27>_ _
w 8&(w'+y)* ~~ W S#(Jr+>)2'
und hieraus ergibt sich:
Jl _ 1
27 y _ g w
S&~~ _1 1 '
(w + r)2 W+rl*
oder umgeformt:
27 y ( ff + +
[ } Sä ~~ Ww(W+ w + 2y)
Wenn man diesen "Werth von 21yjS& in die Gleichung (I)
einsetzt, so erhält man:
~ w Ww(JV+w + 2y)
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R. Clausius.
285
welchen Ausdruck man umformen kann in:
Was endlich die Gleichung (III) anbetrifft, welche jetzt
in folgender Anordnung geschrieben werden möge:
log — - U (IV- w) + |^ f— 1 ,
so geht dieselbe, wenn man für 27^/8i9- und // die unter
(7) und (8) gegebenen Werthe setzt und dann noch einige
Reductionen vornimmt, in folgende über:
m ' iM w - (^~w) (Ww + yiv+r*)
W 106 w - fr«? ( jfir+ tr + ~2 y) '
Auf diese letzte Gleichung wollen wir nun die Gleichung:
W
(10) A m log —
und die aus ihr sich ergebende Gleichung:
(11) W=wex
anwenden, wodurch wir erhalten:
; fi \\ + r (** + !)
A~l + l) + 2/] '
oder anders geschrieben:
Diese Gleichung lässt sich leicht nach w auflösen und gibt:
.... \~2Xtr>--^
(13) w,y— T-R_-I,
und hieraus ergibt sich gemäss (11) sofort weiter:
. l_2A*-*-e-2*
(14) ^-^T^ + ft + qr-*'
Um die Grösse // zu berechnen, kann man, wenn die
Grössen w und keinmal berechnet sind, die Gleichung (8) an-
wenden. Will man aber // als Function von l darstellen, so hat
man in (8) für w und JTdie unter (13) und (14) gegebenen Aus-
drücke zu setzen und erhält dann nach einigen Reductionen:
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28(5
B. Clausius.
e-V - 2 + (X + 2) . [(1 - f*)» - V-e- >•]
K 1 y{\ -e-')(\-2le->- -e~*'f
Zur Bestimmung der letzten Grösse & ergibt sich aus (7):
27; ^(Wr4-^ + 2jO
und wenn man hierin für 10 und W ihre Werthe aus (13)
und (14) einsetzt, so erhält man:
n* 9. ?! c*= 2 +J* + 2) nl] (i-2^-; -^-n)2
K ] 1 ~~ 8 (1 - r-4) (a - 1 (1 - - '
Durch die Gleichungen (13), (14), (15) und (17) ist er-
reicht, was beabsichtigt wurde, nämlich die vier Grössen u\
Wy 11 und & durch eine und dieselbe Grösse X auszu-
drücken.
§ 4. Will man die gefundenen Ausdrücke in Reihen
entwickeln, die nach Potenzen von X fortschreiten, so stösst
man auf ein eigenthümliches Verhalten. In fast allen Fac-
toren, welche in den Zählern und Nennern vorkommen,
heben sich die von X unabhängigen und die mit niederen
Potenzen von X behafteten Glieder auf, sodass alle Zähler
und Nenner ziemlich hohe Potenzen von X zu Factoren haben,
die sich dann freilich in den Brüchen aufheben. Die ein-
zelnen, die Factoren darstellenden Reihen lauten folgeuder-
maassen:
»^'-i'+ä14 -••••)
i-2 + (A + 2)r- - »4+ ^ -■■■■)
1 -MH - r* = ll> (I - * Jj !• + g i* - • • • •)
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R. Clausius. 287
Wendet man diese Ausdrücke auf die Gleichungen (13)
und (14) an und führt in diesen noch die angedeutete Divi-
sion und Multiplication aus, so erhält man:
(18) •-y(2-A+^-3>+2S~t^-8.5Vt>.»+....)
(19) ir-r (•+* + 2>+ H\#+ 35V 7 >•»+ ••••)•
Man sieht hieraus, was sich auch anderweitig als nothwen-
dig nachweisen lässt, dass die Glieder mit geraden Potenzen von
A in beiden Ausdrücken gleich und die Glieder mit ungeraden
Potenzen gleich und den Vorzeichen nach entgegengesetzt
sind. Man kann daher zwei neue Grössen M und N ein-
führen, welche nur gerade Potenzen von l enthalten, nämlich:
(20)
und dann setzen:
(2 1 ) w — M — NX , (22) W - M + NL
Aus den beiden letzten Gleichungen folgt:
(23) W>»r = 2 M, (24) Ww = M°- - N*- V-,
woraus ersichtlich ist, dass die Summe und das Product aus
den beiden Grössen W und w nur gerade Potenzen von /.
enthalten. Da nun in den unter (8) und (16) gegebenen Aus-
drücken von 77 und & die Grössen W und w nur in
den Verbindungen zu Summe und Product vorkommen, so
folgt daraus, dass auch die Grössen 77 und # nur gerade
Potenzen von A enthalten. Hierdurch ist bedingt, dass in
der Nähe der kritischen Temperatur, wo X sich dem Werthe
Null nähert, die Grössen 77 und'# sich wesentlich anders
verhalten, als die Grössen W und u\ worauf wir weiterhin
noch zurückkommen werden.
§ 5. Die bisher entwickelten Gleichungen, welche die
vier Grössen wt W, 77 und & als Functionen von X dar-
stellen, bestimmen natürlich dadurch indirect auch den Zu-
sammenhang, in welchem jede der drei Grössen w, JT und
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288 R. Clausus.
II mit der Grösse & steht; aber diese indirecte, durch eine
dritte Grösse vermittelte Bestimmung genügt den Anfor-
derungen nur unvollständig. Gewöhnlich betrachtet man bei
Untersuchungen über den Verdampfungsprocess die Tem-
peratur als das Gegebene und will aus ihr unmittelbar den
Dampfdruck und die Volumina des Dampfes und der Flüs-
sigkeit herleiten. In diesem Sinne müssen wir daher unsere
Bestimmungsart noch vervollständigen. Da in unseren bisheri-
gen Entwickelungen die Temperatur nicht explicite vorkommt,
sondern nur die noch unbestimmt gelassene Temperatur-
function &y so ist vorläufig die Bestimmung an diese Tem-
peraturfunction & zu knüpfen, und wir müssen uns die Auf-
gabe stellen, es so einzurichten, dass sich aus dem Werthe
von & in möglichst einfacher Weise die entsprechenden
Werthe von «?, IV und 77 ergeben. Das habe ich dadurch
zu erreichen gesucht, dass ich eine Tabelle berechnet habe,
welche für die verschiedenen, um je ein Hundertstel fort-
schreitenden Werthe von & die entsprechenden Werthe von
X angibt. Aus dieser Tabelle kann man X durch Interpo-
lation für jeden beliebigen Werth von & leicht bestimmen,
und wenn X bekannt ist, so kann man mit Hülfe der obigen
Formeln w, W und 77 direct berechnen.
Zur Berechnung der Tabelle habe ich zunächst X durch
eine Reihe dargestellt, welche nach Potenzen einer von \f
abhängenden Grösse fortschreitet. Dazu schien mir am
geeignetsten folgende Grösse:
(25) x == Vi
welche sich in gleicher Weise, wie A, bei Annäherung an
die kritische Temperatur dem Werthe Null nähert. Die
betreffende Reihe lautet:
(26) X = Gx + 3,24#3 + 2,880 171 6*6 + 2,885 628r7 +
Bevor von der Anwendung dieser Reihe zur Rechnung
die Rede ist, möge eine schon aus ihrer Form sich ergebende
Folgerung eingeschaltet werden, welche sich an die am
Schlüsse des vorigen Paragraphen gemachte Bemerkung an-
schlies8t. Wie man sieht, enthält die Reihe nur ungerade
Potenzen von .r, und daraus ergibt sich sofort, dass diejenige
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R. Claus ius.
289
Reihe, welche X2 darstellt, nur gerade Potenzen von x ent-
halten kann. Da ferner, wie oben besprochen, die Grösse //
bei der Entwickelung nach X nur gerade Potenzen von X
enthält, so kann sie dem vorigen nach bei der Entwickelung
nach x nur gerade Potenzen von x enthalten, während die
Reihen, welche die Grössen w und W darstellen, auch Glieder
mit ungeraden Potenzen und darunter ein Glied erster Ord-
nung enthalten. Nun ergeben sich aus (25) für die Diffe-
rentiaicoefficienten von x und x* nach # folgende Ausdrücke:
welche sich in ihrem Verhalten bei der Annäherung an die
kritische Temperatur, für welche 0=1 ist, dadurch wesent-
lich von einander unterscheiden, dass der erstere unendlich
gross wird, während der letztere endlich bleibt In eben
dieser Weise müssen sich nach dem vorher Gesagten auch
die nach & genommenen Differentiaicoefficienten der Grösse
ic und W von dem Differentiaicoefficienten der Grösse 11
unterscheiden. Es möge hier gleich hinzugefügt werden,
dass dasselbe auch für die nach T genommenen Differentiai-
coefficienten gilt, und es folgt daraus, dass bei der Annähe-
rung an die kritische Temperatur die Volumina der Flüssig-
keit und des Dampfes Aenderungen erleiden, welche im Verhält-
niss zur Temperaturänderung unendlich gross sind, während die
Aenderung des Dampfdruckes im Verhältniss zur Temperatur-
ünderung endlich bleibt. Auf diesen eigenthümlichen Unter-
schied hat schon van der Waals aufmerksam gemacht.
Mit Hülfe der obigen Reihe habe ich X für diejenigen
Werthe von # und x berechnet, für welche jene Gliederzahl
ausreicht, um den gewünschten Grad von Genauigkeit zu
erzielen. Für grössere Werthe von x, und somit kleinere
Werthe von &, bin ich auf die Gleichung (17) zurückge-
gangen, aus welcher sich für gegebene Werthe von X die
entsprechenden Werthe von & berechnen lassen, und welche
unter Anwendung eines Näherungsverfahrens auch umgekehrt
dazu dienen kann, für gegebene Werthe von & die ent-
sprechenden Werthe von X zu bestimmen.
Ann. <L Phjs. u. Chem. N. F. XI V. 19
Digitized by Google
290
R. Clausius.
Die in dieser Weise berechnete Tabelle, in welcher zur
Erleichterung der Interpolation auch die Differenzen zwischen
je zwei aufeinander folgenden Zahlen hinzugefügt sind, folgt
nachstehend. Wenn man aus dieser Tabelle den zu einem ge-
gebenen Werthe von & gehörenden Werth von A entnommen
hat, so kann man mit dessen Hülfe, wie schon gesagt, die
entsprechenden Werthe von iv, W und II aus den obigen
Gleichungen direct berechnen. Auch hat es, nachdem die
Tabelle für l einmal berechnet ist, keine Schwierigkeit weiter,
für mj, W und II Tabellen von gleicher Art zu berechnen,
welche für dieselbe Reihe von Werthen von & die entspre-
chenden Werthe dieser Grössen angeben.
il
A
i>
X
' I
i
_
4
0
0,05
0,10
0,11
0,12
0,13
0,14
0,15
U, 10
0,17
0,18
0,19
0,20
0,21
0,22
0,23
0,24
0,25
0,26
0,27
0,28
0,29
0,30
0,31
0,32
0,33
0,34
0,35
0,36
0,37
0,38
0,39
00
67,4947
33,7185
30,6469
28,0867
25,9197
24,0618
22,4511
91 OJ.I9
19,7968
18,6901
17,6995
16,8074
16,0000
15,2655
14,5944
13,9788
13,4119
12,8882
12,4028
11,9516
11,5309
11,1376
10,7691
10,4230
10,0971
9,7896
9,4989
9,2235
8,9621
8,7135
8,4767
3,0716
2,5602
2,1670
1,8579
1,6107 |
1,4099
1,2444
1,1067 j
0,9906
0,8921
0,8074
0,7345
0,6711
0,6156
0,5669
0,5237
0,4854
0,4512
0,4207
0,3933
0,3685
0,3461
0,3259
0,3075
0,2907
0,2754
0,2614
0,2486
0,2368
0,39
0,40
0,41
0,42
0,43
0,44
0,45
0,46
0,48
0,49
0,50
0,51
0,52
0,53
0,54
0,55
0,56
0,57
0,58
0,59
0,60
0,61
0,62
0,63
i 0,64
0,65
0,66
0,67
0,68
0,69
0,70
8,4767 "
8,2507
8,0348
7,8280
7,6296
7,4392
7,2561
7,0797
D,«fU,JO
6,7453
6,5864
6,4326
6,2834
6,1387
5,9980
5,8612
5,7278
5,5978
5,4709
5,3469
5,2256
5,1068
4,9904
4,8761
4,7639
4,6535
4,5448
4,4377
4,3321
4,2279
4,1248
| 4,0229
0,2260
0,2159
0,2068
0,1984
0,1904
0,1831 J
0,1764
0,1701
0,1643 1
0,1589 i
0,1538
0,1492 1
0,1447
0,1407
0,1368
0,1334 1
0,1300
0,1269
0,1240
0,1213
0,1188
0,1164
0,1143
0,1122
0,1104
0,1087
0,1071
0,1056
0,1042
0,1031
0,1019
0,70
0,71
0,72
0,73
0,74
0,75
0,76
| 0,77
U,<8
0,79
0,80
0,81
0,82
0,83
0,84
0,85
0,86
0,87
0,88
1 0,89
1 0,90
1 0,91
1 0,92
0,93
! 0,94
1 0,95
0,96
0,97
0,98
0,99
1
4,0229
3,9220
3,8219
3,7225
3,6238
3,5255
3,4277
3,3301
3,1353
3,0376
2,9398
2,8414
2,7424
2,6425
2,5416
2,4393
2,3354
2,2295
2,1212
2,00995
1,89517
1,77604
1,65147
1,52001
1,37956
1,22688
1,05653
0,85786
0,60327
0
0,1009
0,1001
0,0994
0,0987
0,0983
0,0978
0,0976
0,0974
0,0974
0,0977
0,0978
0,0984
0,0990
0,0999
0,1009
0,1023
0,1039
0,1059
0,1083
0,1112
0,11478
0,11918
0,12457
0,13146
0,14045
0,15268
0,17035
0,19867
0,25459
0,60327
Bonn, August 1881.
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H. Lorberg.
291
VII. Hebet* Wärmeleitung in einem System von
Cylindern, und über die experimentelle Bestim-
mung der Leitungsfähigkeit des Wassers;
van H. Lorberg in Strassburg.
In einem kürzlich in dieser Zeitschrift veröffentlichten
Aufsatze hat F. Weber1) eine interessante und allem Anschein
nach äusserst zweckmässige Methode zur Bestimmung des
Wärmeleitungsvermögens der Flüssigkeiten theoretisch ent-
wickelt und die Resultate ihrer experimentellen Durchfüh-
rung mitgetheilt. Der Wunsch, über die Leistungsfähigkeit
dieser Methode ein sichereres Urtheil zu gewinnen, als das
nach den von Weber mitgetheilten Rechnungen und Beob-
achtungen möglich ist, hat mich veranlasst, das Problem der
Wärmebewegung in einem System verschiedenartiger, anein-
ander gesetzter Cylinder ganz allgemein zu behandeln, ohne
Zuhülfenahme einiger von Weber gemachten vereinfachen-
den Annahmen, welche nur unter den von ihm gewählten
Versuchsbedingungen mit hinreichender Annäherung gültig
sind, und deren Einfluss auf das Endresultat sich im voraus
nicht genau angeben lässt. Um diese Annahmen mit mög-
lichster Kürze und Klarheit bezeichnen zu können, will ich
zunächst die Grundgleichungen des Problems aufstellen, so-
wie sich dieselben aus den von Poisson in seiner „Theorie
mathematique de la Chaleur" entwickelten Principien ergeben.
Es seien zwei Cylinder vom Radius q mit ihren Grundflächen
aufeinander gesetzt; das System habe anfangs in allen Punk-
ten die Temperatur u0 erhalten und sei dann in einen Raum
versetzt, der mit einer auf der Temperatur 0° erhaltenen
Hülle umgeben ist, während die untere Fläche des unteren
Cylinders auf der Temperatur 0° erhalten wird. Sind dann x
und r die Entfernungen eines Punktes von der unteren Grund-
fläche des unteren Cylinders und von der gemeinschaftlichen
Axe, u die Temperatur in einem Punkte des unteren Cylin-
Einleitung.
1) H. F. Weber, Wied. Ann. 10, p. 103 u. 304. 1880.
19*
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292
H. Lorberg.
ders (bei Weber einer zwischen zwei Kupferplatten befind-
lichen Flüssigkeitslamelle von der sehr geringen Dicke |), ux
die Temperatur in einem Punkt des oberen Cylinders (bei
Weber der oberen Kupferplatte von der Dicke JfJ, k, C, S
die Leitungsfähigkeit, specifische Wärme und Dichtigkeit
des unteren Cylinders, klf Clt Sx dasselbe für den oberen
Cylinder, h und hi die äussere Leitungsfähigkeit gegen Luft,
hQ eine analoge Co n st ante, welche die äussere Leitungsfahig-
keit der zwei Cylinder gegeneinander angibt, so ist:
f-rx du k A du. k. A
■"-•) (II) £ + £«-0, & + £«,-<>,
für r = 0) (III) u = 0,
für .-t+fc) (IV) ^+{^0,
fer*»fi (V) (V.) Ä^ = Ä0(Wl^w),
für t = 0) (VI) u = «,« w0.
Weber setzt nun die Temperatur an der Berührungs-
fläche der Flüssigkeit und des Kupfers in beiden Körpern
als gleich voraus, ersetzt also die GL (Va) durch die Gl.
u = während nach Poisson an der Berührungsfläche
zweier verschiedenartiger Körper eine Discontinuität der
Temperatur stattfinden muss, falls nicht dieConstante h0 = cc
ist. Die Frage, ob eine solche Discontinuität stattfindet, ist
bekanntlich experimentell von verschiedenen Beobachtern in
gerade entgegengesetztem Sinne beantwortet worden, in ver-
neinendem von G. Wiedemann1) für zwei Metalle, in be-
jahendem von Angström2) für zwei Metalle, von Despretz8)
für zwei Flüssigkeiten; für eine experimentelle Erledigung
der Frage sind indessen diese Beobachtungen nicht ausrei-
chend, die letzteren schon aus dem Grunde, weil jede genauere
Angabe über die Art der Beobachtung fehlt. Eine theore-
1) G. Wiedemann, Pogg. Ann. 95. p. 337. 1855.
2) Angström, Pogg. Ann. 88. p. 165. 1853.
3) Despretz, Pogg. Ann. 142. p. 626. 1871.
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H. Lorberg. 293
tische Begründung der Richtigkeit der Annahme Weber's
werde ich im folgenden Paragraphen zu geben versuchen.
Ferner setzt Weber in GL (V):
du u ux
er nimmt also die Flüssigkeitslamelle als so dünn an, dass sich
u = qz setzen lässt, wo q von x unabhängig ist. Es ist nun
schwer, im voraus zu bestimmen, wie dünn die Flüssigkeits-
schicht behufs der Zulässigkeit dieser Annahme sein muss;
h wird durch eine Summe von Gliedern von der Form sin qx
bestimmt, wo die Constanten q die Wurzeln einer transcen-
denten Gleichung sind, und nur eine Untersuchung dieser
Wurzeln nach der strengen Theorie kann ergeben, unter
welchen Umständen dieselben klein genug sind, um sin qx
= qx setzen zu können; in der That findet Weber.1)
u = A sin qx e-'ttU, wo q2 = 4,778 a) ist, woraus wegen g = 0,231
für x = | folgt:
u_ = du tg q £ _ j du
£ ' dx q£ 1 dx
Infolge der erwähnten Annahme Weber's lässt sich
nun, wie man sieht, die Temperatur der Kupferplatte unab-
hängig von der der Flüssigkeit bestimmen, und es ergibt
sich, dass dieselbe mit grosser Annäherung eine blosse
Function der Zeit ist. Was dann weiter die Temperatur u
der Flüssigkeit betrifft, so stellt Weber als die an ihrer Be-
rührungsfläche mit der Kupferplatte geltende Bedingung die
auf, dass die von der Kupferplatte verlorene Wärmemenge,
welche, wenn Mx ihre Masse bezeichnet, = — M1Cl(du1jdt)
= — Mj^Qidujdt) gesetzt werden kann, aus zwei Theilen
besteht, von denen der erste die durch ihre freie Endfläche
und Seitenfläche Ft ausgestrahlte Wärme, also = hv Fl ux
ä^Z^m, der zweite die durch die Berührungsfläche F an
die Flüssigkeit abgegebene Wärme, also — kF(du/dx) ist.
Weber stellt also für die Berührungsfläche die Gleichungen auf:
(a) « -/(Pi (b) -MiC^-h^u + kF^,
1) Weber, L c. p. 123.
2) Weber, L c. p. 122.
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294
H. Lorberg.
neben welchen die ersten Gleichungen (I) und (II), sowie
die Gleichungen (III) und (VI) zur Bestimmung von u die-
nen. Nach den Gl. (a) und (b) würden aber die an der Be-
rührungsfläche stattfindenden Werthe u% und {dujda)t blosse
Functionen der Zeit werden, woraus mittelst der Gl. (I),
nämlich : dht CSdu d*u 1_ du,
dx2 k dt dr* r dr
dasselbe für (cPujdx2)*, durch Differentiation der vorstehen-
den Gleichung dasselbe für ((Pu/dx3)^ und so fort für sämmt-
liehe Differentialquotienten von u nach # folgen würde; mit-
hin würde für jedes x u von r unabhängig sein, was den
Gl. (I) und (II) *) widerspricht. Hiernach lassen sich die von
Weber aufgestellten Gleichungen nicht streng lösen, da sie
nur unter der Annahme einer nach den Seiten hin unend-
lichen Ausdehnung der Platten miteinander vereinbar sind,
welche Annahme auch die von Weber für dieselben gegebene
Lösung2) voraussetzt. Wenn auch bei Flüssigkeiten, bei
denen wir den Werth des äusseren Leitungsvermögens nicht
kennen, die Berücksichtigung der am Rande stattfindenden
Strahlung kein grosses physikalisches Interesse hat, so kann
doch für den Fall, dass man die Methode z. B. auf schlecht
leitende Metalle anwenden wollte, eine Berücksichtigung
jenes Umstandes wünschenswerth sein. Da ausserdem an
der Berührungsfläche jedenfalls die Gl. (V) gelten muss, so
bildet die Annahme, es sei in Gl (b) dujdx von 0 verschie-
den, einen Widerspruch gegen die Voraussetzung der Kupfer-
platte als eines isothermen Raumes; setzt man aber in GL
(b) du/dr = Q, so folgt das unmögliche Resultat u* — 0, so-
wie denn auch ohne Rechnung einleuchtet, dass, wenn die
Kupferplatte ein in strengem Sinne isothermer Raum wäre,
an ihrer Berührungsfläche mit der Flüssigkeit kein Wärmefluss
und folglich auch im Inneren der Flüssigkeit keine Wärme-
bewegung (abgesehen von der Strahlung durch die Seiten-
fläche) stattfinden könnte.
Schliesslich ist noch die Voraussetzung nicht streng er-
füllt, dass die Unterseite der Flüssigkeit schon von Beginn
1) H. F. Weber, 1. c. p. 118 u. 119, Gl. (1) u. (5).
2) 1. c. p. 120, Gl. (8) u. p. 121, Gl. (9).
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H. Lorberg.
295
der Beobachtung an die constante Temperatur 0° der Um-
gebung habe. Die zwischen zwei Kupferplatten, von denen
die obere ungefähr 1 cm, die untere 0,5 cm dick war, befind-
liche Flüssigkeitslamelle wurde in einem bestimmten Moment
auf eine Eisplatte herabgelassen und sofort mit einer „dauernd
auf 0° abgekühlten" Kappe von Kupferblech umgeben. Dabei
mus8te nun in derselben Weise wie die obere Kupferplatte
auch die untere und damit die Unterseite der Flüssigkeit
erst allmählich die Temperatur 0° annehmen; das Problem
war eigentlich das dreier Cy linder, von denen der unterste
an seiner Unterseite auf der constanten Temperatur 0° er-
halten wird. Auch dass die Hülle genau dieselbe Temperatur
wie die Unterseite der unteren Kupferplatte haben sollte, ist
nicht verbürgt; bezeichnen wir die Temperatur der Hülle
mit 0, die der Eisplatte mit — r, so entsteht aus dieser
Temperatur — r eine stationäre Temperatur in den Cylin*
dern, welche zu der unter der Voraussetzung r = 0 berech-
neten variabeln Temperatur zu addiren ist; das theoretische
Problem wird also durch diesen Umstand nicht tangirt, wohl
aber — und zwar in nicht unbeträchtlichem Maasse — die
Berechnung der Beobachtungen, wie ich in § 6 zeigen werde.
Die im Folgenden behandelte Aufgabe dürfte auch als
Beispiel der Behandlung des meines Wissens bis jetzt noch
nicht streng gelösten Problems der Wärmebewegung in einem
heterogenen Körper vielleicht nicht ganz ohne mathematisch-
physikalisches Interesse sein; dieselbe nicht auf zwei Körper
zu beschränken, dazu gab nach dem vorstehend Bemerkten
das Weber'sche Problem selbst Anlass. Ich schliesse an
diese theoretische Untersuchung eine Berechnung der Lei-
tungsfahigkeit des Wassers aus den Weber'schen Beobach-
tungsresultaten, sowie eine Herleitung dieser Resultate aus
den von Weber mitgetheilten Beobachtungsreihen.
§1. Ueber die Bedingungsgleichungen der Temperaturbewegung
an der Berührungsfläche zweier verschiedenartiger Körper.
Für die Berührungsfläche zweier verschiedenartiger Kör-
per mit den Temperaturen u und u stellt Poisson1) die
Gleichungen auf:
lj Poisson, Theor. math. de la Chal., p. 127.
29tf
H. Lorberg.
(1)
k
du
= k
,du-
dN
wo k und A die Leitungsfähigkeiten sind, während dN das
Element der vom ersten zum zweiten Körper gerichteten
Normale der Berührungsfläche bezeichnet, und er wendet
diese Gleichungen auf den Fall einer mit einer sphäri-
schen Schicht aus anderem Stoffe bedeckten Kugel an.1)
Für andere Fälle ist meines Wissens das Problem der Tem-
peraturbewegung in einem homogenen Körper noch nicht
streng behandelt worden; da aber bisher die Fourier-Poisson-
sche Theorie allen Problemen der Temperaturbewegung zu
Grunde gelegt worden ist, so erscheint es unerlässlich, sich
hinsichtlich der Gültigkeit der Grenzgleichungen (1), nach
denen an der Berührungsfläche zweier verschiedenartigen
Körper, falls nicht q = 00 ist, eine Discontinuität der Tem-
peratur stattfinden würde, schlüssig zu machen. Ein Zweifel
an der Richtigkeit dieser Gleichungen wird nun schon durch
die Erwägung veranlasst, dass sie doch jedenfalls auch gültig
sein müssten, wenn die zwei Körper von derselben Beschaf-
fenheit sind, d. h. im Inneren eines Körpers; in diesem Falle
würden sie aber, da dann v! — u unendlich klein sein würde,
entweder in k(dujdN) = 0 übergehen, d. h. es würde im Inneren
des Körpers gar kein Wärmefluss stattfinden; oder es müsste
die Constante q im Inneren eines Körpers unendlich gross
sein; dann wäre aber — wie das auch die folgende Rechnung
bestätigen wird — kein Grund einzusehen, weshalb sie an
der Berührungsfläche zweier verschiedenartiger Körper einen
endlichen Werth haben sollte. Poisson's Begründung dieser
Gleichungen ist im wesentlichen folgende; dabei können wir
die Berührungsfläche als eine auf der #-Axe senkrechte
Ebene und die Temperatur als eine blosse Function von x
und der Zeit annehmen, da sie in der Nähe der Berührungs-
fläche in der Richtung der Normalen sich möglicherweise
sehr rasch ändern kann, dagegen in den der Berührungsfläche
parallelen Richtungen nur geringe Aenderungen erfahren
wird. Denken wir uns in dem ersten Körper senkrecht auf
dem Element w der Berührungsfläche einen Cylinder von der
l) 1. c. p. 300 ff.
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H. Lorbery
297
sehr geringen Länge «, welche aber grösser ist, als die Grenze /
der inneren Strahlung, so erhält derselbe durch den Strah-
lungsau stausch mit demjenigen Theile des ersten Körpers,
welcher auf der anderen Seite der durch seine zweite Grund-
fläche w gelegten, der Berührungsfläche parallelen Ebene
liegt, einen Wärmezuwachs Wwy wo W die durch w gehende
Wärmefluth, also: W — — kdu
dx
ist; durch den Strahlungsaustausch mit dem zweiten Körper
erfahrt er einen Wärmeverlust gleich der durch w gehenden
Wärmen* uth ff>, wo:
gesetzt werden kann, wobei g „vom Stoff der zwei Körper
abhängt und möglicherweise auch eine symmetrische Function
von u und u ist". Der ganze Wärmezuwachs des Cylinders
ist also, wenn C und S die specifische Wärme und Dichtig-
keit bezeichnen:
ff- ^=-A^-?(«-«') = £.CS^ = 0.
Den Ausdruck tV0 = q(u — u) gibt Poisson ohne Be-
gründung; offenbar hat er denselben analog dem entsprechen-
den für die Berührungsfläche eines festen oder flüssigen
Körpers mit Luft geltenden Ausdruck gebildet, den er
— p(u — £) setzt1), wobei er hinzufügt: „£ est une tempera-
ture, qui sera la valeur de u pour laquelle le flux de chaleur
serait nul; sans la definir autrement, nous l'appellerons en
general la temperature exterieureu. Eine klare Bedeutung
hat aber diese „äussere Temperatur" £ nur in dem Falle,
wo die den Körper umgebende Luftschicht von einer auf
der constanten Temperatur £ erhaltenen Hülle umschlossen
ist; dann kann man bekanntlich sowohl den Wärmeverlust
durch den Strahlungsaustausch mit der Hülle, als auch den
durch Leitung in der Luft in erster Annäherung proportional
mit m — S setzen, mag man nun den ersteren nach dem Du-
long-Petit'schen Strahlungsgesetz oder nach einem anderen,
z. B. dem von Stefan2) aufgestellten, bestimmen. Bei der
Erkaltung eines Körpers im freien Luftraum erhält man
1) 1. c. p. 123. 2) Stefan, Wien. Ber.. 79. p. 391. 1879.
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298 H. Lorberg.
für JV0 einen Ausdruck von der Form p (u — £) unter der
Voraussetzung, dass die Temperatur in einer sehr dünnen
Luftschicht von der des erkaltenden Körpers u bis zu der
des freien Luftraumes £ continuirlich abnimmt. Berechnet
man dagegen die oben mit fV0 bezeichnete Grösse nach den
Poisson'schen Principien für zwei sich berührende, stark ab-
sorbirende, d. h. feste oder flüssige Körper, so findet man
einen ganz anderen Ausdruck. Bezeichnen wir nämlich die
Entfernung zweier Molecüle m, m der zwei Körper mit r,
ihre Volumina mit dv und dv, die Temperaturen der zwei
Molecüle mit u und u\ denjenigen Bruchtheil der von m
ausgestrahlten Wärme, welcher das Molecül m erreicht, mit
/?, die Dichtigkeiten und AbsorptionscoSfficienten der zwei
Körper, welche wir in erster Annäherung als innerhalb des
Körpers constant werden annehmen dürfen, mit p, q und
q', g\ die von der Beschaffenheit der Körper unabhängige
Temperaturfunction, welche das Verhältniss des Emissions-
vermögens zum Absorptionsvermögen angibt, mit F(u)y so ist
nach Poisson der Wärmeverlust von m durch den Strah-
lungsaustausch mit m:
Es sei nun m ein Molecül des oben betrachteten Cylin-
ders, m irgend ein Molecül des zweiten Körpers, g und g
ihre Entfernungen von der Berührungsfläche, 77' die Ent-
fernung des Molecüls m von der x-Axe, & der Winkel
zwischen r und der a?-Ae, 1 / cos fr = p ; dann ist dv = wd£,
TT = 7? '/ 4< d£ = 2« « + «1^ du dl = 2n*£ rf|' .
r"
p = e~~ ^fit+f'i'tlj
l 00 v
also: WQ = iQqg'q'f rfg J**£ Jr-^fl+^«(Ä- JV) rf|',
mithin, da nach der Definition der Grenzen / und /' der
inneren Strahlung: e~wl = g-f'«'*' = 0 zu setzen ist:
OD l ('
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H. Lorberg. 299
Bezeichnen wir nun die Werthe von u und u' an der
Berührungsfläche mit w0 und w0' und entwickeln u — u0 und
u — u0 nach Potenzen von £ und f:
X
i T1
so wird: /"(«) = + .X F'J^1 („ _ „j = ^.g + „2«.|n,
1
i i
i i
also: oq Je-*iMtF(n)</£= ^ Fm0)+ oq "«/'"^^Sr
O * 0
oder da: f«-«|VS- -«-«.^ 0 B* = f",
o 0
3,
1 1 1
also schliesslich:
(a) ^=i(^-^„'))+i»2""2((;;r ,/;>).
wo (s)ei — F»(«0)(^)o, o1'-J?'«)cl'-F'K')(£')<.
o^jr. {ao)C2+}^(„0)Cl' = j/-' («,,) (^)o+iF2(„o)^)o2u.8. w.
Nehmen wir den zweiten Körper als aus demselben
Stoffe wie den ersten bestehend an, so muss der vorstehende
Ausdruck in den der Wärmefiuth W im Inneren des Körpers
übergehen; in diesem Falle wird a2n = ain, a2n + i =
~ a2n + i, also:
oder mit Vernachlässigung der dritten und höheren Potenzen
der sehr kleinen Grösse l/gq:
(b) woA=3^F'(«),
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300 //. Lorberg.
was mit dem von Poisson1) berechneten Werth überein-
stimmt Bezeichnen wir bei zwei verschiedenartigen Körpern
die den Temperaturen w0 und u0' entsprechenden Werthe
von k und k' mit ä0 und k0' und setzen | (Fu0 — Fu0') = a,
so können wir mit Vernachlässigung der höheren Potenzen
die Gl. (a) schreiben:
(c) r. —!*.(£). -JV(£l + «.
Danach ist der Wärmezuwachs des oben betrachteten
Cylinders und eines gleichlangen entsprechenden Cylinders
im zweiten Körper:
Sind die zwei Körper von demselben Stoff, so müssen
diese Gleichungen in die der Wärmebewegung im Inneren
eines Körpers übergehen; in der That ist in diesem Falle
a = 0. und beide Gleichungen fallen zusammen in die Glei-
chung. ejL(k—\ — e
dx \ dx J ' dt
Sind dagegen die zwei Körper verschieden, so gibt die
Addition der Gleichungen (d), indem man die mit der un-
endlich kleinen Grösse e multiplicirten Glieder weglässt:
(2) -Ä£+*'^ = °>
wodurch nach der ersten der Gleichungen (d) a von der
Ordnung e wird; diese Gleichung reducirt sich mithin auf
a = 0, d. h.:
(2J u0 = < .
Die Gleichungen (2) und (2a) sind mithin an die
Stelle der Poisson'schen Gleichungen (1) zu setzen.
§ 2. Allgemeine Lösung des Problems der Temperaturbewe-
gung für ein System von Cylindern.
Wir denken uns eine beliebige Anzahl n von Cylindern
von gleichem Radius und verschiedenem Stoff mit ihren
l) L c. p. 102.
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(1)
H. Lorberg. 301
Grundflächen aufeinander gesetzt; das ganze System habe
eine in allen Punkten gleiche Anfangstemperatur u0 und
werde in einem bestimmten Moment in einen Luftraum ver-
setzt, der mit einer auf einer constanten Temperatur, welche
wir mit 0 bezeichnen, erhaltenen Hülle umgeben ist, während
die untere Grundfläche des untersten Cylinders auf der con-
stanten Temperatur 0 erhalten wird. Für irgend einen
dieser Cylinder, den iten von unten an, sei k{ die (als von
der Temperatur unabhängig betrachtete) Leitungsfähigkeit,
Q und Si die spec. Wärme und Dichtigkeit, hi das äussere
Leitungsvermögen der Seitenfläche gegen Luft, £. die Dicke,.
u{ die Temperatur zur Zeit / in einem Abstände r von
der gemeinschaftlichen Axe und einem Abstände §.x. von
der unteren Grundfläche des betreffenden Cylinders; für den
obersten Cylinder sei h das äussere Leitungsvermögen, wel-
ches von dem der Seitenfläche verschieden sein kann. Wir
setzen ferner für i = 1,2, ...n:
d*u d*u 1 du a
Dann sind, mit Berücksichtigung der Erörterungen des § 1,
die Grundgleichungen:
(I) ^ - fliM«i, (II) + ßiUi = 0 für r = Qt
(III) Ui = ui+U Si^ = <*£+1 für.ri=l, .rl+1 = 0(i=l,2,...n-l).
(IV) Wl = 0 für r, =0, (IV.) ~n + At/n = 0 für
ft
(V) Ui = u0 fur ' =
Wir bezeichnen mit J(z) die von Lommel mit J°(z)
bezeichnete Bessel'sche Function erster Art und Oter Ord-
o
d. h. das für z = 0 endlich bleibende particuläre Integral der
Differentialgleichung :
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302 H. Lorberg.
dz- z dz
und mit J\z) = — dJ/dz die entsprechende Bessel'sche Func-
tion erster Ordnung; ferner mit pu eine der unendlich vielen
Wurzeln der Gleichung:
(2) PixJJPir)_ = ß und setzen.
fUv Jf« tf* d
sin arj
(4) qp,, = #fr £-+ C-t cos [qi% iTj).
Vit
Dann werden die Gl. (I) und (II) erfüllt durch den Ausdruck:
(A) s-^z-z^ '2^}-9v
wo sich die Summation nach r auf sämmtliche Wurzeln der
Gl. (2), die Summation nach a und s auf sämmtliche Wurzeln
einer gewissen Gleichung für n29$ bezieht. {i]t und Agt sind
von i und r unabhängig; qit, Bix, Cix sind, wie sich weiter
unten ergeben wird, zugleich von a und s abhängig und
sollten daher eigentlich mit qa.* bezeichnet werden, ich lasse
aber zur Vereinfachung die oberen Indices fort. Die Glei-
chungen (III) gehen über in:
(a)
^(Pit-)/ 8in?. \ ^(fi+i.,--)
Nun ergibt sich aus bekannten Eigenschaften der Bessel-
schen Functionen leicht folgender Satz: „Soll für alle Werthe
von r zwischen 0 und q:
4.7)
sein, wo das Summenzeichen sich auf sämmtliche Wurzeln
pt der Gl. (2) bezieht, so muss:
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(6)
H. Lorberg. 303
sein." Schreiben wir also die Gleichungen (a) in der Form:
_ 4..-r) _ 4.+,,-)
und setzen:
(5) a^ 2=^«i ßi — ßi+l 888 «Ii
l + v ■
so folgt aus (b) mittelst bekannter Eigenschaften der BesseP-
schen Functionen:
Dadurch gehen die Gleichungen (a) über in:
i?i+i.I=2() €i di Xi+lft SS -~ ~~ - (Bir cos^ir.- Gm qix. siny,v),
2\ i sin Q- i \
Schliesslich gehen die Gl. (IV) über in:
(6a) ClT = 0,
. 8in?„z
C08?nT + A -■ -
(6b) Cnt=HnxBHX, wo //nT =
Aus den Gl. (6) lassen sich unter Berücksichtigung von (6a)
Bix und Cix linear durch 2?lx. ausdrücken, in der Form:
(7) Bix = ^2 P;z 0lt., Cix = «2 Bu
wodurch die Gl. (6b) übergeht in:
(8) r^(Hnx rxnx. - QJ,)A,«0.
Ist J die Determinante dieses Systems linearer Glei-
chungen, in denen für r und x alle den Wurzeln />ir ent-
sprechenden Zahlen 0, l,...oo zu setzen sind, so folgt aus
(8) die Gleichung:
(9) A = 0,
«
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304
H. Lorberg.
welche, wenn man darin alle den verschiedenen Werthen von
i und r entsprechenden Constanten qit nach (3) durch
ausdrückt, in eine transcendente Gleichung für übergeht,
auf deren Wurzeln sich die Summation nach a und s in der
GL (A) bezieht; durch diese Wurzeln sind dann nach (3)
sämintliche Grössen: \
bestimmt. Wenn wir ferner einem der CoSflicienten B\x-
einen willkürlichen Werth geben, z. B. B\a = 1 setzen, was
wegen des in dem Ausdruck (A) vorkommenden Factors Aot
gestattet ist, so ergeben sich aus den Gleichungen (8) alle
übrigen, einer bestimmten Wurzel w|t entsprechenden Coef-
ficienten B\ZJ und endlich aus den Gleichungen (7) sämmt-
liche dieser Wurzel entsprechende Coefficienten l?lt, CJt.
Schliesslich sind noch die Coefficienten Aat der Glei-
chung (A) mittelst der Anfangsbedingung u{ = u0 für t = 0, d. h.:
a2 '2 j^I oder kürzer: ff2 a2 j4"yl<"==:1
zu bestimmen; dies geschieht mittelst eines bekannten, sich
mit Leichtigkeit aus dem Green'schen Theorem ergebenden
Satzes von Poisson, nach welchem die Summe der über je
einen der Körper (dessen Volumenelement dv^ sei) ausgedehn-
ten Integrale:
ist, wenn 6, s und </, s sich auf zwei verschiedene der
möglichen Werthe von fj£9 beziehen. Soll nämlich für
t = 0:
n
1
5-2-2^
sein, so folgt aus (c):
also:
(10)
ff* —
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H. Lorberg. 305
n n
wo: Zat m «2 £, f - «2 6 f (M")2 1
i i ^
mithin in unserem Falle, wo dv{ =» 2nr dr . /< = 1 ist,
1 0 0
1 0 0
Nun ist : JV (p, , J) rrfr = £ J* ,) = ^ /(p, ,) ,
0
(d) fj\r»$j(p^)rdr-o,
0
wenn r und x verschieden sind,
9
f[J(p<*l)Jrdr= 2i7tJ(P>W> mithiD:
0
(11)
0
i r2sinH?n
1 0
n
2
1
Ann. d. Phji. u. Chem. N. F. XIV. 20
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306
H. Lorberg.
Aus der Gl. (c) folgt noch in bekannter Weise, dass
sämmtliche Wurzeln pl, der Gl. (9), mithin zufolge der Gl. (3)
auch sämmtliche Constanten q\x reell sind. Es sind mithin,
auch wenn die qU negativ sind, die Coefficienten der Unbe-
kannten B und C in den Gl. (6), also auch diese Grössen
selbst, folglich auch die Functionen yix der Gl. (A) reell.
Somit ist das Problem auf die Auflösung der trans-
cendenten Gl. (9) und des linearen Gleichungssystems (8)
zurückgeführt. Die in der Natur vorkommenden Werthe
der Grössen h/k = ß sind sehr klein; so ist z. B., cm und
Minute als Einheiten genommen , für Kupfer k = 50 l) , h =
0,006 2), also £ = 0,00012; für Eisen £ = 0,000943 3) ; daher
lässt sich diese Auflösung ohne Schwierigkeit mit jedem ge-
wünschten Grade der Näherung bewerkstelligen. Ich will die
Eechnung im folgenden § mit Vernachlässigung der zweiten
und höheren Potenzen der ß durchführen. Ueber A = £ ß
mache ich vorläufig keine Annahme, da dasselbe je nach der
Grösse von £n alle möglichen Werthe von 0 bis oo haben
kann.
Ich schliesse hieran einige Bemerkungen über die Wur-
zeln der Gl. (2). Dass dieselben sämmtlich reell sind,, folgt
aus der Gl. (d); dass sie paarweise gleich und von entgegen-
gesetztem Zeichen sind, folgt unmittelbar aus der Form der
Gleichung; in (A) sind nur die positiven Wurzeln zu nehmen.
Bezeichnet man mit za eine der unendlich vielen positiven
Wurzeln der Gl. J{z) = 0, welche bekanntlich ebenfalls sämmt-
lich reell und paarweise gleich und von entgegengetzteni
Zeichen sind, und zerlegt die Function zJ1(z)/J(z) in Partial-
brüche:
0
so sieht man sofort, dass diese Function beständig wachsend
zwischen z — 0 und z — z0 — 0 von 0 zu + oo , zwischen zs
4-0 und za + i— 0 von — oo zu +oo übergeht, also in jedem
1) H. F. Weber, Berl. Ber. 1880.
2) H. F. Weber, Wied. Ann. 10. p. 129. 1880.
3) Kirchhoff u. Hansemann, Wied. Ann. 9. p. 15. 1880.
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H. Lorberg.
307
dieser Intervalle ein- und nur einmal = oß wird; die Gl. (2)
hat also unendlich viele reelle Wurzeln , von denen die kleinste
p0 zwischen 0 und zw von den übrigen je eine pt zwischen z,
und z,+ i liegt, und zwar hinter der in diesem Intervall liegen-
den Wurzel n, der Gl. J\z) = Q. Um p, in eine nach Potenzen
von gß—c fortschreitende Reihe zu entwickeln, setzen wir:
V\ — z — n] + ^i c + <*2 c2 + ^3 cS +
Nun ist bekanntlich, wenn wir die BesseFsche Function wter
Ordnung mit Jn(z) bezeichnen:
dnj{yz) (_1}n d»(VzJHVz)) n_! -
=vvzrJ (v z)> - Ts 1 (2y^J
wodurch die Gl. (2) oder V~z J1 (]/*) — cJfl/i) übergeht in:
1 » 8
Ä*Z jr;- (^+dic+--) — — oder
0
(e) .|(.l^^[i^Ä + 4t+..JP+«
-(()1+^c+...)n]=0,
woraus sich durch Gleichsetzung der Coefficienten gleich-
hoher Potenzen von c die ö berechnen lassen. Man erhält
auf diesem Wege:
d1=2, *, = <), «5,= - JL, d4 = ^etc.
Für die kleinste Wurzel p0 gelten diese Werthe nicht, da
n0 = 0 ist; man hat für diesen Fall in (e):
zu setzen, wodurch sich ergibt:
*i«2, <)2=-J, ^-»4, ^«-jfc etc.
Es ist also:
j p.» = 2e/5 - J (pfl» + 4(pAT - ili toÄ* + - ■
(12) | P> «.* + 2 - ~i (c/?)3 + £ (e/*)1 + • -
20*
308
F. Auerbach,
Die ersten Werthe der n. sind:
^=3,8316, tt2= 7,0156, jt3= 10,1, rc4 = 13,3, tt6 = 16,4,
rc6 = 19,6, ;t7 = 22,7,
und — 9T„ nähert sich mit wachsendem s abnehmend un-
begrenzt dem Werthe n. Da hiernach die Coefficienten der
Potenzen von gß in (12) eine rasch abnehmende Reihe bil-
den, so kann man wegen der Kleinheit von ß bei nicht
übermässig grossem Werthe von o die Ausdrücke (12) auf
die ersten Glieder beschränken.
Ueber die magnetische Nachwirkung;
von Felix Auerbach.
1. Unter den Hypothesen, welche der Poisson'schen, und
ebenso jeder anderen, bisher streng durchgeführten Theorie
des Magnetismus zu Grunde liegen, befindet sich auch diese,
dass der magnetische Zustand, in welchem ein Körper zu
irgend einer Zeit sich befindet, nur abhängig sei von den
zu dieser Zeit auf ihn wirkenden Kräften. Diese Hypo-
these ist in keinem Falle streng, in vielen Fällen aber auch
nicht näherungsweise erfüllt, und als die Ursache hiervon
lässt sich eine, wie es scheint, in der Natur sehr verbreitete
Erscheinung, die Nachwirkung, betrachten.
2. Unter Nachwirkung kann man zweierlei Erscheinungen
verstehen; erstens solche, welche darin bestehen, dass der Zu-
stand einesKörpers während der Wirkung einer con-
stanten Kraft oder nach deren Auf hör en sich ändert;
und zweitens solche, wonach die von einer Kraft in einem
Körper erzeugte Wirkung zwar constant, ihrem
Betrage nach aber nicht nur von der Grösse der
Kraft, sondern auch von den vorher wirksam ge-
wesenen Kräften, resp. von den durch diese her vor ge-
(Fortsctzung im nächsten Heft.)
VIII. Magnetische Untersuchungen.
Zweite Abhandlung:
V
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F. Auerbach.
309
rufenen, vorhergegangenen Zuständen des Körpers
abhängig ist. Im Gebiete der Elasticität sind beide
Klassen von Nachwirkungserscheinungen seit längerer Zeit
bekannt; der Name der „magnetischen Nachwirkung"
findet sich zuerst bei F. Kohlrausch, bei Gelegenheit
elastischer Untersuchungen1); der Erste aber, welcher diese
Erscheinungen als solche ins Auge fasste, war Fromme2),
und zwar handelt es sich hier um die Nachwirkung zweiter
Art; für diejenige erster Art habe ich3), ohne jene Bezeich-
nungen von Kohl rausch und Fromme zu kennen, mich
desselben Ausdrucks bedient. Zur zweiten Art magnetischer
Nachwirkung gehören übrigens auch zwei längst bekannte,
nur nicht als solche erkannte Erscheinungen, nämlich erstens
ein gewisser Kreisprocess, welcher sicherlich vielen Beob-
achtern im Gebiete der magnetischen Erscheinungen aufge-
lallen ist, auf welchen z. B. O. E. Meyer- und ich4) bei Ge-
legenheit einer Untersuchung der Gramme'schen Maschine
hingewiesen haben, welcher aber erst von Warburg5) ein-
gehend studirt worden ist. Von diesem Kreisprocess wird
hier noch die Rede sein. Der andere oben gedachte Fall
ist die Erscheinung des permanenten Magnetismus, dessen
Natur als Nachwirkungsphänomen sich im Laufe der folgen-
den Betrachtungen deutlich herausstellen wird.
3. In der vorliegenden Abhandlung ist ausschliesslich
von der Nachwirkung zweiter Art die Rede. Die allge-
meinste, hier zu beantwortende Frage lautet: Wie hängt
der von einer äusseren Kraft t erzeugte oder, reser-
virter ausgedrückt, der ihr entsprechende Magne-
tismus m8) von den vorhergegangenen Kräften JY...
JP...JZ1 resp. von den ihnen entsprechenden vorher-
gegangenen Zuständen M1...MP...M% ab? Diese Frage
1) F. Kohlrausch, Pogg. Ann. 128. p. 4. 1866.
2) Fromme, Wied. Ann. 4. p. 88. 1878.
3) Auerbach, Wied. Ann. 5. p. 489. 1878.
4) 0. E. Meyer u. Auerbach, Wied. Ann. 8. p. 498. 1879.
5) War bürg, Ber. d. Nat. Ges. zu Freiburg i/Br. 8. p. 1. 1881.
6) Unter Magnetismus schlechthin ist hier stets der ganze Magne-
tismus verstanden.
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310
F. Auerbach
habe ich, so viel ich weiss, zum ersten mal systematisch
zu beantworten gesucht. Da sie complicirter ist, als sie auf
den ersten Blick zu sein scheint, so habe ich zunächst das
in erster Linie Wesentliche ins Auge gefasst; aus demselben
Grunde betrachte ich zunächst nur das Qualitative der Er-
scheinungen und hebe die Messungen und Tabellen bis für
später auf.
Die Versuchsanordnung war der bei meiner ersten mag-
netischen Untersuchung1) benutzten gleich. Der meist be-
nutzte weiche Eisenkörper war ein Hohlcy linder von 148,1 mm
Länge und 17,8 mm Dicke; die Dicke des Mantels betrug
1,6 mm, diejenige jeder der beiden Endplatten 1,5 mm.
Magnetisirende Kraft und Magnetismus sind im Folgenden
in willkürlicher Einheit (Scalentheilen) angegeben. Der Eisen-
stab blieb während jener Versuchsreihe in der Spirale und
wurde vor Erschütterungen möglichst geschützt.
4. Zunächst wurde der Kraft i nur eine einzige Kraft
J vorausgeschickt. Erhielt dieselbe verschiedene positive
Werthe, so zeigte sich, dass m constant war für alle «/<*,
dagegen variabel für alle J > i, und zwar nahm m mit J in
diesem Falle zu. Der constante Werth von m für 0 < J < i
möge vorläufig der Normal wer th, die Abweichung von ihm
die Nachwirkung genannt werden. Hieraus könnte man ge-
neigt sein, zu schliessen, dass nur grössere Kräfte auf kleinere
Nachwirkung ausüben, nicht aber umgekehrt. Dass dieser
Schluss nicht allgemein richtig ist, findet man schon, wenn
man nun dem J verschiedene negative Werthe gibt; es ist
dann m kleiner, als wenn J positiv und kleiner als i ist,
und zwar desto kleiner, je kleiner (im algebraischen Sinne,
nicht absolut, wie stets im Folgenden) J ist. Dass aber auch
die in dem Gebiete zwischen 0 und t liegenden J Nach-
wirkung ausüben können, und dass dieselbe hier nur nicht
zur Geltung gelangt, lehrt das Folgende.
5. Man schicke jetzt nämlich der Kraft i zwei Kräfte
Jx Jt voran. Der Werth, welchen m haben würde, wenn
nur iT, voranginge, sei mx ; die entsprechende Bedeutung habe
1) Auerbach, Wied. Ann. 11. p. 353. 1880.
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F. Auerbach
mr Dann findet man Folgendes: Beim Vorangehen beider
Kräfte erhält m den Werth mx, wenn J2 zwischen Jx und i
liegt, dagegen den Werth m2, wenn dies nicht der Fall ist,
wenn also Jx entweder jenseits Jx oder jenseits i liegt. Im
ersten Falle will ich sagen: Jlt im zweiten J2 sei für die
Nachwirkung massgebend. Es folgt hieraus, dass J2,
welches dem i unmittelbar vorgeht, nicht immer auf dasselbe
Nachwirkung ausübt, selbst dann nicht immer, wenn es
grösser als i ist. Dies zeigt, weshalb bei den zuerst ausge-
führten Versuchen kleinere J keine Nachwirkung zeigen. Da
nämlich vor jedem J der Strom unterbrochen wurde, so ist
die vollständige Reihe der Kräfte in diesem einfachsten
Falle 0, J, it und es üben J < i deshalb keine Nachwirkung
aus, weil sie zwischen der zweitvorhergehenden Kraft 0 und i
liegen. In der That: in der Reihe 0, Jl9 Jit i, wo Jx > i,
J2 < i ist, kommt die Nachwirkung von J2 zur Geltung, J2
ist für die Nachwirkung massgebend, obgleich es kleiner
als i ist.
6. Wenn mehr als zwei Kräfte J vorangehen, z. B. deren
drei, so bleibt noch ein durch den Versuch zu entscheiden-
der Zweifel bestehen. Es sind drei Fälle möglich. In der
Reihe 0, J19 J2, J3, i kann erstens jedes der J der Grösse
nach zwischen seinen zeitlichen Nachbarn liegen; dann hat
m den Normalwerth m0. Zweitens können zwar Jx und J2
zwischen 0 und i, J3 aber ausserhalb liegen; dann ist J9
massgebend, und es wird m =» m3. Dasselbe gilt überhaupt
immer dann, wenn J2 und J3 auf verschiedenen Seiten von
i liegen. Liegt J3 zwischen J2 und i, aber nicht J2 zwischen
Jx und t, so erhält man m21 und in dem für Jx entsprechen-
den Falle mr Das alles lässt sich von vornherein angeben und
wird durch den Versuch bestätigt. Es kann aber auch der
dritte Fall vorkommen, dass Jx nicht zwischen 0 und i9 J%
zwischen Jx und i, aber wiederum nicht J9 zwischen J2 und
i liegt, dass also entweder:
0<J1>J2<J.i> i(J2 > i),oderO > JX<J2>J3< i{J2<i)
ist; und in diesem Falle muss der Versuch entscheiden, ob
Jx oder J3 für die Nachwirkung massgebend ist. Er lehrt,
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312
F. Auerbach,
dass «Tg nur dann massgebend ist, wenn es nicht nur ausser*
halb des Intervalls J2 bis i, sondern auch ausserhalb des
Intervalls Jx bis i liegt.1)
7. Hiermit sind alle möglichen Fälle, nicht nur für
drei, sondern auch für beliebig viele vorangehende Kräfte
erledigt, und man erhält das folgende Gesetz, welches ich,
um mich bequem darauf beziehen zu können, das Grundge-
setz der magnetischen Nachwirkung nenne:
Wenn der Kraft t, welche, unmittelbar auf die
Kraft 0 folgend, den Magnetismus mQ erzeugen
würde, eine Reihe von Kräften Jx,,.J9m,,JB voran-
geht, so entspricht ihr ein anderer Magnetismus
tw, welcher sich von mQ um die Nachwirkung Ö
unterscheidet. Für diese Nachwirkung ist die erste
der vorangehenden Kräfte Jx so lange massgebend,
als alle folgenden J der Grösse nach zwischen ihr
und i liegen, und dasselbe gilt von jeder folgenden
Kraft Jy falls sie nicht selbst in dem bezeichneten
Intervalle liegt.
Der zweite Theil dieses Satzes ist so gefasst, als ob die
Versuchsreihe eben erst in der Ausführung begriffen wäre.
Statt dessen kann man diesem zweiten Theil auch folgenden,
dem vollendeten Versuche besser entsprechenden Ausdruck
geben: Unter den vorangehenden Kräften ist für die
Nachwirkung massgebend die erste derjenigen
Kräfte, auf welche nur noch der Grösse nach
zwischen ihr und der Kraft i liegende Kräfte folgen.
8. Enthielte dieser Satz die genaue und vollständige
Beschreibung der magnetischen Nachwirkung, so würde es
keine Schwierigkeit haben,' dieselbe nunmehr auch messen-
den Versuchen zu unterwerfen. Aber keines von beiden ist
der Fall. Die erste und wesentlichste Abweichung vom
Grundgesetze ist folgende. Es ist zwar stets die durch das-
selbe bestimmte unter den vorangehenden Kräften für die
Nachwirkung massgebend, aber nicht immer sind die
1) Die obige, etwas complicirte Ausdrucksweise vereinfacht sich,
wenn man blos positive Werthe in Betracht zieht.
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F. Auerbach.
313
übrigen ganz ohne Einfluss, und zuweilen erreicht dieser
Einflu8s eine beträchtliche Grösse. Es hat dann bei Aus-
übung der Kräfte 0, Jx . . . i der Magnetismus m keinen der Werthe
to0, m1..., sondern den Werth w*, welcher einem dieser
Werthe mk nur mehr oder weniger nahe kommt. Das zeigt
sich z. B., wenn man für ein gegebenes t den Magnetismus
to als Function des vorangehenden J ermitteln soll. Es
werde i als positiv vorausgesetzt und mit dem grössten
Werthe von «/, welcher überhaupt zur Anwendung gelangen
soll, etwa Jl01 begonnen. Das hat keine Schwierigkeit; man
findet m10. Lässt man nun die Kräfte J9, i wirken, sodass
die vollständige Reihe derselben JJ0 i J9 i ist, so entsteht
die Frage: liefert diese Reihe m10 oder m9? Das Grundge-
setz lässt hier unentschieden, ob J10 oder J9 massgebend
ist; denn auf Jw folgt i, also eine gerade an der Grenze
des Intervalls J10 bis i gelegene Kraft, und es ist zweifel-
haft, ob die Grenzen einzuschliessen oder auszuschliessen
sind. Nehmen wir für einen Augenblick an, sie seien ein-
zuschliessen, die Reihe J10 i J9 i liefert dann den Werth
w10; die Reihe Jl0 i—e J9 i aber den Werth m9, also einen
um eine endliche Grösse verschiedenen Werth, selbst wenn
« unendlich klein ist; es würde also ein Sprung in dem
Werthe von m stattfinden. Dasselbe Resultat würde man
auch bei Ausschluss der Grenzen erhalten. Diese Be-
trachtung macht es schon von vornherein unwahrscheinlich,
dass das Grundgesetz streng gelte. Die Erfahrung bestätigt
diesen Schluss; sie zeigt, dass der Werth, welchen m in der
Reihe der Kräfte Jl0 i J9 i erhält, zwischen m10 und 7«9
liegt, freilich viel näher an m10, und in diesem Sinne kann
man, in erster Annäherung, sagen, dass im Grundgesetze die
Grenzen einzuschliessen sind.
Jedenfalls ist klar, dass aus der Reihe J10 i J9 i der
Werth von m9 sich nicht ableiten lässt. Man muss vielmehr
eine Kraft J0 < i einschieben, also die Reihe J10 i J0 Jg i
anwenden. Hier sieht man sich einer anderen Schwierigkeit
gegenüber, zwar ist nunmehr J9 für die Nachwirkung mass-
gebend, aber J0 ist nicht ganz ohne Einfluss, und für ver-
schiedene J0 erhält man den Werth von m9 etwas ver-
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314 K Auerbach.
i
schieden. Man kann auch diese Schwierigkeit, wenigstens
nahezu, beseitigen, wenn man, wie ich sagen will, den in
Bezug auf die Reihe J9 i stationären Zustand her-
beiführt; zu diesem Zwecke lässt man nach der Wirkung
von J10 und i nur einmal JQJ dann aber wiederholt J9 und i
abwechselnd wirken, bis m einen constanten Werth annimmt;
es geschieht dies, je nach den Grössenverhältnissen, schon
nach dem zweiten oder erst nach viel häufigerem Wechsel
von J9 und i. Der dann sich ergebende Werth m9 ist von
der Wahl von J0 fast, wenn auch nicht gänzlich, unabhängig;
man kann daher z. B. J0 = 0 setzen und erhält so den
wahren Werth von rnQ.1) In ähnlicher Weise bestimmt sich
m% u. s. w. Dagegen ist der Werth J0 = 0 nicht mehr
brauchbar, sobald das J% dessen Nachwirkung zu bestimmen
ist, z. B. J51 kleiner als i ist; denn da J5 zwischen 0 und
i liegt, würde man m0, und nicht m5 erhalten; man muss
hier ein J0 > i wählen. Am einfachsten wird der letzte Theil
der Bestimmung, für welchen das nachwirkende J < 0 ist;
hier ist überhaupt keine zweitvorhergehende Kraft nöthig;
die Reihe J_i i i J—$ gibt vielmehr schon ohne
weiteres, besser aber noch bei Herbeiführung des stationären
Zustandes für jedes Werthepaar die wahren Magnetismen
m_i m_2 m_s u. s. w.
9. Auf diese Weise erhält man eine im allgemeinen be-
friedigende Reihe von Werthen von m als Function von J.
Nur die Werthe zu beiden Seiten von J—i scheinen sich
nicht fehlerfrei an einander anschliessen zu wollen. Es ist
nicht schwer, den Grund dieser Erscheinung aufzufinden.
Wenn nämlich die beiden der Kraft i zunächst vorangehen-
den Kräfte Jk Ji zu verschiedenen Seiten von i liegen, so
muss nach dem Grundgesetze die letztere, Ji, massgebend für
die Nachwirkung sein; sie ist es auch meist in erster Linie,
und in gewissen Fällen sogar fast streng, nämlich dann, wenn
sie sich von t um einen grösseren Betrag unterscheidet als
«4; wenn sie dagegen umgekehrt, im Vergleich zu Jk, sehr
■
1) Im Folgenden ist stets die Herstellung des in Bezug auf die be-
treffende Kräftefolge stationären Zustandes vorausgesetzt.
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F. Auerbach.
315
nahe an i liegt, wenn also, abgesehen vom Vorzeichen, Jt— i
klein gegen Jk—i ist, dann erlangt Jk einen beträchtlichen,
ja bis zum Ueberwiegen steigenden Einfluss auf die Nach-
wirkung. Es ist dies, wie leicht eingesehen werden kann,
eine Erweiterung derjenigen Abweichung vom Grundgesetze,
welche stattfindet, wenn unter den vorangehenden Kräften
J die Kraft i selbst sich befindet, und welche oben (8) be-
trachtet wurde. So kommt es, dass z. B. zur Bestimmung
von w6 die Reihe der Kräfte 0 J6 i (wo i= Js sei) unbrauch-
bar wird, weil JQ im Vergleich zu 0 so nahe an i liegt, dass
es nicht, wie es nach dem Grundgesetze der Fall sein müsste,
massgebend für die Nachwirkung, wenigstens nicht aus-
schliesslich massgebend ist. Eine ähnliche Schwierigkeit
stellt sich der Bestimmung von mv oder, allgemeiner ausge-
drückt, der Bestimmung von m für Werthe von J, welche
um weniges kleiner als i sind, entgegen. Die Herbeiführung
des stationären Zustandes, d. h. die öftere Wiederholung
der nachwirkenden Kraft und der Kraft i vermindert zwar
den Einfluss der zweitvorhergehenden Kraft Jw hebt ihn aber
bei weitem nicht auf. Uebrigens tritt der stationäre Zustand
in diesen Fällen ungewöhnlich spät ein, und zugleich macht
sich in auffallenderer Weise als sonst diejenige Erscheinung
bemerkbar, welche in einer Veränderung von m während der
Wirkung der constanten Kraft i besteht, und welche im
Eingänge dieser Abhandlung als Nachwirkung erster Art be-
zeichnet wurde. Hiervon abgesehen ist das Ergebniss der
soeben durchgeführten Betrachtung dies, dass von zwei
vorangehenden Kräften, welche auf verschiedenen
Seiten der beeinflussten i liegen, die zweite nur
dann ausschliesslich massgebend für die Nach-
wirkung ist, wenn sie weiter als die erste von i ab-
liegt; in jedem anderen Falle bestimmen beide ge-
meinschaftlich den Werth von m\ dass die erste
allein massgebend wäre, kommt nicht vor.
10. Bevor ich zum Ausgangspunkte dieser Betrachtung
zurückkehre, d. h. zeige, wie man trotzdem alle Werthe von
m hnden könne, muss ich auf den dem eben betrachteten
gegenüberstehenden Fall, wo beide J auf derselben Seite von
316
F. Auerbach.
i liegen, kurz eingehen. In diesem Falle sind die Abwei-
chungen vom Grundgesetze viel geringere. Sie sind sogar meist
sehr klein und werden nur dann etwas grösser, wenn die
zweite vorangehende Kraft J dem i sehr nahe kommt.
Während nämlich in allen anderen Fällen die erste aus-
schliesslich und streng massgebend für die Nachwirkung
ist, gewinnt in diesem Falle auch die zweite einen geringen
Einfluss. Dass sie einen beträchtlichen oder gar überwiegen-
den Einfluss gewinne, wie in dem gegenüberstehenden Falle
das erste J, kommt nicht vor; geschweige denn, dass sie
massgebend für die Nachwirkung würde.
Diese zweite Annäherung an die Wirklichkeit ist schon
eine im Allgemeinen sehr befriedigende. Es lässt sich aber
doch zuweilen der Einfluss auch einer dritten und weiteren
unter den vorangehenden Kräften nachweisen. Man kann
hiernach schliesslich dem zweiten Theile des Grundgesetzes,
am besten im Anschluss an die zweite, ihm oben (7) ge-
gebene Gestalt eine modificirte Fassung geben; ich unter-
lasse es aber, weil sie ziemlich verwickelt wird, ohne doch
allen in Betracht kommenden Verhältnissen Ausdruck zu geben.
11. Nunmehr kehre ich zu der Aufgabe zurück, für
irgend ein gegebenes i den Magnetismus m als
Function von J (resp. M) zu bestimmen. Am besten
erwies sich hierzu schliesslich das folgende Verfahren. Es
sei z. B. z= 10; dann wurde die Reihe der Kräfte:
11.10.8.10.13.10.6.10.15.10.4.10. u. s. w.
ausgeübt, und so mll} m8, miz u. s. w, bestimmt. Allgemein
gesagt, es wurden die nachwirkenden Kräfte, mit der beein-
flussten abwechselnd, in solcher Reihenfolge angewendet, dass
jede folgende im Vergleich zur vorhergehenden auf der
anderen Seite der beeinflussten Kraft und von dieser weiter
ab lag als jene. Nach dem oben Auseinandergesetzten ist
in diesem Falle jede der Kräfte nahezu ausschliesslich für
die Nachwirkung auf den unmittelbar auf sie folgenden
Magnetismus massgebend, namentlich nachdem durch mehr-
fache Aufeinanderfolge jedes J und i (11 und 10, 8 und 10)
in jedem Falle der stationäre Zustand herbeigeführt ist.
i
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F. Auerbach.
317
Auf diese Weise erhält man die Nachwirkungen der ver-
schiedenen J wenigstens relativ richtig, wenn es auch möglich
ist, dass sie alle noch mit einem absoluten Fehler behaftet
sind; denn es lässt sich nicht umgehen, dass vor der Kraft
11, der ersten, welche man absichtlich ausübt, schon andere
Kräfte, bei neuen Eisenstäben ohne permanenten Magnetis-
mus z. B. die Kraft Null gewirkt habe.
12. Ich habe auf diese Weise für eine Reihe voni-Werthen
die Abhängigkeit des ganzen Magnetismus m von der nach-
wirkenden, und zwar möglichst ausschliesslich nachwirkenden
Kraft J bestimmt und die Resultate auf Taf. III Fig. 4
graphisch dargestellt. Die Abscissen geben die Werthe von
J, die Ordinaten die Werthe von m. Der jeder Curve ent-
sprechende Werth von i ist derselben beigefügt. Der An-
blick dieser Curven lehrt Folgendes: Jede derselben besitzt
bei derjenigen Abscisse, weicher der Werth J=i entspricht,
einen Inflexionspunkt; je höher die Curve im ganzen liegt, desto
weiter nach rechts liegt der Inflexionspunkt; rechts von ihm er-
hebt sich die Curve über die durch den Inflexionspunkt gezogene
Horizontalaxe, links sinkt sie unter dieselbe herab; in beiden
Theilen aber kehrt sie dieser Axe ihre concave Seite zu;
für unendlich grosse negative und positive Abscissen nähert
sie sich, wie es scheint, asymptotisch je einer der Horizontal-
axe parallelen Geraden. Was hiervon besonders hervorzu-
heben ist, ist dies: Der einzige ausgezeichnete Punkt jeder
Curve ist ihr Inflexionspunkt; keinem anderen Punkte,
auch nicht dem Schnittpunkte der Curve mit der Ordinaten-
axe, d. h. dem Punkte mit der Abscisse Null, kommt eine
besondere Bedeutung zu. Dasselbe gilt von den entsprechen-
den Werthen des Magnetimus m. Wenn daher oben (4) der-
jenige Werth von w, welcher der Kraft i entspricht, falls
die Kraft Null vorherging, als der Normalwerth des der
Kraft i entsprechenden Magnetismus bezeichnet wurde, so
ist diese Bezeichnung jetzt fallen zu lassen. Wenn über-
haupt einer, so ist vielmehr derjenige Werth von m als sein
Nor mal werth zu bezeichnen, welcher der Kraft i ent-
spricht, falls die nachwirkende Kraft ebenfalls die Kraft i
ist. Eine solche ist aber nach den obigen Regeln nur dann
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318
F. Auerbach.
für die Nachwirkung massgebend, wenn keine andere Kraft
vorherging. Daraus ergibt sich, dassraj derjenige Magne-
tismus i st, welcher unter Wirkung der Kraft i be-
obachtet werden würde, wenn diese Kraft von jeher
auf den Körper gewirkt hätte. Natürlich ist dies ein
idealer Fall; man kann aber trotzdem den Werth dieser
Grösse auf indirectem Wege mit beliebiger Genauigkeit be-
stimmen. Es ist dies ein Weg, genau entgegengesetzt dem-
jenigen, welcher oben (11) zur Ableitung der Abhängigkeit
zwischen J und m angegeben wurde. Es sei ein Körper mit dem
der Kraft J entsprechenden Magnetismus M gegeben, und es
werde verlangt, für ihn den der Kraft i entsprechenden Normal-
magnetismus rrii zu bestimmen. Man lässt dann zunächst
eine Kraft J' wirken, welche auf der anderen Seite von i
liegt als J, dem t aber um einen Betrag e näher. Dann
lässt man die Kraft wirken, welche auf derselben Seite von
t liegt wie J, dem i aber um 2e näher, u. s. w., d. h. man
lässt, wenn beispielsweise J>i ist, die Reihe der Kräfte:
2i-J + e, J—2e, 2i-J+3e, J-4e...
wirken; je kleiner hierin c gewählt wird, desto genauer stellt
der Endwerth, dem man erhält, wenn man bis zu den
Kräften:
2i— J + xe = J — xe
vorgeht, den Normalmagnetismus rrii dar.
13. Die Curven bestehen, wie sich ferner zeigt, aus zwei
zur Deckung zu bringenden, im Inflexionspunkte zusammen-
stossenden Theilen; für Kräfte J, welche auf beiden Seiten
von i in gleichem Abstände von diesem liegen, ist also die
Nachwirkung die gleiche und entgegengesetzte. Ich glaube
dies ganz ausdrücklich hervorheben zu sollen, weil bisher
von vielen Seiten angenommen wurde, dass Nachwirkung nur
von grösseren auf kleinere Kräfte stattfinde. AuchFromme1).
welcher die Allgemeingültigkeit dieser Annahme bestreitet
gibt sie doch noch für denjenigen Fall zu, welcher oben
als der stationäre Zustand betrachtet wurde. Es handelt
sich bei Fromme zwar um eine scheinbar ganz andere Er-
1) Fromme, L c. p. 83.
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F. Auerbach,
319
scheinung, als die hier in Rede stehende ist. In der That
kommt sie aber auf diese zurück. Fromme lässt nach ein-
maligem Wirken einer Kraft J (oder auch nach mehrmaligem
Wirken derselben) eine andere Kraft i, und zwar mit wieder-
holten Impulsen wirken ; das ist nicht anders ausführbar, als
durch jedesmaliges Einschalten einer anderen Kraft, und
zwar offenbar, obgleich es nicht positiv ausgesprochen ist,
der Kraft Null; auch die gleichzeitig ausgeführte Bestimmung
des permanenten Magnetismus machte diese jedesmalige
Unterbrechung des Stromes erforderlich. Das Resultat dieser
Versuche, dass bei den ersten Impulsen der Magnetismus
sich ändert, und erst bei den späteren constant wird, erklärt
sich nach dem Obigen einfach daraus, dass durch jeden der
ersten Impulse die Reihe der vorhergehenden Kräfte eine
andere wird; zuerst ist sie J7 Null; beim zweiten Impulse ist
sie J, Null, i, Null, u. s. w. Die Nachwirkung (im hier ge-
brauchten Sinne des Wortes) ändert sich also und wird erst
constant, wenn die Kräfte Null und i häutig mit einander ab-
gewechselt haben.
Die Ursache, welche die Ansicht von der Unfähigkeit
kleinerer Kräfte, auf grössere nachzuwirken, veranlasst hat,
ist hiernach in dem Umstände zu suchen, dass die Kraft
Null beliebig eingeschaltet wurde, ohne Berücksichtigung der
Frage, ob diese Einschaltung nicht etwa von Einfluss sei.
Dass ein solcher Einfluss vorhanden ist, und dass er in der
Verdeckung der Nachwirkung kleinerer Kräfte auf grössere
besteht, ergeben meine oben (4) angegebenen Versuche. Nach
den in den Curven dargestellten Resultaten aber ist es er-
sichtlich, dass ein Unterschied in der Nachwirkung grösserer
und kleinerer Kräfte gar nicht stattfinden kann, einfach des-
halb nicht, weil es in Bezug auf einen gegebenen magneti-
schen Zustand m was die Nachwirkung betrifft, gar kein
grösser und kleiner, sondern nur ein einerseits und ein
andererseits gibt, und dass der einzige Unterschied dieser
beiden Seiten, dass nämlich auf der einen Seite der Werth
Null liegt, für die Nachwirkung nicht in Betracht kommt.
14. Freilich gibt es eine unter den Curven, für welche
der Nullpunkt, d. h. der Schnittpunkt mit der Ordinatenaxe
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F. Auerbach.
eine besondere Bedeutung hat; nämlich diejenige Curve, für
welche i'=0 ist, für welche also der Infiexionspunkt in den
Nullpunkt fällt. Diese Curve gibt an, welchen Magnetismus
ein Stab besitzt, auf welchen augenblicklich keine Kraft
wirkt, auf den aber vorher, und zwar ausschliesslich, die Kraft
J gewirkt hat. Die Curve stellt also die Nachwirkung auf den
Magnetismus Null dar, sie ist nichts anderes als die Curve
des permanenten Magnetismus, dargestellt als
Function der Kraft, welche ihn erzeugt hat. Der
permanente Magnetismus stellt sich hier mit völliger Klar-
heit als ein Specialfall magnetischer Nachwirkung
heraus, und seine Gesetze sind dieselben wie die Gesetze der
Nachwirkung überhaupt. So lautet z. B. sein Grundgesetz,
entsprechend dem allgemeinen in seiner zweiten Form (7):
Für den nach dem Wirken einer Reihe von Kräften
zurückbleibenden1) Magnetismus ist die erste der-
jenigen Kräfte massgebend, aufweiche nur noch, dem
absoluten Werthe nach, kleinere und mit demselben
Vorzeichen behaftete Kräfte folgen. Wie das allge-
meine Grundgesetz, so gilt auch dies specielle nur näherungs-
weise; und wie die Abweichungen dort besonders beträcht-
lich werden, wenn die nachwirkenden Kräfte der beein-
fiussten nahe kommen, so werden sie es hier, wenn die Kräfte
klein sind. Folgt z. B. auf eine grosse positive eine kleine
negative Kraft, so ist nicht, wie es nach dem Grundgesetze
sein müsste, letztere ausschliesslich, sondern die erstere ist
auch von Einfluss, und zuweilen von sehr erheblichem oder
gar überwiegendem, je nach den Grössenverhältnissen der
beiden Kräfte. Ich beabsichtige, in einer folgenden Ab-
handlung den permanenten Magnetismus, als eine Art
magnetischer Nachwirkung, eingehender zu betrachten und
zu untersuchen, welche Bedeutung die zahlreichen über ihn
vorliegenden Erfahrungsthatsachen bei dieser Auffassungs-
weise gewinnen; ich unterlasse es daher, hier darauf einzu-
gehen.
1) Der Uebereinstimmung mit 6. Wiedemann's Bezeichnung wegen
wird hierfür der Ausdruck „permanent" (statt remanent ) benutzt werden.
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F. Auerback
321
15. Wenn man die Inflexionspunkte sämmtlicher Curven
mit einander verbindet, so erhält man eine Curve, welche
die Abhängigkeit des Normalmagnetismus mj von
der wirkenden Kraft darstellt. Man hat bisher immer
nur die Abhängigkeit des Magnetismus schlechthin von der
wirkenden Kraft untersucht, die Nachwirkung also vernach-
lässigt. Man fand dabei anfangs1), dass der Magnetismus
zunächst proportional mit der Kraft, später aber langsamer
als diese wachse und schliesslich einem Maximum (Sätti-
gungspunkt) sich nähere. Vervollständigt man die diese Ab-
hängigkeit darstellende Curve durch ihren gleichgestalteten
negativen Theil, so erhält man, wie man leicht einsieht, eine
Curve, welche sich von einer Nachwirkungscurve nur dadurch
unterscheidet, dass die Ordinaten, absolut genommen, grössere
sind. Die Nachwirkung hängt also in genau derselben Weise
von der nachwirkenden Kraft, wie die Wirkung von der
wirkenden Kraft ab; nur sind die wirkenden Kräfte und
ihre Wirkungen dort vom Nullpunkt, die nachwirkenden
Kräfte aber hier von der wirkenden Kraft und dement-
sprechend die Nachwirkungen von dem beeintlussten Magne-
tismus aus nach beiden Seiten zu rechnen. Die Nach-
wirkung hängt also in derselben Weise von der
Differenz der wirkenden und der nachwirkenden
Kraft ab, wie die Wirkung von der wirkenden Kraft.
In Bezug auf die Curve der magnetischen Wirkung haben
bekanntlich die neueren Versuche *) ergeben, dass der Magne-
tismus für mittlere Kräfte schneller und erst für grosse
langsamer steigt als diese. Die vollständige Curve erhält
dadurch ausser dem in die Ordinatenaxe fallenden Inflexions-
punkte deren noch zwei, nämlich je einen auf der positiven und
negativen Seite. Es ist möglich, dass auch die Nachwirkungs-
curven bei empfindlicheren Versuchsmethoden diese Gestalt
erhalten; indessen gelang es mir nicht, hierüber Sicherheit
zu erlangen.
16. Bei Berücksichtigung der Nachwirkung muss man,
um ein reines Bild der Beziehung zwischen Magnetismus und
1) G. Wiedeinann, Galv. (2) 2. p. 329 ff.
2) G. Wiedemann, Galv. (2) 2. p. 343-355.
Ann. d. Phys. n. Chem. N. F. XIV. 21
■
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322
F. Auerbach.
wirkender Kraft zu gewinnen, für jede Kraft den Normalmagne-
tismus bestimmen. In jedem anderen Falle, z. B. wenn man die
Kräfte einfach der Grösse nach oder in umgekehrter Reihen-
folge wirken lässt, erhält man eine durch Nachwirkung ge-
trübte Beziehung, und folglich, da die Nachwirkung jedes-
mal eine andere ist, auch jedesmal eine andere Curve. In-
dess ist nach den oben entwickelten Kegeln der Nachwirkung
einleuchtend, dass bei regelmässiger Aufeinanderfolge der
Kräfte, also entweder in steigender oder in fallender Reihe,
für die Gestalt der Curve nur ihr Anfangspunkt wesentlich
massgebend, der Einfluss der anderen Kräfte aber ein sehr
unbedeutender ist. Es ist also in erster Annäherung gleich-
giltig, ob z. B. die Kräfte 0, 5, 10, 15, 20 oder die Kräfte
0, 1, 2, 3, ... 20 ausgeübt werden: Die Curve erhält in beiden
Fällen nahezu dieselbe Gestalt. Um über den Unterschied
der beiden beispielsweise angeführten Fälle Klarheit zu er-
langen, hat man zu erwägen, dass streng genommen in beiden
Fällen nicht nur die Kräfte 0, 1 ... 20, sondern alle zwischen
0 und 20 gelegenen Kräfte ausgeübt werden; denn man kann
eine Stromstärke nur allmählich, wenn auch mit grosser Ge-
schwindigkeit in eine andere überführen; die beiden Fälle
unterscheiden sich also nur durch die Zeitdauer der Wirkung
der Kräfte. Dies hat mich veranlasst, zu untersuchen, ob
überhaupt die Zeitdauer einer Kraft auf ihre Nach-
wirkung von Einfluss sei. Das Resultat war, in Ueber-
einstimmung mit dem Resultate Fromme's bei seinen Im-
pulsversuchen1), negativer Art. Ausgeschlossen sind dabei
nur Zeitdauern von solcher Länge, dass die Nachwirkung
erster Art, d. h. die allmähliche Veränderung des Magne-
tismus während der Wirkung einer constanten Kraft, in
hervorragender Weise sich bemerklich macht (vgl. unten 20).
17. Jedenfalls folgt aus dem Angeführten, dass, wie bei
(scheinbar) discontinuirlicher Aufeinanderfolge von Kräften
die Zwischenkräfte, so auch bei continuirlicher Aenderung
der Kraft die Geschwindigkeit ohne Einfluss auf die
Nachwirkung ist, wenigstens muss dieser Einfluss klein
1) Fromme, L c. p. 91.
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F. Auerbach,
323
sein gegen die Grösse der Nachwirkung selbst. Für einen
speciellen Fall wird dieser Schluss durch die Versuche
Warburg's1) bestätigt; für den allgemeinen Fall, dass eine
beliebige Kraft J einer beliebigen anderen vorhergehe, habe
ich die Bestätigung durch eigne Versuche erhalten.
Ein feiner Neusilber- oder Messingdraht wurde um einen
Glasstab spiralig gewunden, dieser Glasstab central in eine
weitere Glasröhre gestellt und durch Quetschhähne Vorsorge
dafür getroffen, dass in den Hohlcy linder zwischen Röhre
und Stab Quecksilber mit beliebiger Geschwindigkeit ein-
fliessen und aus ihm mit beliebiger Geschwindigkeit aus-
üiessen konnte. Diese Geschwindigkeit wurde in jedem Falle
nicht gleichmässig, sondern in der Weise variabel herge-
stellt, dass die Aenderung der Stärke eines durch die
Spirale geschickten Stromes möglichst gleichmässig wurde.
Der Magnet des Magnetometers kam meist nicht ganz zur
Ruhe; es wurden daher jedesmal einige Umkehrpunkte der
übrigens kleinen Schwingungen bestimmt. Die Stromstärke
konnte auf diese Weise bis auf das Zehnfache ihres kleinsten
Werthes gesteigert werden. Die Geschwindigkeit ihrer
Aenderung andererseits variirte zwischen wenigen Secunden
und Stunden. Trotzdem konnte, weder für J> i noch für
J < i ein Einfluss der Geschwindigkeit auf die Nachwirkung
mit Sicherheit ermittelt werden. Die Versuche sind aller-
dings schwierig; namentlich ist es nicht leicht, dafür zu
sorgen, dass jedesmal die Kraft J wirklich ausschliesslich
für die Nachwirkung massgebend sei; es darf aber jeden-
falls geschlossen werden, dass in erster Annäherung die Ge-
schwindigkeit ohne Einfluss sei.
18. Diese Betrachtung führt mich auf den oben (2 und
17) erwähnten Kreisprocess von Warburg. Magnetisirt
man einen Stab erst durch eine Reihe steigender, sodann
durch dieselbe Reihe fallender Kräfte, so erhält man, graphisch
dargestellt, statt einer Curve deren zwei, welche den höchsten
Punkt und, bei geeigneter Vorbearbeitung des Stabes, auch
den tiefsten Punkt gemeinsam haben. Ist der Ausgangs-
1) Warburg, L c. p. 7.
21 *
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324 F. Auerbach.
punkt z. B. der Nullpunkt, so ist zu letzterem nur erforder-
lich, dass vor Beginn der Versuche eine Kraft, grösser als
alle bei diesen selbst auszuübenden gewirkt habe. Dass die
beiden Curven nicht zusammenfallen, ist nach dem Obigen
klar; sie weichen beide, und zwar nach entgegengesetzten
Seiten, von der Cur ve der Normalmagnetismen ab; die eine,
bei steigenden Kräften erhaltene, wurde durch die negative
Nachwirkung der Minimalkraft Null herabgedrückt, die andere,
bei fallenden Kräften erhaltene durch die positive Nach-
wirkung der Maximalkraft heraufgeschoben. Ich habe diesen
Kreisprocess bei meinem, den meisten obigen Versuchen zu
Grunde liegenden Stabe wiederholt und gefunden, dass die beiden
Curven in der That erheblich abweichen, dass aber ihre Ab-
weichung nur von der Lage ihrer beiden Endpunkte, nicht
aber von irgend einem anderen Umstände beeinflusst wird.
19. Kürzlich ist eine Abhandlung von Fromme1) er-
schienen, welche sich gleichzeitig auf die Versuche des Ver-
fassers selbst, von denen oben (13) die Rede war, und auf
den Kreisprocess von War bürg bezieht. Hiernach ist der-
selbe, in Uebereinstimmung mit meiner Auffassung, als eine
Nachwirkungserscheinung zu betrachten. Aber wie ich meine,
nicht als eine Erscheinung von Nachwirkung im Sinne der
Fromme'schen Impulsversuche, sondern in dem hier be-
handelten Sinne. Fromme gibt dies auch zu, indem er
seine Definition der Nachwirkung ändert, und zwar, wie die
folgende Darstellung zeigt, fundamental ändert. Der Ver-
such sei folgender : Ein Stab sei der Kraft J — 467 ausge-
setzt, welche continuirlich bis i — 369 abnehme; nunmehr
sei m (dem i entsprechend) = m0 = 418. Nun wurde t =» 0
und wieder =369 gemacht; es fand sich m = = 307;
wiederum i auf 0 und zurück auf 369 gebracht, ergab m =
wi3 = 300 u. s. w. Schliesslich wurde m constant, und es darf
angenommen werden, dass dieser constante Werth nicht weit
unter 300 lag; er sei etwa mn = 290. In seiner ersten Ab-
handlung nannte Fromme die Differenz wij — mn = 307
— 290 = 17 die Nachwirkung der Kraft i\ in dieser zweiten
1) Fromme, Gött. Nachr. p. 119. 1881.
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F. Auerbach.
325
Abhandlung führt er dagegen die Differenz m0 — mH = 418
- 290 = 128 als Nachwirkung der Kraft J ein, also eine
fast zehnmal so grosse Zahl. Nunmehr ist seine Difinition
mit der meinigen zum Theil in Uebereinstimmung; ich sage
zum Theil; die Differenz, welche in beiden Fällen der De-
finition zu Grunde gelegt wird, ist nunmehr dieselbe; aber
während Fromme diese Differenz als Nachwirkung der
Kraft J bezeichnet, ist sie für mich, wie leicht ersichtlich, die
Summe der absoluten Werthe der Nachwirkungen der Kräfte
J und 0, denn es ist wi0 = 418 der der Kraft i entsprechende
Normalmagnetismus, vermehrt um die Nachwirkung der Kraft
i, entsprechend ist mn der Normalmagnetismus, vermindert
durch die negative Nachwirkung der Kraft Null; die Zwischen-
werthe m19 m2 u. s. w. entstehen dadurch, dass hier zwar
die Kraft Null, weil sie weiter von i absteht als J , für die
Nachwirkung in ganz überwiegender "Weise massgebend, dass
aber doch die Kraft J noch nicht ganz ohne Einfluss auf
die Nachwirkung ist Man wird nicht erheblich fehl gehen,
wenn man annimmt, dass für diesen Stab der der Kraft
i sc 369 entsprechende Normalmagnetismus etwa w{ = 390
ist1); die Nachwirkung der Kraft J wird dadurch N{ (J) =
418 — 390 = 28, also viel kleiner, als das, was Fromme
jetzt als Nachwirkung bezeichnet; die Nachwirkung der
Kraft Null andererseits wird Nt (0) = 290 - 390 = - 100.
20. Wenn angegeben wurde, dass die Geschwindigkeit
in erster Annäherung ohne Einfluss auf die Nachwirkung
sei, so gilt das in dem Falle nicht, wo die Aenderung des
Magnetismus so schnell erfolgt, dass man sie als eine plötz-
liche bezeichnen kann. Schon seit längerer Zeit ist be-
kannt, dass plötzliches Unterbrechen des magnetisirenden
Stromes den permanenten Magnetismus kleiner ausfallen
lässt, als allmähliches Unterbrechen. Genauer untersucht
hat Fromme2) diese Erscheinung, und zwar in der Weise,
dass er den Stab entweder in der Spirale magnetisirte, resp.
1) Die in einer späteren Abhandlung zu machenden quantitativen
Angaben über die Gesetze der Nachwirkung rechtfertigen diese Zahl.
2) Fromme, Wied. Ann. 5. p.345. 1878. Gott. Nachr. p. 127. 1881.
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326 F. Auerbach.
entmagnetisirte (plötzliche Zustandsänderung) oder aber in
die geschlossene Spirale behutsam hineinsteckte, resp. aus
ihr herauszog. Statt des zweiten Verfahrens habe ich, um
den Stab an seinem Orte belassen zu können, das erste mit
der Modifikation angewendet, dass ich Widerstände allmäh-
lich aus-, resp. einschaltete. Nach Fromme's eigener An-
gabe erhält man so fast die Resultate des zweiten Verfahrens.
Ein specieller Fall des Fromme'schen Phänomens ist der,
wo schon die allmähliche Stromöffnung einen sehr kleinen
permanenten Magnetismus liefert; in diesem Falle kann der
plötzliche Strom8chluss sogar einen permanenten Magnetis-
mus von entgegengesetztem Vorzeichen liefern.1) Aber die
Fromme'sche Erscheinung ist selbst nur ein specieller Fall
einer anderen allgemeineren, welche ich nach meinen bezüg-
lichen Beobachtungen in den folgenden Satz zusammenfassen
kann: Bei plötzlicher Aenderung der magnetisirenden Kraft
fällt der der zweiten Kraft entsprechende ganze Magnetismus
grösser oder kleiner aus, als bei allmählicher Aenderung, je
nachdem die zweite Kraft grösser oder kleiner ist als die
erste. Dieser Satz enthält in sich auch die andere, von
Fromme beobachtete Thatsache, dass das ganze von einer
Kraft erregte Moment sich gerade umgekehrt verhält, wie
das permanente; es ist nämlich hier wiederum stillschweigend
vorausgesetzt, dass der Kraft die Kraft Null vorhergehe.
Auch habe ich, in Uebereinstimmung mit Fromme, beob-
achtet, dass der Einfluss der Plötzlichkeit des Stromschlusses,
resp. der Stromöffnung viel beträchtlicher ist bei dem per-
manenten, als bei dem ganzen Magnetismus, und dann allge-
mein gefunden, dass er bei plötzlich steigender Kraft geringer
ist als bei plötzlich abnehmender; indess möchte ich hierauf
aus gewissen Gründen kein grosses Gewicht legen.
Was die Ursache der in Rede stehenden Erscheinung
betrifft, welche ich mit Fromme für eine specifisch magne-
tische zu halten geneigt bin, so beschränke ich mich hier
darauf, zu zeigen, wie dieselbe auf Grund von gleichzeitig
stattfindenden Nachwirkungsvorgängen erster Art (2) als ein
1) v. Waltenhofen, Wien. Ber. (2) 48. p.564. 1863. Righi, Coinpt.
Rend. 90. p. 688. 1880. Nuovo Cim. (3) 8. p. 102. 1881.
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F. Auerbach.
327
Fall von Nachwirkung der zweiten, hier betrachteten Art
sich darstellt Wenn man nämlich die magnetisirende Kraft
plötzlich erhöht, so erhält man ein magnetisches Moment,
welches mit der Zeit abnimmt, und zwar erst rasch, dann
langsamer, und sich schliesslich einem constanten Werthe
nähert, welcher immer noch grösser ist, als der bei
allmählicher Herstellung derselben Kraft aus der-
selben anderen sich ergebende von vornherein nahe-
zu constante Werth. Ebenso ergibt plötzliche Verminde-
rung der Kraft einen Magnetismus, welcher allmählich steigt,
ohne doch den bei allmählichem Uebergange sich ergebenden
Werth zu erreichen. Nimmt man vor der Hand den ersten
Theil dieser Erscheinung, welcher sich auf den ersten vor-
übergehenden Werth des Magnetismus bezieht, als gegeben
an, so folgt der zweite Theil, wonach die definitiven Magne-
tismen bei plötzlicher und bei allmählicher Kraftänderung ver-
schieden ausfallen, unmittelbar. Denn, seien M und m die
beiden definitiven Magnetismen (der vorhergehende und der
nachfolgende) bei allmählicher Kraftänderung, M und rrip die-
selben bei plötzlicher, und sei M > wi, so ist zu beweisen,
dass vip < m ist; es entsteht aber mp im zweiten Falle nicht
direct aus M, sondern zwischen beiden findet der Werth
mp — € statt, wo c eine positive Grösse ist. Dieser Zustand
liegt aber auf der entgegengesetzten Seite von rrip wie M,
ist also nicht ohne Einfluss auf den Werth von wiy, wenn
auch, in Anbetracht der Kleinheit von e gegen M — mp, nach
dem Grundgesetze M in erster Reihe massgebend für die
Nachwirkung ist. Hiernach muss mp kleiner sein als m,
welcher Werth direct aus M entsteht oder doch nur durch
Vermittelung von der Grösse nach dazwischen liegenden
Magnetismen, welche nach dem Grundgesetze ohne Einfluss
auf die Nachwirkung sind. Aehnlich ist der Beweis zu
führen, dass, wenn M < m, mp < m ist. Man kann hiernach
den Satz aufstellen: Wenn eine Kraft Jy welcher der Magne-
tismus M entspricht, in die Kraft i, welcher der Magnetismus
m entspricht übergeht, so ist die Geschwindigkeit nur in dem
Falle von Einfluss auf den definitiven Werth von m, wenn sie
so gross ist, dass m diesen definitiven Werth nicht sofort,
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328
F. Auerbach.
sondern erst durch Abnahme oder Zunahme von dem Werthe
m + c, je nachdem m > M oder m < M ist, annimmt. Oder:
Die Geschwindigkeit der Kraftänderung ist auf die
Nachwirkung zweiter Art nur dann von Einfluss,
wenn sie so gross ist, dass sie eine Nachwirkung
erster Art veranlasst. Auf diesen Zusammenhang beider
Arten von Nachwirkung näher einzugehen, wird bei Be-
trachtung derjenigen erster Art der Ort sein.
21. Von welcher Bedeutung die magnetische Nachwirkung
auch für solche magnetische Erscheinungen ist, welche an-
scheinend mit ihr in gar keinem Zusammenhange stehen,
und bei welchen daher auf sie bisher keine Rücksicht ge-
nommen worden ist, zeigt das die Beziehung zwischen Kraft
und Magnetismus betreffende Folgende. Nach Wiedemann
und anderen nimmt bei Magnetisirung durch aufsteigende
Kräfte i der temporäre Magnetismus t nicht, wie Weber's
Theorie annimmt, anfangs proportional mit t, sondern er
nimmt zuerst schneller als i, und dann erst langsamer
als i zu. Der Quotient t.i nimmt also erst zu, dann ab.
Es ist, soviel mir bekannt, bisher nicht gefragt worden, ob
dieselbe Erscheinung auch bei Anwendung fallender Kräfte
sich zeige; auch Warburg, aus dessen Zahlen diese Frage,
für die von ihm benutzten Stäbe, sich hätte entscheiden
lassen, ist auf sie nicht eingegangen. Ich habe daher auf
sie meine Aufmerksamkeit gerichtet und gefunden, dass der
Quotient t:i bei Anwendung fallender Kräfte desto grösser
ist, je kleiner i ist, dass also in diesem Falle ein In-
f lexionspunkt1) nicht existirt. Dass dieses Resultat
sich nicht auf mein Material beschränkt, ergiebt ferner der
Umstand, dass die Tabellen Warburg's zu demselben
interessanten Ergebnisse führen; und speciell die
Tabelle II für den Draht Nr. 1 zeigt weiter, dass es nicht
nur für solche Fälle gilt, in denen der Nullpunkt der Aus-
gangspunkty beziehlich der Endpunkt ist, sondern dass jeder
1) Der hierfür vielfach gebrauchte Ausdruck „Wendepunkt" hat
mathematisch eine ganz andere Bedeutung und gibt daher vielfach zu
Missverständnissen Anlass.
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F. Auerbach.
329
beliebige Punkt diese Rolle übernehmen kann; nur ist dann
natürlich Kraft wie Magnetismus von ihm aus zu rechnen.
Uebrigens ist es zur einfachen Constatirung der in Rede
stehenden Thatsache nicht nöthig, die Tabellen Warburg's
zu berechnen; seine graphischen Darstellungen zeigen schon
deutlich, dass nur der steigende, nicht aber der fallende
Zweig der Curven einen Inflexionspunkt besitzt. Ich habe,
um eine weitere Bestätigung zu erlangen, schliesslich noch
für den von mir benutzten Hohlstab mit der möglichsten
Genauigkeit die Curve der Normalmagnetismen für ver-
schiedene Kräfte bestimmt, indem ich mich des oben (12)
angegebenen Verfahrens bediente. Ich fand, dass der
Quotient m : i (welcher mit dem Quotienten t : i identisch
war) für alle Werthe von i, abgesehen von kleinen, unregel-
mässigen Schwankungen, denselben Werth hatte, und dass,
wenn ich nun noch grössere t anwendete, der Quotient t:i
sofort, wenn auch sehr langsam, abnahm.
Nach Feststellung dieser Thatsache liegt es nahe, in der
Nachwirkung der Kraft Null (oder irgend einer anderen An-
fangskraft) auf die steigenden magnetischen Zustände die
Ursache des anfangs immer schnelleren Steigens derselben zu
suchen. In der That muss diese Nachwirkung die Magne-
tismen herabdrücken, und zwar anfangs stärker als später,
einmal weil der EinÜuss der Kraft Null kleiner und kleiner
wird und zweitens, weil die für kleine Kräfte einflusslosen
Zwischenkräfte für grössere Kräfte einen wenn auch kleinen,
erhöhenden Einnuss erlangen. Da, wo die Nachwirkung von
dem Einflüsse der beginnenden magnetischen Sättigung an-
fängt übertroffen zu werden, liegt der -Inflexionspunkt der
Curve. Umgekehrt verhält es sich bei fallenden Kräften;
hier wirken die Entfernungen von dem Sättigungszustande
und die Nachwirkung der grösseren Kräfte auf die kleineren
in gleichem Sinne; beide bewirken, dass die Magnetismen
schneller und schneller fallen; es kann daher ein Inflexions-
punkt nicht entstehen.
22. Es wurde oben (15) darauf hingewiesen, dass die Curven
der Wirkung und der Nachwirkung magnetischer Kräfte die
nämliche Gestalt besitzen. Wenn diese Uebereinstimmung
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330 F. Auerbach.
in qualitativer Hinsicht eine vollständige sein soll, so müssen
auch die Nachwirkungscurven von dem Inflexionspunkte aus
zunächst zunehmend steigen, resp. fallen und erst dann, nach-
dem auf jeder Seite ein weiterer Infiexionspunkt erreicht is^
in abnehmendem Maasse. Ich wies oben bereits auf meine
Versuche, dies zu entscheiden, hin. In der That habe ich
bei Erhöhung der Genauigkeit der Versuche eine solche
Gestalt immer dann erhalten, wenn es nicht vollständig ge-
lungen war, die Nachwirkung der Kraft J von jeder anderen
Nachwirkung befreit zu erhalten. Gelang dies aber durch
jedesmalige sorgfältige Herstellung der Normalwirkung der
nachwirkenden Kräfte, so nahm die Curve die einfachere Ge-
stalt an, die Nachwirkung wuchs proportional und dann
langsamer und langsamer, gerade wie die Wirkung selbst,
d. h. der Magnetismus sich nach dem Obigen verhält, wenn
jedesmal sein Normalwerth hergestellt wird.
23. Es bleibt mir übrig, theils als Belege für die ange-
führten Erscheinungen, theils um ihrer selbst willen einige
quantitative Angaben zu machen. Ich muss um Nach-
sicht bitten, wenn ich diese Mittheilung noch verschiebe.
Es scheint mir wünschenswerth, die mir vorliegenden
Messungen theils durch noch exactere zu ersetzen, theils zu
vervollständigen, namentlich in Hinsicht des stofflichen
Materials. Messungen im Gebiete der magnetischen Nach-
wirkung sind ausserordentlich zeitraubend; es lässt sich das
beispielsweise daraus ersehen, dass jede einzelne Messung,
z. B. die eines Magnetismus, in eine grosse Anzahl von
Messungen zerfällt, falls es darauf ankommt, nicht den
Magnetismus schlechthin, sondern seinen Normalwerth zu
erhalten. Auch sind zur exacten Bestimmung der ver-
schiedenen Grössen mehrfache und ausgedehnte, gut ver-
glichene Widerstandsscalen erforderlich. Ich hoffe trotzdem
in kurzem einige zuverlässige Messungen angeben und an
diese interessante quantitative Betrachtungen zur Vervoll-
ständigung obiger qualitativer anknüpfen zu können. Hier
will ich nur eins hervorheben: Die magnetische Nach-
wirkung ist durchaus nicht sehr klein gegen die
magnetische Wirkung derselben Kraft; das Einzige,
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Ph. v. Jolly,
331
was sich allgemein sagen Iiis st, ist. dass die Nachwirkung
stets kleiner als die Wirkung ist; zwischen dieser
Grenze und der Grenze Null kann sie alle Werthe annehmen ;
ja, wie hervorgehoben, ist es sogar nicht leicht, der Grenze
Null nahe zu kommen.
24. Was endlich die Frage nach der inneren Natur der mag-
netischen Nachwirkung betrifft, so kann derselben erst nach
Betrachtung sämmtlicher einschlägiger Erscheinungen, insbe-
sondere der magnetischen Nachwirkung erster Art, näher
getreten werden. Der Zweck der vorliegenden Abhandlung
ist nur, zu zeigen, welche Vereinfachung die Einführung des
vorläufig unbestimmt bleibenden Begriffes der Nachwirkung
in die Beschreibung der magnetischen Erscheinungen bringt,
und welche diejenige Vereinfachung naturgemäss noch be-
deutend übertrifft, welche schon bisher durch Einführung des
Begriffs des temporären Magnetismus, als der Differenz aus
ganzem und zurückbleibendem, vielfach erreicht worden ist.
Breslau, 26. Juli 1881.
IX. Die Anwendung der Wage auf Probleme der
Gravitation; von Ph. v. Jolly.
Zweite Abhandlung.
(Aus den Abh. d. k." bayer. Acad. d. Wiss. II. Cl. 14. Bd. II. Abth.; mit-
getheilt vom Hrn. Verf.)
Die mittlere Dichtigkeit der Erde.
In einer ersten Abhandlung1) über die Anwendung der
Wage auf Probleme der Gravitation habe ich einerseits die
Resultate des Studiums dieses Messinstrumentes, und anderer-
seits eine Anwendung desselben zum Nachweis der Gewichts-
abnahme der Körper mit ihrer Entfernung vom Erdmittel-
punkte mitgetheilt. Es war mir seither Gelegenheit gegeben,
1) Ch. v. Jolly, Abhand. der k. bayer. Acad. d. Wiss. II. Cl. 18.
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332
Ph. v. Joüy
die Versuche in grösserem Maasstabe zu wiederholen und
Abänderungen der Versuche in einer am Schlüsse der frühe-
ren Abhandlung angedeuteten Weise eintreten zu lassen.
Die Räumlichkeiten, die mir durch die Liberalitat der
Universitätsverwaltung zur Verfügung gestellt wurden, waren
die eines von drei Seiten freistehenden Thurmes. Das Stie-
genhaus ist geräumig, die Treppen sind an den Umfassungs-
mauern in die Höhe geführt und lassen in der Mitte einen
freien Raum von 1,5 m Seite und 25 m Höhe. Wage und
Ablesefernrohr wurden oben erschütterungsfrei aufgestellt.
Von jeder der oberen Schalen führte ein Draht, geschützt
durch eine Röhre von Zinkblech, durch das Stiegenhaus
herab. An den unteren Enden waren zweite Schalen auf-
gehängt. Der Abstand der oberen und unteren Schalen
ergab sich, mit einem Stahlmessband gemessen, zu 21,005 m.
Der Thurm steht auf massivem Boden, er ist nicht unter-
wölbt. Der Abstand des unteren Wagekastens vom Fuss-
boden des Thurmes ist 1,02 m. Es war also Raum zum
Aufbau einer Bleikugel von 1 m Durchmesser unter einer
der unteren Wagschalen gegeben.
Ein Körper von der oberen Schale in die untere Schale
gebracht, erfährt in all seinen Punkten eine, der Annäherung
an den Erdmittelpunkt entsprechende Gewichtszunahme.
Seine Gewichtszunahme ist entsprechend seiner Beschleuni-
gungszunahme. Zeigt sich eine Differenz zwischen Rech-
nung und Beobachtung, so ist die Ursache der Abweichung
aufzusuchen.
Wird unter der einen der unteren Schalen eine Blei-
kugel aufgestellt, so wird ein von der oberen in die untere
Schale gebrachter Körper eine weitere Beschleunigungszu-
nahme erfahren, welche durch die Annäherung des Körpers
an den Mittelpunkt der Bleikugel bedingt ist. Sein Gewicht
wird also grösser werden als dies ohne den Zug der Blei-
kugel der Fall wäre. Die Differenz der Gewichtszunahmen
mit und ohne unterlegte Bleikugel bezeichnet die Grösse
des Zuges der Bleikugel, und der Quotient dieses Zuges und
des Zuges der Erde allein gibt unter Benutzung des Gra-
vitationsgesetzes das Mittel ab, die Dichtigkeit der Erde
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PK v. Jolly. 333
mit der Dichtigkeit des .Bleies, und, da die Dichtigkeit des
Bleies bekannt ist, die mittlere Dichtigkeit der Erde zu be-
stimmen.
In der Beurtheilung der Versuchsresultate ist in An-
schlag zu bringen, dass München auf einer Hochebene ge-
legen ist und eine Höhe von 515 m über der Meeresober-
fläche besitzt.
Im allgemeinen sind folgende Fälle zu unterscheiden:
1. Fall. Der Beobachtungsort liegt auf einer Tiefebene
von nur unbedeutender Erhebung über dem Meeresniveau.
Bezeichnet h den senkrechten Abstand der oberen von
der unteren Schale, R den Radius der Erde, g die Beschleu-
nigung eines Punktes in der Entfernung R vom Erdmittel-
punkt, g die Beschleunigung in der Entfernung R + A, so
hat man nach dem Gravitationsgesetz:
g_ _ (R + hy _ 2Ä
* R^ R '
wobei h2/R2 als eine im Verhältniss zu h/R sehr kleine
Grösse weggelassen ist.
Da die Gewichte gleicher Massen proportional der Be-
schleunigung ihrer Punkte sind, so hat man, wenn durch Q
und Q die Gewichte eines Körpers in der unteren und
oberen Station bezeichnet werden:
+ also: Q-e-**«'.
2. Fall. Der Beobachtungsort liegt auf einer Hoch-
ebene von der Höhe H über dem Meeresniveau.
Die Beschleunigung g eines Punktes der Hochebene in
der Richtung nach dem Erdmittelpunkte setzt sich zusammen
aus der Beschleunigung durch die Schwere der Erde in der
Entfernung R -f Hy und aus der Resultirenden der aus den
materiellen Punkten des Festlandes in gleicher Richtung be-
wirkten Beschleunigung. Bezeichnet wieder g die Beschleu-
nigung am Meeresniveau, und y die durch den Zug des Fest-
landes bewirkte Beschleunigung, so hat man:
R* (* 2H\
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334
Ph. v. Jolly.
Schon Poisson1) hat gelegentlich der Feststellung des
Einflusses des Festlandes auf die Länge des Secundenpendels
den Werth von y unter Voraussetzung gleichförmiger Er-
hebung und gleichförmiger Dichtigkeit des Festlandes in
Rechnung gezogen. Werden die Ordinaten eines Punktes
des Festlandes von dem in der Hochebene gelegenen Punkte
aus nach dem Erdmittelpunkte mit x und in der dazu senk-
rechten Richtung mit y bezeichnet, so ist die Resuitirende
des Zuges eines Ringes vom Radius y, der Breite dy und
der Höhe dx\
, 2nyxdxdy
P* (ya + ara)3 9
wo p den Zug eines Punktes in der Entfernungseinheit, und
g die mittlere Dichtigkeit des Festlandes bezeichnet. Das
Integral dieses Ausdruckes, in den Grenzen #=0 bis z=H,
und y=0 bis y — A genommen, gibt:
y =p.2nQ'{A + H - Y A2 + W) .
Ist die Höhe des Festlandes nur klein im Verhältniss
zur horizontalen Ausdehnung desselben, so kann H2 gegen
A2 vernachlässigt werden, und man erhält:
y = p 2n g H.
Die Beschleunigung eines in senkrechtem Abstände A
über dem Festlande gelegenen Punktes wird durch Integra-
tion in den Grenzen x — H und x = H 4- Ä erhalten. In
dem Falle, in welchem auch 11+ k klein ist im Vergleiche
zur horizontalen Ausdehnung des Festlandes, erhält man
wieder:
y = p2n g H.
Für nur kleine Abstände von der Oberfläche ist also y
unabhängig von dem Abstände h vom Festlande.
Die Beschleunigung g, welche ein Punkt im Meeres-
niveau durch den Zug der Punkte der Erde vom Radius R
und der mittleren Dichtigkeit g erfährt, ist nach dem Gra-
vitationsgesetz : g —p\nRg.
Der Quotient von y und g ist:
9 2 Q B
1) Poisson, Trait6 de Mecanique V p. 492.
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Ph. v. Jolly. 335
Führt man den hieraus hervorgehenden Werth von y in
die Gleichung von g ein, so erhält man:
In der senkrechten Höhe A über dem Pestlande ist die
Beschleunigung:
indem der Werth von wenn h nur klein ist, gegen die
horizontale Ausdehnung des Festlandes ungeändert bleibt.
Der Quotient von g und g" ist:
S* 1 M\* 2 q) - 2A
wobei alle Glieder mit Potenzen von hjR und von HhjR1 als
sehr klein gegen A/Ä weggelassen sind.
Bezeichnet man die Gewichte eines Körpers in der un-
teren und in der oberen Station durch Q' und Q", so er-
hält man:
f = l+2J, also C-Q"=2Ä/.
Der Einfiuss der Centrifugalkraft ist dabei, wie im
Falle I, ausser Betracht gelassen, weil die Beschleunigung
durch die Centrifugalkraft an sich ein so kleiner Bruchtheil
der Schwere ist, dass die Differenz der Beschleunigungen
durch die Centrifugalkräfte in der oberen und unteren Station
und die hiermit in Verbindung stehende Gewichtsänderung
mit Wagen dermaliger Construction nicht mehr zu erken-
nen ist.
3. Fall Der Beobachtungsort liegt auf einem Fest-
lande unregelmässiger Gestalt in der Höhe H über dem
Meeresniveau.
Legt man durch den Beobachtungsort eine zum Radius der
Erde senkrecht stehende Ebene, so erhält man einen unter und
einen über dieser Ebene liegenden Theil des Festlandes und
der Objecto, Häuser etc., die es trägt. Statt der irgendwie
vertheilt liegenden Punkte des über und unter der Ebene
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336
Ph. v. Jolly.
gelegenen Festlandes kann eine Masse von der mittleren
Dichtigkeit q und der Höhe H über dem Meere substituirt
gedacht werden, welche eine den zerstreut liegenden Punk-
ten gleich wirkende Beschleunigungscomponente besitzt, und
ebenso können die über der Ebene zerstreut liegenden und
aufwärts ziehenden Punkte durch eine Masse von der mitt-
leren Dichtigkeit q" eretzt gedacht werden.
Um noch genauer an die bei den Versuchen vorliegen-
den Bedingungen anzuschliessen, soll q" die mittlere Dich-
tigkeit der Schicht vom Orte der Beobachtung aus bis zur
Höhe h bezeichnen, während durch g die Beschleunigung am
Meeresniveau, durch g die eines Punktes des Festlandes in
der Höhe H und durch g" die in der Höhe h über dem Fest-
landspunkte ausgedrückt wird.
Die Beschleunigung g unterscheidet sich von der im
Falle 2 bestimmten dadurch, dass sie um den Betrag der
Componente des Zugs der in der Höhenschicht h gelegenen
Punkte, und ferner um den Betrag der etwa über k gelege-
nen Punkte vermindert wird. Ihr Ausdruck hat die Form:
wo y und / die Beschleunigungen bezeichnen, welche die in
der Schicht von der Höhe A, und die höher als h gelegenen
Punkte erzeugen.
Die Beschleunigung eines in der Höhe h über dem Aus-
gangspunkte gelegenen Punktes ist ausgedrückt durch:
indem die aus den Punkten der Schicht von der Höhe h
hervorgehende Componente gleiche Richtung mit dem Zuge
der Schwere der Erde besitzt.
Aus der Verbindung der Gleichungen für g und <f
leitet sich ab:
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/%. v. Jolly.
337
wo wieder die Glieder mit höheren Potenzen von h/R gegen
die mit h/R vernachlässigt sind.
Bezeichnen wieder Q' und Q" die Gewichte gleicher
Massen in der unteren und oberen Station, so hat man:
q- «'2i(i-4v)'
4. Fall. Der Beobachtungsort ist auf einer Hochebene
in der Höhe H über dem Meeresniveau gelegen. Unter einer
der unteren Schale ist eine Bleikugel vom Radius r aus
Bleibarren aufgebaut. Auf der Schale befindet sich ein mit
Quecksilber gefüllter Glaskolben. Der Glaskolben hat Kugel-
gestalt, und der Abstand des Mittelpunktes dieser Kugel
vom Mittelpunkte der Bleikugel ist a.
Nach dem Gravitationsgesetz ist die von der Bleikugel
in der Entfernung a erzeugte Beschleunigung:
wo p die von einem Punkte in der Entfernungseinheit er-
zeugte Beschleunigung und S die Dichtigkeit des Bleies be-
zeichnet.
Die Beschleunigung eines in der senkrechten Höhe « + r
über der Hochebene gelegenen Punktes durch den Zug der
Erde ist unter Berücksichtigung des Zuges der Hochebene
im Falle 2 gefunden zu:
,-,(i_,2±i±d + Jf}).
Die Beschleunigung g am Meeresniveau lässt sich nach
dem Gravitationsgesetz ausdrücken durch:
g =p\nR().
Man erhält durch Einführung dieses Werthes in der
Gleichung für g" für den Quotienten p, und g"\
ju rÖ r*
wo wieder alle Glieder weggelassen sind, in welchen im Nen-
ner R mit einer höheren Potenz als der ersten auftritt.
Bezeichnet m die Masse des Quecksilbers, so ist mp. das
Gewicht, welches unter alleinigem Zuge der Bleikugel, und
Ann. d. Phj». u. Chem. N. f. XIV. 22
A
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33«
Ph. v. Jolly.
mg" das Gewicht, welches unter alleinigem Zuge der Erde
die Quecksilberkugel besitzt. Werden mit q und Q diese
Gewichte bezeichnet, so erhält man:
Jt « isr- • ^5 una hieraus ö — r£ • • -§ . — •
Q Rq a* R al q
Die Wag e.
Die Leistungsfähigkeit der Wage ist bedingt durch
Empfindlichkeit und Richtigkeit derselben. Nach beiden
Richtungen ist demnach die Wage zu prüfen.
Die Wage, die ich benutzte, ist für eine Maximal-
belastung von 5 kg construirt. Die Länge des Balkens ist
60 cm, sein Gewicht ist 724 g. In der Mitte und senkrecht
zur Länge des Balkens ist ein kleiner Spiegel mit dem Bal-
ken verbunden. Dem Spiegel gegenüber ist in einer Ent-
fernung von 3,5 m eine in Millimeter getheilte Scala aufge-
stellt, und die Ablesung erfolgt mit dem Ablesefernrohr.
Die Durchbiegung des Balkens, welche unter einer Be-
lastung von 5 kg eintritt, hat zum Erfolg, dass die End-
schneiden und Mittelschneide nicht mehr in gleicher Ebene
liegen; die Empfindlichkeit der Wage wird hierdurch be-
trächtlich vermindert. Die Durchbiegung wurde zunächst
durch directe Messung ermittelt. Die eine der Endschneiden
lag an einer unveränderlich befestigten Achatplatte, die andere
wurde mit 5 kg belastet. Die Durchbiegung, gemessen unter
Anwendung eines Fühlhebels, ergab sich zu 0,52 mm, betrug
also auf jeder Seite 0,26 mm. Metallplättchen gleicher Dicke
wurden zur Erhöhung der Schneiden den Endprismen unter-
legt. Die Empfindlichkeit der Wage zeigte sich bei der
mit 5 kg belasteten Wage nahezu übereinstimmend mit der
der nicht belasteten Wage. Ein Zulagegewicht von 10,068 mg
bewirkte bei der Maximalbelastung von 5 kg einen Ausschlag
von 26,54 mm.
Zu Gewichtsstücken wurden mit Quecksilber gefüllte
Glaskolben benutzt. Die Luftgewichte wurden unter Anwen-
dung des von Regnault für Gas wägungen angegebenen
Verfahrens eliminirt, d. h. es wurden zunächst vier Glas-
kolben von gleichem Volumen und gleichem Gewicht herge-
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Pk. v. Jolhj.
339
stellt. Zwei der Kolben wurden mit Quecksilber gleichen
Gewichtes gefüllt, und hierauf wurden alle vier Kolben an
der Glasbläserlarape zugeschmolzen. Die vier Kolben in den
vier Wagschalen verdrängen also rechts und links stets
gleiche Luftgewichte, welches auch immer die Aenderung
des Barometerstandes etc. sein mag.
Die Thüren des oberen und der unteren Wagekasten
sind in der Art construirt, dass die Fugen durch Gummi-
bänder geschlossen werden konnten, ähnlich wie Deckel und
Büchse durch Anlegung breiter Gummibänder verbunden
werden.
Das Versuchsverfahren ist höchst einfach. In einem
ersten Falle sind die beiden gefüllten Kolben in den oberen
»Schalen, die leeren in den unteren, während in einem zweiten
Falle einer der Kolben der oberen Station mit dem leeren
Kolben der unteren Station vertauscht wird, also eine An-
näherung an den Erdmittelpunkt erfährt, der gleich ist dem
senkrechten Abstände der beiden Schalen. Die Gewichts-
zunahme, die hiermit eintritt, wird durch Zulagegewichte
bestimmt. Die Gewichtsstücke, die ich als Zulagegewichte
verwendete, sind Platinbleche von 50, 20 und 10 mg. Die Ab-
weichungen des Nominalwerthes dieser Gewichtsstücke von
ihrem wirklichen Werthe wurden unter Zugrundelegung eines
Normalkilogramms, einer Copie des Berliner Kilogramms, be-
sonders ermittelt. Es ergab sich, in Milligrammen ausgedrückt:
Bei allen exacten Messungen nehmen die Orientirungs-
versuche die grössere Zeit und Mühe in Anspruch. Es
kommt eben darauf an, die unvermeidlichen Fehlerquellen
aufzudecken und zuzusehen, auf welche Grenzen dieselben
eingeengt werden können. Es war vorauszusehen, dass in
den 21 m langen Röhren, die den oberen und unteren Wage-
kasten verbinden, die Luft nur schwierig in einem für exacte
Wägungen genügend ruhigen Zustand sich erhalten lasse.
In der That kam, so lange die unteren Wagschaien in ge-
meinsamen Wagekasten aufgehangen waren, die Wage gar
nicht zum Ausschwingen. Erst nachdem für jede der unte-
4
Nominal werth 50
Wirklicher Werth 5 »,025 2
20 10
20,058 10,068
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340
Ph. v. Jolly
ren Schalen besondere Kasten benutzt, und die Fugen der
Wagethüren durch- Gummibänder geschlossen waren, konnte
die Wage zum Ausschwingen gebracht werden. Aber auch
jetzt noch erzeugten kleine Temperaturdifferenzen, wie solche
etwa durch Anlegen der Hand an einer der Röhren ein-
treten, erneuert Schwingungen des Wagebalkens. Die Röh-
ren wurden daher mit schlechten Wärmeleitern umgeben,
nämlich in Stroh eingebunden; und die Wagekasten wurden
mit Pappkasten überstülpt. Die Schwingungen der Wage
verlaufen nun in grosser Regelmässigkeit, und die aus den
Schwingungsbogen abgeleiteten Einsteliungspunkte zeigten
nach wiederholten Arretirungen und Auslösungen keine Dif-
ferenzen, die 2 mm überschreiten, sich aber oft nur in den
Zehnteln der Millimeter bewegen. Doch ist auch hier ein
Ausnahmsfall namhaft zu machen. Mit jeder rasch sich voll-
ziehenden Aenderung des Hygrometerstandes, und ebenso
mit jeder raschen Temperaturänderung des Beobachtungs-
raumes treten wieder Unregelmässigkeiten in den Schwin-
gungen ein. Sie kennzeichnen sich dadurch, dass nach wie-
derholten Arretirungen und Auslösungen die aus den Schwin-
gungsbogen abgeleiteten Einstellungen grössere Abweichungen,
zuweilen bis zu 10 mm, zeigen. An solchen Tagen ist über-
haupt eine exacte Wägung nicht ausführbar.
Der Einfluss raschen Wechsels im Feuchtigkeitsgehalt
und in der Temperatur des Beobachtungsraumes auf die
Einstellung der Wage wurde einem eingehenden Studium
unterzogen. Die relative Feuchtigkeit des Beobachtungs-
raumes ist an sich beträchtlich, sie ist im Mittel 740/0- Die
geringste, innerhalb eines Jahres beobachtete Feuchtigkeit
war 57 °/0 , die höchste 94 %• Oft ist wochenlang der Hygro-
meterstand nur Schwankungen von wenigen Procenten unter-
worfen, dann folgen Tage mit schroffen Uebergängen, sodass
im Verlaufe von sechs Stunden Differenzen bis zu 14%
auftreten können. Man kann bei sehr hohen und bei ge-
ringeren Hygrometerständen gleich exacte Wägungen aus-
führen, nur die eine Bedingung eines anhaltend gleichen
Hygrometerstandes muss erfüllt sein. Werden in dem oberen
und in dem unteren Wagekasten Schalen mit Chlorcalcium
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Ph. v. Jolly.
341
aufgestellt, so sinkt die relative Feuchtigkeit der in der
Wage enthaltenen Luft auf beiläufig 40% zurück, während
die Luft im äusseren Räume noch 70°/0 zeigt. Die Wage
ist eben selbst unter Anwendung des Verschlusses mit
Gummibändern nicht luftdicht verschlossen, durch Diffusion
treten fortdauernd Dämpfe ein, ein rascher Wechsel des
Feuchtigkeitsgehaltes des äusseren Raumes macht sich da-
her, wenn auch im verminderten Grade im Inneren der
Wage geltend, und die Verschiedenheiten in der Einstel-
lung der Wage sind in der relativ trockenen Luft beinahe
von gleichem Betrage wie in der nicht ausgetrockneten
Luft.
Rasch sich vollziehende Temperaturwechsel sind ebenso
von merkbarem Einfluss auf die Einstellung der Wage.
Ein sehr einfacher Versuch macht den Einfluss der Tera-
peraturdifferenz der Gewichtsstücke auf den Ausschlag der
Wage erkennbar. Die Temperaturerhöhung, welche einem
der Gewichtsstücke durch die Handwärme in wenigen Secun-
den ertheilt wird, ist ausreichend um das Gewichtsstück
scheinbar leichter erscheinen zu lassen. Erst wenn wieder
Gleichheit der Temperatur der Stücke rechts und links ein-
getreten ist, spielt die Wage wieder an derselben Stelle
ein. Ist die Temperatur der einen der Röhren der Wage
auch nur eben nachweisbar höher wie die der anderen Röhre,
so ändert sich der Ausschlag der Wage im Sinne einer Ge-
wichtsabnahme der relativ wärmeren Seite. Inwieweit diese
Abnahme durch Strömungen der Luft oder durch die an
der Oberfläche haftenden, durch die Temperatur bedingten
Mengen von Luft und Dampf bewirkt sind, bleibt dabei
unerörtert. Vielleicht gibt die bekannte Erscheinung eines
gut ausgekochten Barometers eine Vorstellung von der Ur-
sache des eintretenden Wechsels der Gewichte, stets zeigen
sich in der Barometerleere die Quecksilberdämpfe an der
relativ kälteren Stelle der Glasröhre reichlicher condensirt.
Wie dem immer sein mag, je gleichförmiger und unverän-
derlicher die Temperatur, um so unveränderlicher ist auch
die Stelle des Einspielens der Wage.
Die Aufstellung der Wage im Thurm bringt es mit
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342
Ph. v. Jolly,
sich, dass die eine der Röhren den Fenstern des Thurmes.
die andere der Wand näher gelegen ist. Bei stetigem Sin-
ken der äusseren Temperatur sinkt auch die Temperatur im
Thurm, aber rascher in der den Fenstern näher stehenden
Röhre. Der Unterschied ist unbedeutend, aber erkennbar
am Thermometer, er verschwindet, wenn die äussere Tem-
peratur sich nur unbedeutend und sehr allmählich ändert.
Die Einstellung der Wage ändert sich in entsprechender
Weise; sinkt die äussere Temperatur, so verschiebt sich
der Einstellungspunkt in dem Sinne einer Gewichtszunahme
auf der Seite der tieferen Temperatur. Der Verlauf kehrt
sich um bei wachsender Temperatur. An Tagen geringer
Temperaturwechsel, bei ruhiger Luft und bedecktem Him-
mel sind die Abweichungen in der Einstellung der Wage
nach wiederholten Arretirungen und Auslösungen am kleinsten.
Eine Vergleichung der der Zeit nach weit auseinander
liegenden Beobachtungen zeigt Verschiedenheiten in der Ein-
stellung der Wage, die bald nach der einen, bald nach
der anderen Seite hin liegen, und die weder von der Tem-
peratur, noch von einer etwaigen Aenderung der Prismen-
schneiden abhängen. Sie treten sehr deutlich in Beobach-
tungen auf, die um ein halbes Jahr auseinander liegen, die
etwa bei gleichen Temperaturen, im Frühjahr und im Herbst,
gemacht sind, und haben ohne Zweifel ihren Grund in der
Oxydation der Aufhängedrähte. Die Drähte sind von Mes-
sing und sind galvanoplastisch vergoldet. Die unvermeidlichen
Biegungen und Wiedergeraderichtung der Drähte bringt es
mit sich, dass der galvanoplastische Ueberzug nicht genügend
intact bleibt. Platindrähte würden solche Aenderungen aus-
schliessen. Ich bin nicht zur Anwendung derselben über-
gegangen, indem es sich zeigte, dass die Oxydationen nicht
stetig fortschreitend, sondern periodisch, meistens nach höhe-
ren Hygrometerständen der Luft, auftreten. Die zwischen-
liegenden Pausen unveränderten Zustandes reichen aus zur
Ausführung exacter Wägungen.
Die Ausdehnungscoefficienten der beiden Hebelarme der
Wage ergaben sich als vollkommen gleich. Wagebalken
so beträchtlicher Dimensionen, wie solche für Belastungen
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Ph. v. JoUy
343
von 5 kg erforderlich 8ind, sichern demnach gleiche Mole-
cularspannungen der beiden Hebelarme.
Ueberraschend trat die Unveränderlichkeit der Stahl-
schneiden entgegen. In Jahr und Tag ist die Empfindlich-
keit der Wage trotz unausgesetzten Gebrauches in keiner
erkennbaren Weise geändert. Die Stahlschneiden haben eine
Länge von 3 cm, der Prismenwinkel ist 45°. Unter einer
Belastung von 5 kg wurde während fünf Tagen ohne erneuerte
Arretirung, also bei ungeänderten Drehaxen, der Ausschlag
der Wage von Tag zu Tag notirt, und in darauf folgenden
fünf Tagen wurden die Ablesungen nach vorausgegangener
Arretirung und Auslösung vollzogen. Die Abweichungen im
Ausschlage der Wage überschritten in keinem Falle 2 mm.
Die Versuche wurden im August 1879, in einer Zeit an-
dauernd gleichförmiger Beschaffenheit der Atmosphäre aus-
geführt. Im weiteren Verlaufe wurden grössere Abwei-
chungen notirt, die ich zunächst einer Aenderung der Stahl-
schneiden zuschrieb. Nach erneuertem Abschleifen der Pris-
men und ebenso nach Einsetzen neuer Prismen war der Ver-
lauf ein ähnlicher, jedoch stellte sich unzweideutig heraus,
dass je nach der Beschaffenheit der Atmosphäre periodisch
die Abweichungen im Ausschlage in aufeinander folgenden
Versuchen grösser oder kleiner auftreten, dass also dieselben
nicht durch Veränderungen der Stahlschneiden herbeige-
führt sind.
- Die Achatplatten wurden nach bekanntem optischen
Verfahren auf ihre Ebenheit geprüft, und die möglichst un-
veränderliche Auflage auf gleicher Linie der Unterlage war
dadurch gesichert, dass durch die Art der Führung der
Arretirungs Verrichtung auch jede laterale Bewegung und
Verschiebung ausgeschlossen war. Die Spiegelablesung gibt
Gelegenheit zu prüfen, in wie weit dies jeweils erreicht ist,
und unter Anwendung von Stellschrauben wird die erforder-
liche Correctur in der Führung bewirkt.
Die VVägungen.
Die an der Wage gemachten Erfahrunngen geben die
Richtschnur ab für das Verfahren bei den Wägungen.
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344
Ph. v, Jolly.
Die Wägungsmethode war die der Wägung mit Tara.
Auf den Schalen der einen Seite war einer der gefüllten
Kolben in der oberen, einer der leeren Kolben in der un-
teren Station aufgestellt, während in den Schalen der anderen
Seite abwechselnd der gefüllte und der leere Kolben ver-
tauscht wurden. Die Gewichtszunahme, welche mit der Ver-
setzung des gefüllten Kolbens von der oberen in die untere
Station eintritt, wurde durch Zulagegewicht gemessen. Die
Bestimmung der Grösse des Ausschlages stützt sich auf je
10 einzelne Versuche, sie ist nämlich das arithmetische
Mittel der Ausschläge, die in zehn aufeinander folgenden
Arretirungen und Auslösungen beobachtet wurden. An Ta-
gen, an welchen die Differenzen der beobachteten Ausschläge
2 mm überschreiten, wurde jede weitere Messung eingestellt
Es kam vor, namentlich an Tagen raschen Temperatur-
wechsels und hoher Hygrometerstände, dass während einer
ganzen Woche keine exacte Wägung ausgeführt werden konnte.
Die Beobachtungen wurden sämmtlich an gleichen Ta-
gesstunden ausgeführt; die eine Beobachtungsreihe vormittags
9 Uhr, die zweite nach vertauschten Kolben vormittags 11 Uhr.
Zwischen der ersten und zweiten Beobachtungsreihe muss
schon deshalb eine Pause von mindestens einer Stunde ein-
gehalten werden, weil mit dem Vertauschen der Kolben
unvermeidlich Temperaturdiiferenzen eingeleitet werden, die
zu ihrer Ausgleichung reichlich eine Stunde Zeit erfordern.
Ein Beispiel wird das eingehaltene Verfahren deutlicher
zum Ausdruck bringen. Ich entnehme hinzu aus dem Beob-
achtungsjournal eine am 16. September 1879 ausgeführte Mes-
sung. Die Tarakolben befinden sich in allen Versuchen in den
Schalen, die am Hebelarm rechts aufgehangen sind. In den
am Hebelarm links aufgehangenen Schalen war in einem
ersten, mit I bezeichneten Falle der gefüllte Kolben in der
oberen, und in dem mit II bezeichneten Falle in der unteren
Schale aufgestellt. Im Falle I war in der oberen Schale
rechts das Platinblech mit dem Nominalwerth 20 mg, und
im Falle II das Platingewicht mit dem Nominalwerth 50 mg
zugelegt. Die in aufeinander folgenden beobachteten Ein-
stellungen waren:
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Ph. v. Jolly.
345
Fall I: 135,42 133,74 134,82 134,87 133,42 134,90
134,78 134,42 134,70 133,98 Mittel: 134,505,
Fall II: 138,16 139,82 138,80 138,94 138,43 140,08
139,42 139,72 139,00 138,22 Mittel: 139,109.
Die Differenz beider Ausschläge ist 4,604. In Normal-
gewicht ausgedrückt, ist das Zulagegewicht im Falle II
50,025 mg, im Falle I nur 20,058 mg. Die Differenz ist
29,967 mg. Die Prüfung der Empfindlichkeit der Wage
ergab, dass durch ein Zulagegewicht von 10,068 mg eine
Aenderung des Ausschlages von 26,54 mm eintritt. Die
Differenz von 4,604 im Ausschlage bezeichnet hiernach eine
weitere Gewichtsdifferenz von (4,604/26,54) . 10,068= 1,746 mg,
und die Gewichtszunahme, die eintritt, wenn der gefüllte
Kolben von der oberen in die untere Station gebracht wird,
beträgt 29,967 + 1,746 = 31,713 mg.
Die Erwartung, dass die Unterschiede der als Mittel-
werthe aus je 10 Beobachtungen erhaltenen Ausschläge
4 Zehntel eines Millimeters an der Ablesungsscala nicht
überschreiten werde, zeigte sich nicht erfüllt. Die Unter-
schiede von Tag zu Tag sind beträchtlicher und erreichen
im extremsten Falle 2 mm an der Scala. Erst die Mittel
aus je 10 in der angegebenen Weise erhaltenen Ausschläge
geben übereinstimmendere Zahlen. Die Werthe der Aus-
schlagsdifferenzen, welche unter Anwendung stets gleicher
Zulagegewichte 50,025 mg und 20,0586 im Falle II und I
erhalten wurden, sind in folgender Tabelle niedergelegt:
Juni 1879 Juli 1879 August 1879 Sept. 1879 Oct. 1879
4,60
4,82
5,12
3,84
5,32
4,78
4,25
4,22
4,42
4,54
3,79
3,75
4,89
5,00
5,00
5,19
4,39
3,79
4,00
5,64
4,58
5,18
4,89
4,03
4,62
4,63
4,34
3,79
4,89
;,.o;>
4,58
4,05
4,51
3,53
4,55
4,56
4,58
4,54
4,04
5,01
5,02
4,63
4,05
5,40
4,35
4,52
3,95
4,58
5,76
3,91
Mittel
4,602
4,448
4,490
4,549
4,572
Das Mittel dieser 50 Ausschläge, von denen jeder auf
je 10 Arretirungen der Fälle I und II sich stützt, ist 4,532.
346
Ph. v. Jolly.
Diesem Ausschlage entspricht ein Gewichtszuschlag von
(4,532 . 10,068)/26,54 = 1,7 19 mg. Die Gewichtszunahme, welche
der mit Quecksilber gefüllte Kolben erfährt, wenn er von
der oberen Schale in die untere Schale gebracht wird, ist
demnach:
50,025 - 20,059 + 1,718 = 31,686 mg.
Alle Bemühungen, durch günstiger gelegene Beobach-
tungszeiten eine grössere Uebereinstimmung in den Aus-
schlagsdifferenzen zu erzielen, scheiterten daran, dass ein
vollkommen stabiler Zustand der Temperatur und des Feuch-
tigkeitsgehaltes der Luft für die Zeit der Beobachtungen,
die im Mittel eine halbe Stunde für je 10 Auslösungen be-
trägt, nicht zu erzielen war.
Die vielfach bei den Wägungen gemachten Erfahrungen
zeigen, dass alles, was eine grössere Gleichförmigkeit der
Luft sichert, auch eine grössere Uebereinstimmung in den
Ausschlagsdifferenzen erhöht. Bei bedecktem Himmel, ruhi-
ger Luft, constantem Hygrometer- und Thermometerstande
sind die Ausschlagsdifferenzen die minimalsten. Die Fenster
des Thurmes sind nach Nordwest gelegen, sie werden in den
späteren Nachmittagstunden von der Sonne erreicht. Es
sind dies die Stunden, in welchen in dem gegebenen Locale
exacte Wägungen geradezu unausführbar sind. Nach Norden
gelegene Fenster würden ohne Zweifel eine grössere Sta-
bilität der Atmosphäre im Thurme sichern, und der Aus-
führung exacter Wägungen würden damit mindere Schwierig-
keiten entgegenstehen.
Die unvermeidlichen, von der Construction der Wage
abhängigen Fehler, wie etwa die kleinen Aenderungen in den
Auflagelinien, welche nach jeder neuen Auslösung auftreten
können, war ich nicht im Stande gesondert zum Ausdrucke
zu bringen. Es würde dies vielleicht bei Wägungen im luft-
leeren Räume möglich sein. Für die in Frage stehenden
Wägungen blieb nichts übrig, als die Gesammteintiüsse auf
möglichst kleine Werthe einzuengen, und durch Vermehrung
der einzelnen Beobachtungen exactere Mittelzahlen zu er-
zielen. In der That stützt sich die oben angegebene Ge-
Digitized by Google
Ph. v. Jolhj.
347
wichtszunahme auf 50 unter möglichst gleicher Beschaffenheit
der Atmosphäre erhaltene Differenzen der Gewichte, und
jeder Ausschlag für die Fälle I und II ist selbst wieder das
Mittel von 10 Einzelbeobachtungen, denen jeweils Arretirung
und Auslösung voranging. Die Anzahl der Einzelbeobach-
tungen ist also für jede der Stationen 500.
Die beobachtete Gewichtszunahme von 31,686 mg gibt
im Vergleich mit der nach dem Gravitationsgesetz zu be-
rechnenden das Mittel ab, die local sich geltend machenden
Einflüsse zum Ausdrucke zu bringen.
In den einleitenden theoretischen Erörterungen ist für
den Fall, in welchem der ßeobaehtungsort auf einer Hoch-
ebene gelegen ist, die Gewichtsdifferenz, welche einer Höhen-
differenz h entspricht, ausgedrückt durch:
In dem besonderen Falle der Beobachtungen ist:
der senkrechte Abstand der Wagschalen h = 21,005 m,
das Gewicht des Quecksilbers Q„ = 5 009 450 mg,
der Radius der Erde in der Breite 48° 8 °, : R « 6 365 722 m.
Es berechnet sich hiernach die Gewichtsdifferenz zu:
Die beobachtete Differenz ist nur 31,686 mg. Schon die
früher unter minder günstigen Bedingungen ausgeführten
Messungen1) ergaben eine Abweichung in gleichem Sinne.
Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass local sich geltend
machende Anziehungen die Ursache der Abweichung sind.
Der Universitätsthurm liegt an einer der tieferen Stellen der
Stadt, mehr als 10 m tiefer als der Bahnhof, er ist von
grossen monumentalen Bauten umgeben, und die Gebäude
der Stadt überragen beträchtlich die Sohle des Thurmes.
Alles wirkt zusammen zu einem nach aufwärts gerichtetem
Zuge in dem Falle, in welchem das Gewicht sich in der un-
teren Schale, und zu einem abwärts gerichteten Zuge, in dem
1) Ph. v. Jolly, Abh. d. k. bayer. Akad. d. Wies., 13. Abth. 1.
Digitized by Google
348
Ph. v. Jolly.
Falle, in welchem das Gewicht sich in der oberen Schale
befindet. Die Gewichtsdifferenz wird daher um den gleichen
Betrag vermindert erscheinen. Die mittlere Dichtigkeit,
welche eine über der Hochebene gleichförmig verbreitete
Schicht materieller Punkte besitzen müsste, um die gleiche
Action wie die zerstreut liegenden Punkte auszuüben, lässt
sich nach der für den Fall 3 der Einleitung aufgestellten
Gleichung berechnen. Es ergab sich dort, dass, wenn g die
mittlere Dichtigkeit der Erde, g" die mittlere Dichtigkeit
der Schicht an der Höhe h bezeichnen, die Gewichtsdifferenz
ausgedrückt ist durch:
Die beobachtete Gewichtsdifferenz Q — Q„ ist 31,686 mg,
die numerischen Werthe von h, Q/y, R sind bereits angegeben.
Man erhält hiernach g'jg = 0,0277," und hieraus, wenn die
mittlere Dichtigkeit der Erde sich zu 5,69 ergeben sollte,
g" = 0,157 für die mittlere Dichtigkeit einer Schicht von
der Höhe h, welche einen mit den zerstreut liegenden Punkten
gleichen Zug ausüben würde.
Die Erörterungen des Falles 4 der Einleitung sind
massgebend für das Programm der auszuführenden Versuche.
Alles kommt darauf an, mit welcher Exactheit die Gewichts-
zunahme des Quecksilberkolbens sich bestimmen lässt, welche
eintritt, wenn eine Bleikugel gegebener Grösse unter der
unteren Schale, in der der Kolben sich befindet, aufge-
gestellt wird.
Die Gewichtszunahme, welche der Kolben erfährt, wenn
derselbe von der oberen in die untere Schale gebracht wird,
ist bereits ermittelt und zu 31,686 mg gefunden. Durch den
Zug der Bleikugel tritt eine Erhöhung des Gewichtes ein.
Die Differenz der Gewichte ist der Zug, welchen das Queck-
silber unter alleiniger Wirkung der Bleikugel erfährt. Aller-
dings wirkt auch die Bleikugel auf den Quecksilberkolben
in dem Falle, in welchem sich derselbe in der oberen Schale
befindet. Da aber die Entfernung 43 mal grösser ist, und die
Die mittlere Dichtigkeit der Erde.
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Pk. v. Jolly.
349
Abnahme des Zuges quadratisch wächst, so berechnet sich
selbst bei einer Bleikugel von 5775 kg und einem Queck-
silbergewicht von 5 kg der Zug in dieser Distanz nur zu
0.0OO3 mg, einer mit der Wage bei solcher Belastung nicht
mehr messbaren Grösse.
Die Versuche wurden genau in gleicher Weise wie bei
den Wägungen ohne unterlegte Bleikugel ausgeführt, auch
waren die gleichen Platinbleche als Zulagegewicht benutzt.
Die Empfindlichkeit der Wage wurde erneuert geprüft und
ergab sich als ungeändert, d. h. ein Platinblech von 10,068 mg
erzeugte wie früher eine Vergrösserung des Ausschlages von
26,54 mm an der Scala.
Die Differenzen der Ausschläge, je nachdem der Queck-
silberkolben in der oberen oder in der unteren {Schale auf-
gestellt war, sind in folgender Tabelle niedergelegt:
Nov. 1879
Dec. 1879
Jan. 1880
Juni 1880
Juli 1880
5,95
6,18
5,72
6,07
5,68
5,56
5,70
6,23
5,89
6,01
6,09
6,06
6,01
6,44
6,72
6,60
5,86
5,79
6,24
6,48
6,29
6,08
6,55
5,80
6,24
5,60
6,07
6,33
6,06
6,00
6,05
6,16
6,10
6,52
5,43
6,33
5,98
6,40
6,18
5,71
5,90
6,59
6,06
5,70
5,85
6,47
6,09
5,81
6,06
6,42
Mittel: 6,084
6,077
6,100
6,094
6,074
Das Mittel aller 50 Ausschlagsdifferenzen ist 6,0858, d. h.
der Ausschlag ist in dem Falle, in welchem der Quecksilber-
kolben sich in der unteren Schale befand, um 6,0858 Scalen-
theile grösser, als wenn er in die obere Schale gebracht war.
Diesem Ausschlage entspricht eine Gewichtszunahme von
6,0858 . 10,068/26,54 = 2,308 mg. Nachdem aber in dem Falle,
in welchem der Kolben in der unteren Schale aufgestellt war,
auf der Schale des anderen Hebelarmes ein Platingewicht
von 50,025 mg, und in dem Falle, in welchem der Kolben
in der oberen Schale sich befand, ein Platingewicht von nur
20,058 mg zugelegt war, ist die Gesammtgewichtszunahme,
welche mit der Versetzung des Kolbens von der oberen in
die untere Schale eintritt, ausgedrückt durch:
50,025 - 20,058 + 2,308 - 32,275 mg.
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350 Fh. v. Jolly.
Ohne Aufstellung der Bleikugel unter der unteren Schale
war die Gewichtszunahme 31,686 rag. Die Bleikugel erzeugt
also eine Gewichtszunahme von 32,275 — 31,686 = 0,589 mg.
Die theoretische Erörterung des 4. Falles der Einleitung
ergab zur Bestimmung der mittleren Dichtigkeit der Erde
die Gleichung:
Q ~~ B * a2 ' q '
In derselben ist:
q ib 0,589 mg, Q = 5 009 450 mg, R *= 6 365 722 m.
Der Werth des Radius r der Bleikugel wurde direct
durch Messung bestimmt. Auf die Kugel wurde eine Glas-
platte gelegt und horizontal eingestellt. Der Abstand der-
selben vom Boden, auf welchem die Kugel ruhte, ergab den
Durchmesser der Kugel zu 0,995 m. Es ist also:
r = 0,4975 m.
Der Abstand a des Mittelpunktes des kugelförmigen
Quecksilberkolbens vom Mittelpunkt der Bleikugel ist gleich
dem Halbmesser der Bleikugel 0,4975 m plus dem Halb-
messer der Quecksilberkugel 0,0445 m, plus dem Abstände
der beiden Kugeloberflächen von einander, der durch einen
zwischengeschobenen mit Theilung versehenen Keil gemessen
und zu 0,0266 m gefunden wurde. In Summa ist also:
a = 0,5686 m.
Das specitische Gewicht des verwendeten Bleies wurde
an Probstückchen wiederholt gemessen und zu 11,198 ge-
funden. Da die Kugel aus 115 Stücken zusammengesetzt
ist, die — wie sorgfältig die Stücke auch immer einander
angepasst sind — unvermeidlich Zwischenräume übrig lassen,
so wurde das mittlere specifische Gewicht der Kugel direct
aus Volumen und Gewicht der Kugel berechnet. Das Ge-
wicht der 115 Stücke ist 5775,2 kg, und der Durchmesser
ist 0,995 m. Man erhält hiernach:
<?= 11,186.
Dieses mittlere specifische Gewicht der Kugel ist nur
um weniges kleiner als das specirische Gewicht der Blei-
proben; ohne Zweifel ist es richtiger mit diesem mittleren
specilischen Gewicht zu rechnen.
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Ph. v. Jolhj.
351
Durch Einführung der Zahlenwerthe erhält man:
$ = 5,692.
Der wahrscheinliche Fehler im Werth von q = 0,589 mg
berechnet sich zu ± 0,0070. Er macht sich in dem Werth
von g schon in der zweiten Decimale geltend, und zwar in
der Art, dass der wahrscheinliche Fehler in dem für y er-
haltenen Werthe ± 0,068 nicht überschreiten wird.
Die Schwierigkeiten, welche exacten Wägungen durch
den so häufigen Wechsel in Dampfgehalt der Atmosphäre
sich entgegensetzen, könnten vielleicht unter Anwendung von
Metallkugeln gemindert erscheinen. Die direct ausgeführten
Versuche haben dies nicht bestätigt. Es wurden vier hohle
Messingkugeln gleichen Gewichtes und gleichen Durchmessers
hergestellt. Zwei dieser Kugeln wurden mit Blei ausgegos-
sen, und hierauf wurden sämmtliche Kugeln luftdicht ge-
schlossen und galvanoplastisch mit Gold überzogen. Das
Versuchsverfahren war das gleiche wie bei den Glaskolben.
Die Abweichungen der Mittel der Differenzen der Gewichte
der oberen und unteren Station waren nicht geringer, als
unter Anwendung der Glaskolben.
Die Resultate der früheren Messungen.
Die verschiedenen Methoden, welche zur Bestimmung
der mittleren Dichtigkeit der Erde angewendet wurden,
führten zu Resultaten, die unter sich und mit dem eben
gewonnenen Resultate mehr oder minder annähernd über-
einstimmen.
Maskelyne hat das Verdienst, die Frage zuerst auf-
genommen zu haben. Die von ihm in Anwendung gebrachte
Methode stützt sich auf die Messung der Ablenkung des
Bleilothes durch ein isolirt stehendes Gebirge. Die erforder-
lichen geodätischen und astronomischen Messungen wurden
in den Jahren 1774 — 79 ausgeführt, und ergaben in den
darauf gestützten Rechnungen für die Erddichte die Zahl:
4,713.
Die Bergmasse, deren ablenkende Action gemessen wurde,
ist petrographisch aus Quarzit, Glimmerschiefer, Hornblende-
schiefer und Kalkstein zusammengesetzt, ohne dass das Ver-
352
Ph. v. Jolly.
hältniss der einzelnen Bestandteile anders als schätzungs-
weise angegeben werden kann. Die darauf sich stützende
Zahl der Erddichte ist also abgesehen von den unvermeid-
lichen Messungsfehlern noch mit einer weiteren Unsicherheit
behaftet.
Cavendish verdankt man die Einführung der Torsions-
wage zur Lösung des gleichen Problemes. Durch seine in
den Jahren 1797 — 98 augeführten Messungen gelangte er
für die Erddichte zu der Zahl:
5,48.
Reich in Freiberg kam unter Anwendung des gleichen
Verfahrens, aber mit mehrfachen Verbesserungen des Mess-
apparates, zu der Zahl: 5,49,
und nach wiederholter Revision, in der Publication vom
Jahre 1837, zu der Zahl: 5,58.
Francis Baily benutzte ebenfalls die Methode von
Cavendish und erhielt für die mittlere Erddichte:
5,66.
A. Cornu und J. ß. Baille1) finden dagegen ebenfalls
unter Anwendung der Methode von Cavendish die Zahl:
5,56.
Carlini führte eine dritte Methode ein, nämlich die
der Pendelschwingungen. Aus dem Unterschiede der Pen-
delschwingungen auf dem Gipfel und dem Fusse eines Berges
wird das Verhältniss der Masse des Berges zu der der Erde
abgeleitet. Carlini kam, gestützt auf seine im Jahre 1824
auf dem Mont Cenis ausgeführten Versuche, zu dem Re-
sultate: 4,837.
Airy stützte seine Untersuchungen ebenfalls auf Pen-
delschwingungen, die in einem 1180 par. Fuss tiefen Schacht
und an der Mündung des Schachtes ausgeführt wurden. Er
erhielt nach der im Jahre 1856 .gemachten Publication die
Zahl: 6,623.
In Rechnungen von Airy ist die mittlere Dichtigkeit der
Erdrinde zu 2,75 zu Grunde gelegt. S. Haughton hält diese
Zahl für zu gross, indem der grössere Theil des Schachtes
1) J. B. Baille, Compt. rend. 80. 1878.
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Ph. v. Jolly,
353
unter dem Meeresniveau liege, und begründet, dass es rich-
tiger sei, die Zahl 2,059 für die mittlere Dichtigkeit der
wirksamen Schicht einzuführen. Die von Airy erhaltene
Zahl reducirt sich hierdurch auf:
5,480.
Im Jahre 1877, auf der Naturforscherversammlung in
München, zeigte ich die Versuchsanordnung vor, nach welcher
unter Anwendung der Wage Probleme der Gravitation zur
Lösung gebracht werden können. Die zunächst erzielten
Resultate wurden in den Denkschriften der bayer. Academie
der Wissenschaften publicirt, und zugleich wurde der Weg
bezeichnet, auf welchem, gestützt auf Wägungen, die mittlere
Dichtigkeit der Erde bestimmt werden könne. Im Jahre
1878 wurden unter Benutzung einer für 5 kg Maximalbe-
lastung construirten Wage und nach Beschaffung einer Blei-
kugel von 1 m Durchmesser die orientirenden Versuche in
dem zur Disposition gestellten Thurme ausgeführt, denen im
Jahre 1879—80 die definitiven Messungen folgten. Das für
die Erddichte erhaltene Resultat:
5,692
ist grösser als das mit der Torsionswage erhaltene, selbst
wenn man die wahrscheinliche Fehlergrenze in Betracht zieht.
Hr. J. H. Poynting hat ebenfalls unter Anwendung
der Wage aus der Gewichtszunahme, welche ein an einem
der Hebelarme der Wage aufgehangener Körper durch
Annäherung einer Bleikugel von 170 kg erfährt, die mittlere
Dichtigkeit der Erde abgeleitet. Er erhält nach der gemachten
Publication1) als Mittel aus 11 Versuchen die Zahl 5,69. Da
die Einzelwerthe zwischen 4,4 und 7,1 schwanken, so ist die
Mittelzahl noch, mit entsprechend grossen wahrscheinlichen
Fehlern behaftet. Die von mir erhaltene Zahl kann daher
zunächst nicht als eine Bestätigung der Poynting'schen be-
trachtet werden. Hr. Poynting hat eine Wiederholung der
Versuche unter Anwendung einer exacteren Wage und voll-
ständigerer Ausschliessung störender Wirkungen in Aussicht
gestellt, ist aber bis hierher mit der Arbeit nicht zum Ab-
schlüsse gelangt.
1) J. iL Poynting. Proe. Roy. Boc. "2*. p. 2. 1878.
Ann. d. Phjs. u. Chem. N. F. XIV. 23
_ igle
354
Ph. v. Jollt/.
Die Wägungsfehler werden in um so engere Grenzen
eingeschlossen, je constanter Feuchtigkeit und Temperatur
während der Dauer der Wägungen in oberer und unterer
Station der Quecksilberkolben sich erweisen. In dem Thurme,
in welchem ich die Wägungen ausführte, waren die Be-
dingungen für exacte Wägungen nicht gerade ungünstig, aber
auch nicht so günstig, wie sie mit nach Norden gelegenen
Fenstern zu erwarten sind. Unter den vielen WägungeD.
die ich ausführte, waren auch solche mit sehr günstigen
äusseren Bedingungen, die sich sofort auch dadurch kenn-
zeichneten, dass nach wiederholter Vertauschung der Kolben
beinahe exact übereinstimmende Ausschläge der Wage auf-
traten. Würde ich nur diese, freilich nur auf fünf Fälle
sich stützenden Zahlen zu Grunde legen, so würde die mitt-
lere Dichtigkeit der Erde sich zu 5,693 mit dem wahrschein-
lichen Fehler von ± 0,011 berechnen.
Es ist nicht meine Absicht, die Versuche erneuert, etwa
unter geänderter Aufstellung der Wage, aufzunehmen. Je-
denfalls würde ich aber die Anwendung der Bleikugel von
1 m Durchmesser und der Maximalbelastung von 5 kg bei-
behalten. Die mit dem Durchmesser der Kugel wachsende
Anziehung lässt den stets gleichen Wägungsfehler im End-
resultat kleiner erscheinen, und die Empfindlichkeit der Wage
nimmt in kleinerem Grade ab als die Belastung der Wage
wächst.
Die mit der Wage erhaltene mittlere Dichtigkeit der
Erde weicht von dem mit der Torsionswage erhaltenen
Mittel um nahezu 2% ab. Es kann sein, dass ein Theil
dieser Differenz in dem geologischen Bau der Erde begründet
ist, dass etwa unter der Trümmermasse, welche die Hoch-
ebene von Bayern bildet, festes Gestein von grösserer Dichtig-
keit sich hinzieht. Erst die Ausführung ähnlicher Messungen
an anderen Orten wird darüber Aufschluss bringen.
Ein anderer Punkt kann dagegen jetzt schon sicher ge-
stellt werden. Die Versuche mit unterlegter Bleikugel waren
zum Theil im Januar 1880 bei einer Temperatur von — 8,6 °C
zum Theil im Juli bei einer Temperatur von 4-21° C, also
bei einer Temperaturdifferenz von 29,6 0 ausgeführt, die Wä-
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A. Wüllner.
355
gungsresultate zeigen aber keine grösseren Abweichungen
als solche, welche innerhalb der unvermeidlichen Fehler der
Wägungen liegen. Es besteht also in der Temperaturdif-
ferenz von 29,6° keine erkennbare Differenz zwischen der
Anziehung des Bleies und des Quecksilbers.
X. Veber die Spectra des Wasserstoffs imd des
Acetylens; von A. Will In er.
L
1. Das von mir im Jahre 1868 zuerst ausführlich be-
schriebene1) Bandenspectrum des Wasserstoffs wurde von
o
Angström im Jahre 1871 als das Spectrum eines Kohlen-
wasserstoffs bezeichnet.2) Die von mir im Jahre 1871 mit-
getheilten Versuche über die Spectra der kohlehaltigen
Gase8), speciell des Aethylens und des Grubengases wiesen
das Unzulässige der Ängström'schen Behauptung nach, in-
dem ich zeigte, dass sich bei allen kohlehaltigen Gasen die
eigenthümlichen fünf Banden zeigten, die ich infolge dessen
als die charakteristischen Kohlenbanden bezeichnete. In den
Kohlenwasserstoffen waren es die bei den Wellenlängen:
5,61 5,20 4,83 4,51
beginnenden Banden, die sich vorzugsweise bemerkbar mach-
ten und bei wachsender oder minimaler Gasdichte als Reste
des Spectrums übrig blieben, wenn alles sonst verschwun-
den war.
Von diesen Kohlenbanden zeigt das Spectrum des Wasser-
stoffs nichts, noch auch bleibt ihnen Aehnliches als Rest des
Spectrums, sei es, dass man durch zunehmende Dichtigkeit
oder Anwendung sehr geringen Druckes das Spectrum des
Gases sich verdunkeln lässt, gleichgültig, ob man enge oder
1) Wüllner, Pogg. Ann. 135. p. 497. 1868.
2) Äugström, Pogg. Ann. 144. p. 300. 1871.
3) Wüllner, Pogg. Ami. 144. p. 481. 1871.
23*
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356
A. W'uttner.
weite Röhren anwendet. Das Wasserstoffspectrum verdun-
kelt sich gleichmässig, einzelne grüne Linien sind das zuletzt
Sichtbare.
Trotzdem ist noch neuerdings von Hrn. Schuster in
den Reports der Brit. Ass. vom vorigen Jahre in seinem
Bericht über den jetzigen Stand unserer Kenntniss der
Spectralerseheinungen es als fraglich hingestellt, ob das be-
treffende Spectrum nicht das eines Kohlenwasserstoffes sei,
und Hr. Ciamician1) behauptet auf Grund eines Ausspruches
von Berthelot, wie er angibt, es sei das Spectrum des
Acetylens.
Zwar lässt die einfache Ueberlegung, dass das Acetylen
einen erheblich höheren Gehalt an Kohle hat als das Aethy-
len, diese Behauptung von vornherein als unwahrscheinlich
erkennen; denn wenn selbst das Grubensgas mit seinem so
geringen Gehalte an Kohle die Anwesenheit derselben durch
die charakteristischen Banden erkennen lässt, so wird das
Acetylen sicher die Anwesenheit der Kohle nicht verleugnen.
Trotzdem lag für mich in der ausgesprochenen Behauptung,
dass das Bandenspectrum des Wasserstoffs dasjenige des
Acetylens sei, eine hinreichende Veranlassung, das Spectruni
des Acetylens zu untersuchen.
2. Das zu den Versuchen benutzte Acetylen hatte Hr.
Dr. Lacoste, Privatdocent der Chemie an unserer Hochschule,
die Güte, für mich aus Acetylenkupfer zu bereiten. Das Acety-
len wurde in einer Glocke, die oben mit einem Glashahn
versehen war, über Quecksilber aufgefangen. Die Glocke
wurde durch eine angekittete Glasröhre mit einem weiten,
mit wasserfreier Phosphorsäure versehenen Rohre verbunden,
welch letzteres wieder durch angekittete Glasröhren mit den
Spectralröhren in Verbindung gesetzt war. Von letzteren
führten dann die erforderlichen Röhren zu der Quecksilber-
luftpumpe. Von den Spectralröhren hatten zwei die gewöhn-
lich von mir benutzte Form; die capillaren Theile derselben
hatten eine Länge von 3 cm, während die ganzen Röhren
12 cm lang waren. Das dritte hatte die in umstehender Figur
1) Ciamician, Wien. Ber. 82. p. 425. 1880.
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A. Wüllner.
357
dargestellte Form, es bestand gewissermaßen aus drei 2 cm im
Lichten weiten und 10 cm langen Spectralröhren, die in
ihrer Mitte durch Röhren gleicher Weite und je 10 cm Länge
miteinander verbunden
tigen lassen, da es in ganz V Y y
vortrefflicher Weise den ^ *
Einfluss der Dicke der
strahlenden Schicht erkennen lässt. Bei solchen Gasen, die
in weiten Röhren nur sehr lichtschwache und deshalb un-
vollkommen ausgebildete Spectra geben, wenn man eine 2 cm
dicke Schicht des Gases vor den Spalt bringt, erhält man
sehr schön ausgebildete Bandenspectra, wenn man in der
Länge AB durch die Röhre sieht, also eine 26 cm dicke
Schicht des leuchtenden Gases vor dem Spalte hat. Ich werde
deshalb in einer nächsten Notiz auf die Verwendung dieses
Rohres zurückkommen, in welcher ich mich mit Versuchen
des Hrn Wesendonck1) zu beschäftigen habe.
Um die Röhren mit reinem Acetylen zu fällen, wurde
zunächst das ganze Röhrensystem bis zu dem Hahne der
das Acetylen enthaltenden Glocke auf das sorgfältigste leer
gepumpt, dann mehrfach mit Acetylen ausgespült und schliess-
lich der grösste Theil des Acetylens in das mit Phosphor-
säure versehene Rohr übergeführt, aus welchem es dann
nach Bedarf in die Spectralröhren übergeführt wurde.
3. Lässt man den Inductionsstrom durch die Spectral-
röhre gehen, wenn das Acetylen in denselben einen Druck
von 1 — 2 mm hat, so leuchtet das Gas mit ziemlich hellem
grünlichweissen Lichte, sowohl in dem weiten Rohre, als in den
engen Röhren. Benutzte man in dem weiten Rohre die
26 cm lange Gasschicht, so Hess sich in diesem ein ebenso
vollständig ausgebildetes, nur etwas weniger helles Spectrum
als in den capillaren Röhren beobachten. Ein Blick auf das
Acetylenspectrum zeigte dann, dass eine Verwechselung des-
1) Wesendonck, Berl. Monatsber. p. 791. 1880.
waren. Die Länge AB be-
trug demnach etwa 26 cm.
Ich hatte das Rohr schon
vor längerer Zeit anfer-
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358
A. miliner.
selben mit demjenigen des Wasserstoffes noch sehr viel we-
niger möglich ist als bei dem Spectrum des Aethylens und
des Grubengases. Zunächst treten die schon erwähnten
charakteristischen Kohlencannelirungen beginnend, mit der
Wellenlänge:
5,61 5,20 4,83 4,51 4,39,
hell hervor, die beiden ersten mit der zarten aus dem Koh-
lensäurespectrum bekannten Schraffirung. Weiter aber ist
das Spectrum im Roth, Orange und Gelb dem Spectrum
der Kohlensäure oder des Kohlenoxyds viel ähnlicher als
dem des Wasserstoffes, während bei Aethylen und Grubengas
dieser Theil des Spectrums dem des Wasserstoffes sehr ähn-
lich, wenn nicht ihm ganz gleich ist. Ich habe deshalb diesen
Theil des Spectruras ziemlich genau ausgemessen und gebe
im Folgenden die Beschreibung desselben. Die Ablenkungen
sind mit demselben Flintglasprisma bestimmt, das ich zu
meinen Messungen über die Veränderungen des Stickstoff-
spectrums verwandt habe.
Nähere Beschreibung des Spcctrums Ablunkung ^JJjJ"
Das Spectrum beginnt mit einem ziemlich hellen
61°
38'
> t
6,620
so ziemlich an derselben Stelle, an der auch das
Spectrum der Kohlensäure beginnt Das Feld
61°
46
't
6,507
auf der Mitte dieses Feldes ist schwach eine helle
Linie zu sehen, wohl Hn = 6,567. Nach einem
61°
48'
9*
6,475
ein zweites helles Feld, welches ziemlich gleichmäßig
61°
56'
* t
6,369
reicht. Es folgt ein 5' breites, dunkles Feld, auf
61°
59'
00"
6,330
liegt. Es beginnt dann wieder ein helles Feld bei
62°
1
50"
6,305
62«
r
25"
6,235
durch eine helle Linie begrenzt ist. In dem dann
folgenden 3' breiten dunklen Räume liegt bei .
62 <
9'
25"
6,204
eine helle Linie. Mit weicher Grenze beginnt bei
62«
10'
25"
6,192
eine Bande, welche durch eine Doppellinie . . .|
62°
62°
14'
16'
50"
15"
6,136
6,124
begrenzt ist. In dem sich anschliessenden dunklen
62°
18'
25"
6,097
eine scharfe helle Linie. Weiter beginnt bei. . .
62«
19'
45"
6,089
Digitized by Google
A. Wüllner.
359
Nähere Beschreibung des Speetrums .
mit breiter weich begrenzter heller Linie ein sehr
helles, orange gefärbtes Feld, welches mit anfangs
langsam, später rascher abnehmender Helligkeit *
13' breit ist. Auf demselben liegen bei . . . .\
zwei helle Linien und ausserdem bei
eine helle Linie.
Es folgt ein bei
beginnendes , streifig sehattirtes Feld , das etwa 1 1 '
breit ist und mehrere helle Linien zeigt bei . .
Ablenkung
Wellen-
62°
24
15"
6,037
.20
AC\"
MI
o,U-o
62°
29*
35''
5,978
62°
38'
10''
5,804
62°
49'
00"
5,873
62°
43'
40'*
5,838
63°
9'
00"
5,609
Die letzte dieser Linien begrenzt das Feld an seiner
brechbareren Seite. Das Spectrum setzt sich in
dieser Weise in schön schattirten, auch schwache
Liinien zeigenden Feldern fort, die einzeln zu be-
schreiben nicht erforderlich ist, bis bei ....
die bekannte, in allen Spectren kohlehaltiger Gase
sich zeigende grüngelbe Cannelirung auftritt, die
feine Schraffirung zeigend, welche auf den Canue-
lirungen besonders im Spectrum der Kohlensäure
und des Kohlenoxydgases so schön sichtbar ist.
Die Cannelirung ist jedoch ganz erheblich schmaler
als im Spectrum der Kohlensäure, ihre Breite be-
tragt nicht ganz 9' bei der Kohlensäure 14 '. Sie
wird durch eine scharfe Linie begrenzt bei. . .
Es folgt dann ein breites grünes Feld, welches ähn-
lich wie das erste Wasserstoffspectrum eine grosse
Zahl von Linien zeigt. Dann beginnt bei . . .
die ebenfalls wie im Kohleusäurespectrum fein
sclu-affirtc grüne Bande, welche indess ebenso
wie die gelbgrüne, nur halb so breit ist, wie bei
der Kohlensäure. Gleiches gilt von den folgenden
Kohlenbanden, der blauen beginnend bei . . .
der ersten violetten .
der zweiten violetten
Zwischen diesen Banden ist das Spectrum wie bei
Aethylen und Grubengas dem Bandenspectrum
des Wasserstoffes ähnlich, wenn auch im Einzelnen
sich manche Unterschiede zeigen.
4. Ich brauche nach dieser Beschreibung nur auf wenige
Punkte aufmerksam zu machen, um hervortreten zu lassen,
dass, wie es bei dem hohen Kohlegehalt des Acetylens zu
erwarten war, das Spectrum von dem des Wasserstoffs sich
63° 17' 48" 5,550
64° 5' 20" 5,200
65° 12'
00"
4,834
66° 31'
0"
4,510
67° 6'
0"
4,393
360
A. IVüttner.
in viel höherem Maasse unterscheidet, als die Spectra des
Aethylens und des Grubengases. Während bei diesen wesent-
lich das Auftreten der charakterischen Kohlenbanden das
Spectrum als das eines kohlehaltigen Gases erkennen lassen,
ist hier die ganze rothe, orange und gelbe Partie dem
Spectrum der Kohlensäure viel ähnlicher als dem des
Wasserstoffs. Das Wasserstoffspectrum beginnt erst bei
/. = 6,45, zwischen seinem Beginn und Ha = 6,567 ist ein
breiter dunkler Raum; das Spectrum des Acetylens beginnt
dagegen, wie das der Kohlensäure, bei X — 6,62 und Ha ent-
spricht der Mitte des ersten bis X = 6,507 reichenden Feldes.
Weiter besteht das Spectrum im rothen und gelben aus
mehr oder weniger breiten gleichmässigen beleuchteten
Feldern, während das Wasserspectrum ähnlich wie das des
in einem starken electrischen Flammenbogen verdampfen-
den Eisens aus einer bandenartigen Häufung von Linien be-
steht.
5. Das Spectrum des Acetylens ist nicht von langer
Dauer. Unter Abscheidung von Kohle verliert das Licht
allmählich seine griinlichweisse Färbung und wird röthlich-
weiss. Im Spectrum verschwinden zuerst die Schraffirungen
auf den grünen Cannelirungen, während die Cannelirungen
selbst an Breite abnehmen, dann geht im Roth und Gelb
das Spectrum in dasjenige des Wasserstoffs über, und
schliesslich verschwinden, wenn das Licht die röthlichweisse
Farbe angenommen hat, auch die Kohlencannelimngen im
Grün und Blau, das Spectrum wird fast ganz das des
Wasserstoffs. Die Zersetzung ging in dem Spectralrohr mit
capillarem Zwischenstück erheblich rascher vor sich als
in dem weiten und langen Rohr. Im ersteren wurde die
Zersetzung schon nach einer Stunde sehr bemerkbar, einmal
begonnen, war sie ziemlich rasch beendigt, sodass die letzten
Messungen mit dem zweiten Spectralrohr gemacht werden
mussten. In dem weiten und langen Rohr wurde sie auch
etwa nach einer Stunde bemerkbar, schritt dann aber viel
langsamer vor, sodass in diesem das Spectrum ganz durchge-
messen werden, und so erkannt werden konnte, dass das weite
Rohr, wenn man die 26cm lange Gasschicht nahm, trotz
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A. W'üllner.
361
viel geringerer Helligkeit des Gases, dasselbe Spectrum zeigte
wie das enge Rohr.
Wenn die Wände der Röhren und die Eleetroden ein-
mal mit ausgeschiedener Kohle bedeckt waren, und man
dann neues Acetylen unter 1 — 2 mm Druck in die Röhren
liess, so zersetzte sich dasselbe äusserst schnell, in wenigen
Minuten war das grünlichweisse Licht röthlichweiss gewor-
den. Bei wachsendem Drucke dauerte die Zersetzung des
Gases erheblich länger, sodass man bei 15 — 30 mm Druck
in dem Rohre mit capiliarem Zwischenstück das Acetylen-
spectrum wieder ganz gut beobachten konnte, jedoch nur
kurze Zeit, da dass capiilare Rohr von dem abgesetzten
Kohlenstoff ganz undurchsichtig wurde. In dem 2 cm weiten
ßohre konnte man aber das Acetylenspectrum bis zu grösseren
Drucke verfolgen, wenn man ein Electrodenpaar benutzte, das
nur 10 cm weit voneinander entfernt war, also etwa die Röhre A.
Die Aenderungen des Spectrums sind wie die bei allen
kohlehaltigen Gasen; der Lichtschwäche der Entladung ent-
sprechend, zieht sich das Spectrum wesentlich auf die hell-
sten und deshalb schmalen Theile der Cannelirungen, die bei
den Wellenlängen:
5,60 5,20 4,83 . 4,51
beginnen, zurück. Zwischen derselben ist wenig, und vor
derselben im Roth und Gelb ist kaum etwas zu sehen.
IL
In meiner ersten Abhandlung über die Spectra des
Wasserstoffs1) habe ich ein zweites Linienspectrum be-
schrieben, welches sich in Wasserstoffröhren entwickelte,
wenn das Gas auf möglichst geringen Druck gebracht wurde.
Wie ich dort beschrieben habe, färbte sich das Licht der
Röhre plötzlich schön Grün und gab ein aus sechs Linien-
gruppen im grünen bestehendes Spectrum. Da ich, wenn die
Röhren mit anderen Gasen, Stickstoff oder Sauerstoff ge-
füllt waren, dieses Spectrum nicht fand, sah ich es als ein
solches des Wasserstoffs an. Nach meinen Versuchen über
1) Wüllner, Pogg. Ann. 135. p. 497. 1868.
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362
A. JVüllner.
die allmähliche Ueberführung des Bandenspectrums des
Stickstoffs in ein Linienspectrum lag die Vermuthung nahe,
dass dieses Linienspectrums ebenfalls ein aus dem Banden-
spectrum des Wasserstoffs hervorgehendes sei, in derselben
Weise, wie ich es bei dem Stickstoff gefunden habe. Ich
habe deshalb mit Wasserstoff die Versuche in derselben
Weise wie mit Stickstoff durchgeführt, dabei aber gefunden,
dass das Spectrum nicht vom Wasserstoff, sondern von ver-
dampftem Glase herrührt. Wenn man in so engen Röhren,
wie ich sie bei diesen Versuchen verwandte, den Wasserstoff
immer weiter und weiter verdünnt, zieht sich allerdings
das Wasserstoffspectrum auf einige grüne Partien, resp.
Linien zurück. Zwischen diesen traten dann die Linien des
früheren Spectrums hervor, aber nicht in der ganzen Breite
des Spectrums, sondern nur an einzelnen Stellen, sodass
zwei oder drei Streifen das Spectrum in seiner ganzen Länge
durchzogen, in welcher sich diese Linien zeigten. In dem
capillaren, vor dem Spalt befindlichen Theile des Spectral-
rohres sah man an den betreffenden Stellen ein schmales,
hin und her spielendes grünes Licht, während sonst die
Röhre in dem schwachen der geringen Gasdichte entsprechen-
den Lichte leuchtete. Ich vermuthe, dass dieses grüne Licht und
dem entsprechend die Linien an den entsprechenden Stellen
des Spectrums von an den betreffenden Stellen verdampfendem
Glaseherrühren. Eine von Geissler bezogene Fluorsilicium
enthaltende Röhre zeigte ein ähnliches Linienspectrum im
Grün. Die vor der Lampe durch Zusammenfallenlassen
weiterer Röhren hergestellten so engen capillaren Röhren
sind unmöglich an allen Stellen von gleicher lichter Weite.
An den engsten Stellen wird dann nach längerem Durch-
gehen des Stromes die Temperatur, wenn die Röhren Wasser-
stoff enthalten, eine so hohe, dass das Glas hinreichend ver-
dampft, um jenes grüne Licht zu geben. Nur bei Wasser-
stofffüllung wird die Temperatur des Glases eine so hohe, wie
bei keinem anderen Gase; enthalten die Röhren ein anderes
Gas, so treten höchstens die Natriumlinien von aus dem
Glase verdampfendem Natrium auf.
Aachen, 10. August 1881.
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A. Wüüner.
363
XI. Einige Bemerkungen zu den Versuchen des
Hm, Wesendonek über Spectra der Kohlenstoff-
Verbindungen; von A. Wüllner.
Herr Wesendonek hat in den Monatsberichten der
Berliner Academie für September und October 1880 p. 791
eine vorläufige Mittheilung über Versuche betreffend die
Spectra der Kohlenstoffverbindungen gegeben, welche nach
seiner Meinung bei den kohlehaltigen Gasen und Dämpfen
ein gerade entgegengesetztes Verhalten zeigen als meine Theorie
der Doppelspectra es verlangt. Nach seiner Meinung geben
diese Gase und Dämpfe in dicken Schichten, durch das po-
sitive Büschellicht beleuchtet, ein Linienspectrum, im electri-
schen Funken ein Bandenspectrum.
Da Herr Wesendonek seine Mittheilung als eine vor-
läufige bezeichnet, und da nach meiner Auffassung eine vor-
läufige Mittheilung eine kurze Mittheilung abgeschlossener
Versuche, nicht eine Mittheilung vorläufiger Versuche ist, so
habe ich mich bis jetzt jeder Bemerknng zu dieser vor-
läufigen Mittheiluns enthalten, indem ich glaubte, dass der
vorläufigen Mittheilung die vollständige bald folgen würde.
Ich glaubte das umsomehr thun zu dürfen, da ich annahm,
dass Herr Wesendonek bei Ausarbeitung seiner Versuche
Anlass haben würde, die frühere Literatur über die Spectra der
Kohlenstotfverbindungen in Betracht zu ziehen; ich vermuthete,
dass ich dann jeder Bemerkung zu der vorläufigen Mittheilung
überhoben wäre. Indess bis heute, fast ein Jahr nach der
Datirung der Mittheilung, ist eine weitere Publica tion des
Herrn Wesendonek mir nicht zu Gesicht gekommen, ich
muss daher, um nicht den Verdacht aufkommen zu lassen,
dass ich den Versuchen eine Beweiskraft gegen meine Theorie
der Doppelspectra beilege, doch jetzt zu denselben bemerken,
dass das von Herrn Wesendonek vorläufig Mitgetheilte
schon recht vollständig vor 10 Jahren von mir beschrieben
ist in meiner Abhandlung über die Spectra kohlehaltiger
Gase.1) Meine Beschreibung bezieht sich allerdings auf das
1) Wüllner, Pogg. Ann. 1U. p. 481. 1871.
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364
A. W'ÜUner.
Verhalten der Gase, nicht der Dämpfe. Indess dass die
Dämpfe sich nicht anders verhalten als die Gase, sagt Herr
Wesendonck selbst, indem er am Schlüsse seiner Mit-
theilung hinzufügt, dass ganz ebenso wie die Dämpfe sich
das einzige von ihm untersuchte kohlehaltige Gas, die
Kohlensäure, verhalte ; ich habe mich auch selbst davon über-
zeugt, indem ich die Versuche mit Terpentinöl wieder-
holt habe.
Die kohlehaltigen Gase geben im positiven Büschellicht,
wenn dasselbe hell genug ist, stets ein schön ausgebildetes
Bandenspectrum mit den bekannten Kohlenbanden. Ver-
dunkelt man das Licht, indem man bei Anwendung von
Spectralröhren mit capillarem Zwischenstück den Druck der
Gase vergrössert, oder indem man weite Röhren benutzt, so
zieht sich das vollausgebildete Bandenspectrum immer mehr
auf die Beginne der Kohlenbanden zurück, welche den Wellen-
längen:
entsprechen, und welche schliesslich so schmal werden, dass
man sie als nach der violetten Seite hin abschattirte Linien
ansehen kann. Diese infolge der Verdunklung des Lichtes
schliesslich allein sichtbaren Reste des Bandenspectrums sind
die Linien des vom positiven Büschellicht gelieferten Linien-
spectrums des Herrn Wesendon c k. Ich konnte im Spectrum
des Terpentinöldampfes in einem 2 cm weiten Rohr die
Bandenbeginne 5,61, 5,20, 4,83 messen, während ein Spectral-
rohr mit capillarem Zwischenstück ein leidlich helles voll-
ständiges Kohlenwasserstoffspectrum zeigte. Das Licht des
Terpentinöldampfes bleibt auch schwach, wenn man die in
meiner Notiz über das Acetylenspectrum beschriebene Röhre
anwendet, in der man durch eine 26 cm lange Dampfschicht
hindurchsehen kann; es gelang mir, selbst mit Anwendung
von Kältemischung, nicht, es dahin zu bringen, dass das
Licht gleichmässig die ganze Röhre erfüllte. Ich konnte
auch dort nur eine geringe Vermehrung des Spectrums er-
halten, wesentlich waren es die etwas breiteren Bandenbe-
ginne.
Indess Herr Wesendonck sagt selbst, dass die Kohlen-
5,61
5,20
4,83
4,51
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A. Wällner.
365
säure dasselbe zeige wie die Dämpfe; Kohlensäure, deren
Druck in den Röhren man sehr viel besser reguliren kann,
als das für irgend einen Dampf möglich ist, bietet deshalb
ein vortreffliches Mittel, um mit einem einzigen Versuche
das Linienspectrum des Herrn Wesendonck in seiner wahren
Bedeutung zu erkennen. Füllt man die von mir in meiner
Mittheilung über das Aectylenspectrum beschriebene Röhre
mit Kohlensäure unter dem Drucke von wenigen Millimetern
und lässt dann den Strom durch die ganze Röhre gehen, in-
dem man an dem einen Ende die obere, an dem anderen die
untere Electrode benutzt, so kann man in derselben Ent-
ladung das Bandenspectrum der Kohlensäure oder die Linien
des Herrn Wesendonck sehen. Hebt man den Spalt des
Collimatorrohre8 so hoch, dass nur die obere Hälfte des
Rohres von 2 cm Durchmesser vor demselben ist, so sieht
man wesentlich nur die Beginne der Kohlenbanden, senkt
man den Spalt, sodass man durch die 26 cm lange Schicht
des leuchtenden Gases sieht, so erhält man das schön aus-
gebildete Bandenspectrum. Der Versuch zeigt gerade in sehr
hübscher Weise den Einfluss der Dicke der strahlenden
Schicht, wie ich ihn bei meiner Theorie der Doppelspectra
voraussetze, in seiner vollen Reinheit, da wir hier bei der-
selben Entladung überall Röhren von gleicher Weite, also
auch überall dieselbe Temperatur des Gases haben.
Um das von Herrn Wesendonck dem electrischen
Funken zugeschriebene Bandenspectrum in seiner wahren
Bedeutung erkennen zu lassen, wird es genügen, folgende
Sätze aus meiner bereits erwähnten Abhandlung über die
Spectra der kohlehaltigen Gase hervorzuheben. In Pogg.
Ann. 144. p. 494. 1871 beschreibe ich die Spectraler-
scheinungen der Kohlensäure bei Einschaltung einer Leydener
Flasche folgendermassen:
— — „Erst bei einem Funken von 12 mm ist die
Wirkung der Flasche continuirlicher. In dem dann er-
scheinenden Spectrum ist alles Roth und Gelb verschwunden,
das Spectrum beginnt im Gelbgrünen bei 63° 8' 30". An
Stelle der ohne Flasche bei 63° 10' erscheinenden Cannelirung
bildet sich auf schwach beleuchteten Grunde eine Gruppe
366
A. Wullner
von 5 äquidistanten hellen, sehr feinen Linien, die erste
derselben liegt bei 63° 8' 30", die zweite bei 63° 15'. Die
erste der Linien scheint auch schon ohne Flasche da zu
sein und nur wegen Verdunklung des hellen Hintergrundes
deutlicher zu werden; deshalb macht es, wenn die Flasche
wirkt, ganz den Eindruck, wie wenn die gelbgrüne Cannelirung
um 5' nach rechts verschoben würde und zerriss. Von da
ab ist das Gesichtsfeld dann dunkel bis zu der §. 27 er-
wähnten grünen Cannelirung, welche ohne Flasche bei 64° 7
beginnt. Wenn die Flasche wirkt, so wird diese Gannehrung
um 6' nach rechts verschoben, sodass dass Gesichtsfeld bis
64° 13' vollständig dunkel ist. Die Cannelirung zerfällt dann
in 4, auf hellem Grunde liegende, je 6' voneinander entfernte
helle Linien, oder wie man es auch auffassen kann, in drei helle,
durch scharfe helle Linien getrennte und begrenzte ^Felder.
Weiterhin ist das Gesichtsfeld wieder verdunkelt, die ohne
Flasche sichtbare blaue Cannelirung bei 65° 14' verschwindet
vollständig, und es erscheint eine Gruppe von 4 Linien,
deren erste bei 65° 36', deren zweite bei 65° 42', und deren
letzte bei 65° 51' liegt; die letzte scheint eine Doppellinie
zu sein. Die weiterhin im Blau und Violett liegenden hellen
Partien verschwinden vollständig, und statt dessen treten
an vorher dunklen Stellen sehr wenig helle Linien und
Gruppen auf, die nicht zu messen sind."
Das ganz analoge Verhalten des Aethylens beschreibe
ich am a. 0. p. 511 u. 514. Wie man sieht, hat sich Hr.
Wesendonck dadurch täuschen lassen, dass die beiden
grünen Liniengruppen, welche bei 5,62 und bei 5,16 begin-
nen, auf einem hellen Hintergrunde liegen. Wie ich dort
beschrieben habe, wird bei Anwendung höheren Druckes
der ganze Hintergrund des Linienspectrums hell, und wir
erhalten schliesslich das unschattirt continuirliche Spectrum,
indem die Linie, wie ich schon damals mich ausdrückte, in
dem hellen Hintergrunde versinken.
Aachen, den 10. August 1881.
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K. H. Schellbach.
307
XII. Das Minimum der Ablenkung eines Licht-
strahls im Prisma; von K. H. Schellbach.
Der Weg des Strahles sei SQQ&] alles Uebrige ist aus
der richtig gezeichneten und bezeichneten Figur verständlich,
sodass also der Winkel
QTU oder A die Ab-
lenkung des Strahles
bezeichnet.
Nimmt man den
Durchmesser des um
das Dreieck QQR be-
schriebenen Kreises als
Maasseinheit an, so ist
jede Seite der Sinus
des gegenüberliegenden
Winkels, daher liefert das Dreieck QQfR die Gleichung:
sin ß2 4- 2 sin ß sin ß' cos/? + sin ß'2 = sin/?2.
Es ist aber:
sin u = n sin ß und sin a = n sin ß'}
daher sogleich:
sin «2 -f 2 sin a sin a cos/? 4- sin a2 = n2 sin/?2.
Nun ergibt sich leicht:
sin a2 4- sin a2 — 1 — cos (a + »') cos (a — ce)
und: 2 sin a sin a *= cos (a — a ) — cos (« + ec).
Setzt man diese Werthe in die letzte Gleichung ein, so
findet man sogleich:
(cos /? -f cos (« — a)) (cos/? — (<* 4- a)) = (n2 — 1) sin/?2,
oder: cos {a 4- cc ) = cos/? (**-!) smp'
v y r cos p + cos (« - a )
Der Bruch ist für a = a ein Miniraum, also cos («4-«') ein
Maximum, daher k + ein Minimum.
Es ist aber ß 4- /? und « 4- «'= ^1 4- /?. Für a' = a,
also ß — ß hat man daher:
sin \ (A + p)
71 — : — : •
sin
J
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368
E. Wiedmann,
XIII. Beitrüge zur Geschichte der Nat
schuften bei den Arabern, VI.;
von JEilhard Wiedemann.
Man nimmt meist an, dass die Realität der Alche
die Verwandlung von unedlen Metallen in edle, von
Orientalen allgemein acceptirt worden sei. Dem ist a
durchaus nicht so. Einige ihrer hervorragendsten Geleh
waren anderer Ansicht. In seinen Prolegomenen behan
Ibn Khaldün, nachdem er die Principien der Alchemis
besprochen, folgende Punkte: die Umwandlung der Me
ist unmöglich, der Stein der Philosophen kann nicht e :
ren, das Studium der Alchemie ist verderblich. S
eigenen Anschauungen interessiren uns weniger, wohl a
dass er Avicenna und seine Schule als Gegner der AI
mie aufführt. Während AbüNasiralFaräbi, ein älte
Philosoph, annahm, dass alle Metalle zu derselben Gr
tung gehören und sich nur in den Accidentien unterschei
wonach eine Veränderung dieser ineinander möglich wr
erklärt Avicenna1), dass die Metalle sich der Gattung
unterscheiden und dass ihre specifischen, von Gott ersch
nen Difierenzen daher nicht durch chemische Operation!
veränderbar sind. Dem hält dann ein anderer hervorrag
der Alchemist Togair entgegen, dass die Aufgabe
Alchemie es gar nicht sei, den Metallen diese Differenzen
ertheilen, sondern sie nur in der Weise zu verändern, dass
befähigt werden, dieselben aufzunehmen; was durch Vermit
lung des Elixirs geschieht. Ausser Avicenna hat sich au
AI Kindi, sein grosser Vorgänger, gegen die Alchemie ai
gesprochen ; wir kennen wenigstens die Titel folgender Sehrt
ten: Offenbarung der Betrügereien der Alchemisten und ü"
die Falschheit der Behauptungen der Alchemisten, die
als sicher hinstellen und über ihre Betrügereien.
1) Durch diese Nachricht wird auch wohl definitiv bewiesen, d
das lateinisch erhaltene alchemistische Werk, de anima, nur pseudepig
Ehisch ist. Die handschriftlich erhaltenen und Avicenna zugesd
enen arabischen Abhandlungen de anima, behandeln, wie sich schon
den Kapitelüberschriften ergibt, rein philosophische Fragen.
Druck von Metzger 1 Wittig in Leipzig.
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1881. ANN ALEN .«11.
DER PHYSIK UND CHEMIE.
NEUE FOLGE. BAND XIV.
I. Bemerkungen über die Klangfarbe;
van Dr. Rudolph Kaenig in Paris.
I) Harmonische Töne und Theiltöne.
Unter den Tönen, in welche sich die von einem vibri-
renden Körper ausgehende Klangmasse zerlegen lässt, muss
man die harmonischen Töne und die Theiltöne unterschei-
den. Letztere entstehen dadurch, dass der Körper gleich-
zeitig mehrere Schwingungsarten ausführt, welche verschie-
denen Tönen zukommen, die er auch einzeln hervorzurufen
im Stande ist, während die harmonischen Töne ihren Ur-
sprung in der Zerlegung der von der Pendelbewegung ab-
weichenden Schwingungsform des Körpers bei einem ein-
zigen Schwingungsmodus in einfache Pendelbewegungen haben.
Diese Theiltöne und harmonischen Töne unterscheiden sich
ihrer Natur nach voneinander dadurch, dass die letzteren
die harmonischen Schwingungszahlen stets in absoluter Rein-
heit geben, die Schwingungszahlen der Theiltöne dagegen in
Wirklichkeit sich immer nur mehr oder weniger den ihnen
theoretisch zukommenden Werthen nähern, und dieser Unter-
schied in der Natur beider Gattungen von Tönen lässt sich
bei allen tönenden Körpern nachweisen, ihre Theiltöne mögen
unharmonisch sein oder theoretisch mit Tönen der harmo-
nischen Reihe zusammenfallen.
Von der absoluten Reinheit der harmonischen Intervalle
der Töne, welche die Klänge solcher Körper bilden, die
keine Theiltöne hervorbringen, wie z. B. der durchschlagen-
den Zungen, überzeugt man sich, indem man zwei Unisono-
grundtöne um eine Schwebung verstimmt und dann die Schwe-
bungen der Obertöne zählt; man constatirt dann, dass die
letzteren in der That genau im Verhältniss der Ordnungs-
Ann, d. Phjt. n. Ctaem. N. F. XIV. 24
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370
R. Koenig.
zahlen dieser Töne an Frequenz zunehmen, und beobachtet
man harmonische Töne gleicher Ordnung beim Zusammen-
klange zweier Unisonogrundtöne mit reiner Stimmung, so
findet man diese auch wieder immer im reinen Einklänge
miteinander; wendet man diese Beobachtungsmethode jedoch
bei Theiltönen an, so lässt sie in allen Fällen die erwähnten
Abweichungen derselben von den ihnen theoretisch zukom-
menden Werthen erkennen.
Beispiele für unharmonische Theiltöne findet man bei
Stimmgabeln und bei Platten, und bei beiden bemerkt man
stets, dass die Theiltöne weder mit dem Grundtone, noch
untereinander in einem ganz festen Verhältniss stehen, denn
die Theiltöne gleicher Ordnung bei zwei Stimmgabeln, deren
Grundtöne im reinen Einklänge sind, lassen immer mehr
oder weniger schnelle Stösse hören, und hat man die Töne
zweier Platten für dieselbe Klangfigur genau im Unisono ge-
stimmt, so findet man die Töne derselben für andere Klang-
figuren auch wieder nicht mehr im reinen Einklänge.
Theiltöne, welche theoretisch mit harmonischen Tönen
zusammenfallen, findet man zuerst bei Orgelpfeifen; aber
sowohl bei den offenen wie bei den gedackten Pfeifen wei-
chen sie beträchtlich von den harmonischen Schwingungs-
zahlen ab, indem sie eine mit den Ordnungszahlen der Ober-
töne progressiv zunehmende Erhöhung über die Töne der
harmonischen Reihe erkennen lassen. Schon Wertheim
bemerkte, dass man bei der Bestimmung des Grundtones
einer Pfeife durch einen ihrer Obertöne immer eine um so
grössere Schwingungszahl für diesen erhielte, als man einen
höheren Oberton anwendete, und ich selbst fand bei einer
offenen Pfeife von 2,33 m Länge und 0,12 m Breite und Tiefe,
dass die Erhöhung des achten Theiltones über den achten har-
monischen Ton schon beinahe eine ganze Secunde erreichte,
sodass er fast mit dem neunten harmonischen Tone zusammenfiel.
Ferner fallen auch die Theiltöne der Saiten theoretisch
mit den harmonischen zusammen, und auch bei diesen lassen
sich Abweichungen von der absoluten Reinheit der Inter-
valle wahrnehmen, welche bei langen, dünnen Metallsaiten
allerdings nur sehr gering, und auch ziemlich schwer direct
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R. Koenig.
371
zu beobachten sind. Die Saite durchläuft nämlich fast
immer, wenn sie nach der Erregung sich selbst überlassen
bleibt, die Bahn einer Ellipse, wodurch Variationen in der
Intensität des Tones erzeugt werden, welche die Bestimmung
sehr kleiner Tonunterschiede vermittelst der Stösse von
Hülfsgabeln fast unmöglich machen, wie auch durch diese
Form der Bewegung Beobachtungen mit dem Vibrations-
mikroskop sehr erschwert werden. Die Verhältnisse ändern
sich jedoch sofort, wenn man mit Saiten zu thun hat, welche
den theoretischen Bedingungen einer idealen Saite weniger
gut entsprechen, wie dieses z. B. bei den Darmsaiten der
musikalischen Instrumente der Fall ist. Wenn man an einer
1 m langen dünnen Stahlsaite etwa in einem Drittel ihrer
Länge ein Wachskügelchen von nur ungefähr der Grösse
eines Stecknadelkopfes befestigt, reicht diese künstlich be-
wirkte Unregelmässigkeit in ihrer Structur schon hin, die
harmonischen Verhältnisse zwischen ihren Theiltönen be-
trächtlich zu verstimmen, und stimmt man mit dieser Saite
eine andere im Unisono und bringt auf beiden Theiltöne
gleicher Ordnung hervor, so hört man diese deutlich mitein-
ander schlagen, wie man umgekehrt auch, wenn man zwei
Theiltöne gleicher Ordnung im Unisono gestimmt hat, wieder
die Grundtöne nicht mehr im Einklang findet. Die Unregel-
mässigkeiten in der Form sowohl als auch in der Dichtig-
keit der Materie, welche man bei den Darmsaiten vorfindet,
sind aber immer weit beträchtlicher, als diese an der Stahl-
saite künstlich bewirkte Abweichung von den normalen V er-
hältnissen, da zwischen den Tönen der beiden Hälften einer
Violinsaite oft Unterschiede von einem halben bis zu einem
ganzen Tone stattfinden, und man wird daher unbedingt an-
nehmen können, dass im allgemeinen bei den Darmsaiten
der musikalischen Instrumente die Theiltöne immer merklich
von der Reinheit der harmonischen Intervalle abweichen.
Wenn der Grundton einer solchen Saite von einem ihrer
Theiltöne begleitet ist, so wird also die Form ihrer Schwin-
gungen eine beständige Umwandlung erfahren müssen, und
dieses nimmt man in der That wahr , wenn man in
einem solchen Falle die Bewegung der Saite direct auf-
24*
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372
Ä. Koenig.
zeichnet. Eine solche Aufzeichnung ist in Fig. I wieder-
gegeben. Sie wurde mit einer Stahlsaite erhalten, in der
zugleich der Grundton und die Octave erregt waren, welche
Töne hier nur sehr wenig von der absoluten Reinheit des
Figur L
Intervalles abwichen, jedoch schon in hinreichender Weise,
um den allmählichen Wechsel der Phasendifferenz zwischen
beiden deutlich zu zeigen. Um die lange Linie, welche
diese Aufzeichnung bildete, bequemer in den Text einschal-
ten zu können, ist sie in der Figur in fünf übereinander
disponirten Stücken dargestellt worden. Weitere Beispiele
für die allmähliche Umwandlung der Schwingungsform bei
Saiten, die zwei oder mehrere ihrer Eigentöne zugleich
geben, finden sich auch unter den zahlreichen Aufzeichnungen
der Schwingungsbewegungen gestrichener Saiten, welche Cl.
Neumann veröffentlicht hat.1)
Wenn aber, wie alle diese Tonschriften zeigen, bei
Saiten, welche die Bedingungen einer idealen Saite nicht ge-
nügend erfüllen, das gleichzeitige Auftreten des Grundtones
und eines oder mehrerer Theiltöne Schwingungsbewegungen
hervorruft, welche sich beständig transformiren, so geht hier-
aus auch hervor, dass, wenn die aufeinander folgenden Schwin-
gungen solcher Saiten keine Veränderungen zeigen, aber
ihre Formen von der Sinuscurve abweichen, diese Abwei-
chung nicht eine Folge der Coexistenz einer Reihe von
l) Cl. Neumann, Wien. Ber. 20. Jan. 1870. Taf. I Fig. 1—4.
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B. Koenig.
373
T heil tönen sein kann, sondern dass die Saite in solchem
Falle in ihrer ganzen Länge ohne Unterabtheilungen schwingt.
Im allgemeinen pflegt die Abweichung der Schwingungen
eines Körpers, während er nur einen seiner Eigentöne gibt,
von der einfachen Pendelbewegung um so grösser zu sein,
und sein Klang somit auch aus um so zahlreicheren und
stärkeren harmonischen Tönen zu bestehen, als die Ampli-
tuden seiner Vibrationen im Verhältniss zu seinem Quer-
schnitt beträchtlicher sind. So kann man die harmonischen
Töne bei Stimmgabeln nur wahrnehmen, wenn diese lange
und dünne Zinken haben und mit verhältnissmässig weiten
Amplituden schwingen, während bei dickarmigen, kurzen
Stimmgabeln sie so schwach werden, dass sie sich gar nicht
mehr nachweisen lassen. Bei Saiten, wo im Verhältniss zu
ihrem Durchmesser die Schwingungen gewöhnlich eine be-
trächtliche Weite haben, und wenn sie gestrichen werden,
auch die Wirkung des Bogens in ihnen eine von der Pendel-
bewegung sehr abweichende Schwingungsform erzeugt, ist es
daher nicht auffallend, dass man fast immer in ihrem Klange
zahlreiche und starke harmonische Töne hören kann, welche
mit den Theiltönen ebenso wenig zu thun haben als die
starken harmonischen Töne, welche man im Klange der
durchschlagenden Zunge bemerkt, von irgend welchen Unter-
abtheilungen der Zungen herrühren. Hiermit ist natürlich
nicht gesagt, dass die Schwingungen der Theiltöne nicht
auch wirklich die Schwingungen des Grundtons bei Saiten
begleiten und somit einen beträchtlichen Bestandtheil ihres
Klanges bilden können, und bei der ausserordentlichen Leich-
tigkeit, mit welcher besonders lange Saiten in Schwingungen
mit Unterabtheilungen gerathen, wird dieses sogar sehr oft,
vornehmlich wenn die Saiten durch Anschlagen oder Reissen
erregt werden, der Fall sein, doch zeigen obige Betrach-
tungen, dass man eben diese Töne nicht mit den harmoni-
schen, welche aus der Zerlegung in einfache Pendelbewe-
gungen der nur einem Eigenton der Saite zukommenden
Schwingungen entstehen, verwechseln müsse, wie es gewöhn-
lich gethan wird.
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374
R. Koenig.
»
2) Einfluss der Phasendifferenz der harmonischen Töne auf
die Klangfarbe.
Würden Klangfarben nur durch den Zusammenklang
von Theiltönen eines vibrirenden Körpers hervorgebracht
werden, so hätte man bei ihnen nach dem Einfluss der
Phasendifferenz nicht weiter zu fragen, da das charakteristi-
sche eines solchen Tongemisches gerade in dem beständigen
Wechsel der Phasendifferenz der einzelnen Töne untereinan-
der bestehen möchte. Da jedoch die harmonischen Töne,
in welche sich die von einfachen Pendelbewegungen abwei-
chenden Einzelschwingungen zerlegen lassen, durchaus reine
Intervalle bilden, so ist die Lage nach dem Einfluss der
Phasendifferenz bei diesen Klängen bekanntlich darum von
der grössten Wichtigkeit, weil, je nachdem ein solcher Ein-
fluss stattfindet oder nicht, die vor den Untersuchungen von
Helmholtz über diesen Gegenstand gewöhnliche Annahme,
dass die Klangfarbe von der Form der Schwingungen ab-
hänge, beizubehalten ist, oder dahin abgeändert werden muss,
wie Helmholtz es gethan, dass dieselbe Klangfarbe sehr
verschiedenen Formen entsprechen kann, wenn nur diese
Formen, in einfache pendelartige Schwingungen zerlegt, die
gleichen Töne in gleicher Stärke geben.
Schon beim Zusammenklange zweier Unisonotöne, bei
denen der Einfluss der Phasendifferenz so bedeutend ist, dass
durch ihn die ganze Tonmasse zerstört werden kann, hat
man bekanntlich besondere, sorgfältig hergerichtete Dispo-
sitionen nöthig, um die Interferenzerscheinungen deutlich
hervortreten zu lassen, und wollte man dieselben untersu-
chen, während man eine grössere Anzahl Unisonotöne, also
etwa acht Unisonostimmgabeln zusammenklingen Hesse, so
würde man sehr wenig deutliche Resultate erhalten. Unter-
suchungen über den Einfluss der Phasendifferenz beim Zu-
sammenklange einer ganzen Reihe von harmonischen Tönen
werden daher noch mehr erfordern, unter den günstigsten
Verhältnissen angestellt zu werden, bei denen es möglich
ist, die passendsten Fälle der Phasendifferenz zu beobachten,
wenn man diesen Einfluss zur deutlichen Erscheinung bringen
will. Es ist ferner zu bemerken, dass man die zu unter-
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R. Koenig.
375
suchenden Klangfarben, wenn sie nur wenig von einander
verschieden sind, eigentlich immer gleich für eine ganze
Reihe von Grundtönen, statt nur für einen einzigen her-
stellen müsste, wenn das Ohr dieselben einigermassen gut
soll beurtheilen können, denn die Fähigkeit des Ohres, kleine
Unterschiede in der Klangfarbe wahrzunehmen, existirt mei-
stens nur für den Fall, dass diese Klangfarben von ihm an
den Tönen einer ganzen Melodie vernommen werden. Spielt
man z. B. eine Melodie in ganz gleicher Weise auf zwei an
Güte sehr verschiedenen Geigen, so ist der Unterschied höchst
fühlbar, während man ihn bei Angabe nur eines Tones auf
denselben beiden Instrumenten oft kaum bemerken kann,
und ebenso erscheinen die Unterschiede in der Klangfarbe
von Orgelpfeifen, welche alle auf denselben Ton gestimmt
sind, aber verschiedenen Registern der Orgel angehören, oft
äusserst gering, während diese Register bei der Ausführung
von Musikstücken einen sehr merklich verschiedenen Cha-
rakter haben. Es findet hier in der Beurtheilung der Klang-
farbe also etwas Aehnliches statt, wie bei der Beurtheilung
der Tonhöhe schnell verklingender Töne, etwa der Töne der
bekannten Holzbrettchen, welche, der Reihe nach auf den
Fussboden geworfen, ganz deutlich die Tonleiter hören lassen, .
während schon ein besonders gut geübtes Ohr dazu gehört,
die Tonhöhe eines einzelnen Brettchens zu erkennen.
Dass die Phasendifferenz zwischen den harmonischen
Tönen überhaupt einen Einfluss auf die Klangfarbe haben
müsse, dafür spricht schon die blosse Thatsache, dass ge-
störte harmonische Intervalle Stösse hören lassen, ganz ab-
gesehen davon, welchen Ursprung man diesen zuschreiben
mag. In der That, während der Schwebungen eines harmo-
nischen Intervalles empfängt das Ohr einen periodisch wech-
selnden Eindruck, und ein solcher kann beim Zusammenklange
zweier harmonischer Töne, die nie einen Stosston erzeugen,
nur dadurch hervorgerufen werden, dass entweder beide Töne
zugleich an Intensität periodisch zu- und abnehmen, dass sie
dieses abwechselnd thun, oder dass nur einer der beiden
Töne allein periodisch seine Intensität wechselt. In den
letzten beiden Fällen würde also dass Intensitätsverhältniss
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376
R. Koenig.
zwischen beiden Tönen, und folglich auch die Klangfarbe,
während einer Schwebung zugleich mit der Phasendifferenz
beständig verändert werden, und wäre es ein gleichmässiges
Anschwellen und Abnehmen beider Töne, welches die Pe-
riodicität des Eindruckes bedingte, so möchte allerdings die
Klangfarbe, so lange sie nur aus diesen beiden Tönen be-
stände, während der ganzen Dauer der Schwebung dieselbe
bleiben, sie würde aber dann wieder sofort Umwandlungen
erleiden, wenn zu diesen beiden Tönen noch ein anderer
hinzuträte, dessen Intensität, während sie Schwebungen aus-
führten, unverändert bliebe. Helmhol tz nennt zwar den
während einer Schwebung zwischen zwei nicht ganz rein in
der Octave gestimmten Tönen erzeugten Wechsel in der
Klangfarbe eine nur „scheinbare Ausnahme"1) von der von
ihm aufgestellten Regel, dass die Phasendifferenz ohne Ein-
flus8 auf die Klangfarbe sei, weil sich „dieser Wechsel auf
Veränderung der Tonstärke eines der Töne zurückfuhren
lasse", wenn jedoch die Klangfarbe gerade durch die har-
monischen Töne und ihre relative Intensität bedingt werden
soll, und dieses Intensitätsverhältniss durch den Phasenunter-
schied wirklich geändert wird, so ist auch ihr Einfluss auf
die Klangfarbe natürlich ein thatsächlicher und nicht nur
ein scheinbarer. Es kann hiernach also die Frage nicht
mehr sein, ob die Phasendifferenz der harmonischen Töne
überhaupt einen Einfluss auf die Klangfarbe äussere, sondern
nur noch, wie gross derselbe unter verschiedenen Umständen
sein könne, und wie viel das Ohr davon wahrzunehmen im
Stande ist.
Die Anwendung von Stimmgabeln mit Resonanzröhren
für diese Experimente ist mit grossen Schwierigkeiten ver-
bunden, da es selbst mit Hülfe der von Helmholtz gege-
benen Regel3) schwer ist, eine sichere Schätzung der Phasen-
differenz der Töne zu machen, welche man durch die Ver-
stimmung der Resonanzröhren hervorruft. Es liegt nämlich
dieser Regel die Voraussetzung zu Grunde, dass die Be-
1) Helmholtz, Tonempfindungen 4. p. 207. 1877.
2) 1. c. p. 202.
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R. Koenig
377
wegung der Stimmgabeln selbst immer durchaus ohne Pha-
sendifferenz stattfindet und auch nicht durch die Resonanz- »
röhren beeinflusst wird, was man jedoch nicht unbedingt
annehmen kann. Die Experimente, welche ich hierüber an-
gestellt habe, waren nicht ausgedehnt genug, um das allgemeine
Gesetz des Verhaltens einer electrisch bewegten Gabel unter
dem Einflüsse eines mehr oder weniger verstimmten Reso-
nators so vollständig erkennen zu lassen, als frühere von
mir angestellte Versuche die Einwirkung einer resonirenden
Luftmasse auf eine freischwingende Gabel gezeigt hatten,
sie reichten jedoch aus, im allgemeinen die Existenz einer
solchen Einwirkung darzuthun, wie folgendes Beispiel zeigt.
Stimmte eine electrische Gabel c (ttf3), während sie
durch ein freischwingendes Vibrationsmikroskop c (ut2), beob-
achtet wurde, in der absolut reinen Octave mit diesem, wenn
die dicht hinter ihr disponirte Resonanzröhre geschlossen
war, und wurde diese dann geöffnet, so verringerte sich die
Amplitude ihrer Schwingungen plötzlich fast um die Hälfte,
und zugleich begann die optische Figur sich zu bewegen,
und zwar ziemlich schnell, sodass sie eine halbe Drehung
schon in etwa sechs Secunden ausführte, dann immer lang-
samer, bis sie nach 20 Secunden ungefähr drei Viertel einer
Drehung erreicht hatte, worauf sie schliesslich wieder zur
Ruhe gelangte. Wurde die Resonanzröhre darauf von neuem
geschlossen, so nahmen die Schwingungen der Gabel wieder
ihre frühere Amplitude an, ohne dass aber dabei eine ähnliche
Drehung der Figur, etwa in entgegengesetzter Richtung, als
die vorher beobachtete, bemerkt wurde.
Es läge nun der Gedanke nahe, die Töne der Stimm-
gabeln ohne Resonatoren direct durch gleichlange Röhren-
leitungen zum Ohre zu führen und dann beliebige Phasen-
differenzen durch passende Verlängerungen dieser Leitungen
herzustellen, wie bei dem bekannten Interferenzapparate;
doch abgesehen davon, dass auch diese Röhren unter Um-
ständen wie Resonatoren wirken könnten, empfängt das Ohr
am Ende einer solchen Leitung nicht Fortpflanzungswellen,
die an ihm vorüberziehen, sondern es bilden sich in der
Röhre immer, wenn ihre Länge gleich einer ungeraden Anzahl
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R. Koenig.
Viertelwellen ist, stehende Wellen, und das Ohr befindet sich
dann in einem Knoten derselben, sodass derselbe Ton in
diesen Fällen ausserordentlich viel stärker vernommen wird,
als bei den Zwischenstellungen der Auszugsröhre, und man
also eine Leitungsröhre nie verlängern kann, ohne auch die
Intensität des beobachteten Tones zu verändern. — Um sich
hiervon zu überzeugen, hat man nur eine Stimmgabel TT vor
einem Ende der ausziehbaren Röhre des schon erwähnten
Interferenzapparates zu disponiren und das andere Ende
durch einen Kautschukschlauch mit dem Ohre zu verbinden;
verlängert man dann die Leitung, so hört man die Stellen
grösster Intensität sehr deutlich und sieht, dass die Ver-
längerung von einer zur anderen etwa 0,32 m beträgt.
Aus diesen Gründen ist bei Untersuchungen über den
Einfluss der Phasendifferenz der Obertöne auf die Klang-
farbe, der Anwendung von Reihen electrisch bewegter Stimm-
gabeln in Verbindung mit Resonatoren oder Leitungsröhren
die von Wellensirenen bei weitem vorzuziehen.
Bei der Wellensirene wird, wie ich dieses schon in einer
früheren Arbeit1) beschrieben habe, eine bestimmte Schwin-
gungsbewegung in der Luft dadurch erzeugt, dass eine diese
Bewegung darstellende Curve, welche am Rande eines Me-
tallstreifens ausgeschnitten ist, vor einer schmalen Windspalte
vorbeigleitet und diese somit nach ihrem Gesetze periodisch
verkürzt und verlängert, man kann also einen aus bestimm-
ten harmonischen Tönen bestehenden Klang entweder da-
durch erzeugen, dass man die Composition der diesen har-
monischen Tönen zukommenden Wellenlinien ausfuhrt und
gegen die auf solche Weise entstandene Wellencurve durch
die Windspalte bläst, oder indem man gleichzeitig jeden der
harmonischen Töne gesondert für sich durch Anblasen ein-
facher, ihren Schwingungszahlen zukommender Sinuscurven
hervorruft.
Bei sämmtlichen Wellenlinien, welche ich für die Unter-
suchungen vermittelst der ersten Methode construirte, betrug
die Länge der Sinusoide des Grundtones 0,84 m, und die
^ R. Koenig, Wied. Ann. 12. p. 335. 1881.
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R. Koenig.
379
aus der Composition der verschiedenen harmonischen Wellen-
linien erhaltenen Curven wurden photographisch auf die für
die Experimente passende Grösse reducirt. Diese Curven,
an den Rändern von Messingstreifen ausgeschnitten, die um
Räder befestigt waren, rotirten vor Windspalten, die mit
einem sehr grossen Luftreservoir in Verbindung standen und
durch Tasten beliebig geöffnet oder geschlossen werden
konnten.
In Fig. II, III und IV enthält jede Horizontallinie in
verjüngtem Maassstabe vier Wellencurven, wie sie aus der
Composition derselben harmonischen Sinuscurven entstehen,
wenn diese alle mit ihren Anfangspunkten, einem Viertel,
der Hälfte, und drei Viertel ihrer Wellenlänge zusammen-
fallen, welche Fälle ich im Folgenden immer kurz mit Pha-
sendifferenz 0, J, | und | bezeichnen werde. Unter jeder
Wellenlinie sind die harmonischen Töne nebst ihren Inten-
sitäten (J) verzeichnet, welche den Sinuscurven entsprechen,
aus deren Composition sie entstanden ist. In Fig. III c, dr
bedeutet H die absolute Höhe der componirten Sinuscurven.
Alle Curven mussten natürlich immer in der Weise in die
Ränder der Metallstreifen eingeschnitten werden, dass ihre
Wellenberge in diese wie Thäler einschnitten, und ihre Wellen-
thäler wie Berge stehen blieben, denn es sind die Einschnitte,
welche die Windspalten öffnen und somit die Intensitäts-
maxima der Luftwellen erzeugen, während die vorstehenden
Spitzen sie verkürzen und somit die Minima bilden. Gibt
man hierauf nicht Acht, so kann man sich leicht in der
Phasendifferenz um eine halbe Doppelschwingung irren und
also z. B. eine Composition harmonischer Sinuscurven mit
der Phasendifferenz \ für die Composition mit der Phasen-
differenz J halten.
Lässt man vorerst den Grundton nur von seiner Octave
gleicher Intensität begleiten, so erhält man bei der Phasen-
differenz \ den stärksten, und bei der Phasendifferenz \ den
schwächsten Klang, während die Klänge bei den Phasen-
differenzen 0 und j zwischen beiden stehen.
Beim Zusammenklange der ersten acht harmonischen
Töne von gleicher Intensität, Fig. II a, sind die Unterschiede
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380
R. Koenig.
in der Intensität und der Klangfarbe bei den verschiedenen
Phasendifferenzen noch weit beträchtlicher. Die ganze Klang-
masse ist am lautesten und schärfsten bei der Phasendif-
ferenz {, am schwächsten und sanftesten bei der von j. Zwi-
schen beiden stehen wieder die Klänge mit den Phasendif-
ferenzen 0 und }.
Figur II.
Beim Zusammenklang der Töne 1, 3, 5, 7 gleicher In-
tensität, Fig. 11^, ist die Wellenform bei den Phasenunter-
schieden 0 und J dieselbe, und ebenso die bei den Phasen-
differenzen von { und f. Letztere gibt einen starken, näseln-
den Klang, wogegen bei den Phasendifferenzen 0 und J der
Klang äusserst schwach wird, weicher und weniger näseln«!
erscheint.
Es ist natürlich sehr schwer, eine genaue, deutliche Be-
schreibung solcher Klangunterschiede zu geben, doch kann
man sich mitunter dadurch helfen, dass man die betreffenden
Klänge für denselben Grundton mit Vocalen vergleicht, mit
denen man ihre Aehnlichkeit leicht auffindet, wenn man si
nachzusingen versucht. So Hess sich die aus dem Zusammen-
klang der vier ungeradzahligen harmonischen Töne ent-
stehende Klangfarbe bei einer gewissen Höhe des Grund-
tones sehr gut mit einem ae vergleichen, welches, wenn keine
Phasendifferenz zwischen den Tönen stattfand, mehr nach
dem e hinneigte, während beim Zusammenfallen aller Viertel-
wellen in diesem ae das a mehr hervortretend war.
k
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R. Koenig.
381
0
t
Klangfarben, wie die bisher untersuchten, bei denen alle
harmonischen Töne gleiche Intensität mit dem Grundtone
haben, dürften in Wirklichkeit wohl kaum von irgend einem
tönenden Körper direct erzeugt werden, und hat man solche
Klänge für musikalische Zwecke nöthig, so erzeugt man sie
daher dadurch, dass man eine ganze Reihe einzeln hervor-
gebrachter harmonischer Töne zugleich erklingen lässt, wie
n den Mixturen der Orgel, sie sind daher nicht Klang-
farben im eigentlichen Sinne des Wortes und eher Zusam-
menklänge zu nennen. Sehr häutig werden dagegen Klänge
von vibrirenden Körpern direct hervorgebracht, bei denen
die Intensität der harmonischen Töne nach einem bestimm-
en Gesetze regelmässig abnimmt, so z. B. von Zungenpfeifen
ohne Ansatzröhren, von Saiten, die nur mit einem ihrer
Eigentöne schwingen, und von sehr dünnarmigen, langen
Stimmgabeln.
Figur III.
Die Curven, welche aus der Composition der Sinusoiden
entstehen, die einer solchen Reihe von Tönen mit regel-
mässig abnehmender Intensität entsprechen, gehen immer
Di
382
R. Koenig.
schliesslich in eine sehr einfache, continuirlich auf- und ab-
steigende Wellenlinie über. Bei der Grösse, in welcher ich
meine Curven ausführte, musste ich, im Falle die Intensität
der harmonischen Töne im umgekehrten Verhältniss ihrer
Ordnungszahlen angenommen wurde, Fig. III«, in der Con-
struction bis zum elften Tone gehen, um dieser einfachen
Form praktisch so nahe als möglich zu kommen; verringerte
ich jedoch die Intensität der harmonischen Töne von einein
zum anderen immer um die Hälfte, so wurde die einfache
Form praktisch schon beim sechsten Tone erreicht. Die
Curve, welche aus dieser letzten Composition entstand, habe
ich in Fig. III nicht gegeben, da sie so wenig von der vor-
hergehenden, Fig. III a verschieden ist, dass bei dem kleinen
Maassstabe der Unterschied kaum zu bemerken gewesen sein
würde.
Auch diese beiden Klänge mit harmonischen Tönen von
regelmässig abnehmender Intensität hatten wie die Zusam-
menklänge harmonischer Töne von gleicher Stärke die lau-
teste und schärfste Färbung bei der Phasendifi'erenz J und
die schwächste und sanfteste bei der Phasendifferenz |, wäh-
rend die Klangfarben der Phasendifferenzen 0 und \ sowohl
in Bezug auf die Stärke als auch auf die Schärfe zwischen
beiden standen.
Mit den Wellencurven, Fig. III c, welche aus der Com-
position einer Reihe von acht harmonischen Wellen entstan-
den sind, deren absolute Höhe sich immer von einer zur
anderen um die Hälfte verringert, erhält man wieder ganz
ähnliche Resultate wie mit den Curven Fig. III«, d. h. die
Phasendifferenz \ erzeugt den stärksten, schärfsten, und die
Phasendifferenz f den schwächsten, weichsten Klang.
Die zwei allein aus ungeraden harmonischen Tönen zu-
sammengesetzten Klänge, Fig. Ulb und d, sind bei der
Phasendifferenz \ und j beide stärker und schärfer als bei
der Phasendifferenz 0 und J.
Fiine dritte Klasse bilden die Klänge, bei welchen die
harmonischen Töne nicht regelmässig an Stärke abnehmen,
sondern abwechselnd bald schwächer, bald stärker sind. Sie
vwerden gewöhnlich nicht von den vibrirenden Körpern direct
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R. Koenig.
383
hervorgebracht, sondern dadurch, dass einzelne Töne der
durch einen vibrirenden Körper erzeugten, an Intensität
regelmässig abnehmenden harmonischen Reihe durch die
Resonanz anderer Körper verstärkt werden, wie dieses bei
Zungenpfeifen der Fall ist, über denen Schallröhren befestigt
sind, oder bei der menschlichen Stimme, die, im Kehlkopfe
Figur IV.
erzeugt, durch die Resonanz der Luftmasse in der Mundhöhle
modificirt wird. Dieser Art von Klängen entsprechen die
Ourven Fig. IV a, b und c, bei deren Construction ich für
die harmonischen Töne die Intensitäten angenommen hatte,
welche sie nach Auerbach bei den Vocalklängen Ou, (K
A mit dem Grundtone c (ut2) haben sollen, nämlich für On,
Fig. IV a, indem die Intensität der ganzen Tonmasse gleich
100 gesetzt wird, 1 =27, 2 = 25, 3 = 14, 4 = 22, 5 = 7, 6 = 4,
7 = 1; für 0, Fig. IV b, 1 = 9, 2=16, 3 = 36, 4 = 14, 5=12,
6 = 9, 7 = 4, 8 = 1, und für A, Fig.IVc, 1 = 5, 2 = 7, 3 = 12,
4 = 20, 5=15, 6 = 30, 7 = 7, 8 = 4, 9=1. — Ich untersuchte
diese drei Klänge nur bei den Phasendifferenzen 0 und },
und fand dabei immer die Klänge stärker und schärfer bei
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384
R. Koenig.
der Phasendifferenz J, als bei der PhasendifFerenz 0, doch
war der Unterschied nicht in allen drei Fällen gleich gross,
sondern am bedeutendsten bei Fig. IV« und am geringsten
bei Fig. IV c.
Beiläufig sei übrigens hier erwähnt, dass diese drei
Curven in Bezug auf die Nachahmung der Vocale ungenü-
gende Resultate geben , nur mit Fig. IV c erhielt man bei
kurzer, stossweiser Hervorbringung des Klanges ein erträg-
lich gutes Ay jedoch nicht für den Grundton c, sondern
wenn dieser in die Gegend von / (fa2) und g (sol^) fiel.
Für die Wiederholung dieser Experimente dient am
zweckmässigsten ein Apparat mit drei Radern und sechs
Wellencurven, von denen vier die Composition derselben acht
harmonischen Töne mit den Phasendifferenzen 0, J, } und }
darstellen, und zwei die Composition der ersten vier unge-
raden harmonischen Töne mit den Phasendifferenzen 0 und
}. Man kann dann sowohl den Unterschied in der Klang-
farbe beobachten, welcher allein durch die Phasendifferenz
bedingt wird, wie auch zwei aus verschiedenen harmonischen
Tönen bestehende Klänge miteinander vergleichen. Die sechs
Röhren mit den Windspalten zum Anblasen der Curven
sind auf einer gemeinsamen Windlade über Schiebern be-
festigt, welche gestatten, sie nach Belieben zu öffnen und zu
schliessen, und es ist unnöthig, für diese Windlade die
grossen Dimensionen beizubehalten, welche ihr für die Unter-
suchungen gegeben waren.
Wie man aus den Figuren II, III und IV ersieht, ent-
stehen aus der Composition einer Reihe harmonischer Sinus-
curven in den Wellenlinien oft grosse Steilheiten, und man
könnte daher geneigt sein, auf Grund dieses Umstände s an-
zunehmen, dass die Form der Luftwellen, wie sie durch die
hier angewendete Methode erzeugt wurden, nur wenig den
Curven entsprach, gegen welche man die Windspalte richtete.
Da jedoch die Wellenstreifen keineswegs so dicht vor den
Windspalten rotiren, dass sie in Wirklichkeit den Ausfluss
der Luft aus diesen hindern könnten, selbst in den Augen-
blicken, in denen sie mit ihren höchsten Wellenbergen vor
ihnen vorübergehen, so dürften die etwaigen Druckverände-
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R. Koenig.
385
rungen in der Luftmasse der Windlade wohl praktisch zu
vernachlässigen sein, ganz fällt aber dieser Einwand gegen
die Genauigkeit der Methode fort, wenn man die Klänge,
welche man den Untersuchungen unterwirft, aus einzeln her-
vorgebrachten harmonischen einfachen Tönen bildet, die durch
das Anblasen von Sinuscurven erzeugt werden.
Der erste Apparat, welchen ich nach diesem Principe
mit sechszehn einfachen Tönen für Untersuchungen über die
Klangfarbe in den Jahren 1867 und 1868 construirte, war
bestimmt, durch ein Uhrwerk getrieben zu werden, und es
musste daher der rotirende Theil, der in einem Cylinder-
mantel bestand, in welchem sich die Oetinungen befanden,
deren Ränder aus Sinuscurven gebildet waren, möglichst
leicht, also in Aluminium ausgeführt werden. Bei dem neuen
Apparate ist diese Leichtigkeit einer grösseren Solidität ge-
opfert worden. Er ist in Fig. V ohne das Fussgestell mit dem
Schwungrade, der Kurbel und dem Pedal dargestellt.
Die Sinuscurven, welche die ersten sechszehn harmoni-
schen Töne darstellen, sind an den Rändern von sechszehn
Messingringen ausgeschnitten, deren Diameter vom ersten bis
zum letzten progressiv grösser werden, und welche in einer
gewissen Entfernung hintereinander auf einem stufenförmigen
Kegel von Gusseisen befestigt sind, der auf einer Axe sitzt.
Beim Rotiren gehen diese Sinuscurven an Windspalten vor-
über, durch welche sie angeblasen werden. Es entstehen
hierdurch einfache Töne, so lange die Spalten sich in ihrer
ursprünglichen Lage, d. h. in der Richtung des Radius be-
finden, oder Klänge, bei denen die Grundtöne von einer
Reihe regelmässig an Intensität abnehmender harmonischer
Töne begleitet sind, wenn man diesen Spalten eine schräge
Stellung gibt.
Die Windröhren sind auf einer Platte montirt, auf wel-
cher sie in concentrirten Spalten verschoben werden können,
um die Herstellung beliebiger PhasenditFerenzen zwischen
den einzelnen Tönen zu gestatten. Diese Verschiebungen
werden vermittelst kammartig ausgeschnittener Platten be-
wirkt, welche man auf einem um die Axe des Apparates
drehbaren Hebelarme befestigt, und gegen deren Zähne die
Ann. d. Phys. u. Chem. N. F. XIV. 25
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386
R. Koenig.
Windröhren durch Kautschukbänder gedrückt werden. Be-
wegt man diesen Hebelarm aufwärts bis zu einer bestimmten
Höhe, so hebt man dabei sämmtliche Windspalten in die
durch die Form des Kammes vorher bestimmte Lage.
Figur V.
Die Windröhren stehen durch Kautschukschläuche, welche
ihre Verschiebungen nicht hindern, mit einer Windlade in
Verbindung, und der Wind, welcher durch Niederdrücken
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R. Koch«!
387
der Tasten in die Köhren getrieben wird, geht auf seinem
Wege in der Windlade durch Löcher, die man durch Schie-
ber mehr oder weniger schliessen kann, um somit seine In-
tensität und also auch die der Töne beliebig zu reguliren.
Um dem Grundtone mehr Kraft zu geben, der, durch eine
einzige Spalte angeblasen, wegen seiner Tiefe verhältnissmässig
nur schwach ist, kann man den Wind gegen seine Sinus-
curven nicht allein durch eine Windspalte blasen lassen,
welche wie die aller anderen Töne angeordnet ist, sondern
auch noch durch vier Windröhren, die auf einem gemein-
samen Windkasten stehen, welcher direct durch eine Röhre
mit der Windlade in Verbindung steht.
Man erhält Töne, welche von der Reinheit der harmo-
nischen Intervalle abweichen, um Theiltöne nachzuahmen,
indem man Windröhren auf einem um die Axe des Appa-
rates drehbaren Hebelarme befestigt und diesen in der Rich-
tung der Rotationsbewegung der Sinuscurve bewegt, wenn
man die Töne der Curven, gegen welche man bläst, vertiefen
will, oder ihn eine entgegengesetzte Bewegung machen lässt,
wenn man diese Töne zu erhöhen wünscht.
Der Apparat ist auf einem starken Gestelle von Guss-
eisen montirt und wird durch ein Schwungrad in Bewegung
gesetzt, welches entweder mit der Hand vermittelst einer
Kurbel oder mit dem Fusse durch ein Pedal gedreht wird.
Man fängt damit an, dasselbe erst ganz langsam mit der
Hand in Bewegung zu setzen, worauf man dann die Rota-
tionsgeschwindigkeit allmählich so lange vergrössert, bis die
Töne die gewünschte Höhe erreicht haben. Diese Geschwin-
digkeit kann man dann sehr leicht mit dem Pedal unter-
halten, und es gelingt sogar, sie recht constant zu bewahren,
Dank der beträchtlichen Masse des Kegels von Gusseisen.
Natürlich könnte man auch jede andere Triebkraft anwen-
den, um den Apparat in Bewegung zu setzen.
Fig. VI zeigt die ursprüngliche Disposition der Luft-
spalten auf zwei Radien vor den Sinuscurven der gerad-
zahligen und der ungeradzahligen Töne. Ist der Kegel so
gestellt, dass sich vor der immer unverändert fest blei-
benden Spalte des ersten Tones ein Gipfel der Sinuscurve
25*
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R. Koenig.
befindet, so liegen zugleich auch alle anderen Spalten vor
Wellengipfeln und werden also im selben Augenblicke ge-
schlossen werden, sodass alle ihre Töne mit | ihrer Wellen-
länge zusammenfallen.
O
Figur VI.
Will man die Compressionsmaxima aller Töne zusam-
menfallen lassen, so dreht man zu diesem Zwecke den Kegel,
bis die Spalte des ersten Tones vor einem Wellenthale der
ausgeschnittenen Curve zu stehen kommt; die Spalten der
O
Figur VII.
ungeraden Töne befinden sich dann auch alle vor Wellen-
thälern ihrer Curven und werden also zugleich mit der Spalte
des Grundtones geöffnet, die unverrückten geradzahligen
Spalten befinden sich dagegen im selben Augenblicke vor
Wellengipfeln ihrer Curven und werden folglich geschlossen,
sie müssen also jede um eine halbe Curvenlänge, nach den
punktirten Stellen Fig. VII, verschoben werden. Ist dies
geschehen, so fallen dann alle Töne mit J ihrer Wellenlänge
zusammen.
Sollen alle Töne ohne Phasendifferenz zusammenklingen,
und hat man die erste Spalte vor den Anfangspunkt ihrer
Wellencurve gestellt, so befinden sich von den anderen
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R. Koenig.
389
Spalten nur noch die 5., 9. und 13. von selbst in der ihnen
zukommenden Lage, und alle anderen müssen nach den punk-
tirten Stellen verschoben werden, wie Fig. VIII zeigt, auf
der auch der hierzu dienende Kamm mit dem Hebelarme
dargestellt ist.
Figur
Würde man die Rotationsrichtung der Curven umkeh-
ren, so erhielte man bei derselben Stellung der Spalten den
Zusammenklang der Töne bei der Phasendifferenz J; um
jedoch die Klangfarbe desselben Zusammenklanges bei den
Phasendifferenzen 0 und J bequem vergleichen zu können,
müssen die Spalten sich von der vorhergehenden Disposition
auch noch nach den Fig. IX angezeichneten Stellen ver-
schieben lassen.
Figur IX.
Für die ungeraden Spalten sind diese dieselben wie bei
der Phasendifferenz 0, und es erfordern daher nur die Spal-
ten der geraden Töne eine Verrückung, welche hier für die
Spalten 8, 12 und 16 um die Länge einer ganzen Wellen-
curve grösser angegeben ist, als nöthig gewesen wäre, wenn
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390
R. Koenig,
man sie aus ihrer ursprünglichen Lage nur bis zu den nächst
gelegenen, der erforderten Bedingung entsprechenden Punkten
hätte verschieben wollen. Stellt man aber die Spalten erst
für die Phasendifferenz 0 ein, indem man den Kamm von
Fig. VIII auf der Platte, welche alle Windröhren trägt, be-
festigt, so werden diese ersten Punkte der drei angegebenen
Curven durch ihn verdeckt, und man könnte folglich nicht
vermittelst eines auf dem Hebelarme für die Phasendifferenz
| angebrachten Kammes die betreffenden Spalten an sie hin-
schieben.
Fügt man zu dem Grundton erst nur noch die Octave
hinzu, so ist die Klangmasse am lautesten bei der Phasen-
differenz J, und hat zugleich in ihrem Charakter etwas Tie-
feres, als ob in ihr der Grundton mehr vorherrschend wäre,
sie ist am schwächsten bei der Phasendifferenz f. Achtet
man nur auf die Octave, während man den Wechsel in der
Phasendifferenz ausführt, so scheint dieselbe bei den Phasen-
differenzen { und j ungefähr gleich stark zu sein, jedoch sehr
merklich schwächer zwischen beiden.
Klänge, welche nur aus Tönen der un geradzahligen
harmonischen Reihe bestehen, deren Intensitäten sein möger,
welche sie wollen, sind bei den Phasendifferenzen j und J
immer lauter und schärfer, als bei den Phasendifferenzen 0
und |, lassen jedoch unter sich nicht den geringsten Unter-
schied wahrnehmen, wie auch die Klänge bei 0 und J unter
sich identisch sind. An und für sich ist dieses allerdings
ein selbstverständliches Resultat, da in diesen Fällen die
aus der Composition aller Töne entstehenden Wellencurven
durchaus gleich sind, wie die Figuren II b, III b, d zeigen,
es hat aber hier seine Wichtigkeit als eine Probe für die
Zuverlässigkeit der Leistungen des angewendeten Apparates.
Klänge aus harmonischen Tönen zusammengesetzt, welche
sowohl der gerad-, als der ungeradzahligen Reihe angehö-
ren, sind bei der Phasendifferenz f am schwächsten und bei
der Phasendifferenz \ am stärksten und schärfsten, und dies
stimmt mit den Resultaten überein, die das Anblasen von
Curven ergeben hatte, welche die ganzen Klänge darstellten.
Die Klänge bei den Phasendifferenzen 0 und J, welche
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R. Koenig.
391
in Bezug auf die Intensität , als auch auf die Schärfe zwi-
schen den Klängen mit den Phasendifferenzen j und { liegen,
scheinen untereinander auch nicht ganz gleich zu sein, wie
man dieses eigentlich erwarten sollte, da sie durch dieselbe
Curve dargestellt werden, welche nur nach verschiedenen
Richtungen hegt (Fig. II, III und IV). Bei den Experi-
menten, bei welchen die den ganzen Klang darstellenden
Curven angeblasen wurden, schien mir dieser Unterschied
zweifelhaft zu sein, und was ich davon bemerkte, glaubte ich
irgend welcher Unvollkommenheit des angewendeten Appa-
rates zuschreiben zu können; doch Hessen unter den sehr
zahlreichen, aus einzelnen Tönen zusammengesetzten Klänge,
welche ich beobachtete, beim plötzlichen Phasenwechsel von
0 zu J viele einen recht merklichen Unterschied vernehmen,
welcher nicht einem Fehler des Apparates zugeschrieben
werden konnte; denn entfernte ich aus dem Klange auf ein-
mal alle geraden Töne und wiederholte mit dem neuen, nur
noch aus ungeraden Tönen bestehenden Klange dasselbe
Experiment, so war ein solcher Unterschied nie mehr zu
spüren. Darnach scheint in der That die Wirkung auf das
Ohr eine andere zu sein, wenn in den Luftwellen ein sehr
plötzlich erzeugtes Compressionsmaximum allmählich ab-
nimmt, oder wenn die Compression erst allmählich bis zu
diesem Maximum zunimmt und dann sehr plötzlich wieder
verschwindet.
Dieses Ergebniss hat jedoch nöthig, noch weiter an ver-
schiedenen, in ihrer Composition genau bestimmten Klängen
geprüft zu werden; ganz bestimmt geht dagegen aus allen
vorstehenden Untersuchungen folgendes Gesetz hervor:
Die Composition einer Anzahl harmonischer Töne, welche
sowohl der gerad-, als auch der ungeradzahligen Reihe an-
gehören, erzeugt, ganz unabhängig von der relativen Inten-
sität dieser Töne, immer den stärksten und schärfsten Klang
bei der Phasencoincidenz von } ihrer "Wellenlängen, den
schwächsten und sanftesten bei der Phasencoincidenz von j
ihrer "Wellenlängen, und die Klänge bei den Phasendifferen-
zen 0 und £ stehen sowohl, was ihre Intensität, als auch was
ihre Schärfe anlangt, immer zwischen beiden.
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392
R. Koenig
Die Composition einer Anzahl harmonischer Töne, welche
nur der ungeradzahligen Reihe angehören, gibt bei den Pha-
sendifferenzen J und j einen gleichen Klang, und ebenso
einen gleichen Klang bei den Phasendifferenzen 0 und J, der
Klang bei den Phasendifferenzen } und | ist aber stärker
und schärfer, als der bei den Phasendifferenzen 0 und |.
Wenn demnach auch wirklich die Klangfarbe haupt-
sächlich durch die Anzahl und die relative Intensität der
harmonischen Töne bedingt wird, in welche sie sich zerlegen
lässt, so ist der Einfluss der Phasendifferenz zwischen diesen
harmonischen Tönen auf dieselbe doch keineswegs so gering,
dass er ganz zu vernachlässigen wäre. — Man wird ungefähr
sagen können, wenn der Wechsel in der Anzahl und rela-
tiven Intensität der harmonischen Töne Verschiedenheiten
in der Klangfarbe hervorruft, wie sie an Instrumenten be-
merkt werden können, welche verschiedenen Familien an-
gehören, oder wie sie bei der menschlichen Stimme als ver-
schiedene Vocale gehört werden, so ist doch der Wechsel
in der Phasendifferenz zwischen diesen harmonischen Tönen
noch immer im Stande, mindestens so grosse Unterschiede
in der Klangfarbe hervorzurufen als verschiedene Instrumente
derselben Gattung, und gleiche Vocale, von verschiedenen
Stimmen gesungen, erkennen lassen.
Ich glaube, dass die blosse Beschreibung des Fig. V
dargestellten Apparates, der mir bei vorstehenden Unter-
suchungen gedient hat, ausreichen wird, um erkennen zu
lassen, dass derselbe auch für viele andere Experimente,
vornehmlich aber für die künstliche Nachahmung von Klang-
farben durch den Zusammenklang einfacher harmonischer
Töne und Theiltöne geeignet ist. Man gebietet mit dem-
selben in der That über sechszehn harmonische einfache Töne
für jeden beliebigen Grundton, von denen jeder sich sofort
in einen Klang mit regelmässig an Stärke abnehmenden
Obertönen umwandeln lässt. Man kann ausserdem die In-
tensität jedes dieser Töne nach Belieben reguliren und zwi-
schen allen Tönen jeden gewünschten Gangunterschied her-
stellen. Es ist schliesslich bis zu einem gewissen Grade
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C. v. Titan. 393
auch möglich, jeden dieser rein harmonischen Töne in einen
etwas verstimmten oder selbst in einen unharmonischen Ton
zu verwandeln, wie dies für die Composition von Ton-
massen nothwendig ist, in denen unharmonische oder nicht
ganz rein harmonische Theiltöne enthalten sind.
Indem ich mit dem Apparate ganz willkürlich die ver-
schiedensten Tongemische bildete, erhielt ich öfters den Vo-
calen sehr ähnliche Klänge, doch hatten bis jetzt meine
genaueren Untersuchungen über die Klangfarbe nur den
oben erörterten Einfluss der Phasendifferenz der harmoni-
schen Töne auf dieselbe zum Gegenstande.
Paris, Juli 1881.
II. lieber die Vergleichung der Ergebnisse
calorimetrischer Messungen1); von Carlv. Than.
Seit mehreren Jahren mit der Vervollkommnung der
calorimetrischen Methode von Bunsen beschäftigt, habe ich
sehr oft die Xothwendigkeit einer sicheren Vergleichung der
Ergebnisse derselben mit denen des Wassercalorimeters
empfunden. Um diese Vergleichung zu ermöglichen, muss
vor allem der Begriff der Wärmeeinheit festgestellt sein.
Man definirt diese Einheit gewöhnlich als jene Wärmemenge,
welche die Temperatur der Masseneinheit des Wassers von
0 auf 1° erhöht. Bei der Messung der Wärmemengen mit-
telst des Wassercalorimeters misst man aber in Wirklichkeit
die Wärmemengen in den Intervallen zwischen 6 und 25°
am häufigsten um 15° herum. Dies setzt stillschweigend
voraus, dass die spec. Wärme des Wassers bei den genann-
1) Dieser Aufsatz ist der ungarischen Acadeinie der Wissenschaften
in der Sitzung vom 20. Juni angemeldet und wird mit Genehmigung der-
selben erst im nächsten Herbst der genannten Acadeinie ausführlich vor-
gelegt.
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394
C. v. Than.
teil höheren Temperaturen denselben Werth wie bei 0° hat.
Die 8pec. Wärme des Wassers bei 0° ist aber so gut wie
unbekannt, nachdem die neueren Untersuchungen ganz ausser
Zweifel gestellt haben, dass die spec. Wärme des Wassers
ähnlich wie die anderer Flüssigkeiten mit der Temperatur nicht
unerheblich veränderlich ist. Zufolge dieses Umstandes ist
eigentlich die factische Wärmeeinheit die mittlere spec. Wärme
des Wassers zwischen den oben genannten Grenzen. Da
diese auch innerhalb dieser engen Grenzen sicher, obwohl
unerheblich veränderlich ist, so muss man gestehen, dass der
factischen Einheit gerade die nothwendigsten Attribute einer
bestimmten Einheit, nämlich die Unveränderlichkeit und die
sichere Bestimmbarkeit abgehen. Aus ähnlichen Erwägungen
habe ich vorläufig zur Einheit, wenigstens für die Angaben
des Bunsen'schen Eiscalorimeters , die „Eiscalorie" vorge-
schlagen, welche alle Vorzüge, die man von einer Einheit
billigerweise verlangen kann, vereinigt. Allein um diese Ein-
heit mit der Wassercalorie vergleichen zu können, müsste
vor allem die latente Schmelzwärme des Wassers, in der ge-
wöhnlichen Wärmeeinheit ausgedrückt, sehr genau bekannt
sein. Da dies leider gar nicht der Fall ist, war eine sichere
Vergleichung der Angaben der Eis- und Wassercalorimeter
bisher eigentlich unmöglich. Um diesem grossen Uebelstande
abzuhelfen; welcher der allgemeinen Anwendung der vorzüg-
lichsten aller calorimetrischen Methoden im Wege stand,
habe ich einige Versuche angestellt, durch welche ich diesen
Zweck, wie ich glaube, ziemlich sicher erreicht habe.
Ich suchte mit möglichster Genauigkeit jene Quecksilber-
menge zu bestimmen, welche durch das Eiscalorimeter ein-
gesogen wird, wenn man ein gewogenes Stück reinen Silbers,
das bis zum Siedepunkte des Wassers erhitzt ist, in dasselbe
bringt. Die spec. Wärme des Silbers zwischen 100 und
8,5 bis 13° C. ist von ßegnault mit Hülfe des Wasser-
calorimeters sehr genau bestimmt worden. Es lässt sich
daher aus den oben erwähnten Bestimmungen mit Hülfe der
Ergebnisse der Regnault'schen Versuche sehr einfach die
Quecksilbermenge berechnen, welche der factisch gebrauch-
ten Wärmeeinheit entspricht. Ist man im Besitze dieses
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C. v. Than.
395
Werthes, so ist man im Stande, die Ergebnisse des Eiscalo-
rimeters in gewöhnlichen Wärmeeinheiten oder umgekehrt
mit dem Grade der Genauigkeit auszudrücken, mit welcher
man die fragliche Quecksilbermenge bestimmt hat. Ich ent-
schied mich zur Erreichung dieses Zweckes für die Wahl
des Silbers hauptsächlich aus folgenden Gründen. Vor allem,
weil dasselbe am leichtesten chemisch rein zu erhalten ist;
ausserdem besitzt dasselbe, geschmolzen, einen stabilen mole-
cularen Zustand, sodass ich voraussetzen konnte, dasselbe
würde am meisten mit dem Materiale, welches Regnault zu
seinen Versuchen benutzte, seinen physikalischen und chemi-
schen Eigenschaften nach tibereinstimmen. Das Silber ist
ferner einer der besten Wärmeleiter, und ist schon aus die-
sem Grunde anzunehmen , dass dasselbe wegen der sehr
raschen Ausgleichung der Temperatur im Wassercalorimeter
eines der Metalle sein muss, deren specifische Wärme durch
Regnault' s classische Beobachtungen am genauesten ge-
messen worden ist.
Das zu den Beobachtungen verwendete Silber wurde
durch electroly tische Reduction aus frisch gefälltem, ganz
reinem Chlorsilber in einer grossen Platinschale dargestellt.
Die Schale diente als negativer Pol, während den positiven
ein Stab aus reinem Zink bildete. Unter dem mit Salzsäure
angesäuerten Wasser waren die beiden Pole durch ein Dia-
phragma von Pergamentpapier getrennt. Nach der Reduc-
tion und dem vollkommenen Auswaschen des reducirten Sil-
bers wurde dasselbe mittelst des Knallgasgebläses auf reiner
Kohle zu einem runden Klumpen geschmolzen. In einer
kleinen, flachgeschlagenen Erhöhung des Klumpens wurde
tangential ein rundes Loch gebohrt, das ganze an der Ober-
fläche glatt polirt und mit einem kleinen silbernen Haken
aus demselben Material versehen. Die chemische Unter-
suchung ergab nicht die geringste nachweisbare Menge der
Verunreinigung durch fremde Metalle. Das Gewicht des
Silberstückes wurde nach der Methode der Doppelwägung
vor den Versuchen und nach der Beendigung derselben
sorgfältig bestimmt. Dieses Gewicht betrug, auf den luft-
leeren Raum bezogen:
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396
C. v. Thon.
am Anfange der Versuche 21,28739 g
nach Beendigung derselben J2 1,28703 „
im Mittel 21,28721 g"
welche Zahl bei den später folgenden Berechnungen verwendet
worden ist.
Der Erhitzungsapparat Fig. 1 Taf. IV war sehr einfach
und dem Principe nach dem von Regnault benutzten ähn-
lich.1) Er bestand aus einer 2 cm weiten und etwa 40 cm
langen, an beiden Enden offenen Glasröhre <z, welche mit
einer an den Enden verjüngten weiteren Röhre b von etwa
4 cm Durchmesser umgeben war. Die beiden verjüngten
Enden dieser Umhüllungsröhre waren mit Hülfe von Kaut-
schukröhren nach Art der Liebig'schen Kühler durch Bind-
faden luftdicht verbunden. Nahe am oberen Ende der Um-
hüllungsröhre bei c leitete man beim G-ebrauche des Appa-
rates aus einem Kolben durch ein langes Kautschukrohr
Wasserdampf in den Zwischenraum der beiden Röhren. Das
condensirte Wasser, sowie der Ueberschuss des Dampfes
sind am unteren Ende bei d durch ein angebundenes weites
Kautschukrohr abgeführt worden. Am oberen Ende des inne-
ren durchlaufenden Glasrohres war in einem gut schliessen-
den Korke ein über 20 Jahre altes Normalthermometer von
Geis sl er so eingesteckt, dass die letzten Zehntel des 100.
Grade§ über dem Korke mit einem Fernrohr noch deutlich
abzulesen waren. Neben dem Thermometer befand sich im
Korke noch ein sehr dünnes, etwas seitlich gebogenes Glas-
röhrchen e, in welches das Ende eines glatten Fadens mit-
telst eines kleinen Stöpsels eingeklemmt war. Das andere
Ende dieses Fadens war am Thermometer angebunden. Mit
diesem Faden war die Silberkugel / während des Erhitzens
aufgehängt. Zur Isolirung gegen Wärmeverluste war der
ganze Apparat mit einer dicken Lage von feiner Baumwolle
# g sorgfältig umgeben und endlich zur Abhaltung der Strah-
lung mit einem Mantel aus glänzendem Pappendeckel h ver-
sehen. Man erhitzte nun den Kolben und leitete 1 bis
Stunden lang einen gleichmässigen, nicht zu raschen Dampf-
1) Regnault, Ann. de chim. et de phys. 78. p. 20. 1840.
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C. v. Than.
397
ström durch den Erhitzungsapparat und beobachtete in Inter-
vallen von etwa fünf Minuten den Stand des Thermometers.
Nachdem die Temperatur längere Zeit, meistens 20 bis 30', bis
auf 0,01° constant war, brachte man den ganzen Erhitzungsappa-
rat, ohne den Dampfstrom zu unterbrechen, senkrecht über die
Mündung des Eiscalorimeters. In diesem Momente entfernte
ein Gehtilfe den Kork i von dem unteren Ende des Erhitzungs-
apparates. Zu gleicher Zeit öffnete man den oberen kleinen
Stöpsel, machte dadurch den eingeklemmten Faden frei
und veranlasste so, dass die Silberkugel in wenigen Augen-
blicken, ohne irgend einen Wärmeverlust zu erleiden, in das
Calorimeter hineinfiel. Während dieser Operationen ist es
unbedingt nöthig, dass die ganze Oberfläche des Schnees im
Eisschranke durch eine Bretterwand bedeckt wird, welche
nur über der Mündung des Calorimeters eine Oeffhung hat.
Ohne diese Vorsicht ist es beinahe unvermeidlich, dass der
ganze Erhitzungsapparat, namentlich aber das Silber, durch
Strahlung etwas Wärme verliert.
Das Thermometer im Erhitzungsapparate diente blos
dazu, um sich zu überzeugen, dass der innere Ranm schon
längere Zeit eine völlig constante Temperatur angenommen
hatte. Die genaue Bestimmung der Temperatur des erhitzten
Silbers, welche das wichtigste Element bei diesen Messungen
war, geschah auf folgende Weise. Das grosse Manometer,
dessen Einrichtung ich1) beschrieben habe, ist durch OefF-
mmg der entsprechenden Hähne in ein Barometer verwan-
delt worden. Nachdem die ganze Quecksilbersäule in leb-
hafte Schwingungen versetzt worden war, wufde in dem
Momente, wo die Silberkugel in das Calorimeter hineinge-
worfen war, einer der unteren Hähne geschlossen und so der
Stand des Barometers fixirt. Dann wurde die Höhe der
Quecksilbersäule, nachdem die Temperatur derselben vor
und nach dem Ablesen bestimmt worden, mit allen am an-
geführten Orte beschriebenen Vorsichtsmaassregeln bis auf
0.02 mm genau gemessen. Aus dem reducirten Barometer-
stande wurde dann die Siedetemperatur des Wassers berech-
1) C. v. Than, Wied. Ann. 13. p. 93 — 95. 1881.
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C. v. Than.
net. Die calorimetrische Messung der von der Silberkugel
abgegebenen Wärmemenge geschah in dem mit dem Thermo-
staten combinirten Eiscalorimeter genau in derselben Weise,
wie früher die der Verbrennungswärme des Knallgases. Alle
Wägungen des eingesogenen Quecksilbers, wie auch die bei
dem Gange des Calorimeters , sind auf den luftleeren Raum
reducirt worden. Um möglichst genaue Resultate zu erhal-
ten, hat man ausser dem Angeführten hauptsächlich darauf
zu achten, dass die Silberkugel möglichst trocken angewendet
werde, ferner dass der Dampfstrom im Erhitzungsapparate
continuirlich, aber nicht zu heftig ist, namentlich aber, dass
die Kugel mindestens 1 — 1 1/2 Stunden lang erhitzt werde,
und das Hineinwerfen möglichst schnell und ohne Wärme-
verlust erfolge. Damit die Silberkugel das Calorimeter beim
Hineinwerfen nicht beschädige und nicht ganz auf den Boden
desselben zu liegen komme, war in die Eprouvette des Ca-
lorimeters eine 3 — 4 cm hohe Spirale aus starkem Silber-
draht hineingestellt, welche am oberen Ende einen kleinen
Korb aus Platindraht trug, in den die Kugel hineinfiel. Zur
vollständigen Ausgleichung der Temperatur musste die Silber-
kugel, wie ich mich durch besondere Versuche überzeugte,
mindestens l1^ Stunden lang im Calorimeter verweilen. Alle
Rechnungen wurden dreimal revidirt. Die Ergebnisse von
sieben gut gelungenen, mit allen Vorsichtsmaassregeln aus-
geführten Beobachtungen sind in der folgenden Tabelle zu-
sammengestellt Hier bedeutet tx die Temperatur des Baro-
meters, bx den unmittelbar beobachteten, b den auf 0°
reducirten Barometerstand, tll die direct am Thermometer
beobachtete Temperatur, t die aus dem Barometerstande
berechnete Temperatur des Silbers, v und n den Gang dea
Calorimeters vor und nach dem Versuche, d. h. die Aende-
rung des Gewichtes der Quecksilbergefässe in Milligrammen
pro Minute, wobei + ein Gefrieren, — ein Schmelzen im Calori-
meter anzeigt. hx bedeutet endlich die gesammte eingesogene
Quecksilber menge, während h die 100 Graden entsprechende
Quecksilbermenge in Milligrammen zeigt.
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C. v. Than.
399
1 120,68°, 750,88 748,07 1 99,63° 99,562°, +0,07069 +0,08650 1848,88 1856,512
II 121,57° 749,32 746,49 99,56° 99,500° +0,12014 +0,12812 1847,68 1856,960
III 20,89° 749,83 747,08' 99,59°, 99,523° +0,07123 +0,09267 1843,13]1851,964
IV 21,12° 746,82|744,05 99,48°| 99,412° -0,21453 -0,19092 1844,91,1855,822
V 20,80° 748,34 745,61 99,51°, 99,464° -0.28625 -0,18917 1844,91 1854,852
VI 21,72° 749,05 746,20 99,57° 99,488° -0,06817 -0,06133 1845,67 1855,170
VII 1 20,29° 755,70 753,00 99,81°, 99,740°, — *) | -0,074001850,57,1855,394
Mittel 1855,237
Wie man sieht, beträgt die grösste Abweichung vom
Mittel etwa 0,1 %• Dieses Resultat zeigt also, dass, wenn
die bei den Versuchen verwendete Silbermenge auf 100°
erhitzt in den Calorimeter geworfen wird, genau 1855,24 mg
Quecksilber eingesogen werden. Bezeichnet man das Ge-
wicht des Silbers mit m und jene Quecksilbermenge in
Milligrammen, welche durch die Abkühlung von 1 g Silber
um 1° durch das Eiscalorimeter eingesogen werden, mit q,
so hat man:
= 1Ö7TT5 = 2128,721 = °>871526 •
Regnault2) bestimmte in fünf gut übereinstimmenden
Beobachtungen die spec. Wärme des Silbers mit den Maxi-
malabweichungen von 0,05739 und 0,05685 im Mittel zu
c — 0,05701. Die äussersten Temperaturgrenzen des Wasser-
calorimeters waren bei diesen Beobachtungen Regnault's
6,4 und 14°, die mittleren Grenzen aus allen Beobachtungen
berechnet 8,5 und 13°. Da die wahre specifische Wärme
des Wassers nach den Untersuchungen von Pfaundler und
Platter3) in der Nähe von 7° jedenfalls in grösserem Maasse
zunimmt als gegen 13°, so wird man nicht fehlgehen, wenn
man annimmt, dass die Einheit der obigen Zahl Regnault's
die wahre specifische Wärme des Wassers bei etwa 15° C.
ist. Diese Temperatur ist aber gerade jene, um welche
herum die meisten Messungen mit dem Wassercalorimeter
1) Konnte durch einen Unfall nicht gewogen werden, zur Correction
wurde blos n benutzt.
2) Regnault, Ann. de chhn. et de phys. 73. p. 38. 1840.
3) Platter, Pogg. Ann. 141. p. 550. 1870.
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400
C. 17. Than.
ausgeführt wurden. Der Quotient q\c gibt also jene Queck-
silbermenge in Milligrammen qf welche vom Eiscalorimeter
eingesogen werden, wenn man in dieses jene Wärmemenge
einführt, welche von lg Wasser von 15° C. bei der Ab-
kühlung um 1° abgegeben werden. Diese Quecksilbermenge
beträgt:
q = l = 15,28725 mg.
Dieses Gewicht ist also der Quecksilberwerth der ge-
wöhnlichen Wärmeeinheit. Will man daher die Angaben
des Eiscalorimeters in jene des Wassercalorimeters umsetzen,
so braucht man nur die in Milligrammen ausgedrückte Queck-
silbermenge <7, welche vom Eiscalorimeter eingesogen worden
ist, mit q zu dividiren, um die entsprechende Anzahl der
gewöhnlichen Wärmeeinheiten mit grosser Schärfe zu erhal-
ten. Bei der Umsetzung der Wassercalorien genügt es, die-
selben nur mit q zu multipliciren, um jene Quecksilbermenge
zu berechnen, welche durch die in gewöhnlichen Wasserca-
lorien ausgedrückte Wassermenge in das Eiscalorimeter ein-
gesogen werden. Bezeichnet man die Anzahl der lögradigen
Wassercalorien mit k]5, so hat man die folgenden einfachen
Beziehungen Qjq = und q.kn= Q zu dem Zwecke dieser
Umsetzung zu benutzen.
Um mich zu überzeugen, ob bei der Bestimmung der
Constante q keine wesentlichen Fehler begangen worden sind,
habe ich Hrn. Ferdinand Molnar veranlasst, unter meiner
Aufsicht einige Controlversuche auszuführen.1) Derselbe
bestimmte nach der von mir befolgten Methode in drei Ver-
suchen die specifische Wärme des reinen geschmolzenen
Bleies und in zwei Versuchen die spec. Wärme des Was-
sers. Die Gewichte des eingesogenen Quecksilbers ^ sind
nicht auf den luftleeren Raum reducirt. Die Beobachtungs-
angaben sind in der beiliegenden Tabelle zusammengestellt.
Hier bedeutet g das Gewicht der betreffenden Substanz, auf
den luftleeren Raum reducirt, Q den Quecksilberwerth in
1) Hrn. Molnar liabc ich in die Handhabung des Eiscalorimeters
vollkommen eingeweiht, er war mir bei meinen Beobachtungen vielfach
behülflich.
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C. v. Thun.
401
Milligrammen für die Masseneinheit der Substanz bei der
Abkühlung um 1 0 C. Die übrigen Buchstaben haben die
obige Bedeutung.
tx bx b t v n hx | Q lm yfatf
I 1 Blei . . 19,9147 21,30° 753,76 751,77 99,68° - 0,0961 -0,2511 952,90 0,48003 |
1 Blei . . 19,9020 21,45°|753,92 751,31 99,68° -0,1780 --0,2652 951,80| 0,47978] j 0,48003
I Blei . . 19,9020 22,20°, 752,52 749,83 99,62°
,r Wasser') 1,7018 18,20° 753,06 750,84 99,66°
•r Wasser 1,7018 18,90° 752,96 750,65 99,66°
+ 0,0109 - 0,1345 952,44' 0,48030
-0,1520 -0,0726 2614,54 15,4158 \
+ 0,0113 +0,0667 2613,74 15,4167 j
Berechnet man aus den erhaltenen Resultaten die spec.
Wärmen nach Qjq in Wassercalorien, so kann man die so
erhaltenen Werthe zur Controle mit den von K e g n a u 1 1
beobachteten spec. Wärmen vergleichen, wie dies in der
folgenden Zusammenstellung dargestellt ist.
Blei Wasser
Spec. Wärme im Eiscalori-
meter bestimmt 0,031401 Bf. a. 3 Beob. 1,00844 M. a. 2 Beob.
Spec. Wärme im Wassercalo-
rimeter nach Kegnault . 0,03140 M. a. 8 Beob. 1,0080 M. a. 2 Beob.
Mittlere Temperaturgrenzeu
im Wassercalorimeter bei
Regnault 11-14° 6,6 — 15,6°
Wie man sieht, sind die Zahlen nahezu identisch, woraus
folgt, dass die obige Bestimmung von q richtig ist. Man
kann hiernach die Vergleichung der Angaben des Eiscalori-
meters mit jenen des Wassercalorimeters mit Sicherheit be-
werkstelligen.
Es wäre sehr wünschenswerth, die Anomalien in der
specifischen Wärme des Wassers in der Nähe des Dichtig-
keitsmaximums, die durch die Versuche von Pfaundler und
Platter2) angedeutet wurden, sowie die Aenderung der spec.
1) Das Wasser war in einer dünneu Glasröhre von 0,936 g Gewicht
enthalten, dessen durch directe Versuche ermittelter Quecksilberwerth
290,22 mg betrug. Da die Gewichte des Wassers und Glases nur bis
auf 0,2 mg mit Sicherheit bestimmt waren, so erklärt sich aus diesem
Umstände, dass die gefundene Zahl etwas von der durch Hrn. Schuller
und Wartha gefundenen abweicht.
2) Platter, Pogg. Ann. L c. p. 550. 1870.
Aun. d. Phys. u. Chem. N. F. XIV. 26
15,4163
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402
C. v. Than.
Wärme desselben überhaupt, namentlich aber zwischen den
Grenzen, innerhalb welchen (8 — 20°) die meisten Messungen
im Wassercalorimeter ausgeführt wurden, in dem Eiscalori-
meter zu studiren. Diese letzte Aufgabe suchte ich beim
Beginne der gegenwärtigen Arbeit zu lösen. Allein alle Be-
mühungen scheiterten an der vollkommenen Unzuverlässigkeit
der thermometri8chen Messungen bei so schwierigen Beobach-
tungen. Aus diesem Grunde musste ich die Lösung dieser
Aufgabe, welche mehr einem Physiker vom Fach entspricht,
aufgeben, und mich mit der oben entwickelten Lösung, welche
den praktischen Zwecken übrigens vollkommen entspricht,
begnügen. Die zu dem oben angedeuteten Zwecke unter-
nommenen zahlreichen Versuche ergaben im Gegentheile,
dass die nach meiner Methode mit Umsicht ausgeführten
Messungen im Eiscalorimeter zur genauen Bestimmung der
Temperatur wohl mehr geeignet sind, als die besten ther-
mometrischen Temperaturbestimmungen. Ich glaube, es Hesse
sich auf diese Art endlich eine den Physikern gewiss sehr
erwünschte scharfe Methode zur sicheren Bestimmung der
Temperatur erreichen.
Aus den bisher mit dem Eiscalorimeter angestellten
wenigen Beobachtungen kann die Abhängigkeit der spec.
Wärme des Wassers von der Temperatur allgemein nicht
festgestellt werden. Doch lässt sich mit Hülfe des obigen
Werthes von q und aus dem von den Hrn. Schuller und
Wartha bestimmten1) Quecksilberwerthe Q der mittleren
spec. Wärme des Wassers (zwischen 0 — 100°) das Verhält-
niss zwischen diesem mittleren zu dem wahren Werthe bei
15° C. mit Sicherheit wenigstens für diese eine Temperatur
ableiten. Durch Vergleichung dieses Verhältnisses mit den
bisherigen Angaben lässt sich dann einigermassen ein
Schluss auf die mehr oder minder wahrscheinliche Richtig-
keit derselben ziehen. Die genannten Herren haben Q =
15,442 mg gefunden, daher:
1) Schuller u. Wartha, Wied. Ann. 2. p. 368. 1877.
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C v. Than.
403
Das Verhältniss der mittleren (0— 100 °l spec. Wärme c0_ lt)0 f„ 100
des Wassers zu der wahren spec. Wärine c,5 bei 15° C. c15
Q 15 442
Nach den Beobachtungen mit dem Eiscalorimeter - = — ~ -- = 1,01012
^ q lo,28725
Berechnet nach den Formeln von Reg nault1) = 1,00419
„ „ „ „ „ Bosscha2) = 1,00767
„ „ „ ,, Wüllner u. Münchhausen3) = 1,00867
„ „ „ „ Pfaundler u.Baumgärtner4) = 1,01056
Die letztere Zahl ist, wie man sieht, beinahe identisch
mit der ersteren, indem dieselbe nur um 0,04% grösser ist,
während die anderen verhältnissmässig grössere Abweichungen
zeigen. Ueberlegt man, dass die grösste Unsicherheit bei
den Bestimmungen der spec. Wärme des Wassers haupt-
sächlich von der Unzuverlässigkeit der thermometrischen
Bestimmungen herrührt, von welchen die erste Zahl am
wenigsten abhängig ist, so kann man vorläufig annehmen,
dass die Pfaundler'sche Zahl unter den bisherigen Angaben
der Wahrheit am nächsten zu stehen kommt. Ich habe dies
schon früher6) aus anderen Gründen gefolgert.
Endlich lässt sich mit Hülfe der Zahl q auch die latente
Schmelzwärme des Wassers / mit Sicherheit in gewöhnlichen
Wassercalorien berechnen. Man braucht zu diesem Behufe
nur jene Quecksilbermenge Q, welche beim Schmelzen von
1 g Eis in das Eiscalorimeter eingesogen wird, durch den
Quecksilberwerth einer lögradigen Wassercalorie, d.h. durch
<] zu dividiren. Man hat also / — Qjq, wo Q — (e—u}')q'
wenn e und w beziehungsweise die spec. Volumina des Eises
und des Wassers, q aber das spec. Gewicht des Quecksilbers
bei 0° bedeuten. Aus den classischen Versuchen von Bun-
sen8) über das spec. Gewicht des Eises geht nämlich hervor,
dass <•'= 1,090822, w - 1,000 120. Nach Regnault ist
1) Regnault, Mem. de l'Acad. 21. p. 746. 1847.
.2) Bosscha, Poggx Ann. Jubelbd. p. 557. 1874.
3) Wüllner u. Münchhausen, Wied. Ann. 1, p. 592. 1877 u. 10.
p. 289. 1880.
4) Pfaundler u. Baumgartner, Müllcr-Pouillet, Lehrb. der
Phys., bearb. von Pfaundler, 8. Aufl. 2. p. 319. 1879.
5) C. v. Than, Wied. Ann. 13. p. 102. 1881.
6) Bimsen, Pogg. Ann. 141. p. 7. 1870.
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404
C. v. Thon.
13,596. Hiernach ist Q= 1233,182. Den Werth von q
habe ich oben zu 15,28725 gefunden, also ist:
/ = 80,667 W.-E.
Die Wärmemenge also, die zur Verwandlung der Mas-
seneinheit Eis von 0° in flüssiges Wasser von derselben
Temperatur erforderlich ist, beträgt in Wärmeeinheiten von
15° ausgedrückt 80,667. Dieser Werth ist eigentlich der-
selbe, welchen Bunsen in anderen Einheiten ausgedrückt
zu 80,025 bestimmt hat. Der Quecksilberwerth der Bunsen'-
schen Einheit war nämlich = 15,410. Will man daher seine
Zahl mit der oben gefundenen vergleichen, so muss man
dieselbe mit dem Verhältnisse der beiden Einheiten multip-
liciren. In diesem Falle hat man (15,410/15,2873). 80,025 =
80,667. Jene Zahl, welche ich früher zum Behufe der Ver-
gleichung der Verbrennungswärme des Wasserstoffs mit den
Ergebnissen der Versuche der Herren Schul ler und Wartha
benutzt habe ist mit Hülfe der Pfaundler'schen Formel für
das Verhältniss der mittleren und wahren spec. Wärme des
Wassers in etwas anderer Weise abegeleitet worden. Da
das Verhältniss nach der Formel des Hrn. Pfaundler mit
dem aus q abgeleiteten übereinstimmt, ist auch die mit Hülfe
derselben berechnete latente Schmelzwärme, nämlich 80,702,
nur um 0,04% verschieden.
Der oben gefundene Werth ist nicht unwesentlich grösser,
als die nach der Mischungsmethode gefundenen zuverlässig-
sten Zahlen, nämlich:
nach Regnault 79,24 W.-E.
„ Person 80,00 „
„ Hess 80,34 „
„ meinen Beobachtungen 80,667 „
Abgesehen von den Schwierigkeiten der thermometri-
schen Messungen sind die älteren Zahlen von den bisher
nicht gehörig sicher festgestellten spec. Wärmen des Wassers
und Eises abhängig, die sonach bei verschiedenen Annahmen
verschieden ausfallen mussten. Die von mir abgeleitete Zahl
ist von allen diesen Annahmen, sowie auch von einer jeden
1) C. v. Than, Wied. Ann. 13. p. 102. 1881.
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C v. Thun.
405
absoluten thermometrischen Messung1) unabhängig, verdient
daher mehr Vertrauen als die früheren Werthe. Will man
die früher von mir vorgeschlagenen Eiscalorien *) in gewöhn-
liche, d.h. in Wassercalorien von 15° verwandeln, so braucht
man die Anzahl der Eiscalorien natürlich nur mit 80,667
zu multipliciren.
Nachdem durch die vorhergehende Untersuchung die
Vergleichung der Angaben des Eis- und Wassercalorimeters
mit Sicherheit ermöglicht ist, hat es für mich das grösste
Interesse gehabt, die im Eiscaloriineter von mir bestimmte
Verbrennungswärme des Wasserstoffs mit den Resultaten
anderer Forscher zu vergleichen. Die bisher in dieser Be-
ziehung angestellten Beobachtungen sind unter drei wesent-
lich verschiedenen Versuchsbedingungen ausgeführt worden.
Man kann dementsprechend diese Versuche in folgende drei
verschiedene Gruppen eintheilen. Die Verbrennung geschah
nämlich:
1) in vollständig geschlossenen Gefässen bei den Ver-
suchen des Hrn. Andrews und bei den meinen;
2) in vollständig offenen G-efässen bei den Messungen
des Hrn. J. Thomsen;
3) in unvollkommen geschlossenen Gefässen bei den Be-
obachtungen der Herren Favre und Silbermann, ferner
bei denen der Herren Schuller und Wartha, sowie bei
den älteren Versuchen.
Will man diese drei Gruppen von Versuchen miteinander
vergleichen und die Resultate derselben für die Wissenschaft
mit Sicherheit verwerthen, so muss man vor allem bedenken,
dass diese wesentlich verschiedenen Bedingungen die Resul-
tate der Beobachtungen auch wesentlich verschieden beein-
1) Die thermometrischen Messungen von Regnaul t bei der Bestim-
mung der spec. Warme des Silbers, die den Werth von q beeinflussen,
sind nur relative, nur einige Grade umfassende Beobachtungen mit einem
und demselben Thermometer, die, wie Regnauit ausdrücklich erwähnt,
sehr sorgfältig calibrirt waren und nach seiner Art der Beobachtung ge-
wiss nicht der Unzuverlassigkeit zu zeihen sind.
2) 1. c. p. 97.
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406 C. v. Than.
flussten, sie daher unmittelbar gar nicht miteinander zu ver-
gleichen sind. Zur Erleichterung dieser Vergleichung müssen
wir bei allen Beobachtungen die Anfangs- und die End-
zustände, namentlich den Druck und die Temperatur des
Knallgases und die Temperatur des gebildeten Wassers auf
dieselben Zustände , am besten auf den Druck einer Atmo-
sphäre und auf 0° reduciren. Dann muss man bei jeder
dieser Gruppen gründlich untersuchen, aus welchen Quellen
die bei den verschiedenen Versuchsbedingungen gemessenen
Wärmemengen stammen. Wenn dies in allen Fällen klar
gestellt worden ist, können wir im Sinne des ersten Haupt-
satzes der mechanischen Wärmetheorie die Beziehungen
zwischen den Aenderungen der Energie und den beobachteten
Wärmemengen in Gleichungen ausdrücken, welche den Zu-
sammenhang zwischen den einzelnen Versuchsgruppen deut-
lich darstellen und eine eigentliche Vergleichung derselben
erst ermöglichen.
Die bequemste Form des ersten Hauptsatzes der mecha-
nischen Wärmetheorie ist zu unserem Zwecke die folgende
(a) Q = A(AJ+AF+S),
worin Q die bei den einzelnen Versuchen entstandene und im
Calorimeter gemessene Wärmemenge A das Wärmeäquiva-
lent der Arbeitseinheit, d. i. ^ AJ drückt die Grösse
der Aenderung der inneren Energie, AF die Aenderung der
Energie der fortschreitenden Bewegung aus.1) Die Summe
dieser beiden AJ -f- AF stellt also in den zu betrachtenden
Fällen die Aenderung der totalen Energie des Systems dar.
S bedeutet endlich die Summe der Arbeiten der Keactions-
kräfte des Systems, in welchem Falle natürlich die Summe der
Arbeiten der äusseren normal auf die Oberfläche des Systems
wirkenden Kräfte = — S vorausgesetzt wird. Der Satz
wird also, auf unsere Fälle angewendet, folgendermassen
lauten :
1) Die kinetische Energie der absoluten, d. h. der nicht zum Schwer-
punkte des Systems relativen Bewegung. Es ist darunter dasjenige zu
verstehen, was E. Verdet (Theor. mec. de la chaleur 1. p. 18) mit
dem Ausdruck „energie actuelle de mouvement sensible" bezeichnet.
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C. v. Than.
407
Die von dem verbrennenden Knallgase an das
Calorimeter abgegebene Wärmemenge ist aequiva-
lent der Aenderung seiner totalen Energie, ver-
mehrt um den Betrag der äusseren Arbeit, welche
durch die Reactionskräfte des brennenden Knallga-
ses gegen die äusseren Druckkräfte geleistet wurde.
1) Dies vorausgeschickt, untersuchen wir jetzt den ersten
und einfachsten Fall, wo das Knallgas in vollkommen ge-
schlossenen Gefässen verbrennt. Da hier eine fortschrei-
tende Bewegung des Systems undenkbar, und in dem voll-
kommen geschlossenen Gefässe nur eine zum Schwerpunkte
relative Bewegung möglich, ist AF=Q. Ebenso ist das
Spiel der äusseren Kräfte vollkommen ausgeschlossen, daher
ist in der Gleichung (a) auch S = 0. Wenn wir zur Cha-
rakterisirung der Versuchsbedingung die dem Calorimeter
abgegebene Wärmemenge Q, da diese durch die Verbren-
nung bei constantem Volumen entstand, mit Ev bezeichnen,
haben wir nach der Substitution in (a):
(1) . EV=AAJ.
Es rührt daher in diesem Falle die gesammte an das
Calorimeter abgegebene Wärmemenge nur von der Aende-
rung der inneren Energie AJ her.
2) Damit wir die mechanischen Vorgänge bei der Ver-
brennung des Knallgases in einem vollkommen offenen Ge-
fässe, wie dies bei den Versuchen von Hrn. Jul. Thomsen
der Fall war, richtig beurtheilen können, müssen wir die
einzelnen Vorgänge näher in Betracht ziehen. Denken wir
uns mit Hülfe der Fig. 2 Taf. IV, dass zwei Volumina
Wasserstoff und ein Volumen Sauerstoff in den beiden Gaso-
metern H und 0 durch die leichten Kolben K und o', die ohne
Reibung beweglich gedacht werden, eingeschlossen sind. Der
Druck der beiden Gase soll der einer Atmosphäre = P, die
Summe der Volumina = V sein. Bei den Versuchen des Hrn.
Th omsen1) sind durch die Röhren h und o Wasserstoff- und
Sauerstoffgas unter dem Drucke der äusseren Atmosphäre,
zufolge des Ueberdruckes einer kleinen Flüssigkeitssäule,
1) Thomsen, Pogg. Ann. 148. p. 368. 1873. ,
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408 C v. Than.
welche in der Figur etwa durch das Gewicht der beiden
Kolben dargestellt wird, in die Verbrennungskammer k hin-
eingeleitet. Die Kammer war unter das Wasser des Calo-
rimeters c getaucht. Diese Verbrennungskammer commu-
nicirte durch das offene Rohr N mit der äusseren Atmo-
sphäre und war zur Zurückhaltung der entweichenden Wasser-
dämpfe aussen mit einem offenen, gewogenen Chlorcalciumrohr
verbunden. Denken wir nun, dass in der schon vorher mit
Wasserstoff gefüllten Verbrennungskammer der Sauerstoff
angezündet, und sodann die oben bezeichnete Menge der
beiden Gase hineingeleitet wird. In dem Momente, in wel- «
ehern die beiden Gase in der Flamme zusammentreffen, ver-
binden sie sich zu Wasserdampf von hoher Temperatur, wel-
cher in der geräumigen Kammer (500 cem) aufsteigt und die
Flamme frei lässt. Durch Vermittelung der Röhre N und
der die Flamme umgebenden permanenten Gase, welche die-
selbe auch durchdringen, ist die Flamme dem äusseren Drucke
-allseitig unterworfen, daher findet hierbei innerhalb der Flamme
eine Volumen Verminderung von 1(3, im Verlaufe der ganzen Ver-
brennung also eine Verminderung von l/a V statt- Die durch
die Reactionskräfte des brennenden Knallgases gegenüber dem
äusseren Drucke P verrichtete Arbeit ist daher 1/3 PV. Der ,
gebildete Wasserdampf von hoher Temperatur kühlt sich
dann ab, und bald darauf geht die Condensation desselben vor
sich. Die hierbei durch die Reactionskräfte des Wasser-
dampfes gegen den äusseren Druck der Atmosphäre verrich-
tete Arbeit beträgt 2/3 PV, sonst findet hier keine äussere
Arbeit statt. Mochte die Condensation des Wasserdampfes
bei höherer oder niedrigerer Temperatur stattfinden, so
konnten bei den Versuchen des Hrn. Thomsen die einströ-
menden Gase keine wahrnehmbare Geschwindigkeit erlangen.
Da nämlich dem Drucke +P der einströmenden Gase wäh-
rend der ganzen Dauer der Verbrennung durch die offene
Röhre N der negative, aber vollkommen gleiche Druck der
äusseren Luft — P entgegenwirkte, konnte eine Energie der
fortschreitenden (oder wahrnehmbaren) Bewegung, wenn wir
von dem verschwindend kleinen Ueberdrucke der geringen
Wassersäule absehen, nicht zu Stande kommen. Daher ist
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C. v. Than.
409
F und JF= 0. Man kann also in diesem Falle die gesammte
äussere Arbeit durch das Product aus dem Drucke und
dem verschwundenen Volumen des Knallgases darstellen.
Die Aenderung der inneren Energie ist bei dem be-
schriebenen Vorgange gleich dem unter (1) angeführten, da
der Voraussetzung gemäss der Anfangs- und Endzustand
dieselben sind. Stellen wir alle mechanischen Veränderungen,
welche die dem Calorimeter abgegebene Gesammtwärme E'p
bei den Thomsen'schen Versuchen beeinflussen, tibersichtlich
zusammen, so haben wir:
a) die an das Calorimeter abgegebene Wär-
memenge Q — Ep
b) die Aenderung der inneren Energie . . = AJ
c) die Aenderung der Energie der fortschrei-
tenden Bewegung AF = 0
d) die bei der Verbrennung geleistete äussere
Nach der Substitution in der Gleichung (a) verwandelt
sich diese in:
Diese Gleichung drückt aus, dass bei den Versuchen des
Hrn. Thomsen die an das Calorimeter abgegebene Wärme-
menge äquivalent ist der Aenderung der inneren Energie,
vermehrt um die Arbeit, welche die Reactionskräfte des
Knallgases gegen den äusseren Druck verrichtet haben.
3) Gehen wir endlich zur Betrachtung der dritten Ver-
suchsreihe über, so wollen wir die Versuche der Herren
Schuller und Wartha1), denen übrigens jene der Herren
Favre und Silbermann ganz analog sind, mit dem Vorher-
gehenden vergleichen. Die Versuchsbedingungen waren bei
diesen Beobachtungen, obwohl scheinbar ähnlich, in zwei
Punkten wesentlich verschieden von denen, die bei dem Vor-
hergehenden in Betracht kamen. Erstens war das Rohr N
während der Verbrennung geschlossen, zweitens war die Ver-
brennungskammer sehr klein und die Temperatur des Calo-
rimeters sehr niedrig, nämlich 0°. Die beiden Röhren h und
1) Schuller u. Wartha, Wied. Ann. 2. p. 372—374. 1877.
Arbeit
(2)
e;=a{jj+ pv).
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410
C. v. Than.
o des Apparates der Herren Schuller und Wartha Fig. 3
Taf. IV denken wir uns wieder mit den beiden Gasometern
wie früher verbunden und das einströmende Sauerstoffgas
angezündet. Der in der Flamme gebildete Wasserdampf
steigt in die Höhe, er wird aber durch die Nähe der null-
gradigen Wände der sehr kleinen Verbrennungskammer von
etwa 4,5 ccm ausserordentlich rasch auf die Nähe von 0°
abgekühlt. Der Dampf wird zufolge dessen schwerer als das
Wasserstoffgas und strömt an den eiskalten Wänden der
Kammer abwärts, sodass sehr bald eine Wasserdampl-
atmosphäre rings um die ganze Flamme gebildet wird. Im
Inneren der Flamme wird fortwährend heisser Wasserdampf
erzeugt, während oben und seitlich dieser Dampf unausge-
setzt sehr rasch abgekühlt wird. Hierdurch stellt sich ein
eigenthümlicher Gleichgewichtszustand ein, dessen Wesen
darin besteht, dass im Inneren der Flammenatmosphäre war-
mer Wasserdampf enthalten ist, welcher von einer sehr be-
deutend abgekühlten Wasserdampfschicht umgeben ist. Die
beiden Gase sind durch diese, den äusseren Druck dämpfende
und hemmende Atmosphäre voneinander getrennt. Der Wasser-
stoff kann nur durch Diffusion zu dem einströmenden Sauer-
stoff gelangen. Da aber von diesem wieder nur so viel ein-
strömt, als zu Wasser verbrennen kann, verzögert sich die
Verbrennung ausserordentlich. Diese Verzögerung wird schon
dadurch wahrscheinlich, dass bei den Versuchen der Herren
Schuller und Wartha zur Bildung von 1,37 g Wasser
durchschnittlich 23/4 Stunden erforderlich waren. Zufolge
dessen findet die Abkühlung des Wasserdampfes relativ noch
energischer statt, das schliessliche Resultat davon ist, dass
die Flamme in einer Atmosphäre von Wasserdampf mit an
den äusseren Schichten sehr niedriger Spannung eingeschlos-
sen ist. Infolge dessen dehnt sich die Flamme stark aus und
kühlt sich zugleich bedeutend ab.
Diesen Umständen ist es zuzuschreiben, dass die Flamme
durch diese Atmosphäre gewissermassen für den äusseren
Druck abgesperrt ist. Denn der äussere Druck kann nur die
geringe Spannung der äussersten abgekühlten Wasserdampf-
schicht überwinden, die fortwährend neu erzeugt wird. Die Fort-
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C. v. Thun
411
pflanzung des Druckes bis zu der Flamme, wo die eigentliche
chemische Verbindung stattfindet, ist vollständig gehemmt.
Demzufolge kann keine Contraction, sondern wegen der
chemischen Vereinigung der beiden Gase zu Wasserdampf
nur eine Abnahme der Spannung, ähnlich wie in einem ver-
schlossenen Gefässe, eintreten. Die Arbeit der Contraction,
die bei dem Thomsen'schen Versuche \PV betrug, wird hier
= 0 sein. Dass der Druck in der Flammenatmosphäre ein
sehr geringer war, beweist am sichersten folgende Aeusserung
der Herren Schuller und Wartha1): „Ausser dem klei-
nen inneren Flammenkern war noch eine grosse, kugelför-
mige, rein blaue Flamme sichtbar, welche scheinbar von so
geringer Temperatur war, dass selbst die hineinragenden
feinen Platindrähtchen nicht ins Glühen geriethen."
Untersuchen wir nun näher, welchen Einfluss diese Ver-
suchsbedingungen auf die übrigen Antheile der in der Ver-
brennungskammer durch äussere Einwirkungen erzeugten
Wärme ausgeübt haben. Da die beiden einströmenden Gase,
deren Druck um einige Millimeter höher als der einer Atmo-
sphäre war2), durch die oben charakterisirte Dampfatmo-
sphäre voneinander getrennt waren, musste die Condensation
des Dampfes nothwendig in der äussersten kältesten Schicht,
also jedenfalls bei niederer Temperatur, stattfinden. Bei
dieser niederen Temperatur konnte die Tension des Wasser-
dampfes olfenbar nur wenige Millimeter betragen. Bei der
geringen Spannung des sich condensirenden Wasserdampfes
sind auch die Reactionskräfte desselben gering, sie üben also
nur auf einen geringen Bruchtheil der gesammten äusseren
Druckkraft ihre Reaction aus. Während dieser Condensation
wird die äussere Arbeit § PK verrichtet.3)
1) Schuller u. Wartha, 1. c. p. 373. 2. Aiim.
2) Im Mittel war bei den vier zur Berechnung des mittleren Resul-
tates benutzten Versuchen nach den Angaben der Herren Schüller
und Wartha der Druck der einströmenden Gase = 767,5 mm. Da aber
der Druck bei den einzelnen Versuchen und ausserdem auch der Druck
des Wasserstoffs wegen der verschiedenen Höhe der beiden Gasometer
von dem des Sauerstoffs etwas verschieden war, lässt sich der mittlere
Druck nicht genau ermitteln.
3) Diese Arbeit ist dem Werthe nach, wenn man die Condensation
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412
C. v. Than.
Gesetzt, der gesammte Druck der einströmenden Gase
betrage P + p und die Condensation soll bei t° vor sich
gehen, bei welcher der entgegengesetzte Druck des gesättig-
ten Wasserdampfes der Grösse nach ebenfalls p ist, so strö-
men die Gase offenbar mit der Druckdifferenz P in die
Flammenatmosphäre gerade so ein, als wenn sie mit dem
Drucke P in einen luftleeren Raum einströmen würden. Aus
der lebendigen Kraft dieser Bewegung entsteht eine Wärme-
* menge, deren Arbeitsäquivalent = PV ist. Es entsteht näm-
lich hierdurch eine Energie der fortschreitenden (oder Diffu-
sions)-Bewegung F, und da schliesslich die Geschwindig-
keit in dem ruhenden Wasser =0 wird, ist die Aenderung
dieser Energie gleich F. Das Arbeitsäquivalent dieser Ener-
gieänderung ist aber, wie ich früher gezeigt habe1), da die
Druckdifferenz das Volumen der einströmenden Gas V
ist, gleich PV also ist AF — PV. Die Ursache dessen, wes-
halb hier diese Energie der fortschreitenden Bewegung zu
Stande kommt, ist zum Theil die hemmende Wirkung der
kühlen Dampfatmosphäre, hauptsächlich aber der Umstand,
dass der Hahn N geschlossen war, wodurch die Druckcom-
ponente — P, welche bei den Versuchen Thomsen's die
Entstehung der genannten Bewegungsenergie und der ent-
sprechenden Wärmemenge verhinderte, vollständig ausgeschlos-
sen war.2)
bei 0° vor sich gehend denkt, sehr nahe = 8,98 p . m, wo p den der Ten-
sion des Wasserdampfes entsprechenden Druck auf 1 qm Oberfläche, u
aber die Differenz der spec. Volumina des gesättigten Wasserdampfes und
des flüssigen Wassers bei derselben Temperatur bedeuten.
1) C. v. Than, Wied. Ann. 13. p. 99. 1881.
2) Dass, in dem Falle diese Componente — P fehlt, wirklich durch
das blosse Einströmen der Gase, die am angeführten Orte abgeleitete
Wärmemenge APV entsteht, kann ich ausser der theoretischen selbstver-
ständlichen Ableitung auch noch durch eine directe Messung bestätigen,
die ich bei meinem noch im Jahre 1878 ausgeführten Versuche über die
Verbrennungswärme des Knallgases bei niederem Drucke gelegentlich ge-
macht habe. Es mag dieser Versuch, den ich sonst nicht zu veröffent-
lichen gedachte, mitgetheilt werden. Ein Glasgciäss, dessen Hahn (wie
Wied. Ann. 13. Taf. I Fig. 2) von aussen zu reguliren war, stand durch
einen im Eisschranke auf 0° gekühlten grösseren Behälter mit der Röhre
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C. v. Thon.
413
Wie man aus dem Gesagten sieht, lässt sich bei diesen
abnormen Versuchsbedingungen durch das Product aus der
Volumenänderung des Knallgases und dem Drucke desselben,
also durch PV, das Arbeitsäquivalent jener Wärmemengen,
welche durch äussere Einflüsse in der Flammenatmosphäre
n (Fig. 1 1. c.) in Verbindung. Das Gefäss wurde, während es sich
im Eiscalorimeter befand, mit der Geissler'schen Pumpe möglichst luft-
leer gemacht. Der Hahn wurde sodann geschlossen, und nachdem sich
die Abkühlung im Calorimeter ausgeglichen hatte, wurde der Gang des
Calorimeters v= +0,02512 genau gemessen. Während dieser Zeit wurde
der ganze, an der erwähnten Stelle abgebildete Apparat bis auf das im
Calorimeter befindliche luftleere Gefäss mit Knallgas von einer halben
Atmosphäre Druck gefüllt. Nun wurde der Hahn des Gefasscs ein wenig
geöffnet, sodass an dem kleinen Schwefelsäuremanometer ß eben eine ge-
ringe Hin- und Herbewegung der Flüssigkeit sichtbar war. Das grosse
Manometer o wurde fortwährend beobachtet und durch häufige Unter-
brechung des electrolysirenden Stromes das Knallgas in dem Maasse ent-
wickelt, dass der äussere Druck fortwährend genau eine halbe Atmo-
sphäre war. Eine halbe Stunde nach Beendigung des Einströmens wurde
der Enddruck am Manometer genau festgestellt, welcher (P), auf 0° reducirt,
= 379,84 mm betrug. Darauf wurde die eingesogene Quecksilbermeuge
h = 18,618 mg und der Gang des Calorimeters n = 4- 0,02779 bestimmt.
Die Dauer des Versuches war 190', daher die gesammte während des Ein-
strömens eingesogene Quecksilbermenge H = 23,645 mg. Diese entsprechen
Hjq » 1,5467 gewöhnlichen Wärmeeinheiten. Das Volumen des luftleeren
Gefasses war V = 127,428 ccm. Berechnet man nach der Formel
Q = PVjE das Wärmeäquivalent der Arbeit PV mit 2?= 424, so findet
man 1,5521, während JE =■ 425, das von vielen Forschern angenommen
wird, 1,5484 W.-E. gibt, welche Zahl mit der beobachteten nahezu iden-
tisch ist. Dieser Versuch zeigt, welche Genauigkeit mit der verbesserten
eiscalorimetrischen Methode zu erreichen ist Eigentlich diente diese Mes-
sung als Vorversuch zur genauen Bestimmung des mechanischen Aequi-
valentes der Wärme. Man hat nämlich E — PV/Q. Da lüerbei gar
keine thermometrische Messung nothwendig ist, wird diese Bestimmung
sicherer als alle bisherigen. Ich beabsichtige, diese Messung mit Appa-
raten, welche die gehörigen Dimensionen besitzen, nächstens auszuführen.
Macht man die Berechnung nach den obigen Angaben, so ergibt sich
E m 425,47.
Man sieht hieraus, dass, wenn eine bestimmte Gasmenge unter
dem Drucke P in ein luftleeres Gefäss von dem Volumen V einströmt,
also in einen Raum, wo die Druckcomponente -P fehlt; die der
Arbeit PV äquivalente Wärmemenge erzeugt wird, ohne dass das ein-
strömende Gas sein Volumen und seine Endtemperatur geändert hätte.
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414
C. r. Than.
erzeugt werden, ohne einen wesentlichen Irrthum zu begehen,
bestimmen.
Die Aenderung der inneren Energie wird bei den Ver-
suchen der Herren Schuller und Wartha, sowie bei denen
der Herren Favre und Silbermann, wenn sonst die An-
fangs- und Endzustände die gleichen waren, dieselbe bleiben
wie bei den früher betrachteten Versuchen. Wenn wir hier-
nach alle mechanischen und thermischen Aenderungen bei
der dritten Gruppe der Beobachtungen zusammenfassen, so
haben wir:
a) die an das Calorimeter abgegebene und
gemessene Wärmemenge Q = Ep
b) die Aenderung der inneren Energie . . = AJ
c) die Aenderung der Energie der fortschrei-
tenden Bewegung AF=z PV
d) die bei der Condensation des Wasser-
dampfes verrichtete (die eigentliche) äussere Arbeit S = \PV.
Nach der Substitution in Gleichung (a) folgt dann:
Diese Gleichung drückt aus, dass die im Calorimeter ge-
messene Wärmemenge äquivalent der Aenderung der inneren
Energie ist, vermehrt um die Aenderung der Energie der
fortschreitenden Bewegung, die durch das Einströmen der
Gase bei der constanten Druckdifferenz P in die Flammen-
atmosphäre hervorgebracht wird, und endlich vermehrt um
die eigentliche äussere Arbeit, welche hier wegen des Feh-
lens der Contraction %PV beträgt. Dies kommt im Resul-
tate genau auf dasselbe heraus, als wenn die Gase unter
dem Drucke einer Atmosphäre, während sie verbrennen, in
einen luftleeren Kaum einströmten, welcher, auf 0° abgekühlt,
den gesättigten Wasserdampf bei dieser Temperatur gerade
fassen kann, worauf man den Wasserdampf bei dem con-
stanten Drucke von 4,6 mm zu flüssigem Wasser comprimirt.
Durch den ersten Act wird ausser der Aenderung der inne-
ren Energie die Wärmemenge APV, durch den zweiten
8,98 Apu — § APV erzeugt. In dieser leichter verständlichen
(3)
El- A(AJ+ PV+IPV).
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C. v. Than.
415
Weise habe ich den complicirten Vorgang in meiner früheren
Arbeit ausgedrückt.1)
Löst man die durch diese Betrachtungen erhaltenen drei
Gleichungen (1), (2), (3) in Bezug auf AJ auf, so erhält man:
AJ = E,, AJ = E; - APV, AJ= E'i - (1 + |) APV.
Durch Vergleichung derselben untereinander folgt:
(4) Ev = E'P- APV,
(5) J£ = E; - (1 + }) APV, ferner:
(6) e; = e9+ apv, (7) e'p = e;-iapv.
Nach diesen Gleichungen kann man die Ergebnisse der
verschiedenen Beobachtungen vergleichen. Da aber dieselben
auf der Voraussetzung beruhen, dass die Anfangs- und End-
zustände bei allen Versuchen gleich sind, müssen wir vor
allem die Resultate jener Versuche, bei welchen die Grenz-
temperaturen von 0° verschieden waren, auf diese Temperatur
reduciren. Bezüglich des Druckes braucht man keine Ee-
duction auszuführen, da der Anfangsdruck bei allen Ver-
suchen derselbe war, und der Enddruck ohnedem von
keinem messbaren Einflüsse ist. Glücklicherweise sind die
erwähnten Reductionen leicht möglich, da die betreffenden
Forscher die Versuche mit allen Details veröffentlicht haben.
Leider ist dies mit den in der neueren Zeit durch Hrn.
Berthelot2) gemachten Messungen über die Bildungswärme
des Wassers nicht der Fall, weshalb dieselben hier nicht
berücksichtigt werden können. Um diese Reduction der
Verbrennungswärmen E%, welche bei der Anfangstemperatur
ty und der Endtemperatur t% bestimmt wurden, auf 0° vor-
zunehmen, muss man Folgendes überlegen. Da die Gase vor
der Verbrennung mit der Temperatur der Luft t in die Ver-
1) C. v. Than, Wied. Ann. 13. p. 101—103. 1881. In diesen Auf-
satz haben sich leider kleine Schreibfehler in der Bezeichnung einge-
schlichen. Die Glieder Apu sollten überall mit Axpu bezeichnet sein,
wo Ax = T^T ist. Auf p. 103 muss statt 375,43 gelesen werden 575,43,
in der 17. Reihe i statt l, ebenso im linken Gliede der darauf folgenden
Gleichung.
2) Berthelot, Compt. rend. 41. p. 1241. 1881.
A Digitized by Googl
41ü
C. V: Than.
brennungskammer gelangt sind, enthielten sie, wenn w das
Gewicht, c die spezifische Wärme des Knallgases bedeutet,
eine um wct grössere Wärmemenge, als wenn sie mit 0° in
das Calorimeter gelangt wären. Diese Wärmemenge muss
also von der beobachteten abgezogen werden. Wenn ferner
die Endtemperatur t2 betrug, so enthielt das gebildete Wasser,
da die Hälfte der Temperaturerhöhung von lx auf t2 schon
berücksichtigt worden, um Jtt'(^ + h) niehr Wärme, als wenn
dasselbe bis auf 0° abgekühlt geworden wäre. Diese Wärme-
menge muss also zu der beobachteten hinzu addirt werden.
Ausserdem muss man auch jene sehr kleine Wärmemenge
r hinzufügen, welche als latente Wärme der in dem leeren
Räume des Calorimeters vorhandenen geringen üampfmenge
enthalten war. Endlich muss man das Gewicht des Wassers
auf den luftleeren Raum reduciren, wie dies bei meinen
und den Versuchen der Herren Schuller und Wartha schon
geschehen ist. Letztere Reduction ist sehr annähernd für
w Gramme Wasser durch Multiplication der beobachteten
Verbrennungswärme mit 1,00 106 l) zu erreichen. Wenn man
die auf diese Art umgerechnete Verbrennungswärme mit Eo
bezeichnet, so hat man für alle diese Reductionen die Gleichung:
(8) Et ~ 1,00 106 E\l + +/2) + r- wct.
Bei den Versuchen des Hrn. Andrews2) ist r = o. da
die Gase vor und nach der Verbrennung feucht waren, da
ferner die Gase vor der Verbrennung die Anfangstemperatur
des Calorimeters f, angenommen haben, ist t—^ zu setzen.
Die Reduction auf den luftleeren Raum ist schon berück-
sichtigt. Da endlich die Zahl des Hrn. Andrews sich auf
einen Gewichtstheil Wasserstoff bezieht, ist auch die Berück-
sichtigung der Stas'schen Atomgewichte überflüssig. Man
hat also eigentlich für diesen Fall die Reductionsformel
El = + lw(t2 -f- tj) — wc^. Bei vier Messungen von Hrn.
Andrews waren im Mittel ££=33808, m> = 8,98, tx = 18,50ü.
*2 = 20,575°. Also ist:
£2 = 33 888,40 W.-E. Andrews.
1) F. Kohlrausch, Leitf. d. pr. Phys. 3. Aufl. p. 229. 1877.
2) Andrews, Pogg. Ann. 76. p. 81. 1848.
Digitized by Google
C. v. Than.
417
Favre und Silbermann1) haben bei der Berechnung
der Verbrennungswärme die ganze gebildete Wassermenge,
welche bei jedem ihrer sechs Versuche im Mittel 3,245 g betrug,
zu dem Wasserwerthe des Calorimeters m 2077 g hinzuaddirt.
Bei der Reduction ihrer Zahl auf El ist in Folge dessen
nur die Hälfte des gebildeten Wassers hinzuzusetzen.
Ferner haben sie als Aequivalentgewicht des Wassers 9
statt der Stass'schen Zahl 8,98 angenommen. Berücksichtigt
man diese beiden Umstände, so ergibt sich, da die mittlere
Temperaturerhöhung bei ihren Messungen 5,9723° C. betrug,
statt der üblichen Zahl 34462 für E^ = 34 353,3 W.-E. Bei
ihren Versuchen war im Mittel t= 9,014, ^= 6,028, *8 =
12,000, r = 1,94 2), w = 8,98. Es ergibt sich aus diesen An-
gaben nach (8):
E°0 = 34 426,23 W.-E. Favre und Silbermann.
Nach dem Mittel aus sieben Beobachtungen (einem ein-
fachen und zwei dreifachen Versuchen) des Herrn. Jul.
Thomsen3) ist die Verbrennungswärme des Wasserstoffes,
mit Berücksichtigung der Stass'schen Aequivalentgewichte,
also Et, = 34 103,5. Bei seinen gesammten Beobachtungen
waren im Mittel t = 18,18ü, tx = 16,1507°, f2 = 20,3094. Der
Werth von r = 7,56.4) Hiernach folgt aus der Gleichung (8):
El m 34 217,51 W.-E. Thomsen.
Die Herren Schul ler und Wartha haben im Mittel
aus vier Versuchen gefunden, dass bei der Bildung von 8,98 g
Wasser in ihrem Apparate vom Eiscalorimeter 526,971 g
Quecksilber eingesogen werden.6) Dividirt man diese Zahl
mit dem oben gefundenen Werthe von q = 0,015 287 25, so
erhält man:
= 34 471,28 W.-E. Schuller und Wartha.
1) Favre und Silbermann, Ann. de chim. et de phys. [3] 84.
p. 395. 1852.
2) Das Volumen der Verbrennungskammer betrug etwa 90 ccm.
3) J. Thomsen, Pogg. Ann. 148. p. 368 — 375. 1873.
4 1 Das Volumen der Verbrennungskammer war 500 ccm. Die latente
Wärme des bei 20,3 0 darin enthaltenen Dampfes betragt bei 3 Versuchen
16,08 W. E. für 18,98 g Wasser, also für 8,98 g die obige Zahl.
5) Schuller und Wartha, Wied. Ann. 2. p. 378. 1877.
Ann. d. Phys. o. Chem. N. F. XIV. 27
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418
C. v. Than.
Ich selbst habe bei der Bildung von 8,98 g Wasser
in verschlossenen Gefässen als Mittel aus fünf Versuchen
419,274 Eiscalorien erhalten.1) Um diesen Werth in ge-
wöhnlichen Wärmeeinheiten auszudrücken, braucht man nur
die Zahl mit der oben gefundenen latenten Schmelzwärme
des Wassers / = 80,667 zu multipliciren. Hierdurch er-
hält man:
El = 33 821,78 W.-E. Than.
In der folgenden Uebersicht sind die gewonnenen Zah-
len nach den oben angenommenen Versuchsgruppen zusam-
mengestellt.
. T . Anzahl der Verbrennung«- r\«<r«-a... Differenz Die Verbrennung*-
im Jahre Beobachtungen wärme Differenz ln % kammer war
1848 Andrews 4 JSV = 33888,40 W.-E. — — I l) vollkommen
1881 Than... 5 Ev =33821,78 „ „ 4-66,62 +0,19 1 geflossen
1873 Thomson 7 ^=34217,51 „ „ - - 2) Toloff^men
1852 Favre u.
Silbermann 6 ^' = 34426,23 „ „ I 8) unvoilkom-
1877 Schuller I men offen
u. Wartha 4 .££ = 34471,28 „ „ -45,05 -0,14
Man sieht, dass die von verschiedenen Forschern nach
derselben Versuchsgruppe ausgeführten Beobachtungen, wo
solche vorliegen, recht gut übereinstimmen. Nachdem auf
diese Art alle bisher detaillirt veröffentlichten Werthe der
Verbrennungswärme des Wasserstoffes auf dieselben Anfangs-
und Endzustände reducirt, und alle auf dieselbe Einheit
bezogen dargestellt sind, können wir darauf die oben ge-
fundenen Gleichungen (4) — (7) anwenden und die einzelnen
Versuchsergebnisse mit einander vergleichen. In diesen Glei-
chungen ist A = ^v P= 10 333 000 g, F= 0,016 737 67 cm8),
der Werth von A PV = 407,90 Grammcalorien von 15° C.
Nimmt man bei dieser Vergleichung zum Ausgangspunkte
meinen Werth Ev als den einfachsten, von jeder äusseren
Arbeit freien an, und benutzt man zu diesem Zwecke die
Gleichungen (4) und (5), so erhalten wir folgende Resultate:
1) C. v. Than, Wied. Ann. 18. p. 98. 1881.
2) Der Unterschied des Volumens von 8,98 g Knallgas und Wasser
bei 0° und 0,76 m Druck.
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C. v. Than. 419
Verbrennungs wärme des Wasserstoffes bei constantem Differenz Differenz
Volumen = Ev in Calor. in 0 0
1) Das directe Ergebniss der Versuche von
Than 33821,78 — —
2) Das directe Ergebniss der Versuche von
Andrews 33888,40 4-66,62 +0,19
3) Berechnet nach Gl. (4) aus den Versuchen
von Thomsen 33809,61 -11,97 -0,04
4) Berechnet nach Gl. (5) aus den Versuchen
von Favre und Silbermann . . . 33746,40 -75,38 —0,22
5) Berechnet nach Gl. (5) aus den Versuchen
von Schuller und Wartha .... 33791,40 —30,38 —0,09')
Es ist nicht ohne Interesse, diese Versuche auch so zu
vergleichen, dass man dieselben auf die des Hrn. Jul.
Thomsen bei constantem Drucke bezieht, was mit Hülfe
der Gleichungen (6) und (7) sehr leicht geschehen kann.
Verbrennungswärme des Wasserstoffes bei E Differenz Differenz
constantem Drucke p in Calor. in °/0
6) Das directe Ergebniss der Versuche von
Thomsen 34217,51 — -
7) Berechnet nach Gl. (6) aus den Versuchen
von Than 34229,68 +12,17 +0,04
8) Berechnet nach Gl. (6) aus den Versuchen
von Andrews 34296,50 +78,99 +0,23
9) Berechnet nach Gl. (7) aus den Versuchen
von Favre und Silbermann . . . 34154,30 -63,21 -0,19
10) Berechnet nach Gl. (7) aus den Versuchen
von Schuller und Wartha .... 34199,30 -22,21 —0,07
Die Ueberein8timmung dieser verschiedenen Zahlen ent-
spricht genau der bei den einzelnen Beobachtungen ange-
wendeten Vorsichtsmaassregeln und der Zuverlässigkeit der
befolgten calorimetrischen Methoden. Diese Uebereinstim-
mung lässt bei den Beobachtungen von Thomsen, Schüller -
Wartha und mir nichts zu wünschen übrig. Die beiden
letzteren Zahlen wurden bekanntlich mit dem Eiscalorimeter
ausgeführt, also mittelst eines Instrumentes, dessen Zuver-
1) Nach meiner früheren Berechnung war der Unterschied -0,11%.
Diese unbedeutende Abweichung rührt theils von den weniger verläss-
lichen Werthen, die früher verwendet wurden, theils von den unvermeid-
lichen kleinen Rechnungsfehlern her.
27*
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420
C. v. Than.
lässigkeit nach den bisher gemachten Erfahrungen wohl jeden
Zweifel ausschliesst. Die Zahl des Hrn. Thomsen verdient
unter den mit dem Wassercalorimeter gemachten Versuchen
nicht nur deshalb mehr Vertrauen, weil die Correctionen der
Warmeverluste nach besseren Methoden erfolgte, wie bei
denen von Andrews und Favr e-Silbermann, sondern
deswegen, weil die Anzahl der Beobachtungen eine zahlreiche
war (7), und weil bei seinen Versuchen sich grosse Wasser-
mengen (etwa 19 g) gebildet hatten, welche mit mehr Sorg-
falt gewogen wurden, wie dies bei den früheren Versuchen
der Fall war. Die Fehler in der Bestimmung der Menge
des gebildeten Wassers beeinflussen aber bei kleineren Was-
sermengen die Resultate mehr, als die kleinen Differenzen
in der befolgten Methode der Correctionen bei der Berech-
nung der Wärmeverluste des Wassercalorimeters.
Am entschiedensten beweisen aber diese Zahlen, dass
die früher geschilderte Beziehung der drei Versuchsgruppen
eine richtige ist. Man darf nach dem Mitgetheilten die
factisch vorhandene Differenz von 254 Calorien oder 0,74 °/0
bei den Versuchen der Herren Thomsen und Schuller-
Wartha den Beobachtungsfehlern nicht zuschreiben, welche
sich nach obiger Auffassung auf 22 Calorien, d. i. auf 0,07 °/0
des ganzen Werthes der Verbrennungswärme reducirt. Mit
anderen Worten, man darf die in unvollkommen offenen
Grefässen bestimmte Verbrennungs wärme, also die Versuche
der Herren Favre-Silbermann und Schuller-Wartha,
nicht als die Verbrennungswärme bei constantem Drucke
ansehen. Bei diesen Versuchen war der äussere Druck offen-
bar bedeutend grösser, als der Druck des Dampfes in der
Schicht der Dampfatmosphäre, wo die Condensation statt-
fand, worauf es eben ankommt. Diese irrthümliche Ver-
wechselung der beiden Versuchsgruppen, zu denen sich auch
noch häufig jene hinzugesellte, als ob überhaupt kein prin-
cipieller Unterschied zwischen den drei verschiedenen Ver-
suchsgruppen vorhanden wäre, verursachte leider so lange
Zeit den Widerspruch, welcher bei den Angaben der ver-
schiedenen Forscher gerade bei diesem Fundamentalwerthe
der Thermochemie unlösbar zu sein schien. Ich glaube, dass
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C. v. Than. 421
es mir durch die oben entwickelten Grundsätze gelungen ist,
diese scheinbaren Widersprüche endgültig zu lösen.
Sehr bedauerlich sind die Consequenzen dieser Verwech-
selung unter anderem bei den Berechnungen der Bildungs-
wärmen organischer Verbindungen, namentlich, wenn sie eine
grössere Anzahl Wasserstoffatome im Molecül enthalten. Die
Verbrennungswärme solcher Verbindungen ist bei constantem
Drucke ausgeführt worden, sofern ihre Verbrennungswärme
wegen der Bildung der nicht condensirbaren Kohlensäure
überhaupt nicht unter Bedingungen bestimmt werden kann,
welche jenen, die bei der Verbrennung des Wasserstoffes
nach der dritten Versuchsgruppe realisirt waren, entsprechen.
Bei der Berechnung der Bildungswärme solcher Verbindun-
gen wurde für je einen Gewichtstheil Wasserstoff eine um
272 W.-E. *=\APV zu grosse Zahl verwendet, sofern man
die Favre-Silbermann'sche Zahl benutzt hat. Dieser Fehler
beträgt bei Verbindungen mit 12 Atomen Wasserstoff mehr
als 3000 W.-E., welche in einzelnen Fällen einen sehr an-
sehnlichen Theil der gesammten Bildungswärme ausmachen
kann. Alle diese Zahlen bedürfen also einer gründlichen
Revision, damit die weiteren Fortschritte der Thermochemie
durch solche Irrthümer nicht ernstlich gefährdet werden.
Von nun an darf man daher die Favre-Silbermann'schen.
sowie die Schuller-Wartha'schen Zahlen zu solchen Berech-
nungen nicht verwenden. Die Resultate mahnen neuerdings
daran, wie dies die Geschichte der Wissenschaft schon so
oft gelehrt hat, dass zu einem wirklichen gesunden Fort-
schritte, namentlich bei einem so neuen Wissenszweige, wie
die Thermochemie, der Wissenschaft durch eine bedächtige
und gewissenhafte Prüfung der Fundamentalthatsachen mehr
gedient wird, als durch eine zu hastige Anhäufung von zwei-
felhaften Angaben, welche der richtigen Erkenntniss oft un-
absehbare Hindernisse in den Weg legen.
Als Ergebniss der vorhergehenden Untersuchungen stellt
sich also heraus, dass bei 0° und bei dem Drucke von einer
Atmosphäre die Verbrennung des Wasserstoffes und die
ßildungswärme des Wassers (von 17,96 Gewichtsthln.) fol-
gende Werthe haben:
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422
C. v. Than
Verbrennungewärme Bildungswärme
bei constantem Volumen Ev = 33821,78 W.-E. 67643,56 W.-E.
bei constantem Drucke E = 34217,51 W.-E. 68435,02 W.-E.
Hr. A. Schul ler hat in der Sitzung der ungarischen
Academie der Wissenschaften vom 20. Juni L J. in einem
Vortrage: „Ueber die Bildungswärme des Wassers" die Be-
hauptung aufgestellt, dass der Unterschied zwischen der Ver-
brennungswärme des Wasserstoffes nach den von ihm und
Hrn. Wartha ausgeführten Versuchen1) einerseits und nach
meinen Beobachtungen andererseits nicht APV + \APV
sein könne, wie ich dieselbe früher experimentell gefunden
habe2), sondern nur APV betragen müsse. Da aber meine
Versuchsresultate dann mit denen der seinigen nicht in
' Uebereinstimmung zu bringen waren, so mussten nach seiner
Ansicht meine Resultate die fehlerhaften sein. Ohne irgend
welche Thatsachen beizubringen, erklärt Hr. Schuller, dass
meine noch wenig erprobte Methode mit Fehlern behaftet
sei, welche die Abweichung unserer Resultate erkläre.
Hr. Schuller behauptet ferner, dass meine Berechnung
der wahren chemischen Energie unrichtig sei, weil es nach ihm
nicht einerlei wäre, ob sich der während der Verbrennung
im geschlossenen Gefässe gebildete Wasserdampf bei 0° oder
bei 96,4° condensirte. Da dies mit dem bekannten Satze, dass
die Aenderung der inneren Energie durch den Anfangs- und
Endzustand vollkommen bestimmt ist und in keiner Weise
von den Zwischenzuständen abhängt, in offenbarem Wider-
spruche steht, bedarf diese Einwendung keiner weiteren
Widerlegung.
Die sonst wichtige Frage nach der wahren chemischen
Energie ist bei dem gegenwärtigen Stande der Wissenschaft
noch so zu sagen eine offene, nicht einmal bestimmt definirte.
So lange noch viele wichtige, hierher gehörige Thatsachen mit
Sicherheit nicht festgestellt sind, ist eine Discussion derlei
noch nicht spruchreifen Fragen für die Wissenschaft wenig
erspriesslich und bewirkt oft mehr Verwirrung als Klärung.
1) Schuller und Wartha, Wied. Ann. 2, p. 371. 1877.
2) C. v. Than, Wied. Ann. 18. p. 101. 1881.
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C. v. Than.
423
Von höchster Bedeutung ist aber gegenwärtig für die Wis-
senschaft die Begründung sicherer Methoden und Thatsachen
bezüglich der bei den chemischen Processen entstehenden
Wärmemengen. Dies war der ausgesprochene, von der Aca-
demie unterstützte Zweck meiner Untersuchungen. Da Hr.
Schuller gerade die richtige Lösung dieser Aufgabe durch
seine obenerwähnte Behauptung angegriffen hat, lege ich
blos auf die Widerlegung dieser Behauptung ein Gewicht,
umsomehr, da dann die übrigen Einwendungen als einfache
Consequenzen notwendigerweise hinfällig werden.
Hr. Schul ler geht bei der Begründung seiner obigen
Behauptung von der nicht bewiesenen Annahme aus, dass
bei seinen Versuchen der Druck im Inneren der Flammen-
atmosphäre in den Dampfschichten, wo sich die Conden-
sation vollzieht, genau gleich dem äusseren Drucke war;
ferner von der weiteren Annahme, dass unter seinen Ver-
suchsbedingungen eine Contraction während der Verbrennung
stattfinde. Nach dem, was ich im Vorhergehenden unter den
Punkten 2) und 3) über diese Versuchsbedingungen ausein-
andergesetzt habe, sind aber die fraglichen Annahmen voll-
kommen unzulässig. Man muss im Gegentheil auf Grund
meiner Versuche über die Verbrennungswärme des Wasser-
stoffes bei constantem Volumen annehmen, dass eine Con-
traction bei den Versuchen der Herren Schul ler und
Wartha nicht stattfinden konnte, und dass eine bedeutende
Druckdifferenz zwischen dem äusseren Drucke der einströ-
menden Gase und der Spannung des sich condensirenden
Wasserdampfes vorhanden gewesen. Hieraus folgt, dass das
Wärmeäquivalent der bei der Condensation des Wasser-
dampfes geleisteten eigentlichen äusseren Arbeit \APV ist;
während durch die Druckdifferenz eine Energie der fort-
schreitenden Bewegung erzeugt wird, deren Wärmeäquivalent
A PV beträgt, sodass im ganzen der thatsächlich von mir
experimentell gefundene Unterschied von APV +\APV
zwischen unseren Versuchen vorhanden sein muss. Der
Irrthum, welchen Hr. Schuller durch seine obigen Annah-
men begangen hat, ist genau auf denselben Grund zurück-
zuführen, welcher den Widerspruch zwischen den bekannten
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424
C. v. Than.
Versuchen von Hirn1) und Regnault über die latente
Wärme des Wasserdampfes verursacht hat. Dies ist von
E. V erdet2) sehr klar beschrieben und erklärt. Hier sieht
man ganz deutlich, warum die Versuche von Hirn mit den
Regnault'schen Versuchen im Widerspruche sind. Es ist
dies ein getreues Bild der fehlerhaften Bedingungen, welche
bei den Versuchen der Herren Schuller und Wartha rea-
lisirt waren. Zufolge dessen ist Hr. Schuller nicht berech-
tigt, seine Versuchsbedingungen mit denen der Regnault'schen
Versuche über die latente Wärme des Wasserdampfes , auf
welche er sich mit besonderer Vorliebe bezieht, zu identifi-
ciren. Bei den Versuchen von Regnault war bekanntlich
die grösste Sorgfalt darauf verwendet, und auch alle Bürg-
schaften waren dafür vorhanden, dass der Druck in allen Thei-
len seines ausgedehnton Apparates überall vollkommen gleich
sei, dass daher die Condensation des Dampfes in der mit
der äusseren Atmosphäre direct communicirenden und sehr
geräumigen Condensationskammer (etwa 6 lit.) nur unter
solchen Umständen stattfinden könne, unter welchen die
Möglichkeit der Erlangung einer bedeutenden Geschwindig-
keit des einströmenden Dampfes zufolge von Druckdifferen-
zen vollkommen ausgeschlossen war. Diese Bedingungen
waren bei den Versuchen der Herren Schuller und Wartha
hauptsächlich dadurch, dass die Verbrennungskammer sehr klein
und auf 0° gekühlt gewesen, während der Hahn N abgeschlossen
war, gerade so wie bei den Hirn'schen Versuchen, nicht er-
füllt Es kommt offenbar in dieser Beziehung auf dasselbe
heraus, ob Wasserdampf oder verbrennendes Knallgas in die
geschlossene Condensationskammer unter bedeutender Druck-
differenz eingeführt wird. Verdet spricht sich in dieser Be-
ziehung folgendermassen aus: „Toute mesure calorimetrique
dans laquelle ii s'est produit une Variation d'energie sensible
un peu considerable sans qu'on en ait tenu compte est une
experience defectueuse." An einer anderen Stelle sagt er:
1) Hirn, Rech, sur l'equiv. niec. de la chal. p. 154. 167. 1858.
2) E. Verdet, Theor. mec. de la chal. 1. p. 67 und 73. Paris 1868
(deutsche Bearb. von Rühlmann, 1. p. 216).
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C. v. Than.
425
„Cest seulement dans le cas des vapeurs que des erreurs
ont pu et peuvent encore etre commises. Tout experience
sur les chaleurs latentes de Vaporisation, oü Ton n'applique
pas ä la vapeur qui se condense un travail exterieur pre-
cisement egal au travail qu' eile a developpe en se formant,
est vicieuse en un point essentiel et ne peut donner de
resultat certain etc." Dies ist der wahre Grund, weshalb
nach der Auffassung des Hrn. Schuller unsere Versuche
nicht übereinstimmen können, geradeso wie die Versuche
von Hirn und Regnault. Verdet2) und Zeuner8) spre-
chen ihr Bedauern darüber aus, dass man in ähnlichen
Fällen die aus der vernichteten lebendigen Kraft hervor-
gebrachten Wärmemengen, welche eben die Versuche un-
sicher machen, nicht berechnen könne. Ist meine Inter-
pretation richtig, so verschwindet diese Unsicherheit und
die Versuche der Herren Schuller und Wartha sind
dann für die Wissenschaft zu verwerthen. l)
'Um Gewissheit zu erlangen, unterwarf ich zur endgül-
tigen Erledigung der obschwebenden Frage, dieselbe einer
neuen experimentellen Prüfung. Zu diesem Behufe stellte
ich nach der Bestimmung des Quecksilberwerthes der ge-
wöhnlichen Wärmeeinheit jene Vergleichung der Angaben
verschiedener Forscher bezüglich der Verbrennungswärme
des Wasserstoffes an, welche ich im Vorhergehenden be-
schrieb. Aus Gründen, die ich dort namhaft gemacht habe,
ist daran nicht zu zweifeln, dass die Versuchsbedingungen
des Hrn. J. Thomsen genau jenen Bedingungen entsprechen,
die Kegnault bei der Messung der latenten Wärme des
Wasserdampfes beobachtet hat. Gerade diese Bedingungen
sind aber bei den Versuchen der Herren Schuller und
Wartha, sowie bei denen von Favre-Silbermann, wie
ich oben nachgewiesen habe, nicht erfüllt gewesen. Ist dies
richtig, so muss der Unterschied zwischen meinen Versuchs-
resultaten und jenen des Hrn. Thomsen gerade APV sein,
1) Verdet, 1. c. Note J zu der Einleitung.
2) Verdet, 1. c. p. 67.
3) Ze uner, Lehrb. der mech. Wärmetheorie -* p. 265. 1866.
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426
H. Lorberg.
wie dies Hr. Schuller für seine Beobachtungen in Anspruch
nimmt. Andererseits muss der Unterschied zwischen der
Thomsen'schen Zahl und dem Ergebnisse der Versuche von
den Herren Schuller und Wartha genau \APV betragen.
Dies ist wirklich der Fall, denn die auf diese Art berech-
neten Verbrennungswarmen bei constantem Drucke zeigen
im ersteren Falle nur 0,04 °/0, im zweiten 0,07 °/0 Differenz,
also Differenzen, die bei Vergleichung experimentell bestimm-
ter Werthe überhaupt nichts zu wünschen übrig lassen.
Da nach dem Obigen die Einwendungen und Behaup-
tungen des Hrn. Schuller nur daraus entspringen konnten,
dass er das Wesen seiner eigenen Versuche nicht richtig auf-
gefasst hat, so betrachte ich diese Einwendungen auf Grund
der in dieser Abhandlung beigebrachten Thatsachen als
widerlegt. Aus denselben Thatsachen geht für die Richtig-
keit der von mir befolgten Methode und der dadurch er-
haltenen Verbrennungswärme des Wasserstoffes von neuem
eine jeden Zweifel ausschliessende Bestätigung hervor.
Payerbach, Juli 1881.
HI. Ueber Würmeleitung in einem System von
CyUndern, und über die experimentelle Bestim-
mung der Leitungsfähigkeit des Wassers;
von JET. Lorberg in Strassburg. , 1>T ^
(Fortsetzung von p. 308.)
§ 3. Näherungsweise Berechnung bis zur ersten Potenz
der ß incl.
Nach den Gl. (12) ist ganz allgemein:
wo in ßixix alle Glieder zusammengefasst sind, welche in #
und ßi+i von höherer als der ersten Ordnung sind. Dadurch
gehen die .Gl. (6) über in:
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H. Lorberg.
427
Bi+i , = Si *7'T (cos gix Bi% - qix sin qix Cix)
^ cos g. . B{ T -git.Bingit. Ci9.
(13) /riny,-, \
— ^-J?it.+ C08?|X. ClT,
wo *2 bedeutet, dass in der Summe das Glied r'= r aus-
zulassen ist. Wir schreiben diese Gleichungen abkürzend:
Bi+itl = bix Bit 4- cit Cix -f ef i '^>&|T- -ß. t +<mv d i
T
(13.)
Die Auflösungen dieser Gleichungen, unter Berücksich-
tigung der Gl. Ci, = 0, erhalten ganz allgemein die Form:
(14)
Bix = aixB\x + € »2«fx Bix ,
T
Cix = aix l?ix + £ t 'S «iz #u ,
wo c ein Factor von der Ordnung der «, oder ß{ ist, und die
Gl. (6b) geht über in:
(#nt"m — anx)B\x — — er^(Hnxa'nx — aiT.)^i,..
x
Setzen wir nun Bia= 1, so gibt die letzte Gleichung:
(a) #»0rt«a-«»o= - er^(Hnaanx.- anx)Bu-,
und wenn t von (T verschieden istL
(Hnt (inj — anx) B\x
= -t(Hnx ano - «;,) - e (4, - *'nt •) A...
(b)
Die letzte Gl. zeigt, dass für jedes von 6 verschiedene
t 2?iT von der Ordnung e, also die rechte Seite der Gl. (a)
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428
H. Lorberg.
von der Ordnung «2 ist; mit Vernachlässigung von e2 erhal-
ten wir also aus (a) und (b) an Stelle der allgemeinen Glei-
chungen (9) und (8):
(I) Hn„an - ana = 0,
-ff« , ., — <*'.
(ii)
nu
(t von <t verschieden),
Bu = Ii Cit "0 für jedes r,
und weiter aus (14) für i>1:
B{9 = </»„ , =as «if< .
Was die wirkliche Darstellung der aix etc. betrifft, so folgt
aus (18 ») und (14), wenn wir den Index r zur Abkürzung
fortlassen:
(c) ai+i = b{ ai + a cei , = Yi ca ■+■ «i ,
woraus, wenn wir:
(d) X - 1, pS-! = - i~~ r> + *h-i) - ;>;_, =
setzen, für die a, die Recursionsgleichung folgt:
Aus letzterer Gl. ergibt sich:
alt = 1 , a2t = b\x.
wo Py_%, Pf-t nacn der gewöhnlichen Bezeichnungsweise
Unter determinanten der Determinante P = 2 =F />5 • • • PZ Z l = 1
sind, in welcher p\_2, p\_v p\ die in Gl. (d) angegebenen
Werthe haben, während alle übrigen Elemente = 0 sind.
Ferner folgt aus (c):
(15)
(15.)
«Ii * 0, «2 t == (#lt .
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H. Lorberg. 429
Endlich geben die GL (13,) und (14), wenn wir:
~ (b'io aia + c'iu Ui„) = rlo, [ßi9 <na + y'io aia) = gia
e c
setzen :
a'i+i.o 0 bi% ö-0+cit ti9+ri9t ct'i+\,a = #i «i» + /«x + Pia,
woraus:
und hieraus:
1
«i.= 7— j'i-i,,-/3i-i..H-1..+ci-i..-7— -r,-!,.
S — l,i — 1,» ' S — l,t
Hierin ist mit dem angenommenen Grade der Annäherung
nach (13) und (13,) zu setzen:
Air- 1 (nur A<o-l-Je/Ji),
A'+l T = Vit = 1 (nur i/,o = 1 - !<>«,),
(17)
öix — $i v, t cos qit , ei t — — öi Vi x qit sin qit ,
sin
ßix = Vix—l > /'it= l'iT COS ?it,
ff 2n 8m?<^
Schliesslich gehen die Gleichungen (11) und (11,) über in:
n
(18)
wobei für a = 0 das zweite Glied in wegfallt.
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430 H. Lorberg.
Für n = 3, den Fall des Weber'schen Problems, ergibt sich
aus den vorstehenden Formeln, wenn man tg qitiqir = Git setzt:
diT = 1 , €t\x = 0,
sin y j
«2 * = bX t = ^ V! r COS „ Cf2 r = r = Vi r - >
(19) { ^i-
a3z = *lT^2r + ^ltC,2r = ^Vflrl'2rC085'lrCOS^2r(^l ~ ?2r£lxG8t)
<*3x = *lt^2r + /?lc^2r = Vi « * 2 « COS ?lx COS qt , (ft , + <?1 ^2t)
und die Gl. (I) zur Bestimmung von fjL0, geht über in:
(20) lg8 i- 2tf- = <?2 i = (32 H*a<
ft.-— , qh- $!{-}—?-)■
Der Fall n = 2 ist in dem Falle n = 3 enthalten, wenn
man £i = 0, also yit = 0, l/£i = 0 setzt, wodurch die Gl. (20)
übergeht in: G2a = <*2 Hiu.
Dass alle Wurzeln |U*, der Gl. (20) reell sind, ist schon
oben bewiesen. Dass sie aber auch sämmtlich positiv sind,
wie es sein muss, wenn sie eine physikalische Bedeutung
haben sollen, folgt mit Hülfe der Gl. (3) daraus, dass nicht
alle drei Grössen q?0 < 0 sein können, da dann die linke
Seite der Gl. (20) positiv, die rechte negativ sein würde.
(Dasselbe lasst sich von der allgemeinen Gl. (I) durch Ver-
wandlung von anajana in einen Kettenbruch zeigen). Für
alle Werthe von q2 von — oo bis +00 ist G eine wach-
sende, H eine abnehmende Function von q2 oder p2 zwischen
je zwei Grenzen, zwischen denen sie nicht unendlich wird.
Die Function: „ , , „
p Gi + 0i6ra
wird nur unendlich, wenn der Nenner 0 wird, d. h. wenn
08*802 = <?i0ictg0i *st; diese Gleichung hat in jedem Inter-
vall q2 = n(2n— l)/2 , n(2n + l)/2 wenigstens eine Wurzel.
Setzen wir nun F= Gt-\- K, wo:
Jl „Iß" N
so ist nach dem oben Bemerkten N eine abnehmende Function
von fA2j also geht zwischen je zwei solchen Wurzeln Ä'und folglich
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H. Lorberg. 431
auch F von — oo zu 4-00, während H abnimmt; mithin hat
die Gl. (20) zwischen je zwei Wurzeln der Gleichung q2t%q%
= ölqlctgql wenigstens eine (reelle) Wurzel.
§ 4. Wasser zwischen zwei Kupferplatten.
Setzen wir j-J^ m x, so wird, wenn der erste und dritte
Cylinder von demselben Stoße sind, q1=*xq9, l/^=x^2.
Bezeichnen wir von jetzt an der Bequemlichkeit halber die
auf den zweiten Körper (das Wasser) bezüglichen Grössen
mit k etc., die auf den dritten (die obere Kupferplatte) be-
züglichen mit kx etc. und setzen:
*> M-l Ä-« •
also: |i = - ,
so gellt die Gl. (20) über in:
tg qa + ^ tg (aftj i ^ tggltf
(22) v-l^-r - 5 — r— ?U-t ■ oder:
(22.) **' =S<p(q„), wo:
A
i-tgywtgxj^H- — (tgft. + tgKfu)
(22b) ^ — : — " — ; Titjv^i
Dabei ist nach Gl. (3), wenn sich qut, qu$ auf irgend
eine Wurzel pj, der Gl. (22) beziehen, und wenn wir:
2,
(23)
f! (^f!. - P?) = = *i + J (°I - l) setzen,
(24) tf. - «' ($ + ff) - «? (^r + %") • woraus :
(24.) 7!..- -(».*.- #.').
Die Dimensionen der Cylinder mögen etwa denjenigen
entsprechen, welche Weber bei seinen Versuchen anwandte;
432
H. Lorberg
bei diesen war (cm und Minute als Einheiten genommen)
0 = 8, |- 0,231, f, = 1,023, x = 0,5; jedenfalls wollen wir
weder noch als sehr gross voraussetzen. Für die
Leitungsfähigkeit k des Wassers will ich den Werth nehmen,
der sich, wie ich in § 5 und 6 zeigen werde, aus den We-
ber'schen Beobachtungen als der wahrscheinlichste ergibt,
k = 0,08317 für eine Temperatur von etwa 4° (der von
Lundquist nach der Angström'schen Methode gefundene
Werth ist für 40° k = 0,09333); für ^ und hx nehme ich die
schon in § 2 angegebenen Werthe. Ueber den Werth von
Ä, die äussere Leitungsfähigkeit des Wassers, scheinen keine
Bestimmungen vorzuliegen, und es lässt sich darüber um so
weniger etwas angeben, als darin auch der Effect der Ver-
dampfung an dem freien Rande der Wasserlamelle enthalten
sein muss, welcher möglicherweise die Temperaturerniedrigung
durch Strahlung bedeutend überwiegt. Ich will daher ß —
hjk unbestimmt lassen; wäre h gleich dem Strahlungsvermö-
gen des Kupfers = 0,006, so würde ß = 0,0725 sein; jedenfalls
wird man ß beträchtlich kleiner als 1 annehmen dürfen. Dem-
nach ist, wenn wir die für die Dimensionen der Weber'schen
Beobachtungen geltenden Zahlen in Klammern beifügen:
Ä = «2 = 0,08317, f=l, £ = 0,8262, h, =0,006, 0,00012,
«5 = 60,52, <?= 0,001 66. ( = 0,00733), « = 1,2103 . 1 ( = 0,2733),
X- = 0,00012 . £ (= 0,00012), x < 1 (= J) .
a) a = 0. Hier ist:
fr0*~ — (0,0877-/9) ( = 0,0012-0,1611. h).
Ist #02>0, so muss «2>0 sein, da sonst nach (24 a) auch
«j2<0 sein würde, was nach dem zu Ende des vorigen §
Bemerkten nicht möglich ist; sollte in diesem Falle eine
Wurzel fcf<0 existiren, so würde «<#0<jr/2, also die
linke Seite der Gl. (22) >0, dagegen die rechte <0 sein;
es gibt daher keine Wurzel qx 2 < 0. Ist dagegen fr02 < 0 =
— #2, so ist nach (23) &2 <(^2/Q2)2oß] sollte es nun eine
Wurzel g2<0 geben, so müsste:
ft»>0 und <i*»<^^.2P/»<*«
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//. Lorberg.
433
sein; in diesem Intervall ist aber tgq/q<\, dagegen nach
(22b):
also jedenfalls > 1. Sämmtliche dem Werthe a = 0 ent-
sprechende Wurzeln q2 und qx 2 der Gl. (22) sind also positiv.
Nun ist nach (24a):
?. = \ t V<F- -V, «-o j/JK = o;o37 .
(mit den Weber'schen Dimensionen =0,16);
ist also, wie wir annehmen wollen, |i/|<10, so ist qx <Jy,
also bis q — \n \%\^qx < ff/2, mithin (p{qx) (in welchem wir
das mit d2&02 multiplicirte Glied des Nenners vernachlässigen
können) beständig abnehmend; da nun von q = 0 bis q —
7i/2tgq/q von 1 bis oo beständig wächst, während <p(qx)
anfangs — \fl bis — oo, dann von + oo an beständig ab-
nimmt, so liegt in dem Intervall q — 0 bis q — ff/2 eine ein-
zige Wurzel.
Eine zweite, und nur eine, liegt in dem Intervall y =
ir/2, 3. wo tgqjq von —00 bis -f- oo wächst, während
qp(7j) abnimmt; für diese Wurzel ist nach Gl. (24) /*2> {a2j£2) n2f
mithin bei den Dimensionen der Weber'schen Versuche
fi2 > 15, sodass schon nach einer Minute das betreffende
Glied auf weniger als ein Milliontel seines Anfangswerthes
herabsinkt; man kann daher dieses und umsomehr alle fol-
genden Glieder schon nach .30" vernachlässigen.
Wir haben hiernach nur die kleinste Wurzel q der Gl.
(22 a) zu berechnen. Indem wir zunächst {r02 und X vernach-
lässigen, ergibt sich, dass, wenn |1/|<10 ist, der der klein-
sten Wurzel q entsprechende Werth von ql so klein ist, dass
man mit einem Fehler <4 . 10~6 tg^ -fjft3 setzen kann,
wodurch die Gleichung mit Vernachlässigung von <)2, XS,
Xftf2 übergeht in:
(25) i?tg0-l~~**a+iAHJ^
Setzt man also q2=q02+x, wo q0 die kleinste Wurzel der Gl.:
Ann. d. Phje. u. Chera. N. F. XIV. 28
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434 H. Lorberg.
(26) qtgq = a=i
(27) » + setzt,
ist, so wird, wenn man:
I
2 ' 2«
- i»**-ilß+i)t-HI-
Vernachlässigen wir in dem Factor der letzteren, an
sich schon sehr kleinen Grösse den sehr kleinen Bruch 3
gegen 1 , so erhalten wir schliesslich die den Werthen er —
s = 0 entsprechenden Werthe:
(iii)
(in.)
+ 4
Mit den Dimensionen der Weber'schen Beobachtungen,
wobei:
« = 0,2733, ?02 = 0,2501
ist, gibt dies:
' q2 = 0,2539 - 0,1472 . \ , q2= 0,00662-0,00002 . 4- •
'S f
(28)
fi2 = 0,3940 + 0,02 • i- •
Der Radius g kommt in dem Ausdruck von q2 nur in
den Verbindungen p/g.hjk und |8/^.ä/A vor, in u2 nur in
den Verbindungen hjp und Ä/p, hat also wegen der Klein-
heit von hx und h nur einen sehr geringen Einfluss. k kommt
in q2 nur in den Verbindungen a2/a18 = ^1/^.Ä/Ä1 und [(2/p-f-
1 /{jJÄj /Cj — 2/o.A/f] |2//t, in ju2 nur in er sterer Verbindung
vor; Ztj nur in der Verbindung Mit sehr grosser An-
näherung wird daher q2 von k und Äj unabhängig =* q02,
i
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H. Lorberg. 435
ju2 proportional mit a% und unabhängig von Aj, sodass bei
Versuchen mit verschiedenen Flüssigkeiten der durch die
Beobachtung bestimmte Exponent geradezu als Maass der
Constante a2 = £/{ betrachtet werden kann. Ferner ergibt
sich leicht, dass sämmtliche Wurzeln /uj , der Gl. (22) mit
dem Wachsen einer der Grössen g, |u g abnehmen, dass
also mit wachsenden Dimensionen der Platten der Tempe-
raturablauf langsamer wird.
b) g> 0. Hier kann man nach (23) setzen:
•v=£(:v-i)*.>,
also mit den Weber'schen Zahlen &„ = 0,7801 . nu. Für
<r=l ist = 2,993 = 171°, die kleinste Wurzel q liegt
zwischen tt/2 und &l (genauer zwischen \n und Ja), und für
dieselbe ist q^ < 0, /a2 = ^(n^jg2 + q > 9, sodass das
betreffende Glied schon in 1' auf weniger als 0,0001 seines
Anfangs werthes herabsinkt. Die zweite Wurzel ist > n\ für
a > 1 sind die Wurzeln noch grösser. Die den Werthen '
<r > 0 entsprechenden Glieder des Ausdruckes (A) in § 2
können daher weggelassen werden, umsomehr, als für o > 0
nach den GL (18), (11) und (IIa) Aut von der Ordnung der
ß ist.
Wenn wir also die Temperatur erst etwa nach Verlauf
einer Minute vom Beginn an betrachten, so wird dieselbe
durch das dem Werth ff«i«0 entsprechende Glied des
Ausdruckes (A) in § 2 dargestellt, also durch: t
(IV)
(V2^-~)r sin(?i0^) 1
Da die Coefficienten C«, nach den Gl. (II») des
§ 3 mit e = ß — ß1 multiplicirt sind und ausserdem die Fac-
toren von e (wenigstens in «j und u.6) bei den Dimensionen
der Weber'schen Versuche sehr klein sind, so können wir
die mit diesen Coefficienten multiplicirten Glieder vernach-
28*
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436
IL Lorberg.
lässigen; setzen wir für ai0 und ai(i die Werthe der Gl. (19)
ein, wenden wieder die zu Anfang dieses Paragraphen ein-
geführten geänderten Bezeichnungen an und setzen:
A
00
xÖ
1 +
so erhalten wir für die Temperatur der unteren Kupferplatte,
des Wassers und der oberen Kupferplatte:
sin xqxx
?1
*o \
cos
sin ?.r
4- (5 — — - *l cos q x I
9i )
u
3
sin o- . sin x
1 cosx?t +<? cos?
, . sin
COSft + A
iST1— [C0S^(1-J
+ — sin (1
-*)]
wo 7, ^ und jtt3 die in den Gl. (III) und (IIIa)> resp. (28)
angegebenen Werthe sind, und wo x das Verhältniss der
Dicke der unteren Kupferplatte zu der der oberen, .r für
jede Platte den durch ihre Dicke dividirten Abstand eines
Punktes von ihrer unteren Fläche bedeutet. Wegen der
Kleinheit der Grössen q1 2 = 0,00662 und X — 0,0001 bei den
Dimensionen des Weber'schen Apparates schwankt der letzte
Factor des Ausdruckes von uv während x von 0 bis 1 wächst,
nur zwischen 1 und 1 — 0,0034; die obere Kupferplatte kann
daher in der That, wie es Weber voraussetzt, mit grosser
Annäherung als ein isothermer Raum angenommen werden.
Von derselben Ordnung ist die Abweichung der Temperatur
der Unterseite der Wasserlamelle von 0°, welche letztere
Weber voraussetzt; ihr Verhältniss zu der Temperatur der
Oberseite ist nämlich nach (IVa):
^ sin x qt
— =3 _X_ -te^ii = o,0038 .
■qx älUq qx
sin q t
^ *- C08 xqx -f 6 COS?
sm x i
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H. Lorberg.
437
Die Gleichung für q, welche Weber aus seinen in der
Einleitung besprochenen Voraussetzungen ableitet1), lautet
mit unseren Bezeichnungen:
«V \q St' ti
während die Gl. (25) geschrieben werden kann:
1 , . . [7 2 l\ h, 2 h 1
+ !*-[(! + *) fj ^+»§]ä«
welche bei Vernachlässigung von ä, A, a*/aj mit der Weber'-
sehen Gleichung übereinstimmt.
§5. Berechnung der Leitungsfähigkeit des Wassers aus den
Beobachtungen Webers.
Weber begann die Beobachtung 2J' nach dem Moment,
wo das aus den zwei Kupferplatten und der dazwischen be-
findlichen Wasserlamelle bestehende und auf der Zimmer-
temperatur befindliche System in den mit der Hülle von der
Temperatur 0 umgebenen Raum gebracht und auf eine Eis-
platte aufgesetzt war; nach dieser Zeit sind, wie im vorigen
Paragraphen gezeigt wurde, alle Glieder der Ausdrücke (A)
des § 3 mit Ausnahme des dem Werthe <r = 0, s = 0 ent-
sprechenden vollkommen unmerklich geworden, sodass von
da an die Temperaturen durch die Gl. (IV) des vorigen
Paragraphen dargestellt werden, d. h, durch Ausdrücke von
der Form: u = Ce-*{ , ux = <rt** ,
wo C und Cj Functionen der Coordinaten sind. Die Tem-
peratur Mj eines bestimmten Punktes der oberen Kupfer-
platte wird proportional der Galvanometerablenkung # ge-
setzt (wobei es ganz gleichgültig ist, welchen Punkt man dazu
wählt; dass Cx nahezu von den Coordinaten unabhängig ist,
kommt selbstverständlich nicht in Betracht); sind dann xn
und rn + i die Ablenkungen nach n und w + 1 Minuten, so
folgt aus der vorstehenden Gleichung:
M 10log.rB - 10logTM + i = Mft*,
1) L c. p. 121.
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438 H. Lorberg.
wo M— 0,43429 der Modul der dekadischen Logarithmen ist.
Um a2 direct durch den so beobachteten Werth von p2 aus-
zudrücken, benutzen wir die Gl. (III*) des vorigen Paragra-
phen, aus welcher folgt:
(V) a»
wo «, q0, N durch die ÖL (26) und (27) bestimmt sind.
Dieser Ausdruck zeigt, in welcher Weise k von der
beobachteten Grösse p.2 und von den Constanten des Appa-
rates abhängt. q0 ist von beiden Leitungsfähigkeiten unab-
hängig; bei dem Weber'schen Apparate war a — 0,2733,
q02 bs 0,2501. Die Leitungsfähigkeit ^ der Metallplatten
kommt, ausser in Verbindung mit der sehr kleinen Grösse
Äj, nur im Nenner vor; ein Fehler dk^ in der Bestimmung
von gibt in a2 einen procentischen Fehler:
z. B. ein Fehler von 5°/0 in *i (so viel betragen ungefähr die
äussersten Abweichungen der verschiedenen Bestimmungen
der Leitungsfähigkeit des Kupfers vom Mittel) gibt in k nur
einen Fehler von 0,03°/0> was als ein besonderer Vorzug der
Methode anzusehen ist. Dagegen gibt ein Fehler von n°/0
in der Bestimmung der Grössen jul, £, gj, £, f, auch einen
Fehler von ungefähr n% in a2. Z. B. Weber setzt £, = 0,8262,
während Wüllner1) Jj = 0,8079 angibt; diese Abweichung
= 0,022 würde in a2 eine Abweichung 0,91 .0,022. a2
= 0,0016 geben.
Für die Dimensionen des Weber'schen Apparates ergibt
sich aus (V):
= 1 - 0,01553 . 9
0,21836 . p8-0,2894 • ^ - 0,0046 . A
,2 — ki_ L
also wenn man = 0,006, £j = 0,8262 setzt:
0,21336 . j*a - 0,00174 - 0,0046 . 4
ü * 1 - 0,01553 . n*
l) Wüllner, Experimentalphysik 3. p. 286.
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H. Lorberg.
439
mithin, wenn man = 0,39556 nimmt, welcher Werth sich,
wie ich im folgenden Paragraphen zeigen werde, aus einer
der Weber'schen Beobachtungsreihen als der wahrscheinlich-
ste ergibt, und J = 1 setzt:
(29) k = 0,08317 - 0,0046 . A,
und zwar folgt aus dem im folgenden Paragraphen sich her-
ausstellenden mittleren Fehler Ton ju2 in k ein mittlerer
Fehler = 0,00014. Die Weber'sche Gleichung (ce) zu Ende
des vorigen Paragraphen würde an Stelle der GL (V), wenn
wir mit Weber Ii vernachlässigen, geben:
h = 5t1 " *v (t + t) !;] = 0,21336 • ^ " 0,2394 * ! =0>08266>
also einen nur ganz unbedeutend abweichenden Werth; da-
gegen nimmt Weber infolge einer anderen Berechnungsweise
seiner Beobachtungen (vgl. § 6) ju* = 0,3680 l) und erhält
daraus k — 0,0768, als Mittel aus mehreren Beobachtungs-
reihen k = 0,0745.
Weber hat noch eine zweite Beobachtungsreihe ver-
öffentlicht, bei welcher die Unterseite der unteren Kupfer-
platte sowie die das System umgebende Hülle auf der con-
stanten Temperatur 18,5° erhalten wurde. Für Wasser kann
man nach Kopp2) für eine Temperatur u zwischen 0
und 25°:
| = 1 + 6.10-6«- 77.10-7m2,
und nach Regnault:
£ = 1 + 4. 10-5k + 9. 10~7 U2f
also: 4- = 7?f = 1 + 0,00010 . u - 7 . K)-««2
setzen; ferner für Kupfer nach Fizeau3):
§-= 1-5.10-»«,
und nach Bede4):
1) 1. c. p. 308.
2) Wüllner, Experimentalphysik 3. p. 71.
3) Wüllner, Experimentalph. 3. p. 35.
4) Wüllner, Experimentalph. 8. p. 476.
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440 H. Lorberg.
& « 1 + 51.10-"'//. also: A = 1 + 46.10-5w.
Darnach ist für 18°:
üü = 1 -36.10-5. 18- 7.10-". 182 = 1 - 0.00875.
«0
was, da: du = %i^ = 0,2286 ^ _ -0,0020 ist,
die für 18° geltenden Werths:
a = 0,2709, q02 = 0,2481
gibt. Mit diesen Werthen erhält man:
0,21508 . i4 58 - 0,2415 . ^ - 0,0046 . 4
a* — n »_ ,
18 1 - 0,01552.^4»
also für 7^ = 0,000, £= 0,8345, 0,9995, p* = 0,42877.
welcher letztere Werth sich nach dem folgenden Paragra-
phen aus den Beobachtungen als der wahrscheinlichste ergibt:
(30) = 0,09108 - 0,0046. Ä.
Weber1) nimmt ju2 = 0,4085, woraus sich k = 0,0867.
oder als Mittel aus mehreren Beobachtungsreihen2) k= 0,0857
ergibt.
Für welchen Punkt des in der ersten Beobachtungsreihe
für die Kupferplatte von 15° bis 4°, in der zweiten von 36°
bis 22° gehenden Temperaturintervalles diese Werthe von
k und eigentlich gelten, lässt sich natürlich nicht ent-
scheiden; da aber, wie ich im folgenden Paragraphen zeigen
werde, die Beobachtungen keine deutliche Aenderung von k
mit der Temperatur während einer Beobachtungsreihe erge-
ben, so erscheint es ebenso begründet — oder, wenn man
will, ebenso unbegründet — , diese Werthe für die Tempe-
ratur 0 und 18,5° gültig anzunehmen, als für eine ideale
Mitteltemperatur der Wasserlamelle, welche sich aus den in
den verschiedenen Punkten und zu den verschiedenen Zeiten
stattfindenden Temperaturen mittelst der Gl. (IV») des § 4
berechnen lässt, und welche für die erste Beobachtungsreihe
= 3,88 l, für die zweite =23,2° sein würde. Bei der ersten
Berechnungsart ergibt sich, wenn man:
= 1 + au =1 + a. 18,5 setzt, et = 0,00516;
1) L c. p. 319. 2) L c. p. 320.
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H. Lorbery.
441
bei der zweiten aus:
^ = 14-19,3.«, « = 0,00494.
^3.88
Mit dem Werthe « = 0,00494 würde kw = 0,08280 (1 + 36.«)
= 0,09737 folgen, während Lundquist1) bei einer Mittel-
temperatur von 38 bis 43° k = 0,0908 bis 0,0955 fand; in-
dessen kann die vorstehende Berechnung von « aus den zwei
Weber'schen Beobachtungsreihen nur als ein ganz roher
Näherungswerth angesehen werden.
§6. Berechnung von u- aus den Weber'schen Beobachtungen.
Abhängigkeit der Leitungsfähigkeit des Wassers von der
Temperatur.
Es bleibt jetzt noch die Art zu besprechen, wie der Ex-
ponent u2 der Gl. (V) aus den Weber'schen Beobachtungen
zu berechnen ist. Weber hat für Wasser nur eine Beob-
achtungsreihe bei einer Temperatur der Umgebung von 0°
und eine solche für eine Temperatur von 18,5° vollständig
mitgetheilt; ich gebe die erstere in Tab. I a. f. S. wieder. Die
erste Columne enthält die Nummer der Beobachtung für eine
Zwischenzeit von 10 zu 10 Secunden; diezweite den 10\ogx„.
wo xn die beobachtete Galvanometerablenkung; die dritte
die Differenz An je zweier successiven Logarithmen; die
vierte die Abweichungen der An vom Mittelwerthe ^ (log x0
~ log^Vt) = 0,02668; die fünfte die von Weber zur Berech-
nung von u2 benutzten Werthe von log;rH — L)garÄ+0.
Nach Gl. (a) des § 5 sollten nun die Zahlen der dritten
Columne constant =J3/u2 sein, ebenso die der fünften
= Mu2\ aus den Abweichungen derselben vom Mittelwerthe
schliesst Weber auf eine Zunahme der Leitungsfähigkeit
mit der Temperatur. Nun zeigt sich allerdings eine Ab-
nahme der Werthe von An in den Zahlen der letzten Co-
lumne, welche die Summe von je sechs successiven Werthen
von An sind; noch deutlicher ist diese Abnahme beim Ben-
zin, für welches Weber ebenfalls eine vollständige Beobach-
tungsreihe mittheilt. Indessen lehrt ein Blick auf die Zahlen
1) Lundquist, Upsala Universitets Arsskrift, 1869.
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442
H. Lorberg.
Tabelle I.
10log *«
Ii Xn
log
*rn+l
**
log —
•Si-f-6
0
2,42o70
0,02o51
-0,00117
0,16611
1
40019
02838
+
170
16o67
2
37181
02958
+
290
16579
3
34223
02o63
—
105
16354
4
3lb60
02969
+
303
16248
5
28691
AA H O
02*32
+
064
16208
6
259o9
02o07
161
16199
7
234o2
02SoO
182
16337
8
20602
02i33
+
065
16031
9
17869
0245 1
—
211
15916
10
15412
02929
261
1 6024
11
12483
02723
055
15822
12
09760
02640
—
028
15609
13
07H5
02544
124
lo628
14
04o71
02618
050
15529
lo
019o3
02565
103
lo265
16
1,99388
02727
+
059
15o02
17
96661
02510
158
15571
18
94151
02664
004
15618
1 o
Q1 AQ.1
V 140 <
223
0,15980
20
89042
02354
317
21
86688
02802
+
134
22
83886
02796
+
128
23
81090
02557
111
24
78533
0,02668
Tabelle!!.
10
log
10
log
xn~rn+12
0,17507
0,17517
17068
17414
17784
17539
17327
17365
16745
16935
17072
16800
17532
16743
17938
17173
0,17187
17422
17216
16399
15589
0,17136
der vierten Columne, dass beim Wasser diese Abweichungen
durchaus keinen regelmässigen Gang befolgen, den man durch
einen mathematischen Ausdruck darzustellen hoffen könnte.
Dessenungeachtet habe ich die Theorie unter der Annahme
durchgeführt, dass A, £, Äp fx Functionen der Temperatur
sind, und zwar k und J quadratische Functionen, da es nach
dem sonstigen Verhalten des Wassers nicht wahrscheinlich
ist, dass k sich durch eine lineare Function der Temperatur
genügend darstellen lassen sollte, wie dies ja von £ durch
die Beobachtung constatirt ist. Man erhält unter dieser An-
nahme nach einer Zeit, nach welcher sich bei Voraussetzung
der Constanz jener Grössen ux (und ebenso u) durch einen
Ausdruck von der Form:
(a') i^^Ae-t*1
darstellen lassen würde, jetzt einen Ausdruck von der Form:
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Ä Lorberg. 44$
wo, wenn man:
(b) ä = Ä0 (1 ^.au + ßu1)
setzt und für die Temperaturcoefficienten von Ax, f, ^ die
in § 5, p. 440 angegebenen Werthe nimmt, für die Punkte
der oberen Fläche der oberen Kupferplatte, deren Tempe-
ratur beobachtet wurde:
| « = 0,0125 - 6,4450.«,
(C) { b - - 0,0007 + 0,3403 . a + 28,730 . a* - 74,180 . /?
ist. Der Versuch, nach der Formel (a) die Weber'schen Be-
obachtungen mittelst der Methode der kleinsten Quadrate
zu berechnen, hat indessen das im voraus erwartete Resultat
bestätigt, dass die Genauigkeit der Beobachtungen nicht hin-
reicht, um eine solche Berechnung — wenigstens auf Grund
der einzigen vorliegenden Beobachtungsreihe — zu lohnen»-
weshalb ich die betreffenden Rechnungen hier unterdrücke.
Eine ungefähre Schätzung des Einflusses der Veränderlich-
keit jener Grössen erhält man, wenn man für a den oben
aus k0 und Äj8 gefundenen Werth 0,00516 oder 0,00494, oder
den Mittelwerth 0,005 nimmt und ß vernachlässigt; dies gibt-
a wm —0,0197, b = 0,0007, wodurch aus (a) folgt:
— „ n — *
10 log ^ -i>V=l0g
•r»+6
0,00643 c 6 - 0,00038 e
— - H — jj
1 - 0,01237 e 6 + 0,00032 e 6
Hiernach nimmt, wenn n von 0 bis 18 wächst, hn dem Zahlen-
werthe nach beständig ab von — 0,00267 bis — 0,00085, ist
also viel kleiner als die beobachteten Abweichungen der
Werthe von hn voneinander, welche nach der fünften Columne
von Tab. I bis auf 0,014 gehen, und erhebt sich schwerlich
viel über die Grenzen der Beobachtungsfehler; denn einem
Ablesungsfehler dxn entspricht in /*„ ein möglicher Fehler:
Md*J±-+^ -) = 3/(1 +eS)dxr« = 1,08^",
also für deji grössten Werth xn — 266 ein Fehler 0,004 dxm
für den kleinsten xn = 87 ein Fehler 0,012 dxn, also ein
Digil/zedi>y Googl
444
H. Lorberg,
Fehler, welcher, wenn man einen Ablesungsfehler d.rn — 0,4
Scalentheile als möglich annimmt, zwischen 0,0016 und 0,0048
schwankt. Ausserdem folgt aus den in (c) angegebenen Werthen,
unabhängig von der obigen, immerhin unsicheren Annahme
über den Werth von a, dass, wenn u> 0,0023 ist, hn mit
wachsendem n wächst und nicht, wie "Weber aus den Zahlen
der fünften Columne von Tab. I schliesst, abnimmt.
Wenn demnach die Veränderlichkeit der Grössen k1 f,
kl9 £x mit der Temperatur nicht hinreicht, die in der vor-
stehenden Tabelle hervortretenden Unregelmässigkeiten zu
erklären, so handelt es sich darum, eine andere Erklärung
aufzufinden. Eine solche — wenigstens für den grössten
Theil der erwähnten Unregelmässigkeiten — glaube ich im
folgenden, schon in der Einleitung berührten Umstände nach-
weisen zu können. Das System der zwei Kupferplatten und
der dazwischen befindlichen Wasserlamelle wurde in einem
bestimmten Moment auf eine Eisplatte herabgelassen und
sofort mit einer „dauernd auf 0° abgekühlten" cylindrischen
Kappe von Kupferblech umgeben. Dass nun dabei, wie
Weber annimmt, die Hülle wirklich von Beginn der Beob-
achtungen an die Temperatur 0° haben sollte, ist schwerlich
zu verbürgen; bezeichnen wir demnach mit & die Tempera-
tur der Hülle, mit — r0 den constanten Temperaturüberschuss
der Unterseite der unteren Kupferplatte über die Tempera-
tur der Umgebung, mit — Tj den daraus resultirenden sta-
tionären Temperaturüberschuss der oberen Kupferplatte, so
ist der wirkliche Temperaturüberschuss dieser Platte über
0° (von welchem man annehmen kann, dass er in der That
beobachtet wurde1), da die zweite Löthstelle des Thermoele-
ments durch Eis dauernd auf 0° erhalten wurde):
u = {r - r, + U,
wo U—Ae-f* der in § 4 bestimmte Ausdruck ist; setzen
wir also die (jedenfalls positive) Temperatur & — r1 = Ty so
tritt an Stelle der GL (a'j die folgende:
u = t + Aer-f**,
oder, wenn wir an Stelle der Temperaturen die proportio-
nalen Galvanometerausschläge setzen: .
1) Vgl. Weber, I.e. p. 124.
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II. Lorberg.
445
(1)
x = s -f Ae-^'.
Dabei kann 0" und somit auch r eine Function der Zeit
sein ; wir werden indess annehmen dürfen, dass zur Zeit des
Beginnes der Beobachtungen r oder s schon als constant
betrachtet werden kann. Aus der Gl. (1) folgt nun, wenn
n die Ordnungszahl der von 10 zu lOSecunden ausgeführten
Beobachtungen ist:
oder, da jedenfalls (s/A)2 vernachlässigt werden kann:
es nimmt also in der That, wie es die Zahlen der fünften
Columne in Tab. I zeigen, .r„/.r,l+6 mit wachsendem n ab.
Um nun zunächst einen Näherungswerth von /a2 zu be-
rechnen, leiten wir aus (1) die Gleichung ab:
(2) _Xn~*n+* =g£»
Nach dieser Gleichung habe ich in Tab. II p. 442 aus
den in Tab. I angegebenen Werthen von xn dieWerthe von:
10 log — " J'n+6- = und log - *■ -*"+!?- = Mfx2
berechnet; dass dieselben noch mehr als die Werthe von
\ogxn/xn+6 von derConstanz abweichen, ist nicht zu verwun-
dern, da ein Ablesungsfehler dxn einen Fehler M(dxnjxn) in
10logr„, dagegen einen Fehler Mfh'nj(xn—xn+v) in log (.*•„— rn+v)
gibt; ein Ablesungsfehler dxH = 0,4 Scalentheile würde in den
letzten Werthen von logj-,, — xn+6 j xn+fi — .rn+i2 einen Fehler
= 0,011 zur Folge haben. Jedenfalls zeigt sich in diesen
Zahlen keine Spur eines gesetzmässigen Ganges mehr. Das
Mittel aus den beiden in Tab. II angegebenen Mitteln ist
Myfi = 0,17161, woraus fi2 = 0,3951.
(»+«)
'rn+Q
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446 U. Lorberg.
Weiter folgt aus (1) die Gleichung:
(8)
*»+" ~ S _ ~ 6 V
woraus:
*„-«
(4)
, ~ 6 V
Mit dem Werthe p2 = 0,3951 ergeben sich nun die in
Tab. III aufgeführten Werthe von:
gn = *n+e - e-fxn = (1 - 5
und - .r,4+12 - <?- Vi, = (1 - tr**) s.
Tabelle HL
Tabelle IV.
9n
9n
*.
K
K-
- M?*
K-
0
2,3
4,3
0,17262
0,17202
+ 0,00078
+ 0,00028
1
2,3
3,8
17258
17304
+
74
+
130
2
2,1
4,3
17318
17207
+
134
+
33
3
2,8
3,0
4,8
17135
17089
49
85
4
4,5
17050
17140
134
34
5
2,9
4,8
17091
17095
93
79
6
2,7
4,9
17142
17048
42
126
7
2,2
4,3
17351
17209
167
+
95
8
2,9
4,8
17093
17073
91
101
9
3,0
5,1
17042
16951
142
223
10
2,5
4,3
17231
17234
+
47
60
11
2,8
4,2
17099
17291
85
+
117
12
3,1
4,2
16955
17289
229
+
115
13
14
2,8
2,9
17067
17053
117
131
4,5
0,17163
15
3,1
s = 8,24
16860
0,17174
324
16
2,6
17238
+
54
17
2,3
17433
+
249
18
2,1
17623
+
439
2,7
0,17184
s =8,27
0,17184
Aus den Mittelwerthen der Tab. III ergibt sich:
*=7T^ = 75- = 8'27 «• « = fj^ = i = 8-24;
nehmen wir den Mittelwerth s— 8,25, so folgt, da der Reduc-
tionsfactor der beobachteten Galvanometerausschläge auf
Temperaturen = ^ ist, x = & — tx 0,5°, ein wohl kaum als
unwahrscheinlich zu bezeichnender Werth. Liesse sich der
Ausdruck gn = xn+v — e-^ ^vxn durch die Gl. (a), d. h. durch:
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H. Lorberg. 447
xn = Ae 6 (l+ae 6 + be 6 )
darstellen, so mtisste:
gn=-Ae «\\-e »v)e 3" a + b(l+e • j
sein , es müsste also je nach den Werthen der sehr kleinen
Constanten a und b gn mit wachsendem n entweder beständig
zunehmen (dies würde unter der wahrscheinlichen Voraus-
setzung a > 0,0023 stattfinden) oder beständig abnehmen
oder ein einziges Maximum oder Minimum haben; von allem
diesem zeigen die vorstehenden Werthe von gn und gn keine
Spur, sondern dieselben sind constant innerhalb der vermuth-
lichen Grenzen der Beobachtungsfehler, welche bei der ersten
Reihe = (1 + <?--<"*) dx = 1,7 dxn, also, wenn wir dxn = 0,4
setzen, = 0,7 angenommen werden können.
Mit dem Werthe s = 8,25 ergeben sich nun die in Tab. IV
a. v. S. aufgeführten Werthe von:
hn = 10 log = und ä;= £ "log = MfjL2,
*n-f-8 * xn + 12 s
deren Mittel 0,17184 und 0,17163 sind. Die dritte und
vierte Columne enthalten die Abweichungen von den (in der
gleich anzugebenden Weise berechneten) Mittelwerthen 0,17184
und 0,17174; dieselben sind, wie man sieht, bedeutend klei-
ner als bei den Werthen von \ogxn/xn+G der Tab. I, im
Maximum, wenn wir die vier letzten Beobachtungen, bei
denen wegen der Kleinheit von xn die Beobachtungsfehler
einen bedeutenden Einfluss haben, ausschliessen , bei hn
0,00229, bei h'n 0,00130; sie gehen also schwerlich über die
Grenzen der Beobachtungsfehler hinaus, welche, wie schon
oben angegeben, wenn man einen Ablesungsfehler von 0.4
Scalentheilen als möglich annimmt, bis auf 0,0048 gehen
können. Jedenfalls ist hier jede Spur einer gesetzmässigen
Zu- oder Abnahme mit der Zeit verschwunden.
Um aus hn und h'n genauere Werthe von Mp2 zu erhal-
ten, ist es nicht rationell, einfach das Mittel zu nehmen;
einmal weil dabei das Gewicht jeder einzelnen Beobachtung
nicht berücksichtigt wird, welches = S2n gesetzt werden kann,
448
H. Lorberg.
wenn S = e-U*ve ist, worin für (u3 der erste Näher ungswerth
0,3951 genommen werden kann; und zweitens, weil in:
18 5 24
2 [los (•'«- *) - lo& - *)] =2 log " s) ~2 los (*»- s)
0 0 19
die mittleren Beobachtungen von n = 6 bis w = 18 heraus-
fallen würden. Sondern nach den Principien der Methode
der kleinsten Quadrate hat man die Gleichung Mfi2 = ä«.
mit Sn zu multipliciren , wodurch sich die (allerdings von
den gewöhnlichen Mittelwerthen kaum abweichenden) Werthe
ergeben:
= = 0,17184, Mp* = ~ 0,17174 .
(Die Methode der kleinsten Quadrate würde eigentlich eine
gleichzeitige Berechnung der drei Unbekannten fi2, s und A
in Gl. (1) verlangen; ich habe indessen gefunden, dass eine
solche Berechnung keine genauere Uebereinstimmung gibt,
weil dabei in den Coefhcienten die Grösse jw2 vorkommt, für
welche doch ein Näherungswerth gesetzt werden müsste.)
Der mittlere Fehler der ersten Bestimmung ergibt sich
= 0,00030, der der zweiten =0,00028, woraus ein mittlerer
Ablesungsfehler von 0,195, resp. 0,196 Scalentheilen folgt.
Die gewiss durchaus zulässige Grösse dieses Ablesungsfehlers
ist ein Beweis, dass die Abweichungen der einzelnen Werthe
von Mfi2 sich in der That vollständig aus Beobachtungs-
fehlern erklären lassen, dass also eine Abhängigkeit
der Leitungsfähigkeit des Wassers von der Tem-
peratur aus den Weber'schen Beobachtungen sich
nicht constatiren, geschweige berechnen lässt.
Aus dem Mittel Mp2 = 0,17179 der zwei vorstehenden
Werthe ergibt sich als wahrscheinlichster Werth:
j/2= 0,39556, mit einem mittleren Fehler = 0'0™- = 0,00067.
Dieser Werth weicht beträchtlich von dem Mittelwerthe Mfi2
— 0,15980 der fünften Columne von Tab. I ab, noch mehr
von dem Werthe 0,15619, welchen Weber1) als Mittel aus
l) L c. p. 312.
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H. Lorberg.
449
sämmtlichen Beobachtungsreihen ableitet und zur Berech-
nung von k benutzt.
Die zweite von Weber vollständig mitgetheilte Beob-
achtungsreihe für Wasser wurde bei einer Temperatur der
Umgebung von 18,5° angestellt. Für diese erhalten wir die
in Tab. V angegebenen Werthe der in Gl. (2) vorkommen-
den Quotienten, wobei wieder n die Ordnungszahl der von
15 zu 15 Secunden angestellten Beobachtungen bezeichnet
Tabelle V.
0
2,39252
0,18677
1
34928
19774
2
30060
18226
3
25624
18758
4
21085
17966
5
16554
18011
6
12189
18400
7
07591
8
03181
0,18544
9
1,98900
10
94498
11
89927
12
85309
13
81425
14
77159
Tabelle VI.
9n
9n
0
1,51
2,40
1
1,67
2,42
2
2,12
2,40
3
1,47
2,61
4
1,64
2,54
5
2,04
2,32
6
1,77
1,59
7
1,64
2,49
8
1,14
2,45
9
1,63
10
1,65
2,36
s = 4,98
1,66
I = 4,77
0,18396
19081
18315
0,18597
0,18926
19385
18178
18270
18554
18134
0,18574
Tabelle VII.
o
l
2
3
4
5
6
7
8
9
10
i
0,18626
18889
18396
18661
18599
18415
18573
18610
18940
18629
18612
0,18632
0,18633
0,18612
18652
18484
18635
18769
18522
18592
0,18609
0,18609
Ann. d. Phys. u. Chem. N. P. XIV.
29
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450
H. Kayser.
Mit dem Mittelwerth Mfi2 = 0,18572 der drei darunter-
stehenden Mittel ergeben sich, entsprechend der Gl. (4),
die in Tab. VI aufgeführten Werthe von:
<7„ = xn + 4 - <r-*zn - s(l - er*)
und g'n = zn+6 - * 2 " *n = 5 (1 - e 2 " ),
woraus 5 = 4,77 und s = 4,98. Mit dem Mittelwerthe 5 = 4,9
sind in Tab. VII die Werthe von:
hn = l0g-^L^ = Mp* und kf9 = Jlog-^-, =
berechnet, deren Mittel 0,18632 und 0,18609 sind; die in der
oben angegebenen Weise nach der Methode der kleinsten
Quadrate berechneten Mittel sind 0,18633 und 0,18609. Aus
dem Mittel dieser zwei Werthe M\i2 = 0,18621 ergibt sich
schliesslich als der wahrscheinlichste Werth:
= 0,42877.
Strassburg, 10. März 1881.
IV. lieber die Verdichtung von Gasen
an Oberflächen in ihrer Abhängigkeit von Druck
und Temperatur; von Heinrich Kayser.
Zweiter Theil.
In dem ersten Theile dieser Arbeit1) habe ich die Ver-
dichtung der Gase durch die Kohle untersucht.2) Ich habe
1) H. Kayser, Wied. Ann. 12. p. 526-537. 1881.
2) Hr. Chappuis hat mir brieflich raitgetheilt, dass er das spec.
Gewicht der Kohle etwa gleich 1,5 gefunden hat, während meine An-
gaben in Uebereinstimmung mit denen von Saussure um 0,51 schwan-
ken. In der That sinkt luftleere Buehsbaumkohle im Wasser unter, und
ich habe bei Wägung im Wasser das spec. Gewicht um 1,4 liegend ge-
funden. Es sind demnach bei einem Cubikcentimeter Kohle höchstens
0,38 ccm von Kohlensubstanz erfüllt, der übrige Raum von 0,62 ccm ist
von Poren eingenommen. Die in dem ersten Theile der Arbeit gegebe-
nen Zahlen bleiben daher noch gültig, wenn man überall noch 0,62 sub-
trahirt, nur stellen sie die von 1 ccm Kohle (nicht Kohlensubstanz) adsor-
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H. Kayser.
451
die Erscheinungen nach einem Vorschlage von Herrn E.
du Bois-B-eymond als Adsorptionserscheinungen be-
zeichnet, während sie gewöhnlich Absorption genannt und
somit zusammengeworfen werden mit der Absorption der
Gase durch Flüssigkeiten oder auch mit der Absorption der
Wärme, des Lichts. Bei allen diesen Absorptionserschei-
nungen hat man es mit Vorgängen zu thun, welche sich in
den Zwischenräumen der Molecüle der Körper abspielen.
Die Adsorptionserscheinungen dagegen gehen nicht zwi-
schen den Molecülen, sondern an freien Körperoberflächen
vor sich und sind durchaus nicht von der Grössenordnung
molecularer Abstände, wie die im Folgenden anzugebenden
Versuche gezeigt haben. Mir erscheint daher die Einfüh-
rung eines besonderen Namens für die ihrem Wesen nach
so anderen Vorgänge durchaus gerechtfertigt.
Nach Beendigung der Versuche mit Kohle wandte ich
mich zur Untersuchung der Adsorption an Glasflächen.
Den wichtigen Schritt von porösen Körpern mit unbe-
kannter Oberfläche zu Bündeln von Glasfäden mit bekannter
Oberfläche hat Magnus1) gemacht. Die adsorbirten Gas-
mengen sind so klein, dass man Messungen nur an grossen
Oberflächen anstellen kann, und da war die Benutzung von
Glasfäden, allenfalls auch noch von Mikroskopdeckgläschen
birte Gasmenge dar. Wesentlich geändert wird dagegen der Vergleich
der Resultate von Joulin, Chappuis und mir: es werden von 22,5 g
Kolde bei 19° adsorbirt folgende Grasmengen, diese reducirt auf 0° und
760 min:
Druck
100
200
300
400
500
600
700
| w> Kayser .
1 | Chappuis
Joulin . .
220
250
280
370
450
530
470
580
700
560
680
790
610
760
870
660
820
950
730
870
1000
Die Zahlen werden einander ähnlicher, PfafFenkappelkohle steht in der
Mitte zwischen Buchsbaum und Erle, und zwar adsorbirt die dichteste
Kohle am wenigsten, die lockerste am meisten Gas, was ich gleich hier
hervorheben will.
1) Magnus, Pogg. Ann. 89. p. 604. 1853.
29*
Digitized by Google
452
H. Kayser.
der einzige mögliche Weg. Derselbe ist dann auch später
von Fr. Weber1) und Chappuis2) eingeschlagen worden.
Weber glaubte aus seinen Zahlen ein Gesetz ableiten
zu können (welches indessen falsch ist), nämlich, dass die
Mengen der verdichteten Gase proportional der Wurzel aus
ihrer Dichte seien. 0. E. Meyer3) hat sogar auf diese An-
gabe hin eine Theorie der Adsorption zu entwickeln ge-
sucht.
Leider hat Weber seine Versuche nie publicirt, sodass
man sich selbst kein Urtheil über dieselben bilden kann.
Das Glas wurde zu meinen Versuchen auf ein grosses,
4 m im Umfang haltendes Rad gesponnen, welches sehr schwer
war, um die Umdrehungsgeschwindigkeit, von welcher die
Dicke des Fadens wesentlich abhängt, möglichst constant zu
halten. Das Rad wurde entweder von einem Gasmotor oder
mit der Hand gedreht; an seiner Axe war ein Tourenzähler
angebracht, welcher die Zahl der gemachten Umdrehungen
und damit die Länge des Fadens angab. Glaubte ich, genug
Fäden zu haben, so wurde das ganze Bündel vom Rade ab-
genommen, in etwa 12 cm lange Stücke zerschnitten und ge-
wogen. Ich benutzte durchweg Thüringer Glas mit dem spec.
Gewicht 2,45. Aus der Länge, dem wirklichen Gewicht der
Fäden und dem spec. Gewicht Hess sich der mittlere Quer-
schnitt und damit die Oberfläche der Fäden berechnen. Um
zu ermitteln, ob der Querschnitt in der That gleichmässig
genug ist, um ihn aus einer Gesammtwägung zu bestimmen,
habe ich einige mal kürzere Stücke, 100 bis 200 Um-
drehungen, einzeln gewogen und mich Überzeugt, dass die
Gewichtsdifferenzen für gleiche Längen noch nicht 0,5%
betrugen. Natürlich gilt das nur für das in einer Sitzung
gesponnene Glas, während an verschiedenen Tagen, wo die
Gebläseflamme anders regulirt, auch die Radgeschwindigkeit
eine andere ist, erhebliche Unterschiede der Fadendicke ein-
treten können.
Die Fäden wurden in das Adsorptionsgefäss gefüllt,
1) Weber, Tagebl. d. 45. Naturf.-Vers. Lpz. p. 113. 1872.
2) Chappuis, Wied. Ann. 5. p. 1. 1879.
3) 0. E. Meyer, Theorie der Gase, p. 308. 1877.
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H. Kayser.
453
welches an einer Seite noch nicht zugeblasen war, und dann
das Gefäss zugeschmolzen. Die ersten Versuche wurden mit
Fäden von massiger Länge, 5 bis 10 km, angestellt; indess
nach wochenlangen Versuchen überzeugte ich mich, dass die
Adsorption zwar erkennbar, allein viel zu klein sei, als dass
nicht ihr Gang von Beobachtungsfehlern vollkommen ver-
deckt würde.
Nun wurden Glasfaden, deren Gesammtlänge bis zu
100 km ging, wodurch ich eine Oberfläche von etwa 12 qm
erhielt, verwandt; aber auch hier blieb das Resultat für die
meisten Gase ein vollkommen ungenügendes; nur bei Am-
moniak, welches sich durch besonders starke Adsorption aus-
zeichnet, waren brauchbare Resultate zu verzeichnen. Da-
gegen machte sich bei NH3 ein anderer Uebelstand geltend,
nämlich, dass auf die Dauer die Hähne und Schliffe nicht
dicht halten: das Fett wird verseift, und nun kommt Diffu-
sion mit ins Spiel, sodass man scheinbar enorme Adsorption
erhält.
Ich erkannte schliesslich, dass mit meinem Apparate
nichts zu machen sei, dass sämmtliche Hähne und Schliffe
daraus entfernt werden müssten. Dies ist nun glücklicher-
weise möglich, indem man die Hähne nach einem Vorschlage
von Hagen1) durch U-förmige Röhren ersetzt, die ich, da
sie die Stelle von Hähnen, resp. Ventilen, (bei der Töpler'-
schen Pumpe) vertreten, als Ventilröhren bezeichne. Die-
selben werden sich vielfach ausserordentlich zweckmässig
zeigen, namentlich, wenn man mit kleinen Drucken arbeitet;
unbequemer, aber noch brauchbar bleiben sie bis zu Drucken
von etwa 21/2 Atmosphären, wobei sie schon eine Länge von
2 m haben müssen. Da ich bis zu etwa zwei Atmosphären
zu gehen beabsichtigte, so nahm ich eine Länge von etwa
1,6 m.
Mein Apparat nahm nun die auf Taf. IV Fig. 4 gege-
bene Form an; er zerfällt in drei Theile: der Gasbehälter A,
der zur Messung bestimmte Theil 2?, das Adsorptionsgefäss
C Diese drei Theile sind durch Kundt'sche Glasfedern,
welche in der Figur fortgelassen sind, verbunden.
1) Bessel-Hagen, Wied. Ann. 12. p. 430. 1881.
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454
H. Kayser.
Das Gasometer A ist eine Glaskugel von etwa 1 1 In-
halt, an welche oben und unten ein Rohr angeblasen ist.
Das untere Rohr ist durch einen Hahn G verschliessbar.
taucht im übrigen aber bis etwa an die Kugel in ein Ge-
fäss L mit Quecksilber. Das obere Rohr hat ein Seiten-
röhrchen K und führt selbst zu dem ersten Ventilrohr D.
Es ist noch zu bemerken, dass das absteigende Rohr
der Ventilröhren nicht eben so weit sein darf wie das auf-
steigende; soll das Gas, wie bei mir, in der Richtung von A
nach C eintreten, so muss das rechts liegende, aufsteigende
Rohr D2 weiter sein als Dx \ ist nämlich in B und C der
Druck geringer als in A (was immer der Fall ist, wenn man
durch Oefinen des Ventils neues Gas von A herüberschaffen
will), so steht das Quecksilber im rechten Schenkel des Ventils
höher als im linken; soll nun das Gas von links nach rechts her-
über, so würde es die Quecksilbersäule in die Höhe und in die
übrigen Theile des Apparates schleudern, wenn die Quer-
schnitte der Röhren nicht so verschieden sind, dass das Gas in
einzelnen Blasen durch das Quecksilber in die Höhe steigen
kann. Bei meinem Apparat waren die Durchmesser der Röhren
etwa 1,5 und 5 mm, was sich als genügend zeigte. Um doch
etwa in die Höhe spritzendes Quecksilber aufzufangen, endigten
die weiten Röhren in Kugeln, in welche die weiterführenden
Röhren in Form einer nach oben gekrümmten Spitze einge-
schmolzen waren, wie es die Figur zeigt. Bei sehr vorsich-
tigem Arbeiten sind indessen diese Kugeln nicht nöthig, und
sie wären besser fortgeblieben.
An das Ventilrohr D schliesst sich mittelst Capillaren
das Maassrohr E\ es ist dies ein in Centimeter getheiltes, sorg-
fältig mit Quecksilber calibrirtes Rohr von etwa 1 cm Weite.
Daran schliesst sich das zweite Ventilrohr F, ebenso einge-
richtet wie das erste, daran dann vermittelst Capillaren das
Adsorptionsgefäss C, bestehend in einem cylinderförmigen
Gefäss von etwa 20 cm Länge und 5 cm Durchmesser.
An die Ventilröhren sowohl wie an jEsind unten Schläuche
befestigt, welche zu Quecksilbergefässen führen, die man
heben und senken kann. Unterhalb der Ventilröhren sind
noch die Hähne H und /angeblasen, um die Communication
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H. Kayser.
455
des Quecksilbers in den Röhren mit dem äusseren Queck-
silber aufheben zu können.
Sämmtliche bei der Messung mit Gas erfüllten Räume,
also Z>2, die verbindenden Capillaren zwischen D, E, F und
C, und das Ventilrohr F waren durch Quecksilberwägung
calibrirt.
Das ganze, sehr zerbrechliche Röhrensystem war auf
einem starken Brette befestigt und dies am Tische ange-
schraubt.
Zur Bestimmung der Temperatur des Gases hing neben
M ein in Fünftelgrade getheiltes Normalthermometer.
Gearbeitet wurde mit dem Apparate folgendermassen:
Das Quecksilber in den Ventilröhren wurde soweit gesenkt,
dass dieselben offen waren, dann die Hähne H und / ge-
schlossen. C mit den Glasfäden wurde in ein Oelbad von
300° gebracht. Das Seitenröhrchen K wurde durch ein
Hahnstück mit der Töpler'schen Pumpe verbunden und der
ganze Apparat stehen gelassen, indem von Zeit zu Zeit
einige Pumpenzüge das sich loslösende Gas entfernten und
den Druck auf etwa 0,001 mm erhielten. Hahn G war dabei
geschlossen, sodass der Gasbehälter mit ausgepumpt wurde.
Nach 24 Stunden wurden die Hähne H und / geöffnet, das
Quecksilber steigt bis zur Barometerhöhe und schliesst die
Räume C, E und A voneinander ab. Nun wird der Hahn zwischen
Gasbehälter und Pumpe geschlossen, die Pumpe entfernt,
und statt ihrer der Gasen twickelungsapparat angebracht;
öffnet man wieder den Hahn, so saugt A sich voll Gas;
dann wird G geöffnet und noch 5 bis 10 1 Gas durch A hin-
durchgetrieben, welches durch G und das Quecksilber in L
entweicht; endlich wird das Röhrchen K zwischen A und
dem Hahn abgeschmolzen.
Es ist nun der ganze Apparat vollständig abgeschlossen,
alle Theile sind zusammengeschmolzen, es kann also weder
Gas heraus noch hinein; die einzigen Oeffnungen sind die
bei G, H, I und am unteren Ende von E, und diese sind
durch Quecksilbersäulen von kleinem Querschnitt verschlos-
sen, sodass wohl keine merkliche Diffusion hindurch statt-
finden kann.
Digitized by Google
456
H. Kayser.
Es wird nun aus A Gas in den Theil B hinübergebracht,
indem man Hahn H öffnet und M soweit senkt, dass das
Ventil offen wird; in Blasen steigt das Gas durch D% in die
Höhe und gelangt nach E. Hat man genug Gas, so wird
M wieder gehoben, sodass das Ventil abgeschlossen ist, und
Hahn H geschlossen. Dann wird der Stand des Quecksilbers
in Z>2, E und Fx abgelesen, ausserdem die Niveaudifferenz des
Quecksilbers in E und 0 mittelst Kathetometer, endlich Ther-
mometer und Barometer, — damit ist die in B eingelassene
Gasmasse bestimmt. Dann wird E in Verbindung mit C ge-
bracht, indem man / öffnet, N senkt; das Gas tritt in Blasen
durch -F2, endlich ist das Ventil ganz frei von Quecksilber;
in dieser Stellung wird / geschlossen und dann 24 Stunden
gewartet, während C in einem Bade von der gewünschten
Temperatur steckt. Dann wird wieder das im Apparat vor-
handene Gas bestimmt durch Ablesung an Z>2, E, 0, Ther-
mometer und Barometer. Die Differenz zwischen den beiden
gemessenen Gasmassen gibt die adsorbirte Masse.
Um zu höherem Druck überzugehen, wird neues Gas zu-
gelassen. Dazu wird zunächst 1 geöffnet, N gehoben, also C
von E getrennt. Es wird dabei die von der ersten Füllung
im Apparat noch vorhandene Gasmenge in D2, E, Flf —
deren Masse man kennt, — zurückgenommen. Dann wird
durch Oeffnen von H, Senken von M neues Gas aus A nach
B geschafft, hier gemessen, E in Verbindung mit C gebracht
u. s. w. Alle Manipulationen sind ebenso einfach auszu-
führen, wie umständlich zu beschreiben; es ist genau dasselbe
Verfahren, wie bei dem alten Apparat, nur dass an Stelle
des Oeffnens und Schliessens der Hähne F und C dort, hier
Heben und Senken des Quecksilbers in den Ventilröhren
D und F getreten ist.
Statt des Gases, welches aus dem Gasreservoir A ent-
nommen wird, tritt Quecksilber aus L in dasselbe ein, so-
dass das Gas hier immer nahezu Atmosphärendruck behält.
Bei den Messungen wurden die Volumenbestimmungen
bis auf 0,01 ccm gemacht, die Druckablesungen bis auf
0,1 mm. Ich glaube nicht, dass die Fehler in der Volumen-
bestimmung durch falsche Calibrirung oder Ablesung je
Digitized by Google
H. Kayser.
457
0,1 ccm erheblich überschritten haben können. Eine weit
beträchtlichere Fehlerquelle dagegen wird die ungenügende
Temperaturbestimmung sein; da mein Apparat über 1,6 m
hoch war, und die Temperatur in verschiedenen Höhen des
Zimmers bekanntlich erheblich variiren kann, so mögen
häufig die oberen Theile eine andere Temperatur gehabt
haben als die, welche ich an E ablas. Um diesen Einfluss
möglichst gering zu machen, waren sämmtliche Röhren Capil-
laren; leider sind solche aber nicht brauchbar für D2 und
F2, auch sind die Kugeln an den Ventilröhren in dieser Be-
ziehung sehr schädlich. Jedenfalls schreibe ich die grösse-
ren vorkommenden Beobachtungsfehler hauptsächlich diesem
Umstände zu.
Mit diesem Apparate, welcher tadellos functioniren zu
müssen schien, da jeder Verlust von Gas ausgeschlossen war,
glaubte ich die Aufgabe lösen zu können, die Adsorption
von Gasen an Flächen von Glas und Metallen als Function
von Druck und Temperatur in absoluten Zahlen darzustellen.
Da die erreichbaren Oberflächen doch noch sehr klein
waren, die adsorbirten Mengen daher von den Beobachtungs-
fehlern noch stark beeinflusst wurden, so beabsichtigte ich,
auf folgende Art vorzugehen: für das am stärksten adsor-
birte Gas, Ammoniak, sollten die Beobachtungsfehler durch
zahlreiche Versuchsreihen eliminirt, und mit möglichster
Genauigkeit die Zahl für einen Druck und eine Tem-
peratur an Glasfäden mit bekannter Oberfläche bestimmt
werden. Dann wollte ich durch Glaspulver eine sehr grosse,
zunächst unbekannte Oberfläche herstellen; es sollte die
bei demselben Druck und derselben Temperatur von ihr
adsorbirte Gasmenge festgestellt, und durch die an Glas-
faden gewonnene Zahl die Oberfläche des Pulvers berechnet
werden. An dieser nun bekannten grossen Oberfläche — ich
glaubte 100 qm leicht erreichen zu können — wären dann
auch die Zahlen für die anderen Gase mit genügender Ge-
nauigkeit zu bestimmen gewesen.
Das zu den Versuchen benutzte Ammoniak wurde in
der bekannten Weise durch Erhitzen käuflicher Ammoniak-
flüssigkeit aus dieser ausgetrieben und getrocknet, indem
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458
H. Kayser.
es langsam durch Röhren mit Aetzkalk von 2,5 m Länge
hindurchging.
Ich begann mit zwei verschiedenen Gefässen voll Glas-
fäden zu arbeiten. Das erste enthielt Fäden von folgenden
Längen und Radien:
Längen: 1865,58 m; 18153,27m; 7819,5m; 32821,8m.
Radien: 0,0176 mm; 0,0139 mm; 0,0201 mm; 0,0206 mm.
Die Fäden hatten also zusammen eine Länge von 60 km,
und ergaben, wenn man noch die Querschnitte der Fäden
und die innere Fläche des Gefasses hinzurechnet, eine Ober-
riäche von 70516 qcm.
Das zweite Gefäss enthielt Fäden von folgenden Längen
und Radien:
Längen: 22325,0 m; 36433,2 m; 4330,8 m;
Radien: 0,0261 mm; 0,0183 mm; 0,0223 mm;
Längen: 10726,75 m; 9645,0 m; 11550,0 m;
Radien: 0,0160 mm; 0,0211mm; 0,0229 mm.
Die Gesammtlänge betrug demnach etwa 95 km, die
Oberfläche 121 685 qcm. Der von den Fäden freie Raum im
Adsorptionsgefäss betrug 292 ccm; er ist, wie bei der Kohle,
durch Füllen des luftleeren Gefasses mit Quecksilber bestimmt.
Sämmtliche Versuche sind bei 0° gemacht. Als Aus-
dehnungscoefficient des NH3 ist 0,003 776 genommen; übri-
gens ist ein kleiner Fehler in diesem Coefficienten nicht von
grossem Einfluss, da es sich nur um die Umrechnung von
Temperaturen, welche zwischen 12 und 18° lagen, auf 0°
handelt. Ferner ist das Mariotte'sche Gesetz als streng gültig
angenommen.
Die ersten Versuchsreihen gaben folgende Resultate:
Gefäss 1 ; 7,05 qm Oberfläche.
Druck .... 395,9 mm 610,0 822,1 976,8
Adsorb. Volumen 2,95 ccm 3,88 5,11 8,16
Gefäss 2; 12,17 qm Oberfläche.
Druck .... 244,4 mm 415,3 538,8 —
Adsorb. Volumen 2,95 ccm 6,98 8,26 —
Es ist hier das adsorbirte Gas ebenso angegeben wie
bei den Versuchen mit Kohle, das Volumen des Gases
ist also in Cubikcentimetern gemessen bei dem betreffenden
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H. Kayser.
459
Druck, nicht aber bei 760 mm. Trägt man die Drucke als
Abscissen, die adsorbirten Volumina als Ordinaten auf, so
erhält man die Curven, welche auf Taf. IV Fig. 6 mit I und II
bezeichnet sind. Das erste, was an diesen Curven auffällt,
ist, dass sie beide mit wachsendem Druck ansteigen, wäh-
rend bei Kohle sämmtliche Curven sanken. Ausserdem sieht
man aber, dass die adsorbirten Volumina durchaus nicht
proportional den Oberflächen sind, dass die Steilheit der
Curven eine ganz andere ist, sodass sie sich bei etwa 200 mm
schneiden würden.
Ich stellte nun eine dritte Oberfläche her; der Glasfaden
hatte eine Länge von etwa 86 km, einen Radius von 0,023 mm
und ergab eine Oberfläche von 123 050qcm. Der von den
Fäden freie Raum betrug hier 237 ccm, die Fäden sind also
hier enger zusammengepresst, als bei der zweiten Oberfläche.
Der freie Raum ist hier bestimmt, indem das Gefäss leer
gepumpt und abgeschraolzen, dann gewogen wurde. Dann
wurde die Spitze unter ausgekochtem destillirten Wasser
abgebrochen, worauf sich das Gefäss sehr vollständig mit
Wasser füllte, dessen Gewicht den vorher freien Raum ergab.
Es wurden mit dieser Oberfläche zwei Versuchsreihen
bei 0° gemacht.
Druck .... 278,1 mm 48S,4 639,6 752,9
Adsorb. Volumen 4,29 ccm 5,24 4,48 6,53
Druck .... 269,4 mm 475,8 638,0 767,5
Adsorb. Volumen . 4,29 ccm 3,19 4,46 4,33
Die Abweichungen in den beiden Reihen sind bei ein-
zelnen Drucken sehr bedeutende, sie gehen bis zu 1 ccm
vom Mittel; ich schreibe das dem Umstände zu, dass wäh-
rend dieser Beobachtungen die Zimmertemperatur ganz be-
sonders schwankte, von einem Tage zum andern um 5,5°,
sodass die Temperatur der verschiedenen Luftschichten ganz
besonders verschieden gewesen sein kann. Nimmt man das
Mittel beider Reihen, so ergibt sich:
Oeftss 3; 12,305 qm Oberfläche
Druck .... 274 mm 482 639
Adsorb. Volumen 4,29 ccm 4,22 4,47
760
5,43
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460
H, Kayser.
Diese Zahlen sind auf Taf. IV Fig. 6 durch die mit III
bezeichnete Curve dargestellt. Dieselbe zeigt anfangs kaum
ein Steigen und weicht ganz ausserordentlich von Curve II
ab, die doch an fast gleich grosser Oberfläche gewonnen ist.
Um die Resultate an der ersten Oberfläche mit den
beiden anderen bequemer vergleichen zu können, ist Curve Ia
construirt, indem alle Ordinaten von I mit 12,2/7,05 multi-
plicirt sind. Die Curven I», II und III zeigen also nun die
Adsorption von drei verschiedenen Oberflächen von etwa
12,2 qm Grösse. Sie zeigen, dass sowohl die Grösse der
Adsorption, als auch ihre Abhängigkeit vom Druck noch
von anderen Umständen abhängen muss, als von der Grösse
der Oberfläche.
Da die Herstellung des Gases und die Evacuirung des
Gefässes stets die gleiche war, die Fäden von demselben
Glase gesponnen waren, so schien es am wahrscheinlichsten,
dass die Lagerung der Fäden, also die Grösse der Zwischen-
räume, von Einfluss sei. Dann müsste Glaspulver wesentlich
andere Resultate ergeben.
Es wurde daher von demselben Glase ein Theil in einem
Stahlmörser möglichst fein gestossen, und davon wurden in
das Adsorptionsgefäss 487,6 g hineingefüllt. Zwei Beobach-
tungsreihen mit NH3 bei 0° ergaben folgende Zahlen:
Diese Resultate sind auf Taf. IV Fig. 6 durch die Curven
IV und V dargestellt, welche die durch 100 g adsorbirte Gas-
menge angeben; die Uebereinstimmung zwischen beiden Cur-
ven ist eine sehr befriedigende.
Es ergibt sich also das merkwürdige Resultat, dass
während bei Glasfäden die Curven ansteigen, sie bei Glas-
pulver fallen, gerade so, wie bei Kohle. Höchst auffallend
Druck : Adsorb. Vol. :
Druck : Adsorb. Vol. :
250,5 mm 30,23 ccm
479,3 17,60
686,6 15,53
865,1 15,17
1030,9 7,95
1225,1 5,58
1305,0 5,62
1361,6 6,07
1408,0 5,78
274,8 mm 27,06 ccm
450,1 18,78
657,6 15,38
810,4 14,82
965,3 7,25
1094,2 7,45
1249,5 7,21
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//. Kayser.
461
and mir ziemlich unerklärlich ist ausserdem das plötzliche
Abfallen der Curve bei 900 mm, welches beiden Beobach-
tungsreihen gemeinsam ist und schon wegen der Grösse des
Sprunges — 7 ccra bei der ganzen Pulvermenge — durchaus
nicht durch Beobachtungsfehler erklärt werden kann.
Ferner zeigt sich, dass während bei niedrigen Drucken
von den Fäden weniger verdichtet wird, als von 100 g Pulver,
bei höheren Drucken sich das Verhältniss umkehrt.
Es erschien mir nach diesen unerwarteten Resultaten,
die ja die Unbrauchbarkeit der Methode für den eigentlich
beabsichtigten Zweck — nämlich absolute Zahlen für die
Adsorption der Gase zu finden — aufs deutlichste zeigte,
interessant, ein anderes Gas zu untersuchen, und zwar ein
noch leichter verdichtbares, da man sich dabei den Verhält-
nissen der gesättigten Dämpfe nähert.
Ich wählte schweflige Säure. Das Gas wurde aus Schwe-
felsäure und Kupfer hergestellt und in einem Hoffmann'schen
Apparat durch Kältemischung condensirt, nachdem es ge-
trocknet war. Aus dem Hoffmann'schen Apparat wurde es
dann nach Bedarf in den Glasbehälter A gelassen, wobei es
noch einmal getrocknet wurde. Bei der Berechnung wurde
als Ausdehnungscoefficient die Zahl 0,00386 benutzt.
Eine Versuchsreihe an der dritten Oberfläche von 12,3 qm
Grösse bei 0° ergab die folgenden Zahlen:
Druck 229,3 mm 450,6 621,4 744,0
Adsorb. Volumen . 0,04 ccm 1,64 2,31 4,72
Druck 847,7 mm 915,9
Adsorb. Volumen . 5,80 cem 12,80
Diese Zahlen sind durch die Curve VI dargestellt, welche
wieder ansteigt. Während bei niedrigen Drucken viel weniger
S02 verdichtet wird, als NH3, so erreicht zwischen 800 mm
und 900 mm Curve VI die Curve III; hier beginnt auch
schon die Condensation des Gases, bei einem Drucke über
900 mm scheint schon beinahe alles zugelassene Gas ver-
flüssigt zu werden.
Mit demselben Glaspulver, mit welchem die Versuche
mit Ammoniak gemacht wurden, sind auch zwei Versuchs-
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462 H. Kayser.
reihen mit Sü2 bei 0° angestellt, die wieder sehr gut über-
einstimmen:
Druck: Adsorb. : Vol. :
142,5 mm 82,38 ccm
431,3 37,19
655,7 30,34
836,0 31,00
Druck: Adsorb. Vol.:
220,4 mm 67,07 ccm
481,1 38,51
700,s 30,72
870,« 30,51
1009.5 30,16
1112,1 33,54
1176.6 42,70
1204,0 60,31
1216.7 75,62
Die Curven VII und VIII stellen diese Zahlen dar,
wieder für 100 g berechnet.
Es zeigen sich also bei S02 genau dieselben Verhält-
nisse, wie bei NHS, nur in viel auffallenderer Weise: bei
beiden Gasen steigt die Curve für Glasfäden, sinkt die Curve
für Glaspulver; bei beiden wird bei niedrigen Drucken von
100 g Pulver mehr adsorbirt, als von den Fäden, während
es bei höheren Drucken umgekehrt ist, sodass die Curven
sich schneiden. — Für schweflige Säure ist ausserdem in
beiden Fällen der Druck der Verflüssigung erreicht, welcher
an Glasfäden zwischen 900 mm und 1000 mm liegt, an Glas-
pulver bei 1200 mm.
Sehr hervorzuheben ist endlich noch, dass an Glas-
fäden NH3 erheblich stärker verdichtet wird als S08, an
Glaspulver dagegen die Adsorption der S02 sehr überwiegt,
während für Kohle Ammoniak die erste Stelle einnimmt,
wie für Glasfäden.
Die gefundenen Resultate sind ganz dazu angethan.
unsere bisherigen Ansichten über die Adsorption der Gase
umzustossen, namentlich, dass man es hier mit ganz ein-
fachen Vorgängen zu thun habe, und dass die Dicke der
verdichteten Schicht von der Ordnung molecuiarer Dimen-
sionen sei.
Machen wir uns zuerst klar, welche Factoren bei der
Adsorption von Einfluss sein können.
Aus dem Umstände, dass feste Körper überhaupt zu-
sammenhalten, ist es klar, dass zwischen ihren Molecülen an-
ziehende Kräfte wirken; sie werden Cohäsion genannt und
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H. Kayser.
463
mögen in einem Ueberschuss der chemischen Affinität über
die Atombewegung oder in einer besonderen Anziehungs-
kraft bestehen. Bei den äusseren Molecülen der Körper,
welche die Oberfläche bilden, sind diese Kräfte, die man
dann Adhäsionskräfte zu nennen pflegt, nicht gebunden,
da bei festen Körpern im allgemeinen die Molecüle der Ober-
fläche nicht dichter an einander gerückt sind, als die im
Inneren, während bei Flüssigkeiten, deren Theilchen sich frei
bewegen können, diese freien Kräfte zur Erzeugung der Ober-
flächenspannung verbraucht werden.
Bei festen Körpern werden nun diese freien Kräfte dazu
verwandt, benachbarte Molecüle von Flüssigkeiten oder Gasen
in ihrer Bewegung zu hemmen und festzuhalten, eine ver-
dichtete Schicht derselben um sich zu bilden. Diese ver-
dichtete Schicht wird nun aber ihrerseits auf das benachbarte
Gas wirken und eine weniger dichte Schicht an sich bilden
u. s. w., kurz es wird die Dichtigkeit des Gases von der der
Schicht unmittelbar an der Wand nicht mit einem Sprunge
zur gewöhnlichen Dichte übergehen, sondern in stetiger Aen-
derung, wenn auch die ganze Schicht von variabler Dichte
sehr dünn sein mag.
Wie viel von einem Gase adsorbirt wird, wird daher
von zwei Bedingungen abhängen, nämlich erstens von der
Dichtigkeit an der Wand — sie wird von der Wechselwir-
kung zwischen Wand und Gas bestimmt — und zweitens
von der Dicke der verdichteten Schicht — diese wird von
der Natur des Gases bestimmt werden.
1) Wie stark das Gas an der Wand verdichtet wird,
das wird einmal von den an der Oberfläche freien Kräften
abhängen, für deren Grösse vielleicht ein Maass in der Dich-
tigkeit des Körpers oder in seinem Widerstand gegen Zer-
reissen gefunden werden kann; zweitens aber wird es von
der chemischen Affinität des Gases zu der Wand abhängen;
ist diese sehr gross, so wird die Schicht sehr dicht sein; man
kann sich aber auch den anderen Fall denken, dass näm-
lich die Affinität negativ wäre und der Adhäsion entgegen-
wirkte.
2) Die Dicke der verdichteten Schicht wird davon ab-
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464
H. Kayser.
hängen, wie nahe die Molecüle des Gases im natürlichen
Zustande sind, also vom Drucke; dann von der Geschwindig-
keit der Molecularbewegung, also von der Dichte des Gases
und von seiner Temperatur; endlich von der Cohäsion
zwischen den Gasmolecülen. Dass eine solche Anziehung
zwischen den Gasmolecülen existirt, haben die bekannten
Versuche von Joule und Thomson bewiesen, welche
zeigen, dass ein Gas bei Ausdehnung ohne äussere Arbeit
Wärme verbraucht, also innere Arbeit leistet. Auch ist die
Grösse der Cohäsion nach der Theorie von van der Waals
und Clausius aus Regnault's und Andrew's Versuchen
berechnet worden, sodass wir wenigstens die relativen Grösse-
verhältnisse kennen.
Es sind also bei der Adsorption folgende Punkte zu
berücksichtigen :
1) die Grösse der an der Wand freien Kräfte,
• 2) die chemische Affinität zwischen Wand und Gas,
3) die Cohäsion des Gases,
4) die Dichtigkeit des Gases,
5) der Druck des Gases,
6) die Temperatur des Gases.
Aus dem Umstände, dass die leicht verdichtbaren Gase
so starke Adsorption zeigen, kann man schliessen, dass auf
die Grösse der Adsorption namentlich die Natur des Gases,
also die Dicke der Schicht, von Einfluss sein muss, viel
weniger die Beschaffenheit der Wand und die Dichte der
Schicht.
Nehmen wir daher die Gase bei gleicher Temperatur
und gleichem Drucke, so wird die Grösse der Adsorption
an verschiedenen Körpern nur von 1) und 2) abhängen; da
diese wenig einwirken, so wird, wenn wir die Gase nach der
Grösse der Adsorption ordnen, die Reihenfolge für verschie-
dene Körper im allgemeinen dieselbe sein, und sie wird über-
einstimmen mit der Reihe, welche man erhält, wenn man die
Gase nach ihrer Verdichtbarkeit ordnet. Von dieser Regel
können indessen wegen verschiedener Grösse der chemischen
Affinität auch Abweichungen vorkommen.
Diese Schlüsse sind durch die Saussure'schen Versuche
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H. Kayser.
465
vollkommen bestätigt. Für alle Körper erhielt er Reihen,
welche mit den leicht condensirbaren Gasen, NH3, S02, C02
beginnen und mit H endigen; aber es kommen mehrere Ver-
schiebungen der benachbarten Gase in den Reihen vor.
Was den Einfluss von Druck und Temperatur betrifft,
so ist von vorn herein klar, dass erhöhter Druck, welcher
die Theilchen näher an aneinander bringt, die Adsorption
vergrössern muss, erhöhte Temperatur dagegen, welche die
lebendige Kraft der Molecüle vermehrt, die Adsorption ver-
kleinern muss, wie es ja auch die Versuche bestätigen.
Man wird wohl annehmen können, dass der zunehmende
Druck in der Weise einwirkt, dass die verdichtete Schicht
sowohl dichter, als auch dicker wird. Es scheint mir dies
die einzige Annahme zu sein, welche meine Resultate erklärt,
dass die Druckcurve vom Steigen allmählich zum Fallen über-
geht, wenn die Zwischenräume zwischen den Glastheilchen
immer kleiner werden. Am steilsten ist Curve II, welche
mit den am losesten gepackten Glasfäden erhalten ist —
der freie Raum betrug 292 ccm; fast horizontal verläuft
Curve III, da die Fäden stark zusammengepresst waren —
der freie Raum betrug nur 237 ccm; Curve IV endlich fällt
abwärts, da die Zwischenräume zwischen den Glasstäubchen
noch viel kleiner waren.
Man muss zur Erklärung dieser Erscheinung annehmen,
dass die Gasschichten von anomaler Dichte eine Dicke er-
reichen, welche von der Grössenordnung der Zwischenräume
zwischen den Glasfäden ist In diesem Falle wird schon bei
niedrigem Drucke die verdichtete Schicht die Poren erfüllen
können, die adsorbirte Masse wird bei zunehmendem Drucke
nicht mehr durch Verdickung der Schicht, sondern nur da-
durch, dass sie dichter wird, zunehmen können, es wird daher
die adsorbirte Masse um so langsamer zunehmen müssen mit
steigendem Drucke, je kleiner die Zwischenräume, je enger
die Poren sind.
Damit stimmt auch überein, dass die dichteste Kohle,
Buchsbaumkohle, am wenigsten adsorbirt, mehr Pfaffenkap-
pelkohle, am meisten die lose Erlenkohle, wie die Verglei-
chung der Resultate von Joulin, Chappuis und mir zeigt.
Ann. d. Phya. u. Chem. N. F. XIV. 30
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466
H. Kayser.
Schon Saussure hat den Einfluss der Structur unter-
sucht, indem er Kohle in Stücken und gepulvert verwandte
und Luft adsorbiren Hess. Sein Versuch ergab, dass bei At-
mosphärendruck das Pulver weniger adsorbirt, als die Stücke.
Hr. Chappuis hielt das Resultat nicht für richtig und
wiederholte den Versuch, aber bei einem Drucke von 250 mm;
er findet, das umgekehrt das Pulver etwa l°/0 mehr adsor-
birt, als die Stücke.
Dieses Widerspruches wegen habe ich den Versuch
wiederholt. Ich erwartete zu finden, dass bei niedrigen
Drucken das Pulver, bei höheren die Stücke mehr adsor-
biren, wodurch die1 Resultate von Saussure und Chappuis
in Einklang gebracht gewesen wären.
Ich habe wie Chappuis Kohle aus Pfaffenkappelholz
benutzt, etwa 18 g; der neben der Kohle freie Raum im Ad-
sorptionsgefäss wurde durch Wasser bestimmt. Es fand sich
für 1 g Kohle
Pulver: Druck: 282,1 mm 513.0 685,8 854,9
Adsorb. Vol.: 7,68 ccm 7,48 7,0 5,92
Stücke: Druck: 290,7 mm 540,3 800,8
Adsorb. Vol.: 10,45 ccm 7,13 6,34
Die entsprechenden Curven sind auf Taf. II, Fig. 5 ge-
geben. Es zeigt sich gerade das Umgekehrte von dem, was
ich erwartet: das Pulver adsorbirt anfangs weniger, nachher,
wie es scheint, etwas mehr als die Stücke. Das Pulver ver-
hält sich also zu den Stücken, wie die Glasfäden zu dem
Glaspulver, d. h. durch das Pulvern sind die Zwischenräume
vergrössert worden. Diese Versuche sind also im Wider-
spruch sowohl mit denen von Chappuis, wie von Saussure.
Es wird eben alles davon abhängen, wie die Kohle her-
gestellt ist, wie fein das Pulver ist, ob es locker liegt oder
etwas zusammengedrückt ist u. s. w., je nach diesen Um-
ständen wird man verschiedene Verhältnisse und Grössen
der Adsorption erhalten können.
Alle meine Versuche sind bei 0° gemacht. Es ist klar,
dass wenn man verschiedene Temperaturen benutzt, die Er-
scheinungen sich noch erheblich compliciren werden; da die
Gasschichten bei steigender Temperatur dünner werden müs-
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H. Kayser.
467
sen, so kann es sehr wohl kommen, dass für eine bestimmte
Grösse der Zwischenräume bei tiefen Temperaturen die
Curven sinken, bei hohen steigen.
Es ist nunmehr auch klar, dass derartige Gesetze, wie
sie Angus Smith und Fr. Weber aufgestellt haben, un-
möglich sind, da die relativen Zahlen für verschiedene Gase
sich mit dem Drucke und der Temperatur in verschiedener
Weise ändern, und diese Verschiedenheiten an jeder herstell-
baren grossen Oberfläche andere sind. An meiner dritten
Oberfläche von 12,3 qm ist z. B. das Verhältniss für S02
und NH3 bei 500 mm wie 1:2, bei 800 mm wie 1:1, bei
900 mm wie 2:1. — Da übrigens Weber seine so wichtigen
Versuche nie publicirt hat, so ist vielleicht die Annahme
berechtigt, dass er sie selbst später für falsch gehalten hat,
in welchem Falle nur eine Berichtigung erwünscht gewesen wäre.
Chappuis' Versuche zeigen natürlich auch entfernt
nicht eine Bestätigung des Weber'schen Gesetzes. In Bezug
auf die Grössenordnung stimmen Chappuis' Zahlen mit
den meinigen sehr gut. Während er fand, dass sich zwi-
schen 0 und 180° von 1 qm Oberfläche 0,59 ccm S02 und
0,83 ccm NH3 ablösen bei Barometerdruck, geben meine
Beobachtungen für SO2:0,37 ccm, für NH3:0,44 oder 0,67 ccm.
Die grösseren Zahlen von Chappuis entsprechen ganz dem
Umstände, dass er dickere Glasfäden, also grössere Zwischen-
räume gehabt hat.
Interessant ist noch die Frage, weiche Dichtigkeit das
Gas im adsorbirten Zustande erreichen kann. Die grösste
adsorbirte Menge hat Joulin beobachtet: 4 g Kohle ad-
sorbirten bei 0° und 2227 mm 1231 ccm NH3 von 0° und
760 mm. Da nun 4 g Kohle etwa 5 ccm Poren besitzen, so
sind in diese 5 ccm 1231 ccm Gas hineingepresst, das Gas
besitzt also bei einem äusseren Drucke von 3 Atmosphären
eine Dichtigkeit, wie sie bei 246 Atmosphären vorhanden
ist. Da die Dichtigkeit an der Wand die mittlere Dichtig-
keit wohl bedeutend übertreffen muss, so können wir die-
selbe zweifellos grösser annehmen, als sie 500 Atmosphären
entsprechen würde.
Ausserordentlich viel kleiner ergibt sich dagegen die
30*
468 H. Kayser.
Dichtigkeit am Glaspulver. Der zwischen dem Pulver freie
Raum betrug 165 ccm; bei 1408 mm waren adsorbirt 5,78 ccm
NH3, die mittlere Dichtigkeit entsprach daher nur einem
Drucke von 1457 mm.
Die Versuche an Glasfaden gestatten einen Schluss auf
die ungefähre Dicke der Schicht, da wir gesehen haben, dass
dieselbe von derselben Ordnung sein muss, wie die halbe
Entfernung zwischen benachbarten Fäden. Nehmen wir an.
dass die Fäden so nahe wie möglich liegen, d. h. dass sich
je drei Fäden berühren, so wäre die Dicke der Schicht min-
destens gleich dem Radius des in den dreieckigen freien Zwi-
schenraum einzuschreibenden Kreises, also gleich r[(2//3)-l],
wo r den Radius der Glasfäden bedeutet, also bei mir gleich
0,002 mm bis 0,003 mm. Von molecularen Dimensionen ist
also bei der Dicke der Schicht, wenigstens für die leicht
condensirbaren Gase nicht die Rede, und es sind daher die
adsorbirten Gasmengen in Wahrheit grösser, als sie hier
angegeben sind, da bei ihrer Berechnung die Dicke der
Schicht als unendlich klein angenommen worden ist.
Beachtenswerth ist noch ein Punkt, welchen die Curven
für S02 zeigen. Der zur Condensation nöthige Druck ist
für S02 bei 0° gleich 1165mm; damit stimmt die Curve für
Glaspulver nahezu überein, da sie ihn etwa gleich 1200 mm
ergibt. Ganz anders ist das mit der Curve für Glasfäden;
nach derselben würde der Condensationsdruck zwischen
900 mm und 1000 mm liegen. Es ist dies eine merkwürdige
Erscheinung, welche der weiteren Untersuchung wohl werth ist.
Meine Untersuchungen haben das beabsichtigte Ziel nicht
erreicht; sie haben im Gegentheil gezeigt, dass dasselbe sich
wohl überhaupt nicht wird erreichen lassen, da ich nicht
einsehe, wie man die nöthigen grossen Oberflächen herstellen
könnte, ohne die Theile derselben sehr nahe aneinander zu
bringen, wodurch man immer zu kleine Resultate erhalten
wird. Es scheint mir aber, dass die Versuche geeignet sind,
neue Aufschlüsse über das Wesen und Verhalten der Gase zu
geben, und dass weitere Versuche dieser Art vielleicht neue An-
knüpfungspunkte für die kinetische Gastheorie bieten können.
Berlin, Juni 1881.
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W. Siemens.
469
V. IHe dynamoelectrische Maschine;
von W. Siemens.
(Aus den Bert. Ber. vom 18. Nov. 1880; mitgetheilt vom Hrn. Verf.)
Mit dem Namen „dynamoelectrische Maschine" bezeich-
nete ich in einer Mittheilung, welche der Academie vod
meinem verehrten Lehrer und Freunde Martin Magnus
am 17. Januar 1867 gemacht wurde, ein Maschinensystem,
bei welchem die bis dahin bei Inductionsraaschinen zur Er-
zeugung electrischer Ströme verwendeten Stahl- oder dauernd
magnetisirten Electromagnete durch solche Electromagnete
ersetzt waren, deren Drahtwindungen einen Theil des Strom-
laufes der inducirten Drahtspiralen bildeten. Ich wies in
dieser Mittheilung nach, dass bei jeder electromagnetischen
Kraftmaschine, wenn sie durch äussere Kräfte in entgegen-
gesetztem Sinne gedreht wird, als der, in welchem sie sich
durch eine in ihren Stromkreis eingeschaltete galvanische
Kette bewegt, eine fortlaufende Verstärkung des in ihren
Windungen circulirenden Stromes eintreten muss. Ich zeigte
ferner, dass bei zweckentsprechender Construction der Ma-
schine der im Eisen zurückbleibende Magnetismus ausreicht,
um bei hinlänglich schneller Drehung diesen Steigerungs-
process einzuleiten, sodass eine einmal thätig gewesene
Maschine für immer die Eigenschaft gewonnen hat, electrische
Ströme zu erzeugen, deren Stärke eine Function der Drehungs-
geschwindigkeit ist. Endlich wies ich schon in dieser Mit-
theilung darauf hin, dass durch diese Combination das bis-
her bestandene Hinderniss der Erzeugung sehr starker Ströme
durch Aufwendung von Arbeitskraft hinweggeräumt sei, und
sprach die Erwartung aus, dass viele Gebiete der Technik
durch die ihr von nun an zu Gebote stehenden, leicht und
billig zu erzeugenden, starken Ströme einen wichtigen An-
trieb zu weiterer Entwickelung finden würden.
Es bedurfte eines Zeitraumes von vierzehn Jahren, bis
die letztere Erwartung ersichtlich in Erfüllung ging. Gegen-
wärtig benutzt die Hüttenindustrie bereits dynamoelectrische
Maschinen, welche täglich Tonnen Kupfer galvanisch in
Digitized by Google
470
W, Siemens.
chemisch reinem Zustande niederschlagen und es dabei von
den Edelmetallen, die es enthielt, trennen. Durch dynamo-
electrische Maschinen erzeugte Ströme speisen bereits hundert-
tausende von electrischen Lichtern, und diese beginnen schon
in vielen Fällen die älteren Beleuchtungsarten zu verdrängen.
Eine kaum übersehbare Tragweite scheint aber in neuerer
Zeit die Uebertragung und Vertheilung von Arbeitskraft
durch dynamoelectrische Maschinen und namentlich die Fort-
bewegung von Personen und Lasten durch den electrischen
Strom zu gewinnen.
Obgleich ich an dieser Entwickelung der dynamo electri-
schen Maschine und ihrer Anwendung stets thätigen Antheil
genommen habe, fand ich doch keine Veranlassung, der
Academie über diese Arbeiten zu berichten, da es weniger
wissenschaftliche als technische Aufgaben waren, die gelöst
werden mussten, um die Maschine selbst und die Hülfs-
organe derselben für ihre technische Verwendung zweckent-
sprechend auszubilden.
Bei der ursprünglich von mir construirten dynamoelectri-
schen Maschine bestand der bewegliche Theil aus meinem
rotirenden Cylindermagnete, dessen Construction im Jahre
1857 von mir publicirt wurde.1) Die Wechselströme, welche
in den Leitungsdrähten dieses Cylindermagnetes bei seiner
Rotation zwischen den ausgehöhlten Polen eines starken
Electromagnetes auftreten, wurden durch einen Commutator
mit Schleiffedern gleich gerichtet und durchliefen dann die
Windungen des fest stehenden Electromagnetes. Es stellte
sich bei dieser Maschine der unerwartete Umstand ein, dass
die Erwärmung des rotirenden Ankers eine viel grössere
war, als die Rechnung ergab, wenn man nur den Leitungs-
widerstand des Umwindungsdrahtes und die Stromstärke in
Betracht zog. Als Ursache dieser grösseren Wärmeent-
wickelung ergab sich bald, dass das Eisen des Ankers selbst
sich bedeutend erwärmte. Zum Theil war diese Erwärmung
den Strömen zuzuschreiben, welche der Magnetismus des festen
Magnetes im Eisen des rotirenden Ankers erzeugen musste
1) Siemens, Pogg. Ann. 101. p. 271. 1857.
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W, Siemens,
471
(den sogen. Foucault' sehen Strömen); doch sie blieb auch zum
grössten Theile noch bestehen , als der Anker aus dünnen
Eisenblechen mit isolirenden Zwischenlagen, die dem Fou-
cault'schen Strömen den Weg versperrten, hergestellt war.
Es musste daher eine andere Ursache der Wärmeentwicke-
lung im Eisen wirksam sein. Eine nähere Untersuchung der
Erscheinung ergab in der That, dass das Eisen bei sehr
schnellem und plötzlichen Wechsel seiner magnetischen Po-
larität sich erhitzt, wenn die Magnetisirung sich dem
Maximum der magnetischen Capacität des Eisens nähert.
Dieser Uebelstand der Erhitzung des rotirenden Ankers
machte es noth wendig, denselben bei längerem Gebrauche
der Maschine durch einen Wasserstrom zu kühlen, um die
Verbrennung der Umspinnung der Drähte und anderer durch
Erhitzung zerstörbarer Theile derselben zu verhindern. Die
Unbequemlichkeit dieser Kühlung und der durch die Um-
wandlung von Arbeit in Wärme bedingte beträchtliche
Arbeitsverlust bildeten jedoch ein grosses Hinderniss der
Anwendung der dynamoeleetrischen Maschine. Die Besei-
tigung desselben wurde angebahnt durch den magnetelectri-
schen Stromgeber, welchen Pacinotti im Nuovo Cimento
1863 publicirte. Derselbe bestand aus einem Eisenringe,
welcher seiner ganzen Länge nach mit einer Drahtspirale
umwunden war, und der zwischen den ausgehöhlten Polen
eines permanenten Magnetes rotirte. Durch magnetische
Vertheilung bildeten sich in diesem Eisenringe Magnetpole,
welche den entgegengesetzten Polen des festen Magnetes
gegenüberstanden und ihre Lage auch dann beibehielten,
wenn der Eisenring rotirte. Da hierbei die äusseren Theile
der Drahtwindungen des Ringes continuirlich die beiden
feststehenden magnetischen Felder zwischen den Magnet-
polen und dem Eisenringe durchliefen, so mussten in dem
in sich geschlossenen Umwindungsdrahte entgegengesetzt ge-
richtete electromotorische Kräfte auftreten, die keinen Strom
erzeugen konnten, weil sie gleich gross waren. Verband man
aber die einzelnen Drahtwindungen oder gleichmässig auf
der Ringoberfläche vertheilte Gruppen dieser Windungen
leitend mit Metallstücken, die concentrisch um die Rotations-
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472
W. Siemens.
axe des Ringes gruppirt waren, und Hess man diese unter
zwei feststehenden Schleiffedern fortgehen, welche sich in
gleichem Abstände von beiden Magnetpolen gegenüberstan-
den, so vereinigten sich die beiden entgegengesetzten Ströme
der Drahtwindungen, welche nun eine Ableitung fanden, zu
einem einzigen continuirlichen Strome durch den die Schleif-
federn verbindenden Stromleiter. Ich hatte zwar schon viel
früher eine ähnliche Combination benutzt, um continuirliche
Ströme mit Hülfe einer in sich geschlossenen Inductions-
spirale zu erzeugen1); der Pacinotti'sche Ring hat aber vor
dieser den Vorzug grösserer Einfachheit, und dass der all-
mählig vor sich gehende Polwechsel im Eisen weniger Wärme
entwickelt. Dem Anschein nach hat Pacinotti seine Ring-
maschine nur zur Herstellung kleiner magnet-electrischer
Stromerzeuger und kleiner electro magnetischer Maschinen
verwendet. Gramme in Paris hatte zuerst, im Jahre 1868.
den glücklichen Gedanken, dynamoelectrische Maschinen
1) Eine derartige Maschine zur Hervorbringung continuirlicher hoch-
gespannter »Ströme für telegraphUche Zwecke war von Siemens und
Halske in der Londoner Industrieausstellung von 1855 ausgestellt und
befindet sich gegenwärtig im hiesigen Postmuseum. Sie besteht aus einem
flachen Conus oder Teller, welcher auf einer ebenen Fläche sich abrollt.
War der Rand der Mantelfläche des Conus mit kleinen Electromagneten
besetzt, deren Windungen einen in sich geschlossenen Leitungskreis bil-
deten, während die ebene Fläche mit Stahlmagneten armirt war, so
näherte sich bei dem Fortrollen des Tellers die Hälfte der Electromagnet-
pole den Polen der Stahlmagnete, wahrend sich die andere Hälfte von
denselben entfernte. Der gemeinsame Umwindungsdraht communicirte
zwischen je zwei der Hufeisenelectromagnete , die sich in radialer Lage
befanden, mit Contactstücken, die im Kreise um die Welle angebracht
waren, welche den Teller drehte, d. i. rollen liess. Zwei mit der Welle
verbundene isolirte Schleiffedern waren so eingestellt, dass sie stets die
Contactstellen berührten, welche zu dem den Stahlmagueten nächsten
und zu dem ihnen fernsten Electromagnet führten. Da bei der Annähe-
rung und Entfernung der Electro magnete von den permanenten Magneten
Ströme entgegengesetzter Richtung in den Windungen der ersteren indu-
cirt werden, so vereinigen sich dieselben in den Schleiffedern zu einem
continuirlichen, bei gleichmässiger Drehung constanten Strome. Sollte
die Maschine als electromagnetische Kraftmaschine benutzt werden, so wurde
ein eiserner Conus verwendet und die Electromagnete in die ebene
Fläche gesetzt.
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W. Siemens.
473
mit Hülfe des Pacinotti'schen Ringes auszuführen und da-
durch die lästige Erhitzung des Eisens der rotirenden
Cylindermagnete zu beseitigen.
Der Gramme'8chen dynamoelectrischen Maschine haftet
aber noch der Mangel an, dass nur die die magnetischen
Felder durchlaufenden äusseren Theile der Drahtwindungen
der inducirenden Wirkung unterliegen, während die innere
Hälfte derselben ohne wesentliche Wirkung bleibt und den
Widerstand der Strombahn nur nutzlos erhöht, v. Hefner-
Alteneck beseitigte denselben bei der nach ihm benannten
dynamoelectrischen Maschine zum grossen Theile dadurch,
dass er den rotirenden Ring oder auch einen massiven Eisen-
cylinder nur an der Aussenseite mit Windungen versah,
welche gruppenweise, wie bei der Gramme'schen Maschine,
mit Contactstücken und Schleiffedern oder Drahtbürsten
communicirten. Die G-ramme'sche und die v. Hefner'sche
Maschine sind vielfach in wissenschaftlichen und technischen
Schriften dargestellt und erörtert worden, ich werde daher
hier auf eine specielle Beschreibung derselben nicht eingehen.
Sie bilden gegenwärtig die typischen Grundformen für
Maschinen zur Erzeugung starker electrischer Ströme für
technische Zwecke und werden diesen entsprechend in den
verschiedensten Formen und Grössen ausgeführt. So be-
sitzen z. ß. die Maschinen v. Hemer'schner Construction,
welche zur Kupferraffini rung in der Kupferhütte zu Oker
benutzt werden, und von denen eine jede täglich in zwölf
hinter einander geschalteten Zellen ca. 300kg Rohkupfer
auflöst und galvanisch in Plattenform wieder niederschlägt,
Umwindungsdrähte von 13qcm Querschnitt, während Ma-
schinen zur Erzeugung vieler electrischer Lichter und zur
Kraftübertragung Umwindungsdrähte vom Gewichte mehrerer
Oentner haben.
Diese in Vergleich mit früheren electrischen Apparaten
colossalen Leistungen und Dimensionen werden jedoch noch
bedeutend überschritten werden, wenn die neuerdings ange-
bahnte Anwendung der dynamoelectrischen Maschine zur
Kraftübertragung allgemeiner geworden ist.
Wenn man zwei dynamoelectrische Maschinen in den-
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474
fV. Siemens.
selben Kreislauf bringt und die eine mit constanter Ge-
schwindigkeit dreht, so muss die andere sich als electro-
magnetische Maschine in umgekehrter Richtung drehen, wie
schon aus der Betrachtung folgt, dass eine dynamoelectrische
Maschine eine in umgekehrter Richtung gedrehte electro-
magnetische Maschine ist. Der Gegenstrom, den diese durch
den Strom rotirende Maschine erzeugt, schwächt nun den
durch die primäre dynamoelectrische Maschine erzeugten
Strom und vermindert dadurch zugleich auch die Arbeit,
welche zur Drehung der letzteren erforderlich ist. Hätte die
secundäre Maschine weder innere noch äussere Arbeit zu
verrichten, so würde sich ihre Geschwindigkeit so weit
steigern, bis ihre electromotorische Gegenkraft der der
primären Maschine das Gleichgewicht hielte. Es würde dann
kein Strom mehr durch die Leitung gehen, aber auch
weder Arbeit consumirt noch geleistet. Vollständig kann
dieser Gleichgewichtszustand natürlich niemals erreicht werden,
weil die secundäre Maschine innere Widerstände zu über-
winden hat, und weil die primäre Maschine eine von ihrer
Construction abhängende Geschwindigkeit erreichen muss,
bevor der dynamoelectrische Verstärkungsprocess des Stromes
seinen Anfang nimmt. Wird der secundären Maschine nun
eine Arbeitsleistung aufgebürdet, so vermindert sich dadurch
ihre Geschwindigkeit. Mit dieser vermindert sich die von
der Rotationsgeschwindigkeit abhängige Gegenkraft, und es
durchläuft nun beide Maschinen ein der Differenz ihrer
electrischen Kräfte entsprechender Strom, dessen Erzeugung
Kraft verbraucht, und der seinerseits in der secundären Ma-
schine die ihr auferlegte Arbeit leistet. Ich habe bereits an
anderen Orten1) darauf hingewiesen, dass der bei dieser
Kraftübertragung erzielte Nutzeffect keine constante Grösse
ist. sondern von dem Verhältnisse der Geschwindigkeit beider
Maschinen abhängt, und dass er mit der Rotationsgeschwin-
digkeit derselben wächst. Durch die nachfolgend beschriebene
Untersuchung hat sich dies innerhalb gewisser Grenzen be-
stätigt. Praktisch ist bisher ein Nutzeffect bis zu 60 Procent
l l Siemens, Zeitschr. d. electrotechn. Vereins. Febr.- Heft 1879. p. 51.
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W. Siemens.
475
der aufgewendeten Arbeit erzielt worden, und es sind mit
den grössten zur Verwendung gekommenen Maschinen —
die allerdings nicht speciell für Kraftübertragung, sondern
für Beleuchtungszwecke construirt waren — bis zu 10 mit
dem Prony'schen Zaume gemessene Pferdekräfte übertragen
worden, mit einem Nutzeffecte von durchschnittlich 50 Pro-
cent. Es wird hiernach bei der electrischen Kraftübertragung
bisher nur etwa die Hälfte der aufgewendeten Arbeit als
]Nutzarbeit wieder gewonnen, während die Hälfte zur Ueber-
windung der Maschinen- und Leitungswiderstände verbraucht
und in Wärme umgewandelt wird. Die Grösse dieses Kraft-
verlustes ist offenbar von der Construction der Maschine ab-
hängig. Wäre keine Aussicht vorhanden, durch Verbesserung
dieser Constructionen eine wesentliche Verminderung des-
selben herbeizuführen, so würde die technische Verwendung
der electrischen Kraftübertragung eine einigermassen be-
schränkte bleiben. Es ist daher von Wichtigkeit, die in der
MaBchinenconstruction liegenden Ursachen des Kraftverlustes
festzustellen und dann in Betracht zu ziehen, ob und auf
welchem Wege eine gänzliche oder theilweise Beseitigung
dieser Verlustquellen anzubahnen ist. Es können hierbei
die rein mechanischen Kraftverluste durch Reibungen, Luft-
widerstand, Stösse etc. in den Maschinen ausser Betracht
gelassen werden. Sie bilden nur einen kleinen Theil des
Verlustes, und ihre möglichste Verminderung ist durch An-
wendung bekannter Constructionsgrundsätze herbeizuführen.
Die wesentliche und niemals ganz zu beseitigende physi-
kalische Ursache des Kraftverlustes ist die Erwärmung der
Leiter durch den electrischen Strom. Da bei den Maschinen,
bei welchen kein plötzlicher Wechsel des Magnetismus statt-
findet, auch keine merkliche unmittelbare Erwärmung des
Eisens der Electromagnete eintritt, so braucht bei diesen
überhaupt nur diese Erwärmung der Leiter durch die sie
durchlaufenden Ströme in Betracht gezogen zu werden. Diese
Leiter sind hier nicht nur die Leitungsdrähte der Maschinen
und die leitende Verbindung derselben, sondern auch die
bewegten Metallmassen der Maschinen, in welchen Ströme
inducirt werden, die sie erwärmen (die sogenannten Foucault'-
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476
W. Siemens
sehen Ströme). Als wesentlicher Grundsatz für die Con-
struetion der dynamoelectrischen Maschinen ergibt sich hier-
nach, dass
1. alle ausserwesentlichen Widerstände der Maschine,
d. i. hier alle diejenigen Leitungsdrähte, welche nicht electro-
motori8ch wirken, möglichst beseitigt oder doch vermindert
werden ;
2. die Leitungsfähigkeit aller Leiter, auch der electro-
motorisch wirksamen, möglichst gross gemacht wird;
3. durch die Anordnung der Metallmassen, in welchen
durch bewegte Stromleiter oder Magnete Foucault'sche
Ströme erzeugt werden können, diesen die Strombahn mög*
liehst abgeschnitten wird;
4. der in den Electromagneten erzeugte Magnetismus
möglichst vollständig und direct zur Wirkung kommt;
5. die Abtheilungen der Windungen des inducirten
Drahtes, welche von Strömen wechselnder Richtung durch-
strömt werden, möglichst klein, die Zahl der Abtheilungen
mithin möglichst gross gemacht wird, damit der beim Strom-
wechsel eintretende Extrastrom möglichst klein wird.
Betrachten wir die beiden diesen Betrachtungen zu
Grunde liegenden Maschinensysteme, das Gramme'sche und
das v. Hefner'sche, vom Standpunkte dieser Constructions-
bedingungen aus, so finden wir, dass dieselben bei beiden
nur in unvollkommener Weise erfüllt werden.
Bei beiden Maschinen wirkt der Magnetismus nicht
direct inducirend auf die bewegten Drähte des Ankers,
sondern es geschieht dies im wesentlichen erst indirect
durch den im Gramme'schen Ringe oder dem v. Hefner'schen
äusserlich umwickelten Eisencylinder durch die ausgehöhlten
Magnetpole der festen Magnete erregten Magnetismus. Dass
die directe inducirende Wirkung der ausgehöhlten Magnet-
pole auf die rotirenden Drähte nur gering ist, ergibt das
Experiment, wenn man bei der v. Hefner'schen Maschine
den Eisencylinder durch einen Cylinder aus nicht magnetischem
Material ersetzt. Es folgt dies aber auch schon aus der Be-
trachtung, dass auf einen bewegten Draht nur diejenigen Theile
des ausgehöhlten Magnetpoles in gleichem Sinne wie der
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W. Siemens. All
Magnetismus des inneren Cylinders inducirend einwirken,
welche ausserhalb der der Drehungsaxe parallelen, durch den
rotirenden Draht gelegten Ebene liegen, die senkrecht auf dem
Drehungsradius des Drahtes steht, während die innerhalb
dieser Ebene liegenden Theile der ausgehöhlten Pole eine ent-
gegengesetzte Wirkung ansahen. Es muss daher bei beiden
Maschinen zur Herbeiführung einer bestimmten Inductions-
wirkung ein weit stärkerer Electromagnet zur Wirkung
kommen, wie unter günstigeren Bedingungen erforderlich
wäre. Um diesen stärkeren Magnetismus zu erzeugen, muss
ein grösserer Theil des zur Maschine verwendeten Leitungs-
drahtes auf Kosten der Länge des inducirten Drahtes zur
Magnetisirung des festen Magnetes verwendet werden.
Zur Beseitigung der Foucault'schen Ströme im rotiren-
den Eisenringe wird letzterer sowohl bei der Gramme'schen
wie bei der v. Hefner'schen Maschine aus übersponnenen
oder lackirten Eisendrähten gewickelt. Der Kreislauf dieser
Ströme wird hierdurch auf den Umfang der Eisendrähte ein-
geschränkt, mithin auch der Wärmeverlust durch dieselben
sehr klein gemacht. Dagegen bieten die ausgehöhlten Magnet-
pole diesen Strömen noch grössere geschlossene Strombahnen
dar, welche Wärmeverluste bedingen.
Bei dem Pacinotti'schen Ringe der Gramme'schen Ma-
schine liegt, wie schon hervorgehoben, ein grosser Kraftver-
lust, durch nutzlose Verlängerung des Umwindungsdrahtes,
in dem Umstände, dass nur die äusseren Theile des Umwin-
dungsdrahtes electromotorisch wirken, während die im Innern
des Ringes liegenden Theile desselben nur als Leiter auf-
treten und nutzlos erwärmt werden müssen. Bei dem nur
ausserlich umwickelten v. Hefner'schen Eisencylinder ist dies
Verhältniss wesentlich günstiger, doch bilden auch bei diesem
die die Stirnflächen der Cylinder bedeckenden Drahtstücke
todte Widerstände. Ist die Länge des Cylinders, wie gewöhn-
lich der Fall, ein Vielfaches des Durchmessers, so ist der
durch die nicht inducirend wirksamen Drähte erzeugte Ver-
lust an Leitungsfähigkeit allerdings weit geringer, wie bei
der Gramme'schen Maschine. Dagegen hat diese aber den
Vorzug einer einfacheren Drahtführung, welche die Möglich-
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478
W. Siemens.
keit gewährt, eiDe grössere Zahl kleinerer Windungsabthei-
lungen einzuführen, wodurch der Kraftverlust durch den
beim Wechsel der Stromrichtung eintretenden Extra-
strom und die zum Theil von diesem abhängige lästige
Funkenbildung vermindert wird.
Von noch grösserer Bedeutung, wie diese Verlustquellen,
welche alle auf unnütze Vergrösserung der zur Erzielung
eines bestimmten Effectes erforderlichen Maschine und ihres
Leitungswiderstandes hinführen, ist aber, wie aus der Zu-
sammenstellung unserer Versuche durch Dr. Frölich her-
vorgeht, der rückwirkende Einfluss der die Drähte der Ma-
schine durchlaufenden inducirten Ströme selbst. Dieser Ein-
rluss ist bei beiden hier betrachteten Maschinensystemen ein
doppelter, nämlich einmal die Verschiebung der Lage der
magnetischen Pole des Pacinotti'schen Ringes, resp. des v.
Hefner'schen Cylinders, und zweitens die Herabdrückung des
magnetischen Maximums, sowohl der festen Magnetpole, wie
des Ringes, durch Magnetisirung des Eisens im Sinne der
inducirten Ströme, mitbin senkrecht auf die Richtung des
wirksamen Magnetismus. Die inducirten Ströme suchen den
Ring, resp. den Cylinder, derart zu magnetisiren, dass die
Polebene senkrecht auf der Polebene der festen Magnete
steht, es muss die wirkliche Polebene daher die Resultante
der beiden senkrecht auf einander stehenden, magnetisirenden
Einflüsse sein. Es ergibt sich dies auch daraus, dass man
die Schleiffedern beim Gange der Maschine um einen von
der Stärke des inducirenden Stromes abhängigen Betrag
nachstellen muss, um das Maximum der Wirkung zu er-
halten. Durch diese Magnetisirung in einer zur Richtung
des inducirenden Magnetismus senkrechten Richtung wird
nun ein Theil der hypothetischen magnetischen Eisenmole-
cüle in Anspruch genommen; es muss daher die Magneti-
sirung des Ringes durch den festen Magnet entsprechend
kleiner werden. Aus dem Umstände, dass man die Contact-
federn oder Bürsten bei schnellerer Rotation des Cylinders
mehr wie bei langsamerem Gange nachstellen muss, auch
wenn durch äussere eingeschaltete Widerstände die Strom-
stärke constant erhalten wird, ergibt sich ferner, dass ent-
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W. Siemens.
479
weder ein Mitführen des im Ringe oder Cylinder durch die
feststehenden Magnetpole erzeugten Magnetismus durch das
rotirende Eisen stattfindet, oder dass Zeit zur Ausführung
der Magnetisirung erforderlich ist, die Ringmagnetisirung
mithin um so kleiner wird, je grösser die Rotationsgeschwin-
digkeit des Ringes ist.
Diesen Ursachen ist auch die auffallende Erscheinung
zuzuschreiben, dass die Stromstärke der in sich geschlossenen
Dynamomaschine näch Beendigung des Steigerungsprocesses
der Drehungsgeschwindigkeit nahe proportional ist, während
das dynamoelectrische Princip an sich (d. h. ohne Berück-
sichtigung der Erwärmung der Drähte, der secundären Wir-
kung der inducirten Ströme u. s. w.) bei jeder Drehungsge-
schwindigkeit ein Ansteigen des Stromes bis zu derselben
unendlichen Höhe bedingt, wenn der Magnetismus der Strom-
stärke proportional ist.
Ob und in wie weit eine Vervollkommnung der Con-
struction der dynamoelectrischen Maschinen die geschilderten
Mängel derselben zu beseitigen im Stande ist, lässt sich
theoretisch nicht feststellen. Auf die Pläne, durch welche
eine solche Vervollkommnung angestrebt wird, hier einzu-
gehen, würde zwecklos sein. Um jedoch das Bild der gegen-
wärtigen Sachlage zu vervollständigen, will ich noch einige
meiner Versuchsconstructionen beschreiben, welche den Aus-
gangspunkt zu diesen Bestrebungen bilden. Dieselben hatten
den directen Zweck, Maschinen für chemische Zwecke her-
zustellen, bei welchen geringe electromotorische Kraft aus-
reichend, aber sehr geringerer innerer Widerstand erforder-
lich ist.
Die eine dieser Versuchsconstructionen, die sogenannte
Topfmaschine, hat als Grundlage meinen schon früher be-
schriebenen Cylindermagnet oder Doppel-T-Anker (Siemens
armature). Wenn man einen solchen transversal umwickelten
Magnet, dessen Polflächen Theile eines Cylindermantels sind,
mit parallelen Leitern umgibt, die an einem Ende sämmtlich
mit einander leitend verbunden sind, und dieselben um den
Cylindermagnet rotiren lässt, so werden in denjenigen
Drähten, welche sich gerade über der einen Polfläche be-
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480
fV. Siemens.
linden, positive, in den über der anderen befindlichen nega-
tive Ströme inducirt, welche sich durch passend angebrachte
Schleifcontacte , welche alle in gleichem Sinne inducirten
Drähte oder Kupferstäbe leitend mit einander verbinden, zu
Strömen grosser Stärke vereinigen, da der Widerstand der
Maschine ein ausserordentlich geringer ist.
Die Potentialdifferenz der beiden Schleifcontacte konnte
der Kürze der inducirten Leiter wegen selbstverständlich
nur eine geringe sein. Sie erreichte bei der grössten zu-
lässigen Rotationsgeschwindigkeit noch nicht ein Daniell,
was aber ausreichend für galvanoplastische Zwecke ist.
Durch Anbringung eines Mantels aus isolirten Eisen-
drähten lässt sich die Stärke der magnetischen Felder und
damit die electromo torische Kraft des Stromes noch beträcht-
lich verstärken. Bei dieser Construction der dynamoelectri-
schen Maschine wirkt der Magnetismus direct inducirend;
es fällt daher bei ihr eine Reihe der oben erörterten Con-
structionsfehler fort. Sie bildet daher den Ausgangspunkt
für verbesserte Constructionen von dynamoelectrischen Ma-
schinen, über welche ich mir weitere Mittheilungen vor-
behalte.
Eine zweite Construction ruht auf einer ganz abweichen-
den Grundlage, nämlich auf der sogenannten unipolaren In-
duction. Bekanntlich entsteht in einem Hohlcylinder, wel-
chen man um das Nord- oder Südende eines Magnetstabes
rotiren lässt, ein Stromimpuls, der sich durch einen Strom
in der leitenden Verbindung von Schleifiedern an den beiden
Enden des rotirenden Cylinders kundgiebt. Es wurde nun
ein Hufeisen mit langen cylindrischen Schenkeln so placirt,
dass die Polenden nach oben gerichtet waren. Das untere
Drittheil der Schenkel wurde mit Drahtwindungen von sehr
grossem Querschnitt (etwa 20qcm) umgeben. Um die oberen
zwei Drittel der Länge der Schenkel rotirten zwei Hohl-
cylinder aus Kupfer, deren untere Enden mit den oberen
Anfängen der unter sich verbundenen Spiralen durch ein
System von Schleifiedern communicirten, während die an dem
oberen Ende derselben angebrachten Schleifiedern isolirt
waren. Die rotirenden Cylinder waren mit einem eisernen
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W. Siemens.
481
*
Mantel umgeben, welcher den Zweck hatte, den Magnetis-
mus des Electromagnetes, resp. die Stärke der cylindrischen
magnetischen Felder, in denen die Kupfercylinder arbeiteten,
zu vergrössern. Es gelang bei den allerdings bedeutenden
Dimensionen dieser Maschine, durch unipolare Induction
einen Strom zu erzeugen, welcher in einem äusserst geringen
Widerstande thätig war und eine electromotorische Kraft
von ca. 1 Daniell besass. Trotz dieser verhältnissmässig be-
deutenden Leistungen war der Nutzeffect dieser Maschine
nicht befriedigend, da die Reibung der Schleiffedern zu gross
war und die Leistung der Grösse der Maschine nicht ent-
sprach.
Ich will hier noch bemerken, dass mein Freund G. Kirch -
hoff mir einen beachtenswerthen Vorschlag machte, um die
electromotorische Kraft dieser Maschine durch Vergrösserung
der Länge des inducirten Leiters zu vermehren.
Er schlug vor, die Wände der rotirenden Hohlcylinder
durch Längsschnitte zu trennen und sie dann mit isoliren-
den Zwischenlagen wieder zu einem Hohlcylinder zusammen-
zufügen. Jedes Ende eines der so gebildeten isolirten Stäbe
sollte mit einem isolirten Schleifringe leitend verbunden
werden. Durch die im Kreise anzuordnenden Schleiffedern
konnten dann die Enden der Stäbe beider Cylinder derartig
verbunden werden, dass sie in demselben Sinne electromo-
torisch wirkten. Technische Schwierigkeiten haben die Durch-
führung dieses beachtenswerthen Vorschlages bisher ver-
hindert, es ist aber nicht unwahrscheinlich, dass dieselben
zu überwinden sind. Auffallend ist bei dieser Maschine, dass
der Magnetismus des grossen Hufeisenmagnetes viel früher
von der Proportionalität mit dem (primären) Strom abweicht,
als zu erwarten war. In der nachfolgenden Tabelle enthält
die erste Columne die Stärke des magnetisirenden Stromes
in Stromeinheiten, die zweite die Spannungsdifferenz an
den Schleiffedern in Daniells, die dritte die Umdrehungszahl
der Kupfercylinder. Wäre der Magnetismus der Stärke des
primären Stromes proportional, so müssten die Zahlen der
vierten Columne denen der ersten proportional sein, was
ersichtlich nicht der Fall ist. Ebenso wenig ist bei dem
Ann. d. Phys. u. Chem. N. F. XIV. 31
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482
W. Siemens
durch einen Widerstand geschlossenen Leitungskreise die in
der letzten Columne angegebene Stromstärke in demselben
dem Producte aus Stromstärke des primären Kreises in die
Tourenzahl, dividirt durch den eingeschalteten Widerstand,
proportional.
Unipolare Maschine
Primärer
Strom in
Dan.
S.-E.
119
113
102
91
83
74
65
57
43
0
42
65
90
105
124
95
S- Span-
nung an
Polen
in Dan.
v- Touren
0,74
0,73
0,70
0,69
0,68
0,68
0,67
0,66
0,63
0,10
0,040
0,036
0,047
0,052
0,052
0,128
8
100
Aeusserer
Widerst.
S.-E.
in
Mill.
760
810
810
825
830
840
840
850
810
820
700
660
680
680
720
670
0,0974
0,0901
0,0864
0,0836
0,0819
0,0810
0,0798
0,0776
0,0778
0,0012
1
Strom-
stärke in
Dan.
S.^E.
co
«
»I
w
»
»
v
j>
18
18
18
18
18
160
»*
n
M
••
»
i)
W
»>
2,3
2,1
2,7
3,0
3,6
0,8
Dass die Magnetschenkel, die aus Eisenröhren von 16 cm
äusserem, 9 cm innerem Durchmesser und 116 cm Länge be-
standen, schon bis zum Maximum magnetisirt gewesen waren, ist
schon aus dem Grunde nicht anzunehmen, weil der schwache
rückbleibende Magnetismus bereits etwa ein Achtel der
stärksten Spannung gab, wie aus der 10. Versuchsreihe her-
vorgeht. Es ist aber möglich, dass der Magnetismus nicht
gleichmässig auf der Peripherie der feststehenden Magnet-
schenkel vertheilt war, und dass daher die augenblicklich in
schwächeren magnetischen Feldern befindlichen Theile der
rotirenden Cylinder eine Nebenschliessung für die in stärke-
ren Feldern inducirte Ströme bildeten. Bei Durchführung
des Kirchhoffschen Vorschlages würde dies fortfallen.
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9
F. Himstedt. 483
VI. lieber die Dämpfung schwingender Magnete
durch Eisenplatten; von F. Himstedt.
Die Dämpfung schwingender Magnete durch Metall-
massen, welche magnetischer Polarität nicht fähig sind, ist
vielfach Gegenstand sowohl theoretischer als experimenteller
Untersuchungen gewesen. Gauss hat meines Wissens zu-
erst1) die Bewegungsgleichung eines in einem Multiplicator
schwingenden Magnets entwickelt unter der Voraussetzung,
dass die dämpfenden Kräfte lediglich herrühren von den in
dem Drahtkreise hervorgerufenen Inductionsströmen. Alle
von ihm sowie von späteren Autoren aus dieser Gleichung
gezogenen Folgerungen sind durch das Experiment bestätigt,
und wir dürfen behaupten, dass die Einzelheiten magneti-
scher Schwingungen, welche gedämpft werden durch Metall-
massen, die magnetischer Polarität nicht fähig sind, hinrei-
chend bekannt sind, und dass sie alle durch die Erschei-
nungen der Induction ihre volle Erklärung finden.
Anders verhält es sich mit der Dämpfung, die durch
solche Metalle ausgeübt wird, welche magnetische Polarität
besitzen, speciell durch das Eisen. Man weiss, dass das
Eisen stärker dämpft als irgend ein anderes Metall, und
dass nur ein Theil dieser Dämpfung durch Inductionsströme
erklärt werden kann, nirgends aber habe ich in der ein-
schlägigen Literatur Einzelheiten über die durch Eisen ge-
dämpfte Bewegung eines Magnets finden können, noch auch
einen Versuch, durch Messungen die Erklärung zu prüfen, welche
man für den nicht auf Inductionserscheinungen zurückführ-
baren Theil der Dämpfung gegeben hat.
In dem Folgenden werde ich einige Versuche mittheilen,
welche den Zweck haben, die Hauptabweichungen der durch
Eisen gedämpften Bewegung eines Magnets von der durch
Kupfer gedämpften festzustellen und die Erklärung des nicht
auf Inductionsströme zurückführbaren Theiles der Dämpfung
quantitativ zu prüfen.
1) Gauss. Res. a. d. Beob. d. magnet. Vereins zu Göttiugen. 1837,
31*
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484 F. Himstedt
§ 1. Alle Versuche wurden mit demselben Magnet an-
gestellt. Der Querschnitt desselben ist ein Quadrat von
10 mm Seite, seine Länge beträgt 100 mm. Das magnetische
Moment wurde dreimal während der Versuche bestimmt, und
wurden dafür die Werthe gefunden:
14. Dec. 1880 23. Febr. 1881 11. Juli 1881
7 240 300 7 239 500 7 240 000
Der Magnet war bitilar aufgehängt, je nach Bedürfniss
an Coconfäden oder Messingdrähten, die an den unteren
Enden eingeklemmt wurden, an dem oberen über Rollen
liefen. Der Fadenabstand der Suspension konnte mittelst
zweier Mikrometerschrauben zwischen den Grenzen 8 und
64 mm variirt werden. Der Magnet trug senkrecht zu der
magnetischen Axe einen Messingstab von ca. 200 mm Länge,
auf welchem Gewichte zur Aenderung des Trägheitsmomentes
verschiebbar waren. Die Beobachtung des Magnets geschah
mit Fernrohr, Scala und Spiegel. Als Dämpfungsmaterial
wurden Scheiben und Streifen verschiedener Form und Grösse
benutzt aus Eisenblechen, deren Dicken zwischen 0,13 und
6,4 mm lagen. Die Dicken wurden durch Bestimmung des abso-
luten Gewichts und des spec. Gewichts ermittelt. Alles Beob-
achtungsmaterial wurde vor dem Versuche in Lehm verpackt,
in einem Holzkohlenfeuer mehrere Stunden (4 — 6) ausgeglüht
und durch Bedecken mit Asche für eine langsame Abküh-
lung Sorge getragen. Trotz der gleichmässigen Behandlung
zeigten oft Platten, welche aus demselben Stücke geschnitten
und in derselben Lehmhülle nebeneinander liegend geglüht
waren, bei den ersten Versuchen grosse Verschiedenheiten,
die sich jedoch mit sehr wenigen Ausnahmen durch öfteren
Gebrauch ausglichen. Es sind deshalb in dem Folgenden
nur solche Resultate in Betracht gezogen, die bei wiederholt
verwendeten Platten erhalten wurden, bei welchen man offen-
bar wird die Annahme machen dürfen und müssen, dass sich
in ihrem Inneren ein gewisser Gleichgewichtszustand herge-
stellt hat, der hauptsächlich dadurch bedingt ist, dass die
Eisenstücke ohne Ausnahme etwas permanenten Magnetis-
mus annahmen. Die Eisenplatten und Streifen wurden vor
dem Glühen gerichtet und die kleinen Unebenheiten, die bei
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F. Himstedt
485
den dünnsten etwa wieder auftraten, dadurch beseitigt, dass
die Platten während des Versuchs zwischen zwei Scheiben
aus hartem Holz geklemmt wurden. Unter der Entfernung
des Magnets von der Eisenplatte ist im Folgenden stets die
von der unteren Fläche des ersteren bis zu der oberen der
letzteren zu verstehen. Dieselbe wurde regulirt mittelst
dreier Stellschrauben an einem kleinen Tische, auf welchem
die Platten durch Schiebervorrichtungen in genau bestimmte
Lagen gebracht werden konnten, und wurde gemessen durch
zwischengeschobene Holzkeile.
§ 2. Der wesentliche Unterschied, welchen die Beob-
achtung ergeben hat zwischen der Dämpfung durch Kupfer-
platten und der durch Eisenplatten von gleichen Dimen-
sionen lässt sich in folgender Weise aussprechen:
Bei einer Kupferdämpfung ist das logarithmische Decre-
ment umgekehrt proportional der Schwingungsdauer, bei
einer Eisendämpfung ist das logarithmische Decre-
ment unabhängig von der Schwingungsdauer.
Die Aenderung der Schwingungsdauer geschah durch
Aenderung des Trägheitsmomentes, während die Directions-
kraft der Suspension ungeändert bleibt.
d =
0,13
d = 0,35
d =
1,6
A
t
X — ).Q
Ä
t
A
t
48,3
12,00
6,42
0,000 238 6 ,
0,000 234 9
35,4
18,35
5,55
0,003 73
0,003 72
35
13,22
5,73
0,000 231*
0,000 219
39
12,09
6,47
0,000 615 4*
0,000 577 4
25,4
13,1
5,72
0,001 23
0,001 26
25,8
13,41
5,77
0,000 775
0,000 780
29
12,13
6,38
0,001 873
0,001 840
15
13,43
5,8
0,009 73
0,009 84
15
13,27
5,34
0,004 26
0,004 37
24,2
12,21
6,41
0,003 646
0,003 548
11,5
13,25
5,33
0,011 12
0,01154
17,5
12,05
6,35
0,009 202
0,009 240
14
12,18
6,23
!
0,018 610
- 0,018 910
i
1
Digiti
486
F. Himstedt.
A
d =» 2,8.
X-X0
A t l-X9
d = 6,4.
Kupferplatte.
d = 6,4.
30,3 11,95 0,000 249
6,23 0,000 254
24,5 12,3 0,000 227
6,22 0.000 224
A
t
x-xQ
18,9 12,00 0,001 743*
6,31 0,001 800
14,7 12,27 0,001 044
6.22 1 0,001 110
5,5 11,98,0,000 314 5
6,67 0,000 558
11,2 12,2 0,007 67
6,27 0,007 80
11,5 12,3 1 0,005 993
6,25 0,006 103
Es bezeichnet:
d die Dicke der Platte,
A den Abstand derselben vom Magnet,
t die Schwingungsdauer des Magnets,
l — X0 die Differenz der logarithmischen Decremente der
Eisendämpfung und der Luftdämpfung, jede in Brigg'schen
Logarithmen gemessen.
In der vorstehenden Tabelle zeigen fast alle Zahlen,
die nach dem darüber stehenden Satze gleich sein sollten,
eine kleine Abweichung voneinander, einige wenige (die mit
einem Stern bezeichneten) sogar eine solche im Betrage von
fast 7°/0 ihres ganzen Werthes. Ich mache besonders da-
rauf aufmerksam, dass diese Abweichungen nicht etwa als
Beobachtungsfehler anzusehen sind, noch aus ihnen auf eine
Unsicherheit des aufgestellten Satzes geschlossen werden darf,
vielmehr müssen dieselben, wenigstens zum grössten Theile,
gewiss auf eine Fehlerquelle zurückgeführt werden, die bei
den Versuchen nicht zu vermeiden war. Die Beobachtung
lehrt nämlich, dass die Schwingungsdauer des Magnets durch
die untergelegten Eisenplatten mehr oder weniger geändert
wird 1), und zwar derart, dass die daraus berechneten Aende-
rungen der auf den Magnet wirkenden Directionskraft bis
zu 2% ihres ganzen Werthes verschieden sind für die ver-
schiedenen Schwingungsdauern. Eine Verschiedenheit in der
Directionskraft überträgt sich aber direct auf das logarith-
mische Decrement.
Unter dem logarithmischen Decrement ist hier und im
ganzen Folgenden zu verstehen: Die Differenz der Logarith-
1) Bezüglich der Grösse dieser AenderuDgen vergl. § 8 p. 502.
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F. Himstedt.
487
men zweier aufeinander folgenden Bogen bei gleichem An-
fangsbogen. Der Grund für diesen Zusatz liegt in der
Beobachtung, dass das logarithmische Decrement (die
Bezeichnung im gebräuchlichen Sinne genommen) einer
Eisendämpfung mit der Grösse des Schwingungs-
bogens abnimmt.
A =
47,5.
s
X
788,8
780,9
773,1
765,4
757,8
750,3
0,00436
0,00436
0,00435
0,00434
0,00432
599,0
593,3
587,7
582,1
576,6
571,1
0,00416
0,00411
0,00416
0,00413
0,00416
A = 37,5.
A = 27,5.
797,1
772,3
749,3
727,6
707,1
688,1
669,9
653,0
636,9
621,6
607,2
0,01372
0,01313
0,01277
0,01241
0,01183
0,01164
0,01110
0,01084
0,01056
0,01018
809,1
762,8
721,3
682,9
647,4
614,6
584,0
555,4
528,6
504,2
482,2
0,02559
0,02429
0,02376
0,02319
0,02258
0,02218
0,02180
0,02148
0,02053
0,01937
t —
A der Abstand des Magnets von der Platte,
s die aufeinander folgenden Schwingungsbogen in Sca-
lentheilen,
X die Differenz der Logarithmen zweier aufeinander fol-
genden Schwingungsbogen.
Es stimmt diese Beobachtung sehr gut überein mit dem
Satze, dass das logarithmische Decrement unabhängig ist
von der Schwingungsdauer, insofern nämlich die Abhängig-
keit des Decrementes von dem Schwingungsbogen darauf
hinweist, dass nicht alle dämpfenden Kräfte der Geschwin-
digkeit proportional sein können.
§ 3. Ein Theil der von einer Eisenplatte ausgeübten
dämpfenden Wirkung rührt ohne Zweifel her von in der
Platte auftretenden Inductionsströmen, muss also abhängig
sein von der Schwingungsdauer. Gegenüber dem im vorigen
Paragraphen aufgestellten Satze muss es deshalb von Inter-
esse sein, das Verhältniss dieses Theiles zu der gesammten
Dämpfung ermitteln zu können.
Unter der Annahme, dass eine Eisenkugel magnetischer
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488
F. Himstedt.
Polarität fähig ist, aber keine Coercitivkraft besitzt, hat Hr.
H. Hertz in seiner Dissertation1) gefunden, dass die von einer
Eisenkugel erzeugte Dämpfung Vi -f- An&ja mal grösser sein
muss, als die einer gleichgrossen Kupferkugel.2) Hierin ist
& die magnetische Polarisationsconstante, a das Verhältniss
der specifischen Leitungswiderstände von Eisen und Kupfer,
und setzen wir & = 30, a = 6, so wird annähernd:
Die Vergleichung einer Eisenplatte mit einer Kupfer-
platte von gleicher Grösse hat die folgenden Werthe er-
geben:
d = 1,6 mm
Ä
V)
*.
1 *e
36,5
30,0
20,0
14,0
11,5
0,001015
0,001047
0,000933
0,001180
0.0011 82
0,001013
0,001050
0,000933
0,001187
0,001191
0,002474
0,004098
0,010200
0,024320
0,035020
Es bezeichnet:
A0 die Luftdämpfung,
A« die Dämpfung mit der Kupferplatte,
Ae dieselbe mit der Eisenplatte,
A den Abstand des Magnets von der Platte.
Wie man sieht, sind nur in der letzten Reihe, also nur
bei dem kleinsten der benutzten Abstände A* und A0 merk-
lich verschieden. Es ist dort:
A, - A0 = 0,000029, Ae - A0 = 0,033858.
Machen wir die Annahme, dass der für Kugeln berech-
nete Ausdruck Vi + 4& j a auch für Platten den Werth 3
besitzt (er wird in Wirklichkeit noch kleiner sein), so finden
wir, dass von der ganzen Eisendämpfung im Werthe von
1) H. Hertz, Ueber die Induction in rotirenden Kugeln, Berlin 1880.
2) Auch aus den Formeln meiner Arbeit: Wied. Ann. 11. p. 812
1880 lasst sich das gleiche Verhältniss ableiten.
3) Die Beobachtungen siud an verschiedenen Tagen angestellt, und
erklären sich die verschiedenen Werthe von k0 daraus, dass behufs an-
deren Messungen an der Suspension verschiedene Aenderungen vorge-
nommen waren.
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i
F. Himstedt.
489
Xe — X0 — 0,033858 nur der Betrag 0,000087, also noch nicht
ganz YbVoj auf Inductionswirkungen zurückzuführen ist. Bei
Platten von 6,4 mm Dicke wurde in dem Abstände A =
11,5 mm bei gleicher Berechnung etwas mehr als 1/2°j0, in
dem Abstände 1,5 mm nicht ganz l2/3°/o von Inductionswir-
kungen herrührend gefunden.
Die Resultate dieser Beobachtungen stimmen also sehr
gut mit dem im vorhergehenden Paragraphen aufgestellten
Satze überein, indem sie zeigen, dass derjenige Theil der
Dämpfung, von dem man weiss, dass er von der Schwingungs-
dauer abhängig ist, nur ein verschwindend kleiner
Bruchtheil der gesammten Dämpfung ist.
§ 4. Wie ich in der Einleitung erwähnt habe, ist es
schon lange als feststehend angesehen, dass nur ein Theil
der Eisendämpfung von Inductionsströmen herrührt. Zur
Erklärung des übrig bleibenden Theiles hat man angenom-
men dass in der Eisenscheibe unter den Polen des darüber
schwingenden Magnetes die ungleichnamigen Pole entständen,
und dass diese auch dann noch andauerten, wenn der Mag-
net in seiner Bewegung jene Punkte schon verlassen hat.
Dass durch diese Annahme die grosse Dämpfung einer Eisen-
platte erklärt werden kann, ist leicht einzusehen, allein ich
glaube zwei Beobachtungen anführen zu können, welche diese
Annahme als nicht zulässig erscheinen lassen.
Erstens nämlich spricht dagegen auf das entschiedenste
der in § 2 aufgestellte Erfahrungssatz, dass das logarithmische
Decrement einer Eisendämpfung unabhängig ist von der
Schwingungsdauer. Aus demselben ergibt sich direct, dass
die Arbeit der dämpfenden Kräfte unabhängig sein muss
von der Geschwindigkeit des schwingenden Magnetes. Be-
zeichnet nämlich:
M das magnetische Moment des Magnets,
T die Horizontalcomponente des Erdmagnetismus,
D die Directionskraft der Suspension,
q>0 und (p2 zwei aufeinander folgende Ausschläge des
Magnets auf derselben Seite der Ruhelage, so ist jene Arbeit:
1) Vergl. die Literatur Wied. Galvan. 2. p. 158 u. 210. 1877.
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490
F. Himstedt.
A = (>/T+ Z>)J*i
und dieser Ausdruck ist unabhängig von der Schwingungs-
dauer, da nach jenem Satze die Grenzen des Integrals un-
abhängig davon sind. Soll hingegen die dämpfende Wirkung
der Eisenplatte dadurch entstehen, dass sehr kurze Zeit in
derselben andauernde Pole den Magnet in den eben passirten
Punkten festzuhalten suchen, so ist die dabei an dem Magnet
geleistete Arbeit ohne Zweifel von der Geschwindigkeit seiner
Bewegung abhängig, sie ist nämlich um so grösser, je grösser
diese ist. Die Hypothese führt also zu einem directen Wi-
derspruch mit der Erfahrung.
In gleicher Weise scheint mir dann auch der folgende
Versuch mit jener Annahme nicht vereinbar zu sein. Unter
den an Coconfäden bifilar aufgehängten Magnet war eine
kreisförmige Eisenscheibe so nahe gelegt, dass, wTenn sie ge-
dreht wurde, der Magnet dadurch in gleichem Sinne um
einen bestimmten Winkel abgelenkt wurde. Dieselbe wurde
zunächst sechs- bis achtmal nach rechts und nach links um je
360° gedreht, um den Gleichgewichtszustand in der Scheibe
herzustellen. Es wurde die dann eintretende Ruhelage des
Magnets notirt und derselbe in dieser durch eine Schrauben-
vorrichtung fixirt. Hierauf wurde die Scheibe um 360° ge-
dreht und der Magnet freigelassen, die erfolgte Einstellung
beobachtet, der Magnet in der neuen Lage fixirt, die Scheibe
jetzt nach entgegengesetzter Richtung um 360° gedreht u. s. f.
Der Magnet war durch eine Oeldämpfung aperiodisch ge-
dämpft. In der folgenden Tabelle bedeuten:
R0 und Rx die Ruhelagen des Magnets in Scalentheilen,
t die Zeit, welche auf die Drehung der Scheibe ver-
wendet wurde,
T die Zeit, welche nach vollendeter Drehung der Scheibe
gewartet wurde, ehe man den Magnet frei Hess. Die Ta-
belle ist so zu verstehen, dass in der 1., 3., 5. Reihe B0
die Lage des Magnets angibt, in welcher er während der
Drehung fixirt war, R1 diejenige, in welche er sich, freige-
Digitized by Google
F. Himstedt
491
lassen, eingestellt hat. In der 2., 4., 6. Reihe ist die Be-
deutung von B0 und Rl die umgekehrte.
553,0 2 See. 0 1040,3 553,0 10 See. I 35 See. 1038,7
554.4 i 20 „ 0 1040,0 552,2 10 „ 2 Min. 1040,0
553,2 60 „ 0 1042,0 552,8 10 „ 10 „ 1040,6
552,7 120 „ 0 i 1040,5 546,9 10 „ 1 15 „ 1040,4
553,0 180 „ 0 1040,7 553,3 10 „ 30 „ 1025.4
553.5 240 „ 0 1040,0
Scalenabstand: 2520 mm.
Wurde die Scheibe während des Drehens durch Klopfen
mit einem Holzhammer erschüttert, so änderten sich die
Einstellungen unregelmässig, jedoch nie um mehr als 20 Sca-
lentheile. Wurde dagegen nach vollendeter Drehung er-
schüttert und dann der Magnet frei gelassen, so waren die
Ablenkungen bis 300 Scalentheile, also um mehr als die
Hälfte geringer. Auf diese letzte Erscheinung glaube ich
die Abweichungen in den beiden letzten Reihen der Tabelle
zurückführen zu dürfen, da während des Verlaufes von
15 Min., resp. 30 Min., kleine Erschütterungen durch das
Fahren von Wagen etc. nicht zu vermeiden waren.
Die Versuche zeigen auf das Klarste, dass die Kräfte,
welche den Magnet der gedrehten Eisenscheibe folgen lassen
und die offenbar dieselben sind, wie diejenigen, welche in
den Schwingungsversuchen die grosse Dämpfung verursachen,
für die hier zu beantwortende Frage als von der Zeit
unabhängig zu betrachten sind, und dass deshalb für den
grössten Theil der von einer Eisenplatte hervorgebrachten
Dämpfung nach einer anderen Erklärung als der bisher an-
genommenen gesucht werden muss.
§ 5. Hr. Prof. War bürg hat in einer Arbeit1) die
folgende Erscheinung beschrieben: „Man habe einem Eisen-
draht durch eine longitudinale magnetisirende Kraft Kx ein
gewisses permanentes Moment m0 ertheilt. Lässt man nun
auf den Draht magnetisirende Kräfte wirken, die von 0 bis
Kx stetig wachsen und dann von üfj bis 0 wieder stetig ab-
1) Warburg, Freib. Ber. 8. p. 1. 1881 u. Wied. Ann. 13. p. 141.
1881.
492
F. Himstedt.
nehmen, so findet man für dieselbe magnetisirende Kraft K
das magnetische Moment grösser, wenn K im Abnehmen, als
wenn es im Wachsen begriffen ist Nach einigen Wieder-
holungen dieser Operation findet man den Draht in einem
stationären Zustande, in welchem sich immer für K=0 ein
und dasselbe permanente Moment m0 und für K—Kx ein
und dasselbe Moment w^ + Mj ergibt." Im weiteren Verlaufe
der Arbeit macht der Hr. Verfasser darauf aufmerksam, dass
aus der beschriebenen Erscheinung sich die grosse Dämpfung
der Eisenplatten wird erklären lassen, und zwar „aus rein
statischen Versuchen, unabhängig von irgend welcher
Function der Zeit".
Auf gütige Anregung des Hrn. Prof. War bürg habe
ich es unternommen, diese Behauptung durch quantitative
Bestimmungen zu prüfen und durch die im Folgenden mit-
zutheilenden Versuche hoffe ich die Richtigkeit derselben
darlegen zu können.
Dass die beschriebene Erscheinung bei den Schwingun-
gen eines Magnets über einer Eisenplatte in Betracht gezogen
werden muss, ist sehr leicht ein-
zusehen. Bewegt sich der Mag-
net von bq über am nach cp
(Fig. 1), so ist in jedem Momente
für die überschrittenen Punkte
die magnetisirende Kraft im Ab-
nehmen, für die zu überschrei-
tenden im Zunehmen. Betrach-
ten wir also zu irgend einer
Zeit der Bewegung, wo sich der
Magnet in dn befinden möge,
zwei Punkte e und /, welche
' gleichweit vor und hinter dem
Nordpol des Magnets gelegen sind, so wird, die Homogene'ität
der Scheibe vorausgesetzt, der erregte Magnetismus in t
schwächer sein, als in f, und also eine Kraft entstehen, welche
die Bewegung des Magnets zu hemmen sucht. Kommt der Mag-
net bei der Bückbewegung von cp über am nach bq wieder in
die Lage dn, so muss das Verhalten derselben Punkte e und /
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F. Himstedt
493
jetzt gerade das entgegengesetzte sein, f schwächer magne-
tisirt als e, und also wieder eine rückziehende Kraft auf-
treten. Diese Kräfte sind aber rein statische und müssen
sich durch rein statische Versuche bestimmen lassen. In
der That gelingt das auch sehr leicht durch die folgende
Versuchsanordnung :
Der, wie angegeben, bifilar aufgehängte und durch eine
Oeldämpfung aperiodisch gedämpfte Magnet wird mittelst eines
Torsionskreises sechs- bis achtmal innerhalb der Grenzen bq
und cp, zwischen welchen beobachtet werden soll, über der
Scheibe hin- und hergeführt, um in letzterer einen Gleich-
gewichtszustand zu schaffen. Darauf wird mittelst Fernrohr
und Spiegel der Stand des Magnets in bq beobachtet und
gleichzeitig der Torsionskreis abgelesen. Ebenso für eine
beliebige Anzahl von Stellungen dn, am, gr etc. bis cp, in
welche der Magnet durch Drehen des Torsionskreises einge-
stellt wird. Führt man darauf durch Rückwärtsdrehen des
Torsionskreises den Magnet der Reihe nach wieder in die-
selben Stellungen (die jetzt natürlich in entgegengesetzter
Reihenfolge passirt werden), so findet man, dass auf dem
Rückwege von cp nach bq jeder Stellung des Magnets ein
anderer Stand des Torsionskreises entspricht, als auf dem
Hinwege. Nur in den Endlagen bq und cp liest man stets
denselben Stand des Torsionskreises ab, sowohl auf dem Hin-,
als auf dem Rückwege. Wiederholt man den Versuch be-
liebig oft, so findet man auf dem Hin-, wie auf dem Rück-
wege stets dieselben Zahlen, wie bei dem ersten Versuche.
In dem folgenden Beispiele bezeichnet TKX die Able-
sungen des Torsionskreises auf dem Hinwege, TK2 dieselben
auf dem Rückwege, d die Differenz derselben, n die Stellun-
gen des Magnets in Scalentheilen. TK2 ist durch Interpo-
lation gefunden, da es nicht immer möglich ist, durch Drehen
des Torsionskreises genau dasselbe n zu erreichen, z. B. ist
die 3. Zahl unter TK, gewonnen aus:
rjr8»no°i2' und no°6'
n = 309,8 „ 314,7 .
Der Theilkreis war in ganze Grade getheilt, und konnten
mittelst des Nonius direct sechs Minuten abgelesen werden, die
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494 F Himstedt
Ablesung geschah mit einem Mikroskop bei vierzigfacher
Vergrößerung.
n
.
d
Avil
108° 18'
392,0
108°
18'
_"
0°
110 -
359,0
109
7
21
0
52
39
112 —
313,8
110
7
6
1
52
54
114 —
264,8
1 10
58
42
1
18
116 -
214,6
112
25
3
35
118 -
159,8
113
46
30
4
13
30
120 -
102,2
115
11
24
4
48
36
122 —
39,4
116
43
36
5
16
24
124 3
- 29,2
118
56
45
5
6
15
126 —
-100,6
121
3
4
47
128 —
-180,0
123
55
7
4
4
53
130 —
--266,6
127
12
2
48
132 54
-396,4
132
54
0
Bezeichnet in Fig. 1 ma die Richtung des magnetischen
Meridians und zugleich den Nullpunkt des Torsionskreises, und
bezeichnen wir mit (p einen Winkel, welchen der Magnet in
einer Stellung dn mit dem Meridian bildet, und mit a den
gleichzeitig am Torsionskreise abgelesenen Winkel, ist ferner
M das magnetische Moment des Magnets,
T die Horizontalcomponente des Erdmagnetismus,
D die Directionskraft der Suspension,
P((p) eine von dem permanenten Magnetismus ausgehende
Kraft,
^(qp) die von der Coercitivkraft l) herrührende Kraft,
so wird die Gleichgewichtsbedingung für den Magnet, wenn
er aus der Lage bq in die Lage dn übergeführt ist:
(1) MT sin <p + D sin(^ - <p) + P(tp) - Fx(<p) = 0.
Wird der Magnet von dn über am nach cp geführt und
dann wieder zurück nach dn, so ist die Gleichgewi cht sbe
dingung in derselben Lage dn jetzt:
(2) MTsiny + D sin (a2 — <p) + P(<p) + Ft(<p) = 0;
die Differenz beider Gleichungen liefert:
Fi(<P) + *afa>) = D fsin («i - 9) ~ sin (*2 ~ <J?)}>
1) Wenn im Folgenden das Wort „Coercitivkraft" gebraucht wir:
so ist darunter immer diejenige Wirkung der Coercitivkraft zu versteher
welche Hr. Prof. War bürg in der oben citirten Arbeit beschrieben hat
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F. Himstedt.
495
oder indem wir die Winkel nehmen statt der sinus, was für
die späteren Rechnungen mit ausreichender Annäherung ge-
schehen kann, erhalten wir:
F^ + FJM^D^ -*,).
Die in der vorstehenden Tabelle unter Columne d ver-
zeichneten Werthe entsprechen den hier mit (ax — av) be-
zeichneten Grössen und geben uns also direct in Einheiten
der Directionskraft D die Summe der Kräfte, welche, aus
der Coercitivkraft entspringend, auf dem Hin- und Rückwege
in jedem Punkte die Bewegung des Magnets zu hemmen
suchen. Die von diesen Kräften an dem Magnet während
seiner Bewegung von bq über am nach cp und von cp wieder
über am nach bq zurück geleistete Arbeit erhalten wir durch:
2= /(**,(?) +
<f>b
Schwingt der Magnet von bq nach cp und gelangt bei
der Rückkehr nicht wieder nach bq} sondern nach blql9 so
können wir mit grosser Annäherung setzen:
9 c 9c
•I 6 96,
Um nun beurtheilen zu können, welchen Antheil die
soeben erwähnten Kräfte an der Dämpfung des Magnets
hahen, berechnen wir die ganze, von allen dämpfenden Kräf-
ten einer Eisenscheibe während eines Hin- und Zurück-
schwingens des Magnets an diesem geleistete Arbeit.
Sind b, c, bx (Fig. 1) drei aufeinander folgende Umkehr-
punkte des über der Eisenplatte schwingenden Magnets, in
welchen derselbe mit dem magnetischen Meridian beziehungs-
weise die Winkel (pv (pc, cpb bildet, so ist jene Arbeit ge-
geben durch:
L=J (MT+D) sinydy - (JfT+ D) (cos(p2 - cos<p0).
9b
Der Quotient S/7, giebt uns das Verhältniss der aus
der Coercitivkraft erklärbaren zu der gesammten Dämpfung
einer Eisenplatte.
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496
F. Himstedt.
§ 6. Die zur Ermittelung des Quotienten 8/Z nöthigen
Beobachtungen und Rechnungen geschahen in folgender Weise:
Es wurden zunächst aus den zu untersuchenden Platten
solche Stücke geschnitten, welche die Schwingungsdauer des
Magnets nicht änderten.1) Es wurde das logarithmische De-
crement derselben /.* und das der Luftdämpfung k0 bestimmt.
Zur Bestimmung des ersteren musste immer eine grössere
Anzahl von Beobachtungen angestellt werden, da die Ge-
nauigkeit der Bestimmung nur an Werthen controlirt werden
konnte, welche zu demselben Anfangsbogen gehörten.2)
Mittelst der Gleichung:
log (f0 - 2 (K - A0) = log qpa'
wurde zu dem ersten beobachteten Ausschlage (p0 der zweite
auf derselben Seite der Ruhelage liegende qp2' bestimmt,
welchen der Magnet ohne die vorhandene Luftdämpfung
lediglich unter dem Einfiuss der von der Eisenplatte aus-
gehenden dämpfenden Kräfte gemacht haben würde, und
wurden dann cp0 und qp2' als Grenzen des Integrals für L
genommen.
Bei den Schwingungsbeobachtungen war die Directions-
kraft der Suspension aus später anzuführenden Gründen eine
grössere, als bei den statischen Versuchen. Bei ersteren
betrug der Abstand der Suspensionsdrähte etwa 64 mm, bei
letzteren etwa 8 mm, und waren in letzterem Falle auch die
Gewichte abgenommen, welche zur Aenderung des Trägheits-
momentes gedient hatten. Ich bezeichne die Directionskraft
bei den Schwingungsbeobachtungen mit Z>, dieselbe, wenn
der Fadenabstand von 64 mm auf 8 mm verkleinert war, mit
d und endlich diejenige, wenn auch die Gewichte abgenom-
men waren, mit 8. Das Verhältniss Djd wurde aus den
beobachteten Schwingungsdauern tx und t% gefunden:
d ~ t/
Nach bekannter Methode, durch Drehen des Torsions-
kreises um bestimmte Winkel und Beobachtung der dadurch
\) Vergl. hierüber § 8. p. 502.
2) Vergl. § 2. p. 487.
»
*
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F. Himstedt.
497
hervorgerufenen Ablenkungen des Magnets wurden MTjd
und MTjd bestimmt und damit dann auch Djd gewonnen.
Der Ausdruck für L lasst sich dann in die Form bringen:
L - £ (l + M/ • 1) (cos - cos 9o) . B
und sind in demselben jetzt alle Grössen bekannt bis auf das
ö, sodass L damit als ein Vielfaches von ö bestimmt ist.
Zur Bestimmung von:
2 = flU (Fx{9) + F2(<p)) d<p + j>/s (Fx{fp) + Ft(<p)) d<p
= / Vs ' («i - *i) rf9 + / Vi («i - «i) <ty>
wurden in der schon oben beschriebenen Weise statische
Versuche angestellt zwischen den Grenzen jener Integrale
und dadurch für eine ausreichende Anzahl verschiedener (p
die zugehörigen Werthe von (ax — a2) bestimmt. Die Aus-
wertung der Integrale geschah dann durch graphische Dar-
stellung, indem alsAbscissen die qp, als Ordinaten die zuge-
hörigen (tfj — cc2) aufgetragen wurden, beide in Theilen des
Halbmessers, und zwar wurde dieser gleich 1000 gesetzt, um
_t .
1
— \
- >
I
' — ■
H
\
— «
1 — •
- i.
1
1 — 4
—
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|
1
' /
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>
1 1
— [—4—^
_
J — 1
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— 4
1
-
—
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l—
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1
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— 1
r
—
L-
1 !
•
I
—
H
—
4-
z
~i
H
r— — •
!
!
/
II Ii
1 I
f_! 1
Figur 2.
nicht zu kleine Zeichnungen zu erhalten. Fig. 2 stellt die
zu der p. 494 gegebenen Tabelle gehörige Fläche dar in
ein Zehntel der zur Ausrechnung benutzten Grösse. Die
kleinere ist die dem zweiten Schwingungsbogen entsprechende.
Berechnet wurden die Flächen aus den sie zusammensetzen-
den Paralleltrapezen und Dreiecken. Es wird dadurch dann
Ann. d. Pby«. n. Chem. N. F. XIV. 32
498
F. Himstedt
auch L als Vielfaches von 8 bestimmt und eine directe Ver-
gleichung von 2 und L ermöglicht.
Die folgenden Tabellen enthalten die Resultate solcher
Beobachtungen für sechs verschiedene Plattenpaare. Bei der
Untersuchung eines Plattenpaares lag die eine Platte mit
ihrem Mittelpunkte senkrecht unter dem Nordpol des Mag-
nets, die zweite ebenso unter dem Südpol. Es bezeichnet:
d die Dicke der Platten,
/ ihre Länge, gemessen in der Richtung des magneti-
schen Meridians,
b ihre Breite,
A ihren Abstand vom Magnete.
d = 0,13 / = 41,7
L
59,0
48,3
39,0
29,0
24,2
17,5
14,0
11,5
213.(5
360.(5
6429. 3
2036.3
3740.(5
9706 -3
17324. 3
27098. 3
nicht be-
stimmbar
204.(5
474. 3
1719.(5
3090.(5
8054.3
14636.(5
22836.(5
d = 1,6 l = 42 b = 80
i I
156.(5
168..5
317.(5
650.(5
1652.(5
2688.(5
4262.(5
0,567
0,737
: 0,844
0,826
0,830
0,845
i 0,842
34,0
I 24,2
14,5
8,3
d
m 0,21
l = 40,.-
i h «
69
59
191.3 1
nicht be-
191.3
stimmbar
44
382.(5
212-3
170-3
0,555
34
737.(5
509.3
228.3
0,661
24,4
2980.3!
2443.3
447.3
0,820
14,4
9063.3 j
7311.3
752.3
0,807
10,0
24750.3!
21243.3
3307.3
0,860
d
= 0,35
l - 40
6 = 79,7
519.3
1247.3
3862.3
12610.3
nicht be-
stimmbar
321-3
989.3
3233.3
10892.3
114.3 I -
198-3
258.3
729.3
1618.3
0,61 f
0.751
0,83:
0T864
d = 2,8
l = 40
b = 6
34,8
317.3
201.3
116.3 I
24,4
922.3
718.3
204.3
14,0
3173.3
2745.3
428.3
8,4
9069.3
7662-3
1407.3 1
0,86'
0,843
50,4! 173.3
44,5
34,0
42,2
14,4
11,4
296.3
482.3
1217-3
7865.3
12910.3
nicht be-
stimmbar
209.3
850.3
6695-3
10611.3
8,0 20208.3 16913.3
173.3 | —
296.3
273.3 : 0,434
367.3 0,700
1170-3 0,850
2299.3 0,822
3295.3 0,837
21,5
17,5
11,5
8,5
= 6,4
134.3
758.3
3672.3
5284 . 3
i
J«40
nicht be-
stimmbar
563-3
3109.3
4453.3
b = 80
134.3
195-3
563.3
831.3
0,748
0,841
0,844
Ausser diesen Plattenpaaren wurden auch noch drei
Kreisscheiben untersucht. Die hierbei erhaltenen Resultate
stimmen mit den obigen nicht gut überein. Das Verhältniss
Digitized by Google
F. Himstedt
499
S/Z, findet sich durchgehe nds grösser als hier angegeben,
übersteigt sogar einmal die Einheit. Der Grund hierfür ist
leicht einzusehen. Centrisch unter den schwingenden Mag-
net gelegte Eisenplatten bewirken stets eine grössere oder
geringere Verkleinerung der Schwingungsdauer, oder, was
dasselbe ist, eine Vergrösserung der auf den Magnet wir-
kenden Directionskraft. Bei der Berechnung von:
wird infolge dessen für MT + D ein zu kleiner Werth ge-
nommen, also L zu klein gefunden. Das Resultat des sta-
tischen Versuchs ist unabhängig von der auf den Magnet
wirkenden Directionskraft, und deshalb muss das Verhältniss
8/Z zu gross gefunden werden. Bei den Plattenpaaren fällt
diese Fehlerquelle fort, da, wie erwähnt, die Platten stets so
gewählt wurden, dass sie die Schwingungsdauer des Magnets
nicht änderten.
§ 7. Bevor ich die Resultate der vorstehenden Tabellen
in Worte fasse, sei noch das Folgende gesagt über die
möglichen und wahrscheinlichen Fehler in der Bestimmung
des L d. h. desjenigen Theiles der Dämpfung, der auf die
von der Zeit unabhängigen Kräfte zurückzuführen ist, welche
aus der Coercitivkraft entspringen. .
Zunächst will ich darauf aufmerksam machen, dass eine
kleine Nichtübereinstimmung stattfindet zwischen den Schwin-
gungsbeobachtungen und den statischen Versuchen, indem
bei ersteren der Magnet nie wieder in die Anfangslage zu-
rückkehrt, während die Vorbedingung für die letzteren die
ist, dass durch Hin- und Zurückführen des Magnets zwischen
denselben Grenzen ein Gleichgewichtszustand in der Eisen-
platte hervorgebracht wird. Ich habe diese Nichtüberein-
stimmung dadurch auf das kleinstmögliche Maass zu redu-
ciren gesucht, dass ich die Directionskraft der Suspension
bei den Schwingungsbeobachtungen möglichst gross gemacht
habe. Hierdurch wurde erreicht, dass die Schwingungsbogen
sehr langsam kleiner wurden, der Vorgang des Schwingens
also dem des Hin- und Zurückführens zwischen denselben
Grenzen sehr ähnlich wurde. Der Einfluss dieser Nichtüber-
32*
Digitized by Google
500
F. Himstedt.
einstimmung auf den Werth von L ergibt sich sehr leicht
aus Folgendem:
Stellt man mit denselben Platten das eine mal einen
Versuch an, bei welchem die Schwingungsbeobachtungen bei
kleiner Directionskraft des Magnets, also bei starker Ab-
nahme der Schwingungsbogen geschehen, während man das
zweite mal die Directionskraft und zugleich das Trägheits-
moment derart vergrössert, dass die Schwingungsdauer des
Magnets ungeändert bleibt, so findet man im ersten Falle
für S/Z einen kleineren Werth als im zweiten Falle1), wo-
raus man mit Sicherheit den Schluss ziehen kann, dass durch
diese Nichtübereinstimmung der Werth von 8 zu klein ge-
funden wird.
Eine zweite Fehlerquelle, die den Werth von S eben-
falls zu klein finden lässt, besteht in den während der ver-
hältnissmässig langen Zeitdauer eines statischen Versuchs
unvermeidlichen Erschütterungen der Eisenplatten. Auf p. 491
dieser Arbeit habe ich erwähnt, dass die aus der Coercitiv-
kraft resultirenden dämpfenden Kräfte bedeutend geschwächt
werden durch Erschütterung der Eisenplatte. Für die Be-
rechnung des L ist dieser Umstand von geringer Bedeutung,
indem die dabei in Frage kommende Beobachtung des loga-
rithmischen Decrements nur eine kurze Zeit in Anspruch
nimmt, also leicht ohne dazwischenfallende Erschütterungen
geschehen kann. Nicht so für die Bestimmung des 2. Ein
statischer Versuch nahm mehrere Stunden in Anspruch, und
war es nicht wohl möglich, diese so zu wählen, dass während
derselben keine Erschütterungen durch das Fahren der
Wagen in der sehr frequenten, an dem physikalischen In-
stitute vorbeiführenden Strasse stattfanden. Heftige Erschüt-
terungen durch besonders schwere oder sehr schnell fahrende
Wagen waren mit Bestimmtheit zu erkennen, und konnten
diese Beobachtungen ausgeschlossen werden. Aber auch
durch die Versuchsanordnung selbst waren geringe Erschüt-
terungen bedingt, indem nämlich durch das Hin- und Her-
gehen vom Beobachtungsfernrohre zum Torsionskreise der
1) In der angegebenen Weise wurden z. B. für 8/£ die Werthe 0,793
und 0,852 gefunden.
Digitized by Google
F. Himstedt.
501
Fussboden des Zimmers und damit der Tisch mit den Eisen-
platten erschüttert wurde, und ich glaube mit Sicherheit be-
haupten zu dürfen, dass durch alle eben genannten Umstände
der Werth des 2 zu klein gefunden wurde. Dieser Fehler
in der Bestimmung des ß ist von besonders grossem Einfluss
auf das Yerhältniss 2/L in denjenigen Fällen, in welchen ß
selbst klein ist. Angenommen, ein solcher Fehler verlange
eine Correction von nur zwei Minuten in der Ablesung am
Torsionskreise, so würden z. B. in der ersten Tabelle statt
der dort unter 2/L verzeichneten Werthe 0,567 und 0,737
die neuen 0,844 und 0,885 zu setzen sein. Man wird deshalb,
glaube ich, den Abweichungen der Werthe des 2/L für
grosse A von denen für kleinere A, so bedeutend dieselben
auch sind, keine grosse Bedeutung beilegen dürfen und nicht
etwa aus den Tabellen schliessen können, dass der durch
die statischen Versuche erklärte Bruchtheil der gesammten
Dämpfung abnehme mit wachsender Entfernung A des
Magnets von der Platte, vielmehr glaube ich, dass dieser
Bruchtheil für alle Entfernungen derselbe sein wird, und zwar
besonders auch deshalb, weil nach § 2 p. 485 das logarith-
mische Decrement für alle Entfernungen unabhängig ist von
der Schwingungsdauer.
Wie gross ist denn nun aber dieser Bruchtheil? Dass
die aus den Tabellen sich ergebende Zahl, etwa 0,84, zu
klein ist, habe ich schon darzuthun gesucht; wie viel grösser
sie indessen zu nehmen ist, vermag ich nicht mit Sicherheit
anzugeben. Vielleicht darf man aus den Resultaten der sta-
tischen Versuche zusammen mit dem Satze, dass das logarith-
mi8che Decrement unabhängig ist von der Schwingungsdauer,
den Schluss ziehen, dass alle dämpfenden Kräfte einer Eisen-
scheibe mit Ausnahme der von Inductionsströmen herrüh-
renden auf die Coercitivkraft zurückzuführen sind. Jeden-
falls kann man mit Bestimmtheit behaupten, dass der bei
weitem grösste Theil einer Eisendämpfung sich er-
klären lässt aus der von Prof. Warburg beschrie-
benen Erscheinung, nicht aber in der bisher übli-
chen Weise aus Kräften, die irgendwie von der
Zeit abhängig sind.
Digitized by Google
502 F. Himstedt.
§ 8. Es mögen in diesem Paragraphen noch die folgen-
den beiden Beobachtungen in Kürze erwähnt werden.
1) Legt man ein Eisenstück mit seinem Mittelpunkte
senkrecht unter den Mittelpunkt des Magnets, so wird die
Schwingungsdauer dadurch stets mehr oder weniger verklei-
nert, am meisten dann, wenn die Breite (Ausdehnung senk-
recht zum Meridian) gering ist gegen die Länge. Dies letz-
tere gilt jedoch nur, so lange die Dimensionen des Dämpfers
nicht unendlich gross sind gegen die des Magnets, der erstere
bei dem hier benutzten Magnet von 1,00 mm Länge einen
Durchmesser kleiner als 160 mm hat.
Länge der Platte 160 mm tQ (ohne Platte) = 11,647
Ä0 ( ) = 0,000 627
Breite
t
/.
Breite
t
160
11,53
0,00323
40
11,07
0,00289
140
11,54
0,00323
32
10,55
0,00276
120
11,51
0,00320
20
10,51
0,00211
100
11,42
0,00307
10
10,03
0,00129
SO
11,49
0,00311
5
10,12
0,00093
60
11,28
0,00303
Wird unter den Nord-, resp. Südpol des Magnets mit
ihrem Mittelpunkte je eine Platte gelegt, deren Länge klei-
ner ist als die des Magnets, so wird die Schwingungsdauer
je nach der Breite der Platten vergrössert oder verkleinert.
Länge 20 mm, t9 = 12,673, X0 = 0,00423.
Breite
t
X
Breite
t
l
170
11,57
0,03055
50
13,51
0,03314
140
11,556
0,03090
40
14,06
0,02647
120
11,8
0,03217
27
13,66
0,01695
100
11,844
0,03173
15
13,225
0,00863
80
12,03
0,03399
10
12,775
0,00677
60
13,03
0,03822
5
12,673
0,00494
Beide vorstehend gegebenen Tabellen sind aus einer
grösseren Anzahl durch die Beobachtung gewonnener heraus-
gegriffen, und sind in den betreffenden Versuchen sowohl die
Dicken der Platten als die Abstände derselben vom Magnet
variirt. Die Zahlen der ersten Tabelle lassen sich unschwer
Digitized by VjOOQle
F. Himstedt
503
durch den vom Magnet in der Eisenplatte inducirten Mag-
netismus erklären. Je schmaler der Streifen wird (als Grenze
etwa die Breite des Magnets), desto mehr wird sich offenbar
die Wirkung des inducirten Magnetismus der eines Magnets
nähern, dessen Axe mit dem magnetischen Meridian zusam-
menfällt, und der also die Directionskraft des Erdmagnetis-
mus verstärken muss.
Für die nicht unbeträchtliche Zunahme der Schwingungs-
dauer in der zweiten Tabelle habe ich eine Erklärung nicht
rinden können. Die nächstliegende Annahme, dass der vom
Erdmagnetismus in der Platte inducirte Magnetismus eine
astasirende Wirkung ausübe, ist deshalb nicht wohl zulässig,
weil offenbar der vom Magnet inducirte Magnetismus bedeu-
tend stärker ist als jener, und weil dann auch nicht abzu-
sehen ist, weshalb die Wirkung mit abnehmender Breite erst
zu- und dann wieder abnimmt.
2) Von zwei Kupferplatten übt bei sonst gleichen Dimen-
sionen die dickere die stärkere Dämpfung aus; von den
untersuchten Eisenscheiben dämpfen die dünneren
stärker als die dickeren.
Durchmesser 160 mm,
t0 = 7,273,
= 0,000 727.
i
Dicke t
Dicke
t
X - k0
0,13 mm 7,060
0,21 7,066
0,35 7,097
0,8 7,162
0,004 460
0,004 271
0,003 944
0,002 828
l,6n>m
2,8
5,5
6,4
*
7,243
7,240
7,265
7,261
0,001 785
0,001 272
0,000 744
0,000 602
Eine Erklärung für diese Erscheinung kann man auf
zwei verschiedene Arten zu geben versuchen: entweder durch
die Annahme, dass die dünneren Platten infolge der Art
ihrer Anfertigung (sie werden häufiger gewalzt) eine grössere
Coercitivkraft besitzen als die dickeren, oder dadurch, dass
man annimmt, dieselbe äussere magnetisirende Kraft erregt
in dünneren Platten einen grösseren specifischen Magnetis-
mus als in dickeren. Welche von beiden Erklärungen hier
anzuwenden sind, oder ob beide zusammen zu nehmen sind,
vermag ich nicht zu entscheiden.
Phys. Inst. d. Univ. Freiburg i. Br., den 5. Aug. 1881.
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504
Th. Erhard.
VII. Ueber einige electrische Eigenschaften des
Indiums; von Theodor Erhard.
Da bisher über die physikalischen Eigenschaften des In-
diums nur äusserst wenig bekannt ist, und sich mir kürzlich
durch die Freundlichkeit des Hrn. Oberbergrath M erb ach
die Gelegenheit bot, eine im Besitz des hiesigen königlichen
Oberhüttenamtes befindliche, etwas grössere Menge des ge-
nannten Metalles zu verwenden, wofür ich zu grösstem
Danke verpflichtet bin, so benutzte ich dies, um wenigstens
einige electrische Constanten näher zu ermitteln.
L Leitungswiderstand. Hierbei lag die Haupt-
schwierigkeit in der grossen Weichheit des Materials, welche
sowohl ein Ziehen zu Draht als ein Verbinden durch Schrau-
benklemmen verbot, letzteres, da jede Erschütterung die Ver-
bindung lockerte, also ein variabler Widerstand an der
Verbindungsstelle entstehen musste. Ich stellte daher den
Draht ganz in der Weise her, wie der käufliche Bleidraht
fabricirt wird, nämlich durch Pressen durch eine in Stahl
gebohrte kreisförmige Oeflhung, wozu der Druck einer klei-
nen hydraulischen Presse vollkommen genügte. Der erhal-
tene Draht wurde über ein aus Glasstäben gebildetes Gestell
schraubenförmig aufgewickelt und die Verbindung mit den
Zuleitungsdrähten dadurch hergestellt, dass die erst mit
feinem Draht zusammengebundenen Drahtenden galvanisch
stark verkupfert wurden. Die Länge des Versuchsdrahtes
wurde vor und nach der Widerstandsmessung bestimmt, und
da sich durch das Auf- und Abwickeln eine merkliche Ver-
längerung ergab (von 1805,0 mm auf 1809,9 mm nach der
Messung), der Mittel werth in Rechnung gesetzt. Der Quer-
schnitt folgt aus dem absoluten Gewicht und aus dem cor-
rigirten specifischen Gewichte von 7,295 zu 0,5205 qmm.
Während der Messung befand sich der Draht in einem
Petroleumbad, was regelmässig umgerührt und durch ein
Wasserbad erhitzt wurde.
Aus den in der nachfolgenden Tabelle enthaltenen Mes-
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Th. Erhard.
505
sungsresultaten ergibt sich für den specifischen Widerstand
ä (Hg =1) bei der Temperatur t:
8 = 0,08903 (1 + 0,004 744 1),
doch zeigen die Differenzen der berechneten und beobach-
teten Werthe von s eine solche Regelmässigkeit, dass wohl
anzunehmen ist, dass vorstehende Formel besser durch eine
andere von der Form s = a-{-bt-\-ct% zu ersetzen wäre. Da
sich aber die Differenzen augenscheinlich nur wenig über
die Beobachtungsfehler erheben, so habe ich diese Berech-
nung unterlassen.
Jedenfalls steht aber fest, dass auch das Indium sich
nicht der vielfach angenommenen Regel fügt, wonach reine
Metalle für die Widerstandsänderung durch Temperatur-
differenzen einen dem Ausdehnungscoefficienten der Luft
nahen Coefficienten besitzen sollen.
In der nachstehenden Tabelle enthält die erste Columne
die Temperatur des Drahtes bei der Messung, die zweite den
Widerstand des Drahtes in Quecksilbereinheiten (natürlich
nach Abzug des Widerstandes der Zuleitungsdrähte), die
dritte die aus der Messung, die vierte die aus der obigen
Formel berechneten Werthe von s, endlich die fünfte die
Differenzen dieser Werthe in Einheiten der vierten Deci-
male.
- 5,4 °C.
- 5,2
»»
+ 16,5
17,7
18,5
25,7
38,6
38,7
56,4
»
58,4
»
59,0
80,0
»
85,5
)>
95,6
??
96,0
♦>
96,4
w .
0,3019 S.-E.
0,3024
0,3341
0,3345
0,3364
0,3474
0,3654
0,3652
0,3894
0,3934
0,3944
0,4274
0,4348
0,4501
0,4509
0,4509
n
»
»
v
0,0870
0,0871
0,0962
0,0964
0,0969
0,1001
0,1053
0,1052
0,1122
0,1133
0,1136
0,1231
0,1252
0,1296
0,1299
0,1299
0,0868
0,0868
0,0960
0,0965
0,0968
0,0999
0,1053
0,1053
0,1129
0,1137
0,1140
0,1228
0,1251
0,1294
0,1296
0,1297
-2
-3
-2
+ 1
-1
-2
0
+ 1
+ 7
+ 4
+ 4
-3
-1
-2
-3
-2
2) Thermoelectrische Stellung. Um diese zu fixi-
ren, wurde, da das Verhalten der verschiedenen Metalle
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506
Th. Erhard.
von zu vielerlei Umständen abhängt, eine grössere Zahl
Metalle mit dem Indium combinirt, und zwar Eisen (mög-
lichst weicher Draht), Zinn (australisches), Aluminium (ge-
wöhnliches käufliches), Kupfer (käuflicher Draht von speci-
nschem Widerstand 0,002, Hg m 1), Gold und Silber (beide
chemisch rein) und endlich Zink (schmale Blechstreifen).
Die Verbindung mit dem Indium erfolgte durch Umwickeln
der zusammengelegten Drahtenden mit dünnem Kupferdraht,
ohne Verkupferung, da hier ein constanter Widerstand nicht
nöthig war, denn die Messung der electromotorischen Kraft
geschah durch Compensation mittelst eines Normaldaniell
(amalgamirtes Zink, Zinkvitriollösung von 20% Gehalt, con-
centrirte Kupfervitriollösung, Kupfer). Die so gefundenen
Kräfte sind zwar etwas grösser als die bei der Strombildung
wirklich zur Geltung kommenden1), da dann durch das Pel-
tier'sche Phänomen die Temperaturen der beiden Löthstellen
einander sich nähern müssen, allein diese Aenderung hat auf
die Stellung der Metalle in der thermoelectrischen Keine
keinen Einfluss. Die Resultate der Messung waren die nach-
stehenden:
a. Indium, Eisen.
Temperaturen 0 und 98,05° C. Kraft 0,000 739 D.
0 „ 76,95 „ „ 0,000 592 „
0 w 36,3 „ „ 0,000 298 „
Stromrichtung in der warmen Löthstelle vom Indium zum Eisen.
b) Indium, Aluminium.
Temperaturen 0 und 98,6° C. Kraft 0,000271 D.
„ 0 77,0 „ ., 0,000 216 „
0 „ 37,8 „ „ 0,000 106 „
1) Da es vielleicht nicht unzweckmässig ist, diese Differenz einiger-
massen ihrem Betrage nach zu kennen, will ich hier die electromotorische
Kraft einer zehnpaarigen Neusilbereisenkette angeben. Dieselbe betrug,
durch Compensation gemessen:
bei den Temperaturen 0 und 98,7° C. 0,01610 D.
„ » „ 0 „ 75,4° „ 0,01200 „;
dagegen abgeleitet aus der Stromstärke bei verschiedenen Widerständen :
bei den Temperaturen 0 und 98,7° C. 0,01559 D.
m n » 0 „ 75,4<> n ())01174 ?,
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Th. Erhard.
507
Stromrichtung in der warmen Löthstelle vom Aluminium
zum Indium.
c. Indium, Zinn.
Temperaturen 0 und 98,6° C. Kraft 0,000 236 D.
0 „ 77,0 „ „ 0,000184 „
„ 0 „ 37,5 ,, fj 0,000088 „
Stromrichtung in der warmen Löthstelle vom Zinn zum
Indium.
d. Indium, Kupfer.
Temperaturen 0 und 98,7° C. Kraft 0,000157 D.
0 „ 77,0 „ „ 0,000 126 „
., 0 ., 36,0 „ ,. 0,000061 w
Stromrichtung in der warmen Löthstelle vom Indium zum
Kupfer.
e. Indium, Gold.
Temperaturen 0 und 98,6° C. Kraft 0,000050 D.
0 „ 77,1 ., „ 0,000028 „
„ 0 „ 36,5 „ „ unter 0,000 005D.
Stromrichtung in der warmen Löthstelle vom Indium zum Gold.
Bei kleinen TemperaturdifFerenzen (z. B. 0 und 10° C.)
zeigte sich eine schwache electromotorische Kraft in ent-
gegengesetzter Richtung. Nach der Formel von Avenarius
verschwindet der Strom bei den Temperaturen 0 und 25,5 °C.
f. Indium, Silber.
Temperaturen 0 und 98,6 0 C. Kraft 0,000 038 D.
0 „ 77,0 „ . „ 0,000023 „
0 „ 36,6 „ „ 0,000007 „
Stromrichtung in der warmen Löthstelle vom Indium zum
Silber.
Nach der Formel von Avenarius verschwindet der
Strom bei den Temperaturen 0 und —1,9° C.
g. Indium, Zink.
Hierbei zeigte sich die electromotorische Kraft so klein,
dass sie nicht messbar war. Doch war deutlich zu erkennen,
dass ungefähr bei den Temperaturen 0 und 75° kein Strom
auftrat, und dass bei höherer Temperatur der warmen Löth-
508
Th. Erhard.
stelle in dieser der Strom vom Indium zum Zink, bei niedri-
gerer Temperatur derselben umgekehrt ging.
Aus Vorstehendem geht hervor, dass die bei den Mes-
sungen benutzten acht Metalle sich bei den Temperaturen
der Löthstellen 0 und 98,6° C. in folgender Reihe:
— AI, Sn, I, Zn, Ag, Au, Cu, Fe +
bei kleiner Differenz der Löthstellentemperaturen (z. B. 0
und 5 oder 10° C.) dagegen folgendermassen:
-AI, Sn, Au, Zn, I, Ag, Cu, Fe -f
anordnen.
3) Ueber die "Wirkungen beim Contact des Indiums
mit Flüssigkeiten konnte ich leider nur wenig ermitteln,
da mir nur etwas sublimirtes Chlorindium zu Gebote stand.
Ich habe mit demselben die electromorische Kraft der Com-
binationen :
Indium, Chlorindium, Chlorzink, Zink,
.. Kupferchlorid, Kupfer,
„ „ Eisenchlorid, Eisen
gemessen, wobei, um die Flüssigkeiten in der Nähe der Me-
talle rein zu erhalten, die Verbindung zwischen den Gefässen,
in denen die Metalle standen, durch ein Röhrensystem her-
gestellt war, welches hintereinander vier Thondiaphragmen
enthielt.
Die Messung ergab, dass in dem Element I|Zn das
Indium den positiven, in den Elementen I| Fe und I|Ou da-
gegen den negativen Pol bildete. Die electromotorischen
Kräfte waren für die Combination:
I|Zn 0,331 D., Fe|I 0,160 D., Cu|I 0,584 D.
Von diesen drei Werthen stimmen die für Zn und Cu gut
mit dem von Hrn. F. Streintz1) für Zn|Cu gefundenen
Betrage 0,90 D. überein. Die Zahl für Fe | Zn differirt aller-
dings merklich, allein gerade diese Combination zeigte sich
bei den früheren Messungen auch als die variabelste von
allen, wodurch sich die Verschiedenheit der Resultate wohl
erklärt.
Bergacademie Freiberg, August 1881.
1) Streintz, Carl's Repert. 15. p. 6. 1879.
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K. /?. Koch u. Fr. Kloche.
509
VIII. Veber die Bewegung der Gletscher;
von K. M. Koch und Fr. Kloche.
(Aus den Berichten über die Verhandlungen der naturforsch. Gesellsch.
zu Freiburg i. Br. mitgetheilt von den Herren Verf.)
II. Mittheilung.
Die im August 1879 von uns begonnene Untersuchung
der Bewegung des Morteratschgletschers haben wir im Sep-
temper 1880 fortgesetzt. Auch im letzteren Jahre war die
Bewegung eines Punktes desselben eine durchaus unregel-
mässige, jedoch ihrer Grösse nach bedeutend schwächere als
im vorhergehenden. Ob dies darin seinen Grund hatte, dass
die Jahreszeit schon weiter vorgerückt war, und deshalb die
meteorologischen Verhältnisse andere waren, müssen weitere
Beobachtungen lehren. Das so auffällige Rückwärtsgehen
des Gletschers (in horizontaler Richtung) haben wir im
Jahre 1880 nur einige mal bemerkt; doch waren diese Be-
wegungen so klein, dass sie innerhalb unserer Fehlergrenzen
lagen, sich also nicht mit Sicherheit constatiren Hessen. Die
von uns beobachteten Hebungen und Senkungen im verticalen
Sinne waren im letzten Sommer ebenfalls bedeutend kleiner;
denn während im Jahre 1879 die Bewegungen während einer
halben Stunde constant über 1 mm betrugen, ergaben im
Jahre 1880 ca. 70% aller halbstündigen Ablesungen Bewe-
gungen, die kleiner als 1 mm waren, also, wie sich weiter
unten ergeben wird, ebenfalls innerhalb der Grenzen unserer
Beobachtungsfehler lagen. Erfolgten die Bewegungen wäh-
rend einer längeren Zeit in demselben Sinne, so erhielten
wir allerdings Grössen, welche unsere Einstellungsfehler über-
stiegen; die schwachen Unterschiede in den halbstündigen
Bewegungen lassen sich jedoch mit Hülfe unserer Methode,
wenigstens wenn dieselben so klein wie im letzten Sommer
sind, wohl bemerken, aber nicht mit der nöthigen Genauigkeit
messen. Wir können also unsere vorläufige Mittheilung (über
die Beobachtungen im Sommer 1879) nur durch eine ge-
1) Die erste Mittheilung cf. Wied. Ann. 8. p. 661. 1879.
t
510
K. R. Koch u. Fr. Klocke.
nauere Beschreibung unserer zum Theil verbesserten Instru-
mente und Beobachtungsmethoden, nicht durch neue Resultate
ergänzen.1)
Es wird sich hierbei und bei der Discussion der Fehler-
quellen zeigen, dass wir einerseits alle nöthigen Vorsieh ts-
maassregeln angewandt haben, dass aber andererseits der
exaeten und einwurfsfreien Anwendung der Methode wegen
der Kleinheit der zu messenden Grösse eigenthümliche
Schwierigkeiten entgegenstehen, die sich nicht vollständig
bewältigen lassen.
Das Princip unserer Methode war dasselbe, welches wir
im Jahre vorher angewandt haben, und das von Hrn. Pf äff2)
bei seinen Beobachtungen über die Bewegung des Firnes
zuerst für derartige Untersuchungen benutzt ist. Auf dem
Eise sind zwei Scalen fest aufgestellt, die eine horizontal,
die andere vertical, deren Bewegung am Fadenkreuz eines
fest am Ufer aufgestellten Fernrohres beobachtet wird; die
Differenzen zwischen je zwei in bestimmten Zeitintervallen
angestellten Ablesungen geben dann direct die Componenten
der wirklich stattfindenden Bewegung.
So einfach das Princip dieser Methode ist, so schwierig
ist die Ausführung derselben, weil hierbei die Aufgabe ge-
stellt ist, eine sehr kleine Bewegung (von ca. 1 mm und
weniger) aus einer grossen Entfernung (für unsere Versuche
über 300 m) zu messen, wenn kein fester Punkt, zugleich mit
dem zu beobachtenden und in Bewegung befindlichen im
Gesichtsfelde gegeben ist. Es müssen mithin folgende Be-
dingungen erfüllt sein; es muss:
erstens der Signalpfosten und das an ihm befestigte
Scalenpaar fest mit einem Punkte des Gletschers verbunden
sein; es muss
zweitens die Collimationslinie des Beobachtungsfern-
rohres in Azimuth und Neigung auf Bruchtheile einer Bo-
1) Wegen nothwendiger Keduction unserer Beobachtungen, die sich
aus verschiedenen Gründen nicht eher ausführen Hessen, können wir diese
Mitteilungen erst jetzt veröffentlichen.
2) Pf äff, Abh. d. math.-phys. Cl. d. k. bayer. Acad. d. Wiss. 12.
Abth. 2. p. 105. 1876.
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K. R. Koch u. Fr. Klocke.
511
gensecunde genau feststehen und zugleich ein Mittel gegeben
sein, dieses Feststehen jederzeit mit der erforderlichen Ge-
nauigkeit controliren zu können, und es ist
drittens eine Methode erforderlich, um die Ungenauig-
keiten, die durch das Vibriren des Bildes erzeugt werden,
' nach Möglichkeit zu eliminiren.
Wir wollen nun im Folgenden mittheilen, auf welche
Weise wir diese Bedingungen zu erfüllen gesucht haben.
Für diese Messungen genügt es durchaus nicht, wie wir
uns überzeugt haben, zur Befestigung der Scala einen Holz-
pfahl ins Eis zu versenken und über Nacht festfrieren zu
lassen, wie es bei allen früheren Beobachtungen geschehen
ist, weil sich derselbe im Laufe des Tages so lockert, dass
man ihn leicht um einige Millimeter verschieben, resp. neigen
kann. Wir verfuhren deshalb folgend ermassen: Ein Cylinder
von hinreichend starkem Eisenblech, in der Mitte und unten
durch einen starken Ring gegen etwaigen Druck gefestigt,
1 m lang, 20 cm im Durchmesser, trug geeignete, weiter
unten zu beschreibende Vorrichtungen, um an ihm die Sca-
len befestigen und senkrecht stellen zu können. Dieser wurde
in ein ins Eis gehacktes1) Loch bis zu drei Viertel seiner
Länge versenkt, und in ihm eine Kältemischung (aus Eis und
Kochsalz) während der Zeit der Beobachtung unterhalten.
Um ihn möglichst vor der Einwirkung der Luftwärme und
der Sonnenstrahlung zu schützen, wurde der aus dem Eise
hervorragende Rand ganz mit kleinen Eisstücken umpackt,
sodass er mitten in einem Eishügel stand, der selbst wieder
zum Schutze gegen die Sonnenstrahlung mit Gletscherschlamm
bedeckt war; oben trug der Cylinder einen Deckel mit er-
habenem Rande, auf den gleichfalls Eisstücke gelegt wurden.
Auf diese Weise gelang es uns, selbst ohne die Kältemischung
zu erneuern, 12 — 14 Stunden lang eine Temperatur, die unter
0° lag, im Cylinder zu erhalten. Es sind hierdurch schein-
bar einige Fehlerquellen geschaffen, deren Einfluss etwas
genauer betrachtet werden soll.
1) Wir machten den Versuch, durch eine geeignete Vorrichtung ein
passendes Loch ins Eis einzuschmelzen, doch nahmen wir davon wieder
Abstand, weil der Apparat zu langsam functionirte.
512
K. R. Koch u. Fr. Klocke.
Erstlich könnte der Einwand erhoben werden, dass durch
die im Cylinder herrschende tiefe Temperatur die Structur
des Gletschereises in der Umgebung des Signals verändert
würde. Es liegt jedoch auf der Hand, dass bei der geringen
Wärmeleitungsfähigkeit des Eises die Wirkungssphäre der
durch die Kältemischung hervorgerufenen tiefen Temperatur
nicht sehr gross sein kann. Es ist also in diesem Falle
die Wirkung die gleiche, als ob man ein Signal ins Eis
versenkt hätte, dessen Durchmesser um den der Zone, in
welcher das Eis eine Temperatur unter Null Grad hat, ver-
größert wäre.
Man könnte zweitens vermuthen, dass der Cylinder in-
folge seines immerhin beträchtlichen Eigengewichtes (ca. 15 kg)
ins Eis einsänke, wie aus den Beobachtungen von Hrn. Pf äff
über die Plasticität des Eises1) geschlossen werden könnte.
Deshalb brachten wir an der Seite des Cylinders folgende
Vorrichtung an. In zwei Stützen ö und ä (Taf. IV, Fig. 7)
war freibeweglich (mit Selbstschmiervorrichtung bei a und b)
der unten rechtwinklig gebogene Stab c befestigt, der an
seinem unteren Ende einen schlechten Wärmeleiter d (ein
dickes Holzbrettchen) trug. Das Loch im Eise wurde nun
so angelegt, dass der Fuss dieser Vorrichtung (das Brett-
chen d) auf festes Eis zu stehen kam. Der geringe Zwischen-
raum zwischen Cylinder und Eis wurde mit Eisstückchen
und Wasser angefüllt, die Kältemischung hineingethan, und
3 — 4 Minuten darauf war der Cylinder so fest eingefroren,
dass man ihn selbst unter Anwendung von Gewalt weder
herausreissen noch bewegen konnte. Wenn nun der Cylinder
durch sein eigenes Gewicht einsänke, so würde sich der
leichte Index, der, wie wir uns überzeugten, bereits ausser-
halb der Wirkungssphäre der Kältemischung liegt, gegen den
Cylinder und gegen den mit dem Cylinder verbundenen
Maassstab e verschieben; es war jedoch nichts dergleichen
zu bemerken. In der That ist auch ein merkliches Einsinken
des Cylinders nicht zu erwarten, da derselbe nicht nur mit
seinem Boden auf das Eis drückt, sondern mit seiner ganzen
1) Pfaff, Pogg. Ann. 155. p. 169. 1875.
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I
K. R. Koch u. Fr. Klocke.
513
Mantelfläche angefroren am Eise haftet und von ihm ge-
halten wird.
Wir brauchen wohl kaum besonders hervorzuheben, dass
wir die Kältemischung mit grosser Vorsicht ein- und aus-
füllten, um das umgebende Eis nicht mit Salzlösung zu
infiltriren.
Nachdem so ein Signalpfosten gewonnen war, der keine
Eigenbewegungen ausführen konnte, kam es darauf an, an
diesem die Scala genau vertical und horizontal zu befestigen.
Dies konnte auf folgende Weise ausgeführt werden. Der
Cylinder trug an seinem oberen Ende zwei untereinander
befindliche, starke, lange Schrauben g, h (Taf. IV Fig. 7),
auf welche das Brett, das die verticale Scala AB (Taf. IV
Fig. 8) trug, gesteckt und vermittelst zweier Muttern fest-
geschraubt werden konnte. Um die Scala vertical stellen
zu können, war das obere Loch c (für die Schraube g)
(Taf. IV Fig. 7) länglich geschnitten, sodass das Brett um
die Schraube h als Axe um einen gewissen Bogen gedreht
werden konnte, das horizontale Scalenbrett CD (Taf. IV
Fig. 8) war vermittelst einer starken Schraube und Mutter
am verticalen befestigt. Damit die Scalen in ein und
derselben verticalen Ebene lagen, und um zugleich einen
gegen den Wind geschützten Baum für ein Loth zu ge-
winnen, trug das verticale Scalenbrett einen an drei Sei-
ten geschlossenen rechteckigen Blechkasten (A B Taf. IV
Fig. 8), welcher in der in der Figur angegebenen Weise an
dem verticalen Brett befestigt war. Auf seiner Vorderseite
war die Scala aufgeklebt; dem Kasten waren solche Dimen-
sionen gegeben, dass er mit seinen schmalen Seiten das
Brett gerade umschloss und mit seiner vorderen Fläche in
derselben verticalen Ebene lag wie die horizontale Scala CD.
Der längliche Ausschnitt bei der Schraube a erlaubte den
Kasten beliebig vor- oder rückwärts zu neigen. Im Inneren
dieses Kastens war das Loth angebracht, vermittelst dessen
die auf der Vorderseite aufgeklebte Scala senkrecht gestellt
werden konnte. Dies wurde in folgender Weise bewerkstel-
ligt. Die Scala hatte die in der Figur angegebene Form,
d. h. abwechselnd schwarze und weisse, 0,5 cm breite Felder,
Ann. d. Phjf. u. Chetn. N. F. XIV. 33
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514
K. R. Koch u. Fr. Klocke.
die zu beiden Seiten einer Geraden, die wir kurz die Längs-
linie der Scala nennen wollen, lagen. In der Vorderwand
des Blechkastens befanden sich zwei kreisförmige Oeffnungen
y S, deren Centren mit den Enden der Längslinie der Scala
zusammenfielen; ihnen gegenüber befanden sich im Scalen-
brett zwei kleinere Oeffnungen, die so angebracht waren,
dass die Verbindungslinie der Centren je zwei gegenüber-
liegender Oeffnungen senkrecht zur Vorderfläche des Kastens,
d. h. senkrecht zur Scala, standen. Die beiden Seitenwände
des Kastens trugen ebenfalls je zwei Visiröffnungen ccce, ßß,
die eine solche Lage hatten, dass die durch ihre Centren ge-
legte Ebene parallel der vorderen Fläche des Kastens war.
Man sieht nun leicht, dass man auf diese Weise sehr genau
(auf 5 ßogenminuten) die Scala in zwei zu einander senk-
rechten Ebenen vertical stellen kann. Die Längslinie der
unteren horizontalen Scala wurde vermittelst eines vorher
controlirten Winkelmaasses senkrecht zur verticalen gestellt.
Ist das Fernrohr gegen die Horizontale geneigt, so erwächst
daraus ein Fehler; derselbe war jedoch so klein, dass er
vernachlässigt werden konnte. Ebenso konnte der Theilungs-
fehler der angewandten Scalen wegen seiner geringen Grösse
unberücksichtigt bleiben.
Die Fehler, die von einer falschen oder nicht sicheren
Aufstellung des Signals herrühren, sind im allgemeinen nicht
so gross und nicht so schwer zu beseitigen und zu controliren.
wie die, welche das Nichtfeststehen des Beobachtungsfern-
rohres verursacht. Wenn sich die Collimationslinie desselben
z. B. nur um eine halbe Bogensecunde verlegt, so wird die
Scala gegen das Fadenkreuz schon eine scheinbare Verschie-
bung erleiden, welche die zu beobachtende Grösse übersteigt.
Man wird deshalb schon von vornherein das Beobachtungs-
fernrohr möglichst fest und geschützt vor störenden Einflüssen
aufstellen; man muss aber ausserdem vermittelst einer sehr
empfindlichen Methode das Feststehen desselben mit der er-
forderlichen Genauigkeit controliren können.
Die Erfüllung der ersteren Bedingung erfordert einen
soliden Steinpfeiler für das Beobachtungsfernrohr, welcher
zum Schutze gegen Sonne und Wind im Inneren eines kleinen
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<
K. R. Koch u. Fr. Klocke.
515
festen Observatoriums aufgestellt ist; ein einfaches Zelt hält
weder Sonne noch Wind hinreichend ab. Wir hatten des-
halb aus Stein eine geräumige Hütte aufführen lassen; nach
dem Gletscher zu besass die Mauer derselben einen Ein-
schnitt, der gewöhnlich mit Strohsäcken verstopft war und
nur behufs der Beobachtung auf kurze Zeit so weit wie
nöthig geöffnet wurde. Hierdurch sind unsere Beobachtungen
allerdings auf eine einzige Linie quer über den Gletscher
beschränkt, und da wir ferner nur ein Fernrohr von den
nöthigen Dimensionen zur Verfügung hatten, so konnten wir
zur Zeit immer nur einen Punkt auf dieser Linie beobachten.
Um das Feststehen des Beobachtungsfernrohres zu jeder
Zeit controliren zu können, hat man bekanntlich verschie-
dene Methoden. Gewöhnlich bringt man an der Axe des
Beobachtungsfernrohres ein zweites an, das auf eine feste
Marke gerichtet wird, und aus dem Einstehen des letzteren
schliesst man auf die unveränderte Lage des ersteren. Dies
genügt jedoch in unserem Falle nicht, da wir uns durch
Yorversuche an einem Theodolithen überzeugt haben, dass
sich beide Fernrohre unabhängig von einander bewegen
können; die Ursache hiervon liegt einestheils wohl in der
ungleichen Ausdehnung der einzelnen Theile des Instrumen-
tes durch die Wärme oder in Spannungen, die beim Fest-
klemmen entstehen und sich nach und nach ausgleichen.
Ausserdem wird die Schwere bei nicht vollkommener Aequi-
librirung und Klemmung eine Hebung oder Senkung des
Fernrohres bewirken, die bei Fernrohren von grossen Dimen-
sionen, wie wir sie gebrauchten, ziemlich bedeutend, und
beim Hauptrohr und Versicherungsrohr verschieden sein
kann. Ausserdem genügt es offenbar nicht, als Versiche-
rungsrohr ein Fernrohr von kleineren Dimensionen zu be-
nutzen, das nach Art eines Suchers auf dem Beobachtungs-
fernrohr befestigt ist, da für beide dieselbe Vergrösserung
und Schärfe gefordert werden muss.
Wir wählten deshalb folgende Methode. Wenn man
zwei auf unendlich eingestellte Fernrohre mit den Objecti-
ven gegen einander so aufstellt, dass ihre Collimationslinien
nahezu in eine Gerade zusammenfallen, so kann man bekannt-
33*
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516
K. R. Koch u. Fr. Klocke.
lieh durch das Ocular des einen Fernrohres das Fadenkreuz
des anderen sehen. Hat man nun ein Mittel, das Feststehen
des einen Fernrohres zu controliren, so kann man am Ein-
stehen oder an der Verschiebung der Fadenkreuze gegen-
einander den Stand des anderen Fernrohres prüfen. Ein
solches Mittel besitzt man in folgendem. Ein Fernrohr mit
beleuchtetem Fadenkreuz, das senkrecht zu einer spiegelnden
Fläche und auf unendlich eingestellt ist, liefert bekanntlich
ein mit seinem Fadenkreuze coincidirendes Bild desselben.
Die Coincidenz beider lässt sich mit grosser Genauigkeit
feststellen; dieselbe ist nur abhängig von der Breite der
Fäden des Fadenkreuzes und der Güte des Fernrohres und
Spiegels. Benutzt man nun als Spiegel die Oberfläche
ruhenden Quecksilbers, so kann man hierdurch der Colli-
mationslinie eine feste, jederzeit controlirbare verticale Lage
geben. Befindet sich unter dem Fernrohre fest verbunden
mit ihm ein kleiner Spiegel, der unter 45° gegen die Ver-
ticale geneigt ist, so wird man vermittelst eines horizontal
stehenden, auf unendlich eingestellten Fernrohres das Faden-
kreuz des verticalen erblicken und die beiden Fadenkreuze
zur Coincidenz bringen können. Diese Methode hat ausser
der Schärfe, mit der sich die Controle ausführen lässt, haupt-
sächlich den Vorzug, dass hier die Collimationslinie des
Beobachtungsfernrohres selbst auf ihre unveränderte
Lage geprüft wird, was bei Anwendung von Libellen oder
von einem Versicherungsfernrohr nicht der Fall ist. Wir
gaben dem Apparat folgende Einrichtung. Das sehr fest,
schwer und solide montirte Beobachtungsfernrohr A (Taf. IV
Fig. 9) (Focallänge 115,7 cm)1) wurde auf einem Steinpfei-
ler 2) aufgestellt und auf die zu beobachtende Scala gerichtet.
Das ebenfalls sehr solide montirte Fernrohr J5, mit beleucht-
barem Fadenkreuze war senkrecht auf den Quecksilberhori-
1) Die Fernrohre waren uns gütigst vom Director des hiesigen physi-
kalischen Institutes Hrn. Prof. Dr. War bürg und vom Director des
hiesigen mathematischen Cabinets Hrn. Prof. Dr. Lindemann über-
lassen worden.
2) Das Feststehen desselben war durch zwei auf ihm befindliche
Libellen controlirt.
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K. R. Koch u. Fr. Klocke.
517
zont gerichtet; unter dem Objectiv befand sich, fest mit ihm
verbunden, ein Reflectionsprisma c, das durch die Schrauben
a, ß, y, S in jeder Richtung verstellbar war und festgeklemmt
werden konnte. Weil man bei der Beobachtung der Scala
und bei der Einstellung des verticalen Fernrohres an dem
Spiegel vorbeisehen musste, so war es nöthig, denselben bei
möglichst grosser Lichtstärke möglichst klein zu machen;
ein Reflexionsprisma erfüllt bekanntlich diesen Zweck am
besten. Hat das Fernrohr A eine gegen den Horizont ge-
neigte Stellung, so kann man leicht das Prisma mit Hülfe
der Schrauben y, S so stellen, dass das Fadenkreuz von B
durch A gesehen werden kann, vorausgesetzt, dass der Win-
kel, den die Collimationslinien der beiden Fernrohre mit
einander bilden, nicht kleiner wird, als das Doppelte des
Grenzwinkels der totalen Reflexion (für das von uns ge-
brauchte Crownglasprisma ca. 82°). Für noch stärkere et-
waige Neigungen hatten wir ein Flintglasprisma mit einem
brechenden Winkel von 80° in Reserve. Die Störungen des
Aplanatismus durch die schiefe Inciedenz sind hierbei, wie
schon Hr. Listing gezeigt hat1), nicht erheblich. Da das
Beobachtungsfernrohr A nicht auf unendlich, sondern auf die
einige hundert Meter entfernte Scala eingestellt ist, so wird
man das Fadenkreuz von B, weil B auf unendlich eingestellt
ist, nicht scharf sehen können; deshalb ist an A noch ein
seitliches Ocular Ax angebracht, in das durch ein kleines,
von aussen verstellbares Reflectionsprisma a ein Theil des
vom Objectiv kommenden Strahlenbündels reflectirt wird.
Man beobachtet nun durch das seitliche auf unendlich ge-
stellte Ocular das Fadenkreuz von B und durch das gerade
Ocular die Bewegung der Scala. Stehen die Fadenkreuze
ein und coincidirt das beleuchtete Fadenkreuz in B mit
seinem Spiegelbilde, so kann man sicher sein, dass sich die
Absehlinie des Beobachtungsfernrohres nicht um eine Grösse
geändert hat, die der Genauigkeit gleich ist, mit der sich
die Einstellung der Fadenkreuze aufeinander und des be-
leuchteten Fadenkreuzes auf sein Spiegelbild ausführen lässt.
1) Listing, Carl's Report. 7. p. 275, 1871.
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518
K. R. Koch u. Fr. Klocke.
Unter der Bedingung, dass die beiden Reflexionsprismen sieb
niebt unabhängig von ihren Fernrohren bewegen, wäre es
leicht, bei einem etwaigen Abweichen der Fadenkreuze von
einander die an der Scala gemachten Ablesungen zu corri-
giren, ohne nöthig zu haben, die Beobachtungsreihe zu unter-
brechen. Es zeigte sich jedoch gleich beim Beginne unserer
Arbeit, dass diese Bedingung nicht erfüllt war; hierdurch
waren wir gezwungen eine angefangene Beobachtungsreihe
abzubrechen und den Apparat neu einzustellen, sobald wir
eine Verlegung der Fadenkreuze gegeneinander bemerkten.
Infolge dessen war die Controle für das Versicherungsfern-
rohr überflüssig. Wir schalteten deshalb bei unseren spä-
teren Beobachtungen den Quecksilberhorizont und das seit-
liche Ocular aus, indem wir das verticale Fernrohr einfach
als Collimator unter der Annahme benutzten, dass eine Ver-
legung der Collimationslinien ohne Störung der Co'incidenz
der Fadenkreuze sehr unwahrscheinlich ist. Die specielleren
Angaben über die hierdurch erreichte Genauigkeit der Con-
trole werden wir weiter unten mittheilen, nachdem wir vor-
her gezeigt haben, auf welche Weise wir die dritte der oben
geforderten Bedingungen, nämlich die Elimination der durch
das Zittern des Bildes bei der Ablesung an der Scala her-
vorgerufenen Fehler annähernd zu erfüllen versucht haben.
Bekanntlich findet beim Visiren auf grössere Entfernungen
ein die Genauigkeit der Ablesung sehr störendes Zittern des
Bildes statt. Visirt man bei Temperaturen über 0°C. über
Eis oder Schnee hinweg, so ist das Zittern allerdings ge-
ringer, weil sich das Eis nicht selbst erwärmt und folglich
keine dunkeln Wärmestrahlen aussendet. Da jedoch unsere
Visirlinie noch über einen Theil der Moräne hinweg ging,
und der Gletscher selbst theilweise mit Schutt bedeckt war,
so war das Zittern immerhin bedeutend genug, um die Un-
sicherheit einer einzelnen Ablesung grösser als die Grössen,
die wir beobachten wollten, zu machen. Wir suchten diesen
Fehler dadurch zu beseitigen, dass wir unsere Ablesungen
an je zwei parallelen Fäden, und zwar an jeder Seite des
Fadens bei den grössten, resp. kleinsten Vibrationsamplituden
machten, indem wir von der wohl zulässigen Annahme aus-
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K R. Koch u. Fr. Klocke. 519
gingen, dass die Grösse der Amplituden nach beiden Seiten
hin die gleiche ist. Das Mittel aus den so erhaltenen Zahlen
gibt dann den von uns für den Stand der Scala benutzten
Werth, d. h. die Lage der Halbirungslinie des Fadenabstan-
des auf der Scala. Der mittlere Fehler, mit dem diese
Grösse behaftet ist (Zielfehler) lässt sich auf folgende Weise
rinden. Aus den vielen hundert Ablesungen, die wir an
jedem Signal machten, lässt sich mit grosser Genauigkeit
der Abstand der Fäden sowie der mittlere Fehler desselben
(ausgedrückt in Theilen der Scala für diese bestimmte Ent-
fernung) ermitteln. Ist MJ dieser mittlere zu fürchtende
Fehler einer einzelnen Beobachtung des Abstandes der bei-
den Fäden für eine bestimmte Entfernung der Scala vom
Fernrohr, so ist der mittlere Fehler für den Ort der Mitte
je eines Fadens m = 3f1/]/2, und der mittlere Fehler für
den Ort der Halbirungslinie des Abstandes der beiden Fäden
Die folgende Tabelle gibt für die verschiedenen Entfer-
nungen den gesuchten Zielfehler (d. h. den mittleren zu
fürchtenden Fehler für die einzelne Beobachtung).
Sign.
Entfernung 2)
Mittlere Zielfehler für die
verticale Scala
horizontale Scala
L
II.
III.
IV.
318 m 0,03 cm = 0,19"
312 „ 0,03 „ = 0,20"
205 „ 0,04 „ = 0,40"
143 „ 0,03 „ = 0,43"
0,04 cm = 0,26"
0,03 „ = 0,20"
0,04 „ = 0,40"
0,03 „ = 0,43"
1) Sind nämlich mx und m., die vorläufig noch unbekannten Fehler
der Grössen ptx und x., (Werthe für die Mittellinie eines jeden Fadens),
so ist der mittlere Fehler des Abstandes (x8— a*,) der beiden Fäden:
Mx = W+
oder, da m, = m2 = m angenommen ist, und Mx aus den Beobachtungen
direct berechnet wird:
Da nun das Mittel aus den beiden Grössen xx und £, den Ort der Hal-
birungslinie des Abstandes der beiden Fäden angibt, so ist der mittlere
Fehler desselben: /— nm \r
2) Aus dem beobachteten Abstände der Fäden wurde die Entfernung
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520
K. R. Koch u. Fr. Kloche.
Dass der Zielfehler mit abnehmender Entfernung nicht
kleiner wird, sondern (in Bogensecunden ausgedrückt) sogar
wächst, liegt daran, dass für die kürzeren Distanzen zwischen
Fernrohr und Scala die Eintheilung der Scala in halbe Cen-
timeter zu grob war. Um den Zielfehler noch kleiner zu
machen, könnte man die Zahl der Fäden noch weiter ver-
mehren. Es erschien uns jedoch dies einestheils nicht rath
sam, weil dadurch die Zeit, welche man zu einer Beobach-
tung gebraucht, mehr verlängert wird, als dies bei den
kurzen Intervallen zwischen zwei Ablesungen (l/2 Stunde)
thunlich ist, und anderenteils hielten wir es für unnöthig.
weil die Genauigkeit, mit der sich das Feststehen der Colli-
mationslinse controliren Hess, geringer war.
Die Methode, die wir hierbei anwandten, ist bereits oben
beschrieben worden; wir verfuhren nun folgender massen.
Um den Werth sogleich in Scalentheilen für die be-
treffende Entfernung zu haben, wurde diese Bestimmung
jedesmal neu ausgeführt, wenn das Signal an einen anderen
Punkt gesetzt war. In der Regel wurden die Fadenkreuze
fünfmal hintereinander zur Co'ineidenz gebracht und jedes-
mal zugleich der Stand der Fäden an den beiden Scalen
notirt. Eine grössere Zahl von Beobachtungen war nicht
wohl zulässig, weil diese fünf Einstellungen und Ablesungen
circa eine halbe Stunde in Anspruch nahmen, und das Auge
des Beobachters nach dieser Zeit ermüdet war. Die Grösse
der Fortbewegung der Scala während der Beobachtung selbst
wurde hierbei an den beobachteten Werthen in Rechnung
gebracht. Die Zahlen der nachfolgenden Tabelle geben die
Fehlergrössen direct in Scalentheilen für die betreffende
Entfernung:
Signal
Für die Scala
vertical I horizontal
I. 0,11 cm
II. 0,13 „
III. 0,17 „
0,14 cm
0,13 „
0,13 „
der Scala vom Fernrohre, da es sich nur um eine angenäherte Messung
handelte, in bekannter Weise berechnet (Genauigkeit l°/0).
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K. R. Koch u. Fr. Klocke.
521
Diese Grösse setzt sich aus zwei anderen zusammen,
nämlich erstens aus dem Zielfehler (der sich aus den fünf
Beobachtungen berechnen lässt), und zweitens aus dem Fehler,
der aus einer nicht genauen Coincidenz der Mitten der bei-
den Fadenkreuze resultirt. Offenbar sind nun auch unsere
Messungen der Bewegung des Gletschers selbst um die
gleiche Grösse ungenau, nämlich um den Zielfehler und um
eine Grösse, die von der Schärfe abhängt, mit der sich die
Coincidenz der Fadenkreuze beurtheilen lässt. Die Unsicher-
heit, die unseren Ablesungen (für die Messung der Bewegung)
mithin anhaftet, ist im Mittel l", d. h. das Vierfache des
Zielfehlers. Es kommt diese Vergrösserung daher, dass das
Fadenkreuz des Versicherungsfernrohres, durch das Haupt-
rohr betrachtet, verhältnissmässig breit erschien. Eine directe
Messung ergab in der That die Breite dieses Fadenkreuzes
zu ca. 8". Da sich die Axen der Fadenkreuze ungefähr auf
ein Zehntel ihrer Breite genau aufeinander einstellen lassen,
so beträgt allerdings der bei der Beurtheilung des Einstehens
der Fadenkreuze mögliche Fehler 0,8 " und mithin der ganze
Fehler 1,1", wie ihn auch die directen Beobachtungen er-
gaben. Wir theilen nun noch zur Probe einige Tabellen
mit, aus denen hervorgeht, dass die von uns beobachteten
Bewegungen des Gletschers von einer Grösse sind, die inner-
halb dieser soeben discutirten Fehlergrenzen liegen.
Scala L1)
Entfernung vom Fernrohre 318 m.
Entfernung vom Rande des Gletschers 260 m.
Vertic. ' Horte.
Beweg, j Beweg.
cm cm
Vertic.
Beweg.
cm
Horiz.
Beweg.
cm
Sept. 4:
von 1 9& — bis 1 9^ 30«»
„ 19 30 „ 20 —
„ 20 — „ 20 30
„ 20 30 „ 21 -
„ 21 - „ 21 30 2)
1
±0,00 +0,131
—0,03 4-0,52
4-0,08 4- 0,15'
-0,18 4-0,10
von 21h 30m bi822h — m
„ 22 — „ 22 30
1 „ 22 30 „ 23 —
„ 23 — „ 23 30
„ 23 30 „ 24 —
—0,08
— 0,05
±0,00
±0,00
-0,02
+0,15
+0,17
+ 0,35
+0,10
+0,20
1) Die Zeiten sind gerechnet von Mittag zu Mittag. + bezeichnet
eine Abwärtsbewegung, — eine Aufwärtsbewegung.
2) Die Fadenkreuze schienen nicht mehr zu coincidiren; deshalb
neue Einstellung.
522
K. R. Koch u. Fr. Khcke.
Vertic.
Beweg.
cm
Horiz.
Beweg.
cm
Vertic.
Beweg.
cm
Horiz.
Beweg.
cm
Sept. 5:
von Oh — m bis Oh 30"»
„ 0 30 „ 1 -
„ 1 - „ 1 30
„ 1 30 „2 ->)
„ 2 - „ 2 30
Entfernung
Entfernung
±0,00 !+ 0,1 5
— 0 03 4-0 18
±0,00 4-0,35
+0,10 1+0,28
Seals
vom Fernrohr
vom Rande d
1
1 von 2h 30m bis 3h — m
„ 3 - „ 3 30
„ 3 30 „ 4 -
„ 4 - „ 4 30
„ 4 30 „ 5 -
i HL
e 205 m.
es Gletschers 147 m.
+ 0,13
+ 0,10
+ 0,10
-0,23
+ 0,13
+ 0,27
+0,20
+ 0,10
+0,25
+ 0,13
Vertic.
Beweg.
cm
Horiz.
Beweg.
cm
Vertic.
Beweg.
cm
Horiz.
Ii e •> t _
Sept. 11:
von oh — m bis Oh 30™
n nn 1
„ 0 30 „ 1 —
„ 1 - „ 1 30
„ 1 30 „ 2 -
„ 2 - „ 2 80»)
„ 2 30 „ 3 -
» 8 - „ 3 30
+ 0.05
-0,05
-0,05
+ 0,05
+ 0,02
-0,02
+0,12
+ 0,28
+ 0,12
+ 0,13
+ 0,05
-0,07
von 3h 30m bis 4h — m
n 4 — „4 30
n 4 30 „5
„ 5 — „ 5 30
n 5 30 „ 6 -
n 6 — „ 18 —
+ 0,02
— 0,10
+ 0,13
+ 0,10
-0,15
-0,15
+ 0,05
+ 0,23
+ 0,05
+ 0,12
+ 0,15
+ 4,15
Diese aus unseren, 14 Tage lang ununterbrochen fort-
gesetzten Beobachtungen ausgehobenen Reihen zeigen zur
Genüge, dass die vorliegende Methode — welche wir wenig-
stens mit den uns zu Gebote stehenden optischen Mitteln an
die äusserste Grenze der bei derselben erreichbaren Genauig-
keit geführt zu haben glauben — nicht ausreichte, die letzt-
jährigen, so geringen Bewegungen des Morteratschgletschers
mit absoluter Genauigkeit zu messen.
Das Resultat unserer Beobachtungen erscheint hiernach
allerdings wesentlich negativ; wir möchten jedoch auf Fol-
gendes aufmerksam machen. Wenn auch die oben gegebenen
Zahlen um eine Grösse unsicher sind, die ihre eigene über-
steigt, so ist damit doch nicht gesagt, dass die aus denselben
berechneten Bewegungen des Eises auf Eigenbewegungen
unseres Beobachtungsfernrohres zurückzuführen sind. Um
1) Die Fadenkreuze schienen nicht mehr zu coincidiren; deshalb neue
Einstellung.
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E. Lommel.
523
uns nämlich ein ungefähres Urtheil über die Güte unserer
Beobachtungen zu bilden, brachten wir an der gegenüber-
liegenden Felswand eine Scala und Laterne an und beobach-
teten dieselben während eines Zeitraums von 24 Stunden (am
Tage die Scala und in der Nacht die Laterne). Am Tage
war überhaupt keine Verlegung des Signals gegen das Faden-
kreuz bemerkbar, während der Nacht Hess sich allerdings
eine äusserst schwache Verschiebung des Lichtpunktes im
Sinne einer Senkung der Laterne (im ganzen noch keine
Bogensecunde) wahrnehmen. Periodische Hebungen und Sen-
kungen bemerkten wir weder bei Tage noch bei Nacht. Man
wird also mit einiger Wahrscheinlichkeit annehmen dürfen,
dass die von uns beobachteten Bewegungen den wirklichen
im ganzen und grossen entsprechen werden, wenn auch ihre
wahre Grösse eine andere ist.
Eine Discussion über die wahrscheinlich sehr complicir-
ten Ursachen dieser sonderbaren Bewegungen anzustellen,
halten wir bei dem dürftigen, bis jetzt vorliegenden Beob-
achtungsmaterial für verfrüht.
Freiburg i. B., Juli 1881.
IX. Theorie der Drehung der Polari&ationsebene;
von JE. Lommel.
In den folgenden Zeilen gedenke ich zu zeigen, dass
die Lichttheorie, welche ich in mehreren früheren Abhand-
lungen1) aufgestellt habe, die Drehung der Polarisationsebene,
und zwar sowohl die magnetische als die natürliche, in sehr
einfacher Weise erklärt. Jener Theorie liegen folgende Vor-
stellungen zu Grunde: 1) der zwischen den Körpermolecülen
enthaltene Aether ist von derselben Beschaffenheit wie der
freie Aether; insbesondere ist derselbe unzusammendrückbar;
2) zwischen Aether- und Körpertheilchen findet eine der
1) E. Lommel, Wied. Ann. 3. p. 251 u. 339. 1878; 4. p. 55. 1878.
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524
E. Lommel.
Reibung analoge Wechselwirkung statt, welche ihrer rela-
tiven Geschwindigkeit proportional ist; 3) auf jedes Körper-
theilchen wirken die ihm eigentümlichen elastischen Kräfte,
und 4) ein seiner Geschwindigkeit proportionaler Widerstand.
Dieser Widerstand, welchen man etwa durch die dem
Molecül als integrirender Bestandtheil zugehörige Aetherhülle
hervorgebracht denken kann, ist für ein Molecül von ge-
wöhnlicher Beschaffenheit nach allen Richtungen hin der
nämliche. Kreist aber um das Molecül ein electrischer Strom,
oder ist dasselbe schraubenförmig gebaut, so muss dieser
Widerstand nach verschiedenen Richtungen verschieden, und
zwar für Bewegungen rechts herum ein anderer sein als für
Bewegungen links herum.
Um die Gesetze der Wellenbewegung in Körpern von
solcher Beschaffenheit darzustellen, ist es daher nur erforder-
lich, in den Bewegungsgleichungen der Molecüle das auf den
molecularen Widerstand bezügliche Glied derart zu vervoll-
ständigen, dass es jene Verschiedenheit hinsichtlich rechts-
und linksherum gehender Bewegungen zum Ausdruck bringt,
während die Gleichungen für die Bewegung des Aethers un-
geändert bleiben.
I. Die magnetische Drehung der Polarisationscbene.
Bezeichnen x, y, z die rechtwinkligen Coordinaten der
gemeinschaftlichen Gleichgewichtslage der in demselben Vo-
lumenelemente enthaltenen Körpermasse m und Aethermasse
H, und x', y\ z', |', ?/, £' ihre resp. Coordinaten nach eingetre-
tener gegenseitiger Verschiebung, so gilt in einem isotropen,
von magnetischen Kräften nicht beeinflussten Mittel für
die Bewegung der Körpermasse m parallel der *-Axe die
Gleichung:
m dfi—=-2km dt _w/r(.r-.r)-2mv^--^J
und für die Bewegung des Aethers nach derselben Richtung
die Gleichung:
»~dt*-=(o { --3P— +-^- + dz—r2mv\Tt-jiy
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E. Lommel
525
in welchen das mit der Constante v multiplicirte Glied die
Wechselwirkung zwischen Aether und Körpertheilchen, das
mit k behaftete Glied den molecularen Widerstand ausdrückt.
Analoge Gleichungen entsprechen den Bewegungen parallel
der y- und z-Axe. Zu diesen sechs Gleichungen kommt
noch hinzu die Bedingung für die Unzusammendrückbarkeit
des Aethers:
<*(*-*') , rf 0/ - n) ■ d(z- n _ n
dx "t' dy + dz ~°>
welche fordert, dass die Aetherschwingungen in der Wellen-
ebene oder transversal erfolgen.
Wählen wir die Normale der Wellenebene als z-Axe,
so ist z — J = o; die auf die r-Axe bezüglichen Bewegungs-
gleichungen sind alsdann von selbst erfüllt, und die noch
übrigen, den beiden anderen Axen entsprechenden Gleichungen
dienen zur Bestimmung der Verschiebungen als Functionen
von z und (.
Werden nun durch eine zur Wellennormale (2-Axe) pa-
rallele magnetisirende Kraft Molecularströme inducirt (wie bei
diamagnetischen Körpern) oder vorhandene Molecularströme
gerichtet (wie bei magnetischen Körpern), so bewirken diese
kleinen Stromkreise, deren Ebenen zur Wellenebene parallel
sind, dass der nach der x-Axe gerichtete moleculare Wider-
stand nicht blos von der x- Componente, sondern auch von
der y- Componente der Geschwindigkeit abhängig wird und
sonach die Form:
_ Um*VjL± _ 2 Sm ^ ■*>-
annimmt, wo 2^ ein von der Stärke der Molecularströme
abhängiger Coefficient ist; dasselbe gilt von dem nach der
^-Axe gerichteten Widerstand, welcher, weil diese Kräfte
durch eine beliebige Drehung um die z-Axe ungeändert
bleiben, sich nothwendig in der Form:
- 2 hm *M -yL + 2 dm dlx'-x) darstellt,
dt dt
Bildet die Richtung der magnetisirenden Kraft mit der
Fortpflanzungsrichtung der Welle, und sonach auch die Ebene
der Molecularströme mit der Wellenebene einen Winkel «,
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526 E. Lommel '
so kommt von jedem Strömchen nur die in die Wellenebene
fallende Componente zur Wirkung, und man hat 2 Jcos« statt
2 8 zu setzen. Dabei denken wir uns die Normale der Strom-
ebene stets nach der Seite errichtet, von welcher aus gesehen
der Strom in der Richtung des Uhrzeigers kreist.
Die Bewegungsgleichungen der Körpertheilchen (1) und
des Aethcrs (2) ergeben sich daher wie folgt:
m <*'-*> = - 2km ^=^-- 2d cos u . m
(1)
(2)
(3)
m W-rt = 2 i > cos a . m *V~m> -2 km
w — dfi— = " ' - dz* + 2 w " 1 Ü7 ~ rf7 J «
Man genügt diesen Gleichungen, indem man:
x-g^Al, y-?f=Bl, x-x = Ll, y'-y=ML
in sie einsetzt, und die Constanten A, B, L, M, ferner das
Absorptionsvermögen K und die Fortpflanzungsgeschwindig-
keit c in geeigneter Weise bestimmt. Die Grösse q) d. i. die
mit 2 % multiplicirte Schwingungszahl der fortgepflanzten
Welle, ist als gegeben anzusehen.
Die Gleichungen (2) nehmen nach Substitution jener
Werthe die folgende Gestalt an:
p y« + w2 [k+ I if - 2 mvqi (l + |] _ o,
sie können gleichzeitig nur bestehen, wenn:
W Ä * ^ * *
gesetzt wird und reduciren sich alsdann auf die einzige:
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E. Lommel.
527
(5) fiq2 + w2 (k + -J- i\ -2m (1 4- g) = o.
Aus den Gleichungen (1) dagegen erhält man nach Ein-
setzung der Werthe (3) die folgenden zwei Bedingungen:
| (p3 — ^2 -h 2(k-v)qi)L = -28 cosa.qiM+2vqiA,
\(p2 - q2 + 2{k - v)qi) M = 2Öcosa. qiL + 2vqiB.
Multiplicirt man die erste derselben mit die zweite
mit A und zieht sie von einander ab unter Beachtung der
Relation (4), so ergibt sich:
28 cosa.qi{AL + BM) — o, oder:
(7) AL + BM=o.
Addirt man aber die Gleichungen (6), nachdem man die
erste mit A, die zweite mit B multiplicirt hat, so erhält man
mit Rücksicht auf (4) und (7) :
(8) A- + B2 = o, woraus:
(8.) B=±Ai
und alsdann vermöge (7):
(7a) M=±Li
folgt. Nach Einführung dieser Werthe liefert jede der Glei-
chungen (6):
m\ L = n — & ,
W j - V - ps _ qt + 2 (jfc - y) qi ± 20 cos o . q
folglich, wenn man:
(10) o = 6 + ti setzt:
[ nam (* - p) q* ,
J (p*-?2±2<5cosa.!?)2 + 4(*-,0V
* ' | 2rq(p* — q* ± 2 Ö COS q . q)
( T ~~ (p2 - y2 ± 2 (5 cos n . q)* + 4 (jfc - yj* ^
Substituirt man nun p = o* + t* in die Gleichung (5),
so zerfällt dieselbe durch Scheidung des Reellen vom Imagi-
nären in die zwei Gleichungen:
aus welchen sich, wenn man der Kürze wegen:
528 E. Lommel.
l _^ — p und (i + (t) = Q
setzt, und tt/Vju. (die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichtes
im freien Aether) = l annimmt, die Fortpflanzungsgeschwin-
digkeit c und der Absorptionscoefficient K wie folgt ergeben:
(14) ^ = i(VTM^}*" + P),
(15) |? = £ (VF+Q2 - P), worin:
/i (p2 - q- ± 2 (5 cos « . |jr)- + 4 [k - v)1 q'
Q 2mt' (P* -q9 ±20 cos « . y)2 + 4/fc(fr - y) ?8
" ' ^ ~~ ,utf (/>2 - q1 ± 2 ö cos « . y)2 + 4 (k - v)- q*
ist. Man erhält also, entsprechend dem doppelten Vorzeichen
des mit 8 behafteten Gliedes, zwei Werthe c und c ' für die
Fortpflanzungsgeschwindigkeit, und zwei zugehörige Werthe
K' und K" für das Absorptionsvermögen.
Die gleichzeitigen Bewegungen der Aether- und der
Körpertheilchen werden nun durch die reellen Theile der
Ausdrücke (3) dargestellt Bezeichnen wir zur Abkürzung
die Verschiebungen der ersteren mit gx und r}v die der letz-
teren mit und yv so erhalten wir für die Körpertheilchen,
da L = Aq ist:
x\ = ARe~Kt cos [qt — | z + t//j ,
(18')
y\ = A R'e-x* sin (yf- c? * + v')>
In.
(18")
V(p2 - ?2 -f 2 i) cos + 4 (Ä? - * )* y8
ctgi// = ~2— 2Al ist, und:
^ = AR"*-*** cos [pt--2rz+ if>"} ,
ft" = - i4Ä"*-**- sin (y/ - 4r z + V") »
mit:
Ct^ =^-g2-2^cos«.g *
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E. LommeL
529
1(9)
Die Bewegungen der Aethertheilchen dagegen werden
ausgedrückt durch die beiden Paare von Gleichungen :
g/ = ^e-*'*cos^-?z), Ae-v* sin^-^z);
^''^Ae-r 'cos^t-Uy rn" = -A<r~* * sin >
welche ersichtlich zwei entgegengesetzt kreisförmig polari-
sirte Strahlen darstellen, die sich mit verschiedenen Ge-
schwindigkeiten fortpflanzen und infolge verschiedener Ab-
sorption ungleiche Amplituden haben.
Nehmen wir an, die Absorption sei so gering, dass
K=*o gesetzt werden darf, so vereinfachen sich vorstehende
Gleichungen zu:
(20)
1/ = A cos^— Vi = A mn^ft —
ii' = A cos [qt - %r z) > Vi" = — A si» — -?t
und die Componenten der geradlinigen Schwingung, zu wel-
chen sich die beiden kreisförmigen Bewegungen nach Durch-
laufung des Weges z zusammensetzen sind:
q \ z
(21)
| i; + g/' = 2 ^ cos (-* - f ) I . cos (, f - ( 2 +
|V + V=2^sin(/-|)f cos(^-(^+^|).
Bezeichnen wir mit A den Winkel, welchen diese
Schwingung mit der ursprünglichen Schwingungsrichtung
(bei z — o) bildet, so ist:
Es hat demnach eine Drehung der Schwingungsebene
stattgefunden im Betrage von:
(22) ä - (j* - f )
Ist aber die Absorption so unbedeutend, dass als
verschwindend angesehen werden kann, so gilt dasselbe auch
von Q. und hat man: 1 _ p
Ann. d. Phys. tu Chem. N. F. XIV. 34
Z
2
(28)
530 E. Lommel.
Entwickelt man nun 1 / c und 1 / c" nach Potenzen der
kleinen Grösse 2 8 cos cc.q, und die Coefficienten der Ent-
wicklung wiederum nach Potenzen von y2, so findet man:
1= A + Bq2+Cq* + ..-) + ÖCOSa.q(A + Bq*+Cq'+.\
+ 8* COS2a.q2{Ä' + .-•) + ••,
+ 82 cos2 a.q-{A"-\ ) ,
folglich, wenn man die Glieder mit der dritten und höheren
Potenzen von 8 ausser Acht lässt:
- ?. = 2 d cos a (Äq2 + #y + CVy« +...).
oder, da q — 2nV\'k ist, wenn J7 die Fortpflanzungsgeschwin-
digkeit und X die Wellenlänge im freien Aether bezeichnet:
f-f-2*cos«(f1 + |i + f. + -).
Die Drehung der Schwingungsebene wird also durch
den Ausdruck:
(24) J= zö cos«(£ + £ + ffl + ...)
dargestellt, welcher übereinstimmend mit der Erfahrung aus-
sagt, dass die Drehung 1) der Dicke der vom Lichtstrahl
durchlaufenen Schicht, 2) der Grösse der magnetisirenden
Kraft, 3) dem Cosinus der Neigung dieser Kraft gegen die
Fortpflanzungsrichtung des Strahls proportional ist, und
dass sie endlich 4) mit abnehmender Wellenlänge wächst
Aus der vorstehenden Entwicklung erhellt, dass die
vier Constanten, welche in den Ausdrücken P und Q ausser
der Grösse 8 noch vorkommen, auch in der Formel für den
Drehungswinkel auftreten müssen, und dass daher zur ge-
nauen Darstellung der Rotationsdispersion vier Glieder dieser
Formel erforderlich sein würden. Behufs einer angenäherten
Prüfung mag es jedoch genügen, die Formel mit nur zwei
Constanten in der Gestalt:
(25) '-f + i
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E. Lommel.
531
mit den Beobachtungsresultaten zu vergleichen. Wir be-
nutzen hierzu die Beobachtungen V erdet's1) am Schwefel-
kohlenstoff und Kreosot, indem wir mit V erdet die Dreh-
ungen für die Fraunhbfer'sche Linie E gleich 1 setzen.
Tabelle I.
Schwefelkohlenstoff.
log a = 9,31
005 - 10.
log b =
i 8,30892
-10.
Fraun-
hofersche
Linien
Drehung
Drehung
berechnet nach
Formel
beobachtet
(25)
Diff.
JM)
Diff.
Diff.
C
D
E
F
G
0,592
0,768
1,000
1,234
1,704
0,585
0,759
1,000
1,230
1,692
+ 7
+ 9
0
+ 4
+ 12
0,589
0,760
1,000
1,234
1,713
+ 3
+ H
0
0
-9
0,943
0,967
1,000
1,034
1,091
-351
-199
0
+ 200
+ 113
Tabelle II.
Kreosot,
log« = 9.28409- 10. log 6 =
= 8,37358
- 10.
Fraun-
hofer'sche
Linien
Drehung
beobachtet
Drchuug berechnet nach Formel
(25)
Diff.
(M)
Diff.
(N) Diff.
c
n
E
F
G
0,573
0,758
1,000
1,241
1.723
0,575
0,752
1,000
1,238
1,723
-2
+ 6
0
+ 3
0
0,617
0,780
1,000
1,210
1,603
- 44
- 22
0
+ 31
+ 120
0,976
0,993
1,000
1,017
1,041
—403
-235
0
+ 224
+ 682
Zur Vergleichung mit anderen Theorien sind in den
Columnen M und N die Zahlenwerthe beigefügt, welche von
Verdet nach den Formeln berechnet sind, die sich be-
ziehungsweise aus den Theorien von Maxwell2) und Neu-
mann3) ergeben. Obgleich sich die MaxwelFsche Formel
beim Schwefelkohlenstoff den Beobachtungen etwas besser
anschliesst als die unserige, so weicht sie andererseits beim
1) Verdet, Ann. de chim. et de phys. (3) 09. p. 471. 1863.
2) Maxwell, Treatise on Electricity and Magnetism. 2. p. 413.
Oxford 1873.
3) Neumann, Die magnetische Drehung der Polarisation ^ebene des
Lichtes. Halle 1863.
34*
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532
E. Lommel
Kreosot so beträchtlich davon ab, dass sie als unbrauchbar
angesehen werden muss. Unsere Formel (25) dagegen gibt
in beiden Fällen eine befriedigende Uebereinstimmung, und
der unregelmässige Gang der Differenzen spricht ebenfalls
zu ihren Gunsten.
II. Die natürliche Drehung der Polarisationsebene.
Sind die Molecüle eines Körpers schraubenförmig gebaut
und sonach rechts herum anders beschaffen als links herum,
so müssen, wenn die Axen der Schrauben unter sich parallel
und senkrecht zur fortgepflanzten Wellenebene stehen, ganz
in derselben Weise wie im vorigen Falle in den für die
und ^-Richtung geltenden Bewegungsgleichungen der Körper-
theilchen beziehungsweise Glieder von der Form:
auftreten. Bildet die Schraubenaxe mit der Wellennormale
einen Winkel ay so werden in der Wellenebene nur noch
Bruchtheile dieser Glieder zur Geltung kommen, welche Null
sind, wenn der Winkel a ein rechter ist, und ungeändert
bleiben, wenn man der Schraubenaxe die entgegengesetzte
Lage gibt. Um dieser Eigenthümlichkeit des schraubenför-
migen Baues Rechnung zu tragen, nehmen wir an, dass diese
Bruchtheile durch:
_2<Scos2c*.ro^^) und + 2<?cos 2«.
ausgedrückt werden.
Sind die Schraubenaxen der Molecüle zu je einem Dritt-
theil nach drei zu einander senkrechten Richtungen geord-
net, welche mit der Wellennormale resp. die Winkel a, ß,
y bilden, so liefern die drei Molecülreihen zur .r-Componente
die Beiträge:
und
+ 2dm
d {x — x)
dt
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E. Lommel.
533
geben. Eine solche Anordnung der Schraubenaxen würde
stattfinden bei circular polarisirenden Krystallen des regu-
lären Systems. Aber auch die vollkommen regellose Grup-
pirung der Molecüle in der Lösung eines activen Stoffs kann
man durch jene Anordnung ersetzt denken.
In Körpern von der vorausgesetzten Beschaffenheit wird
demnach die Fortpflanzung des Lichts durch folgende Glei-
chungen :
(i)
m
d2 (x — x) 0 , d (x '— x) 0 * d (v' — v)
—dt( = - 2km - ^dJ-> - 2Sm -Ä^E
,)_2«v(g-g),
m
dt*
(2)
Ii v (x - n
2 (* " O
dz2
dargestellt, deren Integration, genau wie im vorigen Ab-
schnitt durchgeführt, Kesultate liefert, welche sich von den
dortigen nur dadurch unterscheiden, dass die Drehung:
zl = zÖ
+ ~ + - +
•)
a
sowohl ihrem Betrage als ihrem Sinne nach ungeändert
bleibt, nach welcher Richtung auch die Welle sich fortpflan-
zen mag. Da von Boltzmann1) bereits nachgewiesen wurde,
dass die Formel:
welche in ihrem ersten Gliede das angenähert gültige Biot'-
sche Gesetz darstellt, die natürliche Rotationsdispersion in
sehr befriedigender Weise wiedergibt, so ist eine erneute
Prüfung derselben nicht erforderlich.
1) Boltzmann, Pogg. Ann. Jubelbd. p. 123. 1874.
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534
A. H'inJtelmaiin.
X. Zu den Versuchen des Hrn. L. Graetz:
TJeber die Wärmeleitungsfähigkeit der Gase und
ihre Abhängigkeit von der Temperatur"1);
von A. Winkelmann.
Hr. Graetz2) hat mit zwei Apparaten die Temperatur-
coefficienten der Wärmeleitung der Gase bestimmt und ge-
langt zu dem Resultat, dass für Luft der Temperaturcoefti-
cient nahezu gleich dem von der Clausius'schen Theorie
geforderten, nämlich gleich 0,00183 sei.
Ich werde im Folgenden zeigen, dass dieses Resultat
des Hrn. Graetz nur aus einer mangelhaften Berech-
nung der Beobachtungen hervorgegangen ist, und
dass eine richtige Berechnung Werthe für die Coef-
ficienten liefert, die im Mittel gleich 0,0009 sind.
Hr. Graetz setzt voraus, dass die Abkühlungsgeschwin-
digkeit v proportional der Temperatur wächst, und erhält
dann aus der Gleichung:
(1) # . löge = - • log (f ±4f * t) den Werth von *
Dieser Werth a stellt die Abkühlungsgeschwindigkeit
dar und bezieht sich auf die Temperatur des Bades, also
bei den Versuchen in niedriger Temperatur auf 0°. Der
Werth von ß gibt ein Afaass für die Abhängigkeit der Ab-
kühlungsgeschwindigkeit von der Temperatur.
Die Beobachtungen in der niedrigen Temperatur wurden
so ausgeführt, dass in dem Intervalle von 60 bis 20° von 5
zu 5° die Abkühlungszeiten bestimmt wurden, während der
Apparat in schmelzendem Eise stand. Bei der höheren Tem-
peratur befand sich der Apparat in siedendem Wasser, und
wurden die Beobachtungen in dem Intervall von 160 bis
120° ausgeführt. Aus diesen Beobachtungen wird dann a0
und a100 nach der Gleichung (1) abgeleitet, nachdem ß für
jeden einzelnen Versuch besonders bestimmt ist.
Hr. Graetz hat erkannt, dass ß sich nicht sehr genau
aus den Beobachtungen berechnen lässt, es ist ihm aber ent-
1) In besonderein Druck erschienen. Juli 1881.
2) Graetz, Ueber die Wärincleitungsföhigkeit der Gase; Habilita-
tionsschrift. München 1881. Dieser Band. p. 232.
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A. Winkelmann.
535
gangen, dass infolge dieser Unsicherheit auch a ungenau
werden muss. Eine Unsicherheit von drei Proc. in der Be-
stimmung von a lässt aber die Bestimmung des Temperatur-
coefficienten mit irgend genügender Genauigkeit gar nicht zu.
Es ist nämlich: ^ = ^_%oo
«n — a.
(2)
Nach dieser Gleichung findet Hr. Graetz beim App. I:
^° = 1,174 oder y = 0,00174.
Nimmt man statt 0,006 393 für al00 den Werth 0,006 601,
so findet man: * = ^ = ß>
Dass dieser Werth 0,006601, welcher etwa um
drei Proc. grösser ist als der Graetz'sche, die Be-
obachtungen des Hrn.Graetz ebenso gut wiedergibt,
wie sein eigener Werth, lässt sich leicht zeigen.
Hr. Graetz hat zwei Reihen1) mitgetheilt, in denen
die Beobachtungszeiten vollständig bis auf die erste überein-
stimmen; in der ersten Reihe steht die Zeit 11, während in
der zweiten Reihe die Zeit 12 steht. Man kann daher beide
Reihen zusammenfassen und die erste Zeitbeobachtung gleich
11,5 setzen. Man erhält dann:
&
t
beob.
ber. v.
Gr.
Diff.
ber. v.
W.
Diff.
163,6
0
=====
158,7
11,5
11,3
+ 0,2
11,4
-0,1
153,8
24
23,7
+ 0,3
23,8
+ 0,2
148,8
38
37,6
+ 0,4
37,8
-0,2
143,9
53
52,9
+ 0,1
53,1
-o,i
138,9
71
70,5
+ 0,5
70,6
+ 0,4
134,0
90
90,2
-0,2
90,2
-0,2
129,0
114
113,7
+ 0,3
113,5
+ 0,5
124,0
141
142,0
-1,0
141,4
-0,4
Den berechneten Werthen liegen die Constanten:
von Graetz von Winkelmann2)
zu Grunde.
«lou = °>°°6 393
ß = 0,001 8
0,006 601
0,001 1
1) U p. 246.
2) Früher hatte ich für ^0,0010 gesetzt; mit dem obigenVVerthe 0,0011 wird
die Ueberein Stimmung zwischen Beobachtung und Rechnung noch grösser.
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536
A. Winkelmann.
Aus dieser Darlegung folgt, dass der Werth y
= 0,00265 ebenso gut mit den Beobachtungen des
App. I übereinstimmt, wie der Werth 0,00174, den
Hr. Graetz angibt.
Nun bestimmt sich aber y nach der Gleichung (2) aus
vier Werthen von ce ; schon eine Aenderung an einem
Werthe von a hat, wie oben gezeigt, zur Folge, dass y um
fast 50 Proc. zunimmt; diese Aenderung könnte man noch
wachsen lassen, wenn man versuchen wollte, auch für die
weiteren a andere Werthe, welche mit den Beobachtungen
stimmen, einzuführen. Ferner wäre es leicht, für y be-
deutend kleinere Werthe, als Hr. Graetz angibt, zu erhal-
ten, sodass man für y alle Werthe darstellen könnte,
die zwischen 0,0010 und 0,0030 liegen.
Hieraus geht hervor, dass, wenn man nach der
Methode des Hrn. Graetz die Versuche berechnet,
dieselben keine Beweiskraft besitzen.
Ich habe mich bisher auf die Besprechung der Versuche
mit dem App. I beschränkt. In Hinsicht des App. II ver-
hält sich die Sache aber ganz ebenso.
Ich will hier keine neue Rechnung ausfuhren, sondern
an den Rechnungsresultaten des Hrn. Graetz selbst zeigen,
wie gross die Unsicherheit in der Bestimmung der Abküh-
lungsgeschwindigkeit ist. In der höheren Temperatur finden
sich beim App. II folgende Beobachtungen bei den Ver-
suchen mit Kohlensäure1):
Versuch Nr. 1
Versuch Nr. 2
t
&
161,7
0
0
156,6
11,5
12
151,5
25
26
146.4
39,5
40,5
141,3
55,5
58
136,3
74
76
131,2
97
99
126,2
122
124
121,2
154
157
Druck der Luft
70 mm
10 mm
er
0,005 595
0,005 891 5
_ ß
0,005 25
0,003 34
1) L c. p. 251.
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A. M'inkelmann.
537
Die vorstehenden Versuchsreihen werden in Verbindung
mit einer dritten dazu verwerthet, die Wärmeleitung der
Kohlensäure bei 100° zu bestimmen. Die. erste Versuchs-
reihe bezieht sich auf die Temperatur 99,2°, die zweite auf
99,35° des Bades, wie eine kurze Rechnung ergibt. Diese
Temperaturdifferenz von 0,15° hat auf die Abkühlungsge-
schwindigkeit einen Einfluss von etwa 0,5 Proc. Vergleicht
man die entsprechenden Zeitbeobachtungen der beiden Ver-
suche, so liefert der erste Versuch ausnahmslos die kleineren
Werthe, und zwar um etwa 2,5 Proc. Hieraus folgt, dass
der erste Versuch die grössere Abkühlungsgeschwindigkeit
ergeben muss, wenn die Berechnung richtig ausgeführt
wird, und zwar um etwa zwei Proc. Statt dessen findet Hr.
Graetz nach seiner Berechnung die Abkühlungsgeschwindig-
keit a beim ersten Versuche um mehr als fünf Proc. kleiner
als beim zweiten Versuche. Die Unsicherheit in der
Bestimmung der Abkühlungsgeschwindigkeit be-
trägt daher nach der Berechnung des Hrn. Graetz
selbst sieben Procent.
Wie kommt es, dass die Berechnung des Hrn. Graetz
nothwendig eine so grosse Unbestimmtheit für den Werth
von y herbeiführt, sodass eine sichere Bestimmung gar nicht
ausführbar ist. Der Grund liegt darin, dass die massgebende
Grösse a0 oder ar100, welche von Hrn. Graetz berechnet
wird, gar nicht in dem Rahmen der Beobachtungen liegt.
Wenn man die Abkühlungsgeschwindigkeit im schmelzenden
Eise für das Intervall t0 und ^ beobachtet, so bezieht sich
dieselbe auf die Temperatur (*0H-^)/4, wie ich früher1)
unter der Voraussetzung nachgewiesen habe, dass die Abküh-
lungsgeschwindigkeit der Temperatur proportional wächst.
Die erste Beobachtung des Hrn. Graetz in dem Intervall
von 60 bis 55° bezieht sich daher auf (60 + 55)/4 = 29°;
die letzte Beobachtung in dem Intervall von 60 bis 20° auf
(60 + 20)/ 4 = 20°. Der Temperaturcoefficient ß ist also aus
einem kleinen Intervall abzuleiten und daner unsicher. Diese
Unsicherheit überträgt sich auf a in um so stärkerem Maasse,
1) Winkelmann, Pogg. Ann. 157, p. 514. 1876.
538
A. Winkelmann.
je weiter die Temperatur, auf welche sich u bezieht, von dem
Beobachtungsintervall 20 bis 29° entfernt ist.
Ein richtiges Resultat erhält man, wenn man nach der
Formel: , \ ( t\
«•log« = -*-(*)
den Werth «.löge für jedes & berechnet und die so gewon-
nenen Werthe zu einem Mittelwerthe vereinigt. Die Werthe
u . log e nehmen mit wachsender Zeit ab, da die Abkühlungs-
geschwindigkeit mit abnehmender Temperatur selbst abnimmt.
Die Abhängigkeit der letzteren von der Temperatur ist für
die Strahlung allein eine andere, als bei den Versuchen, in
welcher Leitung und Strahlung zusammen auftreten. Trotz-
dem beziehen sich die Mittelwerthe der beiden Abkühlungs-
geschwindigkeiten auf die gleiche Temperatur, wenn beide
mal für dasselbe Temperaturintervall beobachtet ist, und wenn
ferner die Annahme gemacht wird, dass in beiden Fällen die
Abkühlungsgeschwindigkeit für das kleine Intervall der Tem-
peratur proportional wächst. Es folgt dies aus der Betrach-
tung, welche ich früher1) angestellt habe; dort ist auch die
Mitteltemperatur angegeben, auf welche sich der Mittelwerth
der Abkühlungsgeschwindigkeiten bezieht.
Ich stelle im Folgenden die Mittelwerthe zusammen,
welche sich aus den Versuchen des Hrn. Graetz ergeben,
wenn man die Werthe für die kleinste Zeit als zu ungenau
unberücksichtigt lässt.
Apparat I.
Mittelwerth
von
« log e
Temperatur,
auf welche sich
der Mittel werth
berieht
Tempera-
tur des
Bades2)
Druck der
Luft
in mm
Strahlung ....
„ ....
Leitung der Luft + J
Strahlung . . . .|
0,000 842 5
0,001 942
0,001 801
0,001 778
. 0,003 017
24,98
125,65
24,98
125,63
0
100,05
o
0
100,0
0
0
19
g
33 und 9
1) Winkelmann, Pogg. Ann. 157. p. 514. 1876.
2) Die Temperaturen des Bades sind beim siedenden Wasser von
Hrn. Graetz nicht angegeben; die oben mitgetheilten Werthe sind aus
den von Hrn. Graetz berechneten Zeiten abgeleitet.
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A. Winkelmann,
539
Apparat II.
Mittelwerth
von
a log e
Temperatur,
auf welche sich
der Mittel werth
bezieht
Tempera-
tur des
Bades
Druck der
Luft
in mm
Strahlung ....
0,000 958
24,03
! 0
0
n ....
0,002 209
124,39
99,80
0
0,002 067
24,03
o
35
Leitung der Luft +
Strahlung . . .
0,002 084
0,003 371
0,003 323
»
124,27
124,24
o
99,55
99,5
5
100
35
0,003 284
i
124,24
99,5
5
Mit Hülfe dieser Werthe erhält man für den Coeflicien-
ten der Wärmeleitung der Luft:
r aus Apparat I 0,00159 J
„ „ „ II 0,00017 i '
Die beiden Werthe der Temperaturcoefficienten, wie sie
die richtige Berechnung der Versuche ergibt1), stehen bei
beiden Apparaten im Verhältniss von 9 zu 1; der Mittel-
werth beider ist 0,00088, während die Theorie von Clausius
den Werth 0,00183 fordert. Hr. Graetz hatte infolge
mangelhafter Berechnung gefunden für App. I 0,00174 und
für App. II 0,00200.
Der absolute Werth für die Wärmeleitungsfähigkeit der
Luft wird gegenüber dem von Hrn. Graetz gefundenen
ebenfalls modificirt:
Apparat I liefert 0,000 046 44 bei 24,98°
4445 „ 0°
Apparat II liefert 5025 24,03°
4817 „ 0°
Die Reduction auf 0° ist unter der Voraussetzung vor-
genommen, dass der Temperaturcoefficient der Wärmeleitung
gleich 0,0018 sei.
Hr. Graetz hatte gefunden beim Apparat I 0,000 048 44
„ » II 48 31
1) Rechnet man nach der Methode, welche ich (Wied. Ann. 11.
p. 480. 1880) angegeben habe, bei welcher die etwaigen Fehler in den
Beobachtungen der kleinen Zeiten einen geringen Einfluss haben, so erhält
man fast dasselbe Resultat wie oben. Für die spätere Schlussfolgerung
ist die kleine Aenderung ohne Bedeutung.
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540
A. Winkelmann*
Das Resultat der Berechnung ist folgendes: Die Tem-
peraturcoefficienten, welche die beiden Apparate
für die Wärmeleitung der Luft liefern, gehen so
weit auseinander, dass weder dem Mittelwerthe
noch einem einzelnen Werthe eine entscheidende
Bedeutung beizulegen ist.
Auf die Bemerkungen des Hrn. Graetz, welche den
Grund der Differenzen zwischen unseren Beobachtungen an-
geben sollen, will ich hier nicht eingehen. Nur darf ich
einen Punkt nicht unberührt lassen. H. Graetz sagt1):
„Die Winkelmann'schen Beobachtungen geben nicht die
richtigen absoluten Werthe von k für 0° (resp. 7,5°). Be-
rechnet man diese Werthe nach der Formel:
wo alle auf der rechten Seite stehenden Grössen von Win-
kelmann angegeben sind, so erhält man:
während Winkelmann selbst früher gefunden hatte:
und der richtige Werth ist k7f5 = 0,000 049, also eine Diffe-
renz von 18%- Sind aber die absoluten Werthe von k nicht
richtig, so hat man gar keine Schätzung über die Genauig-
keit der Temperaturcoefficienten."
Hier waltet ein merkwürdiges Missverständniss von Seiten
des Hrn. Graetz ob. Dieselbe Formel, welche Hr. Graetz
anwendet, um k?t5 zu berechnen, habe ich2) benutzt, um r2 (ich
nannte diese Grösse damals 22) zu ermitteln. Es ist näm-
lich r2 nicht direct gemessen, sondern es ist in die obige
Formel der richtige Werth = 0,000 052 5 eingesetzt und
dann r2 berechnet. Hätte Hr. Graetz zusammengehörige
Werthe für r2 und C in die Formel eingesetzt, so hätte er
selbstverständlich genau den Werth 0,000 052 5 wieder finden
müssen. Es ist dies aber von Hrn. Graetz nicht geschehen.
1) 1. c. p. 256.
2) A. Winkelmann, Pogg. Ann. 157. p. 541. 1876.
Ä7'6~ Anrxrt
0,000 052 5
L. Graetz. 541
Als ich die Berechnung von r2 ausführte, war mir der Was-
serwerth C nur annähernd bekannt, da auf das Gewicht des
Glases keine Rücksicht genommen werden konnte; mit diesem
Näherun gs werth wurde dann r3 von mir unter Zuhülfenahme
von Ä7>5 = 0,000 052 5 berechnet. Später habe ich zum Zweck
einer weiteren Untersuchung l) die Apparate zertrümmert und
die Wasserwerthe genau bestimmt. Diesen neuen Wasser-
werthen entsprechend hätten dann auch die Werthe für die
Radien geändert werden müssen. Hr. Graetz hat nun mit
den neuen Wasserwerthen und mit den nicht dazu gehö-
rigen alten Werthen der Radien die Rechnung für hfi aus-
geführt. Dass er dabei nicht den Werth 0,000 052 5 für die
Wärmeleitung der Luft wiederfand, ist selbstverständlich und
beweist nichts gegen meine Versuche.
Obwohl durch die Versuche des Hrn. Graetz meine
früher gefundenen Resultate nicht widerlegt sind, halte ich
den Werth 0,00275 als den Temperaturcoefficienten der Wär-
meleitüng der Luft nicht mehr für sicher. Seit längerer
Zeit mit neuen Versuchen über die Wärmeleitung beschäf-
tigt, haben die neuerdings gewonnenen Resultate mich an
dem früher aufgestellten Werthe zweifeln lassen. Indessen
ist es mir bisher noch nicht gelungen, ein sicher entschei-
dendes Resultat zu erzielen, und habe ich mehr und mehr
die Ansicht gewonnen, dass sich dieses erst wird erreichen
lassen, wenn das Quecksilber und auch theilweise das Glas
bei den Versuchen vermieden werden kann.
Hohenheim, Juli 1881.
XI. lieber die Wärmeleitung sfühigkeit der Gase.
Erwiderung auf die Bemerkungen des Hrn.
Winkelmann: von L. Graetz.
Hr. Winkelmann hat gegen meine Arbeit: lieber die
Wärmeleitungsfähigkeit der Gase einige Einwände erhoben,
die meine Behauptungen nicht widerlegen. — Er macht
zuerst auf die Unsicherheit in der Bestimmung des Correc-
1) A. Winkelmann, Wied. Ann. 1. p. 63. 1877.
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542 L. Graetz,
*
tionsfactors ß aufmerksam, die ich selbst auch betont hatte,
und glaubt durch eine andere Annahme für ß in einer Beob-
achtungsreihe, statt des Werthes 0,00174, den ich für den
Teraperaturcoefficienten der Wärmeleitung y bestimmt hatte,
den Werth 0,00265 aus meinen Beobachtungen berechnen zu
können. Auf Grund dieses Beispiels behauptet er, dass nach
meiner Berechnungsweise sich für y alle Werthe zwischen
0,0010 und 0,0030 darstellen lassen. Hierbei hat aber Hr.
Winkelmann übersehen, dass die ß und y in einer noth-
wendigen Beziehung zu einander stehen müssen, durch welche
sein Beispiel und sein Schluss unrichtig werden. Es ist 2ß
ein Maass für die Zunahme der Abkühlungsgeschwindigkeit
mit der Temperatur. Da nun in den Versuchen die Ab-
kühlung sowohl durch Wärmeleitung als durch Strahlung
vor sich geht, so muss 2ß jedenfalls > y sein, und da die
Strahlung viel rascher mit der Temperatur wächst, als die
Leitung, so ist eine nothwendige Bedingung für die ß, dass
2ß erheblich >y ist Dies ist Hrn. Winkelmann ent-
gangen. Deshalb ist das Beispiel, welches er anführt, ohne
Belang, denn in diesem ist 2ß<y, und seine oben angeführte
Behauptung muss dahin modificirt werden, dass für y sich
die Werthe zwischen 0,0010 und 0,0018 darstellen lassen.
Dies stimmt aber mit dem überein, was ich selbst wiederholt
in der Arbeit ausgesprochen habe (z. B. p. 25), dass der von mir
bestimmte Werth von y (0,0018) der grösste ist, der sich aus
den Beobachtungen entnehmen lässt. Um bei der in diesen
Grenzen immerhin vorhandenen Unsicherheit von ß wenig-
stens keine Willkürlichkeit in die Rechnung hineinzutragen,
habe ich die ß nicht durch Probiren bestimmt, sondern habe
nach der auf p. 11 angeführten Formel einige ß berechnet
und das Mittel genommen. Aus diesem Grunde habe ich
auch zuweilen etwas grössere Differenzen stehen lassen, wie
die, welche Hr. Winkelmann auf p. 537 urgirt, und die
mir natürlich auch auffiel. Da zur Berechnung von a doch
immer mehrere Beobachtungsreihen dienten, so machen solche
Differenzen im Gesammtresultat nicht viel aus.
Hr. Winkelmann berechnet dann meine Beobachtun-
gen nach der von ihm angegebenen Formel und rindet
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H. Hellmann.
543
ebenfalls Werthe für y, die kleiner sind als 0,0018, die aber
bei beiden Apparaten ausserordentlich weit auseinander gehen.
Diese grosse Differenz verliert aber viel von ihrer Bedeu-
tung, wenn man bedenkt, dass sie durch einen Fehler von
3 — 4°/0 in einer der vier zur Berechnung dienenden Zahlen
verschwindet. Es kann die Differenz in der Winkelmann'schen
Berechnungsweise liegen, deren Genauigkeit sich nicht leicht be-
stimmen lässt. Es scheinen jedoch in der That die Beobach-
tungen am App. II abweichende Resultate zu geben. Dies kann
nur daher rühren, dass bei diesem Apparat die Beobachtungen
gleich nach dem Auspumpen angestellt wurden, wobei die Luft
möglicherweise noch in Bewegung war. Dadurch werden die
isothermen Flächen verzerrt und die Wärmeleitung erscheint
zu gross, der Temperaturcoefficient zu klein. Bei dem App. I
war diese mögliche Fehlerquelle vermieden, sodass aus diesen
Beobachtungen mit Sicherheit folgt, dass y höchstens =0,0018
ist, was durch die inzwischen veröffentlichten vorläufigen Ver-
suche von Christiansen l) bestätigt wird.
Das Missverständniss seiner Angabe, das mir Hr. Win-
kelmann zum Schluss nachweist, habe ich leider begangen.
Allerdings hat Hr. Winkelmann r2 zuerst nicht direct be-
stimmt, weil er seine Apparate nicht zerschneiden -wollte,
sondern indirect berechnet. Da er jedoch später die Ap-
parate doch zerschnitten hatte, wodurch eine Messung von r2
ohne Mühe ausführbar war, so glaubte ich annehmen zu
müssen, dass er die r2 im wesentlichen so gefunden hatte, wie
er sie angegeben. Ich konnte mir nicht denken, dass Hr.
Winkel mann diese Gelegenheit, seine Bestimmungen auf
so einfache Weise zu controliren, sich hätte entgehen lassen.
München, Sept. 1881.
XII. lieber electrische Entladungen;
von Heinrich Hellmann in Riga,
Hr. Dr. Eugen Goldstein2) stellt den Satz auf: „Wie
das Kathodenlicht breitet auch das positive Licht mit wach-
1) Christiansen, Wied. Ann. 14. p. 29. 1881.
2) E. Gold st ein, Berl. Monatsber. p. 113. 1881.
»gle
544
B. Hellmann.
sender Gasverdünnung sich in gerader Richtung so weit aus,
als die Raum Verhältnisse des Entladungsgefässes es gestatten;
es erfüllt jeden Raum, der in der Richtung seiner Strahlen,
ohne eine feste Wand schneiden zu müssen, erreicht werden
kann, auch wenn der Weg zu diesem Räume und bis zu
seiner Begrenzung abweicht von dem kürzesten Wege nach
der Anode." — In der betreffenden Abhandlung ist aber
scheinbar nur von Räumen die Rede, die auf der Strecke
zwischen Anode und Kathode liegen, sodass ein Experiment,
welches darthut, dass die Anodenstrahlen sich auch (wie die
Kathodenstrahlen) in der der Verbindungslinie von Anode
und Kathode entgegengesetzten Richtung fortpflanzen, viel-
leicht einiges Interesse bieten dürfe.
Das Entladungsgefäss war ein kurzer Glascylinder von
6 cm Länge und 3 cm Breite, mit beiderseits abgerundeten
Kuppe stand die Kathode b. Alle Electroden waren aus
Platindraht. Die Füllung war Luft, Das hellbläuliche Ano-
denlicht pflanzte sich von a aus nach der Seite der
Luftpumpe hin fort und war selbst bei heller Lampen be-
leuchtung bis in das Trockengefäss hinein (auf einem Wege
von 50 cm von a aus gerechnet) zu verfolgen. Es endete
erst dort, wo das Rohr nahe dem Boden des weiten Trocken-
gefässes mündete. An der Biegungsstelle war Phosphorescenz-
licht, auch bei verdunkeltem Zimmer, nicht wahrzunehmen,
während die Wände um die Kathode hellgrün phosphores-
cirten. Wurde der Strom umgeschaltet (sodass a Kathode
wurde), so verschwand die Lichterscheinung zwischen a und
der Pumpe, und das Rohr um a herum zeigte helles Phos-
phorescenzlicht.
Kuppen, deren eine in
ein Glasrohr von 1 cm
Durchmesser auslief, in
welchem die Anode a sich
befand, und welches in
die mit einmaliger Bie-
gung zum Trockengefäss e
führende Röhre der Luft-
pumpe eingekittet war.
In der entgegengesetzten
Drack von Metzger & Wittig in Leipzig.
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>0Q 300
>. Koch i
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1
I
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1881. ANNALEN .^JJ.
DER PHYSIK UND CHEMIE.
NEUE FOLGE. BAND XIV.
L Veber die Interferenzerscheinungen
dünner Blättchen mit besonderer Mücksicht auf
die Tfteorie der Newton9 sehen Mi/nge;
von TV. Feussner.
Es bestehen bemerkenswerthe Verschiedenheiten bei den
nicht von einer Beugung des Lichtes abhängigen Interferenz-
erscheinungen, je nachdem die zusammenwirkenden Strahlen-
bündel von vornherein getrennt in verschiedener Richtung
von der Lichtquelle ausgehen oder durch Zerlegung eines
und desselben Bündels gewonnen werden. Der erstere Fall
tritt z. B. ein bei den Erscheinungen, welche die FresneF-
schen Spiegel, das Doppelprisma, die Billet'schen Halblinsen
und ähnliche Apparate liefern, der zweite bei den Inter-
ferenzen dünner Blättchen (mit dem speciellen Falle der
Newton'schen Ringe), den Brewster'schen Interferenzerschei-
nungen, welche Jamin zur Construction seines Interferen-
tialrefractors benutzte, und anderen, wie sie z. B. Jamin
und Mascart1) besprochen haben. Die letztere Classe, die
ich des angegebenen charakteristischen Umstandes wegen
unter dem Namen „Interferenzen getheilten Lichts", oder
kürzer „Theilungsinterferenzen" zusammenfassen will, hat für
die meisten Arten der experimentellen Benutzung wesent-
liche Vorzüge vor der ersten. Während nämlich bei dieser
eine punktförmige oder geradlinige Lichtquelle erforderlich
ist, werden die Interferenzen des getheilten Lichtes von be-
liebig ausgedehnten Lichtquellen erzeugt, die Streifen der
niedrigsten Ordnungen erscheinen schon im zerstreuten Tages-
licht, es sind hier die anwendbaren Ganguuterschiede weit
1) Mascart, Ann. de chim. et de phys. (4) 23. p. 116—156. 1871.
Ana. d. PLyt. u. Cbem. N. F. XIV. 35
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546
W. Feussner.
grösser als bei allen anderen Interferenzerscheinungen, und
während man bei der erstgenannten Classe die Versuchsan-
ordnung mit Sorgfalt treffen muss, um von der Beugung
ungestörte Resultate zu erhalten1), gesellen sich den Thei-
lungsinterferenzen viel seltener merkliche Beugungserschei-
nungen zu, und die möglicherweise gleichzeitig auftretenden
sind so durchaus verschiedener Art, dass eine Vermischung
und Verwechselung von vornherein ausgeschlossen ist. Ver-
möge dieser Umstände haben die Theilungsinterferenzen
bereits mehrfach als Grundlage feiner Messungsmethoden ge-
dient — ich erinnere beispielsweise nur an die Fizeau'schen
Bestimmungen der Ausdehnungscoefficienten verschiedener
Körper und an die Messung der Farbenzerstreuung der Gase
durch Ketteier — und versprechen noch mehr für die Zu-
kunft, theils in ähnlicher Art, theils in directerer Anwendung
auf die Natur des Lichtes selbst. Wenn sie aber ihre volle
Fruchtbarkeit entfalten und nicht etwa gar irreführen sollen,
so ist noch eine genauere Durcharbeitung ihrer Theorie er-
forderlich, als bis jetzt vorliegt. Es geht das aus Beobach-
tungen hervor, welche ich vor einigen Jahren machte, und
1) In neuerer Zeit hat Hr. H. F. Weber (Wied. Ann. 8. p. 407—444.
1879) sogar behauptet, dass diese Erscheinungen reine Beugungserschei-
nungen seien, und Fresnel, welcher sie als Erzeugniss regelmässig
reflectirten resp. gebrochenen Lichtes betrachtet und zu einer wesent-
lichen Grundlage der Lichttheorie gemacht hat, eine unrichtige Erklärung
dafür gegeben habe, deren Nichtübereinstimmung mit den Beobachtungen
von ihm und allen Späteren übersehen worden sei. Diese Behauptungen
gehen zu weit, denn wenn die Experimente mit gehöriger Vorsicht an-
gestellt werden, so ist innerhalb bestimmter räumlicher Grenzen die
Fresnerschc Betrachtungsweise durchaus begründet, und Fresnel hat
diese Grenzen und den ausserhalb derselben sich bemerklich machenden
Einfluss der Beugung sehr wohl gekannt, wie verschiedene Stellen seiner
Abhandlungen beweisen und bei ihm eigentlich auch selbstverständlich
ist. Auch gegen die späteren Physiker ist der Vorwurf in seiner Allge-
meinheit nicht begründet; die nöthigen Vorsichtsmaßregeln sind nicht
in Vergessenheit gerathen (vgl. z. B. Verdet, Oeuvres 5. p. 78. 79. 1869).
Freilich aber trifft er mit Recht die Art und Weise, in der gewöhnlich
der Spiegelvcrsuch dargestellt und ausgeführt wird, und die elegante
Analyse, die Hr. Weber von den hierher gehörigen Erscheinungen gibt,
ebnet eine bisher fühlbare Lücke der Theorie.
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W. Feussner.
547
welche zeigten, dass in nur wenigen, ganz speciellen Fällen die
Vorstellungen, welche man sich von diesen Erscheinungen
gebildet und aus der Theorie abgeleitet hatte, mit der Er-
fahrung übereinstimmen, dass sie aber unter Umständen in
der denkbar stärksten Weise davon abweichen. Der Grund
dafür liegt hauptsächlich darin, dass man sich bisher mit
einer angenäherten Rechnung begnügte, in welcher bei der Be-
stimmung des Wegunterschiedes der interferirenden Licht-
strahlen Glieder vernachlässigt wurden, welche im Verhält-
niss zur Wellenlänge des Lichts im Allgemeinen noch sehr
beträchtliche Werthe besitzen. Diese Bemerkung veranlasste
mich, im vorigen Jahre in einer Abhandlung „über die Theorie
der Interferenzerscheinungen dünner Blättchen"1), für den
einfachsten und zugleich wichtigsten hierher gehörigen Fall,
nämlich für ein keilförmiges Blättchen, die Grundlagen einer
strengeren Theorie zu geben, indem ich von den bisher ver-
nachlässigten Gliedern diejenigen der niedrigsten Ordnung
mit in Rechnung zog und aus der so für die WegdifFerenz
der interferirenden Strahlen erhaltenen Formel die haupt-
sächlichsten Folgerungen über den Ort, die Gestalt, Rich-
tung und Breite der Streifen ableitete. Für viele Fälle
reicht diese Näherung zur Beantwortung der wesentlichsten
Fragen aus, wenn jedoch die Blättchen eine beträchtliche
Dicke haben, muss die Rechnung noch genauer geführt wer-
den, was für Fragen nach der Intensität der Streifen und
einige andere auch schon bei geringerer Dicke der Fall ist;
ich habe deshalb später auch noch kleine Grössen höherer
Ordnung mit herangezogen. — Diese Annalen brachten dann
in dem Januar- und Februarheft dieses Jahres eine ausge-
dehnte Arbeit der Herren L. Sohncke und A. Wanger in
„Neue Untersuchungen über die Newton'schen Ringe" be-
titelt, deren erster experimenteller Theil von Hrn. Sohncke,
und deren zweiter theoretischer von Hrn. Wanger in herrührt.
In einer im März veröffentlichten Abhandlung2) habe ich nach-
1) Feussner, Ber. der Ges. zur Bef. d. ges. Naturwiss. zu Marburg,
p. 1—22. 1880.
2) Feussner, Ber. d. Ges. zur Bef. d. ges. Naturwiss. zu Marburg,
p. 1—24. 1881.
35*
548
W, Feussner.
gewiesen, dass die Resultate der Versuche des Hrn. Sohncke,
so weit sie mit der Theorie verglichen werden können, mit
den in meiner ersten Abhandlung aufgestellten Formeln
sehr gut übereinstimmen1), dass dagegen die Theorie des
Hrn. W angerin ebenso wie eine andere, früher von dem-
selben aufgestellte2), auf ganz willkürlichen, falschen Annah-
men beruht und daher selbst unrichtig ist.
Im Folgenden will ich nun den wesentlichen Inhalt
meiner beiden Abhandlungen in Kürze wiedergeben, ohne
gegenwärtig Neues (abgesehen von einigen, dem besseren
Verständniss dienlichen Bemerkungen) hinzuzufügen.
Wir können das zu lösende Problem etwa folgender-
massen aussprechen: Auf ein Blättchen, welches von zwei
unter einem sehr kleinen Winkel gegeneinander geneigten
Ebenen begrenzt werde, fallen Lichtstrahlen von einer in
beliebiger Entfernung befindlichen einfarbigen Lichtquelle;
nachdem diese Strahlen, theils ohne einzudringen, theils nach
ein- und mehrmaligem Durchlaufen des Blättchens reflectirt
sind, gehen sie durch eine Linse und werden endlich in be-
liebiger Entfernung hinter dieser von einem Schirme aufge-
fangen. Es fragt sich, was ist das Resultat des Zusammen-
wirkens der Strahlen auf dem Schirm, wie sind namentlich
die in Betracht kommenden Entfernungen zu wählen, damit
die entstehende Interferenzerscheinung möglichst deutlich
werde, welche Gestalt, Richtung und gegenseitige Entfernung
haben die Streifen in derselben?
Wir wollen ein rechtwinkliges Coordinatensystem ein-
führen, dessen X-Axe in der Axe der Linse, und dessen Ur-
sprung und Z-Axe in der Vorderfläche des dünnen Blätt-
chens gelegen sei; die XY-J&bene ist dann die Neigungsebene
der Linsenaxe gegen das Blättchen. Die Entfernung der
Vorderfläche der Linse vom Coordinatenursprung sei b, ihr
Halbmesser rv die Dicke der Linse d, der Halbmesser ihrer
Hinterfläche r2 und die Entfernung des Schirmes von der-
selben c. Das Brechungsverhältniss des Blättchens gegen
1) Ueber einen Punkt (die „Quergerade") siehe indessen weiter unten.
2) Wangerin, Pogg. Ann. 131. p. 497—523. 1867.
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W. Feussner.
549
Luft sei n, das der Linse Hj. Die Normale auf die Vorder-
fläche des Blättchens mache mit der X-Axe einen Winkel #,
die Richtungscosinus der Normalen auf die Hinterfläche mit
den drei Axen seien ABC, und eine Senkrechte vom Coor-
dinatenursprung auf die Hinterfläche habe die Länge D.
Die Lichtquelle werde als eine leuchtende Ebene gedacht, in
der Entfernung a vom Ursprung und senkrecht auf einem
Strahl, der nach der Reflexion an der Vorderfläche des
Blättchens mit der X-Axe zusammenfalle würde. — Wir
wollen die Coordinaten der Punkte der verschiedenen Flä-
chen durch Anwendung verschiedener Buchstaben unter-
scheiden, und zwar seien j \) j die Coordinaten eines Punktes
der Lichtquelle, x y z der Vorderfläche des Blättchens, x y z
der Hinterfläche desselben, §, ?j\ f, der Vorderfläche der
Linse, |2 ?;2 f2 der Hinterfläche derselben, endlich £ // £ des
Schirmes, auf welchem die Interferenzerscheinung zu Stande
kommt, und den wir daher auch als Bildfläche bezeichnen
können. Den gemachten Annahmen zufolge ist:
£• cob2« + 1) sin 2 a - a = o die Gleichung der Lichtquelle,
x cos a + y sin a — o „ „ „ Vorderfläche des
Blättchens,
An + By + Cz + D = o „ „ „ Hinterfläche des
/ 1 \ Blättchens,
(t, - b - rx)- 4- vi2 + ;\2 = rt* „ „ „ Vorderfläche der
Linse,
fa-b-d + >'*)2-f- /;.22 + :22 - r,2 » w v Hinterfläche der
Linse,
* $ - b + <f + c „ „ Bildfläehe.
Es werden nun Z) und d als kleine Grössen im Verhält-
niss zu abcrl und r2 behandelt und nur solche Strahlen in
Betracht gezogen, welche in der Nähe der X-Axe durch die
Linse gehen und gleichfalls in der Nähe dieser Axe den
Schirm treffen, sodass ?/x £ ri2 c2 n und £ ebenfalls kleine
Grössen sind; man kann sich die Linse zu dem Ende mit
einem Diaphragma versehen denken, dessen Oeffnung, um
der Vorstellung einen Anhalt zu geben, etwa in einem Durch-
messer von 1 —2 cm gedacht werden mag. Es sollen dann
alle die Glieder vernachlässigt werden, welche in Beziehung
)gle
550
W. Feussner.
auf die erwähnten kleinen Grössen von der dritten oder
höherer Ordnung sind.
In meiner oben citirten ersten Abhandlung habe ich
weiter einen beliebigen Lichtstrahl in seinem Verlaufe von
der Lichtquelle zum Schirm verfolgt und ein jedes der
geradlinigen Stücke, aus welchen er vermöge der verschiede-
nen Brechungen und Reflexionen zusammengesetzt ist, seiner
Lage und Grösse nach bestimmt. Ich habe dabei die Coor-
dinaten ?; £ und ri2 £2 der Punkte, in welchen der Strahl
den Schirm und die Hinterfläche der Linse trifft, beliebig
angenommen und die übrigen in Betracht kommenden Grössen
als Functionen dieser und der Constanten {ab cd rx r2 AB CD
nnx a) dargestellt, dabei jedoch statt der Richtungscosinus
ABC der Normale auf die Hinterfläche des Blättchens zwei
andere Winkel in folgender Weise eingeführt. Es sei & der
Neigungswinkel der beiden Flächen des Blättchens gegen-
einander; derselbe ist sehr klein, was ebenso zu berücksich-
tigen ist wie die Kleinheit der oben bezeichneten Grössen;
ferner sei y der Winkel, welchen die Ebene des Winkels
& mit der XY- Ebene (der Ebene des Neigungswinkels der
Linsenaxe gegen die Vorderfläche des Blättchens) bildet, und
zwar möge derselbe positiv gerechnet werden im Sinne einer
Drehung um die Normale der Vorderfläche des Blättchens,
welche gleichgerichtet ist einer Drehung um die positive
Z-Axe, wodurch die positive X- Axe auf dem kürzesten Wege
in die Lage der positiven Y-Axe übergeführt wird; dann be-
stehen zwischen ABC und den neu eingeführten Winkeln
die Gleichungen:
In Betreff der Einzelheiten der Rechnung verweise ich
auf meine frühere Abhandlung und führe von den Resultaten
hier zunächst diejenigen an, welche sich auf den Verlauf der
Lichtstrahlen beziehen. Es sind das die Formeln, welche
die Coordinaten j t) $ des Ausgangspunktes (von der Licht-
quelle) eines auf die angegebene Weise durch seine Durch-
A = cosa — sin a cos <p& — \ cos a
B = sin a + cos a cos <p & — J sin a &2
C = sin q>&
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IV, Feussner.
551
(3)
schnittspunkte mit dem Schirm und der Hinterfläche der
Linse bestimmten Strahls angeben, nämlich:
£ = a cos 2« + sin 2a (Frt2 + Gtj — hH)
tj = a sin 2a — cos2a(Frh + Gr\ — hH)
worin zur Abkürzung gesetzt ist:
F- («+«)/- 1, /= („,_!) (l + ±)_-L,
q a + b H — 8*n 2g J) A. —wa CQS y A
(3.)
10 COS «
J —2w sinqp . « . to = j/n2 — sin 3 a
In diesen Formeln sind nur die kleinen Grössen erster
Ordnung aufgenommen, da wir für unseren Zweck die höhe-
ren nicht bedürfen. Etwas bequemer werden sie noch, wenn
wir das Coordinatensystem um den Winkel 2 a umdieZ-Axe
drehen, sodass die X-Axe senkrecht zur Ebene der Licht-
quelle und die FZ-Ebene ihr parallel wird. Bezeichnen wir
die Coordinaten der Punkte der Lichtquelle durch g, t)l
so folgt aus (3):
(4) h = <h ^=-F%-Gv + hH, h = -F£2-GC + hJ.
Das gesammte, in einem bestimmten Punkt rj £ des
Schirmes sich vereinigende Strahlenbündel wird von den
Strahlen begrenzt, welche den Rand des Diaphragmas berührt
haben, für welche also die Gleichung gilt;
V22 + £22 = r*,
wenn durch r der Radius des Diaphragmas bezeichnet wird.
Der hierdurch bestimmte Kegel rückwärts durch die ver-
schiedenen Brechungen und Reflexionen bis zur Lichtquelle
verfolgt, umgrenzt auf dieser die Punkte, welche überhaupt
Strahlen nach dem gedachten Punkte des Schirmes senden;
die Gleichung der Grenzlinie für Amal durch das Blättchen
gegangene Strahlen ergibt sich durch Einsetzung der Werthe
von ?;a £2 aus (4) in die letzte Gleichung zu:
(5) (ül + Gn - hH)* + (fe + GS - hJf = r*FK
Es ist das die Gleichung eines Kreises vom Radius rF
und den Mittelpunktscoordinaten hH— Gt] und hJ — G£.
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552
W, Feussner.
Lassen wir h alle für dasselbe möglichen Werthe 012... durch-
laufen, so repräsentirt (5) ein System von Kreisen gleichen
Halbmessers, von denen jeder einzelne diejenige Fläche der
Lichtquelle begrenzt, von welcher sovielmal durch das
Blättchen gegangene Strahlen zum Punkt des Schirmes
gelangen, als der ihm zukommende Zahlenwerth von h be-
trägt. Diese Kreise fallen im allgemeinen zum Theil über-
einander, und es ist klar, dass von einem jeden Punkte der
Lichtquelle gerade so viel Strahlen nach dem Punkte
des Schirmes gelangen, als Kreise des Systems (5) in ihm
übereinander fallen. Die Mittelpunkte des Systems liegen
auf einer geraden Linie, welche mit der Axe der ^ einen
Winkel macht, dessen Tangente gleich HjJ ist, und welche
durch den Punkt mit den Coordinaten — Gt] und — G£
hindurchgeht. Der Abstand zweier nächstbenachbarten Mittel-
punkte ist gleich VH2 + J2 , und daraus ergibt sich leicht
die grösste Anzahl der Kreise, welche übereinander fallen
können; sie ist gleich derjenigen ganzen Zahl, welche am
nächsten unter dem Quotienten des Durchmessers 2rF
durch die eben abgeleitete Wurzelgrösse liegt. Dies ist also
auch die grösste Anzahl der Strahlen, die von einem Punkte
der Lichtquelle zu dem Punkte des Schirmes gelangen
können. Diejenigen Punkte der Lichtquelle, welche eine und
dieselbe Anzahl von Strahlen zu dem gedachten Punkte sen-
den, werden jedesmal durch zwei Kreise des Systems (5) von
den anderen abgegrenzt.
Zur näheren Erläuterung ist die Fig. 1 Taf. V beigefügt
In derselben bedeutet ab cd ein Stück der Lichtquelle, welche
nach unseren oben gemachten Annahmen als unbegrenzte
Ebene gedacht wird, die auf OO senkrecht steht; efgh ist
das keilförmige Blättchen, und zwar ist angenommen, dass
die Kanten ef und gh der Schärfe des Keils parallel ge-
richtet und die letztere ihr am nächsten gelegen sei. ON
ist die Normale auf die Vorderfläche des Blättchens, dieselbe
liegt in der AT-Ebene und halbirt den Winkel zwischen OO'
und der X-Axe, sodass O'ON = NOX= u ist, iklm stellt
die Oeffnung des Diaphragmas der Linse dar, nopq den
Schirm, der die Interferenzerscheinung auffangen soll. In
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W. Feussner
553
der Figur ist nun versucht, den Gang der Lichtstrahlen zu
skizziren, welche sich in einem beliebigen Punkte P des
Schirmes vereinigen. "Wir wollen der grösseren Einfachheit
der Beschreibung wegen den Punkt P als leuchtenden Punkt
und die Strahlen von ihm ausgehend denken, in Wirklich-
keit durchlaufen die nach P gelangenden Strahlen dann die-
selben Wege, nur in entgegengesetzter Richtung. Von dem
Punkte P geht also ein Strahlenkegel aus, derselbe wird
durch die Linse nach Pf hin gebrochen, divergirt von da
aus wieder und trifft die Vorderfläche des dünnen Blättchens
in einer Ellipse (der ersten des in der Figur gezeichneten
Systems), wird hier zum Theil nach der Lichtquelle hin
reflectirt, welche er in dem ersten Kreise des gezeichneten
Systems trifft, zum Theil in das Blättchen gebrochen, an
der Hinterfläche desselben nach vorn zurückgeworfen, trifft
die Vorderfläche in der zweiten Ellipse, spaltet sich hier
wieder in zwei Theile, von denen der eine nach der Licht-
quelle hin austritt und auf dieser den zweiten Kreis des
Systems bildet, der andere nach der Hinterfläche des Blätt-
chens und dort wieder zur Vorderfläche reflectirt wird,
welche er in der dritten Ellipse trifft, und so fort. In der
Figur ist ein Theil des so auf dem Blättchen entstehenden
Ellipsen- und des auf der Lichtquelle entstehenden Kreis-
systems gezeichnet, die weitere Fortsetzung ergibt sich von
selbst; es sind ferner die Punkte, in denen die Axe des
Strahlenkegels die Vorderfläche des Blättchens und die Licht-
quelle trifft, angegeben, die ersteren durch px p2 . . .jo8, die letz-
teren, die die Mittelpunkte der betreffenden Kreise bilden, durch
01 ft • • • 9s bezeichnet. Die Punkte px. . . ps liegen auf einer
zur Durchschnittslinie des Blättchens und der XY- Ebene
parallelen Geraden, denn man findet leicht, dass die Unter-
schiede ihrer Z-Coordinaten kleine Grössen zweiter Ordnung,
daher hier zu vernachlässigen sind; dagegen sind diese Unter-
schiede bei den Punkten ql . . . g8 von der ersten Ordnung,
weshalb die sie verbindende Gerade gegen die X Y-Ebene
geneigt ist; die Tangente ihres Winkels mit der Z-Axe ist
oben gleich HjJ gefunden. Alle Punkte der Lichtquelle,
welche überhaupt Strahlen nach dem Punkte P des Schirmes
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554
W. Feussner.
senden, sind also in dem angegebenen Kreissysteme enthal-
ten, und, wie schon oben hervorgehoben, sendet ein jeder
Punkt gerade so viel Strahlen nach P, als Kreise des
Systems in ihm übereinander fallen. Wir wollen solche von
einem Punkte der Lichtquelle ausgehende und zu einem
Punkte des Schirmes gelangende Strahlen als zusammen-
gehörige bezeichnen. Nun können aber von allen den in
einem Punkte des Schirmes sich vereinigenden Strahlen nach
einem bekannten Satze der Interferenzlehre immer nur die
zusammengehörigen untereinander interferiren. Es handelt
sich daher wesentlich um die Bestimmung des Gangunter-
schiedes solcher Strahlen; dies ist ein Hauptpunkt, dessen
Bedeutung für die Auflösung unseres Problems früher nicht
genügend beachtet worden ist. Zur Auffindung der Lage
der durch einen Punkt £ (mit den Coordinaten tyx jx) der
Lichtquelle und einen Punkt P (mit den Coordinaten rj J)
des Schirmes bestimmten zusammengehörigen Strahlen sind
die Gleichungen (4) zu benutzen. Dieselben liefern die
Coordinaten r;2 f2 des Durchtritts der Strahlen durch die
Hinterfläche der Linse für die verschiedenen Werthe 0 1
2 . . . von A, wenn t)j gx rt f als bekannt vorausgesetzt wer-
den. So sind die in der Figur angegebenen Punkte tx ... ts
bestimmt. Man erkennt leicht, dass die Verbindungslinie
derselben mit der Z-Axe denselben Winkel bildet, wie die
Verbindungslinie der Mittelpunkte des Kreissystems (5). Be-
zeichnet man durch rj2 £2 die Coordinaten des h mal, durch
V2' £2' die des * ma,l durch das Blättchen gegangenen Strahls,
so ergibt (4):
(6) * — — £•—{■'■■ (* —
Gleichungen, welche die Coordinaten des Durchtritts eines
Strahls durch die eines anderen mit ihm zusammengehörigen
auszudrücken gestatten. Die Austrittspunkte aus dem dünnen
Blättchen ergeben sich leicht durch Verbindung von tx . . . ts
mit P', sie sind in der Zeichnung weggelassen, um diese
nicht zu sehr zu überladen; dagegen sind die Eintrittspunkte
(*!•.. ss) in das Bättchen angegeben, welche sich leicht
durch Gl. (27) meiner früheren Abhandlung oder auch durch
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W. Feussner,
555
(7)
eine einfache geometrische Betrachtung, auf die ich nicht
näher eingehen will, finden lassen.
Bezeichnen wir nun den Gangunterschied zweier zusam-
mengehöriger Strahlen durch J, so ergibt sich:
J = 2(h-k)wD
+ (h - k) [n2 nt + J2 f, + ä n + % £ + (ä - *) Jr] »
worin A und k die Zahlen sind, welche die Anzahl der Durch-
gänge durch das Blättchen für den ersten und den zweiten
Strahl angeben , rl2 £2 sich auf den ersten Strahl beziehen
und zur Abkürzung:
H = 8in2« D _ 2 w cos y ^ j _ _ w . ^
(7.)
ic cos a
sin 2 a
J2 = -2w8iny.(6/-l)*, K=-^{H2H+J2J)
gesetzt ist. — Wäre die Bestimmung von A bis auf Grössen,
welche gegen die Wellenlänge des Lichtes verschwinden, genau,
so könnten wir mittelst (7) die von der betreffenden Reihe
zusammengehöriger Strahlen in P erzeugte Lichtintensität
bestimmen und dann durch Summation der von sämmtlichen
Reihen herrührenden die Gesammtintensität in P finden.
Durch Variation von ?/£ in dem so erhaltenen Ausdruck
würde sich dann die Intensität für die verschiedenen Punkte
des Schirmes, d. h. die auf demselben entstehende Interferenz-
erscheinung ergeben. Allein die in (7) enthaltenen (in der
viereckigen Klammer zusammengefassten) Glieder der zweiten
Ordnung sind im Allgemeinen gross gegen, eine Wellenlänge,
häufig sehr vielmal grösser, sodass die der dritten Ordnung
nicht als verschwindend betrachtet werden dürfen. Wir
können daher den angedeuteten directen Weg hier nicht
betreten und müssen uns mit einem allerdings nicht ganz
so strengen Verfahren begnügen, das aber doch, wie mir
scheint, genügende Sicherheit für die Ableitung der haupt-
sächlichsten Gesetze der auftretenden Interferenzerscheinun-
gen bietet.
Fassen wir die Punkte der Lichtquelle ins Auge, welche
556
IV. Feussner.
auf einer von zwei nächstbenachbarten Kreisen des Systems
begrenzten Fläche liegen, so senden diese alle die gleiche
Anzahl Strahlen nach P, von denen die entsprechenden
gleich oft durch das Blättchen gegangen sind, die Verschieden-
heit in den von diesen Punkten erzeugten Intensitäten hängt
daher wesentlich von dem Werth des in (7) enthaltenen
Ausdruckes:
(8) Htrl2+J2^
ab. Setzen wir denselben gleich einer Constanten, so wird
dadurch eine gewisse Gerade in der Ebene des Diaphragmas
bestimmt, und nur diejenigen Punkte, deren entsprechende
Strahlen durch diese Gerade gehen, können dieselbe Inten-
sität in P hervorbringen. Lassen wir die Gerade durch
Variiren der Constante den ganzen von den betreffenden
Strahlen im Diaphragma eingenommenen Raum durchlaufen,
so erhalten wir andere und andere Werthe für die Inten-
sitäten, welche die jedesmal durch sie gehenden Strahlen er-
zeugen. Bezeichnen wir dabei durch m die Entfernung der
Geraden in ihren beiden äussersten Lagen, so ist nach be-
kannten Sätzen der analytischen Geometrie die Differenz (M)
der Werthe von (8):
(9) M-mYW + J?.
Je grösser dieser Ausdruck, um so wechselnder sind die In-
tensitäten. Da dasselbe nun auch bei allen benachbarten
Punkten auf dem Schirme stattfindet, so erkennt man, dass
bei einer einigermassen beträchtlichen Grösse des Ausdrucks
(9) keine Interferenzerscheinung wahrnehmbar sein kann,
und dass dieselbe am deutlichsten auftritt, wenn er einen
möglichst kleinen Werth hat. Seine Grösse ist bei gegebe-
ner gegenseitiger Lage von Lichtquelle, Blättchen und Linse
abhängig von der Entfernung c des Schirmes von der Linse,
und wir wollen suchen, für welchen Werth c0 von c der
Minimalwerth von M eintritt. Das ist gleichbedeutend mit
der Frage: auf welchen Punkt müssen wir unser In-
strument einstellen (das Auge accommodiren), um
die Interferenzstreifen möglichst deutlich zu sehen?
— Von c hängt in M nur das in Hz und J2 enthaltene / ab
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Fetissnei'.
557
[vgl. (7a) und (3a)], dessen reciproker Werth die Entfernung
des Punktes, auf welchen das Instrument eingestellt ist, von
der Linse bedeutet; wir können daher unmittelbar den Werth
f0 für / aufsuchen, für welchen M ein Minimum wird. Wir
erhalten hierfür:
C08 (f TT , • T
^ -H. + Bin qp J.
(io) f>-~^"M, + j^^
und damit für die Entfernung E des betreffenden Punktes
vom Blättchen:
E=b—l= 1 -^nlaDU^
f0 2W- # COS fr .
cos a
7 2 2 D
b w 2 cos rr — sin « cos s a — ^
- - — -j— . — ■ — — — — — • — —
& 10* (1 -ftg*a C08!qp)— sin« C08 rp —
Man sieht hieraus, dass man im Allgemeinen durchaus
nicht auf das Blättchen zu accommodiren hat, um die Inter-
ferenzerscheinung deutlich zu erhalten; nur bei senkrechter
Betrachtung ist dies immer der Fall, da dann mit sin«
zugleich E Null wird; bei schiefem Daraufsehen dagegen
wird E häufig sehr gross, eine Thatsache, die man schon
mit geeignet gewählten Deckgläschen in Natriumlicht leicht
constatiren kann. — Die Streifen scheinen ihren Ort zu
ändern, wenn man sich auf der X-Axe dem Blättehen nähert
oder von ihm entfernt, denn E ist von b abhängig; wenn
jedoch (p = o ist, d. h. wenn die Ebene des Neigungswinkels
der beiden Flächen des Blättchens mit der XY- Ebene zu-
sammenfällt, so verschwindet b in dem obigen Ausdruck,
der dann in:
t , m sin « cos 2a D
x ' »■ 1F
übergeht; in der hierdurch bestimmten Entfernung vom Blätt-
chen erscheinen jetzt unverändert die Streifen, man mag sie
aus der Nähe oder aus der Ferne betrachten. — Der Fall
(p = o ist noch in anderer Beziehung bemerkenswerth. Durch
Einsetzung des in (10) bestimmten Werthes von / in dem
Ausdruck (9) für M wird dieses ein Minimum und geht über in:
558
W. Feussner.
(13) M0 = 2m^*-^D&.
Für schief auf das Blättchen fallendes Licht wird M0
nur gleich Null, wenn q> = o ist; es ist deshalb nur dadurch
möglich, volle Gleichheit der von den oben betrachteten ver-
schiedenen Punkten der Lichtquelle herrührenden Inten-
sitäten herzustellen. Daher wird im Allgemeinen die Inter-
ferenzerscheinung in diesem Falle am schärfsten sein.
Die Gleichung (7) lässt weiter erkennen, dass in ver-
schiedenen benachbarten Punkten des Schirmes nur dann
gleiche Intensität herrschen kann, wenn sie auf einer durch
die Gleichung:
(14) Sl r ; + £ ; » Const.
c c
bestimmten Geraden liegen.1) Daraus folgt, dass die Inter-
ferenzerscheinung aus geradlinigen Streifen bestehen muss,
welche mit der Axe der /; einen Winkel yj einschliessen,
dessen Tangente:
(15) tc w = — ^ = —6ha2a— . P. 008 'V _
* ' ö Jt 2 w 1 b sin q> # cos a sin <p
ist. Diese Gleichung spricht eine eigenthümliche und auf
den ersten Blick sehr auffallende Eigenschaft der Interferenz-
1) Dieser Schluss bedarf vielleicht einer etwas näheren Begründung,
die hier gegeben werden soll. Die Gleichungen (6) zeigen, dass sowohl
die gegenseitige Entfernung der Durchtrittspunkte zusammengehöriger
Lichtstrahlen durch die Hinterfläche der Linse als auch die Richtung
ihrer Verbindungslinie ganz unabhängig ist von den Coordinaten der
Punkte &' und P. Die Coordinaten der Durchtrittspunkte aller der
Reihen zusammengehöriger Strahlen, die nach einem Punkte des Schirmes
gelangen, sind also dieselben wie die nach einem beliebigen anderen
Punkte des Schirmes gelangenden. Für zwei durch dieselben Linsen-
punkte gegangene Strahlenreihen haben aber die beiden ersten Glieder
in der viereckigen Klammer der Gl. (7) denselben Werth, und wählen
wir die beiden Convergenzpunkte auf dem Schirm so, dass sie der Gl.
(14) genügen, so sind die Gangunterschiede entsprechender Strahlen in
beiden Reihen gleich; das aber ist die Bedingung für die Erzeugung
gleicher Intensität durch diese Strahlenreihen. Da nun dasselbe Verhält-
niss bei allen vorkommenden Strahlenreihen stattfindet, so ergibt sich der
oben gezogene Schluss, wenigstens wenn wir von den speciellen Fällen
abschen, wo die Glieder der zweiten Ordnung verschwinden.
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W. Feussner.
559
streifen aus. Man ist gewohnt, dieselben den Stellen gleicher
Dicke der sie erzeugenden Blättchen folgen zu sehen, die
Gleichung (15) sagt aus, dass das allgemeine Gesetz ein ganz
anderes ist. Da b darin vorkommt, so ändert sich xp mit
wechselndem Werth von £, d. h. nähert man sich dem
Blättchen, oder entfernt man sich von ihm, so er-
leiden die Streifen eine Drehung, und zwar ist der
Verlauf näher der folgende: für im Verhältniss zu D/& sehr
kleine Werthe von b wird tg \p bei schief einfallendem Licht
sehr gross, die Streifen laufen der Z-Axe nahezu parallel,
das Blättchen mag übrigens liegen, wie es will; wächst
dann ä, so nähert sich tg y immer mehr dem Werthe
— cos cp I cos a sin <p , die Streifen nehmen, wenn b sehr gross
gegen D/& ist, die Lage an, in der man sie zu sehen ge-
wohnt ist.
Nimmt die Constante in Gleich. (14) um die Wellenlänge
X des Lichtes zu oder ab, so ändern sich die Wegdifferenzen
aller einzelnen interferirenden Strahlen nach (7) um eine
ganze Anzahl von Wellenlängen, die Intensität bleibt also
ungeändert. Daraus ergibt sich die Breite A der Inter-
ferenzstreifen auf dem Schirm nach den bekannten Sätzen zu:
(16)
(*> " 1} ( i + rj + JA + 210 & (cos« + 8iQ «
für grosse b folgt daraus:
eine Formel, in welcher das bekannte Gesetz der Verände-
rung der Streifenbreite mit wechselnder Schiefe des einfallen-
den Lichtes enthalten ist.
Vorstehendes sind die hauptsächlichsten Resultate meiner
ersten oben citirten Abhandlung. Dieselben beziehen sich
zunächst auf ein dünnes, von zwei einen kleinen Winkel mit-
einander einschliessenden Ebenen begrenztes (ein keilförmiges)
Blättchen, lassen sich aber auch leicht zur Herleitung der
560
W. Feussner.
Interferenzerscheinungen benutzen, welche anders gestaltete
Blättchen zeigen, wenn wir diese als »aus keilförmigen Ele-
menten zusammengesetzt betrachten dürfen. — Die Herren
Sohncke und Wanger in sprechen in ihrer gleichfalls oben
citirten Abhandlung „Neue Untersuchungen über die New-
ton'schen Ringe" die Ansicht aus, dass eine solche unmittel-
bare Anwendung meiner Formeln auf dies Phänomen nicht
möglich sei; und es war das einer der Gründe, die sie ver-
anlassten, dem experimentellen Theile ihrer Arbeit einen
ausführlichen theoretischen hinzuzufügen. Es ist das dann
richtig, wenn der Abstand der beiden Flächen, welche die
die Ringe erzeugende Schicht begrenzen, ein verhältniss-
mässig beträchtlicher ist, und man, wie ich es gethan habe,
die successiven Reflexionen im Inneren des Blättchens mit
in Rechnung zieht; dann darf man die Reflexionspunkte auf
der Kugelfläche nicht mehr als in einer Tangentialebene
liegend betrachten. In dem Fall jedoch, welchen allein Hr.
Sohncke dem Experiment und Hr. Wang er in der Rech-
nung unterworfen hat, wo sich jene beiden Flächen berüh-
ren, sind wir berechtigt, meine Formeln unmittelbar anzu-
wenden, indem wir jedesmal der Kugelfläche die entsprechende
tangirende Ebene substituiren ; die dabei vernachlässigten
Glieder sind dann klein gegen die beibehaltenen. Ich werde
gleich bei der Reproduction des wesentlichsten Inhalts meiner
zweiten erwähnten Abhandlung die betreffende Entwickelung
geben. Es wurde aber diese Abhandlung hauptsächlich ge-
schrieben, um einem anderen, schwereren Irrthum des Hrn.
Wangerin entgegenzutreten; derselbe glaubte, die Theorie
auf wesentlich einfacherer Grundlage entwickelt zu haben und
die durchaus anderen Resultate, welche er bei Anwendung
seiner Methode auf keilförmige Blättchen erhielt, den mei-
nigen als die richtigen entgegenstellen zu dürfen. Dem gegen-
über habe ich nachgewiesen, dass Grundlage und Resultate
der Wangerin'schen Theorie falsch sind.
Ich will hier die Bemerkungen, welche ich in meiner
Schrift (p. 6—16) über den experimentellen Theil der be-
sprochenen Arbeit gemacht habe, nur kurz erwähnen und in
dieser Beziehung dorthin verweisen, um so mehr, als ich die
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W. Feussner,
561
Sorgfalt, mit der die Beobachtungen gemacht sind, durchaus
anzuerkennen habe. Das erste und für die Theorie in \hrer
jetzigen Gestalt weitaus wichtigste experimentelle Kesultat
des Hrn. Sohncke bezieht sich auf die Lage der schein-
baren Interferenzorte in der centralen (d. h. der durch den
Berührungspunkt von Linse und Platte gehenden) Einfalls-
ebene. Meine nachher abzuleitende Formel und die des
Hrn. W angerin geben in diesem Fall dasselbe Kesultat,
sie fordern eine gerade gegen die G läsercombination geneigte
Linie (von Sohncke und Wanger in die „Hauptgerade"
genannt). Die Beobachtungen stimmen hiermit gut überein
und liefern auch für die Neigung dieser Geraden sehr nahe
den berechneten Werth. Bin ich hierin mit den Herren
Sohncke und Wanger in auch ganz einverstanden, so
konnte ich doch die Art, wie sie die von ihnen angegebenen
Werthe der Neigungswinkel aus den Beobachtungen ableiten,
nicht als correct anerkennen; dieselben sind noch der Ver-
besserung bedürftig, die freilich meist gering sein und gewiss
ihre Beweiskraft für die theoretische Formel nicht beein-
trächtigt wird. — Bezüglich der Beobachtungen ausserhalb
der centralen Einfallsebene habe ich nachgewiesen, dass
meine Formel sich ihnen mindestens ebenso gut, an den
Stellen der grössten Schärfe entschieden besser anschliesst
als die des Hrn. Wang er in, doch sind die Differenzen so
klein, dass eine Entscheidung aus ihnen nicht zu entnehmen
ist. — In der centralen Querebene (d. h. der der Mikroskop -
axe parallel, zur Einfallsebene senkrecht durch den Berüh-
rungspunkt von Linse und Platte gehenden Ebene) fordert
meine Formel als Ort der deutlichsten Interferenz eine die
beiden Flächen in ihrem gemeinschaftlichen Punkte berüh-
rende Ellipse, die des Hrn. W angerin eine der Platte
parallele Gerade (die „Quergerade") und Hr. Sohncke
glaubte, die Existenz dieser letzteren experimentell nachge-
wiesen zu haben. Ich habe jedoch gezeigt, dass dieser
Schluss nicht in den Beobachtungen begründet ist, indem
Hr. Sohncke an dieser Stelle die sonst überall benutzte
Beobachtungsmethode verlässt und eine sehr viel ungenauere
anwendet, und es ihm ausserdem entgangen ist, dass bei
Aun. d. Ptays. u. Cbem. N. F. XIV. 36
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562
W, Feussner.
einer Lichtquelle von beschränkter Ausdehnung die Stellung
derselben einen wesentlichen Einfluss auf die Interferenz-
erscheinung ausübt. Diese Umstände bewirken, dass die
Versuchsresultate nicht mit der Theorie verglichen werden
können. Das Gleiche ist bezüglich der sehr dankenswerthen
Beobachtungsreihen des Hrn. Sohncke über die Durch-
messer der Ringe in der centralen Einfallsebene und der
centralen Querebene der Fall. Hier liegt aber die Schuld
an dem noch unvollkommenen Zustande der Theorie. Man
könnte vielleicht glauben, aus der von mir oben für die Rich-
tung der Streifen gegebenen Gleichung (15) eine Differential-
gleichung der Ringe und daraus durch Integration ihre
Gestalt und z. B. für einen gegebenen Querdurchmesser den
zugehörigen Hauptdurchmesser ableiten zu können ; allein in
meinen bisherigen Entwicklungen sind überall die kleinen
Grössen der dritten Ordnung vernachlässigt, in Beziehung
auf diese tritt aber bei dem angedeuteten Verfahren eineSumma-
tion ein, sodass sie, wie man leicht findet, einen merklichen Ein-
fluss auf das Resultat gewinnen. Hr. Wanger in, bei dessen
Rechnung derselbe Umstand eintritt, versucht zwar, auch mit
diesen Messungen seine Theorie zu stützen, hat dabei aber
übersehen, dass die von ihm abgeleiteten Formeln recht un-
genügend mit den Beobachtungen übereinstimmen.
Es ist schon mehrfach darauf hingewiesen, dass wir von
den Interferenzerscheinungen der keilförmigen Blättchen un-
mittelbar zu den Newton'schen Ringen übergehen können,
und zwar können wir aus Formel (11) mit Leichtigkeit die
der Sohncke'schen Beobachtungsmethode, wobei ein Mikroskop
parallel mit sich selbst über dem Blättchen umhergefuhrt
wird, entsprechende Interferenzfläche1) ableiten für ein ein-
1) Ich bediene mich dieses auch von den Herren Sohncke and
Wangerin gebrauchten Ausdrucks, ohne ihre Vorstellung damit zu ver
binden, dass wirklich auf dieser Fläche (wenigstens so weit sie in Luf.
liegt) objectiv und unabhängig von dem beobachtenden Auge, Instrument
u. s. w. grösste Schärfe der Interferenzerscheinung stattfinde. Ich ver
stehe nur darunter die Aneinanderreihung aller der Punkte, auf welche
das Instrument eingestellt werden muss, um die Erscheinung möglich?:
deutlich zu zeigen.
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W, Feussner.
563
zelnes von einer Ebene und einer sie berührenden Kugel-
fläche begrenztes Blättchen oder auch für die Combination
einer Linse mit darauf liegender planparalleler Platte, wenn
wir die Dicke dieser letzteren gleich Null anneh-
men. Den letzteren Fall wollen wir etwas näher betrachten.
Wir haben dann n = 1 zu setzen, wodurch w = cos« wird;
nehmen wir ferner das von Hrn. Wanger in eingeführte
Coordinatensystem an, sodass für unseren Fall der Anfangs-
punkt in dem Berührungspunkte der beiden Flächen liegt,
die a-y-Ebene, die obere ebene Fläche der Gläsercombination
bildet, die positive .r-Axe in der Einfallsebene des Lichtes
nach der Lichtquelle hin gerichtet ist, die y-Axe auf ihr
senkrecht steht und die r-Axe nach oben dem Mikroskop
parallel verläuft, so haben wir zu setzen:
wenn b0 die Entfernung des (aus einer Linse bestehend ge-
dachten) Objectivs des Mikroskops von dem Object bei
scharfer Einstellung bedeutet. Die Substitution dieser Werthe
in die obige Gleichung liefert nach einfacher Umformung als
Gleichung der Interferenzfläche:
4 (a?2+y2cos2«) z2 + 4 (Ä0(.r2-f y2C08 2«) — sin a . x {x2 + y2)) z
- 2b0 sin«..r(.r2 + f) + sin2«(#2 + y2)2 = 0.
Dieselbe ist also von der vierten, nicht (wie Hr. Wangerin
findet) von der dritten Ordnung; für sehr grosse b0 geht sie
in Wangerin's Gl. (IV) (p. 226) über, wenn darin die Dicke
der planparallelen Platte ebenfalls gleich Null angenommen
wird. Ein Hauptunterschied unserer Formeln ist der, dass
die meinige von dem Abstände des Mikroskopobjectivs ab-
hängig ist, für hierin verschiedene Instrumente also eine
verschiedene Gestalt der Interferenzfläche fordert, die Wan-
gerin's dagegen nicht. In einem Falle aber, nämlich für
die centrale Einfallsebene (y = 0) liefern sie, wie schon be-
merkt, dasselbe Resultat, nämlich 2z = .rsin#.
Nachdem wir so gesehen haben, dass es bei den ge-
machten Annahmen in der That nur einer sehr einfachen
Rechnung zum Uebergange von meinen früheren Formeln zu
36*
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564
IV. Feussner
den für die Newton'schen Ringe gültigen bedarf, wollen wir
nun die von Hrn. Wang er in aufgestellte Theorie selbst
etwas näher betrachten.
Nachdem Hr. Wang er in hervorgehoben hat, dass die
Berücksichtigung der Ausdehnung der Lichtquelle für die
Theorie erforderlich sei, fährt er fort (p. 202):
„Die Ausdehnung der Lichtquelle ist zur Erklärung der
durch ein keilförmiges Blättchen hervorgebrachten Inter-
ferenzerscheinungen schon von Hrn. Feussner herangezogen.
Aber die Art und Weise, wie Hr. Feussner diesen Gedanken
weiter verwerthet, scheint uns viel zu verwickelt und führt, wie
wir glauben, nicht zu richtigen Resultaten (vgl. den Anhang.)1)
Zunächst ist es unnöthig, wie Hr. Feussner es thut, die
nach dem Durchgange durch eine Sammellinse auf einem
Schirme stattfindende Interferenz zu untersuchen. Es genügt
vollkommen, den Vorgang in demjenigen Punkte ins Auge
zu fassen, auf welchen das Beobachtungsmikroskop eingestellt,
resp. das Auge accommodirt ist Denn zwei von einem
Punkte ausgehende Strahlen haben bei ihrer Vereinigung
auf dem auffangenden Schirm (resp. der Netzhaut) die-
selbe PhasendifFerenz, die sie in jenem Punkte hatten.
Weiter unterscheidet sich die hier zu gebende Darstellung
völlig von der des Hrn. Feussner durch das Princip, nach
dem das Zusammenwirken der in einen Punkt der Netzhaut
gelangenden Strahlen in Rechnung gezogen und damit die
Frage beantwortet wird, auf welchen Punkt das Beobach-
tungsinstrument einzustellen ist, um die Interferenzerschei-
nung möglichst deutlich zu sehen. Für die Beantwortung
dieser Frage glauben wir, ein sehr einfaches, natürliches und
übersichtliches Princip gefunden zu haben." Um dieses
„Princip" auseinanderzusetzen, betrachtet Hr. Wangerin
den Punkt in der Axe des Mikroskops, auf welchen dasselbe
eingestellt ist. Wenn man mit Hrn. Wangerin nur die
Strahlen berücksichtigt, welche an der Vorderfläche und die,
welche nach einmaligem Durchlaufen des Blättchens an der
Rückfläche refiectirt sind, so kann man — eben nach diesem
1) Xäinl. Sohnckcu. Wangerin, Wied. Ann. 12. p.246— 249. 1881.
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I
W. Feussner. 565
Unterschied — die gesammte durch den angegebenen Punkt
gehende und von dem Mikroskop wieder zu seinem Bilde
vereinigte Strahlenmasse in zwei Theile zerlegen, welche
zwei zusammenfallende Strahlenkegel mit der Spitze in jenem
Punkte und der Basis in der Oeffnung des Objectivs bilden.
Zu einem Strahl des einen Kegels findet sich im Allgemei-
nen1) in dem anderen einer, welcher mit ihm von demselben
Punkte der Lichtquelle ausgegangen ist; diese beiden können
miteinander interferiren und bilden ein zusammengehöriges
„Paar". Unter den unendlich vielen vorhandenen Strahlen-
paaren greift nun Hr. Wangerin zwei heraus und bezeichnet
sie als „Hauptpaare", nämlich diejenigen, bei welchen einer
der Strahlen in der Axe des Mikroskops verläuft. Bei dem
einen Hauptpaar ist das ein an der Vorderfläche, bei dem
anderen ein an der Hinterfläche des Blättchens reflectirter
Strahl. „Als natürlichstes Princip für das Zusammenwirken
aller Strahlenpaare bietet sich nun dies dar, dass die Haupt-
paare in gleicher Weise berücksichtigt werden. Es wird
also angenommen, dass die Interferenz dann am deutlichsten
ist, wenn die Strahlen des einen Hauptpaares genau dieselbe
Wegdifferenz besitzen wie die des anderen" (p. 206). Die
übrigen Paare sollen, wie Hr. Wangerin weiter annimmt,
je nach der Uebereinstimmung oder Nichtübereinstimmung
ihres Verhaltens mit den Hauptpaaren nur eine grössere
oder geringere Schärfe der ganzen Erscheinung bewirken.
In den angeführten Stellen haben wir das Urtheil des
Hrn. Wangerin über meine Theorie und die Grundlagen
der seinigen. Hr. Wangerin findet, dass meine Behandlung
viel zu verwickelt sei, und ..glaubt-, dass sie nicht zu rich-
tigen Resultaten führe. Auf das letztere komme ich nach-
her zurück; der erste Vorwurf bezieht sich darauf, dass ich
die Interferenz der von dem dünnen Blättchen reflectirten
Strahlen erst nach ihrem Durchgange durch eine Linse
untersuche. Das sieht Hr. Wangerin als eine unnöthige
Complication der Betrachtungen an. Er stützt diese Mei-
1) Genauer habe ich das oben mit Berücksichtigung einer beliebigen
Anzahl von Reflexionen in dem Blättchen auseinandergesetzt.
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566
W. Feiissner.
nung darauf, dass „zwei von einem Punkte ausgehende Strahlen
bei ihrer Vereinigung" (durch eine Linse) „auf dem auffan-
genden Schirm (resp. Netzhaut) dieselbe Phasendifferenz haben,
die sie in jenem Punkte hatten." Dieser auch wohl schon
anderweit so oder ähnlich ausgesprochene Satz ist indessen
falsch. Er gilt von der WegdifFerenz nur, so lange man
nicht über die kleinen Grössen der dritten Ordnung hinaus
geht, diese sind aber im Allgemeinen durchaus nicht klein
gegen die Länge einer Lichtwelle, wesshalb bei der Bestim-
mung der Phasendifferenz die Grössen höherer Ordnung
nicht vernachlässigt werden dürfen. Mit Berücksichtigung
hiervon ergibt sich aber, dass das von einer Linse entwor-
fene Bild einer Interferenzerscheinung unter Umständen von
dieser selbst sehr verschieden sein kann; und das wird, wie
ich gefunden habe, von der Beobachtung vollkommen be-
stätigt. So kann z. B. eine Interferenzerscheinung, die, direct
von einem Schirme aufgefangen, aus geradlinigen Streifen
besteht, durch eine Linse betrachtet als ein System von
Kreisen erscheinen. — Allein ich will hier diesen Umstand
gar nicht besonders betonen, denn hätte Hr. W angerin
sich so ausgedrückt: zwei von einem Punkte ausgehende
Strahlen haben bei ihrer Vereinigung auf dem auffangenden
Schirm unter Vernachlässigung der kleinen Grössen von
höherer als der dritten Ordnung dieselbe Wegdifferenz, die
sie in jenem Punkte hatten, so wäre nichts dagegen einzu-
wenden gewesen, und da wir beide in unseren bisherigen
Arbeiten selbst die Grössen der dritten Ordnung vernach-
lässigen, so könnte es scheinen, als ob Hr. Wanger in Recht
hätte. Allein auch in dieser Fassung ist der Satz nicht
geeignet, den unmittelbar vorhergehenden: „Es genügt voll-
kommen, den Vorgang in demjenigen Punkte ins Auge zu
fassen, auf welchen das Beobachtungsmikroskop eingestellt,
resp. das Auge accommodirt ist", zu stützen, wie er es soll.
Hr. Wang er in begeht mit dieser Annahme ein Versehen,
vor welchem ihn eine etwas aufmerksame Betrachtung der
von mir gegebenen Formeln hätte bewahren können. Die-
selben zeigen die Eigenthümlichkeit, dass die Entfernung h
der Linse vom Blättchen nicht aus ihnen verschwindet, wenn
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W. Feussner
567
man auch das Glas der Linse durch Luft ersetzt {nv = 1 an-
nimmt). Dieses auf den ersten Blick wohl paradoxe Verhal-
ten rührt daher, dass die Linse nicht allein eine Brechung
der Lichtstrahlen bewirkt, sondern dass sie auch (oder ge-
nauer das mit ihr verbundene Diaphragma) die auf den
Schirm gelangenden und dort die Interferenzerscheinung er-
zeugenden Strahlen von den übrigen trennt; der Ort aber,
wo dies geschieht, ist unter Umständen von wesentlichem
Einfluss auf den Ort der grössten Deutlichkeit und die
sonstigen Eigenschaften der Erscheinung. Diese Verhältnisse
beachtet Hr. Wang er in gar nicht.
Es ist im Wesentlichen die Uebersehung desselben Um-
standes, welche Hrn. Wangerin zu dem zweiten Missgriff,
der Aufstellung seines „Princips für das Zusammenwirken
aller Strahlenpaare" veranlasst; während in dem eben be-
sprochenen Falle der Fehler etwas versteckter war, liegt er
und die ganze Wiilkürlichkeit der Annahme hier so offen
zu Tage, dass es schwer begreiflich ist, wie Hr. Wangerin
so verfahren konnte. „Es wird also angenommen", sagt er,
„dass die Interferenz dann am deutlichsten ist, wenn die
Strahlen des einen Hauptpaares genau dieselbe Wegdifferenz
besitzen, wie die des anderen." Daraus bestimmt er nachher
den Orf der grössten Deutlichkeit und nimmt dann weiter
an, dass der Einfluss der übrigen Strahlenpaare sich nur in
der Schärfe der Erscheinung bemerklich mache. Indess bringt
Hr. Wangerin für diese Annahme nicht den geringsten Beweis
bei. Und nachdem er dann bei einer auf solchen Grundlagen
ruhenden Theorie zu anderen Resultaten gekommen ist, als
ich gefunden habe, so beachtet er nicht, dass ich mein Re-
sultat schon als durch die Beobachtung bestätigt bezeichnet
habe, sondern nimmt einfach an, dass ich Unrecht habe:
„die Art und Weise, wie Hr. Feussner diesen Gedanken
weiter verwerthet, führt, wie wir glauben, nicht zu rich-
tigen Resultaten".
Die Unrichtigkeit des Wangerin'schen „Princips" lässt
sich leicht mit Hülfe meiner Formel (9) direct nachweisen;
man findet, dass der Werth von M, der, wie ich gezeigt
habe, ein Minimum werden muss, bei Einsetzung des nach
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568
W. Feussner.
diesem Princip bestimmten Ausdrucks für / stets grösser ist
als ich ihn in (13) finde, ausser wenn sinqp.(sin2«/f<?)(ö + £)I)
gleich Null ist, wo beide einander gleich werden. Das ist
bei den Newton'schen Ringen in der centralen Einfallsebene
der Fall, und hier kommt Hr. W an gerin auch zu richtigen
Ergebnissen.
Im Vorstehenden habe ich nur das Hauptsächlichste,
die Grundlagen der Wangerin'schen Theorie besprochen;
natürlich muss ich auch die meisten daraus abgeleiteten
Sätze als unrichtig, die übrigen als falsch begründet erklären.
Zum Theil sind sie so auffallender Art, dass es zu verwun-
dern ist, dass Hr. Wang er in nicht dadurch auf die Un-
richtigkeit seiner Theorie aufmerksam gemacht wurde. So
z. B. der sonderbare Satz (p. 217), dass die mehrfach inner-
halb des Blättchens reflectirten, miteinander interferirenden
Strahlen Wegunterschiede von einer ganzen Zahl von Wellen-
längen besitzen sollen, was mit Leichtigkeit als falsch nach-
zuweisen ist.
Das aber ist anzuerkennen, dass Hr. Wangerin selbst
klar und scharf die Verschiedenheit der Resultate hervor-
hebt, die aus unseren beiderseitigen Theorien für ein keil-
förmiges Blättchen folgen. Er behandelt diesen Fall im
im Anhang; nach Entwickelung der entsprechenden Glei-
chungen fährt er fort: „Aus diesen Gleichungen folgt, dass
die Interferenzstreifen stets der Kante des Keils parallel
sind", und am Schluss: „Eine Drehung der Streifen aus
dieser parallelen Lage heraus, wie sie Hr. Feussner
aus seiner Theorie ableitet, ist mit unserer Theorie unver-
einbar."
Nun habe ich schon in meiner vorjährigen Arbeit an-
gegeben, eine solche Drehung bei Mikroskopdeckblättchen
beobachtet zu haben, und dieselbe auch in der damaligen
Sitzung der Marburger naturforschenden Gesellschaft gezeigt.
Es war das freilich kein Beweis für meine Formel, da die
Grösse der Drehung der nicht genau ebenen Beschaffenheit
dieser Deckblättchen wegen nicht mit derselben verglichen
werden konnte. Ich bin aber jetzt in der Lage, den experi-
mentellen Nachweis zu führen. Die folgenden Messungen
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W. Feitssner. 569
beziehen sich auf eine vorzüglich geschliffene Glasplatte, die
Hr. Prof. Abbe in Jena die Güte hatte, in der optischen
Werkstätte des Hrn. Zeiss daselbst für mich anfertigen zu
lassen. Es ist eine keilförmige, runde Platte, deren Dicke
im Mittelpunkt 0,250, deren Durchmesser 33 mm, deren
Winkel 1' 54", und deren Brechungsindex 1,514 beträgt.
Diese Platte war auf einem genau eben geschliffenen ge- '
schwärzten Messingklotz durch ein paar Wachströpfchen
befestigt und wurde mit demselben auf die Alhidade eines
Theodoliths, dessen oberer Theil entfernt war, so aufgesetzt,
dass ihre Vorderfläche senkrecht auf der Drehungsaxe stand,
und diese durch ihren Mittelpunkt ging. Auf dieselbe wurde
ein kleines Beobachtungsfernrohr gerichtet, welches mit
einem drehbaren Fadenkreuz versehen ist, dessen Drehung
an einem Theilkreise mit zwei Nonien abgelesen werden
kann. Die Entfernung der vorderen Fläche des Objectivs
vom Mittelpunkte der Platte wurde zu 803,5 mm, der Winkel
zwischen seiner Axe und der des Theodoliths zu 68° 17' 5"
bestimmt. Sodann wurde eine Natriumfiamme so aufgestellt,
dass die Platte ihr Licht in das Fernrohr reflectirte, bei
passender Einstellung des letzteren erschienen dann die
Streifen. Der Winkel 1//, den sie im Fernrohr mit derVer-
ticalebene bilden müssen, ist oben durch Gleich. (15) be-
stimmt, während die Tangente des Winkels zwischen dem
Bild einer zur Kante des Keils parallelen Geraden und der
Terticalebene durch den Ausdruck — cos <p/ cos a. sin <p ge-
geben ist; letzterer Winkel müsste nach Hrn. Wang er in
auch der der Streifen sein. Bei den Beobachtungen wurde
nun von der Stellung, wo cp = o ist, d. h. wo die Kante
des Keils auf der Seite des Beobachters senkrecht auf der
Einfallsebene steht, ausgegangen; hier machen auch die
Streifen im Fernrohr einen Winkel von 90° mit der Ver-
ticalen. Nachdem ein Faden des Fadenkreuzes ihnen parallel
gestellt war, wurde die Alhidade des Theodoliths und mit
ihr die Platte um einen bestimmten Winkel a gedreht, der
Faden wieder mit den Streifen zur Deckung gebracht und
die dazu nöthige Drehung an dem Theilkreise des Fern-
rohrs abgelesen. Ich gebe in der folgenden Tabelle (p.570)
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570
W. Feussner.
die Resultate einiger solcher Messungen1); wenn auch —
hauptsächlich einiger Unvollkommenheiten in der experimen-
tellen Zusammenstellung wegen — in ihnen noch nicht die
Genauigkeit erreicht ist, die erreicht werden kann, so ge-
nügen sie zur Entscheidung unserer Frage doch vollkommen.
AP
Winkel d(
beobachtet
;r Streifen
bereclmet
Winkel der
Keilkante
60
80
100
120
125,45°
162,85°
32,13°
59,75°
125,450
161,27°
31,55°
59,78°
' 122,65°
154,52°
25,48°
57,35°
Handelt es sich blos darum, die Drehung der Streifen ex-
perimentell nachzuweisen, ohne dass es auf Messungen an-
kommt, so kann man in einfacher Weise ein sehr in die
Augen fallendes Resultat erhalten. Ich will den Versuch so
beschreiben, wie ich ihn in der Sitzung der Marburger natur-
forschenden Gesellschaft (am 4. März d. J.) vorgeführt habe.
Die eben beschriebene Glasplatte wurde mit dem Messing-
klotz, auf dem sie befestigt ist, vertical aufgestellt, sodass
die Kante des Keils horizontal verlief. Dieser Kante parallel
war nahe über der Platte ein dünner Draht gespannt und
mit etwas Klebwachs an dem Klotze befestigt. In gleicher
Höhe war in einer Entfernung von 5—6 m ein Fernrohr so
aufgestellt, dass seine Richtung mit der Normalen der Platte
einen Winkel etwa 60 — 70 Grad bildete. In demselben
erschienen die Streifen dem Drahte vollkommen parallel,
näherte man sich aber dann, mit freiem Auge beobachtend,
der Platte bis zur deutlichen Sehweite, so bildeten die Streifen
jetzt einen sehr erheblichen Winkel mit dem Drahte, wurde
die Platte um ihre Normale um 180° gedreht, sodass die
1) In meiner in den Marburger Sitzungsberichten veröffentlichten Ab-
handlung war bei den als „berechnet" angegebenen Werthen ein Fehler
mit untergelaufen , indem bei ilirer Ableitung w statt w2 in Formel (15)
gesetzt war. Derselbe ist jetzt verbessert, und es stimmen nim die erste
und die letzte Beobachtung, bei welchen auch die Streifen am schärfsten
sind, vortrefflich mit der Rechnung überein. Bei den anderen Beobach-
tungen waren die Streifen ziemlich undeutlich, was wohl auch zu der
weniger guten Uebereinstimmung beigetragen hat.
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V. v. Lang. 571
dünnere Seite nach oben gerichtet war, wenn es vorher
die dickere war, oder umgekehrt, so wichen die Streifen um
denselben Winkel nach der entgegengesetzten Seite vom
Drahte ab, während sie ihm im Fernrohr natürlich unver-
ändert parallel blieben.
II. Veber die Dispersion des Aragonits nach
arbiträrer Richtung; von Victor v. Lang.
(Aua dem 83. Bde. der Sitzungsber. der Acad. d. Wiss. II. Abth., vom
31. März 1881; mitgetheilt vom Hrn. Verf.)
I. Ich habe vor einiger Zeit1) ein horizontales Gonio-
meter mit zwei concentrischen Axen beschrieben: die innere
trägt Nonius und Prismentisch, die äussere Kreis und Fern-
rohr. Die Collimatorspalte ist fest mit dem Massiv des In-
strumentes verbunden. Unter anderen Vortheilen, die dieses
Goniometer bietet, ist auch der, dass man damit leicht den
Lichtstrahl senkrecht auf die erste Prismenfläche einfallen
lassen kann. Ist nämlich R die Ablesung bei Beobachtung
des von der ersten Prismenfläche reflectirten Bildes, S aber
die Ablesung bei directer Anvisirung der Spalte, so braucht
man das Prisma nur um den Winkel 90° + J(Ä— S) zu
drehen, um die gesuchte Stellung zu erhalten. Bei dieser
Stellung wird der Lichtstrahl an der ersten Prismenfläche
nicht gebrochen, und seine farbigen Bestandteile haben auch
im Prisma alle eine gemeinsame Wellennormale.
» Dies gestattet, die Dispersion des Lichtes nach einer be-
liebigen Richtung eines doppeltbrechenden Krystalles zu
untersuchen. Ich habe einen derartigen Versuch an einem
Aragonitprisma ausgeführt, dessen eine Seite senkrecht zum
Prisma (110) von 63° 50' ist, während die andere Seite in
der Zone (110,001) gegen die erste um beiläufig 30° geneigt
ist. Letztere Fläche wurde nun zur Einfallsfläche gemacht
und Sonnenlicht senkrecht darauf fallen gelassen. Das Licht,
1) V. v. Lang, Phil. Mag. (5) 7. p. 136. 1879.
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572
V, v. Lang.
durchsetzt dann den Aragonit in einer ganz allgemeinen
Richtung und gibt beim Austritte aus demselben natürlich
zwei Spectren, deren Dispersionsverhältnisse eben studirt
werden sollten.
Eine Schwierigkeit bestand in der Politur der Flächen
des Prismas. Von dem einen Optiker erhielt ich zwar das
Prisma sehr schön polirt, aber mit convexen Flächen, der
andere schliff wohl die Flächen eben, konnte sie aber nur
höchst mangelhaft poliren. Zuletzt machte ich mich selbst
daran, das Prisma mit Hülfe einer äusserst schwach matten
Glastafel in den gewünschten Zustand zu bringen. Im ganzen
ging dies auch ziemlich gut, nur würde die Herstellung der
höchsten Politur noch längere Ausdauer erfordert haben.
Die Folge war, dass ich die Linie H nicht mit Sicherheit
beobachten konnte und mich auf die Bestimmung der Linien
a — G beschränken musste.
IL Bestimmung des brechenden Winkels. Da
im gegenwärtigen Falle der Prismenwinkel von der Tem-
peratur abhängig ist, so wurden zuerst Bestimmungen des-
selben bei verschiedenen Temperaturen unternommen, um
spätere Beobachtungen auf dieselbe Temperatur reduciren
zu können. Die späteren Beobachtungen wurden jedoch erst
angestellt, nachdem das Prisma von neuem geschliffen wor-
den war, wodurch sich sein Winkel um ein Geringes änderte.
Diese Aenderung ist jedoch auf die kleine Temperaturcorrec-
tion ohne Einfluss, und die gefundene Correction kann ohne
weiteres auf die Beobachtungen des definitiven Winkels an-
gewandt werden.
Folgendes sind die Mittel aus je drei Beobachtungen:
Datnm t A beobachtet
1881 I. 8 15,4° C. 30° 35' 27"
9 17,6 46
10 18,7 56
11 20,2 36 10.
Werden diese Beobachtungen als lineare Function der
Temperatur mit Hülfe der Methode der kleinsten Quadrate
berechnet, so findet man:
A = 30° 33' 8" + 9".*
und hieraus:
uiginzeo
by Google
V, v. iMng.
573
t
A berechnet
Beob.-Rechn.
15,4° C.
30° 35' 26,6"
-0,4"
17,6
46,4
+ 0,4
+ 0,3
-0,2
18,7
56,3
20,2
9,8
Die Uebereinstimmung zwischen Beobachtung und Rech-
nung ist also ganz befriedigend.
Zur Bestimmung des definitiven brechenden Winkels wur-
den folgende Beobachtungen angestellt, welche nach der vor-
hergehenden Formel auf die Temperatur von 17,5° C. redu-
cirt wurden:
Datum
t
Ä
17,5° C.
1*81 II. 15
17,1° C.
30° 28'
57
30° 28' 61"
15
17,1
46
50
17
16,8
57
63
17
16,7
57
64
21
19,0
29
13
59,5
21
17,7
28
59
57
21
17,0
54
49,5
Mittel 30° 28' 58".
Nahezu denselben Mittelwerth erhält man aber auch,
wenn man aus den nicht reducirten Beobachtungen für fund A
das Mittel nimmt, wie wir dies bei Bestimmung der Ablen-
kung zu thun gezwungen sind.
III. Bestimmung der Ablenkung. Die Bestimmung
der Ablenkung für die verschiedenen Fraunhofer'schen Linien
wurde in zwei Theile getheilt. Zuerst wurden nur die Unter-
schiede der Ablenkungen gegen die«Linie D bestimmt, und
dann erst der absolute Werth für diese Linie ermittelt. Da
das Prisma doch nicht ganz vollkommen war, so war es näm-
lich bei Beobachtung des Spectrums wünschenswerth, das
Beobachtungsfernrohr ganz wenig zu verstellen, um die
grösste Schärfe der Linien zu erzielen. Nachdem aber das
Fernrohr etwas verstellt war, konnte es nicht mehr zur Be-
stimmung des absoluten Werthes der Ablenkung dienen.
Dieser konnte aber mit unverstelltem Fernrohre und mit
Hülfe der Natriumflamme unabhängig von der Sonne zu be-
liebiger Zeit ermittelt werden.
Bei den nachfolgenden Beobachtungen über die Dis-
persion wurde also die erste Prismenseite nach angegebener
574
V. v. Lang.
Methode senkrecht zum einfallenden Lichtstrahle gestellt
Die folgenden Zahlen sind Mittel aus je zwei Beobachtungs-
reihen, indem das Spectrum einmal vom rothen Ende her,
dann umgekehrt gemessen wurde.
Langsamere Welle:
1881. IL 15
II. 21
n. 23
Mittel
17,0° C.
17,8
17,7
17,5
a . . .
. . -21' 9"
21' 7'
21' 3"
-21' 6"
B . .
17 11
17 7
17 2
17 7
C . .
12 26
12 17
12 26
12 23
D . .
0 0
0 0
0 0
0 0
E . .
. . +16 5
15 57
16 4
+ 16 2
F . .
20 10
29 06
30 4
30 3
G . .
57 0
56 56
56 43
56 53.
Schnellere Welle:
1881. IL 15
II. 21
IL 23
Mittel
17,1° C.
17,8
17,7
17,5
a . . .
. . -17' 33"
17' 24"
17' 34"
-17' 20"
B . .
14 20
14 18
14 8
14 15
C . .
10 25
10 11
10 20
10 19
D . .
0 0
0 0
0 0
0 0
E . .
. . -f-13 13
13 23
13 15
13 17
F . .
25 3
25 2
24 51
24 59
G . .
47 2
47 8
46 59
46 3.
Für die absoluten Werthe der Ablenkung der Linie D
wurde gefunden:
t langsamere W. schnellere "VT.
1881. II. 17 17,0° C. 28° 1' 31" 26° 0' 42"
17 16,8 1 40 1 3
21 19,0 0 33 0 7
21 17,; 1 36 17
Mittel 17,5
28° 1' 20" 26° 0' 45'
IV. Berechnung des Brechungsquotienten. Aus
den vorhergehenden Beobachtungen erhält man für die Ab-
lenkungen A der einzelnen Linien und für die daraus fol-
genden Werthe der Brechungsquotienten n:
Langsamere Welle
Sclinellere Welle.
A
»i
TU,
a
27°
40'
14"
1,674 573
a
25°
43'
15"
1,638 189
B
44
13
675 751
B
46
30
639 225
C
48
57
677 179
C
50
26
640 477
B
28
1
20
680 900
D
26
0
45
643 750
E
17
22
685 684
E
14
2
647 942
F
31
23
689 833
F
25
44
651 614
G
58
13
697 709
G
57
46
48
658177
Digitized by Google
O. Lubarsch.
575
Es war mir im Anschlüsse an frühere Rechnungen1)
von Interesse, zu sehen, wie weit auch in diesem allgemeinen
Falle die Cauchy'sche Dispersionsformel mit Beibehaltung
dreier Glieder die Beobachtungen darzustellen im Stande
wäre. Zur Berechnung verwandte ich wieder die von
Ditscheiner gegebenen Werthe, nur für die Linie a,
welche derselbe leider nicht beobachtete, benutzte ich die von
van der Willigen gegebene Zahl 0,718 957 u. Die Berech-
nung der Formel:
n = a + p + j4
mit Hülfe der Methode der kleinsten Quadrate ergab fol-
gende Werthe der Constanten:
langsamere schnellere Welle
a . . . 1,661 771 7 1,626 516 9
. 0,006 583 450 0,006 102 143 '
. 0,000 016 652 30
b
c
-0,000 040 397 80.
Rechnet man mit diesen Constanten die Brechungsquotien-
ten zurück, so erhält man folgende Differenzen zwischen Be-
obachtung und Rechnung (B—B), wobei dieselben in Ein-
heiten der sechsten Decimale ausgedrückt sind:
langsamere
a . . . + 2,6
B . . . -27,6
C . . . 4-29,8
D . . . +40,5
schnellere
+ 18,0
-24,7
+ 7,9
+ 3,4
W.
langsamere
E . . . + 4,7
F . . . — 84,3
G . . . +34,6
schnellere W.
* -12,4
+ 8,2
- 0,6.
Die Uebereinstimmung ist den vorstehenden Zahlen zu-
folge von derselben Art, wie ich sie bei der Berechnung der
Beobachtungen Fraunhofers am Flintglase Nr. 23 und
am destillirten Wasser gefunden habe.
III. Bemerkungen xu den Arbeiten
des Herrn Lamansky über Fluorescenx;
von Oscar Lubarsch.
Die Polemik, welche Hr. Lamansky in Paris für
die allgemeine Gültigkeit des Stokes'schen Gesetzes in
1) V. v. Lang, Wien. Bcr. 82. p. 174. 1880.
576
O, Lubarsch.
Wied. Ann. fortführt1), zwingt mich, seine neuen Versuche
wiederum einer Kritik zu unterwerfen; einmal, weil der Ge-
nannte meinen Namen bei Gelegenheit seiner letzten Notiz
speciell erwähnt, und dann, weil seine Versuche jedenfalls
früher angestellt sind als die letzten von Hrn. Lommel und
mir selbst veröffentlichten.
Was zunächst die Bemerkungen des Hrn. Lamansky
über meine im Aprilheft 1880 veröffentlichte Abweisung
seiner Versuche und der daraus gezogenen Folgerungen be-
trifft2), so beschränkt sich Hr. Lamansky darauf, gegen
meine Behauptung, er habe bei den genannten Versuchen die
Dicke der fluorescirenden Schicht nicht berücksichtigt, seine
eigenen Worte anzuführen: „Dans mes recherches, j'ai pris
les fluides a differents etats de concentration et en couches
de differentes epaisseurs; le resultat a toujours ete le meme."
Ich habe allerdings nie daran gezweifelt, dass Hr. Lamansky
mit verschiedenen Dicken und Concentrationsgraden gear-
beitet hat, aber über die wirkliche Dicke der fluorescirenden
Schicht hat er gar keine Angaben gemacht, und darauf
kommt es hierbei gerade an, weil man nur dann die absor-
birende Wirkung der fluorescirenden Flüssigkeit auf das
ausstrahlende Fluorescenzlicht beurtheilen könnte. Ausser-
dem war meine so angefochtene Behauptung ja nur eine von
mir selbst als nebensächlich bezeichnete; nebensächlich, weil
ich damit eben nur versuchte, für die notorischen Fehler der
von Hrn. Lamansky erhaltenen Resultate eine Erklärung
zu finden. Auf meinen eigentlichen Einwurf aber, nämlich
die Nachweisung der Fehler selbst, hat Hr. Lamansky zu
meinem Bedauern gar kein Wort der Erwiderung. Ich muss
daher, indem ich auf die Ausführungen meines damaligen
Aufsatzes verweise, meine dort aüfgestellten Behaup-
tungen in ihrem ganzen Umfange aufrecht erhalten.
Was die neuere Arbeit des Hrn. Lamansky angeht, so be-
ginnt derselbe damit, dass er für das auf die fluorescirende
Flüssigkeit projicirte Spectrum den von Hagenbach, Lom-
1) Lamansky, Wied. Aiin. 11. p. 908. 1880.
2) Lubarsch, Wied. Ann. 9. p. 665. 1880.
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O. Lubarsch. 577
mel und mir selbst im Einverständniss angenommenen
Namen „fluorescirendes Spectrum" verwirft und statt dessen
„Fluorescenzspectrum" setzt, also die Benennung, welche wir
dem Spectrum des Fluorescenzlichtes (dem „derivirten* Spec-
trum von Stokes) gaben. Die Behauptung ferner, dass die
in einem Glasgefäss beobachtete Flüssigkeit die Erschei-
nungen nicht in derjenigen reinen Form zeige, wie die
Methode des Hrn. Lamansky, ist unrichtig; denn diese
Methode zeigt, wie wir in der früheren Arbeit gesehen haben
und weiter unten wieder sehen werden, die Erscheinungen
in einem getrübten Zustande. Weiterhin gibt Hr. La-
mansky an, „jedes Fluorescenzspectrum (fluorescirendes
Spectrum) wäre vollkommen einfarbig und hätte eine be-
stimmte, für das Fluorescenzlicht des betreffenden Körpers
charakteristische Farbe." Dies ist nach den Beobachtungen
von Lommel und von mir selbst falsch und bezieht sich
bekanntlich nur auf die von der Stokes'schen Regel abwei-
chenden Körper, nicht aber auf die Mehrzahl der fluoresci-
renden Substanzen, welche jener Regel folgen. Hx. La-
mansky hat sicher nicht überlegt, dass, wenn seine Beob-
achtung wirklich richtig wäre, dieselbe gerade gegen das
Stokes'sche Gesetz sprechen würde; denn dieses verlangt ja
gerade abweichende Färbung des fluorescirenden
Spectrums in dem am wenigsten brechbaren Theile
desselben. Die weitere Beobachtung, dass das fluoresci-
rende Spectrum, von der Seite betrachtet, treppenartig
aussieht, d. h. dass^ die verschiedenen Spectralfarben ver-
schieden tief in die fluorescirende Flüssigkeit eindringen,
ist durchaus nicht neu. Diese Erscheinung ist schon von
Stokes in seiner ersten Untersuchung: „Ueber die Verände-
rung der Brechbarkeit des Lichtes" angegeben und von
sämmtlichen späteren Beobachtern besprochen worden. Hr.
Lamansky sagt aber noch an dieser Stelle: „Die Strahlen
von kleiner Wellenlänge (soll wohl heissen: die von Strahlen
kleiner Wellenlänge erregten Strahlen) kommen aus grösse-
rer Tiefe als die Strahlen von grösserer Wellenlänge." Diese
Angabe zeigt, dass Hr. Lamansky noch weit von einer
richtigen Vorstellung über das Wesen des vorliegenden Vor-
Ann. <L Phjs. u. Chem. N. F. XIV. 37
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578
O. Lubarsch.
ganges entfernt ist; denn es ist allgemein bekannt, dass das
stärkere oder schwächere Eindringen des erregenden Lichtes
in die fluorescirende Flüssigkeit nur von der Absorptions-
fähigkeit derselben für die betreffenden Strahlen, nicht aber
von der Wellenlänge an sich abhängt, dass also z. B. die
am stärksten absorbirten Strahlen fast gar nicht, dagegen
die ihnen zu beiden Seiten benachbarten stärker eindringen.
Das treppenartige Aussehen des fluorescirenden Spectrums
entgeht dem Beobachter auch durchaus nicht, wie Hr. La-
mansky meint, wenn man das Spectrum, statt auf die freie
Oberfläche, auf eine Glaswand projicirt, hinter der die Flüs-
sigkeit sich befindet; schon Stokes hat die vorliegende
Erscheinung gerade auf diese Art beobachtet.1)
Die nun folgenden Angaben über den Beginn der Fluo-
rescenz im reinen Spectrum für Magdalaroth, Fluorescein und
Eosin sind zu wenig präcise gegeben; ferner ist eine Anwen-
dung des Glan'schen Photometers zur Bestimmung der Maxinia
im fluorescirenden Spectrum wohl nicht nöthig, weil dieselben
von früheren Beobachtern bereits öfters bestimmt sind, und
ihre Beziehung zu den Absorptionsmaximis ja genügend be-
kannt ist.
Hinsichtlich der Behauptung, dass „die Dicke der Schicht
oder die Concentration der Flüssigkeit einen wesentlichen
Einflu8s auf die Ausdehnung der Fluorescenzspectra nicht
hat," möchte ich auf die einschlägigen Ausführungen von
Lommel2) verweisen.
Es folgen sodann die numerischen, Angaben über die
Grenzen der „Fluorescenzspectra" (dieser Name also hier
wieder im ursprünglichen Sinne) von Magdalaroth, Fluorescein
und Eosin. Ich habe dieselben der Einfachheit wegen auf
die Bunsen'sche Scala reducirt und finde demnach bei Hrn.
Lamansky:
Magdalaroth . 40 — 53
Fluorescein . 53 — 82
Eosin .... 47 — 69
1) Stokes, Pogg. Ann. Ergbd. 4. p. 225. § 59 u. 60. 1852.
2) Lommel, Pogg. Ann. IttO. p. 82. 1877 u. Wied. Ann. 10. p. 634.
1880.
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O. Lubarsch.
579
Dagegen haben sämmtliche frühere Forscher gefunden:
Magdalaroth . 28 — 57
Fluoresce'in .30 — 86
Eosin ... 28 — 76.
Hieraus folgt also, dass, wenn auch die Fehler, die Hr. La-
mansky bei der vorliegenden Arbeit gemacht hat, etwas
weniger hervortreten als die in seiner früheren Abhandlung
vorkommenden, seine Angaben für feinere Unter-
suchungen doch noch nicht genügen können. Hin-
sichtlich der Gründe der neuen Fehler verweise ich auf das
in meiner früheren Arbeit darüber gesagte. Jedenfalls zeigen
aber die fehlerhaften Resultate, dass auch die neue Methode
(entgegen der Ansicht, die Hr. Lamansky selbst ausphcht)
an denselben Mängeln krankt, wie seine frühere.
Die Versuche endlich, welche Hr. Lamansky anstellt,
um die allgemeine Gültigkeit der Stokes'schen Regel zu be-
weisen, haben den grossen Fehler, dass die Voraussetzungen
derselben eine Ausnahme von dem genannten Gesetze von
vornherein ausschliessen.
Wenn man nämlich beweisen will, dass, wie Stokes
selbst sich ausdrückt, „die Brechbarkeit des erregenden
Lichtes stets die obere Grenze bilde für die des erregten", so
muss man doch vor allen Dingen dafür sorgen, dass das
Gegentheil, nämlich eine etwaige Erhöhung der Brechbar-
keit, auch möglich ist; man muss also das erregende Licht
so wählen, dass seine Brechbarkeit kleiner ist, als die
überhaupt mögliche höchste Brechbarkeit des durch
Sonnenlicht hervorgerufenen Fluorescenzlich tes.
Nur in diesem Falle, d. h. wenn das erregende Licht dem
kritischen Gebiete zwischen der Anfangsstelle im fluoresci-
renden Spectrum und der obersten Grenze des typischen
Fluorescenzspectrums (derivirten Spectrums) angehört, kann
man über die vorliegende Frage entscheiden. "Wer dagegen
zu diesen Versuchen Licht anwendet, dessen Brechbarkeit
grösser ist als die der angegebenen Grenze, darf sich nicht
wundern, wenn das Fluorescenzlicht stets weniger brechbare
Bestandtheile zeigt. Hr. Lommel hat auch in einer äusserst
37*
Digitized by Google
580 O. Lubarsck.
klaren Auseinandersetzung1), welche noch dazu gerade gegen
eine Arbeit des Hrn. Lamansky2) gerichtet war, auf
den eben erwähnten Umstand aufmerksam gemacht. Trotz-
dem gebraucht Hr. Lamansky durchweg nur erregendes
Licht, dessen Brechbarkeit grösser ist als die der
brechbarstenStrahlen des entsprechenden typischen
Fluorescenzspectrums und schliesst trotzdem aus den
erhaltenen Resultaten ohne weiteres, dass das Stokes'sche
Gesetz allgemein richtig sei. Es ist gar nicht nöthig, dass
ich hier alle Zahlen der einschlägigen Tabelle8) in Bunsen'-
sche Grade umrechne; es genügt anzugeben, dass beim
Fluorescein die oberen Grenzen des erregenden Lichtes
zwischen 138 und 250 der Lamansky'schen Scala schwanken,
während Hr. Lamansky selbst vorher 138 als obere Grenze
des typischen Fluorescenzspectrums angibt; dass ferner beim
Magdalaroth das erregende Licht die oberen Grenzen 112
bis 250, beim Eosin 141 bis 243 innehält, während die obere
Grenze des zugehörigen typischen Fluorescenzspectrums dort
54, hier 103 ist. Man sieht also, dass Hr. Lamansky das
von Lommel ihm gegenüber betonte, hier allein zur Sprache
kommende kritische Gebiet des Spectrums gar nicht einmal
in Betracht gezogen hat ; er schliesst bei seiner Untersuchung
die Möglichkeit einer Ausnahme von dem Gesetze,
dessen Richtigkeit er beweisen will, von vornherein aus.
Auch die neuen Versuche des Hrn. Lamansky bewei-
sen demnach für oder gegen die allgemeine Gültigkeit der
Stokes'schen Regel gar nichts; ich muss zu meinem Be-
dauern auch an diesem Orte den Vorwurf wiederholen, den
ich ihm am Ende meiner früheren Arbeit gemacht hatte.
Berlin, im September 1881.
1) Lominel, Wied. Ann. 8. p. 247. 1879.
2) Lamansky, Compt. rend. 86. p. 1192. 1879.
3) Vgl. I c. p. 912.
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H. R. Hertz.
581
IV. Obere Grenze für die Mnetische Energie der
bewegten Meetricität; von JET. B. Hertz.
In einer früheren Arbeit *) habe ich aus Versuchen über
die Intensität von Extraströmen die Folgerung ziehen können,
dass die kinetische Energie der electrischen Strömung von
der magnetischen Dichte 1 in einem kupfernen Leiter kleiner
sei als 0,008 mg mm2/sec2. Diese Folgerung konnte indessen
nur unter der Voraussetzung gezogen werden, dass eine ge-
wisse Beziehung zwischen dem specifischen Widerstande der
Metalle und der Dichte der Electricität in ihnen nicht be-
stehe. In der vorliegenden Arbeit will ich einen Versuch
beschreiben, den ich gleichfalls in der Absicht, eine kine-
tische Energie der Strömung nachzuweisen, und gleichfalls
mit negativem Resultate angestellt habe, welcher aber vor
den früheren Versuchen die Vortheile bietet, erstens directer
zu sein, zweitens einen kleineren Werth für die obere Grenze
zu liefern, und drittens, diesen Werth ohne weitere Be-
schränkung zu ergeben.
Es sei eine dünne Metallplatte von der in Taf. V Fig. 2
dargestellten Form zwischen den Electroden A und B durch-
flössen von einem Strome von möglichst grosser Dichtigkeit,
es seien ferner die Punkte C und D mit einem feinen Gal-
vanometer verbunden und das System so regulirt, dass kein
Strom das Galvanometer durchfliesst. Wird nun die Platte
um eine durch ihren Mittelpunkt gehende, zu ihrer Ebene
senkrechte Axe in Rotation versetzt, so muss, falls sich die
Electricität mit träger Masse bewegt, die Strömung von
der Richtung AB seitlich abzuweichen bestrebt sein, aus
derselben mechanischen Ursache, welche auf der rotirenden
Erde die Passatwinde von der Richtung des Meridians ab-
weichen lässt. Die Folge dieses Bestrebens ist eine Poten-
tialdifferenz zwischen den Punkten C und D oder ein Strom
im Galvanometer. Dieser Strom muss seine Richtung ändern
mit der Richtung der Drehung; ist diese Richtung die des
1) H. R. Hertz, Wied. Ann. 10. p. 414. 1880.
582
//. R. Hertz.
Uhrzeigers, und geht gleichzeitig der Strom in der Platte
von A nach B, so muss er die Galvanometerleitung ausser-
halb der Platte von D nach C durchfliessen, wie es die
Pfeile andeuten.
Qualitativ muss die genannte "Wirkung eintreten, welches
auch die Natur des galvanischen Stromes ist, vorausgesetzt
nur, dass mit demselben eine solche Bewegung träger Masse
verbunden ist, welche mit der Richtung des Stromes ihre
eigene Richtung ändert. Die Schwierigkeit des Versuchs
besteht in der Herstellung von vier hinreichend sicheren
und ruhigen Zuleitungen bei schneller Rotation; diese Schwie-
rigkeit habe ich so weit überwunden, dass gleichzeitig eins
der feinsten Galvanometer, eine Geschwindigkeit von 30 Um-
drehungen in der Secunde und eine Potentialdifferenz von
1 Daniell zwischen A und B benutzt werden konnte. Dabei
war eine Ablenkung der Nadel, welche einer trägen Masse
entsprechen würde, nicht nachzuweisen; lege ich die Weber'-
sche Anschauung zu Grunde, so kann ich mittelst der unten
angegebenen Betrachtung aus meinen Versuchen die Folge-
rung ziehen, dass die kinetische Energie a einer Strömung
von der magnetischen Dichte 1 in einem Cubikmillimeter
eines silbernen Leiters die Grösse von 0,00002 mg mm2/sec!
nicht wesentlich überschreiten kann.
In Bezug auf die Ausführung des Versuchs ist das Fol-
gende zu erwähnen. Als Metallplatte wählte ich die Bele-
gung einer nach dem Liebig'schen Verfahren versilberten
Glasplatte, die Form derselben ist in Fig. 2 Taf. V darge-
stellt, die Entfernung AB betrug etwa 45 mm, die Entfer-
nung CD 25 mm. Die Zuleitungsdrähte waren zunächst an
Platinplättchen angelöthet, diese wurden mittelst kleiner
Schrauben, die das Glas durchsetzten, gegen die Belegung
angepresst; um eine gleichmässigere Berührung zu erzielen,
war zwischen die Belegung und die Plättchen eine Schicht
Goldschaum gebracht. Der electrische Widerstand war an-
fangs gleich 5,4 S.-E. in der Richtung AB und gleich 3,5 S.-E-
in der Richtung CD, aus unbekannten Gründen nahmen
diese Widerstände mit der Zeit ab und wurden nach einigen
Wochen resp. gleich 4,8 S.-E. und 3,1 S.-E. gefunden. Aus
Digitized by Google
H. R Hertz.
583
dem Verhältniss dieser Widerstände und aus besonderen
Versuchen war zu ersehen, dass der Uebergangswiderstand
an den Zuleitungen keinen wesentlichen Theil des gesamm-
ten Widerstandes bildete. Die Eegulirung des Systems zu
dem Zwecke, die Nadel auf Null zu bringen, geschah zu-
nächst durch Abschaben des Silbers an einzelnen Stellen
des Bandes; da indessen eine dauernde Abgleichung von hin-
reichender Schärfe aus verschiedenen Ursachen unmöglich
war, so schaltete ich zwischen A und C und zwischen C und
B Zweigleitungen von einigen Hundert S.-E. Widerstand ein,
durch deren Abgleichung die Nadel jederzeit, so weit es
überhaupt wünschenswerth schien, auf Null zurückgeführt
werden konnte.
Um eine geschwinde Rotation der Glasplatte zu ermög-
lichen, war dieselbe auf einer Messingscheibe befestigt, die
belegte Fläche war der Scheibe zugekehrt und nur durch
eine möglichst dünne Luftschicht von derselben getrennt.
Die Scheibe ihrerseits bildete das eine Ende einer horizon-
talen stählernen Axe, die in zwei Lagern so befestigt war,
dass ihre beiden Enden zugänglich blieben. Die Zuleitung
zum Galvanometer fand unmittelbar an der Glasplatte statt,
die Zuleitung zur stromgebenden Kette am anderen Ende
der Axe, die Leitungen von hier bis zu den Punkten A und
B waren gebildet durch die Axe selbst und durch einen in
einer Durchbohrung der Axe liegenden Draht. Die Vor-
richtung, durch welche auf jedem Ende der letzte Ueber-
gang von den bewegten zu den ruhenden Theilen vermittelt
wurde, ist in Fig. 3 Taf. V dargestellt. Durch ein genau
centrirtes Stück einer sehr dünn ausgezogenen Glasröhre ist
ein feiner Platindraht geführt, ein zweiter Platindraht ist
um die Glasröhre herumgeschlungen, die ßöhre mit den
Drähten durchsetzt ein Quecksilbergefäss und mündet in
einem zweiten derart, dass in dem Quecksilber des letzteren
der erstgenannte und im Quecksilber des ersteren der letzt-
genannte Draht rotirt. Das Glasröhrchen war mittelst
Siegellacks auf der einen Seite der Axe gegen die Glasplatte,
auf der anderen an der Axe selbst befestigt. Da der Durch-
messer der Windungen des Drahtes B nur ungefähr 1/2mm
584
H. R. Hertz,
betrug, 80 bewegte sich das Platin gegen das umgebende
Quecksilber auch bei einer Rotationsgeschwindigkeit von 100
Umdrehungen in der Secunde nur mit einer Geschwindigkeit
von 160 mm/sec. Der Erfolg war ein guter, denn auch bei
der genannten Geschwindigkeit zeigte sich kein Uebergangs-
widerstand, und die durch Erwärmung erzeugten Störungen
waren eben wahrnehmbar und klein gegen andere unvermeid-
liche. Die Rotation wurde der Axe mitgetheilt durch einen
Schnurlauf, welcher sie mit der schnellsten Axe eines
Becquererschen Phosphoroskops verband, sodass sie doppelt
so schnell als jene lief. Die Kurbel des Phosphoroskops
wurde mit der Hand gedreht, einer Umdrehung derselben
entsprachen 290 Umdrehungen der Axe. Da die ganze Vor-
richtung so leicht als möglich gebaut war, konnten auch
grosse Geschwindigkeiten schnell erzeugt und wieder aufge-
hoben werden. Das angewandte Galvanometer war ein Sie-
mens'sches mit einem astatischen Systeme von zwei Glocken-
magneten und vier Rollen von zusammen ca. 7 S.-E. Wider-
stand. Die Astasie konnte durch äussere Magnete beliebig
weit getrieben werden, bei den definitiven Versuchen war die
Empfindlichkeit eine solche, dass einer Potentialdifferenz von
ein Milliontel Daniell an den Punkten D und C ein Aus-
schlag von 32 Scalentheilen entsprach. Dabei war die Be-
wegung der Nadel aperiodisch, eine neue Ruhelage nahm
dieselbe nach etwa 8 Secunden mit einer für die vorliegen-
den Versuche hinreichenden Genauigkeit an. Der Strom
wurde geliefert durch ein Daniell'sches Element und mittelst
einer gewöhnlichen Tangentenbussole gemessen. In die Lei-
tung zum Galvanometer und zur Kette war je ein Conimu-
tator eingeschaltet.
Nachdem der Strom so lange durch die Platte geleitet
war, dass eine weitere Erwärmung derselben nicht stattfand,
wurde mittelst der äusseren Widerstände zwischen A, C und
B die Nadel des Galvanometers nahezu in ihre natürliche
Ruhelage gebracht. Es wurde sodann der Kurbel des Phos-
phoroskops eine möglichst gleichmässige einmalige Um-
drehung ertheilt, die im Durchschnitt 8—9 Secunden erfor-
derte und durch eine automatische Arretirung ihr Ende
Digitized by VjOOQle
H. R. Hertz.
585
erreichte. Dabei wich die Nadel im allgemeinen von der
Ruhelage aus, ihre Stellung zu Ende der Rotation wurde
notirt. Nach Aufhören der Rotation ging indessen die Nadel
fast nie in die ursprüngliche Ruhelage zurück, sondern in
eine neue Ruhelage über, die, sobald sie erreicht war, nach
etwa 6 — 8 Secunden gleichfalls abgelesen wurde. Den Ab-
stand derselben von der ursprünglichen will ich den dauern-
den Ausschlag nennen; unter augenblicklichem Ausschlag
soll verstanden sein der Abstand der Stellung der Nadel zu
Ende der Rotation vom Mittel zwischen der ursprünglichen
und der schliesslichen Ruhelage. Den augenblicklichen Aus-
schlag wollen wir ansehen als Maass desjenigen Stromes,
dessen Ursachen nur während der Rotation wirken, wie z. B.
der Einfluss träger Masse; während der dauernde Ausschlag
den nach Beendigung der Rotation noch andauernden Stö-
rungen zugeschrieben werde. Anspruch auf Genauigkeit
hätte diese Rechnungs weise nur dann, wenn die Rotation
eine gleichförmige und der dauernde Ausschlag klein wäre,
was beides in den Versuchen nicht zutraf, indessen waren
die Störungen zu mannichfaltig und die Ausschläge zu un-
regelmässig, als dass eine nähere Discussion möglich ge-
wesen wäre.
Schon die ersten Versuche zeigten nun, dass ein Einfluss
träger Masse, welcher die unvermeidlichen Störungen bedeu-
tend überwöge, jedenfalls nicht vorhanden war. Um einen
solchen dennoch nachzuweisen, resp. einen möglichst kleinen
Werth der oberen Grenze zu finden, stellte ich immer einen
Satz von acht Beobachtungen zusammen, bei welchen die
Richtung der Drehung von Beobachtung zu Beobachtung,
die Richtung der Leitung zum Galvanometer von je zwei zu
zwei Beobachtungen, endlich die Richtung des Stromes in
der Platte von den vier ersten gegen die vier letzten Beob-
achtungen abwechselte. Ein solches System von acht Beob-
achtungen will ich einen Versuch nennen. Durch passende
Combination der Beobachtungen Hess sich nun für jeden
Versuch die mittlere Wirkung der einzelnen störenden Ur-
sachen berechnen. Es musste sich nämlich in den Aus-
schlägen vorfinden und aus denselben eliminiren lassen:
Digitized by Google
586
H. R. Hertz,
1) ein Theil, welcher sein Vorzeichen ändert nur mit
der Umschaltung der Leitung zum Galvanometer, nicht mit
der Richtung der Drehung oder der Leitung zur Kette.
Derselbe konnte seinen Ursprung nur in einer durch die
schnelle Rotation erzeugten electromotorischen Kraft in der
Contactstelle zur Galvanometerleitung haben. Insofern diese
Kraft eine thermoelectrische war, musste der entsprechende
Ausschlag ein dauernder sein;
2) ein Theil, dessen Zeichen abhing von der Richtung
der Leitung zum Galvanometer und zur Kette, hingegen
nicht von der Richtung der Drehung. Derselbe konnte ver-
schiedene Ursachen haben:
a) die Spannung der Platte infolge der beträchtlichen
Gentrifugalkraft, die Wirkung kann nur im augenblicklichen
Ausschlage erscheinen;
b) eine gleichmässige Temperaturänderung der ganzen
Platte infolge der Rotation, die Wirkung erscheint im dauern-
den Ausschlag;
c) eine Aenderung der Verhältnisse der Widerstände
AC/BC und AD j BD während der Dauer der Beobachtung
aus anderweitigen Ursachen. In der That änderte sich die
Ruhelage der Nadel, auch wenn keine Rotation stattfand,
langsam, aber stetig und stark genug, dass der dadurch ver-
ursachte Fehler von der Ordnung der übrigen war. Die
Wirkung macht sich im dauernden Ausschlag geltend.
3) ein Theil, dessen Vorzeichen ausser von den Richtungen
der Leitungen auch von der Richtung der Rotation ab-
hängt:
a) käme im augenblicklichen Ausschlag ein solcher Theil
vor, so wäre für denselben wohl keine andere Ursache an-
zugeben, als eine Trägheit der bewegten Electricität;
b) im dauernden Ausschlag kann ein solcher Theil da-
durch entstehen, dass bei der Rotation zwei diagonal gegen-
über liegende Zweige der Brücke vorangehen, zwei andere
folgen, erstere sich also infolge des Luftzugs stärker als letztere
abkühlen. Da die leitende 8ilber schient der Messingscheibe
sehr dicht anlag, hatte ich eine solche Wirkung nicht vermuthet*
sie zeigte sich aber zunächst sehr stark und war um so
Digitized by Google
H. R. Hertz.
V
587
unbequemer, als sie sich von der Wirkung einer trägen
Masse nur durch ihr Andauern nach beendigter Rotation
unterschied. Indem ich die Platte und Messingscheibe mit
Baumwolle und einer Papiertrommel umgab, verminderte ich
die Störung beträchtlich, eine weitere Verminderung trat
ein, als ich das Innere der Papiertrommel durch einen der-
selben gegebenen Paraffinüberzug hermetisch abschloss. Ganz
blieb diese Störung eigentümlicherweise auch so nicht aus.
Von den beschriebenen Versuchen habe ich zwei Reihen
zu je 20 Versuchen angestellt. Dieselben unterschieden
sich durch die Intensität des angewandten Stromes, die
Empfindlichkeit des Galvanometers und vorzüglich dadurch,
dass bei der ersteren der erwähnte Paraffinüberzug noch
fehlte. Die zweite war bei weitem die bessere und soll daher
nur von ihr die Rede sein. Auf sie bezieht sich die An-
gabe, die oben über die Empfindlichkeit des Galvanometers
gemacht ist. Die Intensität des Stromes betrug im magne-
tischen Maasse 1,17 mg1/« mm1»/ sec; die Rotationsgeschwin-
digkeit nach dem obigen durchschnittlich 290/872 = 34 Um-
drehungen in der Secunde. Der Ausschlag des Galvano-
meters am Ende der Drehung betrug im Mittel 10 bis 15
Scalentheile und änderte sich in den folgenden Secunden
meist nur um wenige Scalentheile. Der grösste Theil dieses
Ausschlags entsprach den nicht mehr zu trennenden Ursachen
2 b) und 2 c); die Wirkung der Störungen 1) und 3 b) ergab
sich etwa zu 2 bis 4 Scalentheilen, die Störung 2 a) war
klein. Die Brauchbarkeit der Methode zeigte sich darin,
dass die einzelnen Störungen aus allen Versuchen fast aus-
nahmslos mit gleichen Zeichen und von gleicher Grössen-
ordnung gefunden wurden. Die 20 Werthe, welche für den
unter 3 a) angeführten Theil des Ausschlags erhalten wurden,
sind in Scalentheilen die folgenden:
+3,6, -1,0, -0,0, -2,7, -1,1, +0,1, -0,6,
+0,8, -1,1, +0,2, -0,4, +0,5, +0,7, +0,5,
+ 0,8, +1,2, +1,1, +0,7, +0,6, +0,7.
Das Mittel dieser Werthe ist +0,23. Die Abweichung
von Null ist etwas grösser als der wahrscheinliche Fehler
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588
H. R. Hertz.
des Resultates, indessen dürfte die Ursache der Abweichung
eher in der bis zu einem gewissen Grade willkürlichen Be-
rechnung des augenblicklichen Ausschlags, als in einer phy-
sikalischen Ursache zu finden sein. Der Einfluss einer trägen
Masse musste nach den Umständen des Versuchs und den
benutzten Vorzeichen einen negativen Ausschlag zur Folge
haben, ein solcher Einfluss war also durchaus nicht nachzu-
weisen. Setzt man den constanten Ausschlag von 0,23 auf
Rechnung einer anderen Ursache und berechnet die Fehler
der Versuche von Null an, so ergibt sich immer noch eine
Wahrscheinlichkeit von 14 gegen 1, dass kein Ausschlag
grösser als lji Sealentheil, und von 3480 gegen 1, dass kein
Ausschlag grösser als 1 Sealentheil vorhanden war, der
einer trägen Masse hätte zugeschrieben werden können.
Bei der Berechnung der Versuche unter Zugrundelegung
der Weber'schen Hypothese mache ich der Einfachheit halber
die Annahme, dass die Masse einer positiven Einheit gleich
der Masse einer negativen Einheit sei, und dass im electri-
schen Strome beide Electricitäten mit entgegengesetzt gleicher
Geschwindigkeit fliessen. Es sei m die Masse der electro-
statischen Einheit, w die Geschwindigkeit, mit welcher sie
gezwungen ist, sich in der Axe der Platte AB oder in einer
dieser Axe parallelen Geraden zu bewegen, <w die Rotations-
geschwindigkeit der Platte. Dann ist die aus der Rotation
entspringende scheinbare Kraft, welche auf die Einheit senk-
recht zur Bahn derselben wirkt, gleich 2m»w + C, wenn C
die dem Orte der Einheit entsprechende Componente der
Centrifugalkraft ist. Die entgegengesetzte Einheit, welche
sich am gleichen Orte befindet, erleidet in gleicher Richtung
die Kraft — 2mvo + C. Die Summe beider Kräfte 2C
stellt eine ponderomotorische Kraft dar, nämlich diejenige
Zunahme der auf die Masse des Leiters wirkenden Centri-
fugalkraft, welche aus der Vermehrung dieser Masse um die
Masse der Electricität folgt; die Differenz aber, nämlich
X=s4mva) ist eben die electromotorische Kraft, welche wir
im Galvanometer zu bemerken suchten. Nun ist m gleich
der Masse M der gesammten in einem Cubikmillimeter ent-
haltenen positiven und negativen Electricität, dividirt durch
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H. R. Hertz
589
die Anzahl der in einem Cubikmillimeter enthaltenen elec-
trostatischen Einheiten; diese Anzahl wiederum ist gleich
der electro statisch gemessenen Stromdichte i, dividirt durch
die Geschwindigkeit u, also ist m^Mvji und X=4(o.Mv2li
= 4iw.Mv2ji2. Wir können nun, ohne die Gleichung zu
ändern, rechts und links magnetisches Maass einfuhren; thun
wir dies, so ist Mv2 j i2 = Mv2 j i2 diejenige Grösse, welche
in der Einleitung mit u bezeichnet ist, und also X = 4i*?fc>.
Hierin ersetzen wir noch die Stromdichte i durch den Quo-
tienten aus der Gesammtintensität J und dem Querschnitt q
der Leitung, ferner die electromotorische Kraft X durch
den Quotienten aus der Potentialdifferenz q> zwischen den
Punkten C und D und der Breite b der Platte; nennen wir
noch die mittlere Dicke derselben d, so wird jetzt (p = 4fiJu)b / q
= 4jU«/w/rf, oder, da wir fi suchen:
4 Jb (ü ' ~ 4J(ü
Den Querschnitt q oder die Dicke d können wir angenähert
aus der Menge des niedergeschlagenen Silbers berechnen,
rationeller und genauer zugleich ist es, ihn aus dem elektri-
schen Widerstande der Platte zu bestimmen, denn dieser
Widerstand hängt unmittelbar von der mittleren Geschwin-
digkeit ab, mit welcher die Electricität in der Platte sich
bewegt, und eben diese Geschwindigkeit und nur mittelbar
der Querschnitt ist die Grösse, auf welche es ankommt. Da
die Leitung unzweifelhaft eine metallische war, können wir
für den specifischen Widerstand der leitenden Substanz nur
den des Silbers setzen; aus der Länge der Platte = 45 mm
und dem Widerstand =5,1 S.-E. im Mittel ergibt sich der
für uns in Betracht kommende Querschnitt q = 0,00014 mma
und die entsprechende Dicke cf = 5,6 10-6mm. Allerdings
ist diese Dicke nur etwa ein Zehntel derjenigen, welche man aus
der Menge des niedergeschlagenen Silbers erschliessen konnte,
indessen zeigt dies nur, was von vornherein wahrscheinlich
war, dass das Silber sich sehr ungleichförmig auf dem Glase
vertheilt. Wendet man den gefundenen Werth der Dicke an
und setzt ausserdem J= 1,17mg1'- mm' «sec-1, w = 2rc.34 sec-1,
IScalenth. = 1 32 Milliontel Dan. = 3300mg V* mm8'« sec-1,
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590
H. R. Hertz.
so folgt fi = 0,000018 5 mm2, p erscheint demnach als eine
Fläche, nämlich als eine Energie, dividirt durch die Einheit
des Quadrats einer magnetischen Stromdichte und durch die
Einheit des Volumens. Da der Werth cp = 1 Sealentheil
sich schon als äusserst unwahrscheinlich herausstellte, so
erscheint die in der Einleitung ausgesprochene Behauptung
gerechtfertigt. Wären die bei der Berechnung der Versuche
gemachten Annahmen mehr als rohe Annäherungen, so würde
selbst die Ueberschreitung einer weit geringeren Grenze noch
unwahrscheinlich sein.
Es ist von Interesse, zu bemerken, dass wir electrische
Ströme kennen, welche zweifellos mit kinetischer Energie
verbunden sind, deren Grösse die aufgestellte Grenze be-
trächtlich überragt, die Ströme in Electrolyten. Aus dem
chemischen Aequivalent des Stromes von der magnetischen
Intensität 1 und der Ueberführungszahl für salpetersaures
Silberoxyd kann man leicht berechnen, mit welcher Geschwin-
digkeit sich in einer Lösung dieses Salzes von bestimmter
Concentration die Atomgruppen Ag und X03 bewegen,
wenn in der Lösung die Stromdichte 1 herrscht. Daraus folgt
dann die lebendige Kraft dieser Bewegung, und zwar findet
man für mittlere Concentrationen angenähert, wenn auf
1 Gewichtstheil Wasser n Gewichtstheile des Salzes kom-
men, fi = 0,0078/rc mm2. Liesse sich demnach der beschrie-
bene Versuch mit einem Electrolyten unter ähnlichen Be-
dingungen wie mit einem Metalle anstellen, so mtisste er
ein positives Resultat ergeben, thatsächlich bewirken Wider-
stand und Zersetzbar keit der Electrolyte, dass sich gleich
günstige Versuchsbedingungen auch nicht annähernd errei-
chen lassen.
Physikal. Inst, der Univ. Berlin.
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E. Reitlinger u. Fr. Wächter.
591
V. lieber JDisgregation der Electroden durch
positive Electricität und die Erklärung derlAchten-
ber gesehen Figuren;
von Edmund Reitling er u. Friedrich Wächter.
(Aus dem 83. Bd. der Ber. der k. Acad. der Wiss. zu Wien. II. Abth. , vom
17. März 1881; mitgetheilt von den Herren Verf.)
§ 1. In einer von uns im vorigen Jahre ausgeführten
Untersuchung über die Ursachen der Entstehung der Priest-
ley'schen Ringe und deren Ablenkung durch den Magnet
wurden wir zur Erkenntniss eines Artunterschiedes zwischen
positiver und negativer Electricität geführt, welcher uns ge-
eignet erscheint, auch über die Entstehung und Formver-
schiedenheit der positiven und negativen Lichtenberg'schen
Figuren Aufschluss zu geben. Derselbe bezieht sich auf eine
längst bekannte Wirkung der electrischen Funkenentladung:
Die Losreissung von Electrodentheilchen. Zufolge dieser
sind Metallkugeln, zwischen welchen längere Zeit Funken
übergegangen sind, mit kleinen Gruben besetzt, aus welchen
sichtlich Metall fortgeschleudert worden ist. Durch die Los-
reissung von festen Metalltheilchen entsteht die „centrale
Aufreissungsseheibe" der electrischen Ringfiguren, und auch
die von uns mit grossem Ruhmkorff und Verstärkungsflasche
erhaltenen „Aufstreuungsringe" rühren von ihr her, wie wir
beides in unserer früheren Abhandlung *) auseinander gesetzt
haben. Dort ist auch mitgetheilt, dass wir für die in Rede
stehende Losreissung zwar keine obere, wohl aber eine untere
Druckgrenze fanden; wir beobachteten sie von sechs Atmo-
sphären bis 10 mm Quecksilberdruck.
Während aber frühere Forscher die Auflockerung, Zer-
reissung und Schmelzung in der Mitte der Ringfigur als
eine Wirkung des electrischen Stromes „gleichgültig von wel-
cher Richtung" ansahen, haben wir am angeführten Orte den
Nachweis geliefert, dass die Aufreissung in der Mitte der
1) E. Reitlinger u. Fr. Wächter, Wien. Ber. 82. II. Abth. p. 180-
u. f. 1880.
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592
E. ReiÜinger u. Fr. Wächter.
Figur (die Aufreissungsscheibe) eine specielle Wirkung der
positiven Entladung aus Metall in Luft ist. Dies gilt in
gleichem Maasse für Losreissungsspuren auf Metallplatten
wie auf Metallkugeln. In beiden Fällen gelingt der directe
Nachweis, dass die Losreissung von Electrodentheilchen aus-
schliesslich beim Austritte positiver Electricität erfolgt, indem
man die Alternirung der Entladung berücksichtigt und ihren
Einfluss eliminirt.
Nennen wir den Vorgang, durch welchen beim Ueber-
tritte des electrischen Stromes aus Metall in Luft oder einen
anderen Isolator die Electrodenoberfläche aufgelockert und
Theilchen aus ihr fortgeschleudert werden, electrische
Disgregation, so können wir das oben erwähnte Resultat
unserer Untersuchungen auch in der Weise aussprechen:
Electrische Disgregation an der Oberfläche von platten- und
kugelförmigen Metallelectroden wird stets nur durch den
Austritt positiver Electricität erzeugt.
Daran schliesst sich nun die Frage: Wie es sich bei
feinen Metallspitzen verhält? Hier stösst man bezüglich der
directen Beobachtung der electrischen Disgregation auf
Schwierigkeiten. Betrachtet man die Metallspitze etwa vor
dem Durchgange des Funkenstromes und nach demselben
mit dem Mikroskop, so zeigt sich zwar eine nicht unwesent-
liche Veränderung (eine Abrundung) der Spitze, ohne dass
sich dabei aber entscheiden lässt, ob dieselbe durch das Ab-
reissen von Theilchen oder infolge der Schmelzung durch
die flitze des Funkens bewirkt sei. Eine solche Entschei-
dung erhielten wir jedoch in folgender Weise. Wir stellten
zwischen den Polen eines grossen Electromagnets x) einer
Spitze aus Antimon eine Platte aus Aluminiumblech gegen-
1) Der von uns benutzte Electromagnet hat einen Eisenkern von
14 cm Durchmesser und 170 cm Länge. Das Gewicht desselben ohne die
Halbanker beträgt etwas über 200 kg. Der Eisenkern ist mit 928 Win-
dungen aus starkem Kupferdraht in vier Lagen umwickelt und wurde
bei unseren Versuchen durch den Strom von 16 — 20 Bunsen'schen Ele-
menten von 1 Quadratfuss Zinkfläche magnetisirt Nur mit Hülfe dieses
äusserst kräftigen Magnets vermochten wir eine. Ablenkung der abgeris-
senen Electrodentheilchen zu bewirken.
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E. Reitlinger u. Fr. W'fichter.
593
über und Hessen zwischen Platte und Spitze die Funken
eines grossen Ruhmkorffs überschlagen. Platte und Spitze
befanden sich dabei in einer Glasröhre, durch welche trocke-
nes Wasserstoffgas strömte. Der Ruhmkorffsche Apparat
wurde durch den Strom dreier grosser Bunsen'scher Elemente
inducirt und in den Schliessungskreis desselben eine Leydener
Flasche von ein Quadratfuss Belegung eingeschaltet. Die
Richtung des electrischen Funkenstromes wurde senkrecht
zur Verbindungslinie der beiden Pole des hufeisenförmigen
Magnets gestellt. Da der Magnet, sobald er kräftig genug
ist, auf sämmtliche Theile der electrischen Entladung zwischen
Platte und Spitze richtend einwirkt, so gewährt derselbe ein
einfaches Mittel zur Entscheidung darüber, ob auch bei
Metallspitzen die Losreissung von Electrodentheilchen aus-
schliesslich durch den Austritt der positiven Electricität be-
wirkt werde oder nicht. Infolge der alternirenden Ent-
ladung der Leydener Flasche bildet nämlich sowohl die
Antimonspitze als auch die Aluminiumplatte abwechselnd
bald den positiven und bald den negativen Pol. Be-
zeichnet in (Fig. 4 Taf. V) Sb die Antimonspitze, AI die
Aluminiumplatte, N den Nordpol und S den Südpol des
Magnets, so wird Folgendes statthaben: In dem Falle, wo
die Antimonspitze die positive, die Aluminiumplatte die
negative Electrode bildet, wird der electrische Funkenstrom
äquatorial in der Richtung des Pfeiles I abgelenkt werden;
bei der Gegenentladung jedoch in entgegengesetzter Richtung,
wie es der Pfeil II andeutet. Durch die Auswahl einer Spitze
aus Antimon und einer Platte aus Aluminium lässt sich nun
genau constatiren, in welcher Richtung die von der Spitze
losgerissenen Metalltheilchen fortgeführt werden, denn in der-
jenigen Zeit, in welcher von einer Electrode aus Antimon
bereits ganz beträchtliche Quantitäten Metallstaub abgelagert
werden, ist bei einer Electrode aus Aluminium kaum eine
.Spur abgelagerten Metalles wahrzunehmen; überdies besitzen
die Antimontheilchen eine schwarze Farbe, während die
Aluminiumtheilchen weiss sind. Es sind nun folgende drei
Fälle möglich: 1. Die durch den Austritt der positiven
Electricität losgerissenen Antimontheilchen können nur äqua-
Ann. d. Phys. u. Chem. N. F. XIV. 38
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E. Reitlinger 11. Fr. Wächter.
torial in der Richtung nach L abgelenkt werden; die durch
den Austritt der negativen Electricität möglicherweise los-
gerissenen Antimontheilchen können dagegen entweder 2. axial
in der Richtung der beiden nach N und S zeigenden Pfeile
oder 3. äquatorial in der Richtung nach R abgelenkt wer-
den, sicherlich aber nicht in gleicher Richtung nach L, wie
die positiven Theilchen.
Nun ergaben unsere Versuche, dass die losgerissenen
Antimontheilchen ausschliesslich nur nach L an die Glas-
wand und die Aluminiumplatte abgelagert wurden, in axialer
Richtung und in der Richtung von R war keine Spur einer
Ablagerung von Theilchen bemerkbar. Wir erachten es
demnach für erwiesen, dass auch bei Metallspitzen nur durch
positiv electrische Entladung feste Partikelchen der Elec-
trode losgerissen und fortgeführt werden. .
Mag also die Form der Metallelectrode welche immer
sein, so ist der Austritt positiver Electricität aus ihr, und
zwar ausschliesslich dieser geeignet, eine electrische Disgre-
gation ihrer Oberfläche, beziehungsweise die Losreissung fester
Theilchen aus derselben zu bewirken. Diese Eigenschaft
positiver Entladungen bezeichneten wir in unserer früheren
Abhandlung als die Ursache zweier von den vier durch uns
unterschiedenen Formelementen electrischer Ringfiguren: der
Aufreissungsscheibe und der Aufstreuungsringe. Aber auch
der Erklärung der Liehtenberg'schen Figuren können wir
durch dieselbe eine neue und bestimmtere Fassung geben
und deren Bildung dem Verständnisse näher bringen.
Der eine von uns (Reitlinger) hat vor Jahren die
Erklärung der Lichtenberg'schen Figuren zum Gegenstande
seiner Untersuchungen gemacht.1) Er führte den Nachweis,
dass der electrische Entladungsvorgang in der Luft zwischen
Spitze und Platte als die eigentliche Ursache für die Aus-
breitung der Figuren und deren Formverschiedenheit anzu-
sehen sei, und indem er an dem Satze fest hielt, dass die
Bestäubung mit dem Villarsy'schen Gemenge die electrische
1) Reitlinger, Wien. Ber. 41. p. 358 u. ff. 1860; 48. p. 1—2.
u. p. 531 u. ff. 1861.
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E: Reitlinger u. Fr. Wächter.
595
Vertheilung auf der Harzplatte sichtbar mache, wobei alle
positiven Stellen gelb und alle negativen roth erscheinen,
leitete er die Figuren von der Anordnung und Bewegung
electrisirter Theilchen über der Platte ab, welche in den auf
der letzteren während der Entladung erzeugten Spannungen
ein vermöge der isolirenden Beschaffenheit des Harzes fixirtes
Abbild zurückgelassen haben. Um nun hiernach die Form-
verschiedenheit der positiven (gelben) Strahlenfigur und der
negativen (rothen) Scheibenfigur zu erklären, dienten folgende
Betrachtungen: Positiv electrisirten Theilchen, welche sich
von der Spitze entfernen, habe man einen Impuls in der
Richtung ihrer Electricitätsübertragung zuzuschreiben; indem
sie in solcher Weise schief von der Spitze nach der Platte
fahren, streifen sie vermöge Zerlegung ihrer Bewegung noch
ein Stück an der Harzfläche, radial vom Fusspunkte der
Spitze ausgehend, nach aussen fort; diese Bahnen erzeugen
positiv electrische Striche auf dem Harze, welche, durch Be-
stäubung sichtbar gemacht, die gelbe Strahlenfigur bilden.
Dagegen fehle den negativ electrisirten Theilchen ein solcher
Impuls, und finde die Ausbreitung der negativen Electricität
unter der Spitze in solcher Gleichförmigkeit rund um die-
selbe statt, dass der Schnitt zwischen ihr und der Harzfläche
eine Kreisscheibe bilde. Diese wird nachher durch Bestäu-
bung als negative rothe Kreisscheibe sichtbar. Demnach ist
die verschiedene Bewegung der electrisirten Theilchen zwi-
schen Spitze und Platte die Ursache für die Formverschie-
denheit der beiderlei Figuren. Was nun schliesslich die
nähere Bezeichnung der dabei thätigen electrisirten Theil-
chen selbst betrifft, so bot sich wohl am leichtesten die An-
nahme dar, den Luft- oder Gastheilchen die geschilderte
Rolle zuzuschreiben. In der That wurde dieselbe von dem
Urheber der eben auseinandergesetzten „Erklärung der Lich-
tenberg'sehen Figuren ausdrücklich aufgestellt.1)
In letzter Hinsicht wurden jedoch wir beide durch unser
gemeinsames Studium der electrischen Ringfiguren auf eine
neue Annahme hingewiesen. Hiernach würde man nur bei
1) Reitlinger, Wien. Ber. 43. p. 541. 1861.
38*
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596
E. Reitlinger u. Fr. Wächter.
den negativen runden Scheiben an der Rolle der Luft- oder
Gastheilchen festhalten, dagegen bezüglich derjenigen electri-
sirten Theilchen, welche nach der obigen Erläuterung die
positive Strahlenfigur erzeugen, eine neue, abweichende Vor-
aussetzung aufstellen, nämlich dieselben seien Theilchen,
welche durch die ausschliesslich positive electrische Disgre-
gation von der Spitze losgerissen und auf die Platte her-
unter geschleudert werden. Man wird sich dieselben daher
im allgemeinen als fest, statt als gasförmig vorstellen. Zur
Prüfung dieser Annahme dienten uns Versuche mit Lichten-
berg'schen Figuren, zu denen uns eine kürzlich von W. Holtz
veröffentlichte Abhandlung angeregt hat.
§ 2. In einer Mittheilung über electrische Figuren auf
der Oberfläche von Flüssigkeiten gibt W. Holtz1) an, er
habe neben Leitern aus Metall auch noch solche aus Holz
angewandt und so gefunden, dass sich je nach Wahl des
Leiters und Wahl der Flüssigkeit (der Oelsorte) die bekannte
negative Figur auch mit positiver Electricität, und die be-
kannte positive Figur auch mit negativer Electricität (wir
sprechen mit Holtz' eigenen Worten) erzeugen lasse. Nach
diesen Versuchen sei es ihm nahe gelegen, fahrt er fort, den
Einfluss eines hölzernen Leiters auch bei der Darstellung
der wirklichen Lichtenberg'schen Staubfiguren zu erproben,
und in solcher Weise sei ihm die Darstellung der negativen
Figur genau so gut mit positiver als mit negativer Electri-
cität gelungen. Er wandte dabei die Holzstange in Dicke
eines Stahlfederhalters an und hielt sie bei Zuleitung posi-
tiver Electricität mehr oder weniger hoch über der Harz-
fläche. Diese Angabe von Holtz fanden wir bei Wieder-
holung des Versuches mit einer staubfreien Holzstange voll-
ständig bestätigt; je nach der Anwendung positiver und
negativer Electricität bekamen wir gelbe oder rothe Kreis-
scheiben ohne bemerkbare Formverschiedenheit. Wir glauben
jedoch, aus der so erhaltenen Kreisscheibe nicht schliessen
zu dürfen, dass hier wirklich positive Electricität eine nega-
tive Figur im Sinne einer IJmkehrung des Artunter-
1) W. Holtz, Wied. Ann. 11. p. 717. 1880.
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E. Reitlinger u. Fr. Wächter.
597
schiedes positiver und negativer Electricität erzeuge. Eine
solche Umkehrung in der vollen Bedeutung des Wortes halten
wir überhaupt nicht für möglich. Dasjenige, was hier der
Erklärung bedarf, ist nur der Umstand, dass eine und die-
selbe positive Ladung je nach der Wahl des Zuleiters ent-
weder eine Kreisscheibe oder eine Strahlenfigur bewirkt.
Um zur Erkenntniss der Ursache dieser Erscheinung zu
gelangen, untersuchten wir zunächst eine Reihe von Elec-
troden aus den verschiedenartigsten Materialien. Die dies-
bezüglichen Versuche ergaben folgende Resultate:
Wählt man die Electroden aus irgend einem beliebigen
Metalle oder aus Graphit, Stein-, Retorten- und Holzkohle
oder aus Bleiglanz, Grauspiessglanz , Hämatit, Eisenvitriol-
kry stallen, Kreide, Marmor, Mergel oder aus Quecksilber, con-
centrirter Schwefelsäure, Kupfervitriollösung, Eisenvitriollö-
sung, Kochsalzlösung und anderen Salzlösungen, destillirtem und
Brunnenwasser, wässerigem und absolutem (96°/0) Alkohol,
so erhält man bei Zuleitung positiver Electricität stets strah-
lenförmige Figuren, wie Fig. 5 Taf. V eine solche darstellt.
Bei Anwendung von Electroden aus trockenem Holze,
Papier, Hanf, Watte, Wolle, Bergkrystall, krystallisirtem
Gyps, krystallisirtem Kochsalze, isländischem Doppelspath,
Flussspath und Tropfstein erhält man dagegen runde, schei-
benförmige Figuren, wie Fig. 6 Taf. V zeigt.
Gar keine Figuren werden erhalten, wenn man die Zu-
leitung der Electricität mittelst Electroden aus Glas, Harz,
Wachs, Talg, Kautschuk, Porzellan, Seide oder Federn ver-
sucht. Es werden somit bei Anwendung der besseren Leiter
der Electricität als Electroden strahlenförmige positive
Figuren erzeugt, bei Halbleitern scheibenförmige positive
Figuren und bei Anwendung von Isolatoren gar keine
Figuren.
Das Holz und die übrigen Halbleiter bewirken jedoch
nur unter der Bedingung scheibenförmige positive Figuren,
wenn die Oberfläche derselben vollkommen staubfrei ist.
Stäbchen aus Holz, welche durch längeres Liegen im Zimmer
mit Staub bedeckt, oder künstlich mit irgend einem Staube
eingestäubt wurden, lieferten scheibenförmige Figuren, welche
598
E. Reitlinger u. Fr. Wächter.
von einer grösseren oder geringeren Anzahl radialer Strahlen
durchzogen waren, wie Fig. 7 Taf. V dies darstellt.
Benutzte man einen Holzstab von der Form eines Feder-
halters, dessen nach unten, der Harzplatte zugewendete Spitze
eingestäubt wurde, in rascher Folge zur Erzeugung von etwa
zehn bis zwanzig positiven Lichtenberg'schen Figuren, so
nahm die Zahl der radialen Strahlen inmitten der runden
Scheibenfigur sichtlich ab, und schliesslich, wenn durch die
wiederholte electrische Entladung sämmtlicher Staub von der
Oberfläche des Holzstabes fortgetrieben war, erhielt man
wieder vollkommen gleichmässig mit Schwefelstaub bedeckte
Scheibenfiguren, wie Fig. 6 Taf. V zeigt, ohne jede Beimischung
radialer Strahlen. Als wir jedoch die Holzstange an ihrem
unteren Ende mit einem feinen Metallstaube, etwa Bronce-
pulver oder feiner Eisen- oder Messingfeile bestreuten, so
erhielten wir genau solche Strahlenfiguren wie bei Anwendung
einer Spitze aus massivem Metalle (Taf. V Fig. 5) ohne die
geringste Spur einer scheibenförmigen Ausbreitung.
Diese Thatsache bestätigte unsere oben ausgesprochene
Vermuthung, dass die electrische Disgregation der Electro-
den durch electro-positive Entladung eine einfache Erklä-
rung der Formverschiedenheit der Lichtenberg'schen positi-
ven Strahlenfigur und der negativen Scheibenfigur darbietet
Ueber die Ursache der Entstehung der positiven Strahlen-
figur haben wir uns nämlich auf Grund der vorstehend mit-
getheilten Versuche folgende Anschauung gebildet: Die posi-
tive Strahlenfigur entsteht dadurch, dass einzelne positiv
electrisirte Theilchen in festem oder flüssigem Aggre-
gatzustande sich von der Spitze in der Richtung ihrer
Electricitätsübertragung entfernen, schief von der Spitze nach
der Harzplatte fahren und auf derselben radial vom Fuss-
punkte der Spitze fortschleifen. Diese Theilchen erzeugen
positiv electrisirte Striche auf dem Harze, welche, durch Be-
stäubung sichtbar gemacht, die gelbe Strahlenfigur bilden.
Bestehen die jeweilig angewendeten Electroden dabei
aus schlechter leitendem Materiale, so ist zur Entstehung der
strahlenförmigen Figur das Vorhandensein von staubförmigen
Partikeln auf der Oberfläche der Electroden erforderlich.
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E. Reitlinger u. Fr. Wächter
599
Fehlen diese Staubpartikel, so erfolgt die Electricitätsüber-
tragung durch die Grastheilchen zwischen Spitze und Harz-
platte, und es entstehen gleichförmig mit Schwefelstaub be-
deckte scheibenförmige Figuren. Bei Anwendung von guten
Electricitätsleitern ist das Vorhandensein von Staub auf der
Oberfläche der Electroden unwesentlich. Die zur Erzeugung
der Strahlenfigur erforderlichen Partikel werden hier infolge
der electrischen Disgregation durch electropositive Entladung
aus dem Materiale der Electroden selbst losgerissen, wie wir
dies sowohl bei der Bildung der Aufstreuungsringe1), als
auch durch den eingangs mitgetheilten Versuch nachgewiesen
haben.
Die positive Lichtenberg'sche Strahlenfigur und die Auf-
streuungsringe auf Metallplatten haben somit die gleiche
Entstehungsursache, nur ist zur Bildung deutlich sichtbarer
Aufstreuungsringe eine bedeutend grössere Menge losgeris-
sener Electrodentheilchen erforderlich, als zur Bildung der
Lichtenberg'schen positiven Strahlenfigur.
Die vorstehend erörterten Versuche wurden in der Weise
ausgeführt, dass die Electroden in Form von 5 bis 20 cm
langen, 2 bis 5 mm dicken Stäbchen senkrecht in geringer
Distanz über der Harzplatte angebracht waren, und deren
oberes Ende entweder direct mit dem Conductor der Rei-
bungselectrisirmaschine oder mit der inneren Belegung einer
Leydener Flasche oder Leydener Batterie leitend verbunden
wurde.
Zur Untersuchung flüssiger Electroden wurden die Flüs-
sigkeiten in weitere, am unteren Ende capillar ausgezogene
Glasröhren gefüllt, welche zur Vermeidung der Leitung über
die feuchte Glasoberfläche an ihrer Aussenseite mit Siegel-
lack überzogen wurden, und in deren oberes Ende durch
einen Kork ein Zuleitungsdraht bis zur Berührung mit der
Flüssigkeit hineingesteckt wurde. Zweckmässiger erwies sich
jedoch zum Studium dieser Figuren ein anderes Verfahren.
Während nämlich die früheren Figuren auf Harzplatten
1) E. Rcitlinger u. Fr. Wächter, Wien. Ber. 82. II. Abth.
p. 211. 1880.
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600
E. Reitling er u. Fr. Wächter.
erzeugt wurden, verwendeten wir bei der zweiten Methode
gereinigte, trockene Glastafeln. In der Mitte derselben wurde
ein Tropfen der zu untersuchenden Flüssigkeit gebracht und
von oben her mittelst eines 20 cm langen, 5 mm dicken,
unten zugespitzten Holzstabes der Flüssigkeit Electricität
zugeleitet. Brachte man nun unter den Holzstab einen
Tropfen Quecksilber oder concentrirte Schwefelsäure, Kupfer-
vitriollösung, andere Salzlösungen, destillirtes oder Brunnen-
wasser, wässerigen oder absoluten Alkohol, so entstanden
stets rings um den Tropfen herum strahlenförmige positive
Figuren, wie Fig. 8 Taf. V zeigt. Schwefeläther gab mit-
unter ausser der strahlenförmigen Figur auch Spuren einer
ringförmigen, positiven Figur, doch ist es bei der Flüchtig-
keit desselben sehr schwierig, deutliche Figuren zu erhalten.
Die negativen Figuren stellten sich unter den gleichen Um-
ständen stets als scheibenförmige Figuren dar, wie Taf. V
Fig. 9 veranschaulicht. Bei Anwendung von Benzol, Petro-
leum, Schwefelkohlenstoff, Terpentinöl und Olivenöl konnten
keine Lichtenberg'schen Figuren, weder positive noch nega-
tive erhalten werden. Während nämlich die früher genannten
besser leitenden Flüssigkeiten bei Zuleitung der Electricität
nur eine geringe Abplattung des Tropfens erkennen Hessen,
wurden die schlechter leitenden Flüssigkeiten durch die Elec-
trisirung fast momentan über die ganze Platte ausgebreitet.
Dieselben zeigten dabei eine Verästelung der Flüssigkeits-
schicht, welche am feinsten gegliedert bei Schwefelkohlen-
stoff (Taf. V Fig. 10) war, am wenigsten gegliedert bei
Olivenöl (Taf. V Fig. 11). Noch eines merkwürdigen Uni-
standes müssen wir gedenken. Verwendet man möglichst
gleichmässig ausgebildete Krystalle von Turmalin oder eisen-
schüssigem Quarz als Electroden, deren Hauptaxe vertical
zur Harzplatte gestellt ist, so entstehen stets drei Lichten-
berg'sche Figuren, in ihrer Lage den drei unteren Pyramiden-
flächen entsprechend. Diese drei Figuren sind jedoch in der
Hegel voneinander verschieden, sodass man entweder zwei
strahlenförmige und eine scheibenförmige Figur (Taf. V
Fig. 12), oder eine strahlenförmige und zwei scheibenförmige
Figuren erhält (Taf. V Fig. 13). Aehnliches zeigen auch
Google
E. Reitlinger u. Fr. Wächter.
601
andere Krystalle. Reiner, d. h. eisenfreier Bergkrystall und
"Würfel aus Kochsalz geben gleichzeitig positive und nega-
tive, also bei Villarsy'schem Gemenge gelbe und rothe Schei-
benfiguren, ebenfalls der Stellung der Krystallflächen gegen
die Harzplatte entsprechend. Die Erscheinungen traten
jedoch, ohne dass wir die Umstände wissentlich geändert
hatten, so wechselnd auf, dass wir keine Gesetzmässigkeit
darin erkennen konnten.
Oben sahen wir, dass je nach dem Stoffe, mittelst dessen
die Electricität zugeleitet wird, positive Ladungen eine strah-
len- oder scheibenförmige Figur erzeugen. Niemals begegnen
wir aber bei negativen Ladungen einer ähnlichen Erschei-
nung. Es ist dies sehr wichtig und tritt besonders charak-
teristisch bei den aus positiven und negativen Theilen ge-
mischten Figuren hervor, wie man sie beispielsweise mit dem
JiuhmkorfFschen Apparate erhält. In der Regel beobachtet
man hier einen Wechsel zwischen negativen rothen Kreis-
ringen und positiven gelben Strahlenkränzen. Während man
aber unter entsprechenden Umständen auch positive gelbe
Kreisringe erzeugen kann, nimmt man niemals negative rothe
Strahlenkränze wahr, ja nicht einmal einen einzelnen rothen
Strich, wie wir in gelben Scheibenfiguren häufig dergleichen
einzelne gelbe, meistens radial gestellte Striche, gewisser-
massen Grundelemente einer Strahlenfigur, antreffen.
Wo und wie immer negative Electricität an die
Harzfläche übergeht, hinterlässt sie Spuren kreis-
förmiger Ausbreitung, während die Uebertragung
positiver Electricität je nach den Umständen in
radialen Strichen oder auch in kreisförmigen Schei-
ben und Ringen geschehen kann. Eine Umkehrung
des Artunterschiedes Lichtenberg'scher Figuren,
mittelst deren negative Electricität eine Strahlen-
figur gäbe, ist bis zum kleinsten Striche oder Strahle
herab unmöglich. Dies ist ein aus allen unseren Ver-
suchen fliessendes allgemeines Resultat.
Um einem leichtmöglichen Irrthume vorzubeugen, dürfen
wir aber dasselbe nicht etwa in folgender Weise ausdrücken:
Eine rothe, durch Mennigepulver kenntlich gemachte Strah-
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602
E. Reitlinger u. Fr. Wächter.
leniigur sei nicht möglich. Das wäre unrichtig, denn rothe
Strahlenfiguren, sogar gemischt mit gelben Scheibenfiguren,
können wir allerdings bekommen, nur bedeutet dann Roth
positive und Gelb negative Electricität. Zu diesem Behufe
brauchen wir nur das Villarsy'sche Gemenge aus Schwefel und
Mennige, statt es durch Musselin durchzubeuteln, durch eine
kleine Oeffnung, z. B. eine ausgezogene Glasröhre, heraus-
zublasen. In diesem Falle werden die Schwefel- und Men-
nigetheilchen im entgegengesetzten Sinne electrisirt, als bei
der Reibung an Musselin. So lehrte es uns eine gelegent-
liche Erfahrung. Von derselben ausgehend, haben wir ein
Fläschchen mit Villarsy'schem Gemenge gefüllt und dasselbe
mit einem ausgezogenen Glasrohre verschlossen. In dieser
Form gab es uns die positive Mischfigur eines mittelgrossen
Ruhmkorff als gelbe Scheibe mit rothem Strahlenkranze.
Versahen wir es nun mit einem Ansätze, der aus einer nach
aussen hin von einer mehrfachen Musselinlage bedeckten
Röhre bestand, so bekamen wir eine rothe Scheibe mit
gelbem Strahlenkranze. In gleicher Weise erhielten wir
mit einer und derselben Ladung einer Leydener Flasche je
nach Belieben eine rothe oder gelbe Strahlenfigur und des-
gleichen auch Scheibenfiguren. Auf diese Art hat man es
ganz in der Hand, gelbe oder rothe Strahlenfiguren zu
erhalten, nur sind dann letztere nicht minder positiv als
erstere.
§ 3. So mannichfaltig die Stoffe auch waren, mit denen
wir experimentirten, so lieferten sie uns doch nur dreierlei
Staubfiguren: 1. positive strahlenförmige; 2. positive schei-
benförmige; 3. negative scheibenförmige. Niemals -erzeugt
negative Electricität eine strahlenförmige Figur, ja nicht
einmal nur einen einzigen jener radialen Striche, woraus
eine solche gebildet ist. Positive Electricität liefert aber je
nach der Wahl des Stoffes, aus dem die zur Zufuhr der
Electricität an die Harzfläche benutzte Electrode hergestellt
ist, strahlen- oder scheibenförmige Figuren. Unverkennbar
ist hierbei der Einfluss der Leitungsfähigkeit. Die zehn
besten Leiter in jener Reihe, in welcher die Encyclopedia
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E. Reitlinger u. Fr. Wächter.
603
metropolitana l) die Stoffe nach ihrem Leitungsvermögen
geordnet hat: „Die gebräuchlichsten Metalle, gut gebrannte
Holzkohle, Graphit, concentrirte Säuren, Kohlenpulver, ver-
dünnte Säuren, Salzlösung, Seewasser, Quellwasser, Regen-
wasser" geben insgesammt Strahlennguren, während die Halb-
leiter überwiegend Scheibenfiguren liefern. Diesen Einfluss
übt die Leitungsfähigkeit der Electrode aus, indem sie be-
stimmend auf die Zeitdauer der Entladung einwirkt. Bezold
hat schon bei Metallspitzen gefunden, dass die Entladungs-
dauer die Form der positiven Figuren beeinflusse; während
dieselben aus vielen geradlinigen radialen Strahlen bestehen,
wenn die Entladung rasch vor sich geht, zeigen sie eine ge-
ringere Zahl unregelmässig verkrümmter und ungleich langer
Aeste, wenn die Bildung der Figur langsam erfolgt.2) So
lange man jedoch Metallspitzen anwendet, ist die Verlang-
samung der Entladung nicht im Stande, die Strahlen gänz-
lich verschwinden zu machen und an ihrer Stelle eine
Scheibe entstehen zu lassen. Dazu ist es noth wendig, die
Electrode selbst aus einem Halbleiter statt aus einem Leiter
herzustellen.
Zur Erläuterung des Einflusses, den die Entladungsdauer
ausübt, erinnern wir an den Unterschied in den Wirkungen
des Oeffnungs- und Schliessungsstromes beim Ruhmkorffschen
Apparat. Die in Bewegung gesetzte Electricität ist in beiden
Fällen die gleiche. Die viel kürzere Zeit aber, während
welcher diese Electricität sich beim Oeffnungsstrome dies-
seits und jenseits der Unterbrechungsstelle ansammelt, gibt
ihr in diesem Falle die Kraft, einen Funken mit Schlagweite
zu bilden, was wohl kaum jemals ohne Fortführung von
Electrodentheilchen geschieht. Auch in unserem Falle hängt
von der Entladungsdauer die Kraft ab, womit die Electricität
die an der Electrode befindlichen Theilchen loszutrennen
und als Träger der Entladung an die Platte zu führen be-
strebt ist.
Ausser der Entladungsdauer dürfte noch die Oberflächen -
1) Encyclopedia metropolitana. Lond. 1830. Electricity 72. Riesa,
Reibung8electricität. 1. p. 28. Berlin 1853.
2) Bezold, Pogg. Ann. 144. p. 341. 1871.
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604
E. Reitlinger u. Fr. Wächter.
beschaffenheit der Electrode bestimmend darauf einwirken,
ob Strahlenfigur oder Scheibe entsteht. Darauf scheint uns
die Strahlenfigur bei einigen Halbleitern hinzudeuten und
noch mehr das Ergebniss unserer Versuche mit Holzspitzen,
welche nur ganz staubfrei eine reine positive Scheibe, sonst
aber eine solche mit einzelnen radialen Strichen und nach
vorhergehender Eintauchung in Metallstaub sogar eine voll-
ständig unvermischte Strahlenfigur liefern.
Zur unmittelbaren Erklärung aber, warum je nach den an-
geführten Umständen Strahlenfigur oder Scheibe sich bildet,
bietet sich nur eine einzige natürliche und einfache Annahme
dar, die nämlich, es entstehe die positive Strahlenfigur durch
Fortschleuderung electrisirter Stäubchen von der Electrode
zur Platte, die positive Scheibe durch Electricitätsüb ertra-
gung mittelst der zwischen Electrode und Platte befindlichen
Luft- oder Gastheilchen. Dadurch werden alle vorgedachten
Versuche begreiflich und zu eben so vielen Beweisen der
neuen Vorstellung. Bei Metallspitzen und unverzögerter
Entladung werden die Stäubchen hinreichend starke und
zahlreiche Impulse erhalten, um die Electricität in vielen
geradlinigen, radialen Bahnen an die Platte zu übertragen
und eine regelmässige Strahlenfigur zu bilden. Die Verlang-
samung der Entladung z. B. durch Einschaltung eines feuch-
ten Leiters zwischen Electricitätsquelle und Spitze vermin-
dert den Impuls an die Stäubchen, weshalb dieselben leichter
von ihren Bahnen abgedrängt und abgelenkt werden, wodurch
sich die von Bezold in diesem Falle beobachteten, ver-
krümmten und ungleich langen Strahlen erklären. Dass nur
die positive Electricität eine Strahlenfigur bildet, hat zur
Urache, dass auch Partikelchen nur durch positive Electri-
cität aus der Oberfläche der Electroden losgerissen werden.
Doch wollen wir damit Stäubchen nicht ausschliessen, welche
an den Electroden haften und durch die Electricität an die
Platte, dort strahlenbildend, geführt werden. Bei leitenden
Flüssigkeiten sind die electrisirten Partikelchen, welche über
die Platte in radialen Bahnen hinstreifend die Strahlenfigur
erzeugen, sehr feine Tröpfchen, meistens von unwahrnehm-
barer Kleinheit. Doch bemerkten wir oftmals Feuchtigkeits-
E. Reitlinger u. Fr. Wächter. 605
spuren in strahlenförmiger Ausbreitung, welche beim Be-
stäuben mit Villarsy'schem Gemenge gelbe, radiale Striche
und Strahlenfiguren bildeten. Alle diese Fortführungen von
Partikelchen im Sinne der Entladung vom Zuleiter zur
Platte, wodurch auf letzterer Strahlenfiguren erzeugt werden,
werden nur durch positive Electricität bewirkt und schliessen
sich darin der electrischen Disgregation an.
Wenn aber bei der Anwendung von Electroden aus Halb-
leitern, statt aus Leitern, eine positive Scheibe an die Stelle
der positiven Strahlenfigur tritt, so lässt sich auch dies nach
der angenommenen Vorstellung über die Entstehung der
letzteren unschwer begreifen. Infolge des verminderten Lei-
tungsvermögens der Electrode und »der dadurch bewirkten
Verlangsamung der Entladung fehlt den electrischen Impul-
sen die Kraft, Partikelchen von der Electrode abzutrennen
und zu Trägern der Entladung zu machen. Solche Partikel-
chen sind es aber, welche die einzelnen Strahlen und damit
auch die Strahlenfigur erzeugen. Nach ihrem Wegfall bleibt
auch für die positive Electricität nur mehr die Uebertragung
durch die Luft- oder Grastheilchen übrig, wie sie bei der
negativen Electricität jederzeit und ausschliesslich statt hat.
Wenn also bei den Halbleitern: Holz, Wolle, Tropfstein etc.
eine scheibenförmige positive Figur entsteht, so ist dies da-
durch bedingt, dass die electrischen Impulse zu schwach
sind, um Partikelchen von der Electrode loszutrennen, aber
stark genug, um eine merkbare Quantität Electricität von
der Electrode an die Platte zu überführen. Bei den Isola-
toren fallt auch das letztere und damit jede Figur weg.
Schon im § 2 wiesen wir auf die Unterstützung hin, die
unsere Vorstellung dadurch erhält, dass bei einer nicht staub-
freien Holzstange eine gemischte Figur eigener Art entsteht,
eine gelbe Scheibe mit einer grösseren oder geringeren An-
zahl gelber, radialer Striche, welche durch eine stärkere Lage
Schwefel sichtbar werden, eine Figur, die also zwar ganz und
gar positiv ist, aber zum Theile strahlen- und zum Theile schei-
benförmig; die Scheiben werden wir von der Gasentladung,
die Strahlen von der Entladung durch Staubpartikelchen
ableiten.
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606
E. Reitlinger u. Fr. Wächter.
Zur Bestätigung unserer Vorstellung dienen ferner Be-
obachtungen an Figuren, welche man unter dem Recipienten
der Luftpumpe mittelst eines zuleitenden Metallstabes bei
verschiedenen Verdünnungsgraden erzeugt. Hier bekommt
man bei positiver Electricität zunächst die Strahlenfigur,
welche sich mit wachsender Verdünnung immer mehr ver-
größert, bekanntlich im Verhältnisse der Verdünnung; zu-
gleich bemerkt man aber bei der Bestäubung im Centrum,
je mehr man verdünnt, um so mehr eine gelbe, scheibenför-
mige Figurenbildung, wohl von der sich mit der Abnahme
des Druckes immer mehr entwickelnden Gasentladung her-
rührend. Endlich gelangt man zu einem Verdünnungsgrade
(20 — 60 mm Quecksilberhöhe), bei dem keine Strahlenfigur
mehr entsteht, und nun bemerkt man zuweilen einen gelben
Kreisring, den man kaum anders als durch Gasentladung
erklären kann. Die Bedingungen für die Bildung dieses
Ringes vermochten wir bisher nicht genau festzustellen.
Dass Gasentladung auch bei Metallspitzen keine Strahlen
zu erzeugen im Stande ist, wird aber noch unmittelbarer
durch folgenden Versuch erwiesen. Wir durchbohrten unsere
Harzkuchen derart in der Mitte, dass eine kleine Stelle der
Metallform blank gelegt wurde. Die Metallform wurde dann
mit dem negativen Pole des Ruhmkorffs, die in einer
Entfernung von 10 — 20 mm über der durchbohrten Harz-
platte befindliche Metallelectrode mit dem positiven Pole
verbunden, sodass ein continuirlicher Funkenstrom durch die
Mitte des Harzkuchens ging. Der grosse Rumkorff wurde
dabei durch fünf Bunsen'sche Elemente von einem Quadrat-
fuss Zinkfläche angeregt und entwickelte eine bedeutende
Aureole. Bestäubten wir nachher die Platte, so bekamen wir
die auf Taf. V abgebildete Fig. 14. Man nimmt an ihr zwei
positive Strahlenkränze und einen positiven (gelben) Kreis-
ring wahr. Wir hatten denselben als eine Wirkung der reich
entwickelten Aureole erwartet und schreiben ihn daher der-
selben zu, um so mehr, da der Ring durch Wegblasen der
Aureole excentrisch wird. Andererseits werden wir aber die
gleichzeitig auftretenden Strahlenkränze, wie überhaupt die
sonst bei Metallspitzen so regelmässig erzeugten Strahlen-
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E. Reitlinyer u. Fr. Wächter.
607
figuren als eine Wirkung electrisirter, von der Electrode zur
Platte im Sinne des Entladungsstromes übergeführter Stäub-
chen betrachten.
Sehen kann man allerdings diese Stäubchen auf der
Harzplatte nicht. Man bedenke jedoch, welchen Zustand
höchst feiner Vertheilung der bei den Aufstreuungsringen
heruntergeführte Metallstaub besitzt, und wie relativ wenige
solcher Stäubchen zur reichsten Strahlenfigur genügen. Ebenso
wenig wird man aber erwarten, den Gewichtsverlust der
Spitzen infolge der Losreissung von Theilchen durch Wä-
gungen nachweisen zu können, nachdem dies schon bei den
Aufstreuungsringen Schwierigkeiten bereitet, und kein Zweifel
obwaltet, dass zur Bildung von Aufstreuungsringen ohne
Vergleich grössere Mengen losgerissener Electrodentheilchen
erforderlich sind, als zur Bildung der positiven Lichtenberg -
schen Strahlenfigur.
Bekanntlich besitzen die Lichtenberg'schen Figuren die
Eigenschaft, dass ihre Bestandteile, je nachdem sie positiv
oder negativ sind, bei der Bestäubung die gelbe oder rothe
Farbe annehmen. Indem man also stets nur gelbe Strahlen-
figuren und nie rothe bekommt, und selbst der einzelne
radiale Strich stets nur gelb und niemals roth ist, wird von
den Partikelchen selbst, von den Stäubchen oder Tröpfchen,
welche Strahlen erzeugen, bis zum einzelnen Partikelchen
herab der Nachweis geliefert, dass ausschliesslich die posi-
tive Entladung solche Theilchen von der Electrode abtrennt
und zur Platte führt. Mittelst Analogieschlusses dient dies
auch zur Bestätigung des ausschliesslich positiven Charakters
der bei den Kingfiguren beobachteten Losreissung und elec-
trischen Disgregation.
Dagegen ist die electro-negative Entladung aus Metall
oder einem anderen Leiter in Luft weder im Stande, eine
electrische Disgregation der Electrode, noch eine Fortfüh-
rung von Staubtheilchen zu bewirken und vermag daher auch
keine strahlenförmige Staubfigur zu erzeugen. Bei Bildung
von Lichtenberg'schen Figuren findet die Entladung von
negativer Electricität ausschliesslich als Gasentladung statt.
Wir glauben somit zur Erklärung der Formverschieden-
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608
E. Reitlinger u. Fr. Wächter.
heit der Lichtenberg'schen Figuren den Satz aussprechen zu
, können:
Die positive Lichtenberg'sche Strahlenfigur
wird durch einzelne von der Electrode losgerissene
oder fortgeführte Staubpartikel erzeugt, die posi-
tive, sowie die negative Scheibenfigur werden da-
gegen durch Gasentladungen hervorgebracht.
Nachschrift von Edmund Reitlinger.
In der im Eingange von § 2 der vorstehenden Abhand-
lung citirten Mittheilung hat Hr. W. Holtz electrische
Figuren auf Oelen beschrieben und abgebildet. In dieser
Beziehung sehe ich mich zu einer Prioritätsreclamation ge-
nöthigt Schon im Jahre 1862 habe ich unter Assistenz des
Hrn. Luka Zerjau Lichtenberg'sche Figuren auf Oelen
dargestellt und eine Mittheilung darüber der von mir und
Franz Kraus in den Sitzungsberichten der k. Academie
der Wissenschaften veröffentlichten Abhandlung „über Bran-
de's electro-chemische Untersuchungen" anmerkungsweise
beigefügt.1) Daselbst heisst es: „Man erhält Lichtenberg'sche
Figuren auf Oelen durch Entladung positiver oder negativer
Electricität von einer Spitze gegen die in einer kleinen Ent-
fernung befindliche Oberfläche des Oeles. Man bekommt
sodann unter der positiven Spitze eine sternförmige Figur,
gebildet durch Wellenberge, welche unter der Spitze zusaro-
menstossen. Unter der negativen Spitze erhält man Wellen-
züge, die in concentrischen Kreisen die Spitze umschliessen.
Die Wellen richtun gen der ersten und zweiten Figur stehen
aufeinander senkrecht." Ich glaube nun nicht zu irren, dass
vorstehende Schilderung die von Hrn. Holtz abgebildeten
und beschriebenen beiden Oelh'guren2), welche Hr. Luka
Zerjau und ich schon damals beobachtet haben, auch für
dritte Personen unverkennbar darstellt. Dagegen ist, so weit
mein Wissen reicht, Hr. W. Holtz der erste, welcher sich
1) Reitlinger, Wien. Ber. 4tf. p. 374. 1862.
2) Holtz, Wied. Ann. 11. p. 717. 1880.
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E. Reitlinger u. Fr. Wächter.
609
sowohl bei Oelfiguren als gewöhnlichen Staubfiguren hölzer-
ner Zuleiter bedient hat.
Versuche, welche im Texte der oben citirten Abhand-
lung mitgetheilt sind1), geben mir noch zu einer ferneren
Prioritätsreclamation Hrn. Holtz gegenüber Anlass, zu der
ich mich im eigenen und im Interesse des Mitverfassers jener
Abhandlung, des Hrn. Franz Kraus, gezwungen sehe. Hr.
Holtz beschreibt2) eine Reihe von Versuchen über polar-
electrische Attraction suspendirter Körperchen in isolirenden
Flüssigkeiten, von denen er sagt, er müsse sie, „soweit seine
Ermittelungen reichen", für neu halten. Solche Versuche
haben aber ich und mein Mitarbeiter schon 1862 mit Kork-
feilicht, Kohlenpulver und Schwefelblumen angestellt; während
die suspendirten Theilchen der zwei ersten Stoffe sich am
negativen Pole ablagerten, thaten dies die Schwefeltheilchen
am positiven Pole. Auch wir bedienten uns wie Holtz, im
Unterschiede zu Quincke, weiter, offener Gefässe, nur
mussten wir uns auf die Reibzeugmaschine beschränken, da
uns 1862 die Influenzmaschine noch nicht zu Gebote stand.
Der Erfolg ist aber, wie Holtz selbst bemerkt, bei der An-
wendung isolirender Flüssigkeiten von diesem Umstände un-
abhängig. Auch die Figuren zwischen den Polen, welche
den magnetischen Curven gleichen, bemerkten wir schon und
gebrauchten denselben Vergleich. Wenn aber Hr. Holtz
das „Ankleben" der Theilchen an den Polen besonders be-
tont, so wollten wir mit dem Ausdrucke „Ueberzug" der Pole
offenbar dieselbe Erscheinung bezeichnen, was um so unver-
kennbarer ist, als es eine von uns ersonnene Theorie der
electrolytischen Ausscheidung an den Polen war, was uns zu
den Experimenten führte, deren Erfolg in der später gefun-
denen Weise wir im voraus vermuthet hatten. Die Ablage-
rung der Schwefeltheilchen am positiven und der Kork- oder
Kohlentheilchen am negativen Pole, wie sie am angeführten
Orte bereits 1862 beschrieben ist und Jahre später, wenn
auch davon unabhängig, von Hrn. Holtz beobachtet wurde,
» •
1) Reitlinger, Wien. Ber. 46. p. 376—378. 1862.
2) Holtz, Pogg. Ann. Ergbd. 7. p. 490. 1876.
Ann. d. Phys. u. Chem. N. F. XIV. 39
\ I
610
A. Ritter.
betrachte ich als electrische Fundamentalerscheinung und
schreibe ihr für die Erklärung der Electrolyse eine grund-
legende Bedeutung zu; nach meiner Ansicht stellt sie näm-
lich den electrischen Vorgang bei der electrolytischen Aus-
scheidung dar, losgelöst vom chemischen Processe. Daher
lege ich Werth darauf, die Erscheinung schon im Jahre 1862
mit meinem Mitarbeiter aufgesucht und gefunden zu haben.
VI. Untersuchungen über die Höhe der
Atmosphäre und die Constitution gasförmiger
Weltkörper ; von A. Mitter in Aachen.
Zwölfte Abtheilung.
§ 45. Atmosphäre von überhitztem Wasserdampfe.
Wenn mit p der Druck und mit v das specifische Volu-
men des gesättigten Wasserdampfes bei der Temperatur von
t Grad Celsius bezeichnet wird, und wenn das Gesetz, nach
welchem p mit v sich ändert, durch eine Curve geometrisch
dargestellt wird, so repräsentirt — wie in § 27 gezeigt wurde
— der Flächeninhalt der von dieser Curve begrenzten Fläche
F (als deren obere Begrenzung die Coordinate v anzusehen
ist) die Höhe, welche eine Atmosphäre klaren, gesättigten
Wasserdampfes auf einem Welt-
körper von der Grösse und Masse
der Erde besitzen würde, wenn
die Temperatur der untersten
Atmosphärenschicht -f- 1 Grad
Celsius beträgt.
Die ganze Fläche F kann
man sich auf die in Fig. 17 an-
gedeutete Weise in die beiden
Fig. 17.
Theile F0 und f zerlegt denken,
von denen der erstere den der
Temperatur von Null Grad Celsius entsprechenden Werth von
F darstellt, während der letztere den der Temperaturzunahme
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A. Hüter.
611
von Null bis + t entsprechenden Zuwachs von F repräsentirt.
Da innerhalb der Temperaturgrenzen t = +200° und l= — 30°
die Forin jener Curve ziemlich genau bekannt ist, so kann inner-
halb dieser Grenzen für jeden Werth von t der zugehörige
Werth von / unabhängig von jeder Hypothese numerisch
bestimmt werden, und man erhält z. B. die nachfolgenden
zusammengehörigen Zahlenwerthe:
t = +100° +30° 0° -30° -273°
/ sb +79000 + 27000 0 -32000 -F0
F = F0 +79000 F0 +27000 F0 i^0-32000 0
Die Art des Verlaufes der Curve innerhalb desjenigen
Gebietes, für welche dieselbe genau bekannt ist, rechtfertigt
die Hypothese, dass die mit F0 bezeichnete Fläche eine
endliche Grösse hat. Da jedoch für Temperaturen unter-
halb — 30 Grad Celsius die Form jener Curve nur annähe-
rungsweise bekannt ist, so entzieht sich die Grösse F0 selbst
einer genaueren numerischen Bestimmung. Als einigermassen
sicher darf man annehmen, dass die durch diese Fläche
repräsentirte Atmosphärenhöhe mehr als 350 000 m beträgt.
Denn jedenfalls ist die Höhe der klaren (d. h. von Con-
densationsproducten freien) gesättigten Wasserdampfatmo-
sphäre grösser als diejenige Höhe, welche die gesättigte
Wasserdampfatmosphäre bei adiabatischer Zustandslinie
annehmen würde, für welchen letzteren Fall in § 3 die Höhe
#=348 952 m als Annäherungswerth gefunden wurde (vgl. §27).
Da es jedoch nicht die absoluten Werthe von F, sondern
nur die Differenzen derselben sind, welche bei der nach-
stehenden Untersuchung zur Verwendung kommen, so ist es
für den vorliegenden Zweck nicht erforderlich, in Betreff
des numerischen Werthes der Grösse F0 neue Hypothesen
aufzustellen.
Für ein ideales Gas würde die Höhe der im indiffe-
renten oder adiabatischen Gleichgewichtszustande befindlichen
Atmosphäre nach der in § 2 gefundenen Gleichung zu be-
rechnen sein, und für die Höhendifferenz zweier Punkte, in
welchen die Temperatur resp. t und ^ Grad Celsius beträgt,
erhält man den Werth:
39*
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612
A. Ritter.
(450) h=±[t-tx).
Bei sehr geringer Dichtigkeit darf der überhitzte
Wasserdampf annäherungsweise als ein ideales Gas behandelt
werden, für dessen Constanten die Werthe:
Ä = 47, A=l,3, cp = Ö,48
anzunehmen sind. Aus der obigen Gleichung ergeben sich
hiernach für überhitzten Wasserdampf z. B. die nachfol-
genden zusammengehörigen Zahlenwerthe:
t = +100° +100°
t, = 4-100° +30°
h - 0 14250 m
+ 100°
0°
20350 m
+ 100°
-30°
26460 m
+ 100°
-273°
75900 m
Da bei fortgesetzter adiabatischer Ausdehnung der über-
hitzte Wasserdampf schliesslich in gesättigten Wasser-
dampf übergeht, so wird die adiabatische Curve des ersteren
die Grenz curve des gesättigten Dampfes in irgend einem
Punkte schneiden müssen, und dieser Durchschnittspunkt wird
unter sonst gleichen Umständen einer um so niedrigeren
Temperatur entsprechen, oder einem um so grösseren Volu-
men, je weiter der Zustand des Dampfes ursprünglich vom
Sättigungspunkte entfernt war.
Eine im adiabatischen Zustande befindliche Wasser-
dampfatmosphäre, deren unterer Theil im überhitzten Zu-
stande sich befindet, wird daher in ihrem oberen Theile aus
gesättigten Dampfe bestehen, und beim Niederfallen der
Condensationsproducte wird der obere Theil die Zustands-
form des klaren, gesättigten Dampfes annehmen. Die ganze
Höhe einer solchen Atmosphäre
ist zu berechnen aus der Glei-
chung:
(451) H — F+ h,
und kann auf die in Fig. 18
angedeutete Weise dargestellt
werden durch eine Fläche, deren
Theile Fund h mittelst der oben
angegebenen Methoden einzeln
Fig. 18. bestimmt werden können, sobald
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A, Ritter.
613
die Bodentemperatur t und die Sättigungstemperatur f, ge-
geben sind.
Mit der Sättigungstemperatur tx (oder derjenigen Tem-
peratur, welche dem oben erwähnten Durchschnittspunkte
der adiabatischen Ourve mit der Grenzcurve entspricht) sind
zugleich die Werthe p} und vlf resp. für den Druck und
das specifische Volumen des gesättigten Dampfes bei dieser
Temperatur gegeben. Hiernach kann man die dem Zustande
der untersten Schicht entsprechenden Werthe von p und v
berechnen aus der für die adiabatische Zustandsänderung des
überhitzten Wasserdampfes geltenden Gleichung:
w> i - (Söf1- ist
sobald die Temperatur der untersten Schicht gegeben ist.
Wenn für die letztere Temperatur z. B. der Werth * = -f-100°
Celsius angenommen wird, so ergeben sich auf diese Weise
die nachfolgenden zusammengehörigen Zahlenwerthe:
t
+ 100°
+ 100°
+ 100°
+ 100°
+ 100°
V
1,65 cm
16,6
72,55
521,4
oo
V
10333 kg
1056
241,6
33,6
0
+ 100°
+ 30°
0°
-30°
-273°
1,65 cm
33,2
205,3
2175,4
00
Pi
10333 kg
429
62,5
5,25
0
h
0 m
14250
20350
26460
75900
H = F0 + 79000 m -F0 + 41250 ^+20350 i^-5540 75900
Diese Tabelle zeigt, dass die Höhe der Wasserdampf-
atmosphäre nicht nur von der Temperatur, sondern auch
von der Dichtigkeit der untersten Schicht abhängt. Je
grösser das specifische Volumen der untersten Schicht ist,
d. h. je weiter der Zustand derselben vom Sättigungspunkte
entfernt liegt, um so grösser ist die Höhe der Sättigungs-
grenze über der Bodenfläche, und um so kleiner ist die ganze
AtmoBphärenhöhe. Mit wachsendem Werthe von v nähern
sich diese beiden Höhen dem gemeinschaftlichen Grenzwerthe
h = H= 75900 m.
In dem oberhalb der Sättigungsgrenze befindlichen Ge-
^edby Google
614
A. Ritter.
biete des klaren, gesättigten Dampfes wird jede Vertical-
strömung eine Condensation oder Wolkenbildung verur-
sachen. Man kann daher diesen oberen Theil das Wolken-
gebiet und die Horizontalebene, in welcher der überhitzte
Dampf an den gesättigten Dampf grenzt, die untere Grenze
des Wolkengebietes nennen. Da mit px der Druck in dieser
Grenzfläche bezeichnet wurde, so hat die ganze Masse des
Wolkengebietes ein Gewicht von pl Kilogrammen pro Qua-
dratmeter der Bodenfläche, während die ganze Atmosphäre
ein Gewicht von p Kilogrammen pro Quadratmeter der Bo-
denfläche besitzt.
Die obige Tabelle zeigt, dass nicht nur das Gewi c Ii t
des Wolkengebietes, sondern auch das Verhältniss des-
selben zum Totalgewichte der Atmosphäre einen um so klei-
neren Werth annimmt, je grösser die Ueberhitzung oder je
geringer die Dichtigkeit der untersten Schicht ist. Denn
für die Verhältnisszahl pjp ergeben sich aus der obigen
Tabelle die folgenden Werthe:
v = 1,65 16,6 72,55 521,4 00
& = 1 0,406 0,259 0,156 0
V
Wenn z. B. v = 16,6 ist, so beträgt das Gewicht des Wol-
kengebietes 429 kg pro Quadratmeter oder 40,6 Proc. vom
Totalgewichte der Atmosphäre; wenn dagegen v == 521,4 ist,
so beträgt das Gewicht des Wolkengebietes nur 5,25 kg pro
Quadratmeter oder 15,6 Proc. vom Totalgewichte der Atmo-
sphäre.
Noch viel kleinere Werthe ergeben sich für die Masse
des Wolkengebietes pro Quadratmeter der Bodenfläche in
der Atmosphäre eines Weltkörpers, an dessen Oberfläche
die Fallbeschleunigung beträchtlich grösser ist als an der
Erdoberfläche. So z. B. würde in Bezug auf einen Welt-
körzer von der Grösse und Masse der Sonne sich ergeben,
dass die Masse des Wolkengebietes nur den 27,4-ten Theil be-
trägt von derjenigen Masse, welche unter gleichen Umstän-
den für einen Weltkörper von der Grösse und Masse der
Erde sich ergeben würde. Wenn man also z. B. wieder
annimmt, dass dem Werthe +100 Grad Celsius der Werth
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A. Ritter.
615
v — 521,4 entspricht, so würde in der Dampfatmosphäre
eines Weltkörpers von der Grösse und Masse der Sonne
unter diesen Umständen die ganze Masse des Wolken-
gebietes nur 0,19 kg pro Quadratmeter der Bodenfläche
betragen.
Da bei einer durch Verticalströmungen verursachten
wirklichen Wolkenbilduog immer nur ein Bruchtheil von
der ganzen Masse des Wolkengebietes zur Condensation ge-
langen kann, so folgt hieraus, dass bei sehr geringer
Dichtigkeit der untersten Schicht oder bei sehr grosser
Entropie der Dampfatmosphäre eine Wolkenbildung über-
haupt nicht — oder wenigstens nur in verschwindend ge-
ringem Maasse — eintreten kann.
Bei unendlich kleiner Dichtigkeit der untersten
Schicht würde demnach die ganze Wasserdampfatmosphäre
als eine ideale Gasatmosphäre behandelt, und die Höhe der-
selben nach der in § 2 für ideale Gase gefundenen Glei-
chung berechnet werden dürfen. Der Bodentemperatur
t = +100° würde also bei einem Weltkörper von der Grösse
und Masse der Erde die Atmosphärenhöhe H= 75900 m,
und bei einem Weltkörper von der Grösse und Masse der
Sonne die Atmosphärenhöhe 2770 m entsprechen.
Unter der Voraussetzung, dass der hier speciell für
Wasserdampf gefundene Satz auch für andere condensirbare
Gase als gültig zu betrachten ist, würde man denselben auch
auf die wirkliche Sonnenatmosphäre anwenden können. Wenn
es also gelänge, den Nachweis zu führen, dass die Sonnen- /
atmosphäre eine ausserordentlich grosse Entropie be-
sitzt, so würde hiermit zugleich der Beweis geführt sein,
dass Condensationsproducte in wahrnehmbaren Quantitäten
in der Sonnenatmosphäre überhaupt nicht entstehen können.
§46. Einfluss der Dissociation auf die Form der adiabatischen
Zustandslinie.
Wenn zwischen dem beweglichen Kolben und dem Boden
eines cyündrischen Gefasses, dessen Wände für Wärme un-
durchdringlich sind, ein Kilogramm Knallgas eingeschlossen
ist, dessen Temperatur anfänglich so hoch war, dass eine
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616
A. Ritter.
chemische Verbindung der beiden Gase Wasserstoff und Sauer-
stoff noch nicht eintreten konnte, so wird bei einer durch
Verschiebung des Kolbens nach aussen veranlassten adiaba-
tischen Ausdehnung des Gases die Temperatur desselben
allmählich bis zu demjenigen Punkte sinken, bei welchem
die chemische Verbindung der beiden Gase beginnt, und bei
immer weiter fortgesetzter adiabatischer Ausdehnung wird
nach und nach die ganze Masse in die Zustandsform des
Wasserdampfes übergehen.
Wenn dann später wieder eine adiabatische Compres-
sion stattfände, so würde die Grasmasse in umgekehrter
Eeihenfolge dieselben Zustände durchlaufen und schliesslich
wieder in die Zustandsform des Knallgases zurückkehren.
Jeder bestimmten Stellung des Kolbens zwischen denjenigen
beiden Grenzstellungen, bei welchen der Dissociationsprocess
resp. beginnt und endigt, wird ein bestimmtes Mischungs-
verhältnis der beiden Gase Wasserdampf und Knallgas ent-
sprechen.
Für diejenigen beiden Wärmequantitäten U und Q,
welche einer Gasmasse von 1 kg Gewicht zugeführt werden
müssten, um dieselbe resp. das eine mal bei constantem
Volumen u, das andere mal bei constantem Drucke p, vom
absoluten Nullpunkte bis zur absoluten Temperatur T zu
erwärmen und in denjenigen Zustand überzuführen, welcher
den zusammengehörigen Werthen p, v, T entspricht, gilt
nach der mechanischen Wärmetheorie die Gleichung:
(453) , Q = U + Apv, oder dQ = dU + Ad (pv).
Die Wärmequantität U soll die innere Wärme, und
die Wärmequantität Q die Total wärme der Masse genannt
werden.
Für die adiabatische Zustandsänderung gilt nach der
mechanischen Wärmetheorie die Gleichung:
(454) dU+ Apdv^O,
und nach Substitution des hieraus für dU zu entnehmenden
Werthes kann man der vorhergehenden Gleichung auch
die folgende Form geben:
(455) dQ^Avdp.
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A, Bitter.
617
Wenn das Gemisch von Knallgas und Wasserdampf in
demjenigen Zeitpunkte, welchem der durch die Werthe
p, u, T charakterisirte Zustand entspricht, x Kilogramm
Knallgas *und 1 — x Kilogramm Wasserdampf enthielt, und
wenn mit W die Dissociationswärme des Wasserdampfes bei
constantem Volumen bezeichnet wird (oder diejenige Wärme-
quantität, um welche die innere Wärme von 1 kg Knallgas
grösser ist als die innere Wärme eines Kilogramms Wasser-
dampf von gleichem Volumen und gleicher Temperatur),
wenn ferner mit c, und c0, resp. die Werthe der specifischen
Wärme des Knallgases und des Wasserdampfes bei
constantem Volumen bezeichnet werden, so ist die bei adia-
batischer Compression stattfindende Zunahme der inneren
Wärme zu berechnen aus der Gleichung:
(456) dU=c1xdT + c0{\-x)dT+ Wdx.
In Bezug auf das Dissociationsgesetz soll hier die nur
annäherungsweise richtige Voraussetzung gemacht werden,
dass der Dissociationsprocess proportional der Temperatur-
zunahme fortschreitet. Wenn also mit T0 und Tx resp. die
Temperaturen zu Anfang und am Ende des Dissociations-
processes bezeichnet werden, so ist hiernach:
(457) X=%~-Tfs oder da,= 2^T0
zu setzen, und nach Substitution des hieraus für dT zu ent-
nehmenden Werthes kann man der vorhergehenden Glei-
chung die folgende Form geben:
(458) dU= (c, - c0) (T, - T0) xdx+c,^- T0)dx + Wdx.
Indem man diese Gleichung zwischen den Grenzen x=0
und x=l integrirt (wobei die Grössen IV, clf c0 annähe-
rungsweise als constant betrachtet werden dürfen), erhält man
für die ganze während des Dissociationsprocesses stattfindende
Zunahme der inneren Wärme den Werth:
(459) üi-tfo* C°) W - T0) +
und nach Gleichung (453) für die gleichzeitig stattfindende
Zunahme der Totalwärme den Werth:
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A. Ritter.
Pi*
(460) Q1 - = üx - U0 + Af d(pv).
Pdf vo
Wenn mit 22. und R0 die Werthe der Constanten» des Ma-
ri otte-Gay-Lussac'schen Gesetzes, resp. für Knallgas und
Wasserdampf bezeichnet werden, so kann man der letzteren
Gleichung auch die folgende Form geben:
(461) Qx - Qo = (H*) (Ti -T0) + W+A {R, 7\- ä0T0).
Zur Berechnung der während des Dissociationsprocesses
stattfindenden Volumenänderung kann man die Gleichung
(458) benutzen, indem man darin für die Grössen dU und
resp. die aus den Gleichungen (454) und (457) zu entneh-
menden Werthe einsetzt; man erhält dann die Gleichung:
(462) - Ap dv = [(Cl - c0) (* : - |) + c0 + -z^r) dT . f
Der Totaldruck setzt sich zusammen aus den beiden
Beiträgen öx und ö0, welche resp. das Knallgas und der
Wasserdampf zu demselben liefern. Nach dem Mariotte-
Gay-Lussac'schen Gesetze sind diese Drucke zu berechnen
aus den Gleichungen:
(463) p1(^) = Ä1T, (464) - R, T,
(465) + p0 = |{Ä1* + Ä0(l-*)},
welcher letzteren man nach Substitution des aus Gleichung
(457) für x zu entnehmenden Werthes die folgende Form
geben kann:
(466) {[^Z g) (T- T0) + Ä0} -
Wenn man diesen Ausdruck für ^ in Gleichung (462) ein-
setzt und nachher die Integration derselben ausführt, so er-
hält man die folgenden Gleichungen:
©i T
UM\ _ A f*2 - f/fo - CQ> TJL (co ?\ - c, T0 + TT)1 ,T
' * fe) - (4) + ( lo* (ft) •
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A. Ritte?'.
619
Annäherungsweise kann man hierin c2 = 0,406. c0=0,37,
jRj = 70,5, Ä0 = 47 und ^=3300 setzen, indem man voraus-
setzt, dass v0 sehr gross war, und dass infolge dessen die
während des Dissociationsproeesses zunehmende Dichtigkeit
am Ende desselben diejenige Grenze noch nicht überschritten
hatte, bei welcher die annähernde Gültigkeit des Mariotte-
Gay-Iiiissac'schen Gesetzes aufhört.
Die beiden Grenztemperaturen Tx und T0 sind noch
nicht genügend bekannt; insbesondere fehlt die genauere
Kenntniss des Gesetzes, nach welchem dieselben mit dem
ursprünglichen Drucke oder dem Entropie werthe des Was-
serdampfes sich ändern. Bei atmosphärischem Drucke liegt
wahrscheinlich die obere Grenztemperatur zwischen 3000 und
4000 Grad, die untere zwischen 1000 und 2000 Grad. Wenn
man demgemäss annäherungsweise Tj=3500 und To=1500
setzt, so erhält man die Werthe:
(469) U- U0 = 4076, (470) Q1 - Q0 = 4492,
(471) ^- = 431000.
Wenn zwar den numerischen Resultaten dieser Unter-
suchung nur ein geringes Gewicht beizulegen ist, so darf
doch der Zweck derselben als erreicht betrachtet werden,
nämlich zu zeigen, dass bei adiabatischem Dissociationspro-
cesse einer Gasmasse das Latentwerden der Dissociations-
wärme W stets eine beträchtliche Dichtigkeitszunahme be-
dingt, und dass der Quotient v0/vl mit wachsendem Werthe
von W ausserordentlich rasch zunimmt. Wenn man z. B.
mit Beibehaltung der übrigen Zahlenwerthe W — 0 setzte,
so würde man aus den obigen Gleichungen die folgenden
Werthe erhalten:
(472) l\-U0 = 776, (473) Q, - Q0 = 1192,
(474) Ä = 11,58.
Die wirkliche Dichtigkeit am Ende des Processes ist also etwa
37000mal so gross als diejenige Dichtigkeit, welche die Gas-
masse ohne das Latentwerden der Wärmequantität JF(oder
620 A. Ritter.
bei Wiederzuführung einer gleich grossen "Wärmequantität)
erreicht haben würde.
Von der Zulässigkeit der obigen Schlussreihe kann man
sich auch direct überzeugen, indem man für die Verhältniss-
zahl vjv1 einen unteren Grenzwerth n berechnet, in Bezug
auf welchen behauptet werden darf, dass derselbe jedenfalls
kleiner ist als der wirkliche Werth jener Verhältnisszahl.
Man findet diesen Grenz werth «, indem man zunächst Tj = T+t
und T0= T—t setzt. Aus Gleich. (468) ergibt sich alsdann,
dass v0/vl um so kleiner wird, je kleiner die Grösse t ange-
nommen wird. So z. B. würde man für T= 2500° die fol-
genden zusammengehörigen Werthe erhalten:
t = 1000 500 o
^ = 431000 65 050 15 630
Wenn man demgemäss *=0, also T1 = 7,0=Tund vjv^n
setzt, so nimmt jene Gleichung die folgende Form an:
(475) ^l0g„=__^)rl0g(|),
und zeigt in dieser Form, dass n um so kleiner wird, je
grösser T angenommen wird.
Bei atmosphärischem Drucke entspricht der halb-
vollendeten Dissociation eine absolute Temperatur von etwa
2300 Grad, und für diesen Werth von T ergibt sich aus
obiger Gleichung der Werth «=36180. Bei kleineren Drucken
würde auch für die Dissociationstemperatur T ein kleinerer
Werth einzusetzen sein. Wenn also in Bezug auf den oben
untersuchten adiabatischen Dissociationsprocess die Annahme
gemacht wird, dass der Druck der Gasmasse bei halbvoll-
endeter Dissociation die Grösse des atmosphärischen Druckes
noch nicht erreicht hatte, so wird man unter den hier ge-
machten Voraussetzungen behaupten dürfen, dass der wirk-
liche Werth des Verhältnisses v0/vl jedenfalls grösser als
36180 sein muss
Die Resultate der obigen Untersuchung kann man sich
auf die in Fig. 19 angedeutete Weise veranschaulichen, indem
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A. Ritter.
621
man das Gesetz, nach welchem die absolute Temperatur T
mit den Werthen von p und v sich ändert, mittelst der Tem-
peratur fläche geometrisch darstellt. Das Dissociations-
gebiet erscheint in die-
ser Fläche durch einen
terrassenartigen Absatz
dargestellt, und die adia-
batischen Curven be-
sitzen infolge dessen je
zwei Eckpunkte, welche
den beiden Grenzen die-
ses Gebietes entsprechen.
Jedem bestimmten En-
tropie werthe des Was-
serdampfes entspricht
eine bestimmte Lage der
adiabatischen Curve, und
jede von diesen Curven wird durch ihre beiden Eckpunkte
in drei Strecken zerlegt. Für den innerhalb des Dissocia-
tionsgebietes liegenden Theil gelten die Gleichungen (462)
und (466), während oberhalb und unterhalb des Dissociations-
gebietes die Curve dem für ideale Gase geltenden Poisson'-
schen Gesetze folgt.
Wenn man das Gewicht der Gasmasse pro Cubikmeter
mit y bezeichnet und demgemäss yv = 1 setzt, so kann man
der Gleichung (467) auch die folgende Form geben:
Fig. 19.
df_ T i('i-_«b) T + c0 T, - c, T, + W \
dT ~ A {{Bi-Bjl
476) df~A l^-Äo) Tl+ (R0Ti -BxTQ) t\
Für die beiden Endpunkte der innerhalb des Dissociations-
gebietes liegenden Strecke erhält man aus dieser Gleichung
die folgenden zusammengehörigen Zahlenwerthe:
i
n
1523. y0.
T = 1500
Y =7o
| = 0,01215. y0
Ausserhalb des Dissociationsgebietes ist der Werth des
obigen Ditierentialquotienten nach dem Poisson'schen Ge-
setze zu berechnen aus der Gleichung T.i?*-1 = Const, oder:
T = 3500
y =43K
dT
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622 A. Ritter.
Hierin kann für die im Wasserdampfgebiete liegende Strecke
annäherungsweise k = 1,3 gesetzt werden, und man erhält
für T= 1500 den Werth:
(478) % = 0,00222. y0.
Für die im Knallgasgebiete liegende Strecke ist k = 1,41 zu
setzen, und man erhält für T = 3500 den Werth :
(479) ^ - 300,3. y0.
Hieraus folgt, dass der Werth des obigen Differentialquo-
tienten beim Beginn der Dissociation sprungweise von
0,00222. y0 bis auf 0,0 1215. y0 zunimmt und bei Beendi-
gung der Dissociation sprungweise von 1523.^0 bis auf
300,3. y0 abnimmt.
Der Differentialquotient von Q, nach T genommen, hat
nach Gleichung (453) die Grösse:
(480) dT-dT+A-dT"
Für die beiden auf der rechten Seite stehenden Differential-
quotienten, von denen der erstere aus den Gleichungen (458)
und (457), der letztere aus Gleichung (466) berechnet werden
kann, erhält man die folgenden Ausdrücke:
f4om d (Pv) _ R (Ä, - R0) (2 T- T0)
Aus diesen Gleichungen ergeben sich die folgenden zusam-
mengehörigen Zahlen werthe:
T = 1500 3500 d(vv)
Ä dT = 0,1524 0,2632
^ = 2,02 2,056
^ = 2,1724 2,3192
Ausserhalb des Dissociationsgebietes ist dQjdT=cp zu
setzen, und zwar ist für das Wasserdampfgebiet cp = 0,48.
für das Knallgasgebiet cp = 0,5721 zu setzen.
Wenn man nunmehr die oben für den Differentialquo-
tienten dyjdT gefundenen Werthe durch die hier für dQ/rlT
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A. Bitter.
gefundenen Werthe dividirt, so erhält man für den Differen-
tialquotienten dyjdQ die folgenden Werthe:
T = 1500 3500
dj _ | 0,00463 . To \ 656 . r„
dQ ~ \ 0,00559 . r„ \ 525 . y0 .
Beim Beginn der Dissociation wächst dieser Differential-
quotient sprungweise von 0,00463. y0 bis auf 0,00559. yw
während derselbe bei Beendigung der Dissociation sprung-
weise von 656 . y0 bis auf 525 . y0 abnimmt.
§ 47. Dissociationegebiet der Waseerdampfatmosphäre.
In der Atmosphäre eines Weltkörpers, an dessen Ober-
fläche die Fallbeschleunigung gleich Ng ist, entspricht der
Tiefenzunahme dz- die Druckzunahme:
(483) dp = Ny dz = ,
und wenn man den hieraus für das Product v dp zu entneh-
menden Ausdruck in Gleichung (455) einsetzt, so erhält man
für die entsprechende Zunahme der Totalwärme den Werth:
(484) dQ = AN dz.
Für einen Weltkörper von der Grösse und Masse der
Sonne ist N— 27,4 zu setzen, und es wird:
<485) in = m = °<0647-
«
Wenn die Grösse z in Meilen (statt in Metern) aus-
gedrückt wird, so ergibt sich für den obigen Differential-
quotienten der Werth:
(486) ^ = 7420 . 0,0647 = 480 .
Mit zunehmender Tiefe wächst also die Totalwärme eines
Kilogramms um 0,0647 Wärmeeinheiten pro Meter oder
um 480 Wärmeeinheiten pro Meile.
Da nach Gleichung (470) während der Dissociation des
Wasserdampfes die Totalwärme um etwa 4492 Wärmeein-
heiten zunimmt, so ergibt sich hiernach für die Höhe des
Dissociationsgebietes der adiabatischen Wasserdampfatmo-
sphäre der Werth:
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624
A. Ritter.
: :^9? = 9?36 Meilen.
-o
480
(487)
Indem man die am Schlüsse des vorigen Paragraphen
für den Differentialquotienten:
(488) dQ~ 480. dz
gefundenen Werthe mit 480 multiplicirt, erhält man für den
Differentialquotienten dyjdz die folgenden Werthe:
z =
T =
z0
1500
3500
d7 j 2,222. f0 ( 315 000. y0
Tz ~ l 2,684 . Yo l 252 000 • To •
An der oberen Grenze des Dissociationsgebietes wächst also
dieser Differentialquotient sprungweise von 2,222. y0 bis auf
2,684. y0, und an der unteren Grenze nimmt derselbe sprung-
weise ab von 315 000. y0 bis auf 252 000. y0.
Wenn man das Gesetz, nach welchem die Dichtigkeit
mit der Tiefe zunimmt, durch eine Curve geometrisch dar-
stellt, so ergibt sich, dass dem Werthe z = z0 eine ein-
springende und dem
Werthe z=z1 eine vor-
springende Ecke ent-
spricht (Fig. 20). Das
zwischen diesen beiden
Eckpunkten liegende,
yt steiler ansteigende
Stück der Curve veran-
schaulicht das raschere
Wachsen der Dichtig-
keit innerhalb des Dis-
sociationsgebietes.
Nach Gleich. (471)
Fig. 20. ist die Dichtigkeit an
der unteren Grenze des
Dissociationsgebietes etwa 431 000 mal so gross als an der
oberen Grenze. Es ist daher denkbar, dass die Atmo-
sphäre an der unteren Grenze eine Dichtigkeit besitzt,
welche gross genug ist, um den Durchgang der Lichtstrahlen
fast gänzlich zu verhindern, während dieselbe an der oberen
Grenze nahezu vollkommen durchsichtig ist. Da aus einer
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A. Ritter.
625
Entfernung von 20 Millionen Meilen betrachtet die Dicke
der Dissociationsschicht unter einem Gesichtswinkel von 0,1
Secunde erscheinen würde, so müsste der Weltkörper unter
solchen Umständen dem unbewaffneten Auge den Anblick
einer scharf begrenzten leuchtenden Scheibe dar-
bieten.
Unterhalb des Dissociationsgebietes gilt für die der
Tiefenzunahme dz entsprechenden Zunahmen von Q und T
die Gleichung:
(489) dQ = cpdT = 480.</*,
in welcher cp = 0,5721 zu setzen ist. Für die dem Werthe
z wm z2 entsprechenden Werthe Q = Q2 und T = T2 erhält
man hiernach die Gleichung:
(490) z2 - zx 480 — *= - --80— ,
aus welcher man für Tx = 3500 und T2 = 100 000 (indem man
einstweilen voraussetzt, dass vor dem Erreichen dieser letz-
teren Temperatur eine Dissociation der Gase Wasserstoff
und Sauerstoff noch nicht stattgefunden hat) die folgenden
Werthe erhält:
(491) z2 — zx = 115 Meilen,
(492) Q2 - - 55200 Wärmeeinheiten.
Der dem Werthe z m z2 entsprechende Werth y = y2
kann nach dem Poisson'schen Gesetze berechnet werden aus
der Gleichung:
^ 8-8) "-PS?) '
(494) ß = 3568 . 431 000 = 1 538 000 000,
wenn vorausgesetzt wird, dass y0 sehr klein ist, und dass
infolge dessen der aus dieser Gleichung für die Grösse y2
sich ergebende Werth diejenige Grenze nicht überschreitet,
bei welcher die annähernde Gültigkeit des Mariotte-Gay-
Lussac'schen Gesetzes aufhören würde. Dieser Voraussetzung
entspricht die Annahme eines hinlänglich grossen Entropie-
werthes der Atmosphäre.
Ann. d. Pbja. u. Cbem. N. F. XIV. 40
Di
626
A. Ritter.
Jedem bestimmten Entropiewerthe entspricht eine be-
stimmte Lage des Dnrchschnittspunktes der adiabatischen
Cnrve mit der Isotherme von Null Grad Celsius, und der
diesem Durchschnittspunkte entsprechende Werth von v kann
in gewissem Sinne als Maass der Entropie gelten, insofern
die Grösse desselben mit dem Entropiewerthe stetig zunimmt.
Für diesen Volumenwerth v = t/= 1// erhält man nach dem
Poisson'schen Gesetze die Gleichung:
^) j=M^f= 292,7 'oder:
(496) - = 450 000 000 000.
Wenn man beispielsweise y2 = 1000 kg setzte, so würde
man den Werth ?/= 450 Millionen Cubikmeter erhalten; d. h.
wenn in der Tiefe z2 die Dichtigkeit der Atmosphäre gleich
der des Wassers wäre, so betrüge das specifische Volumen
an der Stelle, wo die Temperatur gleich Null Grad Celsius
ist, mehr als das Zweimillionenfache von demjenigen Volumen,
welches der gesättigte Dampf bei dieser Temperatur be-
sitzt. In diesem Falle würde also die Bedingung für die
Gültigkeit des am Schlüsse des § 45 gefundenen Satzes an-
näherungsweise als erfüllt zu betrachten sein, nach welchem
die oberhalb des Dissociationsgebietes befindliche Wasser-
dampfatmosphäre in ihrer ganzen Höhe als eine ideale Gas-
atmosphäre behandelt werden dürfte. Die Höhe derselben
würde hiernach berechnet werden können aus der Gleichung:
/1Q7\ 2 _ J2o _ cpTo .
V ' 0 480 480
Wenn man hierin T0 = 1500 und cp = 0,48 setzt, so erhält
man die Werthe Q0 = 720 Wärmeeinheiten und z0 = 1,5 Mei-
len. Hiernach würden für die Grössen z, T, Q, die in
der folgenden Tabelle zusammengestellten Zahlenwerthe sich
ergeben :
z = 0 1,5 10,86 12ö,86
T = 0 1500 3500 100 000
Q = 0 720 5212 60 412
7 = 0 1 481000 1538 0OO00O
Yo
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A. Bitter.
627
Die Art und Weise, in welcher das Gesetz der Dichtig-
keitszunahme durch die Grösse der Dissociationswärme be-
einflusst wird, erkennt man am besten, indem man die obige
Rechnung unter Annahme des fingirten Falles fV—0 wieder-
holt, wobei man mit Benutzung der Gleichungen (473) und
(474) zu den folgenden Kesultaten gelangen würde:
z
0
1,5
10,86
125,86
T
0
1500
9268
105 768
Q
•
0
720
5212
60 412
r
To
0
1
124,4
47 276
Die Vergleichung dieser beiden Tabellen zeigt, dass in
der Tiefe von 125,86 Meilen die wirkliche Dichtigkeit etwa
32500 mal so gross ist als diejenige Dichtigkeit, welche unter
sonst gleichen Umständen für diese Stelle sich ergeben würde,
wenn die Dissociationswärme W gleich Null wäre.
Nach Gleichung (494) würde dem Werthe y2 m 1000 kg
der Werth y0 = 1/1 538000 kg entsprechen. Hiernach erhält
man aus der Mariotte-Gay-Lussac'schen Gleichung für den
Druck an der oberen Grenze des Dissociationsgebietes den
Werth:
(498) V« ^,
und da vorausgesetzt wurde, dass die Gravitationskraft an
der Oberfläche des Weltkörpers 27,4 mal so gross ist als an
der Erdoberfläche, so folgt hieraus, dass in diesem Falle die
ganze Masse der oberhalb des Dissociationsgebietes befind-
lichen reinen Wasserdampfatmosphäre nur etwa den 600-sten
Theil eines Kilogramms pro Quadratmeter der Oberfläche
betragen würde. Wenn also durch directe Beobachtungen
constatirt wäre, dass die Dichtigkeit der Atmosphäre in der
Tiefe von einigen hundert Meilen unter der Oberfläche noch
beträchtlich kleiner ist als die des Wassers, so würde hier-
aus geschlossen werden dürfen, dass der oberhalb des Disso-
ciationsgebietes in der Zustandsform des reinen Wasser-
dampfes befindliche Theil der Atmosphäre eine Masse besitzt,
welche sehr viel weniger als den 600-sten Theil eines Kilo-
gramms pro Quadratmeter der Oberfläche beträgt.
40*
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628
A. Ritter.
Der obigen Untersuchung war die Annahme zu Grunde
gelegt, dass vor dem Erreichen der Temperatur von 100 000
Grad eine Dissociation der beiden Gase Wasserstoff und
Sauerstoff noch nicht stattgefunden hatte. Ein noch viel
kleinerer Werth würde für die Masse der oberhalb des
Dissociationsgebietes befindlichen reinen Wasserdampfatmo-
sphäre unter den hier gemachten Voraussetzungen sich er-
geben, wenn vor dem Erreichen jener Temperatur eine solche
Dissociation in der That stattfände, d. h. wenn unterhalb
jenes ersten Dissociationsgebietes noch ein zweites Disso-
ciationsgebiet läge, insofern das Eintreten einer neuen Dis-
sociation ein abermaliges rascheres Wachsen der Dichtigkeit
mit zunehmender Tiefe bedingen würde.
Mit zunehmender Dichtigkeit wachsen zugleich die Ab-
weichungen vom Mariotte'schen Gesetze, insofern nach dem
Ueberschreiten einer gewissen Dichtigkeitsgrenze das fernere
Wachsen der Dichtigkeit langsamer erfolgt, als bei fort-
gesetzter Gültigkeit jenes Gesetzes der Fall sein würde. Die
Art und Weise, in welcher das Gesetz der Dichtigkeitszu-
nahme und das Gesetz der Temperaturzunahme durch diese
Abweichungen vom Mariotte'schen Gesetze beeinflusst wer-
den, kann man sich annäherungsweise verdeutlichen, indem
man untersucht, wie die Zustandslinie der Atmosphäre in
dem extremen Falle beschaffen sein würde: wenn beim Er-
reichen einer gewissen oberen Dichtigkeitsgrenze das fernere
Wachsen der Dichtigkeit ganz aufhörte, und wenn zugleich
bis zum Erreichen dieser Grenze das Mariotte'sche Gesetz
in aller Strenge gültig bliebe.1)
Aus der Voraussetzung des adiabatischen Gleichgewichts-
zustandes würde für diesen Fall sich ergeben, dass mit dem
Wachsen der Dichtigkeit zugleich das fernere Wachsen
der Temperatur aufhören müsste, insofern die Temperatur-
zunahme eines sinkenden Massentheilchens lediglich von der
durch die Volumenverminderung desselben bedingten Com-
pressionsarbeit herrührt. Unterhalb derjenigen Fläche, in
welcher die Dichtigkeit jenen Maximalwerth erreicht, wird
daher nicht nur die Dichtigkeit, sondern auch die Tempe-
1) Vgl. § 35, Fig. 16.
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A. Ritter.
629
ratur überall constant sein. Wenn also z. B. die Entropie
der Dampfatmosphäre eine so geringe Grösse hätte, dass
die oben mit y0 bezeichnete Dichtigkeit an der oberen Grenze
des Dissociationsgebietes jenen Maximalwerth bereits er-
reichte, so würde überhaupt keine Dissociation statt-
finden.
Denkt man sich in einer Dampfatmosphäre von grosser
Entropie infolge localen Wärmeverlustes den Entropiewerth
eines Theiles der Atmosphärenmasse so weit abnehmend,
dass derselbe beim Hinabsinken jenes Dichtigkeitsraaximum
bereits vor dem Eintritte in das Dissociationsgebiet erreichte,
so würde aus der obigen Hypothese folgen, dass diese Masse,
ohne dissociirt zu werden, bis zu derjenigen Tiefe hinab-
sinken müsste, in welcher die benachbarte Atmosphären-
masse die gleiche Dichtigkeit besitzt, und dass sie daselbst
eine beträchtliche abkühlende Wirkung hervorbringen
müsste — nicht nur wegen der relativ niedrigen Temperatur,
welche dieselbe aus den oberen Regionen mitbrachte, son-
dern auch dadurch, dass dieselbe während der allmählich
sich vollziehenden Wärme- und Zustands-Ausgleichung die zu
ihrer eigenen Dissociation erforderliche Wärmequantität von
der umgebenden, bereits dissociirten Atmosphärenmasse ent-
nehmen würde. Da der Process der Wärmeübertragung
durch Leitung verhältnissmässig langsam sich vollzieht, so
würde diese abkühlende Wirkung während eines verhältniss-
mässig langen Zeitraumes fortdauern können.
§ 48. Hypothesen über die Photosphäre der Sonne.
Der adiabatische Gleichgewichtszustand eines gasförmi-
migen Weltkörpers darf im Sinne der „Mechanik" allerdings
ein Gleichgewichtszustand genannt werden, insofern man die
durch den Wärmezustand bedingten physikalischen Eigen-
schaften der einzelnen Massentheilchen bei „statischen"
Untersuchungen als unveränderlich gegeben zu betrachten
pflegt. Wenn man jedoch den Begriff' des Gleichgewichts-
zustandes in der strengeren Bedeutung des Wortes auffasst
und mit demselben die Vorstellung des „Beharrungszu-
standes" verbindet, oder eines Zustandes, welcher bei gänz-
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630
A. Bitter.
licher Abwesenheit von äusseren Einwirkungen für immer
fortbestehen mtisste, so wird man zugeben müssen, dass bei
einem isolirt im Weltenraume schwebenden gasförmigen
Weltkörper, so lange noch Wärme in demselben enthalten
ist, von einem Gleichgewichtszustande überhaupt nicht die
Rede sein kann, dass vielmehr ein solcher Weltkörper nie-
mals zur Ruhe gelangen kann, weil die fortdauernde
Ausstrahlung von Wärme in den leeren Raum das Zu-
standekommen eines solchen Ruhezustandes stets verhindern
wird. Die Wirkung dieser Wärmeausstrahlung kann man
sich verdeutlichen, indem man statt des „continuirlichen"
zunächst einen „disc ontinuirlichen" Ausstrahlungspro-
cess voraussetzt, d. h. indem man annimmt, dass die Perio-
den der Wärmeausstrahlung voneinander .getrennt sind durch
Zeitintervalle, in denen keine Wärmeausstrahlung stattrindet.
Wenn die Dichtigkeit eines im adiabatischen Gleich-
gewichtszustande befindlichen gasförmigen Weltkörpers im
Mittelpunkte desselben so gross vorausgesetzt wird, dass die
Masse daselbst nahezu als undurchdringlich für Wärme-
strahlen anzusehen ist, so wird die von dem centralen Theile
ausgestrahlte Wärmequantität verschwindend gering sein,
weil die denselben umgebenden Schichten die Ausstrahlung
fast vollständig verhindern. Die von der Oberflächenschicht
ausgestrahlte Wärmequantität wird wegen der daselbst herr-
schenden niedrigen Temperatur ebenfalls verschwindend klein
sein. Hieraus folgt, dass es unter den einzelnen concentri-
schen Schichten, aus welchen man sich die ganze Kugel zu-
sammengesetzt denken kann, eine bestimmte Schicht geben
muss, in welcher die Wärmeausstrahlung ein Maximum er-
reicht.
Dem Zustande eines jeden Massentheilchens entspricht
ein bestimmter Punkt in der Temperaturfläche, und die Zu-
standsänderungen können als Bewegungen dieser Zustands-
punkte längs der Temperaturfläche aufgefasst werden. Jede
Wärmeabgabe bedingt einen Entropieverlust oder eine Ab-
nahme des Werthes der isentropischen Constanten. Wäh-
rend bei dem ursprünglichen adiabatischen Gleichgewichts-
zustande die Zustandspunkte sämmtlicher Schichten in einer
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A. Ritter.
631
und derselben adiabatischen oder isentropischen Curve lagen,
werden infolge der Wärmeausstrahlung die Zustandspunkte
der einzelnen Schichten nach Maassgabe ihres Entropiever-
lustes in tiefer liegende isentropische Curven hinabrücken,
und infolge dessen wird die Zustandslinie des Weltkörpers
nunmehr eine von der ursprünglichen isentropischen Zu-
standslinie abweichende Form und Lage annehmen.
Wenn die Wärmeabgabe einer jeden Schicht ihrer ab-
soluten Temperatur proportional wäre, und der Entropiever-
lust infolge dessen überall dieselbe Grösse hätte, so würde
die neue Zustandslinie wiederum eine isentropische Curve
sein. Da jedoch die Wärmeausstrahlung in den leeren Eaum
einer höheren Potenz der absoluten Temperatur proportional
zunimmt, so wird der Entropieverlust in der Richtung von
der Oberfläche nach dem Mittelpunkte zunächst wachsen,
später aber wieder abnehmen, da im Mittelpunkte selbst die
Wärmeausstrahlung verschwindend gering ist. Der Entropie-
verlust wird daher in einer bestimmten Schicht ein Maxi-
mum erreichen, und zwar in einer Schicht, welche der Ober-
tiäche näher liegt als die oben erwähnte Schicht der stärksten
Wärmeausstrahlung.
Annäherungsweise kann man sich die hierdurch bedingte
Zustandsänderung des ganzen Weltkörpers veranschaulichen,
indem man annimmt, dass ausschliesslich in dieser einen
Schicht ein Entropieverlust stattfand, und dass alle übrigen
Schichten ihren ursprünglichen gemeinschaftlichen Entropie-
werth beibehielten. In diesem Falle würde zunächst ein
Uebergang aus dem indifferenten in den labilen Gleich-
gewichtszustand stattfinden, weil die jener Schicht angehörigen
Massentheilchen nunmehr eine Dichtigkeit besitzen, welche
grösser ist als die der zunächst unterhalb derselben befind-
lichen Schicht.
Bei fortdauernder Wärmeausstrahlung wird der Entro-
pieverlust, sowie die Stärke der Schicht, in welcher der
Entropieverlust stattfand, allmählich zunehmen, und diese
Zunahme ist in gewissem Sinne gleichbedeutend mit der
Aufspeicherung eines Vorrathes von latenten Bewegungs-
ursachen, welche in jedem Augenblicke zur Wirkung ge-
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632
A. Bitter.
langen können, sobald infolge irgend welcher Zufälligkeiten
eine wenn auch noch so geringfügige Bewegung einmal ent-
standen war. Die jener Schicht angehörenden Massen theile
beginnen alsdann, infolge ihrer grösseren Dichtigkeit in die
Tiefe zu sinken, wobei ihr Zustandspunkt anfänglich längs
einer isentropischen Curve sich verschieben wird, und zwar
längs derjenigen, welche dem kleiner gewordenen Werthe
ihrer isentropischen Constanten entspricht. Da das Sinken
der oberen schwereren ein gleichzeitiges Emporsteigen der
unteren leichteren Massen bedingt, so bilden sich zwei
Gruppen von radial gerichteten Strömungen, von denen die
eine nach dem Mittelpunkte, die andere nach der Oberfläche
gerichtet ist. Durch diese Strömungen, welche fortwährend
kältere mit wärmeren Massen in Berührung bringen, wird
allmählich eine Ausgleichung der Entropiewerthe oder eine
Wiederherstellung des adiabatischen Gleichgewichtszustandes
herbeigeführt werden, und zwar wird die neue adiabatische
Zustandslinie tiefer liegen als die ursprüngliche.
Die Intensität dieser Ausgleichungsströme wird abhängen
von dem Maasse, in welchem während der Dauer des labilen
Gleichgewichtszustandes eine Aufspeicherung von Bewegung
erzeugenden Ursachen stattgefunden hatte. Die Intensität
wird gering sein, wenn unmittelbar nach dem Entstehen der
Entropiedifferenz bereits die Wiederausgieichung begann.
Wenn jedoch die Wärmeausstrahlung und der durch dieselbe
herbeigeführte labile Gleichgewichtszustand längere Zeit hin-
durch fortgedauert hatten, so ist der Fall denkbar, dass die
emporsteigenden Massen eine verhältnissmässig grosse leben-
dige Kraft erreichen und vermöge derselben bis über die
Gleichgewichtsoberfläche der Kugel hinaus sich erheben,
während andererseits das plötzliche gleichzeitige Versinken
grösserer Massen in die Tiefe zeitweilig beträchtliche locale
Depressionen der Oberfläche verursachen kann. Die Wahr-
scheinlichkeit des Eintretens dieses letzteren Falles wird be-
günstigt durch gänzliche Abwesenheit von störenden äusseren
Einwirkungen, wie z. B. von Aenderungen der Anziehungs-
kräfte, welche von ausserhalb befindlichen Massen auf den
Weltkörper ausgeübt werden.
V
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A. Bitter. 633 '
Die Lage der Schicht, deren Entropie verlust zunächst
den labilen Gleichgewichtszustand herbeiführte, wird abhängen
von dem Gesetze, nach welchem bei dem ursprünglich vor-
handenen adiabatischen Gleichgewichtszustande die Dichtig-
keit und die Temperatur mit wachsender Tiefe zunahmen.
Dass die Zustandslinie der „Sonne" im grossen und
ganzen die Form der adiabatischen Curve hat, darf als in
hohem Grade wahrscheinlich betrachtet werden. Denn jede
Verticalströmung im Inneren eines gasförmigen Weltkörpers
wird auf Herbeiführung des adiabatischen Gleichgewichtszu-
standes hinwirken, und dass solche Verticalströmungen in
der Sonnenmasse wirklich vorkommen, ist durch zahlreiche
Beobachtungen constatirt worden. Man darf ferner als wahr-
scheinlich annehmen, dass in der Sonne diejenige Schicht,
in welcher jene durch den Entropieverlust beständig neu
erzeugten Bewegungsur Sachen ihren hauptsächlichen Sitz
haben, mit der „Photosphäre" zusammenfällt. Nach dieser
Hypothese würden die „Lichtkörner" der Photosphäre als
Projectionen der aufsteigenden Ströme zu deuten sein, und
die dunklen Zwischenräume als die der abwärts gerichteten.
Wenn man ausserdem noch die nach Lockyers1) Be-
obachtungen wohlbegründet erscheinende Hypothese aufstellt,
dass mit der Photosphäre zugleich das „Dissociations-
gebiet" der Sonnensubstanz zusammenfällt, so würde aus
der in den vorigen Paragraphen entwickelten — wegen Mangels
an genügenden Erfahrungsgrundlagen allerdings noch weite-,
rer Ausbildung bedürftigen — Dissociationstheorie anschei-
nend die Möglichkeit sich ergeben, die an der Sonnenober-
ttäche bisher beobachteten Erscheinungen ohne Annahme
von Condensationsprocessen zu erklären, gegen welche
letztere Annahme verschiedene Einwände erhoben werden
können.
Die Hypothese, nach welcher die Photosphäre als ein
von flüssigen oder festen Condensationsproducten erfülltes
»wolkenartiges" Gebilde zu deuten ist2), würde nach §45
1) N. Lockyer, Proc. Roy. Soc. 81. p. 348. Beibl. ö. p. 238.
2) Charles S. Hastings, Silliin. Joura. 20. p. 33. Beibl 5. p. 188.
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A. Ritter.
die Annahme eines verhältnissmässig kleinen Entropiewerthes
der Sonnensubstanz bedingen, und wenngleich die Eigen-
schaften der letzteren nur ungenügend bekannt sind, so darf
doch als wahrscheinlich angenommen werden, dass aus dieser
Annahme nach dem adiabatischen Gesetze eine beträchtliche
Dichtigkeit der Sonnenmasse schon in geringer Tiefe unter
der Gleiehgewichtsoberfläche sich ergeben würde, was an-
scheinend den Beobachtungen widerspricht. Auch scheint
die Annahme von Condensationsprocessen im Widerspruche
zu stehen mit dem Linienspectrum der „Prot über anzen",
insofern es bei der vielfach beobachteten, sehr grossen Ge-
schwindigkeit des Emporsteigens der Protuberanzenmassen
schwer zu erklären sein würde, dass keine Condensations-
producte mit emporgerissen werden, in welchem letzteren
Falle ein continuirliches Spectrum entstehen müsste.
Wenn man dagegen statt des Con densationsprocesses
einen Dissociations process annimmt, so würde (nach
Fig. 20) die scharfe Begrenzungslinie der leuchtenden Son-
nenscheibe vielleicht eine genügende Erklärung finden in
der rapiden Dichtigkeitszunahme, welche mit dem Disso-
ciationsprocesse verbunden ist. Auch würde die Entstehung
und das längere Fortbestehen der „Sonnen flecken" auf
die am Schlüsse des vorigen Paragraphen angegebene Weise
anscheinend erklärt werden können durch die Annahme, dass
in einer gewissen, nicht sehr grossen Tiefe unter der Photo-
sphäre die Sonnensubstanz bereits eine Dichtigkeit erreicht,
welche von dem Maximum derselben nur noch wenig ver-
schieden ist, und dass hierdurch eine Hemmung der sinken-
den Bewegung, zugleich auch gelegentlich eine grössere An-
sammlung von kälteren, dichteren Massen verursacht wird.
Eine endgültige Beantwortung der hier angeregten, einst-
weilen noch als eine offene zu behandelnden Frage, ob die
an der Sonnenoberfläche beobachteten Erscheinungen als
Wirkungen von Condensationsprocessen zu deuten sind
oder als Wirkungen von Dissociationsprocessen, darf
vielleicht demnächst von der Spectralanalyse erwartet werden.
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W. Siemens,
635
VII. Beiträge zur Tlieorie des Electroiiuignetismus;
von TT. Siemens.
(Aus dem Berl. Monatsber. vom 23. Juni 1881; mitgetheilt vom Hm. Verf.)
Veranlassung zu dieser Untersuchung gab mir die Frage,
welchen Einfluss auf die Grösse der Magnetisirung der im
Eisen eines Electromagnets bereits vorhandene oder gleich-
zeitig in ihm in einer anderen Richtung durch äussere
Kräfte hervorgerufene Magnetismus ausübt.
Die Ampere'sche Theorie verlangt die Annahme eines
solchen Einflusses, wenn man mit Wilhelm Weber an-
nimmt, dass der Magnetismus, in Uebereinstimmung mit
Müller's Versuchen, in den magnetischen Körpern stets
vollständig, aber in einer begrenzten Menge vorhanden ist.
Gibt es aber nur eine begrenzte Zahl von Elementarmag-
neten oder von sie ersetzenden Solenoiden im Eisen, so kann
eine magnetisirende oder richtende Kraft nicht dieselbe Wir-
kung haben, wenn eine auf ihr senkrecht stehende Richtkraft
gleichzeitig auf die Elementarmagnete drehend einwirkt. Es
ergibt sich dies für das Maximum der Magnetisirung ohne
weiteres aus der Betrachtung, dass man zwei gleichzeitig auf
( ine Eisenmasse wirkende Kräfte, die dieselbe in zwei senk-
recht aufeinander stehenden Richtungen zu magnetisiren be-
strebt sind, immer durch eine dritte in der Richtung und
Stärke der Resultante dieser Kräfte wirkende Kraft ersetzen
kann. Die Magnetisirung der Eisenmasse wird daher im
Sinne der Resultante der magnetisirenden Kräfte erfolgen
und wird in dieser Richtung ihr Maximum erreichen. Das
magnetische Moment der in der Richtung dieser Resultante
gerichteten Elementarmagnete muss daher in der Rich-
tung der wirksamen, hier als gleich gross angenommenen
Kräfte Vj betragen. Es muss dies wenigstens dann der
Fall sein , wenn der magnetisirte Eisenkörper eine Kugel
ist und das Maximum der Magnetisirung in der Richtung
der Componente der Kräfte wirklich erreicht wird. Für
Eisenmassen mit verschiedenen Dimensionen complicirt sich
diese Betrachtung durch die Verschiedenheit der gegensei-
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636
IV. Siemens.
tigen Verstärkung des Magnetismus, welche die magnetisir-
ten Eisenmolecüle aufeinander ausüben , worauf ich später
zurückkommen werde.
Durch Versuche ist diese Folgerung aus der Ampere-
Weber'schen Theorie bisher meines Wissens noch nicht be-
stätigt. Es hat dies zum Theil wohl darin seinen Grund,
dass der Vorgang der Magnetisirung der magnetischen Körper
überhaupt noch nicht in allen Richtungen aufgeklärt ist.
wodurch die experimentelle Entscheidung einer bestimmten
Frage sehr erschwert wird, zum Theil bei dieser speciellen
Frage aber darin, dass es schwer hei, den störenden Einfluss
der starken magnetisirenden Kräfte selbst auf die Messung
eines bestimmten magnetischen Momentes des Eisens zu eli-
miniren. Um dies zu erzielen, war es nöthig, besonders ge-
formte Electromagnete in Anwendung zu bringen, bei denen
sowohl die magnetisirende Kraft wie der von ihr im Eisen
erzeugte Magnetismus der einen Richtung ohne Einfluss auf
die Angaben des Messapparates blieben, mit dem die Magne-
tisirung in einer anderen Richtung gemessen wurde.
Diese Bedingung wird erfüllt durch ein gerades Eisen-
rohr, welches mit der Axe parallel laufenden, isolirten Dräh-
ten derart umwunden ist, dass die äussere und die innere
Wandfläche des Rohres gleichförmig mit parallelen Drähten
bedeckt sind. Eine solche longitudinale Umwindung — wie
sie bei dem in der Electrotechnik vielfach benutzten Paci-
notti'schen Ringe zur Verwendung kommt — bewirkt, wenn
sie von einem electrischen Strome durchlaufen wird, in allen
ihren Theilen eine Magnetisirung der Rohrwand im Sinne
der Tangenten des Rohres, sodass das Rohr einen in sich
selbst geschlossenen Ringmagnet darstellt. Wie Kirch -
hoff1) nachgewiesen hat, übt ein solcher, in sich geschlosse-
ner Ringelectromagnet keine Wirkung nach aussen aus. Für
die Axe des Eisenrohres ergibt sich dies auch schon aus
der Betrachtung, dass alle Theile der Rohrwand, sowie die
longitudinalen Windungen symmetrisch zu der Axe liegen
und dass die magnetische Fernwirkung entgegengesetzt liegen«
1) G. Kirchhoff, Pogg. Ann. Ergbd. 5. p. 1. 1871.
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W. Siemens.
637
der Windungen und magnetisirter Eisentheile sich in Bezug
auf sie aufhebt. Umgibt man nun das longitudinai um-
wickelte Eisenrohr mit einer zweiten äusseren, transversal
gewickelten Spirale, welche, von einem Strome durchlaufen,
das Eisenrohr im Sinne der Axe des Rohres magnetisirt,
so ist die Summe der magnetischen Momente der Spirale
und des Eisenrohres in dieserRichtung an einem in der
Axe des Rohres aufgestellten Spiegelmagnetometer zu mes-
sen, während ein Strom durch die longitudinalen Windungen
und der durch sie hervorgerufene tangentiale Magnetismus
der Rohrwand ohne Einfluss auf das Magnetometer bleiben.
Bei den Versuchen wurde ein Eisenrohr von 15 mm
innerem Durchmesser, 150 mm Länge und 3 mm Wandstärke
benutzt, welches mit 36 longitudinalen Windungen von 1 mm
dickem Kupferdrahte versehen war. Das longitudinai um-
wundene Rohr wurde in eine Drahtspirale aus 328 Win-
dungen gleichen Drahtes von 100 mm Länge gesteckt. Das
Rohr ragte etwa 25 mm auf beiden Seiten aus der Spirale
heraus. Die Wirkung der Spirale auf das Galvanometer
wurde durch eine zweite, von der ersteren entfernten Spirale
compensirt, welche eine Verlängerung des Drahtes der erste-
ren bildete, sodass beide Spiralen stets von demselben Strome
durchlaufen wurden.
Wurde nun das so umwundene Eisenrohr senkrecht zum
Meridian in die Richtung nach einem Magnetometer mit
aperiodisch schwingendem Glockenmagnet gebracht und ein
Strom von etwa 10 Bunsen'schen Elementen durch die äussere
Spirale B geschickt, so gab das Magnetometer einen Scalen-
ausschlag, der ein Maass des im Sinne der Axe des Rohres
erzeugten Magnetismus bildete. Es wurde demnächst nach-
einander eine Batterie von ein bis acht Elementen gleich-
zeitig in die innere (longitudinale) Spirale A eingeschaltet.
Die Ablenkung des Magnetometers verminderte sich infolge
dessen, und zwar nahm diese Verminderung mit der Ver-
stärkung der Batterie in der longitudinalen Spirale zu.
Die Versuche wurden so angestellt, dass erst die Ab-
lenkung des Magnetometers bei Einstellung der Batterie in
die äussere (transversale) Spirale ohne Strom in der longi-
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63b
Wm Siemens.
tudinalen Spirale abgelesen, dann nacheinander stärkere Bat-
terien in die longitudinale Spirale eingeschaltet und die dann
erfolgenden Ablenkungen beobachtet wurden.
Tabelle 1.
Elemente
Elemente
Strom
Strom
Ablenkung
des
in A
in B
in A
in B
Magnets
0
10
0 158
67 158
372
1
10
364
2
10
117
156
353
4
10 j
195
155
336
8
10
340
155
308
0
10
0
154
366
8
10
10
338
( 152
306
0
0
151
365
0
0
0
0
0
Wie hieraus ersichtlich, nahm der dem Strome in B
entsprechende Ausschlag des Magnetometers während der
Versuche ab, was offenbar von der gleichzeitigen Abnahme
des Stromes in B herrührt. In Curve 1 sind diese Versuche
auf gleich starken Strom in B reducirt aufgezeichnet (Au-
srisse: Stromstärke in A, Ordinate: Ausschlag des Magne-
tometers).
Es ist hierdurch nachgewiesen, dass der durch eine
magnetisirende Kraft in einer Eisenmasse erzeugte Magne-
tismus kleiner wird, wenn gleichzeitig durch andere Kräfte
eine Magnetisirung derselben in einer senkrecht auf ihr
stehenden Richtung stattfindet. Die Umkehr der Stromrich-
tung in der longitudinalen Spirale bleibt dabei ganz ohne
Einfluss auf die Grösse der Ablenkung.
Der Ringmagnetismus nähert sich schon bei Verhältnis*
mässig schwachen Strömen seinem Maximum. Es rührt dies
einmal davon her, dass die magnetisirende Gresammtwirkung
eines von Eisen ganz umgebenen, von einem electrischen
Strome durchlaufenen Drahtes eine sehr viel grössere ist,
als wenn derselbe Draht um einen Eisenstab gewunden ist.
und ferner von der bedeutenden verstärkenden Wirkung, die
der Ankerschluss in einem kurzen Magnete auf den Magne-
tismus ausübt. Die magnetisirende Wirkung eines der Ein
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W. Siemens.
639
fachheit wegen als unendlich lang angenommenen, mit der
Cylinderaxe zusammenfallenden Drahtes lässt sich durch eine
einfache Rechnung bestimmen.
-n
Es sei A ein Eisenrohr von der Länge /, dem mittleren
Halbmesser g und einer geringen Wandstärke s. Es sei
ferner i?in die Axe des Rohres, welche mit der eines ge-
raden unbegrenzt langen Leiters mn zusammenfällt. Das
Stromelement dx wird dann auf einen in der Röhrenwand
liegenden Eisenkörper von den Dimensionen g.da, s und dl
eine magnetisirende Kraft im Sinne der Tangente des Rohres
ausüben, welche ausgedrückt wird, wenn mit i die Strom-
stärke und mit u der Peripheriewinkel bezeichnet wird, durch:
i .dx ^ ^' f-0^ - s .dl,
oder für den ganzen Ring durch:
2n.s.i — -— • dx .dl } .
Der Magnetismus des ganzen Ringes im Sinne seiner
Peripherie ist dann:
1r
2nsi.dl f 9 ' **=±nsi.dl,
und da auf alle Ringe der ganzen Rohrlänge dieselbe Wir-
kung stattfindet, hat der Magnetismus des ganzen Rohres
von der Länge / den Werth:
M = Anl.s.i.
Da der Werth von q in diesem Ausdrucke nicht mehr
vorkommt, so ist der Durchmesser des Rohres auf die Grösse
des erzeugten Magnetismus ohne Einfluss. Der in der Eisen-
wand eines Rohres durch einen centralen unbegrenzten Leiter
erzeugte Gesammtmagnetismus ist daher unabhängig von
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640
W. Siemens.
dem Durchmesser des Rohres und direct proportional seiner
Länge und seiner Wandstärke.
Zur Prüfung der Richtigkeit dieses Rechnungsresultates
wurden drei Eisenröhren von gleicher Länge, aber ver-
schiedener Wandstärke und verschiedenem Durchmesser an-
gefertigt, und jedes der Rohre mit zwei longitudinalen Spi-
ralen versehen. Die primäre Spirale bestand bei jedem
Rohre aus 90, die secundäre aus 30 Windungen. Durch die
primäre Spirale wurden Ströme wechselnder Richtung ge-
schickt, und der in der secundären Spirale durch die Um-
kehr des Magnetismus erzeugte inducirte Strom durch den
Ausschlag des Spiegelgalvanometers gemessen. Die Dimen-
sionen der Eisenrohre a, b und c von 100 mm Länge waren:
Lichtweite Wandstärke
a) 10,8 mm 2,3 mm
b) 11,0 „ 4,5 „
c) 17,5 „ 4,5 „
Die Resultate der Versuche sind in Tab. 2 und den zu-
gehörigen Curven der Tafel enthalten ; in den Curven ist die
Stromstärke Abscisse, der Magnetismus Ordinate. Wie aus
dem Diagramm I ersichtlich, in welchem die horizontalen
Abscissen die gemessene Stromstärke, die verticalen die
durch die zugehörigen Inductionsspiralen erzeugten Aus-
schläge bedeuten, ist der durch diese gemessene Magnetis-
mus der Wandstärke ziemlich proportional, während die
grössere lichte Weite zwar einen vermindernden Einfluss
ausübt, der aber nicht bedeutend ist und durch die Art der
Messung seine Erklärung findet. Genaue Uebereinstimmung
Hess sich bei diesen Versuchen aus dem Grunde nicht er-
warten, weil die Beschaffenheit des Eisens bei Electromag-
neten einen wesentlichen Einfluss ausübt.
Es ist bisher nur die directe magnetisirende Wirkung,
welche ein mit der Ringaxe zusammenfallender Strom auf
das Eisenrohr ausübt, in Betracht gezogen, nicht die ver-
stärkende Wirkung, welche die durch den Strom aus ihrer
Gleichgewichtslage im Sinne der Magnetisirungsrichtung ab-
gelenkten Elementarmagnete oder Solenoide aufeinander aus-
üben und dadurch den Magnetismus vermehren. Es ist schwer,
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W. Siemens.
641
sich von dieser verstärkenden Molecularwirkung, welche eine
so wesentliche Rolle bei den electromagnetischen Erschei-
nungen bildet, Rechenschaft zu geben, wenn man an der
Ampere- Weber'schen Anschauung festhält, dass die Mole-
cularmagnete mit gleichmässigem Abstände ihrer Mittelpunkte
in allen möglichen Richtungen gelagert sind. Es ist auch
kaum denkbar und meines Wissens auch niemals nachzu-
weisen versucht, dass bei dieser Annahme die Wirkung der
beliebig geformten Grenzschichten des Körpers ganz ohne
Einflus8 blieben und an keiner Stelle eines nicht magneti-
sirten Eisenkörpers eine Fernwirkung der Molecularmagnete
auftreten könne. Diese Schwierigkeit wird gehoben und
gleichzeitig eine leicht übersichtliche Erklärung für viele
electromagnetische Erscheinungen gewonnen, wenn man die
Ampere-Weber'sche Theorie durch die Annahme moditicirt,
dass jedes Eisenmolecül aus zwei einander mit entgegen-
gesetzten Polen nahe gegenüberstehenden Elementarmagneten
besteht, die zusammen in jeder Richtung frei und ohne Ar-
beitsaufwand drehbar sind, während jedes Molecularmagnet-
paar durch äussere magnetisirende Kräfte in ähnlicher Weise
auseinandergedreht wird, wie es mit einem astatischen Nadel-
paare der Fall sein würde, wenn die Magnetnadeln sich
einzeln in ihren parallelen Schwingungsebenen drehen könn-
ten. Wird der Abstand der Elementarinagnete von einander
als klein dem Abstände der gepaarten Molecüle gegenüber
angenommen, so kann eine Fernwirkung der nicht durch
äussere Kräfte magnetisirten Eisenmasse auch an den Grenz-
flächen des Körpers nicht eintreten. Tritt dagegen eine
richtende äussere Kraft auf, so muss dieselbe die beiden
Elementarmagnete der gepaarten Eisenmolecüle in verschie-
denem Sinne drehen, sodass alle Nordpole der einen, alle
Südpole der entgegengesetzten Richtung zugewendet werden.
Wenn keine Wirkung der so magnetisirten Eisenmolecüle
aufeinander stattfände, so müsste das Kräftepaar, welches
als magnetisirende Kraft die Elementarmagnete eines Mole-
cül8 aus einander zu drehen bestrebt ist, gleich der Kraft
sein, mit der die aus ihrer Ruhelage getriebenen Elementar-
magnetpole der Drehung entgegen aufeinander wirken. Es
Anu. <L Phys. u. Cbem. N. F. XIV. 41
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642
W. Siemens.
findet aber ausserdem eine gegenseitige Anziehung zwischen
den entgegengesetzten Polen aller so gerichteten Elementar -
magnete und eine Abstossung zwischen allen gleichen Polen
statt, deren Resultante eine Verstärkung der durch die mag-
netisirende Kraft direct erzeugten Drehung ergibt. Diese
verstärkende Wechselwirkung findet nur in der Richtung
der Magnetisirung statt, da die Wechselwirkungen neben
einander liegender Molecularraagnetgruppen sich ausgleichen.
Die Erscheinung der Remanenz des Magnetismus oder der
magnetischen Coörcitivkraft, sowie die Erwärmung der Elec-
tromagnete durch häufigen schnellen Polwechsel verlangen
ferner die Annahme, dass sich der Drehung der Elementar-
magnete gegeneinander ein Reibungswiderstand entgegen-
setzt, während die gepaarten Molecüle sich, wie angenommen,
widerstandslos in jeder Richtung drehen können. Dieser
Reibungswiderstand begrenzt die genseitige Verstärkung der
Drehung der Elementarmagnete und verhindert andererseits
das vollständige Verschwinden des Magnetismus nach dem
Aufhören der äusseren magnetisirenden Kraft.
Durch Annahme dieser Modifikation der Ampere- Weber'-
schen Theorie finden manche bisher unklare magnetische
Erscheinungen ihre einfache Erklärung. Es muss nach ihr
der Magnetismus eines Eisenstabes, auf dessen sämmtliche
Molecüle eine gleiche magnetisirende Kraft ausgeübt wird,
mit der Länge des Stabes so lange zunehmen, bis ein Gleich-
gewichtszustand zwischen allen Drehungs- und Reibungs-
momenten sämmtlicher im Ringe der Magnetisirung vor
einander liegenden Molecularmagnete eingetreten ist.
Es muss die Mitte des Stabes daher am stärksten mag-
netisirt werden, und hier am ehesten eine Annäherung an
das Maximum der Magnetisirung eintreten. Es muss ferner
ein dünner Stab durch gleiche auf ihn einwirkende Kräfte
stärker magnetisirt werden, sich also auch früher dem Maxi-
mum der Magnetisirung nähern wie ein dicker, da beim
dünnen Stabe alle verstärkend aufeinander wirkenden Mole-
cularmagnete mehr direct hintereinander liegen, die Gesammt-
wirkung daher grösser sein muss. Da die Molecüle der End-
flächen der Electromagnetstäbe nur der den Magnetismus
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W. Siemens.
643
verstärkenden Wirkung der Molecularmagnete von einer
Seite ausgesetzt sind, so muss der Magnetismus der End-
flächen kurzer Stäbe gleich sein der Hälfte des Magnetismus
der Mitte des Stahes + der directen Magnetisirung durch die
magnetisirende Kraft. Dass diese letztere directe Drehung
klein ist im Vergleich mit der der gegenseitigen Verstärkung,
folgt aus der starken Magnetisirung kurzer geschlossener
Ring- oder Hufeisenmagnete durch schwache magnetisirende
Kräfte. Bei einem solchen in sich geschlossenen Ringmag-
nete muss die Magnetisirung eines jeden Querschnittes des
Ringes sich verhalten wie die des Querschnittes durch die
Mitte eines sehr langen Magnetstabes, da im Ringe die
verstärkende Wirkung ebenso wie die äussere magnetisirende
in jedem Querschnitte dieselbe ist. Die Grösse der Magne-
tisirung eines geschlossenen Ringmagnetes wird daher einmal
durch das Maximum der Magnetisirbarkeit des Eisens und
zweitens durch die Summe der Reibungswiderstände der Mo-
lecularmagnete des ganzen Kreises bedingt. Bei gleicher
magnetisirender Einwirkung auf alle Molecularmagnete durch
äussere Kräfte muss daher die verstärkende Wirkung mit
der Länge des zum Ringe gebogenen Eisens abnehmen. Es
musste daher auch bei den oben beschriebenen Versuchen
das weitere Rohr c durch gleiche magnetisirende Kräfte
einen geringeren Magnetismus annehmen wie das engere
Rohr b von gleicher Wandstärke. Wie schon aus den oben
mitgetheilten Versuchen sich ergibt und durch die späteren
sich noch bestimmter herausstellen wird, genügt schon ein
verhältnismässig schwacher Strom in der magnetisirenden
Spirale, um den Ringmagnetismus der Maximalmagnetisirung
zu nähern. Es muss mithin die gegenseitige Verstärkung
des Magnetismus der Molecularmagnete die directe Magne-
tisirung durch die äussere magnetisirende Kraft bedeutend
überwiegen. Es wird dies auch durch die Thatsache be-
stätigt, dass eine dünne Eisenscheibe, die auf die Polfläche
eines starken Magnetes gelegt wird, von diesem nicht merk-
lich angezogen wird, wenn die Ränder der Scheibe nicht
über die Polflächen hinausragen, dass aber sofort eine starke
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644
W. Siemens.
Anziehung eintritt, wenn ein Theil der Eisenplatte über den
Rand der Polfläche hinausragt.
Ein Widerspruch gegen diese Anschauung schien darin
zu liegen, dass die Tragkraft von geschlossenen Hufeisen-
magneten nach einigen Beobachtern mit dem Quadrat des
Magnetismus, nach anderen wenigstens in einem viel höheren
Verhältnisse, wie der Magnetismus selbst, zunehmen soll.
Wie aus den folgenden Versuchen sich ergibt, ist die Trag-
kraft eines kurzen Ring- oder Röhrenmagnetes aber nahe
direct proportional dem durch Induction gemessenen wirk-
samen Magnetismus. Dass dies der Fall sein muss, ergibt
sich aus der Betrachtung, dass die magnetische Anziehung
zweier unendlich naher Querschnitte des Ringes der Summe
der gegenseitigen Anziehung aller magnetisirten Molecular-
magnete auf beiden Seiten der Schnittfläche gleich sein muss,
dass diese Summe aller anziehenden Kräfte aber auch als
der im Ringquerschnitte thätige Magnetismus zu betrachten
ist. Die abweichenden Beobachtungen werden durch zu
grosse Länge des magnetischen Kreises, durch unvollkom-
mene Berührung der Anker- und Magnetflächen und durch
zu geringe Grösse der Berührungsflächen zu erklären sein.
Es wurde ein Röhrenmagnet von 10.8 mm lichter Weite,
2,3 mm Wandstärke und 150 mm Länge so hergerichtet, dass
er durch einen durch die Rohraxe gehenden Schnitt in zwei
Halbcylinder getheilt wurde. Die Röhrenhälften wurden
sorgfältig aufeinander geschliffen und jede mit einer Hälfte
der beiden Drahtspiralen umwunden. Durch passende Vor-
richtungen konnte nun das Gewicht bestimmt werden, wel-
ches erforderlich war, um die Röhrenhälften auseinander zu
reissen und gleichzeitig der in der Inductionsspirale bei der
Trennung entstehende Inductionsstrom gemessen werden. In
der folgenden Tabelle 2 enthält die erste Verticalspalte die
Stromstärke der Magnetisirungsspirale, die zweite den beim
Abreissen entstenden indacirten Strom, die dritte die Ab-
reissgewichte in Kilogrammen, die vierte den Quotienten der
Zahlen der beiden letzten Spalten. Diese Quotienten der
vierten Spalte sollten alle gleich sein, wenn die Tragkraft
dem thätigen Magnetismus direct proportional war. Wie
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W. Siemens.
645
ersichtlich, finden beträchtliche Abweichungen statt und die
Quotienten nehmen mit steigender Stromstärke etwas ab.
Es kann dies aber auch der grösseren Zusammenpressung
der Schnittflächen, der Verbiegung und anderen mechanischen
Ursachen zugeschrieben werden.
Tabelle 2.
a) Eisenrohr I.
Wandstärke = 2,3 mm ;
Lichtweite = 10,8 mm.
b) Eisenrohr II.
Wandstärke = 4,5 mm ;
Lichtweite =11,0 mm.
Pri-
märer
Strom
Secun-
därer
Strom
Abreise -
gewicht
in kg
Secuud.
Strom
Gewicht
Pri-
märer
Strom
Secun-
därer
Strom
23,0
32,4
44,4
51,6
69,0
133,8
195,0
248,0
296,0
343,0
297,0
241,0
190,0
131,0
68,2
52,2
41,6
30,8
19,6
30,2
39,4
44,0
49,5
53,7
61,1
63,6
66,3
68,2
69,5
68,7
66,6
65,7
58,5
55,0
51,2
47,0
40,5
27,9
10,3
12,3
14,2
16,5
17,0
20,8
23,5
27,3
28,5
31,5
28,5
26,5
26,2
24,8
17,0
17,2
15,0
12,5
9,7
2,92
3,11
3,10
3,00
3,16
2,94
2,71
2,43
2,39
2,21
2,41
2,51
2,51
2,36
3,24
2,98
3,13
3,24
2,89
17,0
31,0
41,0
68,0
69,0
40,0
22,0
44,7
78,1
86,5
101,1
100,8
87,3
65,0
Abreiss- Secund.
gewicht 1 Strom_
in kg Gewicht
11,6
20,1
25,0
61,0
59,8
28,3
17,5
3,85
3,89
3,46
1,66
1,68
3,08
3,71
c) Eisenrohr III.
Wandstärke = 4,5 mm;
Lichtweite = 17,5 mm.
24,0
38,9
10,5
3,70
36,6
63,3
24,3
2,60
47,0
75,0
34,2
2,19
68,0
89,1
41,2
53,3
2,16
140,0
104,0
1,95
140,0
103,6
51,5
2,01
71,0
91,2
38,3
2,38
50,4
37,2
81,3
69,5
32,0
2,54
27,3
2,54
Eine zweckmässigere Form ist diesem Röhrenmagneten
dadurch zu geben, dass das Eisenrohr zum Kreise gebogen
wird. Ist der von Eisen rings umschlossene ringförmige Hohl-
raum mit einer passend gewickelten Drahtspirale ausgefüllt,
nachdem das kreisförmige Rohr durch einen Schnitt durch
die grösste Ringebene in zwei gleiche Halbringe getheilt
und dadurch das Einlegen der Drahtspirale ermöglicht ist,
so wird man ohne grossen Fehler für diesen ringförmigen
Rohrmagnet die oben entwickelte Formel für die Magneti-
zedby Google
646
fV. Siemens.
sirung und die Tragkraft anwenden können, wenn der Ra-
dius des Ringes nicht zu klein ist.
Die Tabelle 3 gibt die mit einem solchen ringförmigen
Röhrenmagneten angestellten Abreissversuche.
Tabelle 3.
Anzahl
der
Primärer
Strom
Secnndarer
Strom
Abreiss-
erewicht in
Secimdärer
Strom
Elemente
Kg
(ipu'i t* n t
1
20,5
50,4
31,5
1,6
2
46
58,4
42,3
1,4
3
52
63,8
46,8
1,6
4
68
69,6
47,5
1,5
5
82
71,5
49,2
1,5
6
»3
72,7
73,9
51,4
1,4
8
116
57,8
1,3
10
139
76,0
58,5
1,3
20
183
77,4
65,2
1,2
4
65
69,0
49,3
1,4
3
51
66,0
45,3
1,5
2
34
61,3
37,8
1,6
1
18 52,6
29,4
1,8
1 geschlossen
12
46,0
24,9
1,7
,»
8,3
38,3
18,0
2
Die beiden gleichen ringförmigen Eisenschalen, welche,
aufeinander gelegt, den Röhrenmagnet bilden, waren gut
aufeinander geschliffen. An jeder Schale war ein messingener
Bügel befestigt, mittelst deren die Magnetschalen auseinander
gerissen werden konnten. Die Spirale bestand aus 360 Win-
dungen übersponnenen Kupferdrahtes von 0,5 mm Dicke und
8,7 Einheiten Widerstand. Der innere Durchmesser der-
selben betrug 62 mm, der äussere 81 mm, ihr Querschnitt
war mithin ein Kreis von 86 mm Durchmesser. Die Wand-
stärke der Eisenschalen betrug 2 mm. Zur Messung des
im Röhrenmagnet entwickelten Magnetismus waren 50 Win-
dungen feinen isolirten Drahtes mit der Drahtspirale zu-
sammen aufgewickelt, sodass diese aus der beschriebenen
Hauptspirale und einer Nebenspirale bestand, die von einan-
der isolirt waren. Haupt- und Nebenspirale waren mit der
oberen Eisenschale fest verbunden, sodass die untere Eisen-
schale den abzureissenden Anker bildete. Die Bewegung
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W. Siemens.
647
uach dem Abreissen war durch eine durch den Ring hin-
durchgehende, am Bügel der unteren Bingschale befestigte
Stange mit Anschlag auf einige Millimeter begrenzt.
Es wurde nun ein stark gedämpftes Spiegelgalvanonieter
durch einen passend eingerichteten Commutator in der Weise
mit den beiden Spiralen verbunden, dass man bei der einen
Commutatorstellung mit Hülfe einer Nebenschliessung der
Hauptspirale die Stromstärke der letzteren, bei der anderen
den beim Abreissen in der Inductionsspirale inducirten Strom
messen konnte. Das Abreissen geschah in der Weise, dass
der untere Theil der an dem Ankerbügel befestigten Stange
ebenfalls mit einem Ansätze versehen war, welcher gestattete,
scheibenförmige Bleigewichte mit Einschnitten, die bis zur
Mitte der Scheiben reichten, auf die Stange zu schieben, die
dann durch den Ansatz festgehalten wurden. War durch
Aufsetzen der nöthigen Anzahl solcher Gewichte die Trag-
kraft des Magnetes annähernd äquilibrirt, so wurde eine
ebenfalls an der Tragstange des Ankers befestigte Feder-
wage langsam angezogen und das von ihr im Augenblicke
des Abreissens angezeigte Gewicht notirt, während ein an-
derer Beobachter den Ausschlag des Spiegelgavanometers
beobachtete, welcher den beim Abreissen in der Inductions-
spirale erzeugten Strom angab. Dieser Ausschlag ist ein
Maass des beim Abreissen des Ankers im Magnete ver-
schwundenen Magnetismus, also auch ein Maass der Ver-
stärkung des Magnetismus durch den Ankerschluss. Um den
ganzen vor dem Abreissen im Magnete vorhandenen wirk-
samen Magnetismus zu erhalten, muss man den Ausschlag
hinzuzählen, der bei Unterbrechung des magnetisirenden
Stromes eintritt, nachdem von demselben der durch die In-
duction der Hauptspirale selbst auf die Inductionsspirale
bedingte Ausschlag abgezogen ist. Diesen Zahlen sind die
Abreissgewichte annähernd proportional. Die Abweichungen
erklären sich genügend dadurch, dass auch bei geöffneter
Kette noch Magnetismus im Eisen des Magnetes zurück-
bleibt, sowie durch die trotz sorgfältiger Aufschleifung doch
immer noch unvollkommene Berührung alier Eisenmolecüle
beider Seiten der Schnittfläche an einander. Die Berührung
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W. Siemens.
muss um so vollständiger werden, je stärker der Druck der
Flächen auf einander ist.
Wie sich aus der Tabelle ergibt, ist die beobachtete
Maximaltragkraft 65,2 kg. Das aus dem Ansteigen der Trag-
kraft zu berechnende Maximum der Tragkraft würde etwa
75 kg sein. Das Gewicht der zum Ringe gebogenen Eisen-
röhre betrug 192,54 g, das Gewicht der Drahtspirale 130 g.
Ein Gramm Eisengewicht (Magnet und Anker zusammen
gerechnet) trug daher 323 g, und bei obiger Annahme für
das Maximum des Magnetismus war die Tragkraft das 390-
fache des Gesammtgewichtes des Eisens.
Mit dem beschriebenen Apparate wurde darauf die Ver-
änderung vorgenommen, dass er mit 12 äusseren Drahtrollen
versehen wurde, die getheilt auf den in sich geschlossenen
Ring aufgesetzt waren und dann mit isolirtem Draht be-
wickelt wurden. Die innere Weite der Rolle war etwa 5 mm
grösser als die Ringdicke, sodass ein Abreissen der Ring-
hälften von einander ausgeführt werden konnte, ohne durch
die Drahtrollen gehindert zu werden. Die Rollen wurden
darauf mit einem gleichen isolirten Drahte bewickelt, wie
der war, welcher zur inneren Hauptspirale verwendet wrurde.
Zwei gegenüberstehende dieser Rollen wurden als Inductions-
spirale geschaltet, die übrigen bildeten eine Hauptspirale
zur Erzeugung einer Magnetisirung des Ringes, deren Rich-
tung überall senkrecht auf der Richtung des durch die
innere Hauptspirale erzeugten Rohrmagnetismus stehen
musste. Die Grösse des erzeugten Ringmagnetismus konnte
durch den Ausschlag gemessen werden, der bei Schliessung
der äusseren Hauptspirale durch die Inductionsspirale her-
vorgebracht wurde. Dieser Ausschlag gibt zwar nur die
Grösse desjenigen Magnetismus an, der in dem Theile des
Ringes entsteht, welcher von der Inductionsspirale um-
schlossen ist, also durch Ringtheile, welche keiner oder doch
nur einer geringen directen Magnetisirung durch die Haupt-
spirale unterliegen, er kann aber doch als Maass des ge-
sammten, im Ringe erzeugten Magnetismus ohne beträcht-
lichen Fehler gelten, weil einmal, wie schon hervorgehoben
ist, die directe Drehung der Eiementarmagnete durch die
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W. Siemens.
649
magnetisirende äussere Kraft nur klein ist im Vergleich mit
der gegenseitigen Verstärkung der Molecularmagnete, und
weil die Schwächung der Fortpflanzung der Maguetisirung
durch geringe Längen weichen Eisens von hinlänglichem
Querschnitt nicht bedeutend ist.
Es wurde nun in die äussere (transversale) Hauptspirale
eine Batterie eingeschaltet. Durch geeignete Commutation
wurde an demselben Spiegelgalvanometer erst der durch die
Inductionsspirale bewirkte Ausschlag und darauf die herr-
schende Stromstärke in der Hauptspirale gemessen und dies
mehrere mal wiederholt, wobei die Stromrichtung der
Hauptspirale jedesmal umgekehrt wurde. Der durch die
Inductionsspirale bewirkte Ausschlag bildete dann das
Maass des durch die Stromstärke / im Ringe erzeugten
Magnetismus.
Liess man nun in einem der beiden magnetischen Kreise
den Strom der Hauptspirale fortdauern und schloss dann
die Hauptspirale des anderen Kreises, so erhielt man in der
Inductionsspirale des letzteren einen Ausschlag, der eine
Verminderung des in diesem Kreise erzeuten Magnetismus
anzeigte. Es wurde dadurch das mit geraden Röhren-
magneten erhaltene Resultat bestätigt, dass die Magnetisirung
des Eisens durch eine äussere magnetisirende Kraft kleiner
wird, wenn eine gleichzeitige Magnetisirung in einem auf
ihr senkrecht stehenden Sinne vorhanden ist oder hervor-
gerufen wird.
Während der ersten Abtheilung der Versuche betrug
die Stärke des äusseren Stromes 800, während der zweiten
Abtheilung 200; diejenigen Versuche, in denen diese Strom-
stärke von den genannten Zahlen abwich, wurden auf die
Zahlen 800, bez. 200 reducirt, unter der Annahme, dass die
Einwirkung des äusseren Stromes proportional dessen Stärke
sei, was bei den geringen Abweichungen zulässig erschien.
(Tab. 4 p. 650).
Es wurde ferner das Ansteigen des von der äusseren
primären Spirale allein erzeugten Magnetismus beobachtet,
indem die in der äusseren secundären Spirale auftretenden
Ausschläge gemessen wurden. Das An- oder Absetzen der
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650
W% Siemens.
+ + + +
Li =. Li La
+ + + +
+ + + + +
Li Li Li ti Li
+ + + + + +
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Uli
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W. Siemens.
651
unteren Hälfte des Eisenringes ergab in diesem Falle keine
Induction; die Inductionsaussehläge sind die nach mehr-
maligem Schliessen und Oeffnen des Stromes von Einer
Richtung erhaltenen; die beim ersten Schliessen erhaltenen
waren, namentlich bei schwachem Strom, etwas grösser,
jedoch höchstens um 5%:
Tabelle 5.
Primärer
Strom
Secimdärer
Strom
Primärer
Strom
1 Secimdärer
Strom
- 8
- 56
-114
-92
— 221
410
4-124
+ 144
War in der inneren Spirale Strom, und wurde der
Strom in der äusseren Spirale gewechselt (+ geschlossen,
geöffnet, — geschlossen, geöffnet u. s. w.), und wurde ferner
in der inneren secundären Spirale beobachtet, so war der
erste Ausschlag um ca. 2% grösser als die folgenden.
Hiernach scheint die dem äusseren Strom allein ent-
sprechende Remanenz erheblich geringer zu sein, als die
dem inneren Strom entsprechende.
In der Tafel bedeuten a1 a die Curveu des dem inneren
Strom allein entsprechenden Magnetismus (Tab. 4, Sp. 2),
ö1 und bt die Curven bei gleichzeitiger Einwirkung des
äusseren Stromes, und zwar bx für die Stromstärke 200,
ö2 für die Stromstärke 800.
Die specielle Anordnung der Versuche war folgende.
Zunächst wurde das Ansteigen des Magnetismus in der
zur Mittellinie des Ringes senkrechten Richtung beobachtet,
bei Einwirkung sowohl des inneren Stromes (Windungen in
der Richtung der Mittellinie), als des äusseren Stromes
(Windungen senkrecht zur Mittellinie); als Maass dieses
Magnetismus wurde der in einer inneren, secundären Spirale
(Windungen in der Richtung der Mittellinie) inducirte Strom
angenommen; die in der folgenden Tabelle enthaltenen Aus-
schläge sind mit Ausnahme der Spalten 3 und 5 sämmtlich
in der inneren, secundären Spirale beobachtet. Es wurde
gemessen (in dieser Reihenfolge, s. Tab. 4) :
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652
W. Siemens.
1. Der Ausschlag beim Ansetzen der unteren Hälfte
des Eisenringes an die obere; 2. der Ausschlag bei Schlies-
sung des inneren Stromes; 3. die Stärke des inneren Stromes;
4. der Ausschlag bei Schliessung des äusseren Stromes;
5. die Stärke des äusseren Stromes; 6. der Ausschlag bei
Oeffnung des äusseren Stromes; 7. der Ausschlag bei
Oeffnung des inneren Stromes; 8. der Ausschlag beii Ab-
nahme der unteren Hälfte des Eisenringes. •
Nimmt man an, dass nach Oeffnung der Ströme und
Abnahme der unteren Ringhälfte davon kein oder ein ganz
constanter remanenter Magnetismus vorhanden sei, so muss
die Summe aller Inductionsschläge Null sein; dies ist auch
mit genügender Annäherung der Fall, wie Spalte 9 zeigt;
Spalte 10 [(1) -f (2)] zeigt den durch den inneren Strom,
Spalte 11 [(1) + (2) + (4)] den durch den inneren und
den äusseren Strom erzeugten Magnetismus: Spalte 12
[(1) + (2) + (7) -f (8)] den dem inneren Strom entsprechenden
remanenten Magnetismus.
Aus dem nachgewiesenen, schwächenden Einflüsse, den
zurückgebliebener oder gleichzeitig erzeugter transversal ge-
richteter Magnetismus auf die Grösse der Magnetisirung
ausübt, erklären sich viele störende Erscheinungen bei
wissenschaftlichen electromagnetischen Untersuchungen, so-
wie bei der technischen Anwendung des Magnetismus.
Die zu den beschriebenen Versuchen benutzten geraden
oder ringförmigen Röhreneleetromagnete zeichnen sich da-
durch vor den bisher benutzten Electromagnetconstructionen
aus, dass sie bei gegebenem Eisen- und Kupfergewichte einen
weit grösseren magnetischen Effect geben, wie die letzteren.
Sie werden daher namentlich in der Electrotechnik häufig
eine nützliche Verwendung finden. Die Eigenschaft des
ringförmigen Röhrenmagnetes, den Leitungsdraht vollständig
mit einem Eisenmantel zu umgeben, macht ihn aber auch
zur Beantwortung wissenschaftlicher Fragen, für deren
Lösung es bisher an geeigneten Hülfsmitteln fehlte, beson-
ders geeignet. Es ist eine solche z. B. die Frage der Schirm-
wirkung des Eisens. Es erschien zwar wahrscheinlich und
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fV. Siemens.
653
wurde bisher auch wohl ziemlich allgemein angenommen,
dass die magnetische Fernwirkung durch einen zwischen-
liegenden Eisenschirm nicht direct beeinflusst würde, und
dass die beobachtete Aenderung der magnetischen Fernwir-
kung durch die Wirkung des im zwischenliegenden Eisen-
schirme hervorgerufenen Magnetismus zu erklären sei. Ent-
scheidende Versuche sind darüber aber meines Wissens noch
nicht angestellt, und es war dies mit den bisher bekannten
Hülfsmitteln auch kaum ausführbar.
Um die Frage mit Hülfe des ringförmigen Röhren-
magnets zu entscheiden, liess ich zwei möglichst gleiche
solcher Magnete anfertigen und stellte sie auf beiden Seiten
des Glockenmagnets eines aperiodisch schwingenden Spiegel-
magnetometers in der Weise auf, dass ich die Drahtspiralen
mittelst gespannter Drähte an senkrecht stehenden Rahmen
befestigte, welche dem Magnet beliebig zu nähern waren.
Es wurde nun derselbe Strom durch die beiden Drahtspira-
len hintereinander geleitet und das eine Brett so lange ver-
schoben, bis keine Ablenkung des Magnetometers beim Ein-
tritt und bei der Unterbrechung des Stromes mehr stattfand.
Es wurde dann abwechselnd die eine oder die andere Draht-
spirale auch mit ihren beiden Rohrhälften bedeckt, sodass
dieselbe jetzt einen geschlossenen Röhrenmagnet bildete, und
die entstehenden Ablenkungen des Magnetometers bei Strom-
schluss in Scalentheilen abgelesen. Die Versuche ergaben,
dass in der That eine unzweifelhafte, wenn auch nur geringe
dauernde Verminderung des magnetischen Momentes einer
Drahtspirale eintritt, wenn sie ganz von einem Eisenrohr
umschlossen ist. Durch Annäherung der geschwächten Spi-
rale lässt sich die Grösse dieser Schirmwirkung bestimmen.
Sie ist scheinbar proportional der Dicke der Rohrwand, doch
bedarf dies noch weiterer Bestätigung. Ich will hier nur
noch bemerken , dass eine magnetische Fernwirkung des
Eisens, wenn eine solche bei einem als Röhrenmagnet mag-
netisirten röhrenförmigen Ringmagnete als vorhanden ange-
nommen werden könnte, eine Verstärkung und keine Schwä-
chung der Fernwirkung der Spirale hervorbringen müsste.
Ich hoffe, zu einer näheren Untersuchung dieser Frage später
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654 Wt Siemens.
Gelegenheit zu finden und enthalte mich einstweilen einer
Erklärung dieser auffallenden Erscheinung.
Diese thatsächlich stattfindende, wenn auch nur geringe
Schirmwirkung des Eisens legte mir die Frage nahe, ob sich
mit Hülfe des Röhrenmagnetes nicht entscheiden Hesse, oh
die magnetische Fernwirkung eine direct und geradlinig wir-
kende, unmittelbare ist. wie es seit Newton von der Schwer-
kraft angenommen wird, oder ob sie eine von Molecül zu
Molecül der zwischen liegenden Materie oder des hypothe-
tischen Aethers fortschreitende Wirkung ist, wie es für die
electrische Vertheilung von Faraday zuerst angenommen
und von mir auf experimentellem Wege als zulässig nach-
gewiesen wurde.1) In der That schien eine gewisse Wahr-
scheinlichkeit dafür vorhanden "zu sein , dass die von einer
Drahtspirale ausgehende magnetische Kraft nicht gleichzeitig
in der geschlossenen Röhrenwand, die sie durchdringen muss.
eine beträchtliche Arbeit, die Magnctisirung des geschlosse-
nen Röhrenmagnets, ausführen und während dieser Zeit zu-
gleich eine ungeschwächte Fernwirkung ausüben könne. Es
erschien wahrscheinlicher, dass die Fernwirkung hinter der
Rohrwand erst beginnen würde, wenn die beim Durchgange
durch das Eisen in der Drehung der Elementarmagnete zu
leistende Arbeit gethan war. Die Versuche haben diese
Vermuthung nicht bestätigt. Es wurde zu denselben mit
geringer Abänderung dieselbe Zusammenstellung zweier ge-
theilter ringförmiger Röhrenraagnete mit einem zwischen
ihnen aufgestellten Spiegelmagnetometer benutzt, wie sie
bei dem oben beschriebenen Versuche benutzt wurden. Zu-
nächst wurden die parallelen und gleich grossen, auf beiden
Seiten des Magnetometers aufgestellten Drahtspiralen so ein-
gestellt, dass ein Strom, der sie beide hintereinander durch-
lief, keine Einwirkung auf das Magnetometer zeigte. Darauf
wurde eine der beiden Spiralen, ohne ihre Lage zu verän-
dern, mit den zugehörigen Eisenschalen bedeckt und der
Versuch wiederholt. Es zeigte sich auch jetzt keine sichere
Ablenkung des Magnetometers, wie es der Fall sein müsste.
wenn der Strom der einen Spirale länger oder stärker
1) Siemens. Pogg. Ann. 10*2. p. 66. 1857.
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W. Siemens.
655
auf das Magnetometer gewirkt hätte wie' der der anderen.
Da die Zeitdifferenz möglicherweise sehr kurz war, und da-
durch ihre Wirkung unmerklich wurde hei der kräftigen
Gresammtwirkung jeder Spirale, so modificirte ich den Ver-
such auf Vorschlag des Dr. Frölich, dem ich für die Lei-
tung dieser und der früher beschriebenen Versuche zu dan-
ken habe, in der Weise, dass anstatt des Magnetoraeters
eine dritte, unbedeckte Spirale aufgestellt und die äusseren,
ebenfalls unbedeckten Spiralen wieder so eingestellt wurden,
dass kein Strom in der mittleren Spirale durch sie inducirt
wurde. Zur Messung desselben wurde die Ladung eines
Glimmercondensators benutzt, mit dessen beiden Belegungen
die Drahtenden der mittleren Spirale in Verbindung gesetzt
waren. Mein mehrfach beschriebener Fallhammer zur Her-
vorbringung von Strömen sehr kurzer Zeitdauer wurde so
eingeschaltet, dass ein kräftiger Strom durch die beiden
Spiralen dauernd circulirte. Der eine der beiden verstell-
baren Stifte des Fallhammers unterbrach nun diesen Strom,
während der zweite nach einer sehr kurzen Zeit den Kreis
der mittleren Drahtspirale und des Condensators unterbrach.
Da die mittlere Spirale aus einer sehr grossen Anzahl Win-
dungen feinen Drahtes bestand, so musste schon eine sehr
geringe Differenz der magnetischen Momente der beiden
äusseren Spiralen eine messbare Ladung des Condensators
hervorbringen. Da durch die Unterbrechung des einen Ver-
bindungsdrahtes zwischen mittlerer Spule und Condensator
dieser isolirt wurde, und derselbe in diesem Zustande eine
Ladung mehrere Minuten ohne merkliche Schwächung der-
selben behielt, wie durch Versuche constatirt wurde, so musste
die spätere Entladung des Condensators durch ein empfind-
liches Spiegelgalvanoter ein Maass der im Augenblicke der
Unterbrechung des Condensatordrahtes an den Enden des
Umwindungsdrahtes der mittleren Spirale herrschenden Po-
tentialdifferenz bilden. Es wird freilich bei dieser Anord-
nung des Versuches nicht eigentlich die Verzögerung des
Eintrittes der Fernwirkung der im Eisen eingeschlossenen
Drahtspirale gemessen, sondern gleichsam das Complement
derselben, nämlich die vermuthete Verstärkung der magne-
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656
H. Schröder.
tischen Fernwirkung dieser Spirale beim Aufhören der Mag-
netisirung des Eisens des Röhrenmagnetes nach Unterbrechung
des Stromes. Es ist aber wohl anzunehmen, dass diese Wir-
kung eintreten müsste, wenn die vermuthete Verzögerung der
Fernwirkung durch die Magnetisirung vorhanden wäre, weil
anderenfalls Energie verloren ginge. Auch diese Versuche
geben ein negatives Resultat. Wenigstens waren die erhal-
tenen Differenzen so klein und schwankend, dass sie nicht
als entscheidend zu betrachten waren.
Die zuletzt beschriebenen Versuche haben gelegentlich
auf eine recht schlagende und einfache Weise die Helm-
holtz'sche Theorie der Entladung des Condensators durch
eine Reihe wechselnder Entladungen und erneuten Ladungen
bestätigt. Lässt man nur eine unbedeckte Spirale auf die
Inductionsspirale einwirken und vergrössert zwischen je zwei
Versuchen die Dauer der Verbindung des Condensators mit
der inducirten Spirale, so gehen die anfänglich positiven Ent-
ladungsausschläge des Condensators bald in negative über.
Bei weiterer Verlängerung der Zeit der Verbindung werden
sie wieder positiv, und so fort. Dabei nehmen die Aus-
schläge allmählich ab.
VIII. Untersuchungen, über die Volunwnconstitution
flüssiger Verbindungen; von H. Schröder.
(Fortsetzung der in Wied. Ann. 11. p. 997—1017, 1880 vorgelegten
Abhandlung.)
Vorbemerkung.
Noch während die erwähnte Abhandlung sich im Druck
befand, und seitdem wiederholt, sind von R am say Beobach-
tungen über die Volumina von Flüssigkeiten bei deren Siede-
hitze mitgetheilt; ebenso sind die vorzüglichen Beobachtungen
über die Refractionsverhäitnisse vieler Flüssigkeiten und ihre
Dichtigkeit bei 20° von Brühl1) vorgelegt worden. Die
nothwendige Berücksichtigung und das Studium dieser grossen
1) Brühl, Lieb. Ann. 200 u. 208.
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H. Schröder.
657
Reihe neuer Thatsachen ist zunächst der Anlass geworden,
dass die Portsetzung meiner oben erwähnten Abhandlung
sich bis jetzt verzögert hat.
Ich will hier nur im voraus erwähnen, dass jene neuen
Thatsachen nicht Anlass geworden sind, an den allgemei-
nen Resultaten, wie ich sie in obiger Abhandlung und
specieller in einer vorläufigen Mittheilung über die
Voluinenconstitution flüssiger Verbindungen1) ge-
geben habe, etwas zu ändern. Dieselben haben sich vielmehr
noch mehrseitig bestätigt und haben eine Reihe neuer und
werthvoller Belege gefunden.
Die Bezeichnungen sind in der folgenden Abhand-
lung genau den in der oben erwähnten Abhandlung2)
angewendeten entsprechend. Ich kann nicht alles dort
Gesagte nochmals vorbringen und muss daher den Leser
bitten, vor dem Studium der nachfolgenden Abhandlung die
vorausgegangene nochmals durchzugehen.
III. Die Volumina der Elementaratome einer Verbindung stehen
im Verhältniss einfacher ganzer Zahlen.
§ 22. Bereits früher3) habe ich seitdem in einer Er-
wiederung auf eine Bemerkung von Ramsay nachgewiesen,
dass HÖH der Alkohole und 02 des Carboxyls der Säuren
und Ester die nämliche Raumerfüllung haben, welche
dem CH2 in den nämlichen Verbindungen wirklich entspricht.
Ich reproducire hier kurz das dort Gesagte.
In der That hat man bei den respectiven Siedepunkten
die Volumina:
Differenz
für CII,
Ameisensäure = CH204 ; v = 41,8 K. 1 2i 6.
Essigsäure = CsH402; v= 63,4 K. J 22 5
Propionsäure — CgH^O»; v — 85,9 (
Norm. Buttersäure = C4H302; v = 108,0 P. J '*
Es ist hieraus, wie ich4) ausführlich begründet habe,
sofort ersichtlich, dass das Volumenmaass der Fettsäuren
1) H. Schröder, Chem. Ber. 13. p. 1560 bis 1570.
2) H. Schröder, Wied. Ann. 11. p. 997. 1880.
3) H. Schröder, Chem. Ber. 14. p. 15. 1881.
4) EL Schröder, Wied. Ann. 11. p. 997. 1880.
Aun. d. Phys. u. Chem. N. F. XIV. 42
658
H. Schröder
mit dem Atomgewicht wächst. Es ist daher das wahre
Volumen, welches dem CH«, in der Ameisensäure und
Essigsäure zukommt, etwas kleiner als die Differenz
beider =21,6.
Ebenso hat man für die Alkohole:
uwsteaz
für CHo
Methylalkohol = CH40 5 v= 42,3 K. > 19 9 "
Aethylalkohol = C2H00 ; t> = 62,2 K. {
Propylalkohol = C3HsO ; v = 81,5 PP. > W'
Es nimmt hiernach , wie ich l) ebenfalls begründet
habe, das Yoluraenmaass der normalen Alkohole der
Fettreihe mit steigendem Atomgewicht ab. Es ist daher
das wahre Volumen, welches dem CH2 im Methyl- und
Aethylalkohol zukommt, etwas grösser als die Differenz
beider = 19,9. Das wirkliche Volumen, welches dem CH2
zunächst in der Ameisensäure und Essigsäure und dem Me-
thylalkohol und Aethylalkohol entspricht, wird daher zwi-
schen 19,9 und 21,6 liegen und in der Essigsäure etwas
gr ö 8 ser sein, als in der Ameisensäure, im Aethylalkohol
etwas kleiner, als im Methylalkohol. Das Mittel der Grenz-
werth e 19,9 und 21,6 ist 20,7 bis 20,8, und dieses wird dem
wahren Volumen von CH2 sehr nahe liegen. Nun ist aber:
Ameisensäure = CH,.0, = 41,8 K. = 2x 20,9.
Aethylalkohol = C2H4.OH2 = 62,2 K. = 3 x 20,7.
Die Ameisensäure hat also ein doppelt so grosses,
der Aethylalkohol ein dreimal so grosses Volumen, als
dem CH2 in beiden Verbindungen entspricht; d. h. in der
Ameisensäure = CH2.02 nimmt 02 den nämlichen Raum
ein, wie CH2; und im Alkohol nimmt H + OH = OE,
ebenfalls den nämlichen Raum ein, wie CH2.
Es muss nun CH2 in der Essigsäure und dem Me-
thylalkohol, weil ihr Volumenmaass etwas grösser ist, als
das der Ameisensäure und des Aethylalkohols, grösser sein
als 20,7 bis 20,9, wie in den letzteren, und kleiner als 21,6.
d. i. die Volumendilferenz beider Säuren. Das Mittel dieser«
Grenzwerthe 20,7 bis 20,9 und 21,6 ist 21,2 bis 21,3, und
dieses Mittel wird dem wahren Volumen von CH2 in der
l) 1. c. p. 1006.
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//. Schröder.
659
Essigsäure und dem Methylalkohol sehr nahe liegen.
Nun ist aber:
Essigsäure = C8H402; v = 63,4 K. = 3 x 21,1.
Methylalkohol = C1140 j v = 42,4 K. = 2 x 21,2.
Es hat also in der That wieder die Essigsäure ein
Volumen, welches das dreifache von dem wahren Volumen
von CH2 in derselben ist, und es kommt also dem 02 der
Essigsäure die nämliche Raumerfüllung zu, wie dem
CH2. Der Methylalkohol hat ebenso das doppelte Vo-
lumen von CH2, und H -f- OH oder OH2 hat also im Me-
thylalkohol die nämliche Raumerfüllung wie CHg.
Man kann die nämliche Ableitung auch vornehmen für
02 der Säuren selbst. Volumen CH2 ist > 19,9 = der Dif-
ferenz des Alkoholpaares, und < 21,6 = der Differenz des
Säurepaares. Nun ist:
Ameisensäure = CH202; v = 41,8 — 41,8
ab: CHä > 19,9 < 21,6
bleibt Volumen: Oa < 21,9 > 20,2.
Das Mittel für 02 ist 21,0; aber Ameisensäure =
2 x 20,9 = 41,8 K. Es hat also 02 das nämliche Vo-
lumen wie CH2 in der Ameisensäure. Es ist hiermit
der vollgültige Beweis geliefert, dass in den Anfangsgliedern
der Säurereihe und Alkoholreihe die Componenten-
volumina in einfachen Verhältnissen stehen; dass
O, des Carboxyls der Säure, und H.OH = OH2 des
Alkohols mit CH2 der nämlichen Verbindung gleiche
Raumerfüllung hat.
Eine ähnliche Ableitung dieser Thatsache, wie oben für
die Anfangsglieder, lässt sich nicht ebenso glatt auf die
höheren Glieder anwenden; denn bei den Säuren wachsen
die Differenzen bei den höheren Gliedern viel rascher,
weil in der Differenz eines Paares nicht nur der Mehrbe-
trag des Volumens von CH2, sondern der Mehrbetrag des
Volumens bei vergrössertem Volumenmaasse auch der Summe
aller gemeinsamen Componenten je eines benachbarten
Paares erscheint. Ueberdies werfen sich alle Fehler der Beob-
achtung, welche ebenfalls mit dem Atomgewicht nothwendig
42*
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660 H. Schröder.
grösser werden, auf diese Differenzen hin. Aber gerade
dieses rasche Wachsen der Differenz bei den höheren
Gliedern liefert den Beweis, dass das Volumenmaass der
ganzen Verbindung und aller ihrer Theile mit dem
Atomgewicht zunimmt.
Dessenungeachtet zeigt die Anwendung des gewon-
nenen schönen und folgenreichen Resultates auch auf die
höheren Glieder in ihrem Erfolge sofort, dass damit
das Richtige getroffen ist.
§ 23. Stellt man hiernach die Volumina der bis jetzt
auf ihr Volumen beim Siedepunkt untersuchten Alkohole und
Säuren der Fettreihe zusammen, so hat man zunächst für
die Alkohole1):
1. Methylalkohol = CH40 ; r = 42,3 K. = 2 x 21;>.
v = 42,4 P. = 2 X 21,2.
2. Aethylalkohol = C,HöO ; v= 61,7 P. =3x20,6.
v = 62,2 K. = 3 X 20,7.
r = 62,7 Ramsay2) = 3 x 20,».
3. Propylalkohol = C3H,0 ; r = 81,5 PP. = 4 x 20,4.
f 4. Isobutylalkohol = C4H100; v = 102,3 PP. =5x 20,5.
5. Isoainylalkohol = C3H120; v = 122,8 P. - 6 x 20,5.
v m 123,5 K. = 6 X 20,6.
6. Methylhexylcarbinol = C8HlöO; r = 197,3 R. = 9 x 20,S.
Diese Uebersicht zeigt die thatsächliche Abnahme
des Volumenmaasses in der Normalreihe und legt die
stattfindenden überraschend einfachen Verhältnisse der Vo-
lumina der Componenten klar vor Augen.
§ 24. Ebenso ergibt sich hiernach für die untersuchten
Säuren:
1. Arneisensäure = CILO.> ; v= 41,8 K. =2x20,9.
2. Essigsäure = CäH40s ; r= 63,4 K. =3x21,1.
v = 64,3 R. = 3 X 21,4.
3. Propionsäure = C3H602 ; v = 85,9 K. = 4 x 21,5.
v = 86,0 PP. = 4 x 21,5.
4. Norm. Buttersäure = C4H802 ; v - 108,0 P. = 5 X 21,6.
1) Mit v schlechtweg bezeichne ich stets das Volumen beim Siede-
punkt. Das Volumen bei einer anderen Temperatur, z. B. bei 20 °, wird
bezeichnet als e\,0.
2) Ich werde die Beobachtungen von Ramsay in Zukunft einfach
durch Beifügung des Buchstaben R. als solche bezeichnen.
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//. Schröder.
661
5. Isobuttersäure = C4H802 ; v - 106,5 PP. = 5 x 21,3 | g
Auch hier tritt thatsächlich die Zunahme des Volumen-
maasses in jeder homologen Reihe klar hervor, ehenso die
Thatsache, dass das Volumenmaass der Normalverhindung
etwas grösser ist, als das der entsprechenden Isoverbindung.
Die der Zusammensetzungsdifferenz um CH2 entsprechende
grosse Differenz der Volumina 5 und 6, sie ist Jy = 23,$,
lässt sich voraussehen, weil sie nicht nur dem wahren
Volumen 21,7 des CH2 in 6 entspricht, sondern ausserdem
noch den Unterschied des Volumens von CH2 in 5 und 6,
welcher 0,4 bis 0,5 ist, nothwendig fünffach enthalten muss.
Einen constanten Werth für das Volumen von GH.,
in diesen Verbindungen anzunehmen, geht nicht an, weil die
Differenzen, deren Mittel man wählt, nicht zufällig, sondern
regelmässig sich ändern. Thut man es, so führt eine
solche Annahme nothwendig zu unbegründeten Folgerungen
und zu irrigen Werthen der Volumina der Elementaratome.
Keine andere, als die von mir gegebene Auffas-
sung entspricht den wirklichen Thatsachen.
§ 25. Da die Volumina der Säuren mit den Volumen
der ihnen isomeren Ester bei Siedehitze sehr nahe gleich
sind, und nur ein unbedeutend grösseres Volumenmaass ha-
ben, wie ich1) nachgewiesen, so lässt sich die obige That-
sache, wonach das Volumen von 02 gleich dem Volumen von
CH2 ist, unmittelbar auch bei den Estern der Fettreihe
constatiren. Ich ordne sie nach ihren Säurebestandthei-
len. Man hat:
L Formiate:
1. Ameisensaures Methyl = C,H408 ; t; = 63,1 K. = 3x21,0.
6. Isovaleriaustiure =
ü = 106,7 K. = 5 x 21,3
C&H1004; e = 130,4 K. = 6 x 21,7
V m 130,6 PP. = 6 x 21,8
Aethyl
v = 63,2 R. = 3 x 21,1.
C3H602 ; v = 84,7 K. = 4 x 21,2.
v = 85,4 P. = 4X 21,3.
3.
4.
v
Propyl
Isobutyl
C4H8Oa ; v = 106,9 PP. = 5 x 21,4.
C5H10O2 ; v = 130,9 PP. = 6 X 21,8.
1) 1. c. p. 998.
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662
H. Schröder.
II. Acetate:
5. Essigsaures Methyl = C3Ha02 ; v = 83,9 K. = 4 x 21,0.
6. „ Aethyl = C4H30, 5 v = 107,4 K. = 5 x 21,5.
v = 107,7 P. = 5 x 21,6-
7. „ Propyl = C5H10Oa ; v = 129,5 PP. = 6 X 21,6.
8. „ Isobutyl = C6H1202 ; v = 149,1 PP. - 7 X 21,3.
9. „ Isoamyl = C-H1402 ; v = 175,4 K. = 8 X 21,9.
III. Propionate.
10. Propionsaures Aethyl = C6H10O2 ; v = 126,7 K. = 6 x 21,1.
v = 128,6 PP. = 6 X 21,4.
11. „ Propyl = C„H1202 ; r = 152,0 PP. = 7 x 21,7.
12. „ Isobutyl = C7Hu02 ; v = 175,0 PP. = 8 X 21,9.
IV. Isobutyrate:
13. Isobuttersaures Methyl = C5H10O2 j v = 127,1 K. = 6x21,2.
v = 128,3 PP. = 6 x 21,4.
14. „ Aethyl = C0H13O2 ; v = 149,7 K. = 7 x 21,4.
v = 151,9 PP. = 7 x 21,7.
15. „ Propyl = C-H140, ; v = 174,4 PP. = 8 X 21,8.
16. „ Isobutyl = C8Hlfl02 ; v = 199,9 PP. = 9 x 22,2.
17. „ Isoamyl = CsH1802 ; 0 = 221,7 PP. = 10 x 22,2.
V. Isovalerianate:
18. Isovaleriansaur. Methyl = C6H1202 ; v — 149,6 K. = 7x21,4.
= 149,8 PP. = 7 x 21,4.
19. „ Aethyl = C7H1402 ; v = 174,7 PP. = 8 x 21,8.
20. „ Propyl = C8H1(lO, ; r = 198,6 PP. = 9 X 22,1.
21. „ Isobutyl m C9H„02 ; v = 217,8 PP. = 10 x 21.8.
22. „ Isoamyl = CloH20O2; v = 244,6 K. = 11 x 22,2.
v = 245,7 PP. = 11 X 22,3.
Diese 22 Ester der Fettreihe sind alle meines Wissens
auf ihre Ausdehnung durch die Wärme untersuchten. Es ist
überraschend, welche grosse Regelmässigkeit sich in
ihrer Volumenconstitution ausspricht.
Ausnahmslos wächst, wie man sieht, obwohl die
Ester nur schwierig völlig rein zu erhalten sind, doch so-
wohl in der Normalreihe, als in der Isoreihe das Vo-
lumenmaass mit dem Atomgewicht; dennoch schwankt
der Werth des Volumens von 02 = Volumen CH2 nur
zwischen den engen Grenzen 21,0 bis 22,2.
Es ist hiernach ausser Zweifel, dass auch in jedem
Ester 02 mit CH2 genau die nämliche Raumerfül-
lung hat.
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H. Schröder.
663
§ 26. Vergleicht man bei der Siedehitze die Volumina
der Alkohole mit den Volumen ihrer entsprechenden Säu-
ren, so ergibt sich:
1.
2.
3.
4.
5. i
Methylalkohol;
Ameisensäure ;
Aethylalkohol;
Essigsäure;
•
Propylalkohol;
Propionsäure;
Isobutylalkohol;
Isobuttersäure;
Isoamylalkohol;
v
v
V
V
V
V
V
9
V
V
V
V
V
V
V
V
Isovaleriausäure; r
v
42.3 K. |
42.4 P.
41,« K. |
61,7 P.
62.2 K.
62,7 R.
63.4 K.
64.3 R.
81.5 PP.
85,9 K.
86,0 PP.
102.3 PP.
106,5 PP.
106.7 K.
122.8 P.
123.5 K.
130.4 K.
130.6 PP.
Jv = — 0,5.
Jv = + 1,6 im Mittel.
Jv = + 4,5.
Jv = + 4,2 bis 4,4.
- Jv = +6,9 bis 7,8.
Weil das Volumenmaass der normalen Alkohole ab-
nimmt, das der Säuren zunimmt, so wachsen die Differenzen
der Paare von Nr. 1 bis 3 und von Nr. 4 und 5. Die
Volumina von Methylalkohol und Ameisensäure, von
Aethylalkohol und Essigsäure können bei Siedehitze
angenähert für gleich erachtet werden; das Volumen än-
dert sich nur wenig, indem in der Säure O an die Stelle
von H2 des Alkohols tritt. Bei den höheren Paaren jeder
homologen Reihe nimmt dagegen die Volumendifferenz beim
Siedepunkt rasch zu.
Die Volumina der Alkohole und ihrer respectiven Säuren
stehen beim Siedepunkt zwar in sehr gesetzmässigen , aber,
mit Ausnahme des ersten Paares, nicht in einfachen Be-
ziehungen.
§ 27. Viel einfachere Verhältnisse der Volumina der
Alkohole und ihrer respectiven Säuren stellen sich heraus,
wenn man sie bei gleicher Temperatur vergleicht. Es hat
Brühl1) eine Reihe sehr sorgfältiger Dichtigkeitsbestim-
1) Brühl, Lieb. Ann. 208.
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664
//. Schröder.
mungen von Alkoholen und Säuren der Fettreihe bei 20°.
bezogen auf Wasser von 4°, gegeben, und es reihen sich
denselben die von Brühl aus den Landolt'schen Beobach-
tungen für die nämliche Temperatur berechneten Werthe
an. Aus diesen Beobachtungen ergeben sich die Molecular-
volumina bei 20° wie folgt:
j [Methylalkohol
l Ameisensäure
2 f Aethylalkohol
l Essigsäure
( Norm. Propylalkohol
3.
4.
ropionsäure
Norm, Buty lalkohol
Norm. Buttersäure
^ \ Isobuty lalkohol
l Isobuttersäure
Isoamylalkohol
6.
Isovaleriansäure
CH40 ;
vin
40°4L \
M y ' 1 mm X • |
CH.,0,. :
- *
* m
87,74 L. 1
(\II,0 ;
.0
57,50 L. 1
57,47 L. 1
C5HH0
74.59 Br. \
C3H,A
74,45 L. /
c4nl0o
»i«
91,37 13r.
C4HA ;
91.75 L.
r,0
91,79 Br.
C4HI00 ;
rM
91,79 L. 1
C4H9Os i
' 20
92,73 Br. J
C5H120
i rso
108,3 L.
108,6 Br.
C5H,0(X:
109,72 L.
ri0
109,00 K.
Av =
— 2.50.
Av =
- 0,03
Ar =
- 0,14.
Av =
+ 0.3>
bis 0,42.
Av m + 0,94.
Av = 1,1
bis 1,4.
Nimmt man das erste Paar aus, so gilt thatsächlich.
wenn auch nicht in aller Strenge der Satz: bei gleicher
Temperatur ist das Alkoholvolumen sehr nahe gleich
dem Säurevolumen; O in der Säure tritt sehr nahe ohne
Volumenänderung an die Stelle von H2 des Alkohols. Am
nächsten liegen sich die Volumina von Propjlalkohol und
Propionsäure, Butylalkohol und Buttersäure; von
da ab wird die Differenz bei den niederen Paaren zu-
nehmend negativ, d. h. das Alkoholvolumen wird zunehmend
grösser als das Säurevolumen. Bei den Paaren von höhe-
rem Atomgewicht scheint die Differenz positiv zu werden,
d. h. das Säurevolumen ergibt sich sehr wenig grösser als
das Alkoholvolumen. Doch überschreiten die letzteren Dif-
ferenzen kaum die Fehlergrenzen der Beobachtung, und aus
anderen Beobachtungen würde sogar die Gleichheit der Vo-
lumina der höheren Säuren und Alkohole bei gleicher Tem-
peratur hervorgehen. Es muss dies künftiger Aufklärung
vorbehalten bleiben. Ich führe noch eine Reihe dahingehö-
riger Thatsachen an.
V
Digitßed by GoogL
//. Schröder.
665
a. Für Alkohol und Essigsäure ergibt sich aus den
Beobachtungen KoppV):
I Aetbylalkohol: r„ = 56,83; r50 » 60,02; r7(M = 62,22
l Essigsäure: r{) - 55,55; r50 = 58,58; r7Sf4 = 60,48
J = 1,28; J = 1,44; A = 1,74.
Das Alkoholvolumen ist wie in 2 oben stets etwas
grösser als das Säurevolumen bei gleicher Temperatur und
scheint sich mit abnehmender Temperatur dem letzteren lang-
sam zu nähern.
b. Dass für die höheren Paare das Säurevolumen
etwas grösser wird, als das Alkoholvolumen, wie oben in 6,
dafür scheint auch die Beobachtung der Dichtigkeit von
norm. Amylalkohol und norm. Valeriansäure bei verschie-
denen Temperaturen von Lieben und Rossi (1870 und
1871) zu sprechen. Nach diesen Beobachtungen ergibt sich:
( Norm. Amylalkohol: t?0= 106,1; t>20= 107,'.»; r41> = 110,0; r0,j2 = 117,5
1 Norm. Valeriansiiure: r0 = 106,5; r40 = 108,5; t?4ü = 110,7; t*99,3 = 118,2
Jv=* 0,4; Jp=* 0,6; J v- 0,7; Jv= 0,7.
Die sich stets sehr nahe liegenden Volumina nähern sich
mit abnehmender Temperatur sehr langsam der völligen
Gleichheit. Die Unterschiede überschreiten jedoch nicht die
Fehlergrenzen der Beobachtung.
Andererseits spricht eine Reihe von Beobachtungen für
wirkliche Gleichheit der Volumina von Säure und Alkohol
bei gleicher Temperatur auch bei den höheren Gliedern.
a'. Nahe völlig gleich erscheinen die Volumina von nor-
malem Propylalkohol und Propionsäure nach den Beobach-
tungen von Saytzeff, von Linnemann und von Kopp:
1870 1872
{Norm. Propylalkohol: r0 = 72,01 Saytzeff; r15 = 74,39 Linnemann
Propionsäure: e0 = 72.83 Kopp ; vlb = 74,03 Kopp.
b'. Völlig gleich erscheinen die Volumina von normalem
Butylalkohol und normaler Buttersäure nach den Beobach-
tungen von Saytzeff, von Linnemann und von Pierre:
1870 1872
I Norm. Butylalkohol: v0 = 89,60 Saytzeff; v2i = 90,97 Linnemann
l Norm. Buttersäure: t>0 =* 89,64 Pierre ; vn m 90,96 Pierre 1. c.
1) Kopp, Pogg. Ann. 72. 1847.
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666 H. Schröder,
c'. Vergleicht man die von sehr verschiedenen Beobach-
tern für Isoamylalkohol und Isovaleriansäure bei 0°
beobachteten Volumina, so kann man sie wohl nur für gleich
erachten. Man hat:
Isoamyl- \ , T_ Isovalerian- 1 (Dumas u,
n u i f «\> = 107,1 Kopp; _ }t>0 = 104,1 {
alkohol I 0 ' rr säure P l btass.
inactiver v0 = 106,8 Balbiano; „ v0 m 107,0 D elf fs.
,rn. I Erlenmeyer +Mn ™
activer v0 = 106,5 { _ ./ „ vQ = 106,9 Personne.
I u. Hell;
„ r0 = 106,4 Pierre; „ t>0 = 106,8 Chevreul.
„ t>0 = 106,1 Cahours; „ t>0 = 106,7 Kopp.
Nach Kopp's Beobachtungen, wenn dabei auch ein
wenig Zufall mitgewirkt haben mag, stimmen die Volumina
beider auch bei 50 und 100° vollkommen überein:
I Isoamylalkohol; v60 = 112,3 K.; i\00 = 118,7 K.
1 Isovaleriansäure; vM = 112,3 K.; «l00 = 118,7 K.
d' . Auch für normalen Heptylalkohol und normale
Heptylsäure sind bei 0° gleiche Volumina beobachtet:
| Norm. Heptylalk. S= 175,5°; r0 = 138,6 Cross (1877).
\ Norm. Heptyls. 5 = 222,4°; v0 = 139,0 Lieben u.Janeeeck (1877).
Alle diese Thatsachen sprechen dafür, dass die Alko-
hole und ihre zugehörigen Säuren der Fettreihe vom dritten
Glied ab bei gleicher Temperatur sehr nahe gleiche oder
völlig gleiche Volumina haben.
§ 28. Ich habe dem Nachweis der erwähnten That-
sachen eine besondere Sorgfalt gewidmet aus dem Grunde,
weil man bisher von der Ansicht ausging, dass sich Regel-
mässigkeiten der flüssigen Volumina dann am sichersten her-
ausstellen, wenn man die Volumina bei gleicher Spannkraft
der Dämpfe, also z. B. bei den respectiven Siedepunkten
vergleicht. Aus verschiedenen Thatsachen geht hervor, dass
dies zwar die Kegel, aber nicht allgemein gültig ist.
Die Alkohole der Fettreihe und ihre Säuren, obgleich
ihre Siedepunkte um einige 40° differiren, zeigen, das erste
Paar ausgenommen, die einfachsten Verhältnisse, wenn
man sie bei gleicher Temperatur vergleicht. Die Mittel-
glieder der homologen Reihe, die Alkohole und Säuren des
Propyls und Butyls haben völlig identische Volumina; es
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//. Schröder.
667
tritt 0 ohne Volumenänderung an die Stelle von H2 des
Alkohols. Bei den niederen Gliedern, so bei dem Aethyl-
alkohol und der Essigsäure, ist das Alkoholvolumen sehr
wenig grösser als das Säurevolumen; bei den höheren Glie-
dern scheint nach einigen Beobachtungen das Säurevolumen
sehr wenig grösser, als das Alkoholvolumen; nach anderen
Beobachtungen erscheinen auch die Volumina der höheren
Paare völlig gleich.
Im Mittel haben also die Alkohole und ihre
respectiven Säuren gleiche Volumina bei gleicher
T emperatur.
Diese Thatsache steht nicht allein. Analoges kommt
mehrfach vor. Ich werde weiter unten z. B. nachweisen,
dass die Alkohole und Ester des Propargyls und Aethyls
nahe gleiche Volumina bei gleicher Temperatur haben;
ebenso die Jodalkyle und die Ester von gleicher Steren-
zahl u. s. f.
§ 29. Die Säuren und ihre isomeren Ester haben
bei Siedehitze sehr nahe gleiches Volumen (§2); bei glei-
cher Temperatur, z. B. bei 20°, sind die Molecularvolumina
der Ester jedoch beträchtlich grösser, weil der Abstand der
Ester vom Siedepunkt ein viel kleinerer ist. Ihre Volumen-
unterschiede werden allmählich etwas kleiner mit abnehmen-
der Temperatur, weil die einer bestimmten Abkühlung ent-
sprechende Contraction der Ester etwa sieben Sechstheile
mal so gross ist als die Contraction der isomeren Säuren.
§ 30. Durch die Paragraphen 26 bis 28 ist nun fest-
gestellt, dass auch CO der Säuren mit CH2 derselben
gleiche Raumerfüllung hat, weil H2 des Alkohols durch
das zweiwerthig an C gebundene 0 in CO der Säure im
Mittel ohne Volumenänderung ersetzt wird. In der näm-
lichen Verbindung hat daher CO unbedingt die näm-
liche Raumerfüllung wie CH2; d.h., das zweiwerthig
an ein Kohlenstoffatom gebundene Sauerstoffatom
hat die nämliche Raumerfüllung wie zwei Wasser-
stoffatome.
Ich will dies für Buttersäure und Butylalkohol bei 0°
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//. Schröder.
an einem Beispiele erläutern. Nach § 22 und 23 und § 27 V
hat man:
| Norm. Butylalkohol = C4H10O.,; vQ = 89,62 = 5 x 17,92.
\ Norm. Buttersäure = C4IIs04 ; vti = 89,62 = 5 X 17,92.
Im Aethylalkohol und der Essigsäure bei 0° (nach
Kopp) haben zwar CO und CH2 wie oben die nämliche
Sterenzahl, aber wegen des ungleichen Volumenmaasses
sind die messenden Zahlen nicht mehr völlig gleich. Man hat.
•
| Aethylalkohol = CsH,0 ; v0 = 56,83 = 3 X 18,94.
I Essigsäure = CUi4Oä; v0 = 55,55 = 3 X 18,52.
§ 31. Nach den Mittel werthen der beim Siedepunkt
beobachteten Volumina haben Essigsäure und Aethyl-
aldehyd gleiches Volumenmaass, denn sie sind Mul-
tipla der nämlichen Stere. Beide unterscheiden sich
ihrer Zusammensetzung nach um 0 in OH. Man hat:
| Essigsäure = CH„.CO.OH; v = 63,9 i. M. - 9 x 7,1. K.u.R. (§ 26)
1 Aid e h y d = CH8.CO.H ; v = 56,8 =8x7,1. K.u.P.
Av für O in OH = 7,1.
Nun ist aber Vol. CH2 = Vol. 02 in der Essigsäure
nach Paragraph 22 = 21,3:
Essigsäure = C2H40.,; v = 63,9 = 3 x 21,3.
Aber 21,3 ist = 3 x 7,1.
Es hat also O in OH den dritten Theil des Vo-
lumens, welches dem CH2 und dem 02 in der Essig-
säure zukommt..
Da das Volumenmaass der Aldehyde der Normalreihe
mit dem Atomgewicht abnimmt, das der Säuren aber
wächst, so wird natürlich die Differenz der Säuren und
Aldehyde in den höheren Paaren sofort grösser, als der
dem O in OH wirklich zukommende Werth, = 7 etwa.
So ist z. B.:
| Propionsäure = C8H6.CO.OH; v = 85,9 K.
\ Propylaldehyd = C2H5.CO.H ; v = 75,0 PP.
Av = 10,9.
Aber diese Differenz 10,9 entspricht keineswegs dein
wahren Volumen von 0 in OH der Säure, weil in dieser
Differenz auch der gesammte Mehrbetrag des Volumens
der in der Säure und dem Aldehyd gemeinsamen Com-
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H. Schröder.
6G9
ponenten enthalten ist, welcher denselben wegen des grösse-
ren Volumenmaasses in der Säure zukommt.
Auch Phenol und Benzol haben sehr nahe gleiches
Volumenmaass und bestätigen, dass dem O in OH eine
Stere Raumerfüllung eigen ist. Man hat, wie sich später
unzweifelhaft ergeben wird:
f Phenol = CöH5.OH; v = 103,0 K. = 15 x 6,87.
t Benzol = CÖH3.H ; v = 96,0 K. = 14 X 6,86.
Jv = 7,0.
Beide unterscheiden sich also um eine Stere.
§ 32. Die bis dahin gewonnenen Thatsachen reichen
nun schon hin, um die Volumenconstitution der Säuren
und Ester, der Alkohole und Aldehyde, und ebenso um
die Atomvolumina der Elemente in diesen Verbindungen
festzustellen.
Nehmen wir, um dies klar darzulegen, das Volumen-
maass so an, wie es oben für die Essigsäure und das
Aldehyd sich ergeben hat, so ist festgestellt bei Siede-
hitze : *
a. Weil Vol. GH., = Vol. 04 - Vol. OH.2 = 21,3 = 8 x 7,1 (§ 22 bis 25)
und Vol. 0 in OH* 1 X 7,1 (§31)
so ist Vol. H2 in OH2 = 2 x 7,1
und Vol. H = 1 x 7,1.
Es haben daher 0 in OH und H die gleiche
Raumerfüllung einer Stere:
b. Weil Vol. CH2 = 21,3 = 3 x 7,1
und Vol. H, = 2 x 7,1
so ist Vol. C = 1 x 7,1.
Es hat also auch C mit H und 0 in OH die
gleiche Raumerfüllung einer Stere:
c. Weil Vol. CH, = Vol. CO = 3 x 7,1 (§ 26 u. 27).
u. Vol. 0 in CÖ = Vol. H, - 2 x 7,1
so ist also Vol. 0 in CO = 2 x 7,1.
Es hat also O in CO zwei Steren Raumerfüllung.
Die Stere ist hier = 7,1. Sie ist mit dem Atomgewicht
und der Zusammensetzung in engen Grenzen veränderlich,
aber sie schwankt, wie sich zeigen wird, für alle genannten
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670
H, Schröder
Gruppen nur innerhalb der Grenzen 6,7 und 7.4 und ist im
Durchschnitt etwa 7.
Das überaus einfache, schöne und merkwürdige Resultat
dieser Untersuchungen ist daher:
Die Atomvolumina der Elemente Kohlenstoff
und Wasserstoff und des einwerthig verketteten
Sauerstoffes sind in jeder Verbindung gleich und
werden durch eine Stere gemessen.
Dem Atomvolumen des zweiwerthig an ein Koh-
lenstoffatom gebundenen Sauerstoffes in CO ent-
sprechen zwei Steren.
Dem 02 des Carboxyls = CO.OH der Säuren ent-
sprechen drei Steren, weil es 0 in CO mit zwei Ste-
ren und O in OH mit einer Stere enthält.
IV. Volumenconstitution der gesättigten Verbindungen.
§ 33. Nach Ermittelung der erwähnten einfachen Natur-
gesetze ist nun die Volumenconstitution der Säuren und
Ester, der Alkohole und Aldehyde der Fettreihe nach
dem Vorausgehenden unmittelbar gegeben.
Ich bezeichne mit einer ganzen Zahl rechts unten neben
dem Zeichen eines Elementes, wie üblich, die Anzahl der
Atome, mit welchen es in einer Verbindung enthalten ist;
und mit einer ganzen Zahl rechts oben neben dem Zeichen
eines Elementes die Anzahl der Steren, welche die bezeich-
nete Atomzahl dieses Elementes in der Verbindung zur
Raumerfüllung beiträgt. Die Summe aller dieser Steren
der Elementaratome macht die Sterenzahl der Verbin-
dung aus. Das beobachtete Volumen, mit dieser Steren-
zahl getheilt, ergibt die Grösse der Stere.
Es lässt sich auf diese Weise die Volumenconsti-
tution jeder Verbindung, ganz analog wie ihre Zusam-
mensetzung nach Gewichten, durch eine einfache For-
mel ausdrücken.
Im Folgenden stelle ich diese Formeln für die oben
erwähnten Gruppen, sofern dieselben auf ihre Ausdehnung
durch die Wärme untersucht sind, zusammen. Die Volumina
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H. Schröder.
671
und Steren gelten alle für die Siedepunkte der betreffen-
den Verbindungen.
§ 34. Für die Alkohole der Fettreihe ergibt sich
sonach:
* * . . . j =Cl1H33.011Hl1\ v= 42,3 K. = 6x7,05.
Methylalkohol (^.^«i L= 42,4 P. = 6x7,06.
2. Aethylalkohol = Q%*BfOxx ; t> = 61,7 P. = 9x6,86.
v - 62,2 K. m 9 X 6,91.
v = 62,7 K. = 9x6,97.
3. Propylalkohol = C33HS8(V ; v = 81,5 PP. = 12 x 6,79.
4. Isobutylalkohol =C44H9801l ; v m 102,3 PP. = 15 x 6,83.
5. Isoamylalkohol = C5ftHia,sO, »; v = 122,8 P. =18x6,82.
V m 123,5 K. = 18 X 6,86.
6. Methylhexylcarbinol = CS8H181&<V; v = 197,3 R. « 27 x 7,31.
Die Abnahme der Stere in der Normalreihe liegt klar
vor. Ob die Kamsay'sche Bestimmung Nr. 6 nicht etwas zu
hoch ausgefallen ist, muss ich einer wiederholten Beobachtung
anheimstellen.
Jedes Elementaratom der Alkohole erfüllt den
Raum einer Stere.
§ 35. Für die Säuren der Fettreihe ergibt sich:
1. Ameisensäure |=c 'li^O 3 I v = 41,8 K = 6 X 6'97*
2. Essigsäure = C8sH44028 = 63,4 K. m 9x7,04.
v = 64,3 R. - 9 X 7,14.
3. Propionsäure = C33H66<V i » = 35,9 K. = 12 x 7,16.
v = 86,0 P. = 12 x 7,17.
4. Norm. Buttersäure = C^HgK),8 ; v = 108,0 P. = 15 x 7,19.
5. Isobuttersäure = C44Has(V ; t> = 106,5 PP. = 15 x 7,10.
v = 106,7 K. =15x7,11.
6. Isovaleriansäure = C55H10i°O23; v « 130,4 K. *= 18 x 7,24.
v = 130,6 PP. = 18 X 7,26.
1
Die Zunahme der Stere in der Normalreihe und in der
Isoreihe liegt klar vor. Ebenso ist die Stere der Normal-
verbindung grösser als die Stere der Isoverbindung. Die
Volumina der Säuren enthalten eine dem Sauerstoff
zukommende Stere mehr als Elementaratome.
§ 36. Für die Ester, nach ihrem Säuregehalt geordnet,
ergibt sich:
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672
//. Schräder.
I. Formiate:
1. Ameisens. Methyl
2.
3.
4.
Aethyl
Propyl
Isobutyl
II. Acetate.
C3'Hd*0.23
; o = 63,1 K.
r = 63,2 R.
; v m 84,7 K.
v = 85,4 P.
v - 85,6 R.
; v = 106,9 PP.
9 X 7,01.
9 X 7,02.
12 x 7,06.
12 X 7,12.
12 x 7,13.
15 x 7,13.
CVH1010O,3 ; v = 130,9 PP. = 18 x 7,29.
5. Essigsaures Methyl
6. „ Aethyl
7.
8.
9.
Propyl
Isobutyl
Isoamyl
C33IVO,3
C/Hs'023
(VH,,l*0,3
(VHu"Oä3
; v = 83,9 K.
; v = 107,4 K.
0 m 107,7 P.
; v = 129,5 PP.
; v = 149,1 PP.
; v = 175,4 K.
12 X 6,99.
15 X 7,16.
15 X 7,18.
18 X 7,19.
21 X 7,10.
24 x 7,31.
III. Propionate.
10. Propionsaur. Aethyl = C55H1010O,3
11. „ Propyl = C6,5IIu.l20,3
12. „ Isobutyl = C77Hu140,3
IV. Isobutyrate.
13. Isobutters. Methyl
v
\ v
; v
126,7 K. = 18x 7,04.
128,6 PP. = 18x7,14.
152,0 PP. = 21 X 7,24.
175,0 PP. = 24 x 7,29.
14.
Aethyl
= <VH10
= C(i"Hl2120,3
15.
16.
17.
n
Propyl
Isobutyl
Isoamyl
; v = 127,1 K. = 18 x 7,06.
0 = 128,3 PP. = 18 X 7,13.
; v = 149,7 K. = 21 x 7,12.
v =* 151,9 PP. = 21 x 7,23.
; v = 174,4 PP. - 24 x 7,27.
; v = 199,9 PP. = 27 x 7,40.
= <VH14»023
<ü C0°H181S0.23 ; v = 221,7 PP. = 30 x 7,39.
V. Iso valerianate.
18. Isovaleriaus. Methyl = C0°H12lifO,
19.
20.
21.
22.
Aethyl = C77HU«*(V
Propyl' = C3sH16l60,3
Isobutyl = CöuII1H18023
Isoamyl = Cj^^H^1
v - 149,6 K. = 21 X 7,12.
v = 149,8 PP. = 21 X 7,13.
v = 174,7 PP. = 24 X 7,28.
v = 198,6 PP. = 27 x 7,36.
v = 217,8 PP. = 30 X 7,26.
M()f«. v = 244,6 K. = 33 X 7,41.
v = 245,7 PP. = 33 X 7,45.
Es ist überraschend, welche einfache und schöne Ge-
setzmässigkeit sich in all diesen Beziehungen ausspricht.
§ 37. Für die Aldehyde und Ketone ergibt sich:
, a ii , n , | = C1,H33.C1,012H1M v = 56,9 K. = 8x7,10.
Aethylaldehyd j = fafä^ L-Ö6,8P. =8x7,10.
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H. Schröder.
673
2. Propylaldehyd = (VH/O,* » v m W»OPP. = 11 X 6,82.
S.Aceton « Ci W 5«- 77,4 K. =11x7,04.
v = 77,0 Th. = 11 x 7,00.
4. Isobutylaldehyd = (VHSS<V ; v = 96,3 PP. = 14 x 6,88.
5. Isoamylaldehyd = C5ftHI0,0O,2; v = 118,6 K. = 17 X 6,98.
v = 118,7 PP. = 17 x 6,98.
Das Volumenmaass der Aldehyde sinkt vom ersten zum
zweiten Glied in der Normalreihe. In der Isoreihe scheint
es mit dem Atomgewicht zu wachsen.
§ 38. Die einfachen in § 32 zusammengestellten Gesetze
gelten jedoch nicht nur für die Alkohole und Säuren, die
Ester und Aldehyde, aus deren Beziehungen sie abgeleitet
wurden; sie sind ebenso gültig für alle gesättigten
Verbindungen, also für alle aus Kohlenstoff, Was-
serstoff und Sauerstoff zusammengesetzten Verbin-
dungen, welche keine mehrfach verketteten Kohlen-
stoffatome enthalten.
Es geht dies zunächst hervor aus den bis jetzt auf ihre
Ausdehnung durch die Wärme untersuchten gesättigten Koh-
lenwasserstoffen.
JedesElementaratom derselben erfüllt denRaum
einer Stere. Sie sind:
1. Propylisopropyl = CÄ6HUU; v = 13S,7 R. = 20 x 6,94.
2. Normales Hexan = Ce«HuM; v = 140,1 berechnet = 20 x 7,00.
3. Aethylisoamyl = C77H1616; r = 162,3 Th. = 23 x 7,05.
4. Normales Heptan = C77H1616; v = 162,9 Th. = 23 x 7,08.
5. Diisobutyl = C8*H1819; r = 184,8 K. = 26 x 7,10.
e = 185,5 Th. = 26 x 7,13.
6. Normales Ot tan = C8»Hlä^ o = 186,9 Th. = 26 x 7,19.
Das normale Hexan ist berechnet nach Schorlem-
mer'8 Dichtigkeitsbestimmung 5 = 0,6630 bei 17° und den
Ausdehnungsmessungen Thorpe's für das normale Heptan.
Diese Verbindungen weisen das Wachsen des Vo-
luinenmaasses oder der Stere mit dem Atomgewicht
nach; sie bestätigen, wie schon Thorpe an denselben er-
kannt hat, dass das Volumenmaass der Normal Verbin-
dung beim Siedepunkt sehr wenig, jedoch etwas grösser ist,
als das der Isomeren, und sie legen dar, dass die Mole-
Ana, d. Phys. u. Chera. TS. F. XIV. 43
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674
H. Schröder.
cularvolumina dieser Kohlenwasserstoffe Multipla der Stere
6,9 bis 7,2 sind.
Diese Gruppe enthält eine prägnante Bestäti-
gung für die Richtigkeit des Sterengesetzes und
der abgeleiteten Gesetze über die Atomvolumina
der Elemente in ihren Verbindungen.
§ 39. Die chemische Constitution des Aethyl äthers
ist dargestellt durch die Formel C2H5.O.C2H6. Der je ein-
werthig an zwei Gruppen Aethyl = C22H55 gebundene
Sauerstoff muss nach den bisher ermittelten Thatsachen eine
Stere Raumerftillung haben. Die Volumenconstitution
des Aethers ist hiernach:
Aethyläther = C^H^MVIV = C4«H1010(V; v = 106,2 K. = 15 x 7,08.
Jedes Elementaratom der gesättigten Aether-
arten trägt eine Stere zur Raumerfüllung bei. Die
entwickelten Volumengesetze sind hierdurch auf das un-
zweideutigste bestätigt.
Dass dem Aethyläther 15 Steren entsprechen müssen,
geht übrigens auch hervor aus seinem vollkommenen Iso-
sterismus mit:
Isobuttersäure - C44Hs9Oa8; v = 106,7 K. = 15 x 7,11.
und ameisensaurem Propyl = C/Hg^V; v - 106,9 PP. = 15 x 7,13.
§ 40. Die Structurformel des kohlensauren Aethyls
ist (C2H60)2.CO. Seine Volumenconstitution muss daher
sein: C4*H1010O22.C11Ox» = C66H1010O3*= 19 Steren. Nun hat
man nach Kopp's Beobachtung:
Kohlensaures Aethyl = C65H10,0O34; v = 138,8 K. = 19 X 7,31.
Die Stere erscheint etwas hoch. Aber die Ester von
hohem Atomgewicht haben normal grosse Steren; schon die
Annahme von 20 Steren würde die Stere 6,94 bedingen;
eine so niedere Stere, wie sie überhaupt kein einziger Ester
darbietet. Die Beobachtung bestätigt also die Sterenzahl 19.
wie sie theoretisch vorauszusehen ist.
§ 41. Dem Oxalsäuren Methyl gibt man die
Structurformel ! 8, wonach seine Volumenconstitution als
t>= 106,5 P. =15x7,11.
v = 106,5 P. =
15 X 7.10.
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H. Schröder.
675
(^«C, K), Kl >H33
Ä l = GYH/O.6 zu erwarten ist. Es wird dies
Ot 'C, 'O, 'C, 'H3 4 6 4
durch Kopp's Betrachtung bestätigt; denn es ist:
Oxalsaures Methyl = CVH6*046; v = 115,0 K. = 16 x 7,19.
Auch die Bernsteinsäure ist zweibasisch und ent-
hält daher die Gruppe CO doppelt; für bernsteinsaures
Aethyl ergibt sich hiernach die Voluiuenconstitution:
Bernsteinsaures Aethyl = C99Hu»*049; v m 209,2 K. « 28 X 7,47.
Fernere Beobachtungen müssen entscheiden, ob den
Estern der zweibasischen Säuren, welche die doppelte
Anzahl von Sauerstoffatomen enthalten, in der That regel-
mässig ein etwas grösseres Volumenmaass zukommt,
als den Estern der einbasischen Säuren, wie es nach den
vorliegenden Beispielen den Anschein hat.
§42. Für zweiwerthige Alkohole oder Glycole liegt
bis jetzt nur eine Beobachtung von Ramsay für das Aethy-
lenglycol vor. Ist seine Structurformel — HO.H2C.CH2.OH
/ OH
oder = CH3.CH2<^OH, so muss seine Volumenconstitution
gegeben sein durch C22H68022 = 10 Steren.
Es bestätigt sich dies durch die Beobachtung, denn:
Aethylenglyeol = C22HööOas; v = 65,6 R. = 10 x 6,56,
Es können nicht 9 Steren angenommen werden, denn
ihnen würde die Stere 7,29 entsprechen, weil 65,6 = 9x 7,29.
Eine so hohe Stere für einen Alkohol wäre ganz ohne
Analogie. Entsprechen aber die 10 Steren, so zeichnen sich
die zwei werthigen Alkohole gerade so durch eine doppelt
erniedrigte Stere aus, wie die zwei werthigen Säuren und
Ester durch eine doppelt erhöhte; eine sehr merkwürdige
und lehrreiche Thatsache, deren fernere Bestätigung abzu-
warten ist.
§43. Der nahe Isosterismus des Essigsäureanhydrids
= C4H6Ö3 mit Normalbuttersäure ergibt, dass das erstere
15 Steren hat. Es stimmt dies vollkommen tiberein mit der
Structurformel des Anhydrids = Cx 1 Ox »Oj ».Cj lO, lfljs
= C44H66036 = 15 Steren, und die Beobachtung bestätigt
43*
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A
676
H. Schröder.
also auch hier die Richtigkeit der theoretischen Auffassung.
Man hat:
| Normalbuttersäure » C/H990,3; v = 108,0 P. = 15 x 7,19.
\ Essigsüureanhydrid = C44H^H)zb\ v = 109,9 K. = 15 X 7,33.
§ 44. Es sind dies alle auf ihre Ausdehnung durch die
Wärme untersuchten Kohlenwasserstoffe und Kohlen wasserstoff-
oxyde, welche keine mehrfachen Bindungen von Kohlenstoff-
atomen enthalten. Sie bestätigen alle die entwickelte Theorie.
Es würde sich die gleiche Thatsache auch noch für
viele Verbindungen bestätigen lassen, für welche sich, wenig-
stens sehr angenähert, wie oben für das normale Hexan,
das Volumen beim Siedepunkte berechnen lässt aus ihrem
beobachteten Volumen bei 0° oder gewöhnlicher Tem-
peratur und der beobachteten Ausdehnung durch die Wärme
für eine homologe Substanz. Ich habe dazu eine grössere
vorbereitende Arbeit1) bereits mitgetheilt. Jene Berechnung
auf viele Verbindungsklassen auszudehnen, ist jedoch die Auf-
gabe einer selbständigen Untersuchung von sehr bedeu-
tender Ausdehnung, auf die ich deshalb hier ganz und
gar nicht eingehen will und kann.
§ 45. Hervorheben muss ich jedoch schon hier, dass
sich nach dem Sterengesetz auch aus dem beobachteten
Volumen bei 0° oder z. B. bei 20° in vielen Fällen mit Be-
stimmtheit die Volumenconstitution ermitteln lässt, und ich
will dies durch ein Paar Beispiele belegen.
Es ist dies z. B. dann der Fall, wenn sich das Volumen
der beobachteten Substanz mit demjenigen einer Substanz
von bekannter Volumenconstitution und von nahe gleichem
Siedepunkt bei gleicher Temperatur oder bei gleichem
Abstand vom Siedepunkte vergleichen lässt.
§ 46. Das Methylal = C3H802 betrachtet man als
Methylendimethyläther. Ist diese Auffassung richtig,
so muss jedes Elementaratom des Methylais eine Stere zur
Baumerfüllung beitragen, und seine Volumenconstitution muss
gegeben sein durch die Formel C33H88022 = 13 Steren.
1) H. Schröder, 13er. d. math. phys. cl. d. K. Aead. d. Wiss. zu
München 1881. I. p. 23—56.
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H. Schröder.
677
Sein Volumen ist bei 20° von Brühl bestimmt; sein
Siedepunkt zu 42,3°. Sein Volumen ist also bei 22° unter
seinem Siedepunkt bestimmt. Nun ergibt sich z. B. aus
Kopp's Beobachtungen für ameisensaures Aethyl bei
22° unter seinem Siedepunkt =55°, also bei 33° das Vo-
lumen r33 = 81,39. Hiernach hat man:
| Aineisensaures Aethyl = Ca3H06(V; r33 =* 81,39 K. = 12 x 6,78.
\ Metliylal = C83HS*<V; v,0 = 88,3 Br. = 13 x 6,79.
Die vollkommene Uebereinstimmung des Voluinen-
maasses oder der Stere beider Verbindungen bei glei-
chem Abstand vom respectiven Siedepunkte bestätigt
die vorausgesetzte Volumenconstitution.
§ 47. Das Acetal wird gehalten für Aethyliden-
diäthyläther. Es muss in demselben daher ebenfalls jedes
Elementaratom eine Stere zur Raumerfüllung beitragen.
Wenn die Auffassung richtig ist, muss seine Volumencon-
stitution gegeben sein durch die Formel G66Hu14022 =
22 Steren. Die Wahrscheinlichkeit dieser Folgerung wird
dadurch unterstützt, dass hiernach dem Acetal und dem
Propylacetat bei nahe gleichem Siedepunkte auch nahe
gleiches Volumenmaass bei 20° entspricht. Es ist nach der
Beobachtung von Brühl:
i Propylacetat = C56H1010O.,3; 6' = 102°; vi0 = 115,2 ßr. = 18 x 6,40.
Ich werde im Folgenden noch mehrfach Gelegenheit
haben, solche Beziehungen zur Ermittelung der Volumen-
constitution einer Verbindung zu benutzen.
V. Ungesättigte Verbindungen der Fettreihe.
§ 48. Auf ihre Ausdehnung durch die Wärme sind von
hierher gehörigen Kohlenwasserstoffen nur untersucht:
das Valerylen, das Isoamylen und das Diallyl. Auf
das letztere komme ich nach Behandlung der Allyl Ver-
bindungen zurück. Die beiden ersten bilden mit dem
Isoamylaldehyd eine Reihe, deren Glieder sich durch
nahe gleiches Volumenmaass und die regelmässige Differenz
um eine Stere auszeichnen. Da die Sterenzahl des Isoamyl-
aldehyds nach dem Früheren bekannt ist, so ist hiermit auch
104°; viQ = 141,9 Br. = 22 X 6,45.
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J(2- 1) = 7.
678 K Schröder.
die Sterenzahl des Valerylens und Isoamylens gegeben. In
der That ist:
Differenz in
1. Valerylen = C5H, ; v - 103,9 Buff \ runder Zahl:
2. Isoamylen = C5H10 ; v - 111,4 Buff
v = 110,8 R.
3. Isoamylaldehyd = C55H,0,(>Ol,; v = 118,6 K. j ; 7
v = 118,7 PP. |
Da dem Isoamylaldehyd 17 Steren entsprechen, hat
hiernach das Isoamylen 16 und das Valerylen 15 Steren.
§ 49. Das gewöhnliche Amylen (Isoamylen) vom
Siedepunkt 34° hat wahrscheinlich die Constitutionsformel:
(CH3)2.CH = CH.CH3. Es enthält eine Doppelbindung
zweier Kohlenstoff atome und nach dem Obigen eine Stere
mehr als Elementaratome.
Dem Valerylen = CH3 = CH.CH2.CH = OH2 gehören
zwei Doppelbindungen je zweier Kohlenstoffatome an, und
es hat nach dem Obigen zwei Steren mehr als Elementar-
atome.
Diese Volumenvergrösserung kann nur auf Rech-
nung der doppelt gebundenenKohlenstoffatomegesetzt
werden, sodass zwei doppelt verkettete Kohlenstoff-
atome als C28 mit drei Steren Raumerfüllung er-
scheinen.
Dass dem Valerylen 15 Steren entsprechen, wird noch
überdies bestätigt durch seinen nahe vollkommenen Isoste-
rismus mit Isobutylalkohol, denn man hat:
f Isobutylalkol = (VH10,0<V; v = 102,3 PP. = 15 x 6,83.
I Valerylen = C5H8 ; v = 103,9 Buff = 15 x 6,93.
Es ergibt sich hiernach die Volumenconstitution dieser
beiden Kohlenwasserstoffe als:
Valerylen = C57HS8 103,9 Buff = 15 X 6,93.
Isoamylen = C56H1010 ; v = 111,4 Buff = 16 x 6,96.
v = 110,8 R. = 16 X 6,93.
§ 50. Vergleicht man das Isoamylen mit dem Propyl-
isopropyl:
| Propylisopropyl = C0ÄH1414; v = 138,7 R. = 20 x 6,94.
I Isoamylen ■? C36H1010; v = 110,8 R. = 16 x 6,93,
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H. Schröder.
679
so ergibt sich, dass sich die Volumina beider genau um
vier Steren unterscheiden, welche dem Mehrgehalt des Was-
serstoffes im Propylisopropyl entsprechen; es haben also die
fünf Atome Kohlenstoff des Amylens genau die nämliche
Raumerfüllung, wie die sechs Atome Kohlenstoff des Pro-
pylisopropyls. Wir gelangen hierdurch auf einem zweiten
Wege zu dem schon im Paragraph 49 gewonnenen Resultate.
Diese beiden Kohlenwasserstoffe, Isoamylen und Vale-
ryfen bieten einen Beleg dar, wie er nicht prägnanter ge-
dacht werden kann, für den wichtigen Satz: dass die Con-
densationen desKohlenstoffes in einfachen Verhält-
nissen stehen. Der nämliche Satz hatte sich aber für
die C ondensationen des Sauerstoffes ergeben.
§ 51. Dem einwerthigen Allyl = C3Hß gibt man die
Structurformel CHj = CH3.CH2. Es enthält hiernach ein
Paar doppelt verkettete Kohlenstoffatome. Bestätigt sich
die aus dem Amylen und Valerylen entnommene Regel, dass
ein doppelt verkettetes Kohlenstoffpaar = C23 ist, so muss
das Allyl die Volumenconstitution C34H66 und eine Stere
mehr als E lernen taratome haben. Dies bewährt sich zunächst
durch den auf seine Ausdehnung durch die Wärme unter-
suchten Allylalkohol, dessen Volumenconstitution hiernach
= O/H/.O^Hj1 = 11 Steren sein muss.
Sein nahe vollkommener Isosterismus mit dem Propyl-
aldehyd lässt hierüber keinen Zweifel. Man hat:
Allylalkohol = (VIVO^; v m 73,9 Tollens = 11 x 6,72.
e = 74,4 Th. v = 11 x 6,75.
v = 74,6 Buff = 11 x 6,78.
Propylaldehyd = C33H660,2; r =-- 75,0 PP. = 11 x 6,82.
Es hat also die Doppelbindung eines Kohlenstoff-
paares im Allylalkol genau die nämliche Wirkung auf
das Molecularvolumen, wie die Doppelbindung eines Koh-
lenstoff- und Sauerstoffatoms im Propylaldehyd,
nämlich die Vergrösserung des Molecularvolumens um
eine Stere.
Es ist zugleich lehrreich, sich zu überzeugen, dass das
Volumenmaass, also die Stere des Allylalkohols und
Propylalkohols nahe völlig übereinstimmen; denn es ist:
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680 H. Schröder.
{
Allylalkohol = C34H4a01l; v = 74,6 Buff = 11 x 6,78.
Propylalkohol = C33H99(V; t>.= 81,5 PP. = 12 x 6,79.
§ 52. Die oben abgeleitete Volumenconstitution des
Allyls wird noch ferner bestätigt durch die Thatsache.
dass bei 20°, wie aus den Beobachtungen von Brühl her-
vorgeht, die entsprechenden Allyl- und Propylverbindun-
gen, deren Siedepunkte sich sehr nahe liegen, immer nahe
genau um eine Stere sich unterscheiden. In der That ist:
Acrolein
;S =
48,1 °Br.
»20
71,9 Br.
11x6,54.
= <VH4*<V
;<s =
50,0° Br.
»20
66,6 Br.
10x6,66.
64,0°Br.
»20
119,2Br.
18x6,62.
*;S =
67,2° Br.
»20
112,4Br.
17x6,61.
= C33H88(V
;S =
97,4° Br.
»20
74,6 Br.
12x6,22.
= <Viv<v
i -s' =
97,2°Br.
»20
67,9 Br.
11 X6,17.
3;S =
101,5°Br.
»20
115,2 Br.
18x6,40.
= (VH98<V
104,5° Br.
»20
107,8Br.
17x6,34.
= C44H88023
;S =
162,0°L.
»20
91,8 L.
15X6,11.
= C4öHd6023
;S =
?
»20
84,7 Br.
14X6.05.
| Propylalkohol
M Allylalkohol
\ Propylacetat
4' \ Allylacetat
{Buttersäure
Metacrylsäure
Das Volumenmaass, d. h. die Grösse der Stere, stimmt
in jedem Paar sehr nahe überein und ist für die Allylver-
bindung, welcher ein etwas höherer Siedepunkt entspricht,
durchschnittlich deshalb nur sehr wenig kleiner.
Aus dieser Uebereinstimmung der Steren bei nahe glei-
chen Siedepunktsabständen folgt wohl auch, dass die Con-
tractionen für gleiche Abstände vom Siedepunkt ab für
die entsprechenden Propyl- und Allylverbindungen wenig-
stens nahe übereinstimmen müssen. Aus den Beobachtungen
lassen sie sich nur für die Alkohole vergleichen und sind
z. B. für 50° vom Siedepunkt ab in Tausendtheilen des Vo-
lumens beim Siedepunkt für Propylalkohol C60 = 57 PP.;
für Allylalkohol C60 = 58 bis 59 Thorpe. Beide Werthe
stimmen nahe überein.
§ 53. Dem Di allyl = C6H10, welches beim Siedepunkt
vollkommen isoster ist mit den Estern = C66H1010O28 von
18 Steren, kommen deshalb unzweifelhaft ebenfalls 18 Steren
zu. Man hat z. B.:
f Diallyl = CÖH10 ; v = 126,9 Buff = 18 X 7,05.
I Propionsaures Aethyl = C55Hlo,0O.,3; v = 126,7 K. m 18 x 7,04.
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H. Schröder.
681
Das Diallyl, weil im Siedepunkt nahe übereinstimmend
mit dem Diisopropyl, wird von Tollens aufgefasst als
CH3.CH = CH.CH = CH.CH3. Es muss daher, wenn sich
die oben gefundene Kegel bestätigt, zwei Paare Kohlen-
stoffatome als C28 und zwei Steren mehr als Elementar-
atome enthalten; seine Volumenconstitution muss sich er-
geben als C68H1010=18 Steren.
Dies ist nun durch die Beobachtung B uff 's und den
oben erwähnten Isosterismus in schönster Weise bestätigt.
Man hat daher für die drei ungesättigten Kohlenwasser-
stoffe :
1. Valerylen = C57H,8 ; v = 103,9 Buff = 15 x 6,93.
2. Isoamylen = <VHI010; v = 111,4 Buff = 16 x 6,96.
3. Diallyl = C/H1010; v = 126,9 Buff = IS x 7,05.
Das Wachsen der Stere mit dem Atomgewicht tritt auch
hier deutlich hervor.
Diese überaus lehrreiche Gruppe enthält den klarsten
Beweis dafür, dass die Condensationen des Kohlen-
stoffes in einfachen Verhältnissen stehen.
§54. Die abgeleitete Volumenconstitution des Diallyl s
wird noch ferner unterstützt durch sein Volumen bei 20°
nach Brühl's Beobachtungen; denn es ist bei nicht sehr
verschiedenen Siedepunkten mit dem Propyläthyläther
vollkommen isoster, dessen Volumenconstitution nach dem
Früheren ausser Zweifel steht. In der That ist:
Diallyl = C68H1010 ; $ = 59,l°Br. «,„ = 119,2Br. = 18x6,62-
Propylüthyläth. - (£^„"0, S = 64,0° Br. r20 = 119,2 Br. = 18 x 6,62.
Auch die Volumina des Acetons und Diallyls, deren
Siedepunkte nahe übereinstimmen, stehen bei 20° in ein-
fachen, obiger Volumenconstitution entsprechenden Verhält-
nissen; denn man hat:
Diallyl = CÄ*HI010 ; S = 59,1° Br. rso = 119,2 Br. = 18 x 6,62.
Aceton =C3JH,«012; 6 = 56,9° . t>20 = 73,2 L. = 11 X 6.65.
Jv= 46,0 = 7x6,6.
Alle diese Beziehungen lassen über die Volumenconsti-
tution des Diallyls keinen Zweifel. Das Ster engesetz ist
nicht nur bei den Siedepunkten, sondern auch bei 20° auf
das klarste bestätigt.
682
H. Schröder.
§ 55. Es sind dies alle bis jetzt auf ihre Ausdehnung
durch die Wärme untersuchten Kohlenwasserstoffe und Koh-
lenwasserstoffoxyde der Fettreihe, welche mehrfache Bindun-
gen des Kohlenstoffes enthalten.
Die einfache und schöne Gesetzmässigkeit, welche sich
für dieselben ergibt, ist einer der glänzendsten Belege für
das Sterengesetz.
Zu den früher Paragraph 32 gegebenen Volumengesetzen
tritt hiernach noch das weitere hinzu:
Zwei doppelt verkettete Kohlenstoffatome tra-
gen drei Steren zur Raumerfüllung bei.
Es muss noch hervorgehoben werden, dass durch die
doppelte Bindung zweier Kohlenstoffatome zwei Wasser-
stoffatome zur Sättigung entbehrlich werden. Diese würden
aber zwei Steren zur Raumerfüllung beitragen, während
die doppelte Kohlenstoffbindung nur eine Expansion der
beiden Kohlenstoffatome um zusammen eine Stere hervor-
bringt: aus dem einfach gebundenen C22 wird Ca8.
Die Expansion des Kohlenstoffes ersetzt also
hier das Volumen des dadurch entbehrlich werden-
den Wasserstoffes nur zur Hälfte.
VI. Aromatische Verbindungen.
§ 56. Aus allen bis jetzt untersuchten Verbindungen,
welche den Phenylkern = C6H6 enthalten, geht überein-
stimmend hervor, dass derselbe mit dem Isobutyl = C44H9*
nahe vollkommen isoster ist und daher eine Raumerfüllung
von 13 Steren hat.
Die aromatischen Verbindungen unterscheiden sich
hierdurch auch ihrer Volumenconstitution nach wesent-
lich von den ungesättigten Verbindungen der Fettreihe.
In den letzteren tritt für jede Mehrbindung der Kohlen-
stoffatome, als der gesättigten Verbindung von gleichem
Kohlenstoffgehalt entspricht, eine Vergrösserung des Vo-
lumens, und respective eine Expansion der Kohlenstoff-
atome um eine Stere ein.
Im Benzol = C6H6 finden sich vier Bindungen zweier
Kohlenstoffatome mehr, als der gesättigten Verbindung
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H Schröder.
683
entsprechen würden, also 8 Valenzen, welche dadurch be-
friedigt sind; gleichwohl ist das Volumen des Benzols nur
um zwei, nicht um vier Steren grösser, als der Anzahl
der Elementaratome entsprechen würde.
Man kann also sagen: Bei den aromatischen Ver-
bindungen entspricht zweiMehrbindungen je zweier Kohlen-
stoffatome nur eine Volumen vergrösserung um eineStere.
Ich werde weiter unten darauf zurückkommen, zu wel-
chen Schlüssen über das Structurschema des Benzols diese
Volumenconstitution Anlass gibt, und hier vorerst nur die
betreffende Thatsache feststellen.
§ 57. Den Isosterismus der Isobutyl- und Phenyl-
verbindungen und ebenso der Isoamyl- und Benzylver-
bindungen hat schon H. Kopp bemerkt und aus dieser
Thatsache wohl vornehmlich die nicht haltbare Ansicht ent-
nommen, dass dem Kohlenstoffatom das doppelte Vo-
lumen zukomme, wie dem Wasserstoffatom: Vol. C= 11,0,
Vol. H = 5,5.
Der Isosterismus der Isobutyl- und Phenylver-
bindungen ist ausser Zweifel gestellt durch die Paare:
j | Phenol = CöH5.0H ; v = 103,0 K.
llsobutylalkohol = C4H9.OH j v = 102,3 PP.
{Bittermandelöl = C6H5.CO.H ; v = 1 18,5 K.
Isoamylaldehyd = C.H^.CO.H ; v = 118,6 K.
v = 118,7 PP.
Benzylalkohol = CaH5.CH3.OH ; v = 122,8 K.
{Isoamylalkohol = C4H*.CH,.OH ; v = 123,6 K.
v= 122,8 P.
Benzoesäure = C6H5.C04H ; v = 126,5 K.
4. \ Isovaleriansäure = C4H9.COsH ; v = 130,4 K.
» = 130,6 PP.
Benzoesaures Methyl = CrtH5.CO.OCH3 ; v = 152,0 K.
{isovalerians. Methyl = C4H(J.CO.OCH8 ; v = 149,6 K.
v = 149,8 PP.
{Benzoesaures Aethyl = CftH5.COj.C2H5 ; v= 175,1 K.
Isovaleriansaur.Aethyl = CÄ.COs.C,Ha ; v = 174,7 PP.
Benzoesaures Isoamyl = CÄH6.COj.C5Hn ; v = 246,4 K.
7. { Isovalerians. Isoamyl = C4H9.CO,,.C6Hn ; t> = 244,6K.
v m 245,7 PP.
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684
H. Schröder.
8. { Propylisopropyl- ^
Aethylisobutyl I
Cy mol
Xylol-Aethylbeuzol
; v = 144,5 R.
; v = 138,7 R.
9. i Diisobutyl
; v = 184,3 K.
; v = 184,8 K
; v = 185,5 Th.
10. {
Chlorbenzol
Chlorisobutyl
CÄH,C1
C4H0C1
; r« 113,4 PP
; v = 114,3 R.
; v = 114,9 Jungflebch.
Hier stimmen die Volumina der Paare 1, 2, 3, 6, 7, 9
und 10 so vollkommen überein, dass an einen Zufall dabei
gar nicht zu denken ist. Wenn die Paare 4, 5 und 8 minder
genau isoster erscheinen, so ist das wahrscheinlich auf Rech-
nung kleiner Beobachtungsfehler zu setzen, welche bei den
hohen Siedepunkten der Phenylverbindungen schwer zu ver-
meiden sind.
Da sich die Volumina der Normalbutyl- und der Iso-
butylverbindungen, wie aller Isomeren dieser Art, sehr
nahe liegen, so kann aus obigen Relationen auch gefolgert
werden, dass die Phenyl- und Butylverbindungen viel-
leicht noch näher übereinstimmen, als die Phenyl-
und Isobutyl Verbindungen. Darüber müssen künftige Beob-
achtungen entscheiden. Weil nun Isobutyl = C44H99 drei-
zehn Steren hat, so hat auch das Phenyl = C6H5 dreizehn
Steren.
Dass die entsprechenden Phenyl- und Isobutyl- oder
auch Butylverbindungen nicht nur gleiche Sterenzahl,
sondern bei den respectiven Siedepunkten auch nahe gleiche
Sterengrösse, d. h. gleiches Volumenmaass haben, ist
eine sehr merkwürdige Thatsache.
Sie macht, wie ich schon 1. c. in den Berichten der
Münchener Academie hervorgehoben habe, wahrscheinlich,
dass der Isoster ismus dieser Paare auch bei anderen ent-
sprechenden Temperaturen, bei welchen ihre Dämpfe glei-
che Spannkraft haben, sich herausstellen werde.
Weil die aromatischen Verbindungen auf die Spannkraft
ihrer Dämpfe bei verschiedenen Temperaturen noch nicht
untersucht sind, so lässt sich dies vorerst thatsächlich nicht
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IL Schröder.
685
feststellen. Da nun aber die Contractionen für gleich
viel Grade vom Siedepunkt ab für die Phenylverbindun-
gen im Durchschnitt nur etwa 45mal so gross sind, als die
Contractionen der entsprechenden Isobutylverbindungen,
so habe ich I.e. die Vor aus bestimmun g gewagt, dass die
Phenylverbindungen durchschnittlich etwa um 6/4mal so viel
Grade abgekühlt oder erwärmt werden müssen, als die ent-
sprechenden Isobutyl- oder Butylverbindungen, wenn die
Spannkraft der Dämpfe beider um gleich viel ab- oder zu-
nehmen soll* denn nur unter dieser Bedingung können die
Volumina der Paare bei der veränderten Spannkraft wieder
nahe gleich sein.
Solche Vorausbestimmungen setzen die Richtigkeit einer
theoretischen Auffassung auf die Probe; dies der Grund,
weshalb ich sie gemacht habe. Es wäre sehr wünschenswerth,
dass die betreffenden Beobachtungen von irgend einer Seite
unternommen würden.
§ 58. Man ist allseitig darüber einig, dass die sechs
Wasser 8 toffatome des Benzols alle die nämliche Rolle
spielen. Es liegt daher kein Anlass vor, für die verschie-
denen Wasserstoffatome des Benzols verschiedene Raumer-
füllungen zu erwarten.
Für das Benzol selbst ist durchaus übereinstimmend
beobachtet: 96,0. Es ist isoster mit Isobutylaldehyd und
hat daher wie dieses 14 Steren. In der That ist:
Benzol = CaH0 ;t> = 96,1 Kopp =14x6,86.
v = 96,0 Adrieenz =14x6,86.
n = 96,0{D , , ) = 14x 6,86.
IPaterno J
Isobutylaldehyd =C44H8*012; t> = 96,3PP. =14x6,88.
Da nun das Phenyl = C6H5 nach Paragraph 57 drei-
zehn Steren hat, so kommt dem einen Wasserstoffatom
des Benzols = CeH6 = 14 Steren, wie gewöhnlich dem Atom
Wasserstoff, eine Stere Raumerfüllung zu; und da sich
alle Wasserstoffatome des Benzols gleich verhalten, so ist
im Benzol Hfi6, und folglich für die sechs Kohlenstoffatome
Ce8 anzunehmen.
Die Volumenconstitution des Benzols und der im § 57
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686 H. Schröder.
erwähnten Derivate desselben ist daher in Uebereinstimmung
mit allem Vorausgehenden gegeben durch die Formeln:
1 Rpnxol
X* UuUaWI
= C 8H 6
, V —
1 02 3 PP
— 1* A 0,00
2 Phenol
^6 "ö lVyl **1
* 41
3 Konz vlalkohol
— v-/^ AA5 •vyj xxj ■ -■ i 1
• 1\ —
, V —
122 8 K
X£t£lyO XV»
— 18 y fi 89
4. Bittermandelöl
;t> =
118,5 K.
= 17x6,9$
t> =
118,7 PP.
= 17X6,98
5. Benzoesäure
»WA'O^»
; v =
126,5 K.
= 18x7,03
6. Benzoes. Methyl
= C68H5».Cl10I2.01,C11H8»
; v =
152,0 K.
= 21X7,24
7. „ Aethyl
= C68H55.Cl1012.011C2aH65
; v =
175,1 K.
= 24x7,30,
8. „ Isoamyl
241,4 K.
= 33 x 7,47,
9. Cymol
; v =
181,5 K.
= 26x7.09,
Das Wachsen der Stere mit dem Atomgewicht tritt bei
6, 7 und 8 wieder klar zu Tage. Die Grösse der Stere
erscheint überall vollkommen normal.
§ 59. Es sind noch ein Paar dem Benzol homologe
Kohlenwasserstoffe beobachtet, deren Volumenconstitu-
tion nun unmittelbar gegeben ist:
1. Benzol - CaflHflö j v = 96,0 = 14 x 6,86.
2. Toluol-Mcthylbenzol = C/IV.C, 'IT,3; v = 120,5 R. = 17 x 7,09.
3. Xylol-Acthylbenzol = Crt8H56.(yH66; v = 144,5 R. = 20 x 7,22.
Das Wachsen des Volumenmaasses mit dem Atomge-
wicht liegt wieder klar vor Augen.
§ 60. Das Cuminol =C10H12O, von der Structurformel
= C6H4.C3H7.COH, ist dem Bittermandelöl homolog, und
muss daher dieVolumenconstitution =C68H44.C33H77.C11012H11
= C1018H1212(V = 26 Steren haben. Kopp's Beobachtung
stimmt damit genügend überein:
Cuminol = C1012Hl212(V; v = 189,4 K. = 26 X 7,28.
§ 61. Das Benzol = C68H68; v = 96,0 = 13 X 6,86
und das Phenol = C68H68(V; v = 103,0 K. = 15 x 6,87
haben beim Siedepunkt gleiches Volumenmaass, dem Benzol
ist daher die niedrige Alkoholstere angehörig.
Bei nahe gleichem Abstände vom Siedepunkte ist es bei
20° auch mit Isopropylalkohol von gleichem Volumen-
maass, wodurch die gleiche Thatsache bestätigt wird.
Man hat:
| Benzol = CÖ81V ; 8 = 80,1° Br. vi0 = 88,6 Br. = 14 X 6,33.
Mlsopropylalk. = C33H88011; 5=82-83°,, viQ = 76,1 Br. = 12 x 6,34.
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H. Schröder.
687
Noch andere Uebereinstimmungen des Volumenmaasses
bei 20° und nahe gleichen Siedepunkten entsprechender Paare
bestätigen ebenso die abgeleitete Volumenconstitution der
Phenylverbindungen.
Das benzoesaure Aethyl = C911H10,0O,8 und die
Oenanthsäure = C77H1414028 haben die gleiche Sterenzahl
24. Sie sind bei genügend nahe liegenden Siedepunkten in
der That bei 20° nahe isoster. Man hat:
j Benzoes. Aeth.= C,nH10l0<V; S = 212° L. vt0 = 143,2 L. = 24 x 5,97.
b'\ Oenanthsäure = C77Hu"0.,3 ; S= 219° L. t>,0 = 141,9 L. =24 x 5,91.
DasToluol hat mit buttersaurem Aethyl und iso-
valeriansaurem Methyl sich nahe liegende Siedepunkte
und bei 20° nahe gleiches Volumenmaass:
AethX* }~ CÄÄH,jISOf3; S = 113,8° L. t,,0 = 130,5L. =21x6,21.
Das Mesitylen wird betrachtet als symmetrisches Tri-
methylbenzol, wonach seine Volumenconstitution gegeben ist
durch C68H33(CH3)312 = 23 Steren. Es hat in der That bei
20° mit Buttersäure von nahe gleichem Siedepunkt auch
gleiches Volumenmaass. Man hat:
(Mesitylen =C„uHl218 ; S= 163,7° Br. v20 = 140,2 Br. = 23 x 6,10.
I Buttersäure =C44HS"0J:| ; S = 162,3° L. vi0 = 91,7 L. =15x6,11.
Alle hier angeführten Beziehungen enthalten ebenso viele
Bestätigungen der bei den Siedepunkten abgeleiteten Formeln
für die Volumenconstitution der betreffenden aromatischen
Verbindungen.
§ 62. Die Zimmt8äure wird betrachtet als Phenyl-
acrylsäure = CflH6.CH = CH.C02H. Ihre Kohlenstoff-
atome müssen daher wegen des Phenyls zwei, und wegen
der ferneren Doppelbindung CHzzCH, welcher C23H22 ent-
spricht, noch eine, also im ganzen drei Steren mehr ent-
halten, als ihre Anzahl beträgt. Hr. Kopp hat das Volumen
des zimmtsauren Aethyls beim Siedepunkt bestimmt, und
diese Beobachtung bestätigt vollkommen die abgeleitete Vo-
lumenconstitution. Es ist:
5=1 16,7° L. t?10 = 131,8 L. =21x6,28.
; 5 = 110,8° Br. vs0 = 106,3 Br. = 17 x 6,25.
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688
H. Schröder.
Zimmtsaures Aethyl = Ctt UH12,J0,,3; v = 212,9 K. = 29 x 7,34.
Die Stere entspricht sehr gut dem Volumenmaass der
Ester von so hohem Atomgewicht.
§ 63. Dem sauren salicylsauren Methyl
C68Hi4\O ^H3lCllH33 = C810H88O34 müS8en 22 Steren zukom-
men. Die Beobachtung bestätigt dies; denn es ist:
Saures salicylsaures Methyl = C910Hs8O34; p = 157,0 K. = 22 x 7,14.
§ 64. Es sind dies alle auf ihre Ausdehnung durch die
Wärme untersuchten Phenylverbindungen. Von allen beob-
achteten Thatsachen steht hiernach keine mit dem Steren-
gesetz und mit der abgeleiteten Volumenconstitution der
Phenylverbindungen im Widerspruch; alle dienen denselben
zur Bestätigung. Zu den in den Paragraphen 32 und 55 ge-
gebenen Volumengesetzen tritt daher noch das fernere hinzu:
In den aromatischen Verbindungen, im Benzol-
kern, erfüllen sechs Kohlenstoffatome den Raum
von acht Steren; sie enthalten C68 = 2 x C3*.
In den ungesättigten Verbindungen der Fettreihe
wird die Raumerfüllung des durch mehrfache Bindung der
Kohlenstoffatome entbehrlich gewordenen Wasserstoffes
nur zur Hälfte durch Expansion der Kohlenstoffatome
selbst ersetzt.
In den aromatischen Verbindungen aber wird die
Raumerfüllung von acht durch Mehrbindungen der Kohlen-
stoffatome entbehrlich gewordenen Wasser st off atomen nur
zum vierten Theil durch Expansion der Kohlenstoffatome
selbst ersetzt.
Das gesättigte Hexan = C66H1414 hat 20 Steren. Im
Benzol = C68H68 werden die acht Steren von H8 des Hexans
nur durch zwei Steren, also nur zum vierten Theile
durch Vergrösserung des Volumens der Kohlenstoffatome
selbst wieder ausgeglichen.
VII. Die Propargylverbindungen.
§ 65. Ganz die gleiche Thatsache ergibt sich nun
auch für die Propargylverbindungen, und ich ziehe sie
deshalb erst nach der aromatischen Gruppe in Betracht.
Zu einem ähnlichen Resultate ist auch durch ganz andere
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H. Schröder.
689
Beziehungen schon Brühl gelangt, indem er bemerkt, dass
sowohl Dichte als Brechungsvermögen den Propargylwasser-
stoff oder das Allylen den aromatischen Verbindungen an die
Seite stellen.
Auf ihre Ausdehnung durch die Wärme sind Propargyl-
verbindungen bisher nicht untersucht; aber die BrtihPschen
Volumenbestimmungen bei 20° reichen wohl hin, die erwähnte
Thatsache festzustellen.
§ 66. Der Isosterismus bei 20° des Propargylalkohols
mit Aethylalkohol und mit Essigsäure, mit welch letz-
terer er überdies nahe'gleichen Siedepunkt hat, lässt kaum
einen Zweifel darüber, dass dem Propargylalkohol = C3H3.OH
wie dem Alkohol und der Essigsäure neunSteren zukommen, und
dass die Verbindung C3H3 darin als C34H33 enthalten ist. That-
sache ist daher, dass den zwei Mehrbindungen der drei Koh-
lenstoffatome nur eine Stere Raumerfüllung mehr entspricht.
Ebenso sind Propargylacetat und Aethylacetat bei
20° völlig isoster, und minder genau Propargyläthyläther
und Aethyläthyläther. In der That hat man:
Essigsäure
= C22H/023
; s=
117,9°L. r20 =
57,2 L.
es 9x6,36.
1.
Propargylalk.
;S =
114,8°Br. »80 =
57,6 Br.
-= 9x6,40.
Aethylalkoh.
; s=
78,5°L. vi0 =
57,5 L.
= 9x6,39.
Propargy lacet.
= CR*HC«<V
;S =
122,0°Br. t>20 =
97,5 Br.
= 15 X 6,50.
tAethylacetat
;«=
76,7° L. v20 =
97,7 L.
= 15x6,51.
•1
Propargyl- 1
äthyläther 1
= c5'iy<v
;S =
83,0°Br.t>20 =
100,9 Br.
= 15x6,73.
| Aethyl- (
[ äthylather 1
85,4° L. v20 =
103,4 L.
= 15x6,89.
Hier verhalten sich die entsprechenden Propargyl- und
Aethyl Verbindungen wie die Säuren und Alkohole (§ 27).
Sie sind, wenn der Abstand vom Siedepunkt hinreichend
gross ist, bei 20° isoster, obwohl die Siedepunkte der
Propargylverbindungen um 36 bis 47° höher liegen als die-
jenigen der entsprechenden Aethylverbindungen.
Auch der bei 20° stattfindende Isosterismus von:
Valerylen = Cj^8 ; S = 45° v2Q = 1 00,2 Br. = 15x6,68.
u. Propargyläthyläth. = C66H8a<V; 5 = 83° »20 = 100,9 Br. = 15x6,73,
obwohl ihre Siedepunkte um 38° differiren, ist bemerkens-
werth und eine Bestätigung der gleichen Thatsache.
Ann. d. Pdjb. u. Chem. N. F. XIV. 44
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690
H. Schröder.
§ 67. Es dient noch eine andere Beziehung als Unter-
stützung dafür, dass diese Auffassung der Volumenconstitution
des ein werthigen Propargyls als C34H33 wohl die richtige ist.
Das Dipropargyl wird hiernach = C68H68. das ist aber
genau die Volumenconstitution des Benzols, dem es isomer
ist. Es stimmt dies überein mit der sonst so vielfach fest-
gestellten Thatsache, dass Isomerien von gleichen Sät-
tiguugs Verhältnissen sich nur im Volumenmaass, nicht in
der St er en zahl unterscheiden und deshalb nahe isoster.sind.
VIIL Das Naphtalin.
§ 68. Das Naphtalin = C10Ha ist nach Kopp7 s Beob-
achtung beim Siedepunkt vollkommen isoster mit den Estern
C68H1:J12023 und hat demnach 21 Steren. So ist z. B.:
f Naphtalin « C10l3H88 ; v = 149,0 K. =21x7,10.
I Essigsaures Isobutyl = Cft6H1212043; v = 149,1 PP. = 21 x 7,11.
Die 10 Atome Kohlenstoff des Naphtalins haben also
13 Steren ßaumerfüllung.
So lange nicht anderweite vergleichbare Beobachtungen
von Naphtalinderivaten vorliegen, muss ich auf weitere Schluss-
folgerungen aus der obigen Thatsache verzichten.
IX. Das Schema der Benzolstructur.
§ 69. Mit dem Kekule'schen Se,chseckschema für die
Structurformel des Benzols, wonach drei doppelte mit
drei einfachen Bindungen der sechs Kohlenstoffatome, in
ringförmiger, geschlossener Kette abwechseln sollen, ist die
nach dem Mitgetheilten ausser Zweifel stehende Volumen-
constitution des Benzols = C68H66 absolut unvereinbar.
Sie ist dagegen sehr wohl vertraglich mit dem haupt-
sächlich von Ladenburg empfohlenen, durch ein dreiseitiges
Prisma dargestellten Structurschema, nach welchem jedes der
sechs Kohlenstoffatome mit drei anderen benachbarten ein-
fach verkettet ist; ein Structurschema, welches auch durch
die Art der Charakterisirung der möglichen Isomerien
der Benzolderivate vor dem Sechseckschema entschiedene
Vorzüge hat. Je drei in einer Basis des Prismas unter-
einander ringförmig verkettete Kohlenstoffatome würden hier-
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H. Schröder
691
nach den Raum von vier Steren erfüllen; die sechs Kohlen-
stoffatome zusammen also acht Steren.
Es führen in dieser Beziehung die Folgerungen aus der
Volumenconstitution zu dem nämlichen Resultate, wie
die von Thomsen aus der bei der Verbrennung frei wer-
denden Wärme auf die mögliche Structurformel des Benzols
gezogenen Folgerungen.
WennBrühl aus der Molecularrefraction denSchluss
zieht, dass nur das Sechseckschema entspreche, weil für
jede Doppelbindung zweier Kohlenstoffatome in ungesät-
tigten Substanzen der Fettreihe die Molecularrefraction um
zwei Einheiten grösser wird, als sich aus den von Landolt
und ihm aus Differenzen abgeleiteten Einflüssen der Eie-
rn entaratome berechnet, und weil die Molecularrefraction
des Benzols, drei solchen nach dem Sechseckschema vor-
liegenden Doppelbindungen entsprechend, um 3 X 2 = 6 Ein-
heiten grösser ist, als jene Berechnung ergibt, so muss ich
schon hier wenigstens vorläufig bemerken, den ausführlichen
Nachweis vorbehaltend, dass diese Sc hluss weise an sich
selbst ungerechtfertigt ist, weil dabei auf eine weitere,
nach dem Sechseckschema die Kette ringförmig sc h liessende
Bindung der Kohlenstoff atome und deren Einfluss auf
die Molecularrefraction keine Rücksicht genommen ist.
Es wird sich aber noch ausserdem aus der Molecular-
refraction selbst ergeben, wofür ich den Nachweis in einer
der K. Akademie der Wissenschaften zu München vorgelegten
Abhandlung geliefert habe, dass die Molecularrefraction
des Benzols ebenso wenig wie das Molecuiarvolumen mit
dem Sechseckschema, wohl aber mit dem dreiseitigen
Prismenschema vereinbar ist.
Das Studium der Molecularrefraction, wie ich dort
nachweise, führt in der That zu dem nämlichen Resultate,
wie das Studium der Verbrennungswärrae.
Meine Untersuchungen über die Volumenconstitution von
Verbindungen, welche ausser Kohlenstoff, Wasserstoff
und Sauerstoff noch andere Elemente enthalten, muss ich
für fernere Mittheilungen zurückhalten.
Karlsruhe, den 24. September 1881.
44*
692
Ä. Clausius.
IX. Veber die theoretische Bestimmung des Dampf-
druckes und der Volumina des Dampfes urul der
Flüssigkeit; von 22. Clausius.
Zweiter Aufsatz.1)
§ 1. In dem ersten auf den oben bezeichneten Gegen-
stand bezüglichen Aufsatze habe ich zur Bestimmung des
Druckes eines Gases als Function von Temperatur und Vo-
lumen folgende Gleichung gebildet, welche eine Verallge-
meinerung der früher von mir für Kohlensäure angewandten
Gleichung ist:
m L_ _L 27 + ß
w BT v-a S&(v + ß)*~
Hierin bedeutet p den Druck, v das Volumen und T die ab-
solute Temperatur, nämlich die Summe 273 -f t, wenn t die
vom gewöhnlichen Nullpunkte an gezählte Temperatur dar-
gestellt. Ferner ist R die in dem gewöhnlichen Ausdrucke des
Mariotte'schen und Gay-Lussac'schen Gesetzes schon vor-
kommende Constante, und a und ß stellen zwei andere Con-
stante dar, deren Summe weiterhin mit y bezeichnet ist.
& bedeutet eine Temperaturfunction, welche für T= 0 den
Werth 0 und für die kritische Temperatur den Werth 1 hat,
im übrigen aber vorläufig unbestimmt zu lassen ist.
Es versteht sich von selbst, dass wir dieser Gleichung
auch eine einfachere Form geben können, wenn wir die Tem-
peraturfunction mit den in dem Gliede vorkommenden Con-
stanten Factoren in Ein Zeichen vereinigen. Setzen wir
nämlich :
[~} J~2f(a + ß) 27 y'
so geht die Gleichung über in:
,OX \ \
{) RT~~v-a 6(v + ß)2'
Die Beziehung zwischen der in dieser Gleichung vor-
kommenden Temperaturfunction 6 und der oben angewandten
1) Siehe den ersten Aufsatz in diesem Bande p. 279.
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R. Clausius.
693
Temperaturfunction & wird besonders klar, wenn man be-
achtet, dass derjenige Werth, welchen 0 für die kritische
Temperatur annimmt, und welcher mit 9e bezeichnet werden
möge, dadurch zu bestimmen ist, dass man in der Gleichung
(2) für & den Werth 1 setzt. Daraus ergibt sich nämlich:
(4) fc-gi;,
und infolge dessen kann man schreiben:
(5)
Bei der Anwendung der Gleichung (1) auf den gesättig-
ten Dampf wurde der Druck des gesättigten Dampfes mit
P und der Bruch PjRT mit TI bezeichnet. Die Volumina
des gesättigten Dampfes und der unter demselben Drucke
stehenden Flüssigkeit wurden nach der sonst üblichen Weise
mit s und a bezeichnet, aber für die Differenzen s — a und
a — a noch die vereinfachten Zeichen W und w eingeführt.
Um die Grössen //, fV, w in ihrer Abhängigkeit von & zu
bestimmen, wurden zunächst alle vier Grössen als Functionen
der Grösse X «* log ( Wjw) ausgedrückt, und dann wurde zur
Erleichterung der weiteren Rechnungen eine Tabelle hinzu-
gefügt, aus welcher man für jeden Werth von & den ent-
sprechenden Werth von l entnehmen kann. Ich sagte dabei,
dass es nach der Berechnung der Tabelle für l keine Schwie-
rigkeit weiter habe, auch für 77, W und w eine ähnliche
Tabelle zu berechnen, und diese erlaube ich mir nachstehend
(auf p. 694) mitzutheilep.
Vorher ist jedoch noch eine Bemerkung zu machen. Die
Werthe, welche die Grössen ü, fVundw bei der kritischen
Temperatur, bei der A = 0 ist, annehmen, und welche mit
/7C, Wt und we bezeichnet werden mögen, ergeben sich aus
den oben erwähnten in § 3 meines vorigen Aufsatzes ent-
haltenen Ausdrücken, wenn man noch die in § 4 enthaltenen
Reihen berücksichtigt, folgendermassen:
(6) ^ = 87' ^c = 2/; »c«2y.
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694
R. Clausius.
ji
w
ff
1 A
TV,
c
J
\
1 A
0,20
0,21
0,22
0,23
0,24
0,25
0,26
0,27
0,28
0,20
0,30
0,31
0,32
0,33
0,34
0,35
0,36
0,37
0.3S
0,39
0.40
0,41
0,42
0,43
0.44
0,45
0,46
0,47
0,48
0,49
0,50
0,51
0,52
0,53
0,54
0,55
0,56
0,57
0,58
0,5 V»
0,60
0,61
0,62
0,63
0,64
0.65
0.66
0.67
0,68
0,69
0,70
0,71
0,0000059
0,0000126
0}0000249
1 1.0000462
0,0000814
0,0001367
o,i II 102201
0,0003416
0,0005131
0,0007483
0,0010627
0,0014738
0,0020002
0,0026621
0,0034808
0,0044780
0,0056763
0.0070987
0,0087680
0,010706
0,012936
0,015479
0,018356
0,021589
0,025193
0,029187
0,033589
0,038413
0,043680
0,049398
0,055577
0,062232
0,069372
0,07 7 (»04
0,085139
0,093783
0,10294
0,11261
0.12281
0,13353
0,14478
0,15657
0.16887
0,18171
0,19508
' 0,20899
0,22343
0,23837
0.25385
0,26985
( »,26837
0,30340
67
123
213
352
553
834
1215
1715
2352
3144
4111
5264
6619
8187
9972
11983
14224
16693
19380
2230
2543
2877
3233
3604
3994
4402
4824
5267
5718
<;i79
6655
7140
7632
8135
8644
9157
967
1020
1072
1125
1179
1230
1284
1337
1391
1444
1494
1548
1600
1652
1703
672780
317340
160680
86505
49140
29263
18166
11702
7TS9,7
5339,9
3758,3
2708,6
1994,6
1497,4
1144,2
888,41
699,97
558,90
451,73
369,24
304,94
254,25
213,84
181,30
154,87
133,22
Ii 5,34
IOC .45
87,953
77.421
68,476
60,836
54,275
48,612
43,698
39,414
35,664
32,3»»,.t
29,460
26,884
24,595
22,549
20,720
19,078
17,700
16,265
15,056
13,958
12,960
12,049
11.217
10.454
355440
156660
74175
37365
19877
11097
6464
3912,3
2449,8
1581,6
1049,7
714,0
497,2
353,2
255,79
188,44
141.07
107.17
82,49
64,30
50,69
40,41
32,54
26,43
21,65
17,88
14,89
12,497
10,532
8,945
7,640
6,561
5,663
4,914
4,284
3,750
3,295
. 2.909
2,576
2,289
2,046
1,829
1,642
1,478
1,335
1,209
1,098
998
911
S32
763
0,033767
0,035714
0,037692
0,039700
0,041740
0,043812
0,045918
0,048059
0,050235
0,052448
0,054701
0,056991
0,059321
0,061695
0,064113
0,066575
0,069083
0,071638
0,074245
0,076903
0,079612
0,082379
0,08520!
0,088084
0,091028
0,094037
0,0971 12
0^10026
0,10347
0,10676
0,11013
0,11358
0,11712
0,12074
0,12445
0,12826
0,13217
0,13619
0,14031
0,14456
0,14893
0,15340
0,15803
0,16279
0,16770
0,17277
0,17801
0,18341
0,18901
0,19479
0,20079
0,20702
1947
1978
2008
2040
2072
2106
2141
2176
2213
2253
2290
2330
2374
2418
2462
2508
2555
2607
2658
2709
2767
2822
2883
2944
3009
3075
3148
321
329
337
345
354
362
371
381
391
402
412
425
437
447
463
476 ^
491
507
524
540
560
578
600
623
y Google
R. Clausius.
695
e
0,71
0,72
0,73
0,74
0,75
0,76
0,77
0,78
0,79
0,80
0,81
0,82
0,83
0,84
0,85
0,86
0,87
0,88
0,89
0,90
0,91
0,92
0,93
0,94
0,95
0,96
0,97
0,98
0,99
1
n
nc
0,30340
0,32094
0.33900
0,35755
0,37661
0,39617
0,41621
0,43672
0,45772
0,47919
0,50115
0,52357
0,54642
0,56975
0,59352
0,61774
0,64237
0,66745
0,69297
0,71889
0,74523
0,77200
0,79913
0,82668
0,85461
0,88294
0,91164
0,94073
0,97018
1
1754
1806
1855
1906
1956
2004
2051
2100
2147
2196
2242
2285
2333
2377
2422
2463
2508
2552
2592
2634
2677
2713
2755
2793
2833
2870
2909
2945
2982
K
10,454
9,7533
9,1086
H, Ö140
7,9646
7,45ül
6,9844
6,5467
6,1389
5,758S
5,4034
5,0711
4,7596
4,4669
4,1914
3,9317
3,6865
3,4541
3,2333
3,0231
2,8226
2,6300
2,4450
2,2657
2,0906
I, 9176
1,7436
1,5635
1,3627
1
7007
6447
5946
5494
5085
4717
4377
4078
3801
3554
3323
3115
2927
2755
2597
2452
2324
2208
2102
2005
1926
1850
1793
1751
1730
1740
1801
2008
3627
w
W
c
0,20702
0,21347
0,22019
0,22717
0,23445
0,24204
0,24997
0,25827
0,26697
0,27612
0,28573
0,29587
0,30659
0,31797
0,33004
0,34293
0,35675
0,37160
0,38764
0,40508
0,42422
0,44528
0,46888
0,49552
0,52618
0,56225
0,60619
0,66303
0,74542
1
645
672
698
728
759
793
830
870
915
961
1014
1072
1138
1207
1289
1382
1485
1604
1744,
1914
2106
2360
2664
3066
3607
4394
5684
8239
25458
Diese drei Werthe kann man daher, ebenso wie den
Werth @c, als direct durch die Constante y bestimmt be-
trachten, und demgemä8s folgende Brüche bilden:
n w _ w
Diese Brüche sind es, deren Werthe in der Tabelle (p. 694)
neben den dazu gehörigen, stufenweise steigenden Werthen
des mit & bezeichneten Bruches Sj0e angeführt sind.
§ 2. In der vorstehenden Tabelle ist eine für alle Stoffe
gleichmässig geltende Beziehung der Grössen 77, W und w
zu einer noch unbestimmt gelassenen Temperaturfunction B
dargestellt Wie sich nun die Beziehung zwischen jenen
Grössen und der Temperatur selbst gestaltet, ob und in
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696 R. Clausius.
welchem Grade auch sie für verschiedene Stoffe überein-
stimmt1), das hängt von dem Verhalten jener Temperatur-
function ab. Ich ging in meiner Untersuchung ursprünglich
von der Voraussetzung aus, dass man die Temperaturfunc-
tion durch einen Ausdruck darstellen könne, welcher nur
Eine von der Natur des Stoffes abhängige Constante ent-
halte, fand aber bei näherer Betrachtung, dass man in so
einfacher Weise doch nicht zu einer genügenden Ueberein-
stimmung mit der Erfahrung gelangen kann. Nach viel-
fachen Vergleichungen ergab sich mir als geeignetste Form
einer Gleichung zur Bestimmung des von uns mit & bezeich-
neten Bruches QjQc die folgende:
ms ®c a k
(0 ö^"^
worin «, b und n Constante sind, die für verschiedene Stoffe
verschiedene Werthe haben.
Es handelt sich nun darum, diese Constanten für ein-
zelne Stoffe zu bestimmen.
Was zunächst die Kohlensäure anbetrifft, so habe ich
in der für sie speciell aufgestellten Formel2) der Tempe-
raturfunction 0 eine sehr einfache Form gegeben, nämlich
die, welche man aus der Gleichung (7) erhält, wenn man in
ihr b = 0 und n = 2 setzt, wodurch sie übergeht in :
Qc _ a
0~~T"
1) Zwei ältere über diese Beziehung aufgestellte Sätze habe ich schon
vor lauger Zeit besprochen (Pogg. Ann. 82. p. 273. 1851, und Abband-
lungensammlung 1. p. 119. 1864). Nennt man nämlich die Temperaturen,
welche bei verschiedenen Flüssigkeiten zu gleichen Dampfspannungen
gehören, entsprechende Temperaturen, so sind nach Dal ton die
Differenzen zwischen entsprechenden Temperaturen gleich.
Groshans dagegen hat eine Gleichung aufgestellt, (Pogg. Ann. 78. p.
112. 1849), welche unter der Voraussetzung, dass die Temperaturen von
— 273° C. an gezählt werden, aussagt, dass für irgend zwei Flüssigkeiten
alle entsprechenden Temperaturen proportional seien. Von
diesen beiden Siit7.cn weicht der zweite zwar nicht so weit von der Er-
fahrung ab, wie der erste, aber doch immer noch zu weit, um ihm die
Bedeutung eines wirklichen physikalischen Gesetzes zugestehen zu können.
2) Clausius, Wied. Ann. 9. p. 337. 1880,
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R. Clausim.
697
wofür man auch schreiben kann:
0 = T2 Const.
Indessen habe ich schon bei der Veröffentlichung jener
Formel hinzugefügt, dass ich versucht hätte, gewisse zwischen
ihr und den Beobachtungen von Andrews noch bestehende
Differenzen durch Anwendung einer complicirteren Tempe-
raturfunction auszugleichen, dass ich davon aber wegen der
Unsicherheit der betreffenden Beobachtungsresultate wieder
Abstand genommen hätte.
Dasselbe, was ich damals von den vorhandenen Be-
obachtungsresultaten sagte, gilt auch jetzt noch. Insbeson-
dere ist zu bemerken, dass die Andrews'schen Beobachtungen
sich nur auf Temperaturen über 0° beziehen, während die
Formel auch unter 0° bis zu dem bei —57° liegenden Ge-
frierpunkte der Kohlensäure gültig bleiben muss, und daher
zur Bestimmung ihrer Constanten auch Beobachtungswerthe
von ähnlichem Temperaturumfange erfordert. Nun besitzen
wir zwar eine von Regnault veröffentlichte Spannungs-
reihe des gesättigten Kohlensäuredampfes1), welche sich,
wenn auch nicht bis —57°, so doch bis —25° erstreckt,
aber bei den Versuchen, mittelst deren Regnault diese
Zahlen gefunden hat, scheinen erhebliche Fehlerquellen ob-
gewaltet zu haben. Die von Regnault für Temperaturen
über 0° angeführten Spannungen weichen von den von
Andrews beobachteten2) beträchtlich ab, und ganz beson-
ders auffällig ist es, dass Regnault bis zu Temperaturen
über 42° die Spannungen des gesättigten Kohlensäure-
dampfes beobachtet haben will, während es jetzt nach den
Versuchen von Andrews feststeht, dass es schon von 31°
an gar keinen gesättigten Kohlensäuredampf mehr gibt, weil
keine Condensation mehr stattfindet.
Unter diesen Umständen halte ich es für gerathen, für
Kohlensäure vorläufig die oben erwähnte, von mir aufge-
stellte Formel als eine angenähert richtige beizubehalten,
und die genauere Bestimmung der Constanten erst dann
1) Regnault, Relation des exper. etc. 2« p. 625. 1862.
2) Andrews, Proc. of the Roy. Soc. 23, p. 516. 1875.
698
R. Clausius.
vorzunehmen, wenn auch für Temperaturen unter 0° bis
zum Gefrierpunkte der Kohlensäure zuverlässige Beobach-
tungsdata vorliegen.
§ 3. Ein Stoff, welcher zur Vergleichung der theoretisch
bestimmten Dampfspannungen mit den beobachteten beson-
ders geeignet ist, ist der Aether. Für diesen besitzen wir
die von Regnault bestimmte Spannungsreihe1), welche von
— 20° bis 120° reicht, und deren Zuverlässigkeit wohl nicht
bezweifelt werden darf, und eine Spann ungsreihe von Sajo-
tschewsky2), welche von 100° bis zu der kritischen Tem-
peratur 190° reicht.
Von diesen beobachteten Spannungen habe ich drei zur
Bestimmung der in (7) vorkommenden Constanten angewandt
und folgende Zahlen gefunden:
« = 2665; ä = 0,76786; n = 1,19233.
Unter Anwendung dieser Zahlen kann man aus (7) für jeden
Werth von T den entsprechenden Werth von OjOc be-
rechnen und dann den dazugehörigen Werth des Bruches
II/IJc aus der Tabelle entnehmen. Aus diesem Bruche,
welcher sich auch so schreiben lässt PTC\PCT, ergibt sich,
da Pc und Tc bekannt sind, sofort der Werth von P. Auf
diese Weise habe ich für eine in Absätzen von je 20° fort-
schreitende Reihe von Temperaturen die Spannungen be-
rechnet und nachfolgend unter der Bezeichnung P^ zu-
sammengestellt. Zur Vergleichung habe ich unter P^ die
beobachteten Werthe hinzugefügt, und zwar unter 100° die
von Regnault beobachteten, über 120° die von Sajo-
tschewsky beobachteten und für 100° und 120° die aus
den Angaben beider Beobachter genommenenen Mittelwerthe.
t
-20°
0°
200
40°
t
60° 80°
1
p
-M>eob.
J
0,0881
0,0907
-0,0026
0,2427
0,2426
+ 0,0001
0,572
0,569
+ 0,003
1,195
1,193
+ 0,002
2,265
2,270
-0,005
8,978
3,97T
+0,001
1) Regnault, Relation des exper. 2. p. 393.
2) Sajotschewsky, Beibl. 8. p. 741. 1879.
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1
R. Clausius. 699
t j 100° | 120°
140°
160°
180°
190°
-^ber.
Pb«ob.
J
6,557
6,549
+ 0,008
10,27
10,28
-0,01
15,41
15,42
-0,01
22,33
22,34
-0,01
31,41
31,90
-0,49
36,90
36,90
0
Man sieht, dass die Uebereinstimmung zwischen den be-
rechneten und beobachteten Spannungen meistens eine fast
vollommene ist. Nur bei 180° kommt eine Differenz von
unzulässiger Grösse vor, welche im Vergleiche mit den übri-
gen Differenzen sehr auffällig ist. Diese ist aber unzweifel-
haft vorzugsweise durch eine Ungenauigkeit des Beobachtungs-
werthes verursacht, was am deutlichsten daraus hervorgeht,
dass Sajotschewky selbst mittelst einer aus den übrigen
Beobachtungswerthen abgeleiteten empirischen Formel die
Spannung bei 180° zu 31,56 statt 31,90 bestimmt hat, wo-
durch sich die Differenz mit dem aus unserer Tabelle ab-
geleiteten Werthe von 0,49 auf 0,15 reducirt.
Ebenso wie die Werthe von 11/ Z7C ergeben sich aus un-
serer Tabelle auch die Werthe von W\WC und wjwc.
Um aus diesen Brüchen die Werthe von W und w ab-
zuleiten, muss man Wc und wc und somit, gemäss (6), die
Constante y kennen, zu deren Bestimmung wiederum die
Constante R erforderlich ist. Die letztere erhält man auf
folgende Weise. Die Grösse R ist ihrer Bedeutung nach
dem specifischen Gewichte, welches die Stoffe im vollkomme-
nen Gaszustande haben, umgekehrt proportional. Nun ist
für atmosphärische Luft der Werth von R bekannt1), näm-
lich 29,27, und daraus folgt für Aether, wenn d das auf atm.
Luft bezogene specifische Gewicht des Aetherdampfes im Zu-
stande eines vollkommenen Gases bedeutet:
(8)
Es fragt sich nun, welches specifische Gewicht man dem
Aetherdampfe im vollkommenen Gaszustande zuzuschreiben
hat. Als solches kann man, wie ich glaube, dasjenige an-
1) S. Clausius Mechanische Wärmetheorie I. S. 55
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700
R. Clausius.
nehmen, welches man erhält, wenn man nach der für Aether
geltenden chemischen Formel C4H10O voraussetzt, dass 1 VoL
Sauerstoff und 10 Vol. Wasserstoff mit der entsprechenden
Menge Kohlenstoff 2 Vol. Aetherdampf geben, nämlich das
specifische Gewicht 2,5604. Unter Anwendung dieser Zahl
für d ergiebt sich aus der vorigen Gleichung:
i?= U,4318.
Dieser Werth bezieht sich auf ein Kilogramm des be-
trachteten Stoffes, also im vorliegenden Falle des Aethers.
und es gilt in ihm als Volumeneinheit ein Cubikmeter und
als Druckeinheit der Druck, welchen ein über die
Fläche von einem Quadratmeter verbreitetes Ge-
wicht von einem Kilogramm ausübt. Diese Einheiten
wollen wir auch bei der Bestimmung der anderen Constanten
und der Grössen s und a beibehalten.
Um y zu bestimmen, können wir, gemäss (6), setzen:
W r~ 8/7c - 8PC '
und hieraus ergiebt sich, wenn wir unter Anwendung der von
Sajotschewsky für die kritische Temperatur und den kri-
tischen Druck gefundenen Werthe setzen: Tc = 273 + 190 = 463
und Pc = 36,9 . 10333, und für R den vorher bestimmten
Werth anwenden:
y = 0,001 7352.
Wenn man nun mit Hülfe des durch 2y dargestellten
Werthes von Wc und wc aus den oben erwähnten Brüchen
W\Wt und wjwc die Grössen W und w gewonnen hat, und
von ihnen zu den mit s und a bezeichneten Volumen des
dampfförmigen und flüssigen Aethers gelangen will, so muss
man dazu noch die Constante u kennen, da s = W -f- a und
g = w -f- a ist. Zur Bestimmung von a wendet man am
besten irgend ein beobachtetes Flüssigkeitsvolumen an, von
weichem man den für dieselbe Temperatur berechneten Werth
von tc abzuziehen hat. Für 0° hat der flüssige Aether nach
Kopp das specifische Gewicht 0,736 58, woraus man, wenn
man noch berücksichtigt, dass das Volumen <j sich nicht auf
den Druck von 1 Atm., sondern auf den Druck von 0,2426
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B. Clausius.
701
Atm. bezieht, erhält a = 0,001 357 8. Ebenso erhält man für
20° nach Kopp a = 0,001 400 1. Wenn man mit Hülfe dieser
Grössen a bestimmt und aus beiden nahe übereinstimmenden
Werthen das Mittel nimmt, so findet man
a = 0,001 087 6.
Es möge hier gleich noch hinzugefügt werden, dass sich
nach der Bestimmung von y und u sofort auch der Werth
von ß ergiebt, da ß = y — u ist. Es kommt nämlich:
ß = 0,000 647 6.
Unter Anwendung der gefundenen Werthe der Constan-
ten können wir nun aus den Brüchen W\WC und w/wc die
Grössen s und a berechnen, und erhalten für die oben be-
trachtete Reihe von Temperaturen folgende Werthe.
t
—20°
0°
20°
40°
60° 80°
8
3,182
0,001318
1,238
0,001356
0,5562
0,001402
0,2793
0,001455
0,1524
0,001520
0,08883
0,001600
t
100°
120°
140° 160°
180°
190°
8
ü
0,05417
0,001702
0,03408
0,001837
0,02175
0,002030
0,01373 0,008016
0,002335 i 0,002982
0,004558
0,004558
Schliesslich möge hier noch die Form, welche die allge-
meine Gleichung (3) nach der Bestimmung von 6 annimmt,
hinzugefügt werden. Gemäss (7) und (4) hat man zu setzen :
(•*--»)•
Hierfür kann man unter Einführung neuer Constanten kürzer
schreiben.
(10) ~ = AT~n - B
und dadurch geht (3) über in
p _ 1 AT~n - B
~RT ~ ~v — a (v + W '
Die für Aether geltenden Werthe der Constanten A und B
ergeben sich aus den oben für a, b und y angeführten
Werthen folgendermassen:
^4= 15,607; 5 = 0,0044968.
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702
R. Ciausius.
§ 4. Die Stoffe, bei denen man die Beobachtung der
Dampfspannungen noch nicht bis zur kritischen Temperatur
hat ausdehnen können, bieten für die Bestimmung der in
der Gleichung (7) vorkommenden Constanten a, b und n
Schwierigkeiten dar, die um so grösser sind, je weiter die
höchste Beobachtungstemperatur noch von der kritischen
Temperatur entfernt ist. Ist nämlich dieser Temperatur-
abstand sehr gross, so können Aenderungen der Gonstanten,
welche in dem Temperaturintervall, für welches Beobach-
tungen vorliegen, nur geringe Unterschiede der berechneten
Dampfspannungen verursachen, doch für die berechnete kri-
tische Temperatur und den ihr entsprechenden Druck einen
beträchtlichen Unterschied zur Folge haben.
Zu diesen Stoffen gehört das Wasser. Ich habe ver-
sucht, aus den Regnault'schen Spannungsbeobachtungen,
welche bis etwas über 220° reichen, die wahrscheinlichsten
Werthe der Constanten abzuleiten, und bin nach vielfachen
Vergleichungen zu folgenden Zahlen gelangt:
a = 5210; £ = 0,85; n = 1,24.
Mit Hülfe dieser Zahlen und unter der Voraussetzung,
dass für die Temperatur von 100° die Dampfspannung eine
Atmosphäre beträgt, habe ich, wie beim Aether, für eine in
Absätzen von je 20° fortschreitende Reihe von Temperaturen
die Dampfspannungen aus unserer Tabelle abgeleitet und die
nachstehenden Werthe gefunden. Soweit die Beobachtungs-
werthe reichen, habe ich auch sie zur Vergleichung hinzu-
gefügt, und zwar habe ich dazu diejenigen Werthe gewählt,
welche Regnault direct aus den von ihm construirten
Curven entnommen hat, und welche er als das unmittelbarste
Ergebniss seiner Beobachtungen betrachtet. Wo er zwei
aus verschiedene Curven erhaltene Werthe anführt, habe ich
deren Mittel genommen. Unter den beobachteten Spannungen
stehen die Differenzen mit den berechneten Spannungen.
Ausserdem habe ich in dieser Tabelle auch gleich die be-
rechneten Werthe von s angeführt, von denen weiter unten
die Rede sein wird.
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R. Ciausius. 703
t
20°
40°
60°
80°
100°
~ 7*»—
TD
-M>er.
p
beob.
J
0,00605
0,00031
216,6
0,02248 0,07183
0,02288 0,07225
0,00040 0,00042
59,30 ! 19,81
0,195b
0,1958
0,0002
7,725
0,4665
0,4666
0,0001
3,422
1
1
0
1,677
t
120°
140°
160° | 180°
200°
220°
■p
Pb*ob.
s
1,962
1,960
-0,002
0,8927
3,571
3,569
-0,002
0,5085
6,106
6,118
0,012
0,3060
9,907
9,922
0,015
0,1924
15,37 22,97
15,35 22,88
- 0,02 - 0,09
0,1253 , 0,08371
t J 240° 260° ! 280°
300° j 320° 332,32°
Pber.
s
33,23
0,05700
46,73
0,03912
64,15
0,02680
86,27 113,9
0,01796 0,01111
134,1
0,005892
Die Zusammenstellung der berechneten und beobachteten
Spannungen zeigt in dem ganzen Temperaturintervall von
0° bis 220° eine sehr befriedigende Uebereinstimmung, und
danach darf man es wohl als wahrscheinlich annehmen, dass
auch die für die höheren Temperaturen berechneten Spannungs-
werthe, sowie die berechnete kritische Temperatur 332,32°
und der ihr entsprechende Druck von 134 Atmosphären nicht
zu weit von der Wahrheit abweichen. i
Was nun die übrigen in den Formeln vorkommenden
Constanten anbetrifft, so erhält man für 72, gemäss der
Gleichung (8), wenn man darin für d den Werth 0,6221 setzt,
welcher aus den für die spec. Gewichte von Wasserstoff und
Sauerstoff von ßegnault gefundenen Werthen hervorgeht:
R = 47,05.
Daraus ergibt sich weiter, gemäss (9), wenn man für
Tc und Pc die oben gefundenen Werthe anwendet:
y = 0,002 569.
Um a zu bestimmen, muss man von einem beobachteten
Volumen des flüssigen Wassers den für dieselbe Temperatur
berechneten Werth von w abziehen. Nun zeigt aber das
Digitized by Google
704
B. Claushts,
flüssige Wasser, wenn man es von 0° an erwärmt, die be-
kannte eigentümliche Erscheinung, dass es sich anfangs
zusammenzieht und erst über 4° ausdehnt, und dass auch
dann noch, innerhalb eines beträchtlichen Temperaturinter-
valls, der Ausdehnungscoefficient viel veränderlicher ist, als
bei anderen Flüssigkeiten. Diese Erscheinung, welche
unzweifelhaft mit denjenigen Molecularkräften zusammen-
hängt, die beim Gefrieren des Wassers als Krystallisations-
kräfte wirken, wird durch unsere zur Bestimmung von u?
dienende Gleichung nicht mit ausgedrückt, weil bei ihrer
Aufstellung diese Art von Kräften nicht mit berücksichtigt
ist. Hierdurch entsteht nun für die Bestimmung von a eine
Unsicherheit, indem man je nach der Temperatur, auf welche
das zur Bestimmung angewandte Wasservolumen sich bezieht,
verschiedene Werthe von u erhält. Wendet man das bei 20°
beobachtete Wasservolumen an, so kommt.
a = 0,000 754,
und wenn man diese Zahl von der oben für y angeführten
Zahl abzieht, so erhält man:
ß = 0,001 815.
Auf die berechneten Werthe des Dampfvolumens s hat
die in Bezug auf die Constante a stattfindende Unsicherheit
nur einen sehr geringen Einfluss, da die ganze Grösse von u
gegen das Dampfvolumen bei allen Temperaturen, die der
kritischen Temperatur nicht zu nahe liegen, sehr klein ist
Die für die oben betrachtete Eeihe von Temperaturen be-
rechneten Werthe von ä sind, wie schon erwähnt, der letzten
Tabelle mit angefügt. Sie stellen das Volumen eines Kilo-
gramm Dampf in Cubikmetern dar.
Giebt man endlich noch der den Druck p bestimmenden
Gleichung die unter (11) angeführte Form:
p = _J A T~n — B
ET v-a (u + #2 '
so haben die hierin vorkommenden Constanten A und B
für Wasser folgende Werthe:
A = 45,17; j5 = 0,00 737.
Digitized by Go
S. Oppenheim.
705
X. lieber eine Gleichung, welcher die lebendige
Kraft schwingender Bewegungen genügt;
von S. Oppenheim.
In seinem Buche „Lec,ons sur les coordonnees curvilignes
et leurs diverses applications" beweist Lame den Satz1), wo-
nach, wenn v das Potential der Gravitation, T die lebendige
Kraft der durch dasselbe erzeugten Bewegung ist, ebenso wie
J2K= 0; auch J2T= 0
ist. Er selbst bemerkt hierzu: „ . . . resultat qui s'accorde
singulierement avec les nouvelles idees sur la puissance dy- v
nainique de la chaleur."
Wir wollen im Nachfolgenden eine analoge Gleichung
für die lebendige Kraft ableiten, und zwar für eine Bewegung,
welche durch das Potential:
-MW
charakterisirt ist. Die Integration ist über das Volumen
des Körpers ausgedehnt. Die lebendige Kraft sei:
_ •
wenn wir der Kürze halber (dg/dt) = £ u. s. w. schreiben.
Das Princip der Erhaltung der Energie liefert die Gleichung
E= T+ Z3, und dieselbe nach t differenzirt:
d T . d P d E jr» jv
rf7 + 7F= dt=0< d- h-
• •• ia , (dt s'f ,etei . es s'(
■ • •
d // dt} dt] dij dr] dtj
ß.r cx Bif d if dz dz
dx dx
1) Siehe § 93 p. 169: Travail de l'attraction.
Ann. d. I*hj>. u. Chem. N. F. XIV. 45
Digitized by Google
706 S. Oppenheim.
Statt nun, wie gewöhnlich geschieht, den zweiten Theil dieser
Gleichung nach dem Green'schen Satze zu behandeln, wollen
wir hier folgende Annahmen machen:
(1)
ö^-±j^ dj^-j-s ez=±is
Dadurch wird:
und ebenso die anderen Grössen, sodass die Gleichung jetzt
die Form erhält:
fdt {t i a, i) + h (u - a2 fi) + £ tu g - x ja j) } = e
und somit, da die £ £ als voneinander unabhängig betrach-
tet werden müssen, die drei Gleichungen liefert:
(2) pjf- 141-0: fnJ-lJrf-O; p£-14£-0,
welche die bekannten Differentialgleichungen für die transver-
salen Schwingungen sind.
Was die Bedingungsgleichungen (1) anlangt, so können
wir die physikalische Bedeutung derselben in folgender Weise
interpretiren.
Betrachten wir nämlich die Verschiebungscomponenten
| 7) £ als Functionen der x y z t, bezeichnen mit x0 y0 z0 tQ
einander entsprechende Anfangswerthe von x y z t, so ist nach
dem Taylor'schen Satze:
S-{.+[(^*.)(§|)4+(y-y.)(J|)o+(*-*.)g+(^(jf)J + • ••
und mit Rücksicht auf diese Gleichungen (1):
£ - So + x [± « ± ßto-9o) ±r('-*o)+*(<-o] + --
und analog und £, d. h. die Bedingungsgleichungen (1)
drücken aus, dass die j y £ Functionen sind, deren Argument:
± « (» - '0) ± /% - y0) ± y (* - «0) + Ä (< ~ W
1) Mit anderen Worten: Die GL: p£— 14,€«0 zerfallt in die 3 GL:
(öfö*) = ± («/*)*, (d:ldy) = ±(ßlk)$, (dtldz)=±{riu)i. Ueber eine
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4
I
& Oppenheim. 707
Die Gleichungen (2) liefern hierzu noch die Bedingung:
Aus den Gleichungen (1) in Verbindung mit (2) rnsultirt nun
die abzuleitende Relation für die lebendige Kraft.
Es ist nämlich:
.ithin: ^^iV=(ir+(g)2+g)2.
,^,[(|i)V(g)V(i)2];
ferner ist:
p{»A4£; und ,a|.| = AjJ2|,
und die beiden Gleichungen addirt:
p»* + <B-*[U«+[ffi'+®),+ ö)l.
Indem nun ähnliche Gleichungen für ?]2 und g2 gelten,
ergibt die Addition und nachfolgende Integration über den
Raum des betrachteten Körpers:
In analoger Weise kann auch die Glnichung:
abgeleitet werden.
Ueber eine Verallgemeinerung dieser Gleichungen für
den Fall gewisser erzwungener Schwingungen, ferner für den
Fall von Schwingungen mit einem Geschwindigkeitspotentiai
sowie eine Anwendung dieser Gleichungen auf die Theorie
der Wärmeleitung wollen wir in einer nächsten Abhandlung
berichten.
dieser Theilung analoge sieht' B. Strutt-Rayleigh, Akustik, 2. §245
und Earnshaw, Phil. Trans. 1860.
45*
Digitized by Google
708
XI. Blectrische Einheiten nach den Beschlüssen
des internationalen Cangresses der Electriker
zu Paris 1881.
1) Als Grundeinheiten der electrischen Maasse gelten
das Centimeter, die Masse eines Grammes und die Secunde.
(C. G. S.)
2) Die bis jetzt angewandten Einheiten, das Ohm und
Volt, behalten ihre gegenwärtigen Bedeutungen: 109 für
erster es und 108 für letzteres.
3) Die Widerstandseinheit Ohm wird dargestellt durch
eine Quecksilbersäule von 1 qmm Durchschnitt bei 0° C.
4) Eine internationale Commission soll beauftragt wer-
den, durch neue Versuche die Länge der Quecksilbersäule
von 1 qmm Durchschnitt bei 0° C. zu bestimmen, welche
den Werth Ohm repräsentirt.
5) Man nennt Ampere die Stromintensität, welche ein
Volt in einem Ohm hervorruft
6) Man bezeichnet als Coulomb die Electricitätsmenge,
welche durcb ein Ampere in einer Secunde geliefert wird.
7) Man definirt als Farad die Capacität, welche durch
die Bedingung charakterisirt ist, dass ein Coulomb in einem
Farad ein Volt gibt.
Berichtigungen.
In meiner Dissertation1) Wied. Ann. 6. p. 86, über die experimen-
telle Bestimmung von Lichtgeschwindigkeiten in
Krystallen linden sich einige Versehen, auf welche Hr.
Hollefreund in Göttingen die Freundlichkeit hatte, mich
aufmerksam zu machen:
p. 107 Z. 8 v. o. muss es heissen „2 V = 76,89°"
p. 103 Z. 3 v. u. „0,65833 = a".
W. Kohlrausch.
Bd. XU. (Goldstein) p. 249 Z. 9 v. u. lies „den p. 109 gegebenen".
Bd. XIII. (V. Wroblewski) p. 615 Z. 21 v. o. lies „Contraction" statt
„Concentration".
p. 617 Z. 5 v. u. lies „negativen Logarithmus von cos2</i" statt
„C082f/".
Bd. XIV. (Lorberg). Dem Ende von § 1 ist Folgendes anzufügen:
„Uebrigens bemerke ich, dass die im folgenden Paragraphen ge-
gebene Lösung des Problems sich nicht wesentlich ändert,
wenn man die Constante k\q der Poisson'schen Gl. (1), statt
sie = 0 zu setzen, als unbestimmte Constante beibehält."
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Namenregister zum Jahrgang 1881.
A.
Auerbach, F., Magnetische Nach-
wirkung 14, 308.
B.
B a r u s . C. s. Strouhal.
Beetz, W., Elasticität und elee-
trisches Leitungsvermögen der
Kohle 12, 65. — Natur (Ter galva-
nischen Polarisation 12, 290. 474.
Beseel- Hagen, E.. Neue Töpler'-
sche Queeksilberluftpumpe 12. 425.
Boltzmann, L., Specifische Wärme
des Chlors etc. 13, 544.
Budde, E., Taucherglocke 12,208.
— Clausius'sches Gesetz und Be-
wegung der Erde im Räume, II
12. 644.
C.
C h a p p u i s . P., Absorption der Koh*
leneäure durch Holzkohle 12, 161-
Christiansen, C, Wärmeleitung
14, 23.
Clan ei us, R., Electrodynamik 12,
639. — Bestimmung des Dampf-
druckes und der Volumina des
Dampfes und der Flüssigkeit 14,
279. 692.
Cohn, E.. Widerstand polarisirter
Zellen 18, 665.
Congress der Electriker. Elec-
trische Einheiten 14, 692.
D.
Dietrich, W., Intensitäten der bei-
den Natriumlinien 12, 519.
Dorn, E., Absolute Grösse der Gas-
molecüle 18, 378.
E.
E d 1 u n d , E., Depolarisator 12, 1 49.
Erhard, Th. , Glasplattensäule 12,
655. — Electrische Eigenschaften
des Indiums 14, 504.
Exner, F., Natur der galvanischen
Polarisation 12, 280.
F.
Feussner, W., Interferenzerschei-
nungen dünner Blättchen 14,545.
Fröhlich, J., Clausius' Gesetz und
die Bewegung der Erde im Räume
12, 121. — Modification des Lich-
tes durch Reflexion an engen Me-
tallgittern 13, 138.
Fromme, C. , Electromotorische
Kraft galvanischer Combiuationen
12, 399. — Wirkungen der mag-
netischen Coercitivkraft 13, 318.
— Maximum des temporären Mag-
netismus 13, 695.
(i.
Gold st ein, E., Electrische Licht-
erscheinung in Gasen 12, 90. —
Entladung: der Eleetricität in ver-
dünnten Gasen 12, 249.
Graetz, L., Wänneleitungsfähigkeit
von Gasen 14, 232, 541.
G r u n m a ch , L., Electromagnetische
Drehung der Polarisationsebene
der strahlenden Wärme 14, 85.
H.
Hailock, W., Lichtgeschwindigkeit
in verschiedenen Quarzflächen 12,
147.
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710 Namem
Hankel, W., Electricität in hemi-
morphen Krystallen durch Aen-
derung des Druckes in der Rich-
tung der unsymmetrisch ausgebil-
deten Axen 13, 640.
Hansemann, G., s. Kirchhoff.
He 11 mann, H., Electrisehc Entla-
dungen 14, 543.
Helm, G., Vennittelung der Ferne-
wirkungen durch den Aether 14,
149.
Heimholt/, H., Auf das Innere
magnetisch oder dielectrisch pola-
risirter Körper wirkende Kräfte
13, 385. — Electrodynamische
Wage 14, 52.
Hertz, H. R., Vertheilung der Elec-
tricität auf der Oberfläcne beweg-
ter Leiter 18, 266. — Kinetische
Energie der bewegten Electricität
14, 581.
Herwig, H., Capacität von Con-
densatoren mit starrem Isolator
13, 164.
Holtz, W., Erscheinungen an Flam-
men 12, 661. — Künstlich geform-
ter, polarunterschiedlich sich rich-
tender und polarunterschiedlich
angezogener Körper 12, 477. —
Eindringen der Electricität 18,
207. — Influenzmaschinen 13, 623.
Hoorweg, J. L., Thermische Theo-
rie des galvanischen Stromes 12, 75.
h
v. Jolly , Pb., Anwendung der Wage
auf Probleme der Gravitation 14,
331.
Julius, V. A., Volta'sche Funda-
mentalversuche 13, 276. S. auch
Korteweg.
K.
Kay ser, H., Verdichtung von Gasen
an Oberflächen in ihrer Abhängig-
keit von Druck und Temperatur
12, 526. 14, 450.
Kerber, A., Höhe der Erdatmo-
sphäre 14, 117.
Ketteier, E., Disrjersionsgesetz auf
durchsichtige , nalbdurchsichtige
und undurchsichtige Mittel 12, 363.
— Refraction und Absorption des
Lichtes 12, 4SI.
egister.
>
Kirchhoff, G. u. G. Hansemann,
Leitungsfähigkeiten der Metalle
für Wärme und Electricität 13,
406.
K i 1 1 1 e r , E., Spannungsdifferenz zwi-
schen sich berührenden Flüssig-
keiten 12, 572.
Klang, H. , Elasticitätsconstanteu
des Flussspathes 12, 321.
Klocke, Fr., s. K. R. Koch.
Koch, S., Reibungsconstante des
Quecksilbers 14, 1.
Koch, K. R., und Fr. Klocke,
Bewegung der Gletscher 14, 509.
Koenig, R., Stösse und Stosstöne
bei harmonischen Intervallen 12,
335. — Stosstöneapparat für Vor-
lesungsversuche 13, 350. — Luft-
schwingungen in Orgelpfeifen 13,
569. — Klangfarbe 14, 369.
Kohlrausch, W., Töne beim Durch-
strömen von Gasen durch Spalten
13, 545.
Kola Sek, F., Theorie der Reso-
nanz 12, 353.
Konowalow, D., Dampfspannung
von gemischten Flüssigkeiten 14,
34, 219.
Korteweg, D. J., Einfluss der
räumlichen Ausdehnung der Mole-
cüle auf den Druck eines Gases
12, 136.
Korteweg, D. J., und V. A. Ju-
lius, Electrisehc Ausdehnung bei
Glas und Kautschuk 12, 647.
Kundt, A., Einfluss des Druckes
auf die Oberflächenspannung der
Flüssigkeiten 12, 538. — Doppel-
brechung des Lichtes in beweg-
ten reibenden Flüssigkeiten 1 3,1 10.
Kuschel, J., Ueberführungszahlen
der Jonen für Lithium- und Koh-
lensäureverbindungen 18, 289.
L.
v. Lang, V., Dispersion des Ara-
gonits 14, 571.
Lecher, E., Absorption der Sonnen-
strahlung durch die Kohlensäure
unserer Atmosphäre 12, 466.
Lecher, E., und J. Pernter, Ab-
sorption dunkler Wärmestrahlen
in Gasen und Dämpfen 12, 180.
L e h m a n n , O. , Kry stallanalyse 1 8,
506.
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Namenregister. •
711
Lipp ich, F., Spectra gasförmiger
Körper 12, 380.
Lohst 0., Glüherscheinungen an
Metallelectroden innerhalb einer
Wasserstoflatmosphäre von ver-
schiedenem Drucke 12, 109.
Lomrael, E., Polarisationsapparat
aus Magnesium platincyanür 13,
347. — Dispersionsgesetz 18, 353.
— Drehung der Polarisationsebene
14, 523.
Lorberg, H., Electrische Elemen-
targesetze 12, 115. — Wärmelei-
tung 14, 291, 426.
Lorentz, H.A., Virial in der kine-
tischen Gastheorie 12, 127, 660.
L'orenz, L., Leitungsvermögeu der
Metalle für Wärme und Elcctri-
cität 18, 422, 582.
Lubarseh, 0., Fluorescenz 14, 575.
M.
Maschke, H., Akustischer Apparat
14, 204.
Mever, L., und 0. Schumann,
Transpiration von Dämpfen 18, 1.
Moser, J., Eleetroly tische Ueber-
führung und Verdampfung und
Condensation 14, 62.
M ü 1 1 e r - E r z b a c h, W., Contraction
und Wärme bei Bildung von Ha-
loidsalzen 18, 522.
Muraoka, H., Galvanisches Ver-
halten der Kohle 18, 307.
N.
Neesen, F., Quecksilberluftpumpe
18, 383.
Nies, F., und A. Winkelmann,
Volumenänderungen einiger Me-
talle beim Schmelzen 18, 43.
0.
Oberbeck, A., Schallstärke 18, 222.
Oppenheim, S., 14, 705.
P.
Paalzow, A., Volumenometer 18,
332. 14. 176.
Paalzow, A., und H. W. Vogel,
Sauerstofispectrum 18, 336.
Pernter, J., s. Lecher.
Planck,M.,Sättigungsge8etzl8,535.
P u 1 f r i c h , C, Ausorption des Lich-
tes in isotropen und anisotropen
Medien 14, 177.
R.
v. Reis, M. A., speeifische Wärme
flüssiger organischer Verbindungen
18, 447.
Reitlinger, E., und A. v. Urba-
nitzky, Geissler'sche Röhren 13,
670.
Reitlinger E., und F. Wächter,
Electrische Ringfiguren und deren
Formveränderung durch den Mag-
net 12, 590. — Disgregation der
Electroden und Licntenberg'sche
Figuren 14, 591.
R i e c k e , E. , Bewegung eines elec-
trischen Theilchens im magneti-
sehen Felde und negatives Glimm-
licht 18, 191. — Vom Erdmagne-
tismus auf einen drehbaren linea-
ren Stromleiter ausgeübte Kraft
18, 194. — Von einer Influenz-
maschine zweiter Art gelieferte
Electricitätsmenge 18, 255. — In-
ducirter Magnetismus 13, 465.
Riess,P., Influenzmaschine 18,543.
Ritter, A., Höhe der Atmosphäre
und Constitution gasformigerWelt-
körper 12, 445. 13, 360. 14,610.
Röntgen, W. C., Töne durch in-
termittirende Bestrahlung eines
Gases 12, 155.
S.
Schellbach, K. H., Minimum der
Ablenkung im Prisma 14, 367.
Schering, K., Horizontale erdmag-
netische Kraft für Göttingen i. J.
1880 18, 328.
Schoop, P., Aenderung der Dampf-
dichte einiger Ester mit Druck
und Temperatur 12, 550.
Schröder, IL, Volumenconstitution
flüssiger Verbindungen 14, 656.
S c h u 1 1 e r , A., Quecksilberluftpumpe
18, 528. — Bildungswärme des
Wassers 14, 226.
Schulze-Berge, F., Electricitäts-
erregung beim Contact von Metal-
len und Gasen 12, 293. — Theorie
des Volta'si'hen Fundamentalver-
suches 12, 319.
Schumann, O., Dampfspannung
homologer Ester 12, 40. s. Meyer.
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712
Namenregister.
Siemens, W., Dynamoeleetrische
Maschine 14, 460. — Theorie des
Electromagnetismus 14, 635.
Slotte, K. F., Reibung der Lö-
sungen einiger Chromate 14, 13.
Sohne ke, L., Newton'sche Ringe
13, 139.
Sohnckc, L. , und A. Wangerin
Newton'sche Ringe 12, 1. 201.
Sprung, A., Bahnlinitn eines freien
Theilchens auf der rotirenden Erd-
oberfläche 14, 128.
Stefan, J., Abweichungen der Am-
pere'schen Theorie des Magnetis-
mus von der Theorie der electro-
magnetischen Kräfte 12, 620.
Strecker, K., Specifische Wärme
des Chlor-, des Brom- und des
Jodgases 13, 20.
Streiutz, F., Zersetzung des Was-
sers an Platinelectroden durch
Entladung von Leydener Flaschen
13, 644.
Strouhai, V., und C. Barus, ther-
moelectrische Stellung des Eisens
und Stahls bei Magnctisirung 1 4, 54.
T.
v. Than, C, Thermochemische Un-
tersuchungen 13, 64. — Calori-
metrische Messungen 14, 393.
Tumlirz, 0., Beugungserscheinun-
gen vor dem Rande eines Schir-
mes 12, 159.
U.
Umow, N., Electroö^ynamische In-
duetionsgesetze 13, 185.
v.Urbanitzky, A., 8. Reitlinger.
V.
Vierordt, K.
Fraunhofer^1
Vogel, A. W.,
Photometrie der
len Linien 13, 338.
s. Paalzow.
VoTkinann, P., Spec. Gewicht des
destillirten Quecksilbers 13, 209.
— Ausdehnung des Wassers durch
die Wärme 14, 260.
W.
Wächter, F., s. Reitlinger.
Wangerin, A., s. Sohneke.
Wrarburg, E., Magnetische Unter-
suchungen 18, 141.
Wiedemanu, E., Beiträge zur Ge-
schichte der Naturwissenschaften
bei den Arabern. VI. 14, 368.
W i n k e l m a n n, A., Wärmeleitungs-
fähigkeit der Gase 14, 534. s. auch
Nies.
v. Wroblewski, S., Anwendung
der Photometrie auf dasStudium der
Diffusionserscheinungen 13, 606.
Wüllnerj A., Erhitzung des Eises
18, 105. — Spectra des Wasser-
stoffs und Acetylens 14, 355. —
Spectra der Kohlenstoffverbindun-
gen 14, 363.
Druck tou Mutiger & Witt ig In Leipzig.
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vi d.jflujs. u (Tum. NF Mm
TafV.
Fig.ß.
IIS»
Fenssj
LuhAnst r C KiöigiLeipii& GöOg
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