DIE
SELBSTEINSCHÄTZUNG
UND DIE GEISTIGE
ARBEIT: EIN BEITRAG
ZUR ERLÄUTERUNG
DES PREUSSISCHEN...
Ignaz Jastrow
«0
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LIBRARY
Universityof Illinois.
CASS. BOOK. VOMMB.
Accesstoa No..
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Die SelbsteiuscMtzung
und
die geistige A.i'beit.
£iu Beitrug zur Erläuterung
des Preu&ischen Einkominensteuer-Gesetzes
yom 24. Juni 1891.
Von
*
Dr. J. Jastrow,
PriTfttdoMiit an der ünlTeraitit BveUb.
BERLIN 180L
Verlag von Leonhard Simion.
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Wähi-ead der Bemtliuiigen über das neue preulsische
EinkomiDensteuergesetz ist unter Anderin die Befurchtimg
gi'iiufst'i't wordeu, dnls alle diejenigen, die ohne erheblicbeu
Kapitalbesitz aiisschlielslich oder überwiegend von geistiger
Arbeit leben, in unverbältnirsniärsig hohem* Weise als bisher
herangezogen werden würden. Dies wurde nni sr» bedaiierns-
wertlier gefnnden, da die Le}>enslage dieser Be\ölkerungs-
klasse eine gewisse weitgelieinle l^-rneksiclititruiiL' verlange.
Bisher wurde die^je Kück^iclilnalniie in eiut'i- milden E'u\- .
seliiitzung geül)t. Da die bisliei'ii;«' Vei-;ml;tt;iinii ohiHMÜcs fast
nie (l.t-. solle Kinkominen tiat", so hatte ein»' deiartige Kück-
sit htnahnie innerhalb enger Grenzen ni( his nioialiseii An-
stölsiges. Solange kleine Nebeneinnalunen eines Beamten
nur dazu dienten, das knappe Auskomnien weniger knapp zu
niacheu, so nahm Niemand daran Anstois, dul's die geringe
Yemehrnng nnbesteuert blieb. Erst wenn die Nebenein-
nahmen (z. B. aas Kapitalbesitz) so bedeutend wurden, dai's
sie bei'eits an der ganzen Lebenshaltoug zu merken waren,
wenn z. B. ein Beamter mit 5000 Mk. Grehalt den Hanshalt
eines reichen Mannes führte, so foi«chte die Steuerbehörde
auch nach seinen aufseramtlicheii Einnahmen nnd veranlagte
ihn demgcinüls.
Die„se schonende Praxis hört bei Einführung der Selb.st-
eiiischätzang mit einem iSehlage auf. Niemand ist berechtigt,
Schonung gegen sich selbst zu uIhh .Teder droschen, den
Jemand eituiinnnt, nnüs von jetzt ab aucli Vfisteuert werden.
Der GyTjnrasiallehrer, der seit .laliren auf ( lehaltserhöhnne:
wartend, inzwischen durch ein ]>aar l'eiisioTiäre sich nnd seine
Familie besser durchzufüttern suclit; der l'tarrer. der für
Trau- und Leichenreden Gratilikatiuiieii erhält; die .studierten
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B«'aintiMi aller l'akiiltäten, die in ilireii MulsestiiiKlcii litmi-
rist li thiitig siud imd, mit oder uliiie Absicht, gelegentlich
auch Honorar dafür eriialteu: sie Alle müssen von jetzt ah
neben ihrem Gehalt auch die kleinsten Einnahmen auf Heller
und Pfennig zasammem*echnen. — Bei dem weitgehenden £in-
flalb, welchen die Vertreter der geistigen Arbeit auf die öffent-
liche Meinung haben, befürchtet man von dieser plötzlichen
Anziehung der Steuerschraube eine Unpopularität des Dekla-
jrationszwanges überhaupt. In der Presse wurden während
der Berathnngen bereits Stimmen laut, welche eine gewis.«?e
;^<-sotzliche Schonnng derjenigen Personen emi)fahlen, die anf
ihi'e geistigen Fähigkeiten als ihr einziges £r\verbBkapital
angewiesen seien.
Derartii2;en weitgehenden iJefürwoi-tungen gegenüber (von
denen id)ii{.^ens die im Parlament Innt gewordenen Stimmen
sich fern liieltciO; ist nun zunächst zu erkliiren. dals eine Ver-
anlassuim vm l iiiem Pnvileg füi- die Veitreter der geistigen
Arbeit nielir VDilicgt. In alten Zeiten mögen derartige PriW-
letrien als Ansjxtrn für das Ergreifen „unfnichtbarer" Berufe
erfoi (icrlicii gewesen sein. In unserer Zeit, wo der Andrang
zur geistigen Arbeit ohnedies grols genug ist, wird einen der-
artigen Ansporn selbst deijenige nicht bef&rworten, der an
das Gespenst des Gelehrtenproletariats noch nicht glaubt. Die
Lebenshaltung der studierten Stände ist ganz entschieden in den
letzten Jahrzehnten eine bedeutend bessere geworden. Ehemals
föhrte der nothleidende Schriftsteller seine Bezeichnung als
„epitheton omans*; heute nimmt man von Schrifbstellem, welche
Noth leiden, in erster Linie an, dafs sie kaum ein besseres
Logs verdienen. Der weitgehende Schutz des geistigen Eigen-
thums durch die Patent- und Autorengesetzgebung hat hier
die rechtliche Sicherung der Existenz geschaffen, wtdche einst
Lessing so bitter vermilst hat. Nur «das Eine ist heute aller-
dings noch richtig, dals für die meisten derer, die von geistiger
Ai'beit leben wollen, die Yorbereituiigs- und Uebergangsstadieu
langwierig und mühselig sind. l)iejenigen, die keine Anleh-
nuiiji- ;iM ein festes Amt mit regelmälsigem Einkummen haben,
können in .lahren. in denen es Niemand mehr vermuthet. in
die Jiage konmien, überhaupt über ein steueiiahiges Ein-
kummeu nicht zu verfügen. Allein solche Fälle werden in
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der Regel so liegen, dafe sie der Steuerbehörde mit voll-
kommener Klarheit dargelegt werden können. Die grofse
Mclnzahl der geistigen Arbeiter aber befindet sich unter
Verhältnissen, unter denen sie mit der Notli des T/ebens nicht
mehr and nicht weniger zu kämpfen haben, als andere anch.
Eine Veranlassinig, den Erh-ag geistiger Arbeit niedriger
zn veranlajjren als andere Arbeitserträge, liegt nielit vor. Aber
ebensowenig liegt ein Anlals vor, ilm h<>her heran-
zuziehen, als andere. Und dies ist eine Gefahr, die aller-
dings in dem gegenwärtigen Augenblick vorhanden zn sein
scheint
Die geistigen Arbeiter haben für die llemusschälung
des „Einkommens* aus den Koheinnahnien nicht so feste
Gnmdsätze, der Stand als Ganzes hat nicht eine so lange
Erfahrung, der Einzelne nicht eine so feste Uebnng, wie man
sie in anderen 'Ständen findet. Der Begriff des Einkommens
ist an sich ein höchst schwankender. Der Anhalt, welchen
für seine Umgrenzung das Gesetz giebt, ist ein sehr geringer.
Es giebt wohl kaum irgendeine gröfsere Rechtsmaterie, für
welche die gmndlegende Definition so wenig gesetzlich fest-
gelegt ist, wie fiir das Recht der Einkommensteuer.
Unter diesen Verhältnissen wird man der Frage, wie die
Erträge geistiger Arbeit zur Einkommensteuer heranzuziehen
sind, am ehesten gerecht werden, wenn man sicli als Muster
diejenige Einkonnnensermittelung vorhält, welche auf die
laniTste Eifahrung zurückblickt und als die bestentwiekelte
anzusehen ist. L)ie,s ist ohne allen Zweifel die kaufmännische.
Die heutige Methode der kaufmännischen (T»'winnerinittlung
besteht in der llauj»ts;i(lie bereits seit 8 4 .lalirliundcrteii.
Sie hat hierin eine FeinluMt dei- I>urchbildunc: erhalten, in
welcher sie mutiitis mutandis niclit blols von den städtischen
Gewerben der verschiedensten Art, sondern auch von Be-
hörden, Landwirthen u. a. m. angenommen worden ist. Es
wird sich zwar zeigen, dafs gegenüber der geistigen Arbeit
dem mutatis mutandis ein etwas weiter Spielraum einzu-
räumen ist Immerhin giebt es f&r die heutige Methode einer
Emkommensermittlnng als Ausgangspunkt keine geeignetere,
als die kaufinännische.
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I. Das System der Eiukommeuei'inittlunjr bei den Gewerbtreibenden.
liHUtii^c k:nifiniiiinisclie Biiclifiilirunp; l)enibt im W\'-
stMitlidioii auf tit'ii si)ft:eiianiit».'ii todtcii Kiuiti. NoIkmi dt'ii Koiiti
IVir Jedt'ii t'iii/A'liH'H (^(^<chüt'rstVfUii<l fuhrt «Icr Kiiufiiiaim aiidcns
uniUTsriiilichc. für jcdi'H Teil sciiio^ Waamila^in's; er fiilirt »mm
bt'SoiKleivs „(irim»lstiicksk()iito*% ^l'tciisilit'iikontr»"', ^l'iikustcii-
koiito" und (d)eiis<> niich «'in ..(i*'\vinii- und Verliislki •iitu'^.
Lt'tzteivs bildet einen inte^^rhenden liolandtlieil seiiifr I>ueli-
führung. Da bei der genauen Durehfiihrung der lebenden
und todten Konti jede Buchung an zwei verschiedenen und
von einander entlegenen Stellen der Bachfuhrung vorkommt,
80 ist es aosgesclilossen, dafs ein Kaufmann ein Gewinu-
und Verlastkonto etwa in dem Augenblick fobrizirte, wo er
es fOr Steuerzwecke braucht. Wenn dahei* auch mit
der Möglichkeit zu rechnen ist (und im pratftischen Leben
auch gerechnet wird), dafs die Auflassung des Gewinnes und
Verlustes für Steuerzwecke eine andere sein müsse, als für
die interne Betraclitung de'^ Kaufmannes, su I)ietet das «(le-
winn- und Yerlustk<»nt»» • <les Kaufmannes doch immerhiu für
St^uorzwecke eine feste luid geeij^nete (Irundlage.
Ein solches „Goui;ui und Vej-lustkonlo" bestellt wie
jedes andere Knnjc. an.s Debet und ('i-edit, Soll und Ilaben.
Daltei ist dei- zu (irnnde lie<iende Gedanke, dalis es sieli um
ein Ge\vi nnkontn liandelt. wie man deini das Konto aiu ii
bessei" sc» benemien (und den Verlust als Minus des <!t'\\ i!im'<
sich Innzudenken") wüi-de. Der (Jewinn wird irewiss»Tnialsrii
als ei?ie l'erson oednelit. Im ll;il>e»i (Credit) steh«'n alle
UelxM'schüsse der einzehn'U (4eseli;d"iszweii;e verzeichnet, im
Soll (Debet) stehen dem i;e<:^e?uil>cr die allgemeinen Aufwen-
dungen des (leschidts. wolelie zur ICrzielung eines Gewinnes
gemacht also gewissermafsen dem personifizirten Gewinn zu
Lasten geschrieben werden. Den Löwenantheil des Debets
nehmen in der Regel die Mlethen und die Gehälter weg.
Dann folgen die Steuern, welche das Geschäft als solches
zu zahlen hat (Gewerbesteuer, Bergwerkssteuer, Vertrags-
stempel u. 8. w.). die Reisespesen, Pi-ovirion an Vermittler,
Reklame durch Inserate u. s. w. Endlicli die kleinen Un-
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kosten. Fdr diese besteht gewöhnlich eine kleine Kasse, die
einem jungen Mann dbergeben ist Aus derselben werden
Postmarken gdcauft, sonstige Porti bestritten, Trinkgelder an
Boten gegeben, Pferdcbalmgelder an Angestellte des Geschäfts
vergütet 11. a. m. — Nicht alle Ausgaben, welche zur Erzielung
eines Gewinnes gemacht werden, können demselben ab(>r in
concreto zur Tjast geschrieben verd«:i. Wenn 2. B. ein Ge-
werbetreibender mit einer einzigen Maschine arbeitet und
diese in einem .Tahie zu erneueni ist, so könnte dadurcii unter
Umstimden der halbe (iescliiittsiicw inn verschlunijen werden
und das .lalir. (»bf^liMcli es au sicli vielleicht i'iu sehr <;ui<'s
gküeliw I iltl im .lahiesabschhd's als ein übeivius scldechfes
ei*sclieinen. Deswegen luiben für alle derartig^en unref^eluiiilsii^-
wiederkehrenden Erueuerunii:en die KauUcute bereits seit
langer Zeit ein festes System allmählicher Absein ei bunj^en
eingefiUirt, und die anderen gewerbtreibenden Stiinde iiaben
dies zum gi'öfsten Theil angenommen. Dieses System beniht
darauf, dafs flGj* die verschiedenen der Abnutzung unterlie-
genden Gegenstände eine runde Zahl von Jahren als durch- .
schnittliche Haltbarkeit angenommen ist. So nimmt man für
die Zwecke der Buchführung als genügend' an, wenn man die
durchschnittliche Haltbarkeit eines Gebäudes auf 50 — 100 Jahre
ansetzt, während ein Arbeitspferd so schnell auf einen ganz
geringen Verkaufswerth heruntei gearbeit wird, dafs man bei
lebhaftem Betriebe in der Regel nur etwa 4 — 5 Jahre Ver-
wendbarkeit rechnet. Dementsprechend liiiclit d. )- Kaufmann
jährlirli 1- 2 ^ Abnutzung auf seine Geli;iiiil»' wähn'ud er auf
seine Arbeitspferde 20 -25 % abschicihr. Bei weitaus den
meisten Sachen wie Laden- und « 'nni|>ti »ireiurichtung, Ma-
schinen, Ufcn-^ilirn der Vfrscliiedfusten Art hat sich der
gt'\vulijdieit.smälsigü Satz von 10^ Abschreibung heraus
gebildet.
I)emeut8i)rechend sielit der Kaufniauii als seinen (lewinn
und als steuerpflichtiges Einkouimen nicht die Sunune des
Uebei'schnsses in allen seinen einzelnen Geschäfiszweigen an,
sondern zieht davon noch erst die allgemeinen Creschäfts-
unkosten ab, sowohl diejeidgen, welche in concreto sich ei^
mittein lassen, als auch diejenigen, welche nur iin Wege einer
stalistischeii Durchschnittsberechnung auszudrücken sind.
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Beispiele derartiger Gewinn- nnd VerliLstkoiiti findet man
in jeder Niiinraer das Reiclisnnzeigers, in dessen Beilagen die
voi*sclirifLsiniirsip('n AhscIdiiCsveröffentlichnng^n der Aktien-
gesellschaften .stattliiiden. Als ein solches Beispiel sei der
letzt] ;Ui)iß;e Abschhifs eines allgemein bekannten Betriebes»
der Gladeubeck'sclien Gieiserei, augetühii;.
Gewinn- nnd Yerlnstkonto.
Debet.
Handlungi^-Unkosten:
Hiethe, Gehälter. Stenern, Beise-
spesen, Provisionen et«'. . . .
ZinaeuTerlust
Abschreibungen:
Ornndstflek und (iebiiiide
2 Mk. 7 298,47
Matal hnodelle nnd Formen
5 i, 31k. 9718,76
(iipsmodelle und Fonaen
V^iL Mk. 1046.36
VenrieUUHgiuigtrecht«
10 Mk. Ü 7(W,77
Masciünen 10 % - 716,26
Utensilien 10 % - 4027,13
l'terde und Wagen
26 % - 1 :V2i)M
Nettegewina
97 142 11
au97 45
mm
87 442
68
91
Credit.
Gewinnvortrag
UeKersclnif.s auf
Fabrikations-
konto nnd ans
erzielten Ver-
käufen . . .
67185
217 917 31
21b£>b916
2. AswMdbarkdt des Systens «nf die ErtrSge d«r sdstigea
Arbeit
Ein Blick aut dieses System zeip^t, dals liiei- von (K'iii
Gesch{\ftssr(Bwinn der Gewerbtreibenden, bevor er zur Selbst-
eiii>ehiitzung gelaugt, bereits eine ganze Anzahl Posten abge-
zogen sind, für deren vorherige Abziehuug dem geistigen
Arbeiter heute der Apj^arat fehlt Der Kanfionann hat seine
Ladenmiethe ins Unkostenkonto geschrieben nnd stellt sie
im Gewinnkonto ins Debet Längst hat die Handwerker^
bevölkemng das System nachgeahmt und setzt die Miethe für
die Werkstatt vom Gewinn ab. Der Schriftsteller, der ein
Zimmer mehr miethet um eine Werkstatt für sein geistiges
Schaffen 2U haben, hat in der Regel seine Werkstatt mit der
Wohnung eng verbunden. Wenn er aber um dessentwillen
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nicht berechtigt sein sollte, die Werkstattmiethe von seinem
Einkommen abzuziehen, so würde dies darauf hinauslaufen,
dafs man ihn von einem Posten besteuert, der bei allen Än^
dem steuerfrei bleibt. Nicht anders ist es mit dem Beamten,
dem für seine Amtsobliegenhmten nicht ein Bureau zur Ver-
fügung gestellt wirtl. Braucht ein Beamter, der 3000 Mark
Gehalt hat, für die Erledigung seiner Akten wirklich ein
eigenes Zimmer in seiner Wohnung, ?o knini man eben nicht
sagen, dafs sein Einkommen 3000 Mk. beträgt, sondern je
nach den Mietlispreisen des Orts nur '2000, •iSOO o. ä. — Der
Kautniaim stellt, was er an seine jungen Leute zahlt, dorn
Clew innkonto ins Debet; der Autor, der seine Arb»'it, bevor
er sie zum Druck scliickt. noch einmal abschreiben lalst, be-
streitet den Schreiberlohu wie eine Veibrauchsausgabe, er
wird also um diesen Betrag zu hocli veranlagt. Wahrend
der KanfmaiHi jede Steuer, die auf dem Gewerbe als solchem
lastet, abzieht, mufs der Beamte den Stempel für sein Patent,
der Autor den fär seinen Yerlagsvertrag u. s. w. iiihig veiv
steuern. Der Kaufinann, der in Greschäftsangelegenheiten
irgendwelcher Art eine Reise macht, bucht sie als Reise-
spesen; der Beamte, der in die Residenz fährt, um ein dring-
liches Gesuch dem Minister vorzutragen, murs die Kosten
dieser Reise versteuern. YoUends die „kleine Kasse*' des Ge-
schäftsmannes birgt in sich eine Unzahl von Ausgaben, die
Andere bisher als Verbrauch gerechnet haben. Jede Zehn-
pfennigmarke, die in Geschäftsaogelegeuheiten verschrieben
wird, jedes Glas Bier, das man (wie es in kleinen Städten
noch üblich ist) mit dem Kunden austrinkt, aber auch jede
Flasche W'ein, die von rJcscliriftswcgen verkneipt werden,
jedes Loos zu einer \\ ohlriiatigkeitslotterie. das von Ge-
schäfts weisen genommen werden „muls", wird hier gebucht.
Lenclitet schon hier ein. (hil's der Maugel einer äulserlich
erkennbaren Abgi'enzung zwischen Unkosten und Verbrauch
bei der geistigen Arbeit dazu führt, ihren Eitrag höher zu
schätzen, als er in ^^ahrheit ist, so ist dies noch in viel
höherem Mafse dei* Fall bei der zweiten Kategoiie des Debets
im Gewinn- und Verlustkonto, bei den Abschreibungen. Nicht
etwa weil es unniöglich ist, den richtigen Prozentsatz der
Abschreibung herauszufinden. Auf diese Richtigkeit ist im
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Kaufinanii.*{s;tande um] im gewerbliclieu Bei-ufe jeder Art
lilnsfst verziclitct. und die < 'lesetzgebmiir hat <liesen Verzirlit
leg^iisii't. Nach der üb«Mfinstiiiiineii(k?ii Ansicht aller betiiei-
li^teii Faktoren ist der Gesichtspuiikt des richtigen Pro-
zentsatzes der Absehreii)nnf»: ein iinterp^eorihieter: der allein
inn!<L;»'l>en(le Gesiclitsjuinkt ist der, dal's die Absrhreibnn*?
wiiklieli dem geschättürlien Kalkiil entsj^ivche und nicht
etwa zn Stenerzwi-ckeii liimirl ^-tM. lüd dies eben ist bei
der geistiiivn Arl>eit zur Zeit uneri'eiclil)ai'. Eine ufw ohnlicits-
inärsi^''e Uebung giebt es nicht, und sie kann im Augeidjlick
nicht g'eschatl'en weiden. Tm (»eliini dt's ^t'istif,^en Arl»eiters
taucht diese Kü(dx'sicht wirklich erst in dem Augenblick auf,
WO es sich um die Selbsteinschätzung haHdeit, — wenn sie
überhaupt aaftauchi «Teder grofscre Schuster und Schoeider
weiis heut, dafs er von seiner Näh- und Ste]ipmaschine jähr-
lich etwa 5—10 % Abnntzungskosten rechnen niufs, um nicht
eines Tages vis-ä-vis de neu zu stehen; und eben weil er es
weifs, wird er auch, selbst wenn er die komplizirte Buchfüh-
rung nicht hat, den entsprechenden Betrag von dem neuen
Ge\\iim abgezogen haben, bevor er an die Versteuerung
denkt. Der TiCliiw aber, der einen oder zwei Pensionäre hält
und fiir sie Jietten, S]>inde. Tische. Stühle 0. 8. W. nun
einmal l)esitzt, denkt nicht daran, dal's die.se eines Taffes
abgenutzt sein wer(hMi und da!s also dements]>rechend schon
jet/t Voll dt'in angeblichen (gewinne eine aTi«remHssene Summe
Jälirlii ii altziist'tzen wiire. Kr gi(d)t u-ewi-«'idiat"t den erzielten
Ut'tMMsrliurs an. Neisteuert die ganze Summe, und wciui später
einiiKil ein Stück neu anzusciuit^en ist. (uh'r gni* die ..für alf*
gekautle Zimmereinrichtung n:ich mal nach i^^anz zu ersetzen
ist. so betrat htet seine Frau dies als eine Art Wirthschafts- ■
Unglück, das sie auf ihre alten Tage betrotfen hat.
Wiewohl daher der geistige Arbeiter ohne allen Zweifel
ganz ebenso mit Unkosten und Abnutzungen zu rechnen hat,
wie jeder Erwerbende, so dai'f man trotzdem nicht wünschen,
dafs er eine analoge foitlanfende Buchung führe, und zwai'
darf man es schon deswegen nicht wünschen, weil es unmög-
lich ist. Zwar die alte Anschauung, als ob die Berflcksicli-
tignng des Gewinnes bei geistiger Arbeit nicht i'echt gentle-
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roanlike sei, und da& sie, vfo sie stattfindet, nach Möglichkeit
verborfi;en werden mfisse, ist angegeben. Der Adel der Arbeit
hat auch hier sein Reciit verlangt. Wie wir daran gewöhnt
sind, an die höclisten Elireiistellen im Staate Besoldun^^Mi zu
knfipfci), während die alten Römer «^^= für elirenwerther hielten,
t<ie oliiic Besoldung anxnnehineii und sicli durcli Kriucssuiif^t'ii
zu entschädigen: wie wir es durcliaus für geliörij^ lialten, ihil's
ein Beaintt^r. der in m'uo Dienste ti'ettMi soll, sicli reclmun^s-
iiiälsig; dai'iiht'r klar wird. <»h iiiitrr dfii \ criiiiderti'n Vi-r-
liiiltiiis^t'ii mit dem (iolialt aiiskiiiiinien ivonne udcr ein Iiölicro.s
\ t'rlaiii:''!! nuissc: so linden wir auch nur ricliti«^, diil's d^r
Autor, der v^rtrai^sniäfsi«»; über seine geistige Arbeit \»Mt(ii;t,
in angeni('s><'?i('i- und anständi<^er F'orni die ni:ift'rielle Seite
der Sache rej^ide. W er ganz oder tlieilweise son i;eistim'r
Arbeit lebt, soll \vis.sen, wieviel dieselbe Werth ist, und danucli
seine Verfügungen treffen. Aber es hat seine Grenze, wieviel
Denkknift der geistige Arbeiter hierauf verwenden daif. Ohne
das lockera Treiben gewissei' Künstlerki*eise rechtfei*tigen zu
wollen, wird man doch zugeben müssen, dafs ein Künstlei',
der auf Schritt luid Tritt sein künstlerisches Schaffen mit
kanfmänniscbei* Buchführung und Bilanzen begleiten würde,
zuletzt die Schwungkraft verlieren müfste, die das Wesen
seinei- Thätigkeit ansniacht. Und aucii bei dt in SchriftstelhT
ist «liese Art tordaufendiMi Kalkulirens bis ins Aeul'serste nieht
möglich. r»i<' sjh'iche Bepackuni!: mit Sehreib- und Kechen-
werk würdt' den Künstler, (lehdirten, Scdiriltsteller etc. in
demseiliiMi Ma!sc liihmt'n. wie sie den Handel* und Gevverb-
ti'eibi'uden zweit'ellos jVmh-rt.
\Vol!en wir dahei' einen fntsiii'fehendcn Wvu; linden, wie
der i;eistii;t' ArlM-iti r seine Scllistt'inschiitzun^' zu niaclien hat,
so darf unser Au.sj^aii<4S|tiuikt iiiclit die kaufniäninsrhe ßueh-
fühinng sein, sondern vielnudir die Thatsachi', dnls über seine
Wirthschaftst'ührung eine solclie nicht vorhanden ist. I)ie
Frage ist: wie kauu der geistige Arbeiter ohne das genaue
kanfinännische System annähernd dieselbe Präzision erreichen,
welche der Kaufinann ein^ch seinen Büchern entnehmen kann?
— Andererseits müssen wir ebenso davon ausgehen, dafs der
Selhsteinschätzende irgend welche Aufzeichnungen über sein
wirthschaftliches Leben besitzt. Wer so in den Tag hinein-
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lebt, dafs er sich Über Einiiahnien und Ausgaben überlian])t
keine Aufzeichnungen macht, ist ein liederlicher Mensch, der
zu allem andern Sclnuleo, den er erleidet, eben auch noch
den tragen niufs, dals er eine vertrauenswürdige Selbstein-
schätzung nicht machen kann und von der Behörde leicht
erheblich liölier eintr«'>;cliätzt wird, als ihm zukommt.
Im Anscliluls an das vorhandene, wenn auch noch so
.siiinniarisch geführte Wii^thschaftähuch siud di-ei Fragen za
beantworten:
1. Welches werden die Einnahmen des näciisten Jaiires
sein?
2. Welches werden die Unkosten des nächsten Jahres
sein?
3. Welche Ahschreibungen werden im nächsten Jahre
vorzunehmen sein?
Für alle drei Fragen giebt das neue Einkommensteuer-
gesetz (§ 10) drei Ermittlnngsmethoden an.
a. Ist ein Posten bereits „feststehend**, so ist er mit der
festen Summe einzustellen.
b. Ist ein Posten seiner Höhe nach im Voraus nocli nicht
festzustellen, ist er aber seiner Art nach (wenn auch iu wech-
selnder Höhe) in den letzten Jahren wiedergekehrt, so ist die
Höhe nach dem Durclischnitt der drei letzten Jahre zu be-
recliiKMi: bei der erstmaligen Veranlagung ist statt dessen der
Durchsclinitt zweier Jahre zu iielnueFi.
c. Wenn ein derartiger Pusten noch nicht drei bezw.
zwei Jahre laiii^ besteht, so ist statt dessen der Zeitraum des
Bestehens zn (i runde zu legen. Ist auch das nicht möglich
(z. Ii. weil der Posten ganz neu ist), so ist der „muthmals-
liche" Jaluesertrag iu Ansatz zu bringen.
Es läföt sich vermnthen, dai's gerade die Frage, welche
dieser drei Methoden für die Ermittlung anzuwenden sei, im
Einzellalle zn grolsen Streitigkeiten fahren wird. Der Steuer-
pflichtige wird, je nachdem die Rechnung für ihn günstiger
ausfiUlt, sich auf den Durchschnitt der letzten Jahre berufen
oder eine solche Berufung als unzulässig abweisen. Umge-
kelirt wird die Steuerbehörde die Ermittlung nach dem Durch-
sclinitt iibeiall da vorziehen, wo sie dannt zu höheren Er-
trägen gelangt und wii'd jeden Steuei'pflichtigen, der für die
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Zukunft weniger steuern will, als er nncli dem Durclisciinitt
der letzten Jahre steueni niülste, der iliiiterziehuiiy tiir ver-
dächtig halten. Nirgends mehr werden diese Streitigkeiten
anftaucheD, als gerade bei den Erträgen geistiger Arbeit.
Ein Kaufmann, der ein paar fstte Jahre hinter sich hat nnd
nnn förchtet, dals die mageren kommen werden, kann sich
immerhin noch einmal die Bestenemng nach dem Durch-
schnitt gefoUen lassen, weil sein ganzes Geschaltsgebahren
ohnedies anf Dnrchschnittsberechnongen basirt ist Für einen
Schriftsteller aber, welcher ein Werk, an dein er mehr als
ein Jalirzelint gearbeitet Itat, gerade in den beiden letzten
Jahren in deu Druck gegeben und h(tnoni*t erhalten hat, be-
ginnt bei dem gegenwärtigen Zeitpunkt der ersten Veranla-
grmg eine neue Wirtlischafts]ieriode, welche gerade dadurch
charakterisirt wii-d. (hifs ei- Autoreiihonorar nicht erhalten
wird. Nimmt nmn an, dals er bislier gerecht besteuert worden
ist. so würde eine Besteuerung nach dem Durchschnitt darauf
hinauslaufen, dals er dieselben Einnahmen zweimal versteuert,
nämlich bei der bisherigen Veranlagung, weil sie ihm de
futuro angesetzt \\ur(len, und bei der jetzigen erstmaligen
A'eranlaguug nach dem neuen Gesetz, weil sie ihm de prae-
terito angerechnet werden sollen.
Für die richtige Interpretation des § 10 des Einkommen-
steuergesetzes darf weder die Absicht, sich von der Steuer m
drücken, noch die Absicht, die Schraube möglichst scharf an-
zuziehen, mafsgebend sein. Der leitende Cresichtspunkt ist
der, dars nach der Absicht des Gesetzes die Einnahne des
zukünftigen Jahres ermittelt und besteuert werden s3ll.
Daraus folgt mit zwingender Nothwendigkeit, dafs die Durch-
schnittsberechnnng nur dann anzuwenden ist, wenn sie nach
vernünftiger Annahme irgendwie geeignet ist, die Wahrheit
über die zukünftige Jahreseinnahme zu Tage zu fördern.
Und daraus folgt mit eben.so zwingender Noth wendigkeit, dafs
die DutThschnittsbei-eclinung überall ausgeschlosseu ist, wo
das ( JefTontlieil bereits erwiesen ist.
Tiliilteii wir also bei dem Beispiele des Scliriftstellei^
honniai s. SM niul's ein Autor die vei-s( liiedenen Arten von
Schrittstellei'lionoraren, welche ihm bevoistehen, durchgehen
und den zukünftigen Jahresertrag ermitteln. Weifs er die-
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selbö mit Bestimmtheit im Voraus, so setzt er sie mit dem
bestimniteD Betrage ein. Dies ist der Fali, wenn er einen
festen Vertrag mit festem Honorar and festem Ablieferungs-
termin geschlossen hat; es ist aber ebenso der Fall, wenn er
mit Bestimmtheit weiis, dafe der Posten Buchhonorar in dem
iiäclisten Jahre gleich Noll sein -wird (z. B. wenn er sich für
das übemftcliste Jahr zur. AV»H<'tViung eines grolsen Manu-
skriptes ver])flichtet hat unter d« r Bedingung, inzwischen kein
anderes Buch zu veröfl'entlichen). Bei anderen ilonoraren,
wek'lie in einer f?e\vissen Kontinuität von Jahr zu Jahr dui di-
huifen, woh lu' mIxm- in ihrer lltihe \vechs»"lii, wird er die zu-
künftige Jahreseiuuahine nach dem vorgeschiiebeiien Duj-ch-
schnitt der h»tzten Jahre l»ere(hnen. »So der Autor eines
vieil)ändij2fen Werkes der in eiueiu Jahre l)ahl zwi-i l)aM <lrei
Bände verötlentlieht ; elicrtst» der .luurii;di>t. dej* für ein«' Z»-ituMü;
refi;ehuiilsig selireiht. aln r das eiiu' Mal mehr, das ändert' Mal
weniger. Für alle amleren Honorare, die der Sdiriitstelier
in dem nächsten Jahre erwartet, ohne in den fi'üheren eiuen
Anhalt f&r ihre Berechnung zu finden, mufs er den Betrag
einsetzen, den er nach bestem Wissen und Gewissen für den
„muthmafslicli*^ richtigen hält.
Ganz dasselbe gilt nun von der Ai't, wie die Unkosten zu
ermitteln sind. Hat ein Autor einen Vertrag über ein Werk
geschlossen und i.st sich etwa über ein Sortiment Büclier, das
er zu diesem Wei ke anzuschaffen hat, schon vollständig klar
(ein Fall, der allerdings nicht oft v<jrkommeu wii*d . so kann
» r diese Summe getrost als Unkosten einsetzen und abziehen.
Bei ret^elniälsijrer Thatigkeit wird er die zukünftigen L'ii-
kosten nach dem Durchschnitt l)ei('chueu, und nöthigeuiuiis
muis ei" sie ^muthmarslich" sehätzrii.
^lit der lilolsi'ii Mctlioili' dci' l iikosteiiei-ndttlung ist al»er
nicht vielen i;edieiit. hie 1 lau]tttiage ist die, w as (»igentlich alles
als l"nku>ren anzusehen ist. Xach dem § des < iesetzes hat
num den Anhalt als Unkosten alle „zur Urwerbunii, Siche-
rung und Krlialtuiig des Kinkonmiens verwendeten Ausgaben"
anzusehen. Danach fallen also unter Unkosten (wie wir es
beim Kaufmann gesehen haben) die Mlethe für den Arbeits-
räum, die Gehälter für Geholfen, Reisen zum Zweck der
geistigen Arbeit, auf der das Einkommen beruht n. a. m.
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l)aiiii hIhm" aiicli nlK-s <hi>, was (Um* Kaut'iii;imi als kleine' Uii-
kostcii berecliiit'f : P'»rto (z.B. der kost>pieliire Verkohl* eines
(Jelelirton an einem i ntleycnen Orte mit der Bibliothek, welche
Bücher nicht undeis, wio als Werthpackete versendet^. Pferde-
bahn- und Droächkengelder filr geschäftliche Gänge (z. B.
Fahrt za einer Besprechung mit dem Verleger, Fahrten eines
vielbeschäftigten Gymnasiallehrers zn Prlvatstondeu, aber auch
die Fahi*t eines entlegen wohnenden Regiernngsraths zum
Kegierungsgebäude etc.)-
Für den Begiiff der Unkosten hat das Gesetz eine Grenze
•gezogen. Es darf nichts als Unkosten gerechnet werden, was
«znr Bestreitung des Haushalt. dient. Allein der Begi'iff
des Haushalts, au welchem .sicli der der Unkosten liit r reibt,
ist ebenso schwankend, wie jeiiMr. Die einziire Bedentnng,
welche diese Beirren zun j:; hat. lie^^t darin, dals Nienrand das
als Unkosten rechnen darf, was alljü:eniein als J lanshaltnncs-
ktisten betrachtet wird. l>as MalsoclMMide tiir die
Frai.,M'. ob ein Stand etwa-^ zn den Unkosten rechnen
darf oder nicht, ist in diesej- Beziehnnt!;' ansschliels-
lich die Uelinn«? der iindei'en Stände. Weiui dei- liankiei-
sein Comptoir, der Waarenkanfniann seinen Laden, dej" Hand-
werker seine Werkstatt als Unkosten rechnet, so liej^^t keine
Veianliissung vor, bei dem geistigen Arbeiter mit seinem Ar-
beitsraum andei's zu verfahren. Wenn es bei allen diesen
keinen Unterschied begründet, ob der Arbeitsranm an der
Wohnung liegt oder nicht, ob über Arbeitsranm und Wohnung
zwei Miethskontrakte abgeschlossen sind, oder einer, so ist es
bei dem Gelehrten ebenso. Und in der gleichen Lage, wie
der Privatgelehrte befindet sich der Beamte, der für seine
Aktenai'beit nicht einen eif^enen Dienstranni ziu* Verfugung
gestellt erhält, sondern einen Theil seiner Wohnung dazu her-
geben mui's. Wenn ein Maler bisher aufser seiner dunkel
gelesfene?! Wohnnng noch ein Atelier in der freien Natnr iXQ-
miethet hatte, und jetzt sich eine Indle W nlmnnii: miethet, in
welcher gleichzeitiu; ein Atelier enthalten i<t: wenn ein Hechts-
anwalt, der bisher im Thiergarten w<i|inte und sein Bnieau
in l'x-rlin C hatte jetzt ent<i hlielst, in das Centrnm zu
ziiiieii. nm »'ine Wohnnnir zn mietlien, von welchei- ei- zwei
Zimmer als Bureau verwendet: so ist vullkounneii klar, dals
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darcli die geschehene Aenderuug eine Aendening in den Tin-
kosten nicht eingetreten ist Der einzige Unterschied ist der,
daCs früher der Posten „Mietfae für den Arbeitsranm* ein&ch
aus dem Miethsvertrage abgelesen werden konnte, w&hrend er
jetzt sinngemäfs berechnet werden mufs. — Allerdings kann
die Kombinirung des Arbeitsraumes mit der Wohnung leicht
zu hinterlistigen Abstreichiiiigen vom steuerpflichtigen Elin-
koinnioTi führen. So wonii;, wie ein Arbeitsranm deswegen
znm Wolinrauni wird, weil bei aurserordentlitlieu Gelegen-
heiten einmal in ihm der Tisch gedeckt wii-d, ebenso wenig
wird ein Bestandtheil der ^V()hnu]lg dadnrch zum Arbeits-
raum. dal's er ausnahmsweise einmal für Arbeit verwendet
wird. Hier kann mir ciin' wirUliclie Kenntiiils «Icr indivi-
diielliMi VerliiUtiiisst' ciilx lundtMid >ein. Ein Arcliivar /.. \\.. di iu
es strengstens verboten ist, die Akten, in denen er ailx'iti't,
aus dem Archive zu entternen, dai'f sein ^ Arbi'itszimnu'r'*
nicht deswegen als Unkosten für seinen lieiut reclnien, weil
ei' gewisse Belichte an die vorgesetzte Behörde, Uiiaubs-
gosuche and dergl. in diesem Zimmer erledigt; während sein
Kollege, der durch seine Vennögensverhältnisse genöthigt ist,
die ganze dienstfreie Zeit schriftstellerisch zu verwerthen, sein
Arbeitszimmer nicht deswegen unter den Unkosten wegzur
lassen braucht, weil während der Dienststnnden seine Frau
das Aufräumen der anderen Zimmer sich dadurch erleichtert,
dafs sie den Kinderwa^n hineinschiebt. — —
Noch weit schwierii^ei- nl- die Feststellung der Unkosten
ist die der erforderlichen Abschreibungen. Die Ermittelung
der Unkosten ist in der Hauptsache docli noch eine l'lnnitt-
Inng von Thatsacheu, bei der dem menschlicliPii Urtheil nur
ein gewisser Sjuelraum bleibt. l )i(' Abschi eibuFigen aber sind
ganz aussclilierslich von (h^n I rthril ;ildt;niL:ig. r)er ]ieri?e-
brachte Usus, der bei gei-egeltem ( icwcrbt lM triebe einen ge-
wissen Anhalt giebt, fehlt bei der geistigen Arbeit voll-
konnnen. ^^ lU der geistige Arbeiter das System der Ab-
schreibungen vermeiden, so wird er es meist tluin können.
Er kann, solange es lUCh nicht um hohe Summeu handelt,
Ausgaben, welche er für Anschaffungen gemacht hat, unter
Unkosten verrechnen, so z. B. den Schreibtisch, die Bficher-
regale, die flbrige Ausstattung des Schreibzimmers, die
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for den wissenschaftlichen Betrieb erforderlichen Büchel^
anschaffongen, ganz ebenso wie man die thatsäcblich ge-
machten Ausgaben für Dinte, Feder nnd Papier als Un-
kosten rechnet Glaubt er Abschreibungen vornehmen zn
sollen, so mnfs er sich darüber klar sein, dafs das koin-
])lizirte System der kaufmäunisclien Abschreibungen für die
kleinen Summen ein zu schwei-fälliger Apparat ist. Man wird
dann im Allgenieinen damit niiskommen, die Kosten des
gatizeii Ai beits;i]>)>aj-ats ruud zu berechnen und etwa 10^
davon abzuscli reiben.
Alles liiiitt h]ov danuif liiitntis. den individuellen Fall als
solchen zu »Mtassen. Niemand wird das Einkommen ein^'S
geistigen Ai'beiters richtig scliatzen oder dessen Selbstein-
schätzung richtig Nvürdigen können, nvimui er nicht die ganze
Persönlichkeit kennt. Ich nuKlitc daher die MetluMlc dei-
Selbsteinschätzung an einigen konkreten Beisidelen unter
Scliilderung der persönlichen Verh<uisse darlegen.
'6. Beispiele.
. Ich beginne mit einem Beispiele, welches die Individua-
lität desti^ mehr zur CJeltung kommen läist, weil e$> in keine
der hergebrachten Schablonen der geistigen Arbeiter palst
Der Ingenieur Anton Krüger hat von 1870-1874 an der
damaligen Gcwerbeakademie, <!••!• <p;iteren polytechnischen
Hochschule in Charlottcnbni-ir. .stiidirt. Nachdem er die Prü-
fnn<j: als MaschinenhaMtVilii ci liestanden, <;inir or atit' einige
.lahre nacli Kii^lnnd, wo er tlieils in Stellung war, theils
seiner weiteren Ausbildung lebte. Er kam zurück mit einei*
tüchtigen Schulung, aber ohne ein Bnumeisterexamen. Für
die staatliche Karrieit; tand er die damalige fürchterliche
Uebeifülhuig xnr, in welcher er, wenn er noch er.st das
J\\amen nachluden w<jllte, Aussicht aut Austeilung in abseh-
barer Zeit überhaupt nicht hatte. Er hatte sich in Englaud
mit Miss Mary WiMns verlobt, der Tochter eines Liver-
pooler Rheders, dein damit sein Plan, an einem Schwieger-
sohn dereinst einen Sodns zu gewinnen, durchkreuzt war.
Der Alte hatte seine Zustimmung nur unter der Bedingpung
gegeben, dafs dei* Freier binnen eines Jahres sich eine selb-
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ständige Existenz schaffen werde und daCs die Tochter bemt
sd, you dem zu leben, was der Mann ihi*er Wahl erwerben
könnte. Krüger hat das Verlangte geleistet. Yermoge der in
England gewonnenen Beziehangen erhielt ei* den Aufti^ag, von
Deutschland ans an das englische Ministeiiom regelmafsige
Berichte über die technischen Fortschritte gegen ein Honorar
von 10 £ für den Bericht zn erstatten. r)i("s bot ilini den
ersten Anhult, nni sich unabhängig von jedc^r Heanit<'nkarn^re
eine selbständige Stcllnnp; zu scIiatVen. Er fertigte ferner
für Private Vornns('lilii<j;e, Koutrollberechnnni^en etc. ;ni, beknm
ancli für kleinere niid frr<»rsei'e wissenschaftliche Arbeiten Ho-
norare. Als nacli kurzer Zeit die RerlnktiMH «Icr Zeitschrift
..Der Tri£!;enieur" vakant wurde, eiitschluls ei- sicli, die ihm
anirebonMie Stelle anzunelinieii, mit wcIcIut ein Kedaktions-
linnorar von 3(MK) Mk. vei'bunden war. Seit dem Jahre 1879
ist er vei'heinitliet; er ernährt seine Frau und zwei Kinder
anstall(li^.,^ wenn auch bescheiden, ihre Wohinin«^ müssen sie
freilich bei dem Fanulienzuwachs innner weiter an die Peri-
pherie hinausi'ücken und müssen mache Unbequemlichkeit mit
in den Kauf nehmen. Anton Krüger ist bekannt als ein an-
spruchsloser Mann. Wenn aber eine neue Wohnung gemiethet
wird, so ist die erste und wichtigste Bedingung, dafs ein
heller und grofser Arbeitsraum, in welchem er mit einem
Zeichner und einem Schreiber arbeiten kann, vorhanden ist
Familie Erfiger ist sehr häuslich. Grofse Yergnflgungen
aufser dem Hause wei^den wenig mitgemacht, Gesellschaften
im Hanse giebt es noch weniger. Bei der Zeitschrift ^Per
Ingenieur" war es treilich eine alte Sitte, daiis jedesmal nach
Abschlufs eines .Jahi-gangos der Herausgeber die Mitarbeiter
in einer Ilerrens'csellschaft uiti sich vereinigte. T>ie Einrichtung
palst zwar sehr weiiiir in den ganzen Haushalt. l)a es aber
seil wer ist. dem Herkoirnnen sich zu entzielien, und aulserdem
seilen mehr als 10 — 12 Herieu sicli daran betheilijjen. so hat
Anton Krüger diese Jngenienrgesellschalt mit nbernonnnen.
Es ist die einzige Gesellschaft, die alljährlich in dem Hause
gegeben wird. Neben der vielseitigen und angestrengten
Thätigkeit hat Ki'üger auch noch Mul'se, für die Bearbeitung
eines Lieblingsthemas, das er seit den kunstgeschichtlichen
Studien seiner Jugend niemals ganz aus den Augen verioren
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lU
bat. Er ist ein f;osrliiUzter KiMiiitT des hüllaiulisclieii Back-
steiiibaiis. Seit Jaliivii arbeitet er bereits an einem kunst-
geschiclitlicheii Werke über tieiiselben. Ein Vcrtrai^: mit dem
Verleger ist abgeschlossen, wonach er 90 Mk. Honorar för
den Bogen erhalten soll bis zum Hdchstbetrage von 40 Bogen
pro Band. Ueber die Honorinmg der lUustrationsb&nde
(Atlas) ist besondere Yereinbarung vorbehalten. Für das
nächste Jahr steht das Erscheinen des ersten Bandes Text
fest; nnr sind zu diesem Zwecke noch einige Studien an Ort
und Stelle nothwendig. — Herr und Frau Krüger führen je
ein AVirthschafisbnch, allerdings nicht mit pedantischer Ge*
nauip;keit. Wie Krüger seiner Fran ein monatliches AVirth-
scliaftsi^i'lil v«in 100 >lk. p:iebt. so nimmt er sich selbst am
£r8ten jetien Monats für seine kleinen Ausgaben ein Taschen-
geld von 50 Mk., dessen Verbleib im Einzelnen nicht notiii;
wird. Auch sonst steht in seiueui Wirthschaftsbuch manche
Pausclialbuclning.
All tlit'-;<Mi ln*jeiii('ur tiifj nun die Frat^i' 'Icr Stoucr-
erkläriiiisj: licraii. Er iiat bisher sozusagen Vdti <],'r Hand in
den Mund gehMjt. Da bei der sori^saiiicii Eebensweisf der
beiden Ehegatten der Fall eines Minus noch nicht vorge-
konnnen war, so hatte er noch nie Veranlassung' gehabt sich
theoretisch über die Höhe seiner Einnahmen klar zu werden.
Nach § 7 des Gesetzes soll er nun angeben, welche Ein-
nahmen er hat aus: 1. Kapitalvermögen, 2. Grundbesitz,
3. Handel und Gewerbe, 4. sonstiger gewinnbringender
Beschäftigung. So viel ist klar, dafs die Rubriken ad 2*
und 3 mit vakat zu bezeichnen sind. Nicht so klar ist,
was er mit der ersten Rubrik an&ngen soll. Zwar hat
er sich noch nie zn den Kapitalsbesitzem gezählt. Er hat
aber in England die Gewohnheit angenommen, seine
grdfseren Einnahmen und Ausgaben duich einen Bankier
machen zu lassen, dem er es auch überliels,' geeignetenfaUs
Werthpapiere anzukaufen. Hieraus hat er einen kleineu Zins-
genul's gehabt. DtM-selbe kann zwar jederzeit wieder vcr-
schwinderu 'Sobald er die früheren l eberschüsse aufbraucht.
Da er aber sieht, dafs in den letzten -Jahren regelmälsig solche
ZinseiiL(utschnften stattgefunden haben, so nimmt er an, dafs
er venuuthlich bei kleinen Ersparnissen augelangt ist, die er
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jetzt wird halten küiiiu'ii. L'ikI es nicht niö^licli ist, die
h^unmie des Zinsgenusses für das nächste Jahr mit Bestimmt-
heit anzugeben, so vei tVihrt er nach der Vorschril't des Clesetzes
uud setzt auf Gruud der Bankieneclmungen dou zweijährigen
Darclmohnitt als Einnahme ans Kapital- Hk. Mk.
venndgen ein 75,»
Er geht nunmehr die sonstige „gewinn-
bringende Beschäftigung*' durch und sncht bei
jeder zunächst, ob der Betrag für das nächste
Jahr etwa schon «ifeststehf. Die Berichte
nach London hat er für das bevorstehende
Jahr wegen des Abschlusses seines grofsen
Werkes absagen müssen; docli hat er auf Zu-
reden d<"s Ministeriums sicli bereit erklärt,
vierteljäljrlich einen Bericht zu liefern. Dieser
Posten steht also mit 1 X 10 £ fest .... 800,oü
Ferner feststeheud ist das Kedaktiuus-
honorar 3000,w
Kleine Zeitschriften-Aufsätze hat er bisher
alljähriiili geschrieben uinl wird sie auch
weiter schreil>en, oliue dals für das näoliste
.lahr sich sagen lälst, wie viel dieser Posten
betragen wird. Nach der Vorschrift des Ge-
setzes berechnet er anf Grund seines Wirth-
Schaftsbuches den zweijä h rigen Durchschnitt mit 375,8o
Voranschläge, Kontrollberechnungen und
«sonstige Arbelten fnr Private hat er fiir das
bevorstehende Jahr wegen des Werkes über
Backsteinbauteu gänzlich abgesagt Der Be-
ti<ag derselben steht also fest mit .... 0,oo
Endlich kommt als neuci- Posten für das
bevoi-stehende Jahr der des Buchhonorars.
Unser Ingenieur liat ein selbständiges Buch
mit Autoreidionorar noch nie geschrieben.
Er würde sich irern auf diese vergangene
Thatsache berufen und den Posten Biich-
honorar mit dem Durchschnitt der beiden
letzten .lahre anrechnen. Aber es wäre dies
vollkünnuen unzulässig, denn der Posten bedaii'
Digitizcd by Gc.iv -
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keiner Ermittlung e iiost. er i>t ,.tc'.ststüliend'^. Mk»
Da vereinbait ist, dals der 40 Bogen über-
schiefsende Theil eines Bandes nicht honoiirt
wird und bereits gewife ist, daTs der Band
mehr als 40 Bogen haben wird, so steht für
das nächste Jahr die Honorar-Einnahme mit
90 x 40 fest
Also Summe der Roheinnahmen aus erwer-
bender Thätigkdt
Dem gegenüber stehen nun die Unkosten.
Zunächst ist zu ermitteln, wie viel an Mietlie
auf seinen Arbeitsranm za rechnen ist Die
von ihm gemietbeten Räume sind insgesammt
5 Zimmer nebst Badezimmer, Küche und
sonstigem Nebeiigelals. Er htv.alilt 3 Treppen
hoch, an der Pei'ij>lierie 1)50 Mk. Die Wolinung
hat im (raiizeii Ti Fenster. Danach kämen
Ulli ein zweifenstriges Zimmer IöS.mö Mk. Da
dieses Zimmer aber das grörste und »mii beson-
ders ausgesu( hti's ist, so ist es nicht zu viel,
wenn er als Miethe für seinen Arbeitsraum in
Rechnung stellt
An Gehältern und ähnlichen persönlichen
Ausgaben hat er .zu zahlen:
Ffir den Zeichner, mit dem er jeden Nach-
mittag 2—3 Stunden arbeitet 600,oo
Für einen Schreiber, den er jeden Nach-
mittag 8—4 Stunden beschäftigt 600,oo
An einen jungen Menschen, der ihm bei
der luMlaktion der Zeitschrift zur Seite stellt 750,oo
lu dem laufenden Jahre wird er während
seiner Reise eine Vertretung nöthig haben, die
bereits geregelt ist und deren Kosten sich be-
laufen auf loÜjOü
Aulsei-deni hat er aber zu Zeiten, in denen
er viel beschäftigt war. vielfach noch einen
Steuograplien angenomnien, auch ani'serordent-
liche Schreibhülfe u. a. m. Vergebens Im Ii agt
er sein Wirthscbaftsbuch über diese Posten.
200,00
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Ab und zu sind derartige Ausgaben venEeichnet. ^
Aber gerade in den Zeiten, zu denen nach
seiner bestimmten Erinnerang diese Ausgaben
am reichlichsten ivaren, finden sich im Wirth-
schaftsbnch nur allerhand Panschalverzeich-
nungen; erklärlich genug, da diese Ausgaben
immer in Zeiton fielen, in denen er Dringen- .
dcrcs zu thuu hatte, als die Anschreibnng von
Groschen nnd von Pfennif^on. V\\ < s nicht
möglicli ist. den zwcijährigenDurchttchiiitt :inzu-
wcFiden, so feldt es liier an jeder i^esetzliclien
Handhabe, den Posten zu bcrcclinen. Denn
'das Gcsi'tz srlufibt die nnitliniarsliche Fest-
stellnoir nur fiii* -nlclic Posten voi*, welche
bishei' noch nicht ln-^finiden haben. M;m
kann sich hier kaum anders helfen, als durch
analoge Anwendung dieser iiestimmung anfden
Fall, in welchem der Posten zwar bestanden
hat, aber nicht aufgezeiclmet worden ist.
Kruger macht einen ungeföhren Ueberscblag,
wieviel Stunden Stenographie -etc. -Hälfe er
nöthig haben wird und berechnet den
ungefähren Betrag auf dOO,oo
Also an GehSltem etc.
Sehr viel Kopfzerbrechens macht ihm das
Kapitel Keisen. Während des bevorstehenden
Jahres wird er mit seiner Familie eine Reise
nach England zum Besuch seiner Schwieger-
eltern unteiiiehnien und von dort einen Ab-
stechernach Ilollaiul machen. Auch in England
wird, er daneben Studien nuichen, ebenso wie ei-
den Aufenthalt in Holland, »t seinen P.ack-
steinbauten nachß-eht. zu einen» Pesndi bei
eineni Yettei' benutzen wird. Die beiden lieisen
tiaiicn also einen kombinirten ( harakter. Sie
geliö)en theils zu den Unkosten, tlieils zum
Jlan--halt. Nach vielem Nachdenken läfst er
den Hauptcharakter entscheidend sein; er
rechnet die Hauptreise nach England als zum
Mk.
2400,00
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23
Ilanshalt geliöi-iju:, (h*n Abstfclicr nach llollaiul -^Il<
als Unkosten 'iOCw»
Aurserdeiii wird er wiiliiviid des Jahres
mehrere Sonntaguaciinüttage zu Ausflügen
nach einzelnen Orten der Mark Brandenburg
benutzen, wo es Back6teinbaat(>n giebt, deren
Zusammenhang mit den holländischen ein viel
erörtertes kunstgeschichtliches Problem bildet
Er setzt hierfür ans &0,oo
Dem entsprechend fignriren die Keisen
unt«r den Unkosten mit
\ini «>eht er sein Wirtlischaütsbuch durch
und snclit die an«lerea Posten heraus, weklie
als Aus<2faben „zur Erwerbuiii]:, Sicherung und
Erhaltunf^ des Einkommens'* «gelten küimen.
Zunik'list fallt ihm hier die ü;anz isolirt
stehende Ausijabe t'iii* die Herrengesellschat't
auf, welche er in sriiiL-r Eigeiischat'r al- Kedak-
teur des „Ingenieur" gehen muls und die mit
seinem sonstigen Haushalt niclits zu tinin hat.
Er setzt sie ii.ich zweiiiilirigt'ni Durchschnitt
an mit
Ferner stüfsen ihm im Wirthschaftsbuche
die häufig wiederkehrenden Ausgaben für
Marken undPostkarten auf. Das Meiste von ihnen
hat die Korrespondenz mit den Mitarbeitern
der Zeitschrift verschlungen, sowie die sonstige
umfangreiche Korrespondenz,' die Kritger mit
Technikern des In- und Auslandes zu fuhren
hat In seiner Yerwandtsc hat'i und in seinem
sranzon Frenndschaftskreise ist er bekannt
dafür, der federfaulste Korrespondent zu sein.
Abgesehen von den Marken und Postkarten,
die allenfalls seine Fi*an ans tlem Bestände ent-
nommen hat. ist er sirhei-. ihils ftir seinen |te!'-
söidichen IJedarf keine iriiimlwie erhebliciie
Suinnie daraus vej-wendet i^r l>a nun Kanf-
leute und Gewerhetreiheiide ganz nlliieniein
ihren Markeabedart unter Geschaiisunkosteu
300,00
85,90
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24
schreiben olino Kücksiclit darauf, ob ansnahms- Mk.
weis«' eiiniial eine Miii ke für (hm Ilauslmlt ver-
wendet ist. so irl:iiil)t Ki'ii«jer den zweijähriiieii
iMnchsclinitt des MarktMi- und l'< 'stkiuteu-
bedarfs uuter Unkt»ren ansetzen zu dürfen
Die Ausgaben für Bücher sind im Wirtii-
sclinftsbuch f^enannt, aber nicht spezitizirt.
Kine Zuhülfeualnne der buchhändieri.schen
KechnuDg ergiebt, dafs mit Ausnahme eines
Bandes Göfhe, der ibin bei dem Umzüge ab-
handen gekommen war and ersetzt ^^erden
mnJste, für Bficher aacb nicht eine einzige
Ausgabe gemacht worden ist, welche nicht in
direktem oder indirektem, aber ganz zweifei-
losem Zusammenhang mit seiner technischen
Beschäftigung st«ht Als ein Manu von feiner
Bildung bedauert er es, dafs er in diese Buhn
gekommen ist; aber iiiit seinem Gewissen ist
er einig darüber, dal's Bücheranschaffung
etwas ist, was ei* olme Weiteres unter Un-
kosten zu setzen hat. Im l eluigen ist ve!in<iire
des innfaiigrriilieu Schriftentausehes in «lein
er .^tf ht. der ganze Posten überliaupt nicht Ite-
deutend. Nach dem zweijährigen Durclisclinitt
sind OS
Schreib- und ZeiclieinnattTinüen. iu\cli V(»r-
handeneu Kechuungen, in 2jiiljrigeni Durch-
schnitt
Dazu kommen nun noch die kleinen Un-
kosten. Dieselben hat Kriigei* ans seinem
Taschengelde beshitten und soweit die Fraa
vielleicht einmal für ihn einen Boten abfertigte
ans ihrer Kasse. Die Frau fülirt ein spezi-
fizirtes Ausgabenbuch, aus welchem aber der
genaue rii;nakter von Pfennigauscaben nicht
zu ersehen ist. Der Mann uotirt seine Tasi lien-
geldansgaben ülierhaupt nicht. Sie liaben aber
die feste Ueh( i zeuiruus:, <h\fs in «Uesen Auf-
gaben eine ganze Anzahl stecken, welche „zur
25 _
Erwerbung, Siclienmg und Ki lialtuii*^ cit'.s Kiii-
koTuiiHMi^'" verwendet sind. Auch hier iinils
man das ( icsctz wohl oder übel .<ü interiiretiren
wie oben bi'i den Steiioj^rnphpnireldeni. Herr
und Fi'au Kiügei' suchen den nintlnnarsliclien
Betrug dadurch zu schätzen, dafs sie einen
Monat lang genan notiren, vtie vidi Ausgaben
von dem Taschengelde des HeiTn und dem
Wirthschaftsgelde der Fran anf Unkosten fallen
und dies in einem zweiten Monat nachprüfen.
Beide Male ist das ungeföhre Ergebnifs, dafe
der Mann von seinen 50 Mk. Taschengeld etwa
20 Mk., die Frau von ihren IGOMk. Wirth-
scbaftsgeid etwa 3 Mk. auf derartige Ausgaben
verwendet. Son;ic]i liiUt sich Krüger für
berechtigt, an kleinen Unkosten anzusetzen
Tliei'in sind nicht enthalten die Ausi^^nben
für fit'iznnpr und BehMichtiin^ des Ailieits-
rauiiH'<. I )ei- m'saunnte Bedarf an l\<dilen und
Petrolenni wird i;eHieinsani ein£]^eknuft. Frau
Krüger scliätzt den nuilluiiarslichen Antlieil des
Arheitsraunies (zweinialiije Heizung, für Arbeits-
und Zeichentische 2 — o Lampen) auf . . . .
Hierzu käme nun noch die Rechnung für
Abnutzung bezw. Nenanschafihng am Arbeits-
a[iparat> Der Ingenieur sieht sich anfser
Stande, über Bedarf an Schreibtisch, Zeichen-
tisch, Bücherregal etc., irgend welche Voran-
schläge odei* Durchschnitte zu machen. Hin-
gegen kann er die Kosten der ersten Einrichtung
seines ArbeitsziTuniei-s aus den vorliandenen
Rechnungen noch konstatii-en. IMeselbeu be-
liefen s.Z. auf 1355 Mk. Fante i\v niieux
ist die allgemeine 10 prozentige Abschreibung
anzuwenden. £r setzt also hierfür ordjiuugs-
mäl'sig ab
Summa der Unkosten und Abschreibungen
2G
V.< betnigoii also die iioheiuiialimeu aus -^i^-
erwtM lH'inl<»r Tliiitjfrkcit
AI» L'nkostrii und Abschi'eibiiii^cn . . .
Also KfiiUMiialinieii aus erwerV). Tliätickeit
3tk.
7775,!*)
o8S,S,i.-,
:3SS7.(;5
Hi«'rv(ni kann er Tioch Kralt hrsrnulritM' lirstiiiimnnc: des
Gesetzes r§ D) Ziffer I, 7 seine Lebeiisversiclierungsiprainic mit
17.j,i-) Mk. ahsptzeii.
Diese ^^eiiaiie Aul'stellunpf hat er zur eiifeueii Int'onuatiun
gemacht. Die für die Sidbsteiii.sehiitzung erforderlichen An-
gaben ti'ägt er dann wie folgt in das Foimular ein:
Einkommen ans:
1. Kapitalvermögen 75^
2. Gmnd vermögen: Betrieb der Land- und
Forstwirthschaft etc —
3. Handel und Gewerbe —
4. (Sonstige) gewinnbringendeBesch&ftigan g 3887,65
Znsammen 3963,oo
Hiervon sind abzuziehen:
Lebensversichemngspräniie . . , . 175,i6
Bleibt stenerpflichtiges Einkommen . . . 3787,8» Hark.
Zeigt ans das Beispiel dieses Ingeniews die Anwendung
des Systems der Unkosten und Abschreibungen auf einen ganz
singoiären Fall*), so sei es gestattet, neben demselben noch
einen typisch wiederkeliren(b'n Fall zu bespreclun. Ein
Städtisclier (t\ mnasiallehj-er, el>enfalls in einer f^mfsen Stadt^
verheirathet, hat HlbO Mai^k Gehalt. Auch er wohnt an der
Peripherie und kann nicht anders an sein Gymnasium. ge-
*) Und nur als .soklior kann ilio^or Fall rii-lifiir beurtln ilr vrerdeo. 3Jir
ist Wdlil Itfkannt . dafs * im r liisher weit vribn it. irii ]'iii\is cnrspri i licnd
auch eiue andere Auttastsuug des (icsetzca existirt, nach welcher ein derartiger
Ingeuienr ohne Weiteros zn den Leuten en rechnen sei, deren Einnahmen
,nnl)estinniit odrr sthwankcnd" seien, und dafs er dement >pr((hend seiner
SelbäteiUHchät zunt; den zwei jährigen Durchschnitt, zu Li runde leiten müsse.
Mir scheint, dnfs in diesem >i)eziellcn Falle die enttre)L^en^cset/.ie Methode
durch ihn ii Ert'nl^^ l""! re< htt'ertiirt winl. Es hat sieh ergehen, du Ts von ilen
hevnrstehenden Einnahmen des Iny-enif urs <^m» :;tMKm (I t .l'KK) ^ 71i«i Mk.
fest und nur ca. 37ö,H4.i Mk. als „uulie.stiuimt und seh wankend" anzuuehuieu
sind, dal^ es also Tollkonunen gerechtfertigt war, die verschiedenen Einnahme-
trruiiiu'u KrUererfl gesondert daraufhin za prRfen, oh sie feststehende oder
unbestiumite siud.
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27
«
langeu, als durch die Fferdebaho, auf welcher er au jeiiem
Schnltage 15 Pfennig verfibrt Er ertheilt Privatanterricht
in Gegenden, welche sowohl von der Wohnung als von der
Schule entfernt sind und roufs auch dorthin der Pferdebahn
sich bedienen. Am Dienstag, wo er aufser Schul- und Privat-
unterricht Abends noch in einer Fortbildnngsanstalt thätig
ist iiiiniiit er sowolil Vormittags als Nachmittags eine
Droschke zu Hülfe. Ei- hält zwei Pensionäre, denni Aunaliuic
ihn seiner Zeit uothigte, eine neue Wohnung zu miethen, nicht
blofs, weil ein Zimmer für die Pensionäre iir)tliie: war, sondern
ancli, weil dio l)ishp|-ige Mitlx-nutzunir des Wohuzimmers als
S|M'is( ziinui«T nicht mehr aup^in^c und die Küche für den er-
weiterten ilaiis)i;ilt sich als zu klein erwies. Tm rchi i^M'ii hat der
Vater der Peusiniiiire, ein wohlhabeuck'i' (iiiIsIm .-itzrr. VHi langt,
dal's eine Aenderung in dem einfachen Haushalt in keiner
^Veise stattfinden solle. Die Knaben sollten Vitlli«- zur Familie
gehören. Als Bedingung; stellte er, dal's die iSöhne jeden
Mittwoch und Souuabeud Nachmittag in freier Luft zu-
bringen, zu welchem Zwecke sie mit ihren Peusionsältem
einen Ausflug in die Umgebung machen müssen.
Für die bevorstehende Steuererkläruug befindet sich unser
Gymnasiallehrer in der besonders angenehmen Lage, dafs so-
wohl er als seine Frau an jedem Tage in der ganzen Zeit
ihrer Ehe allabendlich die Einnahmen und Ausgaben des
Tages auf Heller und Pfennig verzeichnet haben. Auf Grund
dieser Aufzeichnungen ergiebt sich nun die folgende Auf-
stellung zur eigenen Information.
Einnahmen. Mk.
Gehalt 3150,00
Ueberstunden an dem Gymnasium (nach
zweijährim'ui ■nnrchschnitt) t)ü,w
Fortliiklnngsanstalt (in den) bcVMsfcln'nden
Jalut* 10 T)oi>|it']stnn(U'n a H Mk.. im Voraus
feststehend) 240,ih»
Pi i\ arunterricht mach zweijährigem Durch-
schnitt) 330,00
Pension für zwei Pensionäre (im Voraus
feststehend) 2400,oo
Summa G180,oo
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28
Dem gegeaüber sind nan Unkosten and Abscbreibiuigeii
zu berechneo. Die letzteren erweisen sich als nnansföhrbar. Es
ist im Einzelnen nicht festzustellen, wieviel die St&cke, welche
von den Pensionären benutzt werden, gekostet haben. Man
entschliefst sich daher, auf Abschreibungen zu verzichten nnd
auch die Anschaffungen nach dem System der Unkosten zu
bweclinen.
An Miethe setzt er nb: für sein eipfcnes Mk.
Arbt'it.szimmer (ein besduMdenes eiiifciistriges
StübclxMi) 100 Mk., für die Pensionäre aber
iiiclit Ijlols (las Pensionszimnier, sondern den
gr-mniiiton Mclirbodaif der ^VohI^nlS•, welcher
sich aus (Kt I >iiVtM(Mi/, (h'r iieui^cniiftlictcii Woh-
nung ^^egcii (Iii- irUhei-e mit 325 2klk. ergiebt,
also ziisnniiiirii 425,oo
Die Sclnvil»aiislagen an Ihiitc. V^edei- und
Papiei' sind selbst mit Zuhülfenahnie dci- i^v-
uaue.sten Aul/ i( hiumf^en nicht zu eruiren. V.v
setzt ihren niutlimaislichen Betrag nacli dem,
was die königlichen Beamten seines Ranges au
Schreibauslagen vom Staate vergütet erhalten,
mit 6 Mk. quartaliter an, also 24,co
Pferdebahn und Droschken nach zweijäh-
rigem Durchschnitt 108,4O
Haushaltung für die Pensionäre, ermittelt
an der Differenz zwischen Ferien und Schul-
monateu, nebst einem Zuschlaj? für durchlau-
feude Jahi*eskosten (nach zweijährigem Durch-
schnitt) 1050,00
Porti (K<»rrespondenz mit den Eltern der
Pensionäre und mit den vorgesetzten Be]iörden\
so\vie sonsti£!;e kleine üukosteu nach zweijäh-
rigem Durchsclinitt 12,io
Mittwoclis- un<l Sc.niuibends-AusUüge nach
zweijäh riireni 1 )urchsrlinitt 160,00
Anschafi'uM^jen an Hausratli zu Pensi«ins-
ZNvecken, sowie tTir (his Arbeitsziuiuu^' nach
zweijälirigem Durchschnitt 175.80
Summa 1954,rto
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29
Also Einnahmen 6180,«o Mk.
Unkosten 1954,ko ^
lieiiieiunahineu . . 4225,2o Mark.
Die bdden Beispiele weixlen zor Genüge zeigen, dafs mit
der riclitigen Bemessnug der Unkosten nnd Abschreibungen
jeder geistige Arbeit«^r ein ^fittel in der Hand hat, sich vor
«ncrerechter UebeibiirduuK im Verhältnitis za den Gewerbe-
treibenden genügend zu schützen.
4 Feste Gehälter.
Ein Gi'\voi-b»' oluu' l iikostm uichr ».'s nicht: in dfi"
«^eistis^tMi AH>t'it so wcnlij:. wie in i\i-v ki irix'rliclu'ii. In ciiicni
tVst nonnirten .lidiivs-clialt sti-ckcn t li»'n>u sidier Unkosten.
in pu.st«'n\veis vereinnulnnten Bezü^jen. Eine Eii;entluinili(li-
keit der geistigen Arbeit aber besteht darin, dai's als Entgelt
für dieselbe das feste Gehalt besonders oft vorkommt und
noch mehr darin, dals das feste Gehalt bef'onders oft die einzige
Einnahmequelle seines Trägers ist Man hat sich lange daran
gewöhnt, die Gehaltsstufe mit als ein Charakteristikum der
Person anzusehen. Die ganze Entwicklung der direkten
Steuern in Preufsen neigte dazu, derartige Merkmale der
Pei-son besonders in den Voi^derj^rnnd zu stellen. Ursprüng-
lichwurden die direkten Steuern nidit nach Einkommensstufen,
snndera nacli u:cvvissen äurserlicli leicht zn nntcrseheidendeu
Klassen der lievölkernng ei-hoben, und erst allmählich ent-
wickelte sich ncl)cn nnd ans dieser „Klasscnstcucr'^ die all-
o^eineinc Kinkoniniensteuer. Während der l'oifschritt liier
überall darin bestand, dals man einen Mcijschcii lit niciir
nach der Zuf^ehörigkeit zu einci- Kla<>^c. ^ondcin nach seinem
wirklichen, ^enau ermittelten Heineiiikonnncu licstcuerte, blieb
ein Knckstaiul der alten Anschaunnij: in dem Verhalten des
Gesetzgebers zu den festen (Jehaltein. Hier verbot noch das
Gesetz vom 1. Mai Unkosten imd Abschreibungen abzu-
ziehen, dnrch die ausdrückliche Vorschrift, dafs feststehende
Einnahmen »mit dem vollen Betrage** zur Berechnung zn
ziehen seien. Eine Ausnahme liefs das Gesetz nur in Bezug
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30
auf Peusious- und AVittweiikassenbeitrüge zu*). Diese Aus-
nahmestellang der festen Gehälter widersprach dem ganzen
sonstigen Zustande der modernen Einkommensteuer. Die Er-
hebung einer Einkommensteuer von der Roheinnahme statt
von der Beineinnahme (ein Modus, der sonst nnr in Steuer-
verfassungen niederer Kulturen vorkommt) hielt sich nur
dadurch, dafs er in der Prajds durch die bekannte und oben
bereits erwähnte Aveitgchende Schonung gegen die geistigen
Arbeiter bedeutend gemildert wurde.
Mit dem Einkommensteuergesetz vom 24. Juni 1891 hat
diese Ausnahmestellung aufgehört, sowohl die Schonung
nach der einen Seite**), wie die schroffe Heranziehung der
Bruttoeinnahme nach der anderen Seite.
Brutto- und Nettoeinnahmen sind nicht identisch. Die
steuertechnische Frage gegenäber einer Roheinnahme lautet
nicht, ob vielleicht Unkosten vorhanden sind, sondern nur,
wieviel sie beti-agen. Eine Stoiiorbehörde, die einen Staats-
oder Privatbeamten einfach nadi dem vollen Gelialt besteuert,
bandelt gesetzwidrig: denn es ist eine ausdriiekliche allge-
meine nnd ausnahmslose Vorschrift des Gesetzes, dafs von
dem Einkommen abzuziehen sind „die zur Erwerbung, Siclie-
rung und Erluiltiing des Einkommens verwendeten Ausgaben'^
(§ 9). Ganz ebenso, Nvif es zu <ieii Ubliegenli fiten der Hehörde
gehört, sich von Amtswegi-n um die Höln^ des Gehjilts zu
kümmern, gehört es auch zu ihicn i>flichtm;ifsigen Obliegen-
heiten, sicli \iui An>t>^\vegcn um die llölie dieser abzuziehen-
den Ausgaben zu kinnmern. Sie hat das Recht, nacli u:e-
wissenhafter Prüfung ihre Üeberzeugung dahin auszus|>rechen,
dafs einmal ein Ausnahmefall vorliege, dafs die Höhe der
Unkosten « 0,oo sei. Sie hat aber nicht das Recht, die ge-
setzlich v(^rgeschriebene Frage nach den Unkosten zu igno-
nren oder gar ganz allgemein bei „festen Gehältern** an
*) Gesetz vom -^r-^r -—^ -.. ?5 <lazu die Instruktion vom 3. Januar
1877. §24 (H. Mi'itzon. Die Vorsdiriftcn über die Kla.sseii- mid klassifi«
airte EinkoiTjmciistota'r in Preufst u. *2. Aufl. r>. rlin T^'^7 S tij. 1'>2).
**) Nnr für die üffent liehen Bcaiuteu bleibt das gesetzliche Koiuiau-
nalsteuerprivileg luich bestehen.
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31
Stelle der Steuererklärung der Steuerpflichtigen die Ermittlung
von dessen Bnittoeinnahme zu setzen.
Im Kill/* ItKMi tVeilich wird es bei mancben Berufen ganz
aulscrorilentlich gcli\v<»r iinchzuweison sein, wie viel Un-
kosten dieselben erfordern. Ein Handlungskommis, (\or wegen
dor Latro soincr (it'scliiU'tsstuiKlen und weisen <!i'r kurzen
Mittags] »an-c p'zw urij^on ist. l)pi seiiuMii Gelialti« vmi isoo Mk.
olil in luiniitli'lbjuvr Nähe des (Jesclüitts, d. h. in der
tluMicrsten (Jeg'end zn \n«>]uu'I), kann nidit li-idif anf Heller
und Pt'enniii iia( li\v<'is('ii, dci- svie\ielte l licil x-iiiei- AVolimmg'S-
niietlie aün !escliiifl>unk<>sten zu rechnen ist; und sein Kolh'ire
mit ^enoflischer Tischzeit"', dei* in einer bi Mieren, aber sehr
entfernten Cieo^end wohnt, kaiui notli weiiii^cr nat hrerhnen,
wiü viel er täglich au Schuhsohlen abläuft. Und doch lälst
sich in keiner Weise bestreiten, dafs das Plus an Wohnung
und das Plus an Stiefelverbrauch zu den Ausgaben gehört,
-welche „zur Erwerbung des Einkommens verwendet» werden^,
dafs sie also bei gerechter Veranlagung nach dem Willen
des Gesetzgebers abzusetzen sind.
För alle diese Schwierigkeiten, die das Leben in tausend-
fieushen verschiedenen Yariatiouen darbietet, hat das Gesetz
nur in B»'zng auf eint^i einzigen speziellen Fall eine Vor-
schrift gegeben: „Bei Militiiri)ersonen, Keiehsbeamten, un-
mittelbaren Staatsbeamten, < !• i-rliche.n und Tiehrern an Öffent-
lichen Unterriehtsanstalten ist dv.r zur Bestreitung des
Dien s t a u f w a Hfl es bestimmte Tlieil des Dienstein-
kom inerte aul'ser Ansatz zu lassen'' (ij 15). Darunter fallen
schon jt'lzt »'ine ;2ranze Anzahl \nn Einnahmen, von dni Knt-
.scliii(li;L^uiigs^eldeni fiir Dinte, l*\»der und Pai)ier bis herauf
zu ilen Ke|träsentatiun.s- und Tafelgeldern der Minister und
Gesandten. Hier hat die Steuerbehörde nicht <Uis Hecht zu
prüfeu, üb der Beamte wirklich diesen Tlieil als Unkosten
verw^det, sondern diese Verwenduug gilt für die Steuer-
behörde als praesumptio juris et de jure. Es wäre im Inter-
esse der Beamtenbesteuerung vünschenswerth, dafs der Staat
dieses System weiter ausbildete und jedem Beamten sein Gehalt
in der Weise zahlte, dafs zwischen Gehalt im engeren Sinne uud
Unkosten-Entschädiguiig geschieden würde. Bei allen Privat-
Angestellten Uefse sich jetzt dasselbe System durchfahren.
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32
Und wenn das Gesetz die Steuerbehörde aoch keineswegs zur
Anerkennung der Scheidung zwingt, so ist diese Anerkennung
doch nahe gelegt, sofern die Scheidung eine sachlich ange-
messene ist*) Wenn ein Kunnnis nicht mit 1800 Mk. Gehalt»
sondern mit 1080 Mk. Gelialt uiul 120 Mk. Kostenentschädi-
gang aTip:(>stellt ist, so ist es t'nr ihn erheblich leichter, seine
Steuererklärung sachgemäfs abzufassen als unter den gegeu-
wärti|Lj:en Zustiiiidcn.
Allerdings wäre hei solclien Scheidungen ein Mirshraucli
Iciclit TiiöLi-licli. Prinzi{);d und Angestellte könnten sich unter
eine ])tH'ke stecken und den Kntscliädiguiigsposteii zur Um-
gehung dei- Steuer[>lliclit absiclitlicli hoch luMnessen. Aber
bei einer anderen Steuer besteht ein solches Verhältnils sclion
heute, und die Praxis hat wohl verstanden, Milsbränchen ent-
gegenzutreten. Die Berliner Miethssteuer wird, wie ihr Xanie
sagt, von der Miethe erhoben. In den Berliner Mietbsver-
ti'ägen wird daher die von dem Miether zu zahlende Summe
in zwei Theile getheilt in Miethe und Entschädigung für
Wasserleitung, Gas etc. Die Steuerbehörde erkennt diese
Scheidung an, solange der Posten für die Entscbädigungs-
gelder nicht 8 % der Gesamrotsumme übersteigt Dieses
System wäre auch gegenüber den festen Gehältern sehr wohl
anwendbar. Die Bestininuing kann beim Kngngenient in
jedem einzelnen Falle erfolgfeu. Die Steuerbehörde wird im
Allgemeinen keinen Grund zum Zweiiel haben, solange ein
ijestinnnter Prozentsatz (je nacli VersclnedtMilu'it dei- Berufe
UFul der örtlichen Verhältnisse 10- l.j '^r>,, oder wie es sonst
die Erfahrung der nächsten Jahre eigehi'n wird) innegehalten
ist, und nur wenn derselbe überscliritteu ist, eine genauere
Begründung verlangen. ,
5. Die Priiizipieiifrajie.
Alle bisherigen I'i i rtemngeu lauten darauf hinnus. zwischen
Unkosten und Abschreibungen einerseits und dem Haushalte
andrerseits eine Gn'nzregulirnng vorzunehmen, dedeni der-
artigen Versuche wiid uuu vom ^Standpunkt des Steueriuter-
*) Vgl. die Erklärung das RegierangsTertreterg in der »Sitzung des
Abg.'Hanaes 16. Febr. 1801 (Stenogr. Ber. Sp. 865b.).
Digitizcd by Gc.iv^^i»^
33
eeses gewöhnlich entgegeugehalten: wenn man die and die
Ausgaben als Unkosten gelten lasse, so könnte man den
ganzen Haoshalt nnter Unkosten rechnen. Ein Mensch mfiase
leben, nm arbeiten za können nnd daher könne man schliefs-
Uch alles, was er anf Essen nnd Trinken verwendet, als
eine höchst sachgem&fs «znr Erwerbung, Sicherang nnd Er-
haltang des Einkommens" verwendete Aasgabe bezeichnen.
Für die Entscheidung dieser Frage ist ein zweifacher
Weg zn betreten. Einimil ist die Frage theoretisch zu beant-
worten vom Standpunkt einer idealen Einkomnienstener,
sodann praktisch vom Standpunkt der geltenden Einkommen-
steuer.
Die ideale PMnkommensteuer soll in dei- Tliut nur das
reine Einkommen treffen nach Abzug aller Au-^irahcn. welche
geniaclit werden, um das Einkommen zu erzielen und ord-
nnngsmälsipr zu erhalten (sei es nun in Form direkten all-
jiiiirlichen AV)znges, sei es in Form der Durchselinittshereeli-
uuug durch Abschreibung). Bei dem geistigen Arbeiter ist
aan besonders klar, dai's er eine gewisse Höhe des Haushalts
haben muis, nm arbeiten za können. Mancher SchriilBteUer
mafs jährlich einmal an die See; sonst versagt seine Arbeits-
kraft, und seine Einnahmen hören an£ Der reiche Fabrikant,
der seine Maschinen speisen and repariren lärst, setzt die
Kosten dafür von dem stenerpflichtigMi Einkommen ab; der
arme Schriftsteller mala eben auch seine Maschine speisen
und alh' Jahr einmal zur Reparatur an die Nordsee schicken.
Der Fabrikant hält sich für seine Maschinen einen Kessel-
revisor und setzt die Gebühren von dem Einkommen ab; der
Schriftsteller hält sich auch einen solchen Revisor in Gestalt
eines ;n*j)rnbii-ten Arztes. Der Fabrikant nuicht seine Ab-
schreibungen auf eine Mascliiue so, dal's jiacli /elm Jaliien,
wenn die Maschine auff;ehört hat zn tuiiktioniren, dieselbe
mit Null zu liucli steht: der S(hrift>telh'r nuils auch auf Ab-
uutzungskosteu seiner Ma.scltine so viel rechnen, dafs er nach
30 — 40 Jahren, wenn seine Schaffenskraft anfgehöi-t hat. ein
Kapital liegen hat, das ihm an Stelle der Maschine dient.
Danach wären also Haushaltungskosten und Ersparnisse des
Schriftstellers, soweit dieselben sich innerhalb dieser Grenzen
halten, steuerfrei zn lassen.
3
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34
Dies theoi*eti8c1i vom Standpunkt der idealen Einkommen-
steuer. Praktisch liegt die Sache aber anders. Nii*gends anf
Erden gilt jene ideale Einkommensteuer, wie ynv sie obarak-
terisirt haben. Das Prinzip des Rein<>inki immens wird in allen
Gesetzgebungen der Welt boL^renzt durch das andere Prinzip
der leichten Erkennbarkeit. Pic preufsLsche Ge.setzgeV)Uii2:
zieht, wie wir gesehen haben, die Grenze in der Weise, tials
alles, was zum Haushalt geli<»rt, nirht vom Kinkommen al>-
u»'s('tzt AvcnhMi darf. Ks licizt liieriu ein Stück Verbrauclis-
sU'uer, wie denn drrsclhrn andere deutsche Staaten einen noch
Widt grolscrcn Kiidliifs auf die Eiid^oniTncnstfMier i;e\\ührt
haben. Mit difsen j»(»sitiven Ilt'stininuni^t'ii des ( leset/es um Ts
gerechnet \vei<len. Und es ist bereits oben ausyeiiihrt worden,
dal's trctz der Dehidjurkeit des liegril^es Haushalt die Grenze
IUI der Hand der thatsächlieheu Uebuug sich ziemlich sicher
feststellen läCst. Kein Stand darf das als Unkosten be-
zeichnen, was alle anderen St&nde als Haushalt
rechnen.
Jenen Forderungen einer idealen Einkommensteuer aber
hat das 6resetz in zwei Punkten bereits Rechnung getragen.
Die Einkommen bis 900 Mk. sind steuerfrei gelassen und
Lebens- u. a. YersLcherungsprämien sind vom Roheinkommen
in Abzug zu bringen. T)ie ei stei-e Vorschrift erkennt an, dafs
bei geringen Einnahmen der Haushalt die nothwendigen l'n-
kosten darstellt: die letztere ist eine Abschreibung auf die
Abnutzung der Maschine, welche der Kiiiälirer dej- Familie
am eigenen Kürjtpr hat. Beiden sind bis jetzt nur rohe An-
lange. Die Freilassniiii des lAisteiizminininins kami noch
viel besser vertlieilt und ausgedrückt, die Fi'eilassung von
\ Crsielierungs- und F.i sjiarnirsbeträgen noch viel mehr aus-
ged(diut werden. Finstw. ilen ist aber damit zu re< lini n, dal's
das Gesetz nur diese Ab.setzungen von den Haushultuwgs-
kosten gestattet liat.
Die Prinzipienfrage hat an sich mit der geistigen Arbeit
nichts zu thun. Sie wiederholt sich gegeuiiber jedem Arbeiter,
der ohne Kapital lebt und also im Vergleich zu dem Kapital-
besitzer, der mit Maschinen oder gemietheten ArbeitskrSfien
arbeitet, in dem Nachtheil ist, dafs er von allen seinen Kosten
für Speisung und Abnutzung seines lebenden Arbeitsapparats
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35
auch nicht emen Heller absetzen darf. Aber der Fall grölserer
Einkommen ans Arbeit ohne Kapital kommt fast nur bei der
geistigen Arbeit vor. Die körperliche Arbeit gehört meist
in die Stufen^ denen die Steuer erlassen oder erheblich
gemindeii; ist, die geistige Arbeit in die Stufen, bei denen
eine gleiche Berücksichtigung nicht stattfindet.
Mit Recht erwartet man eine Minderung dieser Yei schie-
denheiten von einem bevorstehenden Gesetz Über die ünter^
Scheidung fuudirteri und uut'undirten Einkomnicus: ein S(dches
ist im Interesse der ( lereclitigkeit unbedingt erforderlich. Mfui
darf sich jedoeh darüber nicht täuschen, dnl's auch dnrch
<licsi's < icsctz das Mirsverhältiiifs nur acmlhlcrt. aber nicht aus
der W ck irt'^chafft werden kann. Steuern <ind eben Dinü:e, die
von Mensclicii gemacht werden uiul (h'neii gewisse Unvoll-
kumuienlieiten mit Noth wendii^keit aiduitten. Die eine Siener
belastet den eijien Stand, die an(h»re einen anderen \eilialt-
nUsniiU^iu liühei-. Die Einkounnensteuer ist nun einmal die-
jenige, die, wie man sich auch drehen und wenden möge,
immer denjenigen am höchsten belasten wird, dessen Arbeits-
kraft von der Erhöhung des eigenen Lebensniveaus abhängt
6. Allgemeine Wirkungen <1er SelhsteiiiscliätKang*
Trotz dieses erliöhten Druckes der Einkommensteuer soll
dennoch der geistige Arbeiter die l'tlicht der Selbstein-
schätziing nicht unangenehm em]>tin(h'n. Eine energischer»^
Fonn der Einkommensteuer ohne die Selbsteinschätzung wünh'
die voriunulene Unglei( hlieit jedenfalls in ihk Ii vi(d lioherein
^Talse herbeigefülirt lu»l)en. (Jerade die Stenei-eiklilrung,
welciie der geistige Arbeit.er sell>st zu entweireii nnd eiiizu-
reichiMi hat, giebt ihm die ^[öglichkeit. die lielKndi' zur An-
erkeininnu- (h'.s Grund.satzes zu zwingen, dais auf seine Tliä-
tigkeit dieselbe Methode der Absetznni;en und Abschreibungen
anzuwenden sei, wie sie auf die Tluiligkeit der Gewerbetrei-
benden schon lange angewendet wird. Jeder Beamte, jeder
Gelehrte, jeder Schriftsteller, jeder Künstler hat es in der
Hand, durch eine gute und sachgemäfs abgefafste Steuer-
erklämng ttbermäfsigen Einschätzungen vorzubeugen.
Aeufserst wohlthnend werden aber noch die Nebenwir-
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86
kangen der Selbsteinschätzuiig ein. Das Kachdenken über
die eigenen Terhältnisse, die NötMgnng, in Znknnft ein Wirth-
scbaftebnch zu f&hren, die Gewohnang an Rechnung und Be-
rechnung wird dem geistigen Arbeiter nicht nur eine gei*^
geltere Wirtliscliaft. -^(»ndern aucli eine festere Stellung gegen-
über den GeschäftsltMitcii ireben, mit denen er zu thun hat.
Viele werden erat durch die Notliwendigkeit der Steuei*erklä-
rung dazu gebrnc lit werden, sicli darüber klar zu werden, in-
wieft'rn ein*' Ijiiiiahme einen Verdienst bedeutet. Durch die
oImmi ;nivtüiirlicher beti-achteteii lioispieh* wird für den denkcn-
«icii lit s<M- die Lelire von .selbst hindurrhsi liiuiinern. die der
Selbsteinsciiätzende am Tage der Steuererklärung sich giebt.
Das aber ist ein fjrolser Iriilium, da Ts durcli dieses nüch-
terne Erfassen der Gewinn- und \ erlustlrage der Idealismu.s
des geistigen Arbeiters bedroht -werde. "Wii-thschaftlichkeit
ist eine der höchsten Tugenden des Menschen, und anch der
HöchstBtehende unter nns steht nicht so hoch, dafs ihm nicht
diese Tugend zur Zierde gereichte. Nur das froilich ist lichtig,
dafe von dieser Tugend, -wie von jeder anderen, dei* Satz des
griechischen Weisen gilt, dafs sie im Yenneiden der Extreme
bestehe. Nicht aus Berechnung und nicht ohne Berechnung,
das ist der richtige Wahlspruch für die Tr&ger der idealen
Gedankenwelt.
Bietet gegenüber dm mannigfachen Vei'suchungen zur
Unwirthschaftlicbk<Mt das Gebot der Selbsteinschätznng dem
geistigen Arbeiter den Anstofs zur Kinkehr und zu wiith-
schaftlichci- Selbsterkenntnils: so ist aucli dips tVcilich «»ine
von den Wirkungen der Selbsteinschätzuiit». wdclir an .^^icli
ganz a11o:emeiTi sind und inn* an dem geistig»«!! AilxMter Vie-
sondiMS lier\ (»itieten. Nicht auf einmal werden die.se Wir-
kungen in die Erscheinunu: traten. Einstweilen wird man
an der neuen Einsehe t/u ni^snicthode nur die scliärfere An-
ziehung der Steuerscliraube bemerken. Sodann ^ird die
gleichmäfsigere Yertheüung der Last anerkannt werden.
Spätere Generationen aber werden die Einführung der Steuer-
erklärung in Pi'eufsen als ein bedeutsames Moment in der
wirthschaftlichen Erziehung des deutschen Volkes anfuhren.
Berlin, im Juli 1891.
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87
Nachwort.
Währaid die vorliegende Arbeit sich unter der Presse
belknd, ist zu dem Einkommen-Stenergesetz auch die An-
weisung des Finanzministers vom 5. August 1801, erster
Tlieil, ei-schienen (Berlin, R. v. Decker's Vei'lag). Diese ent-
hält nichts, vras den obigen Ausführungen unbedingt: wider-
spräclje, aber manches, was dieselben zu bestätigen geeignet
ist. Art. 21 fühi-t u. A. als abzugsfäliig auf: ^rlie laufenden
Ausgaben der Kechtsauwälte, Notare, GericlitsvollzirlitM- für
die rnliM-lialtun«»- .... dos Bureaus, die laufenden Aus<;al»eu
der Aerzte für das zur Besorgung der Praxis zu haltende
Fuhrwerk, der Künstler, Gelehrten für die Besoldung von Mit-
arbeitern oder Geliülfen, für die Beschaffung der zur Ausübung
der Berufst hätigkeit erforderlichen Materialien, sowie für In-
stiiudhaltung und Benutzung der erforderlichen Geräth-
schaften.* Wenn hei dieser Gelegenheit von den Geschäfts-
unkosten ausdrücklich „die Kosten für die erste Einrichtung''
ausgenommen werden, so ist damit indirekt anerkannt, daTs
för diese analog der in Artikel 19 bebandelten kaufin&nnischen
Budiföhruiig das System der Abschreibungen Platz zu greifen
habe. Scheint sonach die Anweisung des Finanzmintsters
ganz von der Anschauung auszugehen, dafs der geistige
Arbeiter in Bezug auf Unkosten und Abs( In cibungen nicht
schlechter gestellt werden solle als der Gewerbti^ibende, so
ist um so weniger ersichtlich, w^eswegen es bei den Gewerb-
treibenden heifst, dafs „die'^ Unkosten abzuzielien seien,
dagegen bei den geistigen Arbeitern, die „etwaigen'* Un-
kosten; eine Verschiedenheit der Aitsdrueksweise, welche zwar
sicher nicht dazu bestinnnt, aber wohl dazu geeignet ist. die
Beliöiden gegen den ijeistigen Ai'beiter. der ebenso wie jeder
andere von seiner liruttoeinnahine Abzüge machen will, von
vornherein niilstrauiscii zu stiininea. — Wenn in den Probe-
eiutragungeu der Steuererklärungen ein Amtsgerichtsrath N. N.
sein YoUes Jahresgehalt nebst WohnungsgeldznschuTs ver-
steuert, so ist dieses Beispiel nicht geschickt gewählt (denn
die Zahl der Amtsgerichtsrathe, die keinerlei Unkosten
haben, weder Arheitsranm, noch Pferdebahn, noch auch nur
die Abnutzung der Robe, kann so sehr gro& nicht sein, dafs
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sie als typisch anfgefßhrt werden dürfte); aber ein Wider-
sprach gegen die Absetzung der Unkosten, die ein Beamter
wirklich hat, kann mit diesem Beispiel nicht beabsichtigt
sein. — Nar eine der einschlägigen Bestimmungon der »An-
weisung** vermag ich mit dem Gresetz nicht in Einklang zu
bringren. Artikel 22 der Anweisung will dem Beamten, der
Dienstaufwaudsgelder erhält, tliatsiirlilich abei- mehr auf-
wendet als sie betragen, die Möglichkeit abschneiden, den
^I<>hrl)etrag von der Einnalnne abzuziehen. Hios ist nicht
richtirr, denn § 15 al. 'A des Gesetzes wollte dem Beamten nur
das lienetizium ucImmi, das Dienstautwaiulsgeld ganz .. aulser
Ansatz zu lassfMr-, so dals es stfiicififi bleibt, selbst wenn
es nicht autgebram lit wird; wo aber der umgekelirte Fall
eintritt, dals die l)ienstaufwandsgoldf>r nielit ausieiclieii, da
tiitt eben dei- allgeiiuMne § 9 Ziflei" 11 in (Jeltun;^, dals diu
zur „Erwerbung, Sicherung und iOrhaltung des Einkommens
▼erwendeten Ausgaben* Yom Einkommen „in Abzug zu
bringen** sind. — Welchen Sinn hätte es denn auch, einen
Beamten, dem seine Behörde (vielleicht bis zur Fldssigmachun«:
weiterer etatsmäfsiger Mittel) nur den halben Dienstaufwand
vergüten kann, darum von seinen Unkosten zu besteueni?
Wenn im Anschluls daran in der „Anweisung** von Privat-
angestellten mit Dienstaufwandsentschädigung der „Nachweis**
verlangt wird, dals sie diese ^iu ihrem vollen Betrage** ent-
sprechend aufbrauchen, so geht die abnorme Strenge dieses
Ausdrucks ebenfalls idjer das vom Gasetz zugelassene Älals
hinaus. Den Privatbeamten ist im (iesetz in dieser Beziehung
weder ein Privilegium n-w li ein ( »nus gpgel>on: für sie gilt
rechtlich nur die allt^enieme Vorschrift des V» Zitfer 1 1.
Findet eine 8teneil)eli( »rde. dals die Dienstaufwandsentschiidi-
gung eines Pii\atbeanilen zu hocii beujessen sei. sd stellt es
ihr frei, Nachweise zu vei'langen. Falls diese alMi nicht in
ausreicliendeni Mafse gebractit werden, ist sie nicht belugt,
die Dienstaufwandsgelder einfach in das steuerpflichtige Ein-
kommen zu stellen, sondern sie ist verpflichtet, sich selbst
gewissenhaft darflber klar zu werden, wieviel davon in Wahr-
heit auf Unkosten geht, und wieviel als zum Reineinkommen
gehörig zu betrachten ist. Und wenn die Behörde es mit
ehrlichen, anstandigen I^euten zu thun hat, so ist sie hier,
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wie in allen Dingen, ver]) fliehtet, bei ihren Ermittelungen
die eigenen Angaben des Steuerpflichtigen in erster linie mit
za Grande zo legen. Nor so viel ist an dieser Sonderbestimmnng
allerdings richtig: wenn ein Privatbeamter seine Aufwands-
gelder ganz aufser Einnahme gestellt und sieh von der Pflicht
befreit wissen w ill, über diese sich und der Behörde auch nur
Rechenschaft ;il>/.iiLr<'1>on, dann köiinfi' mau von ihm verlangen,
(lal's er di»' Sojidcrstellung dieses Eiunaliinepostfiis in seiner
Eigenart glaubliaft inadien solle. — Es zeigt sich an dieser
Stelle in der Ausdruckswoise der ^Anweisniiij^" die bekannte
Erfahnirii?. (hils auch nach Aiifliehnn»*' gesetzlicher Bestini-
nnin«?<Mi die alte 'j'('i itiin<)h»L;it' imcli eint' Wi'ilc fortdauert uiul
die Praxis zu heeintlussen droht. Das j i i\ iNüjiuni odiosnni
der Besteuerung von <h'r Bruttoeinnalinie i>r tue alle Beamte,
öffentliche wie |iri\ atr, durch das Kinkoinnienstcuerj^n'Srtz vom
24. .luni 1S1)1 aufgehoben. Die Anweisung des Fiuanzniinister.s
stellt sich auch auf diesen Standpunkt; aber hier und da
haften den neuen Bestimmungen noch die Eierschalen des
alten Rechtszustandes an, aus dem sie hervorgegangen sind.
Während die Anweisung den Handel- und Gewerbetreibenden
gegenüber von dem Abzug der Unkosten und Abschreibungen
wie von einer ganz selbstversföndlichen Sache spricht, steht sie
den Beamten und geistigen Arbeitern, welche dieselben Abzüge
von ihrer Bruttoeinnahme machen wollen, mit einem gewissen
Zögern gegenüber und möchte am liebsten hier haarklein .nach-
gewiesen" sehen, was sie dort nicht einmal spezifizirt verlangt.
Im Intei-esse der Finanzverwaltung selbst lüge es, in der
Praxis alles zu vemieiden, was den Anschein erwecken köinite,
als ob die Selbsteinschätzung eines Standes gegenüber der
anderer Stätide mit hpsnndereui Mir->trauen betrachtet werden
solle. Eine Institution wi<' die Selbstriiischätzung nnils eine
fj;e\visse P*ipularit;it {.(«'iiicrsfu. weini sie gedeihen soll. Popu-
laritiit aber kann bei weit getriebeiu'ui und namentlich bei
mjgleich vertheilteni Milstrauen niciit bestellen. Tritt man
den vei'schiedenen Bevölkerungsklassen nii! ^i. ii h»Mn Vertiauen
gegenüber, so werden der Fiuanzverwaltuug die Tauseude, die
ihr vielleicht durch getäuschtes Vertrauen verloren gehen, in
Gestalt von Millionen wieder znfliefsen.
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Inhalt.
Seit«
Einlcituut^ . 3
1. Das SvHteiu <ler Einkiniiinenennirtelnnir ^ei den ( bewerbt mlicmlen . . 6
2. Aiiwenilbnrkcit des Systems auf die Ertriit^e der ypistigpii Arbeit . . S
8. Beispiele 17
4. Feate OehSlter . 29
5. Die Prinzipioiifraij^c 32
<i. Allt^enieiue Wirkuiii,^en der Selbst^inschätzuug 35
Xacbwurt iznr Ausfühniiiirs-Anweismig des Finnnzministers) 37
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