DEUTSCHE
GESCHICHTE
v
Karl Lamprecht
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von
Sec^fles ttnb \\thtnUs Caufenb.
1905.
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Sur jün^ften
Don
€rftcr Banb.
Con(un|l — ^ilbcnöe Kiutft — Did^tuiig
IOeItanfd)auun0*
Stdfftts unb ftebenies (Caufenb.
Perlag von Qermanit t^eyfelöer»
1905.
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l
TU 2 HL ' YCOK
PUDLi: LIDRARY
970417
AST CP. LENOX AN»
TILDEN FOUNDATICNS
«Sc «c(|te »«Oe^otttit
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3n ben Sauren 1891 biä 1895 Rnb bxe erftcn fed&g 33änbe
meiner ^eutfd&en ©efd^id^te 511m erfien 3JJaIe erfdjicnen; jie
fü^mi bie ^li^Uing b\» itid 16. uttb teitioeU h\& htd 17. I^^f
^unbcrt
SBenn feitbem in ber Sßeröffentlid^ung rociterer 33änbe eine
^aufe eingetreten ift, fo lag bierfür ein boppelter 9In(af! cor.
(ginmal l^aben fid^ an bie hi^\)ex erfd^ienenen S3äube weit*
gtetfenbe Erörterungen fiber äBefen, unb äKetl^obe ber
(Befd^^töiDiffetifd^aft fiberl^aupt gefnfipft 9Bie mit biefe (Sr«
drtetungen enoünfd^t worcn, fo l^abe xä) eg für meine ^flid^t
gehalten, an il^nen forgfältig imb cingefienb tei[5^unel)men
2Beiter aber ergab fid^ mit bem gortfc^reiten ber Slrbeit an
bem ^uc^e felbft ein Umftanb, ber einen rafd^en gortgattg ber
SSeröffentlid^img verl^inberte. ^Id id^ jitr ^rftedung ber @eß
fd^i^te bed nationalen (Seelenlebend im 17. unb 18. Sa^r«
l^iibert gelangte, geigte p^, bafe bie pf^d^ologifd^e e^arafteriftil
beö inbit)ibiialiftifd^en Seitalttx^ bei feinem 2lu^gang im
18. 3Q^)i^i)"nbert in ber ^iefe unb Rlax\)di, bie aU ^xel oor*
fc^noeben mußten, erreid^bar roar nur unter bur^au^ eingeljenoer
jtenntnid fd^on bed näd^ften^ fubjeftiotfUfd^en 3eitalterd, bai» in
* ^ine Bidliogvop^ie ber itmfSngti(|en Siitamtur, bie mein Bu^
in biefev ^tnfid|i lerootgentfen |at^ wie tneittcr eigenen in^mifd^en oerfiffetit«
lichten met^obolbgifileii SCtMten loirb in ber btittcn Stuflage bet evfiten
9anbeiS ber !^euif($en (Befd^ic^te bemnftc(^fl erf<9etnen*
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VI
DoriDort.
her beutfd^en @ntnii<i(ung mit hec Verlobe bet <^|»{tnbfamtett
dnfefet. Uitb al« td^ bcmgcmäS jimäd^fl ba§ fccUfd^e Siefen
biefcr ^eriobe feftj^ulec^en fud^te, txc^db ftd) roiebenim, boft ba^
roUftänbif^ nur möglid^ wax unter ganj ani'd^aulic^er unb qan^
fienouer itenntnid ber pf^d^ifd&en Strömunt^en be« 19. 3^^^^ ,
^unbertd^ Dor aEem auti^ ber iflngfien QAt unb ber (St^mvmU
kut^, {leQte ftd^ f^exau^, ba6 bie tlttterfd^iebe ber feeltf<j^en I
Beitatter ber neuen unb neueftcn S^xt, fo eoibent unb bebeutenb
fie an fi$ finb, bocfi bi^ in bie eboi nodj möglicbc feinfte 9lu§^
gefialtung ihres 2i>cjen^ l^inein nur baburd) flurgelegt werben
fönnen, ba6 man bie jen)etl§ unterfu($te $eriobe bis ini^ lleinße |
mit ber oorl^ergel^enben unbL ber fol^enbeit vec^ld^t .
^iefe (^rfalirung war für mx^ in biefem Umfange neu. I
JVür bie urjeitlid^en unb mittelatterlid^en ^erioben l^atte baS
©rfaffen ber einzelnen 'iferioben felbft ber ^yauptfod^e nadf)
genügt. 21 ber rcar biefe @rfal)rung an fid^ lounberbar? ^f^d^o*
logen von 'gaä) l^aOen mir immer loieber oerftd^ert, ein
fold^ed (^gebnid fei mit ^id^erl^eit ooraud^ufel^en ^ewefen. ®^
tfl wie mit ber ^idPenntnid ber pfpd^ifd^en @ntn>i(f(ung int
^ußcnb- unb iKanne^alter bc§ 2)ienfd^en. 3Ber roirb nid^t bie ;
5ortfd)rittc bee llnabem unb ^\ün9lin9§alter§ (eid^t erfennen? j
^ber bie Unterfc^iebe ber pf^d^ifd^en ©nttoidlung Don ben
breifeiger ben merjiger unb ©on ben merjtger ju ben fünftiger
SSQ^tn fefljufiellen, ifl weit fernerer unb nieUeid^t oud^ nur
burd^ met forgfamere SSergleid^ung ber einzelnen ^erioben nad^
rüdroärtd unb üorroärt^^ fie fonft geübt wirb, rairflid;
eingebenb möglid^.
Snbem id^ nun ben äBeg betrat, auf ben id^ burd^ biefe
Srfal^rung gemiefen würbe, ergab ftd^'d, bag id^ junad^ft lange
}u fd^weigen l^atte; bie Vorarbeiten fftr bad 16. hxi 19. Sol^*
^unbert Rauften ftd^ wobt, fbnnten aber nid^t btd }u ooSem
2lbfd^Iu6 gefübrt werben. Unb c^^ fanb fid^ weiter, baB fd^liefelid;
am frübejlen ein S3anb gur 'i>oÜenbung ctelangte, ber ftd^ mit
ber atterjüngflen Sßergangenl^eit, ja teilwei? fo^ufagen nod^ mit
ber ©egenwart unfered Voifed befd^äftigt. 2i^n lege ic^ im
folgenben vor.
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Pormort.
VII
3m übrigert l^t ftd^ hn HSetfouf bet 9(r6ett bed legten gal^r«
fünft? bcr ?pian be^ sanken 2Ber!e^ bod^ einigennafecn um*
geftaltet. ^on inneren ^eränbcrungen roiti ic^ ^ier nid)t
fprec^en, ba fie im raefentUd^en roirtfd^aft^* unb fojiQl9efd^id^t==
lidj^e Momente betteffm, bie in bem oorliegenben ^anbe nid^t
|itr S)arlegund betätigen. Sor allem aber l^aben ftd^ &u6ere Sto»
ftnbenmgen otö nötig ^erouggeftellt. ^e Sal^l bet urf^ntüngli*
üorcjefetienen Sänbe t)at fic^ für bie neuere unb neuefte ^eit
unjulänglid) erroiefen. SBürbe fie einc;e^alten, fo roürbc fid^
mo\)i ein GJerippe ber SDorftcUung erzielen laffen, mc^r ober
nifi^t liegt jebod^ im gntecelfe bei^ 2e\M toie bed ^utord,
ba^ getabe bie neueren S^ten au<$ mit ilmm unb WtnShta
a'udgeflQttet, fo^ufagen burd^ unb burd^ f6rper^aft Dorgefü^rt
werben.
Unter bicfcn Umftänben ifl bie SDarftcHung beg inbi*
oibualifiifd^en 3«talterd (oom 16. gal^rl^unbert bi» tim iwc
mite bed 18. Sal^rl^unberts) auf vier S3änbe, bie ^{lefllung
be^ barauf folgcnben fubjettit)ifti|d)en 3^^^^^*^^^^ öuf ebenfattg
üier Sänbe erroeitert roorben; ber ^ilnfd^lug an bic ©egenwart
enblid^ wirb burd^ jiuei (Srgängung^bänbe l^ergefteUt, bereu
einer t>on ber Xonfunjl, bilbenben ilunft, ^id^tung unb äBelt*
anfd^ouung ber ifingßen S^ergangen^eit ff>red^en foH, n)a|irenb
ber 'anbete t>on 9Birtfd^aft, ©efellfd^oft, 9fiei^ unb SSol!
(biefeS im raciteften ©inne aud; au6erl)alb ber D^eid^^greu^en
genommen) berid^ten wirb. S)emnad) rairb \>a§> gaiijc -ii^erf,
TOenn e^ bem 5Öerfaffer üergöunt fein foQte, eS gu üoUenben,
imdlf 3anbe unb awei (^gönaungj^bänbe umfaffen. Unb biefe
9änbe foUen entl^aUen:
eine erfte 9Ibteilung^ b!e S3änbe 1—4: bie fog. Urjeit unb
bad äRittelalter, bie 3eitalter bed {pmbolifd^en, t^pi«
f4ien^ fbnoentioneDen Seelenlebens;
eine groeite Slbteilung, bie 33änbe 5—8: bie fog. neuere
3eit, bad ^extaltex inbioibueEen Seelenleben^;
eine britte Abteilung, bie 9ftnbe 9—12: bie fog. neueße
3eit, ba^ 3^i^ti^ter lubjeUiuen Seelenleben^;
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vin
Dortport.
bie (eiben ©rgänjungiSbdnbe enbK$: Ue ^tgenöffifci^e
®€fd)id;te — eine ^zxt, bie fid^ im Verlaufe be§
oorliegenbeii SanbeÄ aU ^ßeriobe ber 9iei^fam!eit er» .
geben roiih. |
innetlid^e ^erfd^iebung ber Einteilung gegenflber ber |
ftü|eren Slnorbnung liegt aUerbingiS biefem bteitecen Au^en .
Sludbau nid^t ©runbe; oielntel^T ^at Rd^ bie fd^on lo&l^tenb I
ber 3lrbeiteiT ber ac^tgiger 3al)re getroffene Einteilung bei ge*
nauerem Stubium a(§ jntreffenb erraiefen. Wilxt diM)id)t auf
bie ^^ögUd^feit, bie gefunbene Einteilung aud^ in ber Ent«
toiitlung^efd^id^te anbetet Göltet oetgleid^nb su uenoetten, be'
tone id^ MefeiS C^gebnid.
fntfpred^enb aber ber wm Slnbeginn feflgebaltenen $erioU'
fierung ift nun fd^on in ben bi^f)er üeröffentlid^ten ^änben ein
befonberg ftarfer @infd)nitt in ber ^^orftellung nad^ bem oierten
^Qube, gelegentUdJ be^ Übergangen oom a)Uttelalter jur neueren
Seit, jiDif d^en ben 3^i<tltetn beiS ui^eitlid^ unb mittelaltetUd^
gebunbenen unb bem Spaltet inbioibuetten Seelenlebeni» gemad^t
TOOtben: bie Er^äblung b^t im beginne be« fünften 33anbe3
QÜe großen ©rrungenfd^aften ber frül)eren So^rljuiiberte nod^ I
einmal roieber^olenb jufammengefafjt, um ouf ber breiten
©runblage früljerer Äultur bie 2)arftellnng ber ferneren @nt*
midlung fott§ufübten. ^U» Setfal^ten foQl nun bei einet er*
neuten 9(uflage be9 fünften Baiibe& unb bei bet Slbfaffung
be« HnfangSbonbe« bet britten 3lbteilung (fubieftioiftifd)eg 3eit=
alter von ttwa 1750 ab) rcieber^olt unb nod^ fdjärfer accen*
tuiert angewanbt werben, fo bafe eine beutlid^e 2)reiteilung
entfielt unb jebe ber btei Slbteilungen ein in ftd^ gefd^loffened
unb von fid^ aQein oud oetftönbUdfteiS ©ai^e bilbet.
SBaiS foeben von bet fd^arfen ^bgrenjung bet ^atfteffung
in ben einzelnen brei Slbteilungeii gefagt ift, gilt natürti(^
in nod^ oerftärftem 3}iaf3e von ben ErgänjuntvSbänben. Sie
fönnen jroar nid^t burc^au^ in ben üoUen glu^ ber 2)atfteIIung
einbezogen nierben, wie biefet in ben ftül^n ^änben oetläuft
S)a§u ftel^t bie l^iflotifd^e gfotfd^ung ben gefd^ilbetten B^ten
nod^ 5U na^e; nut Umtiffe unb (^ntmfitfe einet <Et|ftl^lung,
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Votwort
IX
nid^t biefe felbfl in i^fcem ntl^igen ^intaud^en in ben @trom
beiS ©efd^el^en lann gegeBen werben. Um fo nte^ aber
eignen jtdl biefe 8ftnbe pt Ungecen gef^id^tftdien MdUiden
wnb aud^ p ntond^er allgemeineten Qcfc^id&tlid^ üerglcid^enben
Setrad^tung : ja fold)e S3etTod^tunc^en unb D^üdblicfe finb not«
rocnbtf^, foH ber ©toff tiefere Sebeutung unD ^iftorif d)en
(Sbarofter erhalten, ^ieraud folgt, ba6 aud^ jeber biefer SBänbc
in fid^ abgefd^ioffen unb an unb fttr fM^ oerfiönblid^ ifi,
fo bai e9 }u feiner fäMkt Mate ftihrleren IKRorifd^en %kt»
fenntnis ober gar ber ^orfenntnid ber frfil^eren ^änbe ber
«S)eutfd&en ©efd&id&te" bebarf.
^ai im übrigen gerobe ber jefet üorgetegte 33anb in Dieter
^nfid^t ein SBagnid bebeutet, l^abe ic^ feinen Slugenblid
oerfannt. Ol^ne ^rage giebt e9 viele ^^itgenoffen^ bie
einzelne Xeilc be§ bargeftcOiten ©toffesS, unb oud^ geroife eine
große Slnja^t, bie ba§ ©anje weit beffer fenncit id&. @g
wirb bal^er leidet fein, mir ^ier unb bort Ungenauigfeiten, ja
aud^ geinter nadjjurceifen : fo wie eS immer ßeute geben roirb,
in beren Sbtgen mein mit bem ^fla^xoM fotd^er gei^ler
gerid^tet ifl. Slber id^ erfiftre gan^ offen, bog id^ ffir
fold^e £'efer nid)t gefd^rieben l^abe. 2Borauf e^ mir anfommt,
liegt nad^ onberer 3üd}tung. 3d^ l^abe ben ^serfudf) mad&en
wollen, sunöd^ft mid^ felbft, bann bie 3^itgenof{en, bie bafür
ein iil^ebürfniiS empftnben, über ben inneren 3ufammen«
l^ong ber mid^tigeren l^iflorifd^en ^d^einungen unferer 3^t
5tt unterrid^ten, ju unterrid^ten an ber ^nb einer gefd^id^t«
lid^en ©rfafirung, roie fie, raenigftenS für ben im 58erf)ältniö 5U
allem ©efd^el^enen freilid^ nod) immer fel^r bcfcfteibenen Umfreig
ber beutfd^en @efd^id^te, nid^t jebem o^ne weiteres ^ut ^er«
ffigung fle§t unb im gan§en unb großen nur nod^ berufdmäftig
erworben werben lann* SoEte mir baiS gelungen fein, unter
x)ielen tlnDoDIomnienleiten natOrßdl unb unter mand^en ®d^ie«
rigfeiten aud^ ber 25arfte[Iung , beren Sikxh einem nod& im
SSad^Stum befinblid;en Stoffe nur fd;n)er bis 511 üollem ©iften
angepaßt werben Cann, fo wäre ic^ reid^Ud^ belol^nt.
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X Doriport.
S^obei ntöd^tc id^ n\6)i unterlagen bemerfen, ba6
ctit überlegfamed ^u($ l)Qbe f^teiben tooHen. (Ss liegt mit
rd^iü an utteitdlofer guftimmung, id^ wfinfd^e ^ritil. S>atttm
{tnb nid^t blog bie einfad^en S^atfad^en nebeneinanber geiteHt,
was feid^t genu^ geiuefen roaxe; toielntel^t tfl bet entioidlungiS«
ncjd}id)tlid^e Si^fönimen^ang \ä)avi betont. 5)(öglid^, bofi babei
inand^e 9iict)tiingÄiinie 311 ftreng gefpannt, manche X\)ai\aä)e ju
energifd^ ^emorge^oben tDorben ift. ^ilber eS giebt auf bem
biete bet ©efd^id^töwiffenfd^aft l^eu^utage feine gtftfiore @finbe
aU bai^ bto^e ^anfd^teppeti unb im €(rtmbe rein fotnpila«
torifd^e Sufömmenftcllen t)on ©toff* unb SiJl^atfad^emnaffen.
^Qüon Ijaben n)ir genug unb übergenug: ja roir finb baran,
im ©toffe ööHig fritifto^ ju »erfinfen; in SBa^rl^eit unb von
einem ]^öf)eren Stanbpunite aud fritifloS aud^ bann, weitn
biefer Stoff naci^ atten ,,nietl^obifd^en ©mnbfäten" bearbeitet
botgeboten — ober eben nur befd^teibenb botgeboten toitb.
SBeffen roir bcbürfen, lägt ftd^ mit einem Sorte qu^^
brücfen: JJermente, Gärungsmittel hinein in ben 6toff! 3et*
fe^en ber rudis indigestaque moles burd^ Urteil, burd^ ^t«
gleid^ung ! ^^id^t b(o|ed Hneinanbettei^en beS @ef d^el^enen auiS
taufenb IDiiellen, wenn aud^ in nod^ fo ftitifd^et ©d^eibung,
fonbetn ntetl^obifd^e ^ergleid^ung bet S^anfenbe von blo^ be«
fd^reibenb gewonnenen Xljatfac^en l^in auf bie treibenben feelifd^en
Kräfte be^ gefdiic^tUd^en ^n^altö! tiefem S^ek habt id) in ben
folgenben blättern nadbgeftrebt ; ruhige iUar^eiten unb 2ln*
fd^aulic^feiten einfädlet 9ltt n)ottte id^ in bem (E^)ao^ bet gal^t«
teid^en gefd^id^tUd^en (Stfd^einungen bet jfingfien SSetgongen^eit
fudjen. 9Rag babei einmal ein Quq in bet ^atfieSung ju
fdjarf geraten fein, maS fc^abet cä? Unb ift eS überl^aupt
möglich, ber nie abbred;enben ©tetigfeit ber (Sntiüicf lung in iljren
^aufeuben, ^üQionen, ja un5äl)tigen unb unenblid^en (Sinjel«
momenten in itgenb einet S)atfiteaung geted^t }u loetben?
Smmet nHtb bet £efet bei 6d^ilbetungen biefet Sltt fibetfel^ene
9)2omente 5n)ifd^en ben 3^t^n Tefen müffen; unb nut feine
mi,tt^ätige '4>^j<^titafie lami jene Kontinuität ber @ntn7id(ung
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Votwott
XI
l^erfteHeii , bie rorjufü^ren aud^ einer toeit mei^t {ünftUrifd^eu
©r^äl^lung aU ber meinigen oerfagt ifi
3m einzelnen glaube id^ biefen S^I^ nui^ ii'^id l^insufSgett
5U bürfen; fie finb für ein Sonoort an fid& fd^on faft ju lang
geraten. @ö üerftel)t ftd^, bag irfj wie bie IQuellen fo and) bie
fd^on jienilid^ jai)lreid^e i^itteratur gur ©efd^id^te imferer jüngften
Sßergangenl^eit eifrig benufct ^abe, bei roid^tigeren fragen aud)
bie ©p^ialtttteratur. @m^e Unterfuc^er bed „^tai\&"
werben aud^ l^ier tinb ba @imren unb SbiHcinge frfll^erec S)ar«
flettungen ftnben. ^d^ l^abe fte nid^t att9gemer|t ober Demrifd^t,
n)ie man baS rool^l tE;uu pflegt, um angeblid^ original 5u
fein ; wer baburd^ bie Originalität meine-o ^ud^e^ beeintrdd^tigt
glaubt, ber triag biefc§ ©lauben^ bleiben. 2)a6 im übrigen
jlebei^ Urteil in meinem ^ud^e felbß gefunben ober felbfitl^ätig^
unb iioar feiten o^ne ^biftiatumen, angeeignet i|i^ loirb nid^t
oerfannt toerben.
Sollte id^ allen banfen, benen idfi, teil§ infolge mttnblid^er
2Iu^fprad^e, teitig infolge ber Settüre iljrer Sdjriften, für mein
^ud^ ^anf fd^ulbe, fo toürbe id^ ganje diei\)tn von dornen
nennen müffen: bemt mel^ir oieUeid^t atö fonft biiSmeiUn ge»
fdftid^tlid^e Sd^riften ifl biei» 8ud^ erlebt Unterlaffen aber
fann id^ e^ bod^ nid^t, n)entgften§ benjenigen ßeipjiger ^erren^
bie fid^ ber großen ^Diü^e unterjogen, einzelne ^eile ober gar
baö ©ttnje ber 9iet)ifion^bogen oor bem SlbbrudE gu lefen unb
mit tl}rem fpegietl fad^mönnifd^en Urteile ju begleiten, aud^
dffentlid^ audnufpred^en, wie viel id^ il^rem älate unb il^rer
(Sinfid^t oerbani^: S^ldd^ten fte, bie Herren Sarge, äkrtb,
®bl)kx, ^srüfer, 3?ogel unb äiiitfoioöfi, ein flein menig iSnU
fdjäbigung für il^re ^Dtütie in ber 2l^al)rnel)muiu'i finben, bafe
mein burd^ il^re ^iitarbeit ^iele^ gewonnen i^at.
^eipaidf ^Pril 1901.
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6cite
I «{itleitunf 6— M
frVsemdtieS: STfinfllerifc^ev S^atadcv ber 3^it, 9»uflf
«nb p^i(ofop^if(^e epefitlotfofi bffimbeii ftctdt bnttfd^
demente ber V^tafietpttglett. Oefamibidpofitiim bc»
etoffci. 91. Wkpm Ott 6(^0fifcr bei WMßXcnßS^tWKM:
SBodte feinet erflen nnb feiner ^xotiUn fSeriobe; ltntevf($iebe
nnb Qemeinfmnei beibet. 0cttltb}fifie beS Sieuen in i^nen:
OefantÜHiifUMfl nnb f^ntpl^nifd^ SMiftun^*
U. Untriffc einet ©nlroicf lungsgejc^icöte ber beut*
|(^en3)Ufif 15-28
3KittelaIterli(^e ^eriobe: iiioUotümlidH' 5Jtonotonie unb
Slonobie. Äirc^cnmuftf: Cantus firmus, Stqucnj, fontra«
punftifd^e ^ol^p^onie, 9}iufif beö inbioibualiftifc^en ^e\U
alterd: ©ntfte^ung ber ^armonifc^en (Se^art auf bem ^oben
ber Pol!iStümIic|en äffuftl, Übertragung auf bie itunftmuft!;
€^oral unb SRabrtgal. äRonobie tmb ^nftnimentolntuft!,
$ortf(^ritte }um Mofo nnb sitr S^mpl^onie ((Kantate nnb
eonaie). Shtfll b«S fubjeftbiftift^en 3eitaIM: erfie ^eviobe
Mi mtf ben afiemben Beet^ooen, Stonumtif, netiefte 3^t.
ITT. ^er tec^nifd^e (^^araUer fpejieii ber neueften
3»ufif 24-85
^annonif (ß^romatif), ©timmfü^rung, Si^tjt^mif. !8er«
^ältniä ber S'Jeuerungen jum Seelenleben ber ^eit: mufi»
falif(^e Weijfamfeit. (folgen ber einjelnen 9Zeueiungen für
bie mufifalif(^e ejomi: »erftärfte @ef(^loffenf|cit unb Sang-
atmigfeit, (Sntroicflung be« neueren Siebeä, bcä Sl^ort-^'on«
S^rama^, bes mobernen dat4)ciumiä, ber jvmpl)oni)c^en
3)ic^tung.
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XIV 3nt?alt.
IV. (Sntrotcf runfl«0ef(l^t(§te fpcsiell her neueflen
iKufü, befonbere Sebeutung SS)agnerd in t§r . . 86—46
Übergänge: Sra^mö. ©rfte ©cncration ber neuen Äunft:
2\^ht, SBagner, Sorneliuä. ^m'xte ©eneration: ^. 6traufe,
^. SBoff. Söaßner« ftnguläre ©tettunc^ ai<o fulturgcft^it^t«
lieber diepvä^tntant ber Slnfänge ber neueren 3)iufif: poetifc^-
muftfc^er ^^arafter beä äQori>2^on'^ramaä, fpe^ieU brama«
tifc^e ©ntn^tcflung ber ?ec^ni{ ber neuen Stuft!, ^nbtningen
im Drc^efter unb (^e|ang)tiU
y. SBagnetS IBebeuiung ffiv bie p'fyiU^opW^^^ «tib
et(ifc(eii älnfönge htv Vetiobe bev Sieiafantfeit 47—58
Sßognerd ffieltanfc^auung biiS ^itte bed 3a^itttibett§:
i^re Sntftfittng, i^re (Elemente, S(nfänge ber ^iegenerationls
te^re. Mamttfd^aft mit ben 3been @d^open^auerd, beten
^iwivhtng. Softem bed entoidelten äOagnerfc^en teufend:
9legeneratiotiiIe$t€ ttnb (Befamthinftioerf (Hunfboerl ber
Sitltttift>
VT. 2>aS •efamtltttitl»etf unb bie ^«viobe be«
fÜtiiiarnUit 68-66
M 9efamtIttn^iDevt eiticv (Sim^pt ber JKfltifte unb
boi Oefamt!knflt»erf aSer Itftnfle. 2lai Oefamtltttiflioerl
oller itflti|le ein €|ar<ilteri{H!liiit ber ttrteit unb be0 fti(ietti<i
üifUfd^cit Seitollerd. ^nü^hü unb UiUi^R<$fett beiber
Zeitalter: ^ier triebtnA|i(|e6, bort oorflenuti06»i(i8e6 9Kcroen-
leben bo6 entffteibenbe StoefmoT. 9lai(nei6 biefe6 Unier«
Webeft ißmä^ft onf ftp^etifd^ (Miete. Bf^fgermiten onS
ber ^amtt]^otfa(|e beä nerodfen (reiafomen) C^cmilterS
unfereil S^italterä auf beffen entmidHungdgefi^id^tlid^e StdCung.
®en>iffe ©rfd^einungen ber mobemen 9iet3fam!eit (Seriret«
barleit ber neroöfen ^teije, Schaffen vieler ^ünftler auf
mehreren <S)ebieten ber Stm^t, ^nnä^erung ber j^ttnfle
uniereinanber) bebingen bag @rf(^einen beS ®efamtfunftroerfg,
unb itoav beS t>orne§m(ic^ mufilalifc^ d^arafterifterten Qk»
fomäunftroerlÄ old bed erften grolen IhiftbruM ber
neuen fieit.
I. S)iean6ente(ttett9niipid(un66pttfen berbeutfd^en
9»a(erei , 69-85
1. 2)te etnielnen btlbenben ftünftt in i$rer Qebeuiung
far bie ent»iAttn0ft6efi9i(§tfi<(e Sorf($ung. IBefonbere SBi^«
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3nf{alt.
XV
eeite
tinfeit bcr SOtaferct. ttmrift unb O^arbe in bec bcutfc^en
3KaIerei : f^mbolifttfc^eo, ornamentale^, tppifd^»fonDentioneUe§,
inbioibitaliftifd^c^, fubieftioii'tifc^eä 32italter. Slttflemeiner
feelifd^er ß^^arafter biefeö 3«italter§. UmriB »"b j^arbc in
i^rem ä^erpltniö jur 2ßteber(^abc beä !Raumeg. — 2. ^fiatür»
lid^eä unb füuftlerifc^eö ©e^en unb Sieprobujieren ber ®r»
fc^einungärcelt. S)aö fünftlerifcf^e ©e^cn al§ cntn)icf(un9ä'
mä|igeä ^rin^ip für bie ^ertobiftcrung ber Äunftgefd^id^te.
35aä fünftlerifd^e Scfjen unb bie ^ortn. 35ie j^onncn»
9cf(^ic^te bie entn}itflun(^ößeid)id)tlic^ allein jutäffigc ®e-
fd^ic^MbarfteHunp. ??orm unb Stoff, ©emeinform iinb BHU
S^aturaliömu^ unb ^jbeali^^mus. 2)er ^mprefftoniömuö aI3
jüngfte Slu96i(bung be^ !ünftleri)c^en 9Bir!(i(^!eitSftnneä.
II. 2)ie @ntn)t(!(ung ber beutf(!(en SRaletei unter
ben ®inf(fiffen bed jrtoffiaiSmud, bev Komanttl
unb beä ^iftortämug 86—102
1. ©inicttenb: allgemeiner illerlauf ber beutfc^en Äultur
feit bem 12. unb 13. ^n^r^unbcrt, Sluffd^roung im 14. unb
15. Sa^r^unbert, Serfatt feit etwa 1530— Sa gfolgen fftr
bte @e[bftänbigleit ber 5(ulturentn)i(t(ung 9om 16. |iiin
18. ^a^r^unbert unb nod^ barüber ^inau^: 9fle}eptionen
ben SBeftlänbern (@ng(anb unb f^tcnfreic^), ^lenaiffancen im
16. unb im 18. So^r^wnbett. — 2. 2)ie Gntroidffung bcr
beutfc^en HWalerei im fubieftioifttfc^en 3ettafter oor ber @nt-
faltung M voUen 3mpreffioni^muä. ?Jrü^eftc impreffto-
niftifc^e 9(nfänge, ©raff unb ©fjoboroierfi, bie 5?open^agener,
Slunge, bie ©übbeutfc^en. 2luögang beö ^rü^imprefftonismuä.
©tnflüffe ber ^eUenifd^en Jlenaiffance: ffaffijiftifc^e unb
romantifd^e a)JaIerei. 3)ie 2)üffeIborfer Schule. 2)er au§*
gebilbete .f)iftort3muä : bad groBe ®ef(^ic^tobilb unb baä
^Iftorifc^e ©ittenbilb. 9lbf(^ru^ beö 3ßicber|olun0e!ur{ed ber
SRalerei bes$ 14. bid 18. ^ai^r^unbertd.
IIL S)ev 6ieg bc« ^mpteffionUntu» 103—186
1. 2Dte CntoiAuttg ber en0lifd|en unb fran)d1tfd^en
fBtatttti )um 3in|>teffbn{dmtt6. fllnglanb: Gaindboroug^»
Xumer, fronte, Confhible. {jfronirett^: 9toM9, SOa^iMma
tinb tRontonitf ; bie G^ule von ^ntoinebleou unb ^ce Sor«
Uufer, befonbete Stelhtttg SRiOett, Courbeti Stonet unb bie
Sortftt^rer feiner SRaferei; QCüenvftrtifie Strömungen in ber
fnmsbfiMen 9Ra(crei — 2. ^tnitflund ber beutfi^R SKoIerei
|ttm 3ni|>reffloni8mtt8. fbteftt SCnfAniie. 0ntoi(Kttn0 ber
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XVI
ecite
©timmungSIanbfd^oft in ben brei^iger unb oiersit^er 3ö^rcn:
ble IDüffelborfcr unb bic SWünc^ener. 2)er pJivftoIogift^c
3ntprcfftoniämu8 M i^igurenbitbeä: HWenjcI, ^ctten!ofcn,
Seid. $f9c^oIogif(^er :3mprefftoniSmu9: olamifc^e unb
^oOSnbifd^e @ntn)icf(ung, ^^draetiS; Siebetmann. SPSoemeine
Setbreitung unb 6ieg M SrnpreffloniSnntl. — 8.
äßefen beS malerifd^en pl^^ftologifc^en itttb pf9(^o(ogif(^ett
dmpreffionilmuS. Qtxdfnm^^t Siunft unb Stvan^ bei Si^t«
efoibntffd; fragen ber Itompofitiim iitib bcr üttitmioiebetgabe;
mglid;feit etnet llbefganggibcaliimttiS. ^fpd^ologifc^e ihninb«
(ageit ber neuen Ihtnfl.
IV. 2)ie ibealiftifc^c llunft bet Übergangiaeit unb
beiS p^pfiologif d^cn 3mpreffionigmu8 137—178
1. Slllgemetne S3or6ebingungen einet ibealiftifc^en Siun\t.
Wx^^utiQ^vovc^mc^e jroifd^en bet äfteten unb bet imptefflo»
niftifc^en Äunft. Unioctfalgefd^ic^tlic^e SJebeutung etne^
fünfttertfc^en 5RQturaligmu§ unb 3beQli8mu8. ®ntftef)un(^
eineö ÜbergangäibealiSmuS in ©nglanb unb ^yranfreicf), uor
allem in 2)eutfdiranb. — 2. ^tnfefm ^yeiierbad^, öanä o. aRareeä.
— 8. «tnolb S3ö(flin. — 4. ^and X^oma* — 6. 3»ttj Älingct.
V. 2>ie ibea(i1lif<l|e Aunfk beiS pfpd^oUgifd^en ^m*
l»«effioni8mttd 179—192
1. tkttleie 6(^tilfa(e unb innetfleS SSefcn beS ^^ealtStnui
bet ftbecgondiieit iitib bei y^fftolbgifilcii Stnpfefftoittimiii
(Sbcafiinmi btv gönn unb bei 9e|altei>. Clatoltev bei |>f94o«
Ibgif^en Sbeoliinmi: XuibUbimo |iiin mobeciteit Ornament
unb {tun VfolatfkU, fomie )ttm Sbealiinmi ber Stimmung
unb ber 3^ ^erhtnft bei Gtinrntungiielaltei. —
2, VMfUx bei ethmmtniiibeatümui: 6ttt<I, Cster, o. $of'
monui 64ttl|e*9{attmbtttg, fidfHfom. SReifler be« SRoImi
ber 3bee: o. Ü|be.
VL »ilbnerci, Mii nftgcroctbc, 93au!unft 192—203
2)ie ©ntroicflung ber älteren ©itbnerei unter bcm (Sinflufe
bei Älaffi^iSmu« unb feiner fjolgeerfd^cinungen, btc oicr
neuen Stid^tungen ber ^|Uaftif (@effncr; ,?tifbebranb, .<ir{nger;
HKcunier; 2}?inne, 3mO- ^^^^^ englifc^^amerifonif d)c unb ba§
beutfc^e Kunftgeroerbe; ^flaujenornamentif, 'Xentaiel^til, C^k--
rüftftil be^ 3jiö6cle. 2)ie «aufunft: gottbttuet bed mUtx,
S(ud{i(^ten in bie ^ufunft.
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xvn
ecttt
T. ©telgcnbcr SBiriric^feitöfinn in bet 3)icl&tung
Serprtni« bcr fünfttcrifc^en ^^antaftctpligfeit jur
bid^tcrift^en. Äern bcr ©ntroicflunc? ber 2)i(^tung and) ^eute
bie 2x)v\t ©teigenber SBitflidjfeit^finn bcr St}rif nac^ge«
lüiefen an bret 9(6cnbflebi(l^tcn oon ^aut ©erwarbt, 1}iatt^ia8
etaubiuä, Dtto Suliuö 93ier6aum. 25cr fteißenbe aöirfltc^!cit8-
ftnn in ber SJic^tung beö 19. ^afjr^unbcrtö and) fonft anerfannt
U. Xtx tnnete (gntwidlungSgang bcr moberncn
2)i(^tung nad^gcioief cn am ®egettfa|e bev »id^«
ligften Iprtfc^cn ^Dit^tunpen 214— 23S
1. 9^aturoliftifdi^p^i)riotogi[(^er ^mprefftoniamu^; crfte
^eriobe bcr St)rif ii. Silicncronä (über beutfc^e 5Uiet^ä*
bi(|tung im 19. ^a^r^unbert). — 2. Sbeatiftifc^^p^^fio-
logifc^cr ^ntprcfftoni^muS: aroette ^criobe ber figrif o. Silicn-
crong. — 3. S^aturaliftifc^^pfpc^ofogifc^cr ^finp'^efjioniämuÄ;
erfte 2lrt ber 2)ic^terpruppe um ®eorge unb ^ofmannät^al. —
4. 3bealiftifc^«pf9c^oIogifc§er ^mpreffionigmuä; jrocitc 2(rt bcr
S^ic^tcrgruppc um ®eorgc unb ^)ofmanngt§aI (8ufammen^ang
bcr SDic^tung biefer (SJruppc mit bex Seit bcr ®mpfinbfam!cit
unb ber JRomantif, bcm franjöfifd^cn ©ymboItämuS unb bcn
englifc^cn ^rärafaclitcn; im ©runbc bcutfc^er G^araltcr).
lU. ^uBere Anfänge unb e<^i<ifo(e beiB bi<$te'
»if £^en 3mprcf f ioni§mu3 284—250
1. S^orgefd^ic^teber tmprcffioniftifc^en^J^idötunf; in ^Deutfd^«
lonb: bte ©aliner unb OTärfer (o. Älcift, o. So|, @. 21. ^off-
mann, o. Ungcrn-Stemberg), bie fübbcutfd^c ^orfgef(^i(^te
(Sixtus), bie 2)ramatifer (Hebbel, £ubn)ig, SCnsengruber).
SlCgemeincr Stanb ber bcutfc^en fiitteratur oor bcm l^mpreffto-
niämuö. — 2. fieifc Äeime unb innere Urfac^cn beä Sm*
prcfftoniömu^, äußere (Sinflüffe (^^ranfreic^ , 9luBIanb, bie
Siiorbgermanen). — 3. Stnfänge beä ^n^prcffioniömu^ in
Scrlin, SRünc^en, Sßien unb anbcräroo. G^arafter ber
jungen lilterarifc^en @eneration. ©ieg bc§ p^tjftotogifc^cn
Qmprcffioniemu'j in ber ^roeiten ^äljte ber ad^t^igec ^a^re.
Umfc^nung um 1^90.
ber legten brei ^^a^r^unberte
207-213
251-276
1« 80rgef((i4le, iiatuvaRPf<t«|»|9lioKogif4ev Smpircfllo«
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XVm 2nftcAt
Ctfte
Ikofpt^e Steuerungen, Unfftnge ber impvefftonifUfd^en fjform
{«SRobeme 3)i<9ter(|ara!tere*, 4o^, ionrabi); ^5|e bei
3ini>ref|ionidmu8 (o. Sittencvon), 6tUifietutto biefet Jhinfl
<$o(||). — 2. 92aturaüftif(^:p[9(^orogifd^er 3nq>teffiont9mu8:
bic pf^djotogifc^e Vertiefung biö in§ Dieurologtfc^e unb ifjrc
folgen; bic Xi(S)kx Snadax), Hrent, 2)e^meL — a ^intvttt
ibeoliftifc^en Umfc^tüiingS: Umii^ftil ber 3tf)9tl)mcnpoeric von
^oli, fpnip^onifd^e ^^ic^tung, SJergfeic^ mit ben SSorgängen
<iuf bem @ebiete ber bitbenben itönfte, befonbere Sebeutung
bet f^mpl^onifdKn 2)ic^tung, S^ronologie be§ Umfc^roungö. —
4. 25cr tbealiftifc^e Stnpreffioni^ntuö: Sßorftufcn, .^^ö^ejeit bcg
p^^r^ofogifrfjcn Ö^eQli^nTUö (d. Siliencron, ^-alte), v)r)d}0'
Togifc^er StimmungSbid^tung (53ierbnum,
ÖJeorge, ». 4'*ofmannetF)Q0f 9lnfängc eines etl)i)djcn unb
religiöfen ^bealiomu^ (^Ueftjc^e, v. ^Utn, o. (^(oU^u^, @oecö).
V. a)ie ilunfteijä^Iung 277—313
1. aSorbcmcrfung: jroei ©ruppen ber Äunfterjä^rung.
©enaiicrcr (!()Qrafter ber ^^^rofngl•uppe: SRoman, 9ioocIIe, furje
(ye[c^id}tc; btc 'Sfi35e nio fonüituicicnbcö (Clement ber ^rofa»
criäf)Iiir(i, ifire 6c[d;id)te feit ^en Mcininff r'iafjren unb i^r
nioDeiner (iljnrnfter. — 2. 2^cr pI)iji'ioIotii)rf)e ^mpreffioni^*
muä: berliner SJonian; G'influf; ber Jr^^^'^f^'"/ in^bcUmbcre
3olQf^, erfte 9Jiündcner unb iücriiner 9toninnc cine^ nolIcn
^nipreifioniomuö ; ej-trcme !3)urc^bilbung bc§ pf)nfioIogifc^en
Sniprcjfionie^nuiö burd) .^oli unb 6d)Iaf; Grnieic^ung ber
gornien; bauernbc Crgcbnifie. — 3. 2)er Überi^ang^jicinan.
^Ulgenteine dioUe beö 9taturali(^mu3 im 3^?erlaut ber '^vf)antafie*
tl)ätigfeit mcnfdjlidjcr Öemeinfc^aftcn. ^ßorbringen beö
:ömpre)fioni§muö in beti alten Sioman. Süejafjrte SBertretcr
bco Übergangöroniancs: (Fontane; grauen: Dfftp 6d)ubin;
jümjcre 3Jiänner: Äre^er, ©ubermann. — 4. ^fgc^ologifc^er
unb neurologifc^er ^mpreffioniömuä, ©timmung«- unb
^eimoMlttiift. SetfaS bed p^i)fio(ogifc^en ^mprefftonfinmi.
3nbi»ibttOlpl'i)d;oIot]i|d)er onipreffionüntuS: 2lnfänge, "pcriobe
ber rein pfgc^otogifc^en ©fiaae, iSrneid^ung in9 Gtimmungd«
voUtf fpmboliftift^r unb aUegorißetenbct 9toman. Sojial*
pf9(^ologif(^er (SniwicI(ungd)R)eig: Übergönge, gufammen^ang
mit bet (onbf^aftlit^en Aunfierjd^Iung fett ben btei^tger
3a|ren, ntoberne ^eimatdhtnft
YI. SDai S)tama ^^^-375
1. 9(nfänge bed neuen 3)vamaS; ^6]en. 2)ie Sotlfiufer:
febbet, Subwtg; ^naengrubet. Si(benbrttf|. jüngere @fpeH'
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Seite
mcntatorcn uorne^mlic^ in ^lorbbeutfd^ranb: ejrtremeS $anb*
lungä* unb 3"ft«'iböbrama. ^h\en, feine 6d|icffalöibee unb
feine impreffionifltfc^e 3:ec^nif. — 2. Sorne^mlit^ P^^fto-
logifc^er Sn^pwffioniämuö. ©rl^ö^ung bcr öü^neniUufton
feit bcn ftcbjiger Sauren» "cue Sühnen. JÖaS impreffio-
niftifc^e 2)rama geroinnt bie öffentliche S3ü^nc. GJer^art
Hauptmann: ^S3or ©onnenaufganfl*, „^^ricbensfeft", .©in-
fame HRenfd^en*; ,SoUegc ©rampton", »Siberpelj*; „Xie
Sßeber", .«Jlorian ÖJegcr". 2tnbere 3)ramatifer bc§ ^m*
ptefftonidmuS : ^albe, ^irfc^felb, Karl Hauptmann, 8d^ni|}(er,
£aitgmann, o. äBo(iog&n, ^artleben. ~ 8. IRätd^en« unb
Xtimmbtoma, ©vm^olidmud. ^f^c^ologifc^e Biegungen, i^ce
ctfte Som boS Xxmvu' unb SRävd^etibvama; Sufammen^ang
bcdfcKtit mit bem 69mboItiiniid. Sbtfänge beS neuen
S)vama9: ffitlbenbcuil^, (Solb^mibi, Gumppenbevg, gfulbo,
'!po$(. ^atipimamt: »^onnele*, »Sesfunfene Olocte", ir6(^Itt(f
tinb Sau'. <5cnft Slodmer, 6ttbermonn. — 4. siad neuvo*
l«6if((e SttmmunflSbvama. ®ad «eine 6timmuit||§bTamtt:
Xnfftnge (ei ben Ȥ9fio(dgif($en ^mprefftoniften, Shtvd^bilbuns
bei be¥ Gruppe um George unb ^ofmohnSt^at ZtA
m9tl^ifi$e 6timmungdbvama:. Vlaetetlindt. — 5. !Doi ftbet^
gongSbtttma unb baS cca!t pf9(l^o(ogtf(|e 2)rama. 6ttber«
mann: »@^ce*, ,©obom8 ®nbc", ^.^cimat*, .6(^meiterl{n9<«
f(^Ia<$f, „Morituri«, .3)0« ®(ü(t im Sain!el*, .So^anncä',
»3o$anntöfeuer'. Hauptmann: ^^nffxmann ^zn^d)^^ , „Wi^atl
Krames*. Sittgemeine Sßcnbung inä ejaft ^fgc^orogifc^e. —
6. ^rama unb äßeltanfc^auung (Oc^idfal^ibee). 9lücf6(icf auf
bie @ntn)i(t(ung be« mobernen S)rama§; SRotroenbigfeit ber
Stgönjung ber äußeren imprcffioniftifc^en ^^orm burc^ bie
innere i^orm einer 6ct)icffalSibee. ©efdjic^te ber ©c^icffalö*
ibec im neueren 2)ramo feit bem 16. oiTf}i'f)nnbert. ©tcUung
be« 3lcoIiSmu6 unb ^»npreffionismuö jur Sdjicffatöibee. 3"»
ne^mcnbe ©puren einer immanenten ©c^idfalsibee im im*
prefftoniftifdien ^rama; befonbece @teUung ^auptmann^
unb @ubennannd. S(uiS6U(C.
I. »üdbtttf unb Einleitung 879 Jk>»
1. Sl^arafter ber 2)arftettung in ben legten beiben 9(b«
fc^nitten: ^erfönlic^feit unb fojiarpftjc^ifc^e Strömung. —
2. (Sknauere Darlegung beä äBefend ber dieiafamteit nacf)
11^
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6cUi
Un Qfvfa^ttgen ber (e|ieti Snf^nlite: 8cffi$»inben bet
tXUn »ifTeitMaftltcleti, <Stnfe|en ber tieiien (ftn^Icvift^
j^urttt«; gbl^eit blefeS SBet^fe»; intievpe fcelif<^ tlvfoileit
bct QniiDfilauitg; C^ataltev ber ihttifl itstter bem Sinftttl
biefcr ttrf«<|eii; Sortiptrleti berfeCNn auf anberen Ott
ftWetiMen Mieten.
IL SDte eoolutioniftifcle ®t^i! 390-402
(St^ifd^e älnfc^auungen ber erfien ^ötfte beS 19. ^a^x*
^unbertS. iBebeuhing ber Mwitflungdle^re für ba$ et^ifd^e
S)enfeii. <Snin)itf(un0 einer aunäc^ft inbioibtta^pf^c^ologifc^
begrflnbeien (Et$il. 3utreten be9 foatarpf^c^ifd^en itnb bei
eootutiontfltifd^en (Slementei; bie ^l^tf 9Bi(§erm SBunbtd.
HL a)ic et^if ber fxttlit^cn Sßiebcrgeburt 408—42^
1. 3)ie 3?ertrcter be5 StcgcnerationäjjebanfcnS bi§ auf
SfJie^fc^e: Siibiriti, Hebbel, ©u^foro, Sßntiner, ». Btein.
Serrcnnbte eiu^Iifdje unb ffanbinaoifc^e SlrÖmunnen, Garf^lc
unb 9iuä!in, 3b[en. — 2. ^riebridi 5^icMc^e, ber ©t^nft«
ftcller unb Siebter, ber 2)enfer unb 9}^en[c^, ber ^rop^et. —
8. 2lffgemetne 9?ei£jungen ju fittticOer ©ieberqeburt unb
rctigiöfc 6timmungen ber neunjiger Sa^re. breite fojial«
pfpc^ifc^e ©runbfagen erneuten fittlic^en 5ntereffe§: 3ieaftion
gegen bcn 3nleneftuQrismu§, .^ulturfampf, [ojiale ^yrage,
Sluffommen beö üinftferifd^en ^eitaltcrä. Söenbung um 1890.
^te neueften et^tfc^en unb religiöfen Siic^tungen.
IV. aitetap§9fU 425-499
Statur unb 0etfl oU $ole be$ metap^t^flfc^ 2)enYeni.
äRoniftifc^e Strömungen unter bem (Einfluß ber allgemeinen
(fntn)ic!(ung M ©eetenrebend feit bem 16. ^o^^^unbert:
^anpf^c^iSmuä, intelleftuariftifc^er STOoniämuJ, 2lnfänge
»oluntariftifc^er 2}?etapl^t)ftF, Schopenhauer, SBunbt. 5)?oberne
Serfuc^e metopl^^ftfcher ^unbamentterung unterhalb bei
SBiUcn«: i^^^ntv, c. fjelbcgg. 3Köglich!eit cineä tnobernen
^ua(t6mug; Sßieberaufteaen ber c^rifUic^en (fot^oUfc^en)
fi^ilofopl^ie.
V. «rfenntnii unb Sßtf jenf($aft 440-463
1. ^f^c^ologie unb (Slrfenntniitl^eorie. (Sntwicnung unb
' aOgenteine Sage ber ^f^c^ologie: bie ^f^c^ologie ber jroeiten
4>ftlfte bei 18. I^a^r^unberti, Jtonti, ber Sbentiifttdphitofophen
unb (erborü; neuere ent|rfnf(|e f f9(|o(o0ic^ bie $^9fioIogen,
3fe($ner# 'Sbinbt unb feine ^uU; (Sftrung In ber (Segen«
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3nl)alt.
XXI
ecHt
mart. ©ntrotcflung ber ©rfenntniStl^eorte: ber alte unb ber
erneute Äant, Xenbcnj bcr neueren erfcuntniöt^coric oon
üant ^inrocg ju reinerem ^:|3I)änomena(i§mui8; heutige Sage.
S^erpttniö ber ^fijc^ologie iiub (Srfenutniöt^eoric ju ber
n)ifjenf(^aftlic^en (Jntioicfhmg ber ©egenroart. — 2. 2)ic
"SBiffen^c^aft. Slügemeine Sage ber 5?atunoiffenfcf)aften:
9JcooitaliQiuuö unb ©nergiele^re. 2)ie ©eifteöiüiffenfc^aften:
9)iet^obeunb Üernbiöjiplin berfelben; bie @e[c^ic^tän}iffen)c^aft
M Äernbiääipliu; Gntiüicfhmg ber ©cfc^ic^tärciffenfd^aft:
ber ©taat alö .eigentliches" 2lrbeit§gebict, bcr ^arabic[e3«
i^ebanfe in [einen letzten 9tuöläufern, bie ^beente^rc — feine
entroicflungogeid^ic^tUclje l^nfc^auung. ©ärungdjuftanb ber
©egenroart.
^ie 9lei3fam!eit ald gemeinfame Ontnblage ber ^^antafte«
t§ätig!eit roie ber SQBeltanfc^auung unb ber SDifjenfc^aft: —
beS mobernen @ee(en(ebenä überhaupt. (SntroidlungSgefc^icht'
lic^e @tettung ber ^iobe ber SReisfamleit« ^u|eve ^|ntt<^«
feit, innere Serfc^ieben^eit im ^erfjöltnis au ben ituüur«
momenten bev Urzeit äJerfaU? SuentueUe SÖfung beben!«
Ii((er ^robfeme ber geiftigen ituUuv (StegeniMVt auf
Umf(^ou
464-471
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Confunft.
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<E« befleißt für ben Äiitibigen fdn giodfel tnel^r hatühtr,
ba(3 Tüir feit bem Ärie^e von 1870 — 71 n\ä)t blo^ in ein neueö
politifd&e^ fieben, fonbern aud) in bie 3dt einer neuen ilultur
eingetreten finb. Slnjeid^en, bie einen Döllen Übergang )um
bleuen anffinben, Rauften fld^ beutlid^ feit ben ad^t^iget S^^^ren;
Spuren bed 9leuen fül^ren bid in bie vierziger So^re bed 19. ^afyc»
bunbert« juri'nf.
Sßon biefem Dienen foQ im folgenben bie 9^iebe fein.
^abei loirb fid^ benn immer unb immer roieber ergeben,
bog baS neue feelifd^e fiebcn 5unäd)ft unb oor ollem in Jort»
fii^ritten ber ^unß, ber S^onfunfk, bec bilbenben ^unfl, ber
S)id^tung 5um SluiSbrutf gelangt, ^ud^ bieiSmat, wie too^t immer
ober wie meiü^ften^ ber 9iegel nad^, rourbe eine neue Stufe
tieffter unb Reifet feelifdjcr ©ntroirffung mit einer äl^anb*
(ung beö äft(;etifd&en 3)Jenfd)en begonnen: fo roa\)x ift t^, ba^
^f)antofie unb bofe Begeiferung bie lebenbigften aller cioilifato»
rif^en triebe finb ^ gm ^ünfttertum, im stampfe gegen Statur«
n)if[enfd;att unb geleierten ^iftoriiSmud fi^gte bie neue ItuHur.
^ bemetle fogleic^ an tttfev eteOe, ba| fic( bie pfvi^ologifc^e
Sennhiolbdie meiner ^arftellung feinem ber verfiretteteren pf9d^o(ogtfc^en
69fteme onfd^lieBt. @ine ^ßf^d^ologie, bie für bie ®ef(^id)t^rciffenf(^aften
CtlDtt eine ä^nltc^e 9IoIIe rote bie SRe^miH in ben 9Iaturn)tffenfc^aften über«
nehmen fönnte, ift noc^ nid^t mit genug entroicfelt; iubultioe {^orfcbungcn
föniun ba^er einftroeilcn nur mit ber populären ^f^c^olonie operieren —
ober, richtiger gefagt, nuv bad pfpc^ologifd^e 2>en!en an fic^ in ben Sorber»
gntnb fteUen unb bantm an ber ^anb berjenigeti pfi^c^ologifc^en Begriffe
oorroärtö bringen, bie fi(^ im Verlaufe i^rer eigenen 2)urd^bilbung ein-
ftellen. ^ür 5?e(iriffe ber Ic^teren 3lrt ift in biefem fbu^t natürlich
au(^ eine befiimmte älerminoHogie eingehalten.
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4
Unb nod^ l^eute ifl, nmi^ wir von il^r Beft^en, toefenttid^
fünftteri) d^eu ß^^araftcr«; rote benn nod& ^cutc Sßielcn ba§ fünfl*
lerifc^e ^heal ba^ ^ödöfte menfd^Hd^e 3beQ( fd^ledjt^in bebeutet.
äBo^l l^aben roir fd^on Slnfänge einer neuen Sittenlehre unb
c^an^ oSgemein einet neuen äBeltanfd^auung, rool^I oeteinigt ftd^
fiätlfie ii»{ffenf$aftli<i^e ^atfcof t unb ^l^igfeit, eine neue, bem
fontntenben Scitolter angemeffene ©eetenle^re ju begrünben: attein
biefe roiffenfd&aftlid^en SSerfud^e fielen einftroeiten nod) nidjt
unter bem Stichen beg oollenbeten ©rfofgeö, gefd;n)cigc benn
bal fid^ auf i^ren ©rgebniffen bereit« flar unuieroaiiberte
@in^liDiffenfd^aften erhöben, — unb n>od bie Sittenlehre eined
atie^fd^e unb bie aRetaf>|9ltI eined ^e^net betrifft: jlnb He
id^t trfelmel^r ©rgebniffe bid^tcrifd^er Eingebung unb pb^ntafie*
Dofler 58ermutung, als unujnftötjlid;e ©rgangungen eine« fcften,
roemi oud^ rtod& in fid) Uidfenbaften miffeufd^aftlid^en Slufbou^?
^0 ift benn biefe neue Äultur eiiiftroeilen nod^ fünftlerifdj
bur<i^ unb burd^, fo rote e& bie £ultur ber äJlinnefänger etwa
war unb bie fiultur ht& ftlafitsüsmud; unb gonj oerflanben
werben fann fte bal^er nur bei centraler Setra^tung i^rer
!üiift(erifd^en ©rgeugniffe.
Sluf bicfent Soben aber wirb ba«, roa« roir S)eutfd^en
fpe^iell aufjuroeifcn Ijaben — benn bie neue Äulturcntwidtung
ifi ein Gemeingut ber europäifd^en äSöiferfamiÜe, — ^eitticb
begrenzt burd^ 5Contunfi einerfeitiS unb Sittenlel^re unb 9Be(t«
anfd^auung onbrerfeitd; eine neue ^onfunfl ifl frübefte,
eine neue, jefet nodö bid)terifd;c i)]l)ilü)op^ie ift ba« biöl;er
jpätefte Slxnh biefer ©nttincflung.
^onfunft unb ^ßbi^^i^Pb^^ ~~ * fii^ augleid^ bie roeit«
ragenben ^{ie am 8aum ber neuen Kultur, an benen ber ^niu8
unfered SSolCeS ine^r aü ber irgenb einei^ anberen üppige unb
reife grüd^te getragen bat. Sd^on im geitalter be8 Älafrijt«*
mu^ waren roir auf biefeii ©cbictcii fd;[ed;tl}in füljrenb: roa«
baben (Sng(anb, Jyranfreid; unb Italien ben ^tinbel unb ^ad;,
ben 3JJo5art unb §apbn unb Seetbouen, roag ben J&erber unb
jlant unb ben gid^ite unb 6d^etting unb £egel an bie Seite |u
ßelKen? Unb auf biefen Gebieten ffll^ren wir aud^ Jett. V&a»
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donfuiift. 5
iDtd ettDQ, um bie iBergleid^e bem tünfilerifd^ften ber kbenbett
eutop&ifd^en ^ötfer )tt etitnel^men, Si^et befagett gegenfiBer
SBogner, unb SavrM gegenfiber Kiefefd^e? {Her tu|en bie
flatfen ftrAfte unfeced SoTfed: in ber ^a^t ber empftnbungiS«
mäßigen wie ber fpefutatioen ©inbilbung roerben wir au6) ^)mt^
mä) üon niemanb übertroffen, unb mit nid^ten f)at ein bei
oDer @rö^e fo geringfügige^ @mgnid, tote t& ber ilrieg von
1870—71 gegenüber bem ©anjen einer fd^on brittel^alb Sal^r*
taufenb umfoffenben SoSdentmidtluttg vm, unfere tieffle Ser»
anlogung bauemb oerfinbert.
60 ift'jJ red^t, rcenn ber SSerfud^ eines fulturgc)c[;td)tüd)en
SSerftänbniffeö unferer jüngften ^ßergan^enl^eit — unb bamit
jugteid^ unferer unmittelbarften ©egenroart — mit ber ($r-
Sä^Iung unb (Srdrterung ber gro|en (^eigniffe ber Slonfunfl
beginnt unb mit ber Vorlegung ber jüngflen ^ortfd^ritte ber
SBeftanf d^QUung fd^liefet. S^a^raifd^en ober fei bonn, breiter
unb bel^oglid^er, meil unüerftänblid^ ol^ne genaue 5?enntnig ber
analogen ©ntmidPIung ber gleid^ftrebenben 3^2oc^ban)ölfer, bie
^ntioidtlungggefd^id^te unferer mobemen bilbenben ^unft unb
ber S)iclfttung gelagert.
^eilid^: »enn fo in ber 3)arfle(Iung wie au^ d^ronoIogifdS»
unb bem C^orofter il^rer inl^oltUd^en ^ollenbung nod^ bie
^onfunft an bie ©pi^e rürft unb rüden mu^: fo ftel)t ber
3lutor biefem Tlui nid^t ol)ne S3angen gegenüber, ^enn erftenS:
er i{l gerabe auf biefem Gebiete om n)enigften fad()männifd^ er«
fol^ren, am meiften oon frembem Urteil ab^öngig. Unb ^n^eitend:
bie SarileOung ber Sntmidlung ber mobemen ^|il l^at ftd^
tief ins Sl^ed^nifd^e l^inein ju erftredfcn, wenn fte boS SBefen
ber 2)inge treffen foll: wirb aber l^ier jeber Sefer folgen rcotten?
S)od^ eS ^ilft nid^tS: nid^t baS 3Botjlbef)agen be§ :2eferS,
bie <Ba^e melmel^r ^at ju entfd^eiben; unb wa^ ben ^tor
betrifft, fo mu^ er ftd^ fc^UegUd^ befd^eiben ber Hoffnung ge*
trdften, bog oieUei^t au<i^ auf biefem l^eiHen ^elbe Üt^ne il^n
nid^t gittern lojfen mirb. —
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L
92i(i^atb äBagner, bet 1813 geboren ift, ^at einige 3^t
not unb nod^ etwas I&nget nac( 1850 ben gtöbten Umf^ioung
feines inneren Sebend erfahren ; ift bcjcid&nenb, bofe er trni biefe
3cit nal)e5ii üier Qafire bid^terifd^^muftfalifd; unfruchtbar gciDefen
ift. lUber unmittelbar uor unb nadi biefcr niatjorcn ^tit liegen
bie fetten 3a^>re feiner jioei grofeen ^4>erioöen, ber Venoben, ba
er ein ^teigiger roat nnb „Siien^i"^ ben „gftiegenben ^ottänber'%
„^ann^ufer" unb ,.So^engrin" fd^ttf^ unb ba et ein Siertiger
geworben war unb in emft()ftem l^pfangen ben ®runb (egte
5U ben Dier großen SBerfeii feiner fpäteren ^ext unb ber oollflen
9ieife: ben „^JJieifterfiuf^crn", bem „Üiibelungeuring", „2)riftan
unb Sfolbe" unb „^^Jarfifal".
,,9iien)i" ifl oon SS^agner felbft no<j^ ald eine ©efelten»
fiüd angefe^en worben. S^ox ifl ber Sleifier tjüia fd^on
bariiber l^nauS, wie in feinen Suqenbftücfen, ben „^Jceen* unb
bcm ("ilücflid^enüeife üergeffciieii .,Siebe^5t)erbot", ber ^J?ad)eiferunq
frcinber ü)tufi! aud) im einzelnen ju ucrfaUen. Xro^bem lietjeu
nocb unoerfennbare ^ilnrcgungen au^ ber focjenannten großen
^eroifd^en Dper ber ^taiiener unb ber {^ranjofen unb namentlid^
non @pontini l^er vor, Slnregungen^ bie ben allgemeinen S^arafter
beS SBerleS nod^ fo roefentlicb beftimnten, ha% nton eS wol^(
ßcrabeju a(8 (efete grofee ^rfc^einung ber romani) d^en ^elDeu==
oper begeidjuet ^at.
äßie gan^ auberiS ift ba fd^on ber „gliegenbe ^ollänber"
ooQeS Eigentum ber perf önU<|en Silbiraft äBagnerdI Site ber
ftünfKer nad^ wirren SBanberja^ren im ftapelmeifierbienfi in
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(EonFunft.
7
ben (dttif^en Sanben^ in 9{iga, geftrattbet mt unb ooti bott
au§> bie SluffiUjrung feinet „^^ierx^i" in ^^axi^ erfe{)nte, an ber
©teile, bie x\)m hamaU a(5 erfte iinb lüürbigfte erfd&ien, —
unb als iljin auf ber iSeereife ßonbon in ©türm
unb äBogenptall bie g^oefie beS norbifd^en ^leeres aufging: ba
tau^te^ voo^l aud^ im 9![nfd^lu6 an bie Seftüie ber mad^tigen
iCReetedbitbet ig^ntid^ feines, bed erflen ©eebtd^tetd ber
mobernen europäifdjcn ^ölfer, oor feiner regen (5inbilbung
bie ©efpenfterßeftalt be^ ufertofen ©eefaJjrer^ auf unb lie6
i^m nid&t 3iul^e, beoor fie nid;t bid^tecifd^ umfaßt, lieb
gewonnen, (emöltigt toar. ©o ift bet „g^iegenbe ^oQänber"
SSagneri^ erße voixtii^ gan) erlebte Oper; borum ifl i^r ^e]^
fein Dpemlibretto im alten @tnne mel^r, fonbem, tro^ no<6
beibeljaltener alter ©cenenorbnung, eine ^id^tung: ein ^^öerf,
ba§ von einljeitlicfier Stimmung getragen unb burdöl;aud)t ift.
Unb batum ift aud^ fd)on bie ^lufif, tro^ teilmeis fefige^altener
frül^erer formen, nidj^t me^r eine atte, in ber ftd^ bie muftfa«
lif($en ßmpftnbungen in rudweifen, unter ftd^ fo gut toie mu
oerbunbenen ^güffen auf einjetne ^erfdmmli(i^e arci^iteltonifd^e
?^ormen, auf 5Irien unb S)uette, auf 3lnfang§* unb ©d;luB«
d^örc unb bergleid^en uerteilen: — neu ift fie öielmeljr, menigften^
bereits ber ^bfic^t nacl), in ber Xenben^, ben ganzen Verlauf ber
^anbtung mit einem mufifalifd^ jufammenl^ängenben f^mpl^o*
nifd^en (Setoebe ju begleiten, ja il^n in ein fold^eS Gewebe
aufjulöfen: ouiS ber Sattabe ber <Senta im »weiten $Sitt ent«
fproffen nadj 'ilnigner^ eigener 5lngQbc bie tl^ematifdjen ^eime
gur ganjen ^hifif ber Dper. 3Iber freitid;: tüar bic 3lbfid)t
fd^on erreid^t, baS ganje äBert nuifi!alif<^ ^u einer einzigen
großzügigen ©t^mpl^onie gu geflalten? SBagner l^at aud^ l^ier
ben Slbftanb swifd^en äBoUen unb Vollbringen felbfi beutlid^
bejeid^net: er fal; fpäter im „gliegenben ^ottänber" nur
nod^ ein Übergangeraerf ; er fanb nun alle§ nur „in meiteften,
oageften Umriffen gejeid^net", unb iljm erfd)ien „üiele^5 noc^
unentfd^ieben, baS (äefiige ber ©ituationen meift nod^ oer«
fdjwimmenb".
2)ie 9)leifitem»erfe ber erfien ^eriobe {tnb „S^ann^aufer" unb
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8
Confunj}.
„Soj^engrin". „Xonnllftitfet'' iii im Bfrfil^jol^r 1845 oollenbet
TOorben, im §erbft bicfeg ^ol^reg fanb bie erfl« Slufffll)rim9 ftatt.
„fiol^cngrin" rourbe im (Sommer 1847 fertig; SBagner (;at boä
SBerf perföntidf) erft 1861 in SBien oufgefülirt gefetien. S3eibe
©d^öpfungen näl)eTten fid^ aufS engfle bem Qbeale beS ^^Jinftf*
bramad, bad SBagnev bamald in feinei; ©eeU trug. Snnigfle SSer«
fitfiiifung bid^terifd^en unb imiflfalifd^ SrnpfängniffeiS, feinfle
9Ibfd^Qtttcruttg menfd^ittc^er ©mpftnbungctt, namcntlid^ tiod^ bcr
binifleren, iinbefannteren, neroöfen, junäd^f^ nur mufifaÜfd^
Teilbaren ©eite ^in burd^ 2lnroenbung ber 3J^ittel einer big
ba^in uncr^iörten J^in^ieit mufifalif^er S^ünncierung, 2luiS*
be^nuttg bed Xtemd bet S)id^hing, i^tet IBntft gleid^fam unb
il^ter Sunge ungeal^nter ^üe ber ©efü^te butd^ engfled
3ufammenfd^mieben bid^tcrifd^en unb mufifaUfd^en 3lui8brudP8:
bag wax eS, rooS ber Tltx^ev beabfid^tigte. Hnb er erreid^te
eS. 'än§> ber Sefd^äftigung mit bem ©anjen be§ Stoffel von
aUbalb fomobt bid^terifd^er mie muftfalifd^er Slbfid^t ^er, aud bem
organifd^en äBad^fen bet einzelnen ©cenen untet biefer boppelten
©d^affendiDeife erl^ob {!d^ in ber ^^antafie SBagnetd ein @e«
famtbilb, ba^ ol^ne roeitercS bie t^cmatifd^cn ©tral^len ber ©e-
famtmufif wie ben eigenartigen SHI^ijt^mug ber ^Did&tung bar»
bot: unb roie qu^ bem SR^^t^mu^ bie teyttid^e %om, fo rourbe
oud ben ^^lemen, bie fid^ ju ßeitmotioen üerbi(^teten, baiS un»
unterbtod^ene ®e»ebe einet fpip^onifd^en äRuft! gefd^ffen.
S)iefe f^mpl^onifd^e BRuft! aber, wdüt aU bie ar(^itettO'
nifd^onufifalifd^en ©injelbauten ber alten Dper, bie ^^itornelle,
^aoQtinen, Xergette, über ben Raufen warf, gab nun jugleid^
ben ©toffen il^re erl^abene ©intjeitlid^feit unb i^ren gemein»
menfd^lid^cn 3«9- ^««n ber Xejt — unb bamit ber ^n^aU —
toor aud^ im einzelnen mit burd^ bie äfhiftf befümmt; bie
SRufi! aber ifl nur ber SBiebergabe menfd^Iid^er @emetngefä^te,
biefer freilid^ aud^ in pd^ptem @rabe fällig. @in unenblic^cr
©eroinn für bie iifafRjität eine^ SBerfeg, — tdcuu anberS mir
S)id&tunggin(;aUe frafpfd^ nennen, beren ß^arafter 3üge auf«
weift, bie ju allen Seiten unb fierjen fprcd^en. 3öo aber
bieten Rd^ fotd^e gnl^aUe bar? Saffen fit fid^ oom @in|e(nen
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9
)d)k^tl)\n crfinben? Bd)mtx[\6): beim bcr ©injclnc ifl Äinb
einer bcftimmten Seit unb Slbfömmling eine^ beftimniten Crte^.
SÖQ^r^aft ffaffifd^c 8totfe finb ba^er nur fold^e, bie oon bcn
UrDötem unb fvd^efiten ^^nen l^erau^ebtod^t fxnh unb im
§rbgan0 von einem @eifie bev 9um miberen gleid^fam
abgefd^Iiffen ftnb imb eingebüßt l^aben, xoa% m i^en an»
ftöfeig unb cdfig toar im ©inne einer oorüberge^enben ^lobe
unb eines befonberen 3)iomenteg. ^orum [offen fid^ allgemein
menfd^Iid^e Qn^alte nur in große ^rabitionen bannen, banim
bad 9ried^if(^e ^rama ßoffUc^ ein ^mna ber Überlieferung^
bdtum vmtben in bet SRaletei ber mobemen Sdlfer bie l^dd^flen
menfd^tid^en ©efül^Ie in ber Don ®cfd^Ied&t ju ©efd^led^t fort»
jc^reitenben 2)arftellung ber d^rifilic^en ^eilSoorgänge unb ber
3}iabonnenbilber feftge^alten, bonim F)Qt ©oet^e, als er Unoer=
gängltd^eS gab, jur <Sage oom gaufl gegriffen. Unb auc^ 2)ante^
„mtüixiz Aomöbie" ^ i^re Vorläufer surüd oom 14. bid gum
9. 3al|t^unbert itonnte barum tM SRufifbrmna unb moOte ei^
floffltd^ nid^td geben o(t baiS Semeinmenf^ßd^e ber ©efü^Ie, fo
roar eS auf S^^^alte uralter ©rjeugung angeroiefen; unb \o Übte
in if)m bie mittelalterlid;e ©agenroelt ouf von „^annl)äufer" bis
j^^arfifal", unb barüber l)inauS no^ ber urgemianifc^e SJl^t^oä»
äUan fielet in biefem ^ufammen^mtg, mi^t& ^iM^t man
|at, oom Snl^alt bed SBagnerfcben 9Ru|llbrmnad miiSge^enl^
oon romantifd^er Cper ju fprecben.
Snbem aber in „^^ann{)äufer" unb „^oljcngrin" jum erften
3WaIe alte ©agenftoffe unter bem reinigenben ^aud^e unb oer-
einfad&enben (Sinflufie ber 3Kufif auf it)rcn rein menfd^lid^cn
&efyiit gebracht, unb inbem biefer Qk^it burd^ fi^mpb^^nifd^e
unb bid^terifd^e Serarbeitung bem Slal^men eineiS einbeit'
(id^en ^erfed ber muftfd^en unb rebenben 5lünfie einoerleibt
warb, begann bie ©eele beS neuen llunftraerfeS atmen,
©eroiß: nod^ nic^t ganj rein. Tioä) geftört oon allerlei Er-
innerungen an bie alte Oper, ^ie ardfjiteftonifc^e ©trubur
bet 9)2uft{ mar nod^ nid^t gana unterbracht. S)ie ©cenen maren
no$ ni^t ole auf rein feelifd^en Sebalt gebrad^t 6enfationeDe
Sorgönge fUrten nod^; aU Siejle ber grojsen Oper fieUten fid^
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10 fUmhmft,
pompbafte ^lufjflcjc ein; in her $adfer Searftettung bcg „Xann*
t)äii)cr lüurbe c\av baö ä^ni^l^öiibnie einer 3Irt von 53Q(let
mad]t. 5lbcr bennocö: bie ^orin boid „Äunftiuerfcc^ bei* ^li^mift"
toor n)enic;ftend ber ^bt'ic^t, hm pd^ften SBunfc^e bed ^eifterd
nad^ gefunben.
!ßod^ bem »So^itgrin" l^at äßagner ktige 3^it in taflenbeii
1Berfuc{)en Toeiterem Slufftieg jugcbrad;!; ein ^ortbronto,
broi XonDrauieu tuiirbeii bcc^onnen. ©dbliefelid) mad)te fic§ ba^
^ebürfniio md) IHbflärunn in fd&riftfteücrijdjem SÖirfen Suft;
1849 erfd;ien „'Die .Hunft unb bie 9iet)o(ution\ 1850 „^a§ Äunft*
loerl ber Bu^nf t", „^unft unb 5lUma 1851 „Oper unb S)rania'',
„&m 9Ritteilung an meine ^teunbe". S)ann folgten, in ge«
•ringen, fajl nur bid^terifd^en 2(nfängen über bie fünfjiger Qa^rc
rücfroart^ reid;enb, im ganzen in ber groeiten öälfte ber fünfjtger
3a()re empfanden unb in fe[jr iüid;tiöen teilen nieljrfad) aud)
erft in ber iDiufee be§ ^roeiten längeren <Sd)n)ei3er Slufent^altö
(ca. 1865—1872) audgefül^rt, bie nier großen äBerfe ber ^weiten,
ber reifen $eriobe SBagneriS. fBcA fte lunäd^fl in i^rer ad*
gemeinen ?yomt — nid)t fd)on in i^rer fpejipfd^ mufifalifd^en
Stcdjnif — üon ben Sd;öpfiingen ber üorl)ergc(}enben ^eriobe
fd;cibet, ba^5 ift baö entfd)iebcne 2lbbred&en aller 53rüden jur
•alten Oper unb ber raftlofe 3"9 Sfieinmcntdjlitfjen unb
baburd^ 9ur abfoluten SBerinneriid^ung unb ^ereinfad^ung ber
.^anbtung. ^araud ergiebt {td^ bann ol^ne loeitereiS eine ftrüt
f9nipf)onifdöe 5orm, bie mit bem ©anjen ber ßanblunc^ oer=
fnüpft roirb, inbcm ihre ^^Ijenicn unb ©egentl)emcii bcn cSjaupt^
monientcn biejer entnonunen luerben. ^Der inneren ^eife t)or
aQem toie aud^ jum Xeil ber ©ntftel^ung nad^ (äffen fid^ ba
nad^einanber gruppieren „^ieifterfinger", „^libelungenring",
„Sriftan unb Sfolbe" unb „^arRfat".
S)ic „3}2eifterfinger von 9iürnberg" uer^alten fid& gu ben
anberen (Sd^öpfnngen biefer graeiten ^^eriobe äljnlid; wie ber
„SRienji" gum ,,5^'licgenben §olIänber", „Xannl)äu|er" unb
,,Sol^engrin". 5)a5 neue Sbeal )d)immert burdj, ift aber nod^ nid^t
erreid^t. ^ie urfprüngUd^e älbfld^t bei ben „a^^eifterfingem" mar,
einen befUmmten gefd^id^tlid^n 3ufl<^n^ l^umoriilifd^ a^t itoni*
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Coitfnn^
11
fleren. 3)ag erforberte natürlich bie SBorfüJining ron mim
<Sin3ell;eiten, üenoitfctte a(fo bie gäbet. 311^ bann SBacjner
fpäter, in ber jroeiten gaifunji be§ ^eyteS oom 3a&re 1861,
feine Meinung onberte unb eine ernftere ^erinnerlid^ttng bet
j^anblung anffcrebte, war biefe ho^ nid^t mel^r goni etteict^bar.
<Sm\% ben Stttdfül^runoen eifriger SS^agnerfreunbe Mtbet
bie unglürftid^e Siebe ^am Sad^fen^ ju ©od^en ben 11?ittel=
punft be§ 2Bcrfe§, — jene Siebe, bie fid; im 33erfd)meinen
tiefftcr ©mpfinbnng ändert, ai& in äBalter Stol^ing ber rechte
l^reter getonraien ift, ja bie fogar in männtid^er 9%efignation biefem
freier |um erfel^nten oerl^ilft Sldein Sl^atfad^e bleibt ba^
biefer^em bodj nid^t fiiinftinig genug herausgearbeitet ift, bafeer
ücrbecft wirb üon taufenb Sufeerlidjfeiten einer hnnUn ^anb-
tung. Unb biefe 5trt be§ 9hifbauc§ ber ^ahd fpiegett ficft bod^
bei aller nuififalifd^en ^in^eit ein wenig in bem blüljenben
ilötper ber 3f2u(t! wieber, fo wunberbar aud^ bod ä^orfpiet bie
}u ^(emen getoorbenen ®efü|Ie M @atisen burd^einonber*
loebeit mag.
©ercife Ijaben roir bemgegenüber im „9HbeIungenring"
umnd^en gortfdjritt^ 2Iuö fidiereiii j!unfttrieb ^at fid^ Ijier
SS^agner fd^on in bem früJjeften @ntiinirf („©iegfrieb" oon 1848)
bem norbifd^en ^yt^u», nid^t ber weit iüngeren beutf d^en ©agen«
form ^ttgetoanbt: bentt viel flärfer pulßeten in biefem jene gene«
rifdjen, jene ®emeingefüJ)Ie, auf beren SBiebergabe bie^ufif l^tn*
brängt. ^aö 2o§> 2BotanS, be§ ©otteS, ber ba ()errfd;en unb bod^
gngleid^ nuc^ lieben und, be§ Öotte^, ber in fd^roerem J^ampf
5U ber (Sinfid)t gelonc^en muß, baß ^errjdjaft Siebe au^fdjließt,
unb ber an biefer (^infid^t mit bem (ä^efd^led^t feiner (§(eno{fen
)tt ®runbe ge^ Witt §ier ben eigentlid^en ^ittelpunft, um
ben bie muflfalifd^en unb bid^terifd^en ©efü^Ie {reifen,
aber auä) bier nod^ nid^t gelang, bag rcar eine ganj furje
3urüdfül)rung be^ n}eitfd)idjtigen 3}itjtl^ug auf biefen ^ern. (^^$
blieb eine Unfumme oou ^anblung; ber ©eift ältefter genna=
nifd^er Sagenform, ber nur auf ^anblung gel^t, nur burd^ ^anb»
^ «Jl^eingolb" unb „aßalfürc* 1851—56, ,©iegfrieb" (eifte ^älfte)
1857 ieenbct; »©ötterbämmerunö" 1869—74.
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CConfunfi.
Imc^ d^avolteriflett nut burd^ ^onblimg Iie6t imb nettttiMt,
er lieg ftdft nid^t untcrbrüifen. (So be!)nte fi(5 bag ©anje jur
Xrilo(]ie quö, unb biefe ©d;nnerigfeit ift burd^ ben unerprten unb
üiclfad^ narfotifierenbcn, gelegentlid^ aber auä) jerftreuenbeii
&{ani bet SnflntntentQtton mit bie D^eid^tümec bed mufUaHfd^en
£9rtömu8 woil mhidt, td^t aber befeitigt
®m\%, bod 9ßo()ner[d^e ilunfiiDet! ber ixodim $eriobe
burftc ber Saqenftoffe mit tl^rer Läuterung jettlid^er SBorgänge
in0 ^einmcnfd)lid^e; aber bie3 SReinmenfd^lid^e mufete gubem in
einfad^er ipanblung, in roenigenoerinnerlid^tenSügen gegeben fein.
9Be(d^e 6toffe l^äUen ftd^ ha, in biefem SS^ettberoerb ganj be«
{Hmmter ^otberungen^ bem SReifter wol^I me^r gefftgt aU „^Crifian
unb Sfolbe"* unb ^^^arrtfal" — bie mittetaltettid^en $elben(ieber
ber n)eItUrf;en unb ber ©otteSminne ? ein S^^aU, bafe
beibe fcf)on in unferer großen niittelalterlid^en ^id^timg gc-
würbigt roorben finb, je von bem tieffinnigfien unb oon bem
flnnenfreubigflen ^id^ter ber Qtit bel^anbelt nierben?
„Srißan unb 3fo(be", 1854 em))fangen, fiettt fidft }U bem
„9Hbe(ungennng" fd^on auf ben erflen StidP baburd^ in @egen»
fa^, bafe ^erfonengol)! unb äufeere ^anblung auf^ benfbar
Ginfadjftc befdjränh finb. Qm '^orbergrunbe fte^en eigentlich
nur ^md l[)Qnbelnbe 6}eftalten^ bie gelben be^ ^itetö; alle
anberen $erfonen gel^dren bem ^weiten unb britten ißlane an.
Unb nur eine ^blung im engten Sinne bel^errfd^t boiS
©onje : bie Siebedtragdbie SfoIbeniS unb ^rifiand. Unb nod^
mel^r: über bie brei großen innerlid^en unb entfd^cibenbeu
3)Jomente, in benen biefe STragöbie lberüorbrirf)t, wirb bie @in^
Ijieit be^ ^anjen nod^ l^inau^gefül^rt unb vertieft, inbem im
@runbe nid^t einmal bie ^uptgefialten, fonbem bad ftd^ in
il^nen oerßrpembe, fie gan^ bel^ervfd^enbe eine ©efül^I, bie
Siebe, gum ^iapafon bei^ ©tüdPed gemad^t mirb. Son il^,
ber grau 3}linne, bie fo oft angerufen wirb, gel)t im eigcnt*
lidfiften äJerftanbe bie belebenbe SBärnte unb bie ununterbrodfien
ein^eitli^e SBirfung be^ StüdfeS au^; wie benn SSagner in
einem S3riefe an Sü^t beiennt, bag bie Se^nfud^t nad^ Siebe
unb bie 6el^nfud^t nad^ bem Xobe in ber eigenen 8rufi bie
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Conhtitft
13
SRotiüe feincg ©d^affen^ gctnefen feien. bamit jugleid)
eine rein fpmpfjonifd^e S)urd^fü^run9 ber ntufifalif^en ©eite
Qeroätjrleiftet raar, leudi)tet frül^eren SluÄfü Irrungen ein.
,,@el^nfucl^t, 6el^nfud^t, tmftiHbared, m\% neu {td^ gebdtenbed
Serlongen — @<!^nta4ten imb S)fltflen; einzige ^rlöfung: ^ob,
©terben, Untergel^en, SWdJtntel^rerroad^en" : fo \)at SBagner felbfl
fein ^riftanbrmna Segeid^net. Unb fönnten biefe ©mpfinbungen
nid^t ol^ne weitere^ Unterlagen einer blog mufifalifd^en fpmp^o«
nifd^en S)i(i^tung fein?
„^Parfifal", ba^ lefete gro&e 2Berf, mit bem fid; ber 3)Jcifter
feit 1857, feit feinem oierunboiergigften Seben^jal^re trug, über*
f freitet nod^ bie @tufe ber in „iCrifian unb Sfolbe" gefunbenen
Sdfung. S)enn l^ier ift ber obiettitw 92ittelpun!t, bie centrale
©onnc bc« (StürfeS glcid^forn nid^t bloß ein nod& fo einbringe
üd^eS @efül;l: ift melme()r ein finnIid^'f9"i^o^U<iK^^ ®^ement
von erl^obener 3)kieftät: ber @ral; unb bie an fein 2Befen an*
fnüpf enben ntannigfod^en Stimmungen ber 9lein^eit, bed frommen
©i^l^ingebend, ber unnal^baren ^ol^it^ bed gottgefanbten
SBunberd erge&en bai$ ®runbgen>e6e ber f^mpl^onifd^en 2)id^tung«
Sebenbig aber werben biefe Stimmungen, fonfret gewenbet treten
fie ^exvov in ber ©efd^id^te ^arfifal^, be^ roeltentrüdten reli*
giöfen @enie^, beS „reinen ^^oren". 3)er ©ral abelt bie
Seele bei^ !ü|nflürmenben, Iraftüberlj^obenen Jünglings burd;
Erregung beiS tiefften menfd^Iid^ unb lugleid^ überirbtfd^«
religiöfen ©efü^Id, he» mtim, mm> fd^mit^t feine Seele
um: ba^ ift ha§> ©el^eimnig ber gänjlid^ oereinfod^ten $anb*
tung, bie tu bie tiefften Sdöäd^tc reinen Seelenleben^ fü{)rt
unb von ha aud §um Sittlid^en, oom Sittlid^en }um ©öttlidiien
emporflrebt«
SBogner ^at, nad^ unenbtid^en 3J?ül)en feinet iieben^, im
Saläre 1882 nod) bie Sluffü^rung beg „gJarfifat" erlebt; 1883 ift
er geilorben. ^tte er no4 (Srdgered geben tonnen? (ünd ifl
fidler: ber SBunfd^ ifi il^m geworben, fein ihinfhoerl burd^
innere ^Säuterung bi$ in bie ^öl^en jener i^pßnbungdwelt
l^inaufju^eben, ber er immer bat bienen tooHen, beren neuer
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u
(Eonfunji.
Slufbmt |u l^öljerem 9Bett unb ©(on^ fein ganje^ $ei^ erfüllte,
ber religiöfen.
!Denn äBn^ner lüar im Diefflen eine relioiiöfe DMtur; unb
nur au^ feiner Sßettonfd^auung aU einem ©on^en ift ber roefent*
lid^e ^n\)alt feinet :Beben^ }u oerfleJien. (B^ ift baoon nod^ fpäter
3U fpred^en. @el^n mit aber auf fein aui}erU<i^ed SBerf, tote
loir ed foeben in flüd^tiger Umfc^au bnrd^ioanbert l^aben, fi>
fpringt fd&on jefet in bie Singen, bafe in groeiettci 9^ici^tung
über bie ^^ergongenljeit l)inaiic>i]iiu]: e§ beriilitc auf einer bi§
bat;in unerhört innigen ^ertnüpfung ber rebcnben unb mufifc^en
unb — ba e^ bem %{)eatex angehörte — aud^ ber nad^a^imenben
unb ber bilbenben RünfU: ed war ein ©efamtfunftwert; unb
weiter: ei^ entwidelte in ftd^ aud ber innigen S)ur(]^bringung
ber ilünfte, vor aflem ber rebenben unb ber mufifd^en, eine neue
mufifQlif(^e gorm, bie gorm ber fpmpl^onifd^'t^eatratifd&cn
^id^tung.
fiat eS bamit tieferen ©ntroicftungsrid^tungen Slu^brudt ge«
geben? ^it ber Beantwortung biefer grage fie^t unb fäUt bie^
gefd^id^tlid^e Bebeutung 9Bagnerd atö jtünfiler. SBir fud^en
bicfe 3^rage ^unäd^ft für bie muftfolifd^e ©eile, für bie fi)mp(;o==
nifd;e ^idjtinig gu beaiitmorten. ©od bo^ aber grünblid^ ge=
fd^eJjen, fo bürfen roxi nui^ einen fursen Überblid über bie
^ntwidtlung ber abenblönbifd^en, in^befonbere beutfd^en ^ufit
feit etwa einem ^a^rtaufenb nid^t 4[)erbriegen (äffen.
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n.
»ie f»u|a be3 frühen imb l)o[}m WxUelalttx^ ift, foroeit
fte nationale, unb baiS Reifet weltUd^e £unfl nmr, im (^ninbe
mir 9Ruft! ber menfd^Hd^en Stimme ^ewefen. StotürUd^ gab
e8 3nftrumente; ober fie rourben bod^ oorncl^mlid^ nur jur
Eingabe be§ 9^{)i)tf)mu0 bei Tanj unb .^ninpfcegang gcbraudjt;
im 3?ercin mit ber nicnjc^li^en Stimme bieuten fic weiter gur
2Ianfüttung be^ ©efange^, toirftcn olfo tote bie ro()e garben^
gebung innerhalb bed Umciffed unferet älteften SRalecei, gleiii^*
fom flauen« unb förperUIbenb. SBeitete Stmoenbtmgen fQnft«
Icrifd^er 3lrt oerbot fd&on bie UnooIIfommen()cit i^re« ^oneiS.
Slber felbft loeiin bie Stongebiinci reiner n^iücicn toäre, Ratten
bie 3"fti^umente bennod^ nic^t umfafieub benu^t toerbeii fönnen;
ba§u mangelte nod^ bad ©efülj^l für ^onfd^attierung unb %on*
bpnontil.
S)enn bad ifl oieUeid^t baS Oejeid^nenbfle ber Solalmuüt
be^ ©efangeS biefer ^ext, bog fie ßänslic^ entfernt no$ war
oon jeber 33efeelun9; man fang in ber 3i?eife ber beutii^en
Ürd^lid^ gebunbenen fiitonei ober t'o etioa, loie l)cnU Äiinber,
marf^ierenbe ©olbaten, fneipenbe Stubenten su fingen pflegen:
t>^ne ein ^erfönlid^ed mufifaiifd^er Stimmung, bem bloßen
p^t)ftfa(if(^en ^on folgenb — objeftio gleid^fam unb nid^td atö
Df)r, fo ba§ bo^ ^erj, ba§ ©emüt o^ne merfboreren 2Intei(
im 3hii?brucf blieb. Unb fo loenig mie eine ^pnamif oorlianben
loar, fannte man eine Sd&attiecung ber ilielüDie burc^ ^armoni*
[tentng: ber ^efang loar (^§elgefang, ^^onobie: man fang
monoton unb monobifd^.
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Sonfunft
Sluf bet feelif^en (Bcutiblage tiefet toeUlid^en ^Ru[xl er«
iDud^ Qud^ bie itivd^enntttfU. 9htr ba| l^iec bodü, (dm
^falmobicren unb fonft, uielfad^ ber Sün^etne allein fang unb
aiidö aflein fingenb empfunbcn tuarb. ^qS führte bann balb baju,
ba6 man bcr einfad^ften burd)i]e()cnben 3Jfonobie, bem Cantus
firmus, boc^ me^r pec{önlidj)e (Elemente einoerleibte unb nament-
Ud^ anhängte, inbem man }. S. bie iubitietenben Habenden bed
^Ma\a^ im fiberf^ioaS inbioibueOer ®efa(Ie in bie S&nge
50g unb fomit abänberte. 9luf biefc 9lrt entwidfelte ft(5 aujJ
bcm Cantus tirmus bie ebenfaUc^ nodi cinftinunige ©equenj, —
]el)x frü^, fc^on im 9. 3o^}r^i^»bert, \)at Siotfer filr biefe
mufüaUfd^e $orm berül^mte 2e£te gebid^tet
Unb }uv felben B^t etnm mag man oud^ (ereitd cM
bet SRonobie l^inauSgelangt fein. S6et |unfid^fl nid^t im
©efang, fonberu auf ber Drgel, bem rocitouiS am l^öd^flen ent»
raicfetten Qnftrument ber S^it, ba§ auf biefe unb auf nod^ üiel
fpätere S^^r^unberte in feiner oer^ältni^mäfeigen gülle unb
9ieinl^eit einen fapt magifd^en @inbrudt gemad^t ^aben mujs*
$iet (atte man nun |um Spiele beibe ^nbe jut SSetfägung :
nmn lonnte X5ne gegeneinanbet, 9lote gegen Ütote, punctum
«ontra punctum marfd^ieren (äffen unb fo gonje 3JJanöoer mit
Xönen au^fü^ren. (5ö ift bie (£-ntfic()ung ber poltjpljonen 9)iufif
unb be^ ^ontrapuufteö, wie fie an ben 9iamen be^ 3)?önd^eä
^ucbalb von 6t. älmanb (zweite ^Ifte bed 9. ^tt^rl^unbettd)
gefnüpft witb.
^et itonttapunit ifl in bet 9(uiS6i(bung, bie et feit bem
13. 3a^jrl)unbcrt ju ben funftooHften Spftemen crfulir — in ber
fontrapunftifdjen DJiufif be§ 16. Qaljrl^unbertg marjdjicien bi^^ ju
breifeig (Stimmen neben= unb gegeneinanber — , bie ooHenbetfte
^{ufüform bet mittelaltetlid^en 3^ita(ter geiftiger ©ebunben«
l^eit. 9)enn aud^ in ifim l^at nod^, wie in bet meUUdft-nationalen
jaiü]it, bet ^on ^unäd^ll hloi pl)i;fifalifd^en obet netoenteijenben,
bagegen feinen ftimmung^ooCien 2Bert, unb e§ I)anbelt fid^ in
i()m md)t fo fctjr um ben fein abgeroogenen mufifalifdjcn Slug--
brud menfd)lid^er (^efü^le, rok um Itlangefer^itien für Of)x unb
^etoenbal^nen. S)atum ift bie Harmonie ein BufaS in biefer
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^ufi!^ bie Sa^art ifi oiclme^r berart, ba6 . .t»ie einzelnen
@ttinmen voEflfiiUrig ^e%m* unb nebeneinanber Imfm,
unter imniec Hoteret Su^fd^eibung unb Semtinbening getoiffer
Wüftt&nQt (^Diffonan^en). So roor benn in bicfer 3^t 3Kufifcr,
wer ein feiner Sered^ner ber fontrapiinftifd)en XonberoeöuiuH'n
Toar unb gleid&fom öirtuofe S^änje oon Xönen jiifammenjulMen
oerftonb: unb bie miififci^e Stimmt wetteiferte fd^lie6li(^ in geifl» unb
feeUnlofer ^ün^tid^leit loenigfienft norftbergel^enb mit ben irnier»
vermanbten Ausgängen ber Gd^otafUI unb ber abfierbenben
Strd^iteftur gotifc^en ©titeS.
Slber fd^on wartete ber ßrbe. $)er Unif d^roung fani von
ber SSoIf^mujt! ^ev, unb aud^ biedmal nod^ wefentlid^ au^
bem ©efange. 2luf biefent ©ebiete juerft «nb tiel frü^ier
auf bem ^iemtifd^en seigte ^% ba^ bie geiftige @funblage
mittetalterlii^en geiunbenen Seelenlebens am Sufammenbred^
max: wie ftc^ benn ganj äl)nlid& bog beutfd^e 9^ed&t unter ben
SBerfd^iebungen beS roirtfd^aftlidfien unb focialeii ^lieben^ in neih
jeitlid^e 33er()ältniffe gegen Slu^gang bc^ 3)iittelolter§ unb im
16. unb 17. So^i^^unbert weit raf^er oerönbert ^^at, aU bod
fonmtifd^ 9U^t ber ilird^e.
S)ad aber, wa^ ffiec wc ftd^ ging, mar folgcnbed. (Sa
begann ftd^ gunäd^ji neben bem Jierfömmlid^en ^olfslieb in
feiner monobifd^en, bem 2^onau§brucf nod^ nod) üöllig ge^^
bunbenen gorm ein roeltlid^er Ä^unftgefang für eine (Stimme
}U enttoidteln. SBann bieS guerjl ber %a\l gemefen, wer rceij
9»? <S(emi0 aber ifi, ba| biefer ilunfigefang |ur 3^^^
9Hnnefanger oorl^nben mar. 9tun ffittt man vm l^ter sur 9e»
feelung ber gnbioibualftimme gelangen fönnen, folltc man
meinen, ^oä) mit nid^ten mar baö ber Jyatt; baju mar
bie allgemeine feelijd^e ©runbloge ber Station nod& längft nid^t
genügenb inbioibualilierung^fräftig : einer ber lel^irreid^fien öe*
loeife für bie augerorbentlid^e, für ben Sortfd^ritt bed ä^olfö«
kbenS fd^Ied^t^in aui^fd^taggebenbe Sebeutung ber oOgemetnen
pfpd^ifd^en $ßeränberungcn. 3Ba8 eintrat, war Dtetmel^r eine
(eifere SSertoanblung nod^ auf bem ^oben einer (jalb^ebunbenen
Äultur: ber ©efangäüortrng blieb nod^ ol)nc S)9namif, aber
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er würbe feelifcj^ abfrottiert baburd^, ba6 bie ^J^onobie erft
|Utn breiflimmtoen ©efang, fd^lteglid^ sunt Quartett erweitert
toorb. (&^ (itib bie großen ^gniffe bed 15. unb 16. gal^p
l^unbcrld; nun erfd^nt bie Stimme, von ber bie TMMt ge»
tragen wirb, a(« ^^enor, unb ju i^r fleflcn fid^ in gteid^em
^Jtf)i)tf)mu§ attma^Ucfe nid^it me[;r fontrapunftifd^, fonbern ^ar*
monifd; bie vox alta unb bie vox bassa ing 3ierl)ältni2^, ber
älU unb ber Sßai, benen bann im Duartett nod^ eine »eitere,
lumeift eine iweite OberfHmme |tir @eite tritt
(fö ifl ein Sargang von ber au^oibentti^flen Sebeutung.
S3i3 bal^fin l^tte jeber 3^on für fic^ ein eigene«, ober gleid^fam.
nur pl)9jl(a(ifd^eg ßeben gehabt unb junäcf)ft nur auf bie 9ieroen
geroirh. 3)anim war ber 9Iufbau ber 3Kufif im Äontrapunft
ein mat^ematif « ard&iteftonif d^er gerocfen : geroiffe Siegeln,
nid^t Stimmungdelemente, obieftioe ihmfi, nic^t d^finbungd»
brang waren maggebenb gemefen ffir Srftnbung unb
fc^mfidung ber 9RufiI. 3e|t trot ber etugelne ^on jeber 9)le(oMe
nid^t mit gcgengeftcllten ^önen ^uö^^ic^/ fonbern für fid^, aber
umgeben von einem ^armonifd^en ^Diantel anberer 2öne auf,
bereu 3ufammeufe^ung, bie innerl^lb gemifSer ^renjen
freier SBal^t fianb, baau befUmmt mar, i^n )u <i^Iterifteren,
i^n nid^t Moi ßangfd^dn mirfen au (äffen, fonbern i^ ^tim«
mung ju geben. €rft ie^t begann bamit hcA im l^ö^eren Sinne
8celifd^e ber 3)lufif nu erblül^en: bie 2^^ore eines neuen, beö
inbiüibualiftifc^en geitalterS ber 9)iufif ^inauS über bie ^ttume
bei^ mittelaUerlid^ gebunbenen StileiS öffneten ftd^.
^ie ^rrungenfd^aft gei^t nun atiSbatb auf ha^ @ebiet ber
Itunfimufi! Ober : bie ^erotif d^e äRufU verliert baburd^ menigflenS
ba, mo fid^ bie ®emeinbe an Jl^r beteiligt, im (S[)ora( ben
itontrapuiift unb muft bem l;armonif djeu ©nte Eintritt ge-
ftatten, worauf fid& benn ganj neue gormen ber 5lird)enmufif
(^iotette u. f. m.) enttuidteln; bie n)elt(id^e ^unftmufif entfaltet
entfpred^enb bem mel^riUmmigen ^olti^efang, nur lunfluoQer,
bad 9Rabrigal
9[ber nntr bomit fd^on bie ooffe Sefeehmg ber SRuftf ge«
roonneuV ^ie ^bfd^attierung ber ^mpftnbungen xoax erreid^t.
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Coitfttftj^.
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ind^t aber bie ganje uiib feffeUofe 3)9nami(. 2)iefe i)at erfl
bie ^meite ^älfte bei^ 16. ^^^t-^unbertd gebrad^t, unb anfangt oov
atlem tu Italien: bcnn feit bem Übergang ber großen olämifd^en
^ontanfiler na^ Statten unb feit gSalefltina l^tte btefed ßanb
auf lauge 3eit bie gffi^rung in bet europöifc^en Tln^\tQt\6)\ä)U an
iid) geriffen. Unb bie ^pnaniif mürbe — e^ muß unb fann
von nun ab nur in nod^ ftärfer gufammenfaffenben 3ügen er*
iäf)lt werben, aU hx^i^et — erreid^t ha, m bie ftärfften
<^pfinbungen mufitalifd^ au^gebni^t toerben mußten, int
Dramma per musica. SHefe etfie ^onn ber Dpec bebeutete
befonntlid^ nad^ bem (Smpftnben ber 3^itgeno[fen bie SBieber«
belebung beg antifen ^roma^, b. 1^. einer t^eatraüfd^en Äunft-
form {)oJ)er ilultur mit fet)r auegefproc^enen (£l;arafteren unb
&ibenf<i^ften. blieb benn nid^td übrig, alä bie monotone,
abynamifd^e 3)'{onobie ju uerlaffen. ®mii vm bad \^tx,
ober bod^ fe|en wir attmal^UcI^ ^ortfd^ritte gemad^t, unb n»ir
fönnen fie abfd^ätjen nad^ ben f^ortfd^ritten einer neuen Xei(«
ne^imerin ber ©efangeäfunft, ber Snftrumcntalmufif, bie erft jefet
entfd^eibenb in bie ©ntroicffung ber 3)lufif eingreift.
^ad 16. unb 17. 3<il^rl^unbert bcad^ten entfd^iebene ^er*
beffenmgen menigfiend für bie 6aiteninflrumente, tDöl^renb bie
Slodinflrumente nodft Ü& tief ind 18., ja inil 10. ga^rl^unbert
l^inetn ted^t unrein blieben; namentHd^ bie Qkigenbaubmfl
lieferte feit bem 17. Salir^unbert üor§üi]tid^e ©rgebniffe. ©o
htan^t^ bem Dramma per musica nid^t me^r eine ein^
ge^ienbere inftrumentale Begleitung ^u fehlen unb fehlte i^m
aud^ nid^t. Unb baib entioidfelte fid^, am reid^flen junäd^fl mol^l
in Statten, oud^ bie Snflrumentttlmuftl an fid^ felbflönbig, unb
9wat gern aud^ fd^on nod( ben Srunbffi^en ber l^armonifd^en
(Safeart: roie ber menfc^lid^e ©ingelgefang bag 3lriofo gefunben
^atte, fo fanb bie Suftrumentalmufif bie ©tjmp^onie.
@ine ganj neue $ö^e ber mufüalifd^en ^u^brudf^mittel
mar baburd^ erreid^t; unb ber neue @eift fud^te nun aud^ neue
nuiflfalifd^ formen. 5Dte alte ftontra)>un(ttf begann augerl^alb
bei^ ^terattfd^ Sebrauc^d a^ufterben; im l^rmonifd^en Safee,
beffeu ^^eorie oorne^mlid^ in ber erften Hälfte be^ 18. ^la^r«
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flonfmft.
IjinibertS ennittelt warb, begannen an§ neuen StniFturgefe^en
neue Gattungen ber niufifalifd&en ©rfinbung ju erroad^feii : wie
balb vermehrten ft<i^ bie einfad^ (Smtaia unb bie einfad^
Sonata^ baiS gelungene unb bai» geffitelte WufUfUld l^armonifdi^
6a(ed 5U ben oerfd^ebenfien ^rmen: ber Srie, bem 9ledtatio,
bcr ©uitc, bem lEonjert u. f. id. Unb nun erftonb jene reid^e
SBelt einer neuen 3}hiftf, von Sd)üt5 unb ©d^ein, ben großen
bcutfc^en Slnfängern be§ bleuen an hi^ ju ^änbel. 9J?it ^ad&
feierte sioar bie alte ^ontrapunftif nod^ einmal eine 9[uf*
erflel^ung: ergiebt fle ftd( in ben fßedm fflr Orgel, bie Sad^d
^l^atigfeit zentral jum 9tu9brudf bringen, oto ein biefem 3n»
ftrument anfd^einenb roefcnljaftc^ Clement, fo übertrug fie Sac^
bodj nurf) auf anbere ©attungen ber ^ompofition. 5lber voie
er nebent;er ein 3)ieif(er ooHtöniger ^annonif ift, fo ift feine
ilontrapunftil übetl^aupt nid^t mel^r bie fd^ematifd^ früherer
Seit unb toirb in feiner Sel^anblung ein ftarto Shti^brudtemittel
ber ©tinrniung. ^urd& ^atjbn unb 9Rosart aber ftnben bönn
bie neuen tttufifalifdjen formen it)rc flaffifd^e lUueprägung: fie
t)aben t)or aüem bie 3)Jelobie üerinncrHd)! unb fie gum ^olmetfd^
feiner abgeftufter ©mpfinbungen umgeid;affen. Unb bamit er^ob
fid^ benn ein groged 3^talter neuer üRuftf meljir ali eben-
bürtig ber Sifit^eit ber auiSgel^enben mittetalterlid^en 9ßufll
etned ^ufa^ unb Ddfegf)em, ^^aac unb Senfl, unb jugteid^ um
eine @ntiüidf(ung^3fiufe ^ö^er.
3lber fd}on in ber ^eifegeit biefer £unfl begann etroaS Sl^n=
lid;e§ eingutreten wie friil^er bie Umroanblung ber ^ontrapunfti!
%VL bloß Dirtuofer ^ered()nung oon ^dnen. 9Bie fid^ bie alte
SRuftf ard^iteftoniflert l^atte^ fo gefd^al^ es aud^ mit ber neuen.
muftfalifd^en ^formen ber Sonate, ber @uite, ber ©^m«
pljonie, um nur bie gebrä ud) Ii duften 9Irten ju nennen, fe|3ten fid^
aii§> einer Slnjaljl fleinerer formaler ^etle, gern etroa breien,
jufammcn, für beren Söefen unb ©tinnnung feftftel^enbe t^pifd^e
Sluffaffungen }ur Geltung gelangten. 9kd^ biefen ^uffaffungen
mürbe aufgebaut, erl^elten bie ^eile, oft ol^ne nö|ere Stimmung^*
beaiel)ung einanber, i^re Fügung afö (San^ed. (H mar,
innerhalb beg Sereid^e^ ber feit bem 16. Sal^rl^unbert fteigenb
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CCottCun|L
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gewonnenen 8efeehntd, dn Vorgang ber 9iatbna(ifterung, ben
man rool^l mit ber Serfnöc^eruiiö beä fontrapunftifd^en 8tiIcS
oergleid^en barf.
IXnb fd^on s^tgtcn fid^ feit etn)a SRitte bc^ 18. 3al)r^
l)iinbert§, mit bem beginnenben neuen feelifd^en S^italter be§
(bubjehioi^mu^, in bcm tüir nod^ ^eute leben — beim j^lop=
fiodf unb £efftng^ ®oetl^e unb Sd^iQer Tinb unfered gleifd^ed
unb fßluM -r, e0 feigten {t4 mit biefen älnfängen eined neuen
Seitattecd in ben ^a^rjelinten ber @mpftnbfam!eit tmb bed
©türmet unb Strange» Spuren ber Sluflelinung gegen biefe
Sfiationotifierung ber Tln[\t unb iteinianfä^e einer neuen ÜJiufif,
bie mit me\)x noc^ a\ä alle mufifc^e £unft bisher auf bie
SOBiebergabc bcÄ ©eetif d^en ausgingen, ftein Sroetfet : mit bem
neuen ^^talter bed &eifU^Uh&aA in i{)icl^tun9 unb bilbenbec Aunfl
309 aurf;, leife junöd^ft, eine neue 3Kufi( l^erauf. grü^efter gü^rec
biefer Seroegung luar ©lud. Unb man broud^t fid& nur einer
(^(ucffdjen Dper unb foft nod; beffer einiger ber lounberbar er*
öreifenben lieber @lud^g (j. ^. ber Hompofitionen ju Älopftodt*
fd^en Oben) }U erinnern, um unmittelbar oon bem leiten er«
griffen |U fein. Wlit einf äfften 9)*litteln^ fem t)on bet nament«
Ii<$ in ber ®efangS!unfl §ur 9ioutine gemorbenen oirtuofen
STrd^iteftonif, tieffte ©mpfinbungen ju roedfen, unb gmar ©mpfin*
bungen Don einl^eitlid^er ^ouer n)ä^renb eine^ unb besfelben
mufüalifd^en ilun fttoerfeS : ba^ ift bad S^eal^ ba^ Q^iud unb
feinen S'iad^folgern oorfd^mebt.
SIber freilid^: leidet ju üerroirflic^en raar bie^ 3bea( nur
im (SJefang. ^enn fpric^t ©eele unmittelbar su Seele:
unb m& bad neue Beitalter empfanb, bad gegeniKer ber ^rt
unb bem Oebal^ren bei» 16. bis 18^ Sa^rl^unbertd unenbtid^
^obene gntereffe bei» Bltenfd^en am Slenfd^en, toie eiS fid^ in
ben greunbfd^aftö^ unb Siebe^entbufia^men ber 3eit am un=
mittelbarften au^roirfte, ba!^ gab fid; ol)ne weitere^ aud) burd^
bie gefanglid^en Slu^brud^mittel funb. ^aruttt erl^ebt [idj mit
ber ^weiten ^tfte ht& IB. S^^^^'^unbertiS eine ungeal^nte 3lüte
ht& Sieben, unb mf^ bem Sieb bridbt feibfi ha, wo ed ftd^ nod^ in
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22 (Coitfunft.
()erfömmlici^er ard)iteftomfci&er gorm ju ergeben ocrfud^t, trieb*
mä|ig bad neue, tiefere Stitnmungilleben ^eroor.
Stnberd mit bec Snfhnimentabmifit. <^ war bie S<41
ber ^nftrumetite immer Qxbitt, bie Srcingung bet ted^nifd^en
ßerrfd^aft über bie «Stimmmittel, fei e« bcS einjclnen Snftni*
menteS, fei be^3 Drd^efter«, immer fd^roercr geworben:
taufenb ^anbe hielten an ber ^ergebrad^ttn ^^(rd^iteftonif feft,
unb nur ein Steiftet mm miUanifd^er Kraft fonnte fie |ertri|en.
SMefer 9leifter mar Seetl^ooen in feiner te|ten $eriobe. S)ie neunte
@t)mp^ome eri)ebt fid^ jubetnb in einer einzigen gemoltigen
©runbftimmimg über afle a)lufif ber SL^orjeit; in nie erhörten Iang=
anbouernben 3ltemftö^en tragt fie bie einljeitHd^e @mpfinbung,
öon ber fie befeelt ijt, an baig D^r be^ ©mpfängtic^en, unb
aU fottte ber IBemeid geliefert xotthtn, ba6 bie )>f94ifd^e Kraft
ber Snfirumente it^t ber Sefcehing M SefangeiK menn ni^t
gemad^fen fei, fo bod^ an fte ^eranretd^e, enbet fie mit bem
aSed über^aQenben ^od^gefang an bie greube.
9Rit Oeet^ooend legten ffierfon mar ein neueiS S^itatter
ber üWuftf üottenb« eingeleitet, ba« fubjeftioiflifd^e, ba§ Seit*
alter ber ©cgentoart. Slber mar e^ mit i^m ooHenbet? 3^ein,
^eetljooen bebeutet nur ben 2lbfd^lu6 einer erften Stufe, ^enn
fielet man genauer gu für bie S^ii gmifd^cn &{\\d unb
Seetl^ooen, fo finbet man, ba6 bie ard^iteftonifd^e äRuHt btei'er
3eit überhaupt bod^ fd^on fiarf bur^fefet ijl von (Elementen
ber pft)d^ologifd^en Vertiefung, bed fümmungduoHen ^atboS im
mobernen ©inne. Unb biefc ßlemente nel^men ju; SD^ojart
wirb von i^nen fcbon ganj anber^5 getragen, al8 ^apbn
in feinen jüngeren S^^i^en, Seet^ouen bereite in feiner SlnfangiS*
seit nid^t minber ate SRojart. 60 fte^t ber altembe ^eetf^ooen
am Cnbe einer erHen Stufe ber mobernen SRufS. ^tdü^:
einer erflen Stufe. 5bmn l^t er etwa, fo ift man AenfaOi^
l$u fragen bered^tigt, in ber neunten Spmp^onie bag tjolle, i^m
x)orf d^roebenbe S^ti ber Sefeelung, ber tiefften unb reidjften
Stimmungdfd^ttierung ber ^iufü mirtlid^ {d^on erreidjit?
60 lieg e0 nadi Oeetl^ooen weiter, Donoftrt^. 9Hdftt ein
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(BnhxQex, ein Gröffitcr neuer mac ber gto|e äReifler, fo
betmd^tet.
Unb nun tritt Me %xaqe auf: ifl Mefe neue S^it ge«
(ommen? $at bie SWufif fo, wie in immer ftärferer feelifd^er
Sntcnfioierung ouf bie ^txtm ber ©mpfinbfQinfeit bie ber
SHomontif, unb auf bie ^omantif bie ^JJeriobe ber mobernen
äteisfamfeit gefolgt ftnb, fo nadft ^t^oen eine ^4^eriobe
loeiteren Sartfd^rttt« erlebt?
fSit f5nnen l^ier lundd^ft nur nad^ allgemeinen Sinbtflden
urteilen. S)ie 3Wufif ber fogenannten Haffifc^en ^eriobe, ber
Seit üon @(n(f big ^eet^ooen, oerflet)! unb fti^ä^t ^eute „jeber«
mann au0 bem S3o((e". 6ie lebt mit ung unb tft iin§ familiär
geioorben. SDie WiU)it ber $Romantif, oon SBeber über ©po^t
unb Sii^unumn bid auf Sßagner in ben äBerfen feiner frühen
^eriobe (9Hen|i, 60(Ulnber, ^nWufer, So^engrin), nerMt
aud^ jebermonn unb fci^ä^t fte, votii fie ober bo4 red^t n)o^(
Don ber if)m nod^ viel l^eimlid^eren !(afftfd^ 9Rufi! ju trennen.
6ie ift ettüQg anbere^. ^ie 3)hjftf 2^^t^ unb SGßagner^ in
feiner jtoeiten ißeriobe (nantentlid^ ^iibelungenring, Xriftan unb
Sfolbe, ^MtfoO unb bie äRufU tum iumeift iiingmn 9la^*
folgern Mefec SReifler, wie Someliu0, Strang, fBMf, Srudbier,
ja oud^ mm Sral^ntö, verfiel viele nid^t wb fd^ö^en fie bed«
^alb weniger: fie ift i^nen neu.
SBebeuten nun biefe Slbfddä^ungen sugleid^ ^eriobifierungen?
^r eine einge^enbe Unterfud^ung ber ^ufit ber legten (ä^ruppe
fann ^Uv unntbemtfli^ entfd^eiben.
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ÜKerfwÜrbigenneife ift biefe Icfetc ®ntJßjpt auf il^re tnneiite
mufifalifd^e gom l)xn nod) wenig unterfud^t roorben; nomcntlid^
bie jal^Ireid^e SBagner^Sitteratur bietet in Diefer 9f?id^tung
TDentg ^ ^ad ©anje ber neuen 9)flufi( l^at bann neuerbingd
9iietf(i^ einet ntittetatif^n Unterfud^ung untenDovfen, inbem
er il^ befonbere j^anrnmit, @tintmffll^tung tmb 9i|t^t^mtt
. feftjuMen fud^i •
®ie iparmoni! ift bie ii^e()re oon bem SSerljoItniö ber Xöne
ju einnnber; eS tüirb gletd;fam bag ^^'^ ^toff beg
tnufifali(d^cn Jlörperg in feinem jeroeif^ d^aratteriftifd&en @e»
l^alte betrad^t 2)ie ©timmfül^ning fprid^t von ben in
SUfammenl^iH^eii Xonteil^en bec mettfd^id^ Stimme wie
ber Snf^mente, fte l^anbett von ber WiStuUntwc bed mttft«
falifd;cn 5l5rper§. ^ic ^JUjptl^mif enblid) fafet boS S^itoer^ältnig
ber ©timnicu unter fic^, wie bie^ S^-'i^^^'-'r^Jciitni^ al^ @Qn3e^,
ben ^^pt^mui^ alfo ber Xonreil^en ind äUi^e. & iii, ald
* jfcaS Scfte auS ber älteren iiitteratur fc^einen mir gelegentliche
öemerfungen SiSjtS, forote fein großer STuffa^ über ben ^iJliegenben
^onänber* (®ef. Schriften 5l^b. III, mt. 2) ju fein. 3Kan ogl. auc^
Ä. SRaprberger, 2^ie ^anuouif ^1. äüagnerö, an ben Seitniotiüen auS
„Xriftan unb Sfolbe* erläutert (1881): eine innerhalb beö beljanbelten
engen Sereic^ä rec^t aufflärungöreic^e ©c^rift; unb i^r ergänjenb
a«. Slrenb, ^ormonifd^e Slnalpfc beö 2:nftanoorfpicleö (©apreut^er ©lätter
1901, IT.— VI. etficQ. 3m übrigen ift im folgenben oielfo^ unb einge^enb
^. 9liet[(h, ^ie ^limlunft in ber anleiten ^filfte be< neunse^nten 3o^r-
(ttttberU (6amml0. nrnftrroiff. SCrBeiien $eft IH), 3reit!opf & Härtel,
1900, htmlit loorben.
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(Eonfunft.
25
noEte tnon dne bed 6(e(cttl M timfifaKf^cn MtpM
geben.
2Ba^ bieten nun ^armonif, Stimmführung unb S^^ipt^mit
ber neuen 3Hufif für 33efonberheitcn?
roid^tigfien mith ed fein, bie ^armoni! ju betrad^ten.
Unb (^ier wirb $uin genauetett Serfiänbni^ bid auf biqenige
fkriabe ber muftbßf^tn Cnhoidbing surfid^ugretfm fdsi, bie
ben ^rmonifd^en Bo^hau brad^te, alfo hai iw^te, mit bem
14. unb 15. 3al)rf)unbert einfe^enbe, mit bem 18. Qalirl^unbert
^um 2Iu^]^aIIen getantjenbe 3eitalter ber beutfdjeu ^})hifi!. 2)a
Toar nun bie ^armonifierung anfangt grunbfä^lid^ unb au4
ptattx\^ fafi audiia^Iod biatonifd^, b. ^. ed mürben sur
SiQmitg ber j^omumiett fibenoiegenb (8an)t5ne, im Qkoenfal
^ur d^romotif^en (unb enl^ormonifd^en) ^onfolge, benu^t.
S)obei galt bann für bie ^Utelobiebilbung roie nod^ l^eute, bafs
biejenige ©tufe ber biatonifd^en Tonleiter, auf bie allein irgcnb
«in 2lRorb bejogen werben fann, ha& fogenannte ^unbamcnt, atö
einzige i^bnntnii^ttette ber itonfonon^en unb S)if[imai^eit in
Setra^t tarn.
^e in biefen Sdftranfen «erlaufenbe Wtu^l f^at für unfere
heutigen Dl^ren etroa^ $orteÄ, ^erbe^, (Sr^abeneS — in Summa
grü^jeitlic^efg ; e§ finb bie ©mpfinbungen, bie ber proteftanttfd;e
€IJorat in feiner urfprünglid^en ^armonifierung in un^ erroedt.
<£)em 17. 2lal^rl^tmbert aber fing biefe SRuft! bereite an,
|tt rau^, SU taxMq ttnb etfig gleid^f am su Hingen; ei» begann
barum, bie b^rtefien SHforbe burd^ ,,f^ärben'' ber 5t6ne, burcb
Einführung von fialbtönen ju milbem: bie S^romatif erl)ob
ftd& neben ber ^iatonif. 3"^ 18. ga^rljunbert ftanben bann
^btomatif unb 3)iatonif — etma^ fd^ematifd^ unb mafito
imdgebrüdt — gleid^bered^tigt nebeneinanber. SEBar ba nun
an^e^men, boB biefe iBerf<$iebung mm ber S)iatomI sur
C^nmuttS mit jkttem nmm, britten S^talter unferer VtufS*
gefö^id^te abbred^en werbe, baö leife feit ber 3)Mtte be§ 18. 3al}r^
l^unbertS einfette? Sßie wäre ba^ benfbar geraefen, ba bod;
gerobe auf ber Einführung ber dj^romatifchen (Elemente, ber
gebrod^eti Sorben gleid^fam, jene fd^örfere ^dtottierungS«
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26 (Loiifunft.
möglid^feit ber ißlu^it btxu^U, bie eine Stuitnx vexlariQte, bie <
in immer feinere 9hlancen bei^ @ee(enlebend oecl&uft? 3m |
(Begentetl, bie C^tomatU no^m su: 6eim altemben Oeet^ooen,
M Sd^ubert SBeber, SDVorf^ner, bem jungen @d^umann |
fie \6)on ba^ Übcrneroid^t, big fic in ber neuen 3)Jufif bei allem j
grunbfätlidjcii JyeftljQlten an ber ^iatonif beinQl)e pöHiq fiegt, fo .
ba| Dur unb 31 oll fid^ Dermi[d;en unb fid^ faft bie äludfi(^t auf I
ein anbeiei^ Xonfpßem, a\& bad bid^er beftel^be, auftl^ut. |
Unb »er U^n x% wirb mif ®ninb biefer Sorgftnge oieSei^t .
f)Qt bie entioidPhtngdgefd^id^tlid^e Stellung ber neuen |
baljin beftimmen luodcn, bofe fie jioar nod^ nid^t ber ^elb, ,
n)of)[ ober ber ^^orbote eineö gonj neuen ^^onfpftemä fei, ba^ ,
fid^ auf bem ©runbe rein d^romatijd^er äl^erlj^ältniffe aufbauen
mürbe. |
aSie bem aud^ fei: l^ier foD bie Craffhung biefer Sbidfld^t
nur ba§u bienen, ben Ci:^arafter ber neuen 9hiftl oerfiänbU^er
ju machen. ift eine Tl\i[\t, bie md) grunbfä^tid^ unb ber
Sel)re nod^ biotonifc^ erfd^eint ; nber ber tonale ©runbd^araftcr
wirb bod^ in taufenb gäUen immer unb immer mieber jum
3medf feinerer Slbfd^attierung ber ^onempflnbunden ^nrniatifd^
burd^brod^en. Sa mirb 9. bie äRobuktion niet teid^tet ge«
^anbl^abt, befonber^ gern in ber %otm, baft man baiBfefbe
3)iotiü in roenig oerraoubten STonarten, ^äufig nur um einen
falben ^on üerfefet, raieberl^olenb nebeneinanber ftellt. Ober mon
operiert ftänbig mit afforbfremben ^önen, fo bafe gerabeju eine
oofle £e^re barüber entmidelt mirb^ mie fie mögUd^ft lül^n ein*
9ufeten feien. Ober enblid^ leiterfrembe flfbrbtöne merben ttid^t
vMifyc audnal^mdmeife t>ermenbet, fonbem tauchen gruppenmeid in
regehnafeig gebadeten Slnfö^en ouf. Unb biefer SSorgang üollgiel^t
fid^ berart, bofe auf biefe 3Beife gcbilbcte frembortige äufammen*
flänge anfangt nur ^ii ganj beftimmtem ^med, }u einmaliger
Dorübergel^enber gärbung^ auftreten, bann aber gieid^fam nic^l
mel^r aü (Sinbringtitige gefällt erfd^einen, fonbem fid^ }tt
eigenen, flönbig gebrauchten Sttorben befeftigen.
9lun taud;en freilidj neben biefen aufeerorbentlid^en gort=
fd^ritten ber ^^romati! gan^ beiougt auc^ (Erneuerungen ber
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Coftfuit^ 27
f)exhm 3)intoni! t)omef)mlid^ beö ainfaiißg ber jrociteii ^eriobe
unferer 9J?ufif roicber auf. @ef(6ief)t bog aber auf bem SBege
organifd)cr ^^eiterbilbung ? Aeinedwegd! (Sd ift nur eine-
?Vo(ge bed ^iftori^mud, ber etioa von ben swmisi^er ad^tjiger
Solireit bed 19. 3al^r|utibertö aUt uitfere itttit|ie be^enfd^t
^t: bie gefd^id^tUd^e Sinfid^t fiellte biefe alte l^erbe Vlnfit
jur 33erf ügung, unb man na^m bereu fiarmouif gern ouf, reo
fie ber je^t, alfo nur moberner SDeife mit i^r oerfnüpft ge*
füllten @mpfinbun()dn)eU ^rben unb ^rimitioen ben
beften Slui^bcudt |u geben oermod^te. & fyinMt ftdb aUi>
t^tföd^lid^ mit um eine Stenatffmice bei» Mten sur Setgrdgenmg.
ber @|Nmmm0i^iDeite M mobemen mufifaltfdSien (Sm^^finbend;
unb bemgentäfe ift bie 9k(^al)mung aud& niemals genau, fonbern
inobernem öebürfniS angepaßt; fo gebrandet man SB. in ber
mobemen ^uitt bie fogenannten 9{ebenfe(ta!forbe felbftänbig^
mos in il^er etgentlid^n Qütl^mai, bem fpöteren SRittelalter^
niemate ber gfaU mar.
(18 ifi atfo mit biefem muftfoUfd^en ^ifloriiSmui^ mie mit
anberen ^iftoriÄmen, etma ben 2lnfnnpfungen ber englift^en
^rärafaeliten ober ber beutfc^en Qbeaiiften (Södlin, Älinger)
an bad Quattrocento ober ben äBieberbelebungSoeriud^en
früherer QtiUn im l^iftorifd^en 9^oman: getragen von einem
fiarten gefd^id^tUd^en Sebürftiü^ ber B^itgenoffen gingen Re §ur
näd^fl 9on ftontrafhoirfungen aui» unb Benutten biefe aur SBieber«
gäbe h\^f)ex unbefannter ober raenigftenS nodj nid^t finn(id)
genau jum Sluöbrucf gebrad^ter ©mppnbungen : — bafe fie
bamit jugleid^, loenigftenS gelegentüd^, wk in ber 'JDMlerei,.
einem nod^ tieferen ^ebärfnid ber geredet rourben, gel) ort
einem anberen 3ufammen^ang an unb mirb f^iater in biefem
erörtert werben.
9Bte wuchtig biefcr ©egenfofe jroifd^en moberner S^iromatit
unb urroüd^figer 2)iatonif benu^t werben fann, jeigt ein^
bringüd^ j. bic fr)mp(;omfd)e ^id^tung „2ob unb 23er=
!(ärung'' Don ^^{id^arb Strang: ^ier erfd^eint ber im Xitel
^orge^bene Itontraft mufilalif d^ gerabqiu auf biefem (Stegen^
fate aufgebaut —
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28
(Eotilnn^
SBir ntfuam von ber l^antionil SOf^ieb ttnb loenbeit und
pvc ©timmfül^rung. ^xtxlxcl^, wie fic^ fogleid^ jeigen wltb,
nur äufeeilid^ : bcnn im @runbe finb bic mobernen änbcrungen
in ber ©timnifüljrung nur ^olqen bcr immer me^r au§*
gefprod^enen d)romatifc^en Steigungen. Sie la{{en fid^ mit
«Itiem SBoYt bal^iii sufammenfaffen, bag bie ätebenfUmmett
fanmet mel^ von bev ^u|)tfiimine MgeUfl loerbett. S>ic
Slfforbe wetben gleid^fam mifgebröfclt, bie 9lebenfHiitmen
fd^roeifcn ob, ftellen \xö) gegen bie §auptftimme: e^ fd^eint, ate
folle bQ§ alte fontrapunftifd;e Xoneycrjieren roieber beginnen.
2Bag ift aber ber ©runb biefer SJefreiung? ©infad^ bag ^*
bürfnid, |uv ©etuinnung neuer unb immer feinerer Xon^
fdftattierungen bie 9lebenfkimme bid |u bem (Srabe )ur j^upt*
fümme in ^iffonanj )u fe^en, bag ein voffei^ oRorbm&giged
3ufammenf[ingen nid^t meljr aU mÖgUd^ ober bod^ fd&on als SSag-
ftücE eiitpfuubeii wirb, werben j. ^. bie S^Jebenflimmen ftufeu»
roeife d^vomatifd^ gefüljrt; ober eö ix)erben bei i^nen afforbfrembe
^öne angeioenbet, unb gern n)irb ber @at^ mit einer Uegenben
stimme, einem bel^arrlid^n £one, bem OrgetpunUe, aufee«
nommen, bem bann obliegt entlegene unb jerfteeute j^atmonien
ffU btnben unb bomit eine JRilberung unb 33erfd^ (eierung ber
(jannoiii]cl)eii iiüt)n()eiteu gu erzielen, ©o liegt benn biefer
mobernen ^olypl^onie, beren leife Slnfänge fd^on in ber fo*
genannten „obligaten S3egleitung" öeetl^ooeng ouftaud^en,
leinedtoegd eine Biegung nad^ rein |>1^9jitaUfd^et Sluffaffung bev
Xöne |u ®rvnbe, mie fte bod pfpö^ifö^e 9Rotin bev Itontva'
punftif mar, fonbem genau bad ©egenteil: bod Sebürfnid,
immer nod; mel^r ftimmungSmägig )u fpalten unb 5u
fd&attieren. —
3n ber 9i^9t^mif galten mir und ^ier junäd^ft an jened
engere ®ebiet, in bem es ftd^ nur um ha& Skr^äitnid bev
S^dne SU einanber innerhalb eined aRotiod l^onbelt; oon bev
!R^^t^mi( im weiteren Sinne, bem 3eitma6 eindS ganzen mufi«
falifd^en Äunftroerf^, wirb balb in anbercr 33erbinbung bie
dleht fein. 3»"^i^Öölb eine^ bloßen 3}Zotti)g finb nun jroei
gäUe bentbar: entweber 9ll^9t^mud unb Xatt (iD2etrum) fallen
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j^ufammen, ober ober bcr ^il^pt^mug entroicfelt feine 2Iccent*
orbnung gegen bie mettifd^e. Unb ba l^at mm für beibe
frül^even SRuftlperioben uttb au<$ tiod^ für bie {(afftfd^ ^uit{,
in bet fd^on bie XnfSnge beS britten S^MtM efotgefd^Ioffen
Itnb, im allgemeitten gegolten, bag SRliptl^mu« unb ^aft ju^
fammenge^en. 2lnber8 in ber neuen 3}ht|if unb in 5lnfängen
fd^on bei (S^umonn unb Sljopin. 3)a entroidfelt fld^ ber
9^l^i;t]^mug red&t l)äufig gegen baS 3J?etrum unb wirb fo ein
Diel fiärfered ä^eigmittel in ber S^ag^ unb ^ccentorbmtng; ffit
mand^e ber ^ier ottftaud^enben SRddUd^feiten beS Stu^einanber*
faffend von ifttttum unb 9^^pt]^nnt9 liegt ber ^ergtetd^ mit ber
plfe^ftologifci^en ©rfd^einung eine§ ©erjeitiS iiaf)e, baS infolge
i^o^tx 5Iufregung in uiiregelniöf^igen ©djldgen gel)t.
^ber aud^ ba, reo %aU unb 9^l)t)t^mud jufammengelien,
entwid^elt bie neue ^unfi unbefannte ^reil^tm* ftnbet
num fel^r l^ufid fd^on innerl^atb enger 0ren)en Xaftioed^fel,
ober ed «»erben Xaltgattungen angewanbt, bie aui^ einem ge«
taben unb einem ungeraben 3Ketrum gufammengefefct finb.
$Bor allem ober wirb Me Jü^rung beö ^empo^ ungleid^ freier,
unb bamit bringt benn eine unerprte ^^nami! ein : baS Qaii};iU
^eitmag xoith unter flänbigen ^d^n^anfungen burd^gefü()rt, mit
fte bie mufitalifd^e (^finbung fd^ärfer |um Sudbrudt bringen
f offen; bie @tftr(egrabe werben mit ber weiteftGeI;enben f^einl^eit
be!)anbelt, 3"tonationiSfd^roanfungcn tjorgenommen u. f. ro. SDaS
ift benn rcd^t eigentlid; bie Domäne beS mobernen ^apell^
weij^erjS, ber unter ber ^urd;fül;rung oll biefer neuen 3ln=
tegungen §um ooQen 5lünft(er geroorben iji: — loeld^e ^eriobe
ber SBergangenl^eit l^at ettoa eine ffiefiob ou^utoeifen, nie bie
j^an9 oon Süloioit?
fjrcilid^: genau wie in ber fiarmonif unb ebcnfo, wenn
Qu6) in meJ)r abgeleiteter, mittelbarer 2Beife in ber 6tinnn*
füt)rung eine 9lcigung t)or^)anben ift, gegenüber ber gröBeren
J^rei^eit ber mobernen 3}Jufif auf bie ftrengen gönnen ber ^or*
)eit surfldfaugreifen, fo aud^ in ber Stlfti^t^miL äiber oud^ baiS
9Rotio ifl l|ier bad gleid^e: man i^medt nid^t0 att nod^ reid^ere
S)urd^Mibung ber Su^bntdtMittel. ttnb fo (;at benn, um ein
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ConfnnfL
ffiof iDicbenim beMelben Weifletft aniufOl^, SK^otb Stroufi
in feiner TmMd^tan^ „(Sin ^elbenleben" netoi o0en xf)r)tl)'
mifd^en ^Jicuerungeii bod; aud; bie Kote iinb ftreng überfic^t^
lid^e Sii^ptljmif ber 5llten angeroanbt, um geiuiffen (^mpfinbungcu
itamentlid^ bed ^etoifd^i unb (^roggeocteten einen Hudbniif
fd[)affen, bet bem mobemen Ol^r unmtttelbac eingebt. —
ga^t man bie neuen (Srf Meinungen in ^momt, S^tl^mif
unb Stimmführung jufammeu, fo borf man mÜ fagen: fle
bilbeu ein ©anjeS unb geben ber in i^nen (cbenben unb
atmenben ^iufif einen bcftimmteu neuen ß^arafter. Unti fo
iß benn au6) i^re ^irfung auf ha^ (Seelenleben ber Seit wie
4iuf bie ©ntroidlung ber 3)hifif f(ar unb cin^citlid? geroefen.
Bunäc^fit befielt fein 3weife( batttbet, bai bod O^r unb
bie übrigen Hufna^meflenen bed mobemen SRenfd^en fftr mufi«
falifd^e (^inbrüdfe ungleid^ empfinblid^er geroovben finb. 9)lQn
l)at eö gelernt, «Sd^ottroellen beroufet aufzunehmen unb al^ fd^ön
5u empfinben, bie biö ba^iu in mufifalifd^er Äombinotion über»
i)aupt nid^t leidet jufammentrafen ober aber roeber harmonifd^ no^
rb9tMf4 f^dn empfunben, ia Oberhaupt nidftt (wenn bi«»
|u fagen erlaubt ifl) ooObmmen bewujst aufgenommen mürben.
Unb biefe (Erweiterung be« aftljetifchen (SfmpfuibungSDermögenö
ift oornehmlid^ nod^ ber ^iid^tung l)in eingetreten, ba6 eine bisher
nnbefannte gein^eit ber 9Jüancierung erreid^t warb, bie es^ nun
^eftattete, aud^ bid ba^in unerhörte, uod) in ber ^iefe ber
^(e fd^lummembe, nod^ nie ind muftfatifcbe ^wugtfein ge»
^obene Seinbeiten ber Gmpftnbung bur$ ^ne audsubrfiden.
@ewifi waren bod Srrungenfd^aften, bie, wie äffe pfpdhifd^en
|5ortfdf)ritte, junäd^ft nur in fteinen, geiftig unb fünftlerifdj
fül)renben Greifen auftraten: ^)m luarb in eiuiger a^ed^fet»
roirfung be^ fc^öpferif djen ä^ugen« unb empfongeng, ber immer
ftärfer bifferen^terten ^pftnbung unb bea» tecbntfd^en ^fud^
bad 92eue gef^affen — freiftd^ im @inne eineiS gefefemägigen
Ifortfd^reiteni» innerbatb ber Sutwidtungdba^n, bie bem ge«
fd^id&tlid^en 83er(ouf mcnfchlid^er ©efefffd^aften burd^ baö äßefen
ber menfdjjlid^en <Seele i)orge5eichnet ift. 2lber, wie Äaut ge*
meint i)at, bie Waiiit i)t eine aufbringlid^e ^nft. Unb Tte ift bie
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Confnnf^.
31
Ocoorjugte Äimft ber bemofratifd^eu ^cit, bie fid^ feit 3)Utte be^
18. Qal^rl^unbcrtg Dorbereitete. ©o bronzen beim bie ^icucrungcn
rafd^ in^ ,,^o(f'' unb trafen bort auf nU^t odQig ootbemtete
O^n. SBor bad nun ber @runb, nnrnrnt Ue neueitunß, wie man
in ber ttmt^QngSfprad^c ju fagcn pflegt, „auf bie Kerwn fiel"?
2lße ilunft töiH feffeln unb erregt barum ©pannung^^
<^efüf)(e. 5l6er faUeii 6pQnnunglgefül)Ie immer alsbalb in
^(eid^fam t)oIIer ^itacft^eit ,,auf bie ^^eroen" ? ^ie ältere ^nfl
tid^tete fid^ mit il^ren ^{lannungiSgefiil^len im attgemeinen an
bie oberen Cmpftnbungen, an bad ®emüt, an bie ®efft^(e, an
bie feetifd^en ®ef amt^attungen, bie auf ®runb jalitreid^er (Sinjel«
offeftionen ber 9lerocn burdb gebnd^tni^mä&ige 3nfömmenfaffiing
unb Umgeftaltung biefer 2lffeftionen gebitbet roerben. <Bk
qxub alfo in ber Seele blog bid ind Stodtoer! ber @efü^Ie
(herunter ; bie barunter tiegenbe me^r primäre, nerodfe Bä^Ul^t
meiste fte nid^t ober bo4 nidftt unmittelbar.
Sßar baiS nun bie 9(rt oud^ ber neuen 9Ruft(? Sßtu^t
Tüirft erfal)runggmä6ig me^r a(g irgenb eine onbere Äimft auf
bie S^eroen ; fte gel^t g(eid)fam finnlid^ in bie 9lerüenbal)nen ein.
SBarum baö fo ift, ift l}ier nid^t unterfud^en; bie S^^atfad^e
beftel^t. Unb fte ftel^t feft aud^ fd^on unter normalen ^er^ält'
niffen, b. bann, menn baiS Xonempftnben bei fd^affenbem
unb oeniegenbem Xeit im allgemeinen baiS gleid^e ifl.
unferem galle aber galt ba^ gerabe ©egenteil. 9Ud^t blofe
burd^ getegentlid^e unerwartete mufifalifd;e Sßenbungen, nein,
^awi au^gefproc^en fpftematifd^, in jebem ^(omeiit ber gerabe
il^r eigenen ^artnoniflenmg, Stimmführung, di^^t^mif mofUt
bie neue Slufif auf bie 92eroeit mirlen. S)iifonan) tmb immer
mieber Siffonan^, fo flagte man.
iRun l^abcn oenoaubte Sn^ounenienjen natürlid^ bei jebem
Übergang von einer ^^^^^^^^öe jur anbeten beftanben: bie
fittjrenben ©mpfinber waren weiter, bie gefül)rten, empfangen*
ben $örer. ^ber biedmal griff ber Unterfd^ieb bod^ molji be«
fonberi^ tief, mürbe jebenfaQd — mad fd^Ueblicb badfelbe
ifl — befonberj» fd^orf entpfunben. Der @runb ()ierfür ifi mol^l
bavin gu fudjien, bag, roie fd^on angebeutet, bie Erregung oon
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32
Coiifiiiifl*
Svammt\Q^e^\ii)lm h\t9mül tiid^t erfl auf bcr j^d^ereii @ttife
beS fpejififd^en imififalifdjen ©timmuiif^^neljalte^ eintrat, fonbern
burd^Qug fd^on in bem ^onmaterial felbft, ben 33aufleinen glctd^=
fatn be^ mufifalifd^en ©ebäube^ bcfd^loffcn Tan- 3)enn gerciö iji
ed etma« anbetei», ob ui^ 2)if|onansen — tinb il^re ^olge: Span«
nuitgdgeffible — grunbfd^Ud^ imb ^nbig f^on in ber 6tni(tur,
bem Stikptt bev 9)lufi! empftnbe, ober 06 xci), bei ^rd^MIbung
biefer ©triiftnr oljm ©infd^Iufe ton ©pannungSerregung, 3)if)o=
nonjen nur bann füf)[e, wenn einer befonber^ bi^Ijannonifd^en
©timmung gelegentU^ 2lu^bru(f gegeben werben foH. 3m
(efeteten gaOe voith ed su einer oorübergebenben, im erfieren
|u einer fiftnbigen Silbung oon SpannungiSgeffibten fommen.
®6en bad legiere vm nun in ber netten ^nfi ber f^aH; eiS
fd^ien, aU foHte fid^ ber 8troni eineö neuen 2^onfi)fteni^ er-
gießen, iu beffen fün|'t(onfd)eni 2)urdt)leben e§ piel feinerer
3ieroen — unb an erfter ©teile ber 92ert)en überJjaupt —
bebürfe; unb jebenfalld mürben bie äugerflen ©ebiete bed be«
ffebenben Xonf^fiemi^ mit einem nie raflenben Shtte ci^tremen
ted^mfd^en SSerfud^eng abgefud^t
^rot aUebem ift bad fpe^iett muftfalifd^e ^ublitum, ja in
einigen Stiftungen aud^ fd^on bie größte Offentlid^feit ber
neuen Äunft gefolgt, fieute fte^t e§ fcft: e« ifl eine erböbte 9Cuf*
nal^mefäljigfcit ber 9]erüen für mufifalifd[;e ©inbrücfc nad^ iörer
Dlbfd^attierung trie nad& i^rem 3»fö"inienf(ang unb iljrer 2luf*
einanberfofge g^^oonnen, ba§ gelb ber jur ^orftcüung ge=
langenben ä^eroenreije ifl alfo na<b @eiten ^xn ermeitert, bie
babin unongebaut lagen: taufenb neue Smpfinbungd'
nüoncen vor aOem, unb namentlif mieber 9lilan€en im (Sebiet
be^ Sdjiüebenb=ätl^erifd;en, ©ebeimni^DoIIen, 3ll^nungöreid;cn,
5'?erüö^=Sd;nter3lid)en finb un^ sugänglic^ geiporbeu. fiier liegen
bie ^aupttnlmpfe ber neuen £unft.
Qnbem nun aber von t)ornl}erein, unb raie fid; jeigte, mit
9ied§t mit einer erbosten mufifalifd^en SReigbarfeit unb 2luf*
na^mefäl)tgfeit aud^ ber ^brenben gered^net mürbe, oeränberten
ficb )uglet(b bie ©renken ber nmftfaUff en formen, innerbalb
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Cottfaitfl.
33
beren man in ber alten i!unft nod^ ^mpt'änglic^ieit ^atte er«
toarten tonnen.
60 mt e9 9. 9. jeftt, bei geßeigettem Sinn für bie
Sb^omatit unb bamit au^ fOv beren Gegenteil, bie ^atonü,
mbQÜd), tro( ^xb^ttr 9lonni<)fa(tigfeif bed j^armotüfd^en Sebeni^
bcn tonolen ©runbd^arafter roeit entfd^icbener a\§> h\^\)ev äum
2lu!^brucf au09ebef)nter mufifalifc^cr 5!unftroerfe ju madjen. ^cnn
rocit entfernt baoon, ba§ ta^ mobcrne £)i)x fid^ biird^ fort*
niKi^renbe Häufung d^romatifd^er äRomente in ber äluf nabele
unb bem S^flbalten he& tomUn ®runbd^ara(te«K fidren Cieft,
fagte ed tvielme^r, eben infolge bed fH^^ ber $romatifd^en
©etjeinrtrfungen, biefen ß^ljarafter um fo entfd^iebener inS
Sluge, erhielt c§ ftc^ um fo mc()r feine einl^eit liefere (Btimtniing.
Unb fo broud^te bei ^ünftler nid^t p fürd^ten, bog ber ^örer
ben ^aben ber Slonalität oerlieve, oud^ wenn er biefen burdü
aSerfe «on frül^er nid^t gelannter Sudbej^nung f)xn einbeitHd^
nnb energifd^ feftljieli €0 ifl ba8 j. S5. in SBagner« „^Jorrifal"
gefdjel^en; mit weit met)r 9^cd^t fü^rt er bie Slngobe in As-
Dur, mand^e (5i)inp^onie ber älteren ^eit bie ^ejeid^iunig
i^rer befonberen Xonart. ©ntfpred^enbe ©rfd^cinungen traten aud^
in ©timmffilrung imb 9ib9tbmtf auf. f£)ie mobeme Wiufü bat ed
). & burd^ rofUofe SRobuIationen infolge ner&nberter ßatinonil
)u btdber faft unerhört langen unb bennod^ unauf^altfam
roirfcnben (Steigerungen (oon 30, 40 unb nie^r haften) ge«
brad^t unb nerfügt baburd^ fd^on auf bem 51'ege ber ©timm*
fü^rung über ganj neue äRittel, gro^e Xonwerfe aufS ent«
fd^iebenfie |tt binben unb |u nereinbeitlid^en. Unb burd^ bie
jal^treid^t Xbioeid^ungen ^mifd^en Xaft unb Stl^^tl^mud ifl aud^
bad rl^9tl)mifd^e ®efü^)l fo geftärft, bafe e« trofc aller x^if^
mifd^en 2)iffonQn5en ober oielme^r eben lucgen biefer einen bc*
flimmten 9fl^t)tl)mu^ aud^ bann nod; flar feftljält (nid)t „auS
bem %Qtt fommt'O/ er fid^ über ein befonberS langet
äBerf erfiredt Xuib l^ier bietet wieber bie mufxt SBagneriS
betoorrogenbe Seifpiele; fo binterlftfit }. 8. ber „Sobengrin"
nod^ tagelang nad^ ber ^uffü^rung, ä^nlid^ etma einer bewegten
Seefahrt, bie ©mpfinbung einc0 beftimmten 3fi^9tl^mug.
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34
(Confunf^.
S)a «erfleht ^ ftd^ benn oott felbfi, baft biefe neuen pf^«
d)ifd^eu 5ßorauöfc|^un()en für baS ©d^affen unb balb aud^ btt«
^ören oon ^})lufif ade gönnen be« biSljerigen mufifaüfd^en
JlunfttDert^ auf bie Xautt fprengeu mugten. (^anj anbete
fiangatmigbit unb gan} anbete innere ©el^loffenlj^ aU bid«
Itier: bai» «uvbe bie unumgängUdj^ Sofung ber neuen äRuftt.
me fonnte ba a(fo Ue alte muft!atif4e St^itettur mit
i^rer breiten materifd^en Lagerung, mit i^ren 9lud6auten unb
5lnncfen, bie Symphonie unb ©onate mit i^ren 2^eilen oon oft
fo oerjc^icbenartigem Gnipfinbung^dfiarafter, unb wie gar bie Dper
mit i^ren ^rien, ^itorneQen, Duetten, ^erjetten, (S^^ören be*
flehen bleiben? SUie biefe Sonnen mit i^ren ßaden (Sin*
fdftnitten, mit tl^rem 2fi<fenmd6igen macen fftr bie neue 9)<luftf
im ©runbe unbraud)bar — am meiften frcilid^ bie Dper: ^ier
\)at fdjon &hid bie Unmöglid^feit beö gortlebeng in ben aitm
formen gefüllt. äBie alfo in ber ^rc^iiteftur ein bauten-
fomples von l^eiter Eingelagertem malerifd^em 9ludeinanber, bet
^of bau etma eined beut) d^en Sauem mit SBol^nl^ud unb @4euet
unb @ta(tgebfiuben unb Itoben beim tibergang |ur fldbtifd^n
Kultur beni einen großen, aöe^ umfaffenben Sürgerl^aufe mit
feiner oiel ftrengeren ©lieberung l)atte weichen müffen, fo
fd^manben je^t bie materifd^-arc^itettomfci^en {formen ber alten
^ufif nod^ bed flaffifd^en S^italteri^ not neueren, umfang«
teid^ren, einl^eitUc^ev unb fompaltet otganifterten @ebi(ben.
^efe neuen ®ebi(be aber netmod^ten am (eid^teflen ba
gewonnen werben, roo nid^t bloß unbeftimmte ©efü^te baS
Öerüft ber muftfaliidjen (Stimmung abgaben, fonbcrn un5n)ei=
beutige ^Uttel ber 6prad^e bie Stimmung entfd^icben unb
f (ar sunt Slu^brud brad^ten : alfo in ber oon tieften begleiteten
SRuftl: im Sieb, im Oratorium, in ber Dper. Unb fo gefd^o^
ed. ^ba& Sieb mürbe fd^on in ber ^meiten Hälfte bed 18. 3al^r*
l^unbert^ ber Präger ber jungen Slnfänge ber neuen Stun\t ; bie
Dper fal) fid^ feit ©lud auf benfelben $fab gebrängt unb
fd^lug i^u erfolgreid^ ein feit Wagner; unb ha& Oratorium ift,
menn aud^ nod^ taftenb, bed gteid^en SBege^ gegangen feit fiid^t.
Unb bie SnftrumentalmufU? ^ fie bie groj^en eui^t^
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Confktnfl.
85
nüfd^==ard;iteftoni}d^en $?ormen ber flaffifd^en geit fd;on Der*
(offen? 3n üielen f leinereu ©attungen noä) nic^t, roenngleic^
bie Qdf^i ber fteieren ^ilbungeti auc^ l^ier fd^on bie bec alten,
gebunbeiten flbetragt. 3n ben grogeit Oattungen bagegeti ifl
boS streben nad^ einer neuen (Surl^i^t^ntie im Sinne ber Ser«
einl^eitUd^uno unb organifd^en ^utd}fü()rung einer befiintmten
©timmung gonj unoerfennbar. 2Beit gef)t eS jurücf; fd)on
^öeet^ooen^ „Sonata quasi una fantasia" fann in biefem ^n-
fammenliang genannt roerbeit. Unb bereits um bie ^])iitte bcd
19. 2la^r^unberti» l^t ed in S)eutfcbianb |u ben Aeimen einer
neuen ^orm, ber ber f9mpl^onif<j^en ^d^tung, gefül^rt; 2iiS}tö
Diettcid^t erM ^ierl^ergc^örige^ oöllig flare« SBerif, bic 3Wufif-
bid^tung nod^ 35. fiugoS ^Ce qu'on entend sur la montagne'*
ifl 1849 ooHenbet, 1854 auf einem ^offonjerte äiieimac
}uerft gefpielt, 1857 oeröffentlid^t worben.
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IV.
^r^od^ bie ^arpeffinuj gerät imroiQfürncfj in bie Grjafihing
ber neueften ^üififgef^id^te. ^J2id^t o^ne (^runb. Xmn nad;
afletn, xoa& in bem DOtIgen ^bfc^nttt auiSgeffl^rt xouxhe, ift ed
Kar: feit etwa SRitte beiS 19. Sal^r^unbertd beftnben wir und
t^atföd^Iid^ in einet neuen ^eriobe ber SKufif, nef^ev bie
romontifc^e 3)tiifif iinb bie flaffifcfie ^ufif, joroeit biefe oor*
n)ärt§ TOeift, ebenfo $ßorperiobcn bilbcn, wie bie Qciien ber
ßinpfinbfamfeit mit fofgcnbem ©türm unb XxawQ unb bie
Sa^rje^nte ber ä^JoinontU SSorperioben iinb §u bem S^italtec
bev l^eutigen Sieisfmnfeit in bilbenbet ftunfl unb S)i4tung.
Umfd^Ioffen aber ifi bied $aor von je bret ^erioben g(ei4*
mäßig von bem großen, fie alle bc^errfdjenbcn iliomcnt bcö
fubjeftiüiftifci^en (Seelenleben^; ober anber^ nu^gebrücft: baS
3eitalter be§ ©ubjeftioi^mu^, bie fogenaunte „neucj^e ^dt",
bie in ^eutfd^tanb um 1750 einfe|t, um bie ,»neuere 3<it'^ bai»
inbimbuatiftifd^e 3«itQlter feit ber 9teformation absulöfen, geigt
jnnäd)fi bie @ntwi<fiung^p^afen ber ^pftnbfamfeit ber
^Romantif iinb ber "Jicijfanifeit (^^eroofität), unb biefe werben
auf mufifalifdjcm ©cbiete burd; bie 3}iufif ber 5llnififer, foroeit
fie oorroärtd roeifi, ber ^iomantifer unb ber „Dkuen" geleuu«
)ei(|net.
5Der 92euen, nid^t iUi SBagnetd. Senn e9 ifl ein
Srrtum, wenn man bie neue SRuftf, roit fte bei SBogner in
beffen jiociter ^eriobe (alfo nad) 1850) einfe^t, fd^(ed)tt)in q(3
nur ^^agnerifd; be,^eid)nen luollte. (^in furjer Überblicf über
ben t^atjäcbUd^en Verlauf ber neuen itunfi mxh oielme^r geigen.
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Coiifunfi.
37
ba$ Sßac^iier nur eine periöiilid^e SteOfitno inner^olS biefer
(jencvell neuen 5lunft l)at, an beren ^urd)bilbung and) anbete
aufeer il;m ben regften 3(nteit c^enommen l^aben nnb netjmen:
eine perfönli(^e Stellung freilief;, bie infolge gan^ befonberer
Urnftönbe btlturgefd^id^tlid^ ald. überlegen erfd^einen mug.
^ unmittelbarfie äUii^gangiSpunft ffit bie neue ^uftf ifl
in ben fpöleten SBerfen Seetl^oneni^ gcßcben. i&ier l^at 2x^t
am ineiften innerlid; antiefnüpft; \)kt üor ollem begeifterte fid;
ber ßerolb ber neuen ^]}tufif oor bem großen ^ublifum, ßang
von ^üloxo; unb xoa& äBogner betrifft, fo ^at er bie neunte ©pm«
Päonie \^on mit snmn^ig gal^ren oudroenbig gercugt, unb man
fennt feine nientab verleugnete überfd^wöngHd^e ^e^rung fflt
fte unb i|ren 6d;öpfer.
^cr erfte Segrtinber unb ber ^auptfämpfer jugteid^ ber
neuen ilunft aber roar Si^^t (181 1 — 188G). 2Bag tieffte ©d^öpfer*
fraft angelet, ^at man xi)i\ Sagner n)oI)l gar in bad $er«
^ältnid gefteHt, in bem man ©oet^e }u ©((^ider fel^ pflegt
Sid^er ifi^ bog er auger ber SKnfnüpfung an Seetf^oven unb an
geroiffe mel^r äufecrlid^e S^Jeformen wn Serlio) (^rogranmtmuftt
im ©inne eine^ cin^eitUdjcn ^lunftiuerfe^, beftimmte ord;eftra(e
Slnberungen) eigcntUd; feinen Vorgänger l^atte, al^ er, jum ^eit
lange oor SBagner, in feiner ^laoiermufif bie unbefannten
gifobe ber neuen SRuftf betrat unb in ben frül^eften feiner
f^mp^onifd^en S)id^tun9en i^e erfte groge inftrumentate ^orm
nod^ wt ber SRitte bed 3^^^()un^^i^ S^t offenbaren begann:
„^affo" ifl 1849 in SBeimor jur Oieburt
^oetl)e0 aufgeführt luorben. Unb niag ift 2\^t SBagner al^ Jyreunb,
Berater, unermüblid)er Reifer unb ^rebiger feiner 5lunft geiuefenl
SBirb trofcbem bie S3ebeutung erft in neuerer ^eit mtf)X
gewürbigt fo l^angt bad mit bem befonberen G^arafter feiner
Sßerte aufammen. 3n Setrad^t fönnten ba an erfter ©teffe
feine fiieber fommen. 3" i^»^» ift ber neue ©til bereite oöüiö
ausgeprägt: ber reine glufe ber ^Dielobie ift aufgel)oben; ju
©unften einer größeren fubjeftioen SluSbrudfi^fäl^ig^feit ift hQ&
metobifd^e @efüge getodPert; burd^ gans fur^e, einen ober mentge
Safte umfaffenbe 2;c!ng(ieber i{l eine älnpaffung an bie feinften
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88
(Cottfunf}.
gd^atticninncn ber ©timmung cnnögliit. 3nbc8 Wefe Siebet
finb erft fpät 511 ben Dbren eine^ größeren ^:publifumg Qt--
brungeu. 3}kn ntiig t}ier bcbeiifen, bafe ßi^jt in Ungarn ge=
boren unb feinem äßefen noc^ international raar; bag £ieb
aber verlangt einen nationalen £e6eniSquea ber ©efü^Ie. 9Ubm
bent Siebe war bann bie jweite ooIfttflmU^e 9mx ber neuen
^hifif btc Dper. «ud6 ^ier fe^fen Seifhingen Si«jt«, «Ke6 ato
britte ^Ögüdjfeit, rafd^ imb weit 3ii(]lei(5 §n niirfen, btc Ätaoter*
mufif übrig. Ijat 2i^t vkl gefd&affen, aber feine 5l(aüier*
jtii(fe boten junäd^ft überrafd^enbe led^nifdje ©djjuierigfeiten.
3m (^runbe nmr ba^er bal^ C^nflufsdebtet Sidjti^ begrenzt auf
bad grojse Ord^efler' unb bai$ (S^orwert: in ber neuen ftunfl alfo
auf bie fi)mp^onifc^c ^id^tung unb ba» Oratorium. Stuf biefen
(^kbieten Ijat nun ßi^jt aud^ ©rofeeS gefdjQffen. ^od) im Ora-
torium galt immer nod), ja foeben nod^ burd^ bie 3Juffaffung
iDienbelöfol)n^ boppelt feft unb fdjeinbar für immer begrünbet,
ber Ürd^tid^e €ljara!ter; unb fo fel^r i^m Sii^t in feinem
„Cbrifiud'' unb ber „^li^m (SUfabetl" gereii^t nmrb, fo »ar
bod^ ba« ®ebiet infolge ber l^enfd^enben Stnfidjt ein begrenzte«,
fit^jt« fpmpl)0Hifdje SCidjtiiiititn aber, „^affo" unb „Hunnen--
|d)(ad&t", „5Die 3beale", „DrpljtnbS" unb „?Nrometl;euö", cor
allem bie „gauftfpmp^onie" unb bie „SDantefpmp^onie", ^tten
in SIBettbemerb treten mit ber wunberbar reid^en fpmp^o«
nifd^en @rbfd^aft ber flafftf^en geit unb trafen fafi überall
auf fefl eingefd^roorene Semunberer biefer.
60 fjat 2\^t baö Sdjidfal fo meler (5)ro6en geteilt; er mirb
erfl ©encrationcn nad) feinem ^obe, unb auc^ bann otel leidet
me^r in bem bemunbernben (i^fd)id)tli4)en ^erftänbnid ber QtiU
genoffen, al^ in feinen SQi^erfen leben.
gm übrigen i^ eS gut, fid^ biefen 3ufammenbang §u uer<
gegenwärtigen; erfl an ber Äel^rfeite ber Erfolge SiSjtÄ bei
ficbjciten läßt fid) ermeffen, rvM) ungemeine ogitatorifdje Äraft
2i?agner befeclt l^at. ^Dafe aber unter fold&en Umftänbcn fülle
kleinere ber erften (Generation ber neuen 5?unft mäl)renb iljreä
Sebeni^ nid^t red^t ^u SBorte gelommen Tinb, ifl eigentli<b felbft«
oerflänbli^- "SM war im ganzen bdd Soi» oon $eter Sornetiui»
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(1824—1874). ttnb M war e^, obiool^t (^omeUu«, ^^ilftfer
unb ^id^tec jugteid^, gcrobe auf bem populärften ©ebicte bcr
neuen Äunft, im ßtcbe, $i^unbcrbare^ gefd^offen \)at Qe^t
freilid^ erfcnnt man feine grofee unb xoal)xe ©mpfinbung au
tinb beginnt feine äBei^nad^tdtiebet, feine (E^orgefönge, feine
Xtautt^9v€ ffit SRAnnerfHmmen l^ufiget p fingen; unb feine
bcfte, beim ©rfd^einen ouf ber ©fl^ne juerfl arg jerjaufle Dper
..^er 33arbier oon SBagbob" (1859) getüinnt eben in biefen
^agen von 2^{)eater ju ^^!)eater an Söoben.
S)a ^atte e§ benn bie streite (Generation ber neuen ilunfl bod^
fcl^on um oieled beffer. ^ugo SBolf fyit feit (Snht ber ad^tiiget
Sa^re unter frfl^r Kner!ennung burd^ bie S^itgenoffen Sieber»
c^f(u3 ouf Sieberctjfrug gefd^nffen, h\9 i^n ein fd^roere« So«
üom ©rfolge Eiinroegrief ; 9fiic^arb Strauß, feit 3J?ittc ber
ad)t5iger Saläre anerfannt, bat in fpmpbonifd^en ^id^tungen bie
^ec^ni! ber neuen ä)iufi! mit augerorbentlid^em <5d^arffinn be«
rei<i^ert, wennfd^on feine von il^m befonberd geliebte Oper
,,€iuntrant" (1894), oomebmtid^ aud^ loegen ted^nifd^er ©d^miedg«
feiten, bi^b^r nid^t l^at gufe faffen wollen.
(Sine gejonberte ©teöung enblid) unter ben großen beutfd)cn
aWeiftem beg 19. gabrbunbert^ nimmt ^xal)m^ (1833—1897)
ein; unb fdbroet ift eS in ber X\)at, feine ge{c^i4)tlid^e Stellung
fd^on mit bem Sinfprudft auf aud^ nur eine Bpm nm @nb*
gfittigfeit §u umfd^reiben. Sid^erli^ ifi er leiner ber im
ftrengen <Sinne mobcrncn miififalifd^en ^tmidPtung^rid^tungen
ein5uorbnen. 3(u^ geljt er üor allem von 33eetbot)en. !3)anebeu
finben fid^ in feiner Tlnfxt romnntifd)e ©lemente im engeren
©inne be§> äBorte^: S3rabm^ ift oon 6d^umann in ba^ mufi*
faiifd^e Seben eingeführt morben um bie SRitte ber fünfziger
Sa^re, p eben ber S^i, ba SSagner in bie ^meite $eriobe
feiner 5lunft eintrat. ©nblid& cntbalten feine 9Berfe jroeifel§oJ)ne
eine Unfunime oon 6purcii ber neuen Kunft. 9lber er haut
im allgemeinen bod^ nod^ nad^ ber 5trcf)iteftoni! ber flaffifcben
ü){ufif ; xok ©d^umann unb ^^enbeldfol^n f)at er nod^ alte t)ier«
fähige S^mpl^ien gefd^rieben, menn er aud^ fdfton burd^ @ro6«
Ifigigleit unb reld^ ^in^eit be9 @ansen fetbfi SJeetl^ooen
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fibertrifft. Unb 0nmbfä|U4 neigt er irid^t |ur ^terbilbutig
ber muftfalifd^en gfdrmeit. ^nnod^ buiit 8ra(miR hn neitemi
Sinne ben i)iobernen jugered^nct toerben. @r t)ot bic neuen,
in ber ^lusbiltiung beg 3}Jotiün)efen^ ^öd^ftcr ©inl)eitlid)feit
^ujlrebenben ^^onnen jtoot ebenforoenig angen)anbt, wie er fid)
ber Qtett realiftifd^en, neroenerfc^üttembcn inftrumentalcn ßffefte
bebietite, — wie ibn benit fiberboupt eine innere Sibeu abhielt,
ft<j( in bie aibgrflnbe bed ntobemen reisfamen i^pftnbungd*
lebend ftürgen. 9lber er ifl bo(b von biefem Sebcn nic^t
nnberüljrt geblieben. 3n toufenb Dbertönen beben bic
©d^roingungen ber (Seele einer reiiiomen ^nt auä) in feiner
@eele unb in feiner Wlu\it mit. S)ied rei^fame ^^>efcn tritt
vn0 entgegen in ben nieten di^i^iimm, bie gegen bad äKetrum
geben, in ben uns&bligen grfiblerifd^en {Harmonien unb in ge»
roiffen flonglid^en 5lombinQttonen , fo im ©egenfpiel böcbfter
^iötante mit tiefftcn ^Mffen. Unb roo ^ro^mS in ber alten
^iatoiiit (einreibt, ba flingt auc^ fie berb, wie bei ben 3}Jobeniften,
unb m4lt mit ber ibr in früberen Seiten eigenen pfpdjfifcben
äBirtung. @o ^at Srabmi^ in beigem (kleben ben alten
Stimmungdgel^It mit oieIfo(3( f<bon mobemen fRittebt no4
einmal in augerorbentlid^er SBeife oertieft. & ifl eine ganj
perfönlid^e 3lrt, eine in ibrer äßeife einjige SSereinigung über^
lieferter imb roerbenber 3)lomente. ®3 ifl eine Stellung, bie
ficb entwidlung^gefd^id^tlicb mit ber $a(bd in einem anberen
Ülbergang 9on «B^italter §u B^talter vergteicben liege. äBie
ed fiber 8a(b b^naud einen ^ortfd^ritt in feinem Stile nicbt
gab, fo xoxxh ein @lei(bed Don IBrabmd gelten bfirfen: aU ein
homo sui generis wirb er fortleben im ©ebäd;tniii ber ©efd^id^te.
Ober foUte er ficb ben Übergang^ibcaliften oergleicben
laffen, bie mir auf bent ©ebiete ber ^]}{alcrei finben werben,
einem Sddlin, ^b^ma, Utinger? wäre Alinger ni(bt blog )u«
fällig einer ber feurigften Serebrer be0 OieifUti^? ffioiS bem
aJ^ufifer unb ben Katern gemeinfam erfcbeint, ift bie SSer*
fd;mel3ung oon alt unb neu im {^euer einer böcbft perfönlicben
@inbilbungd!raft.
3nbed — und interefftert bi^ nid^t eigentlid^ ber weitere ^er*
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fanf ber neuen 9htfif, fomie i|fe fflngfle Umgeflaltung in eine
fogenannte muftfalifd^e ^.^Robeme"; wir fftnnten ba ebensogut
Setradjtuncjen über bie mufifalifcfje 3"^u"ft anfteCfcn: iniuicroelt
etwa nod^ baS Drotorium umjafcbaffcn fei unb bann bie flrofeen
Drd^efterroerfe befrnd^ten fönne, — ob ftd^ bie ^ammermufüf^ eine
äRufitf mrm in bec äBeif e bec äRaCecei aReiff onier«, oon groger gfein«
l^t, ober veralteter ^ed^nit, etma nur fftr ftenner ^Iten ober
aud^ eine Belebung burd^ ilmbilbntig i^rer formen erfaßten
rocrbe u. f. w. 2)ergleid)cn fragen fönntc man aufroerfen ; unb
rcie man fie aud^ beantrcortcn möd&te, nton würbe quS it)rcr !öe>
^anblung imnter()in tDertooUe Anregungen au6) für bie Kenntnis
ber Sergangenl^ gewinnen. SBir inbed |ie|en ben biref ten SBeg
biliorif^er Se^nbbing weiter, unb ba feffett uniS entwUCbingd'
gefd^i^tlid^ nur bie ^^Urieit" ber neuen Sßln^xl bie neue 9htfi!
ofö erflc grofee fünftterifd^e ©rfc^einunggform eine« neuen
(Seelenlebens, bcS ©eelenlebene ber ©egenroort, ber ^criobe
ber Steigfamfeit. 2luf biefem ©ebiete aber ift nur nod& eine,
freiiid^ wid^tige gfrage |u bef^anbeln: bie nad^ ber ©tettung
Sßagnerd in bem allgemeinen foeben gefd^ilberten CntwidHungii«
gang. f>enn vM mm oud^ fagen mi^e: fBagner ift We
repräfentatiüe ^erfönlid^feit biefer 33ert)egung unb, raic mit
balb fel)en roerben, er ift nod^ niel^r: er ift bie ropiäfentatioc
^föulidiifeit ber 3lnfänge ber reijfamen ^^.'ciiobc üt)crl)aupt.
Sa verfielet eii ftc^ nun }unöd^{i non fetbft, bag jene f rü^ von
il^ geübte bi^erifd^e Xrt ber fle^anbbing ber bramatifd^en
Probleme, bie non noml^eiefn — unb nwar nid^t ^uin geringflen
von nnififalifd^en Slnreginu-jeii aiiS — auf inncrfteS ©rfaj)cii ber
feelifd;en ^ßorgänge l)iniineö, ben 9)Mfter o^nc weiteres ber
neuen ^unfi jufü^ren nuifUe. Senn Wagner aus beni tiefften
Crange feiner $^antafte Xe^te f dj^uf o^ne nooeDen^afte (Elemente,
o|ne Sntriguen, o^ne anefbotif^e Seigaben; wenn er bie 8e*
gebenl^eiten unmittelbar bem IBorn bei^ menfd^lid^en bergend
entflrömen liefe; wenn er große (Iljaraftere innner mel;r von
cinfadf)ften ^orauSfe^ungcn auS gur ^nnbhing brndjtc unb gur
@d^ulb : wie utufete er ba fd^öpferifc^en Anteil nel^men an einer
aJUifit, beren erflrebted gbeol ürog^gigleit, einfad^ed SS^efen,
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0ebnin0eiilMt tinb Hörer Serlauf »ar? Üiit treten bie 3^'
fantmen^Quge jioifd^en her ftntifl SBogneril unb ben aUgeinelnen
jeitgcnöffifd^en ^öttfd^ritten bc* muftfd^cn ©inne« §u Uagc;
^ii^ognerS Dper roarb barum jum ^JJJufitDrama einer itjm immer
eiU^ufioftifc^er gufaüenben ^nt, roeil com bromaturgifd^eu
©tanbpunft ^er bem feelifd^en S)rängen ber murifalifclKn @nt«
wicKutigentgegenlaiiiJaiwraudeilte. 3n bief em Bufammentreffen
beruht junäd^fi bie ted^nifd^ (^n^eit bei» mufUalifd^en ^mai»:
eiB fomite bei vereinfachter ^^anbfttitg ber ^oübel ein ooOeS
J^unftroerf fein, roeil fpmp^onifd^e ^id;tung locrben foimte.
Si;nip(jonif(i^e ^id)tung : — bie 'iBortc bejeid^nen ba^ mufi«
falifd^e ^{en bed äBogner)d)en ilunfttoerfeiS. ^ic^t al& ob
boi» SDrama goni sur 9)2uft! im Sinne ber f^mp^onifd^en
Sid^tung genwrben loftre. SIber bie aCnnAl^ernng, itnb bamit
boft fd^öpferifd^e Eingreifen Sl^agnerd in bie fotwidfrunn ber
neuen 5}hifif, roar beträd)tlid^. ©r (^eftaltete üor allem, bem
greifbareren ($:f)araftcr ber bramati)d)en 3)id^tung gemäfe, bie
^^emen unb ©egent^emen be^ f^nipljonifd^en itunftroerfs fefter
au^, inbem er nur eine begrenzte ^nja^l immer wieberbolter
SRotioe sulieft/ bie jugleid^ bie ein|e(nen ^rf onen bei» S)rttmiii»
unb ibr Sluftreten d^rafterifterten. 60 entfianben — ni<l^t
o^ne SSoranfängc bei SBeber unb aud^ "iDierierbeer — bie he-
fannten :^eitniotiT)e, ^luetöfungen ber pd)ften, ben ganzen
(Smpfinbungefrei^^ be^ bramatifd^en ^^Norwurf^ umfoffenben unb
abf(blie6enben ^egeifterung : jugeflüftert feien fte i^m von
ben (Behalten einer bereitd bid jur b^fien igebbaftigfeit ge«
reiften {ftnfUerifd^en Qmpffingnid, behauptete ber 9Rei|Ur.
(©d^riften * 10, 172-3.) SHefe «eltmotioe bilben nun ben ©in
fd()(ag in ben B^^ttel ber miififali)d)en ^egleitia^. Unb baburd^
entfielt jeneö f^nip^onifc^e ©crcebe, auf bellen breitem $lan
bie @eftalten beiS ^ramad leben, leiben unb ^anbeln.
®eioi^ ifi bamit bie ä^^ufif nid^t mebr rein f^mpl^onifd^
^id^tung. S)enn neben ben i:on tritt immer wieber gleid^«
bered^tigt bad SBort, unb beibe ergänzen ftd^. SBie ber 9ibvt^^
mug beö ^iier^baug, bie 3lrt be« 9^ieim§ unb ber ^^lUitteration,
bie Häufung bunfler unb geller totale ben bidj^terijd^en
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(Confnttf.
4S
Stielt bet empmniiiellenbeR fileffl^Ie ii^^mt unb mit bereit
fBonbel in (inben tinb fd^roffen SBitfungen loe^felt — fo
fd)miegt fid^ im Slufgc^cn in bic ©efü^Ie bo^ imiufQlifd)e (vje*
TDcbe be^ Drd^cflcrg unb bcr Sint^ftimnien bo4) Qud) bcm
bic^terifd^ erforberten bromatifd^en ^udbrucf an ai& ein ©anjei^
mit ber ©prad^e unb erhält baburd^ — genau mie bie ©ptodjK
att Unterlage nur bet SKd^tung ongefel^en getegentlid^ un'
gleid^mäfeig, ja jcrl^Qdft crfd^eint — etwa« für fid) betrod^tet
Sprint^enbes, ^ieroöfeö, Slbbrcd^enbeö im ^lNerii(eid) mit ber
rein frimpl^onifd^cn Sdjöpfunc;. 5lber gernbe in bicfen ^}Jiänöcln
ber (Bpxad)e unb ber äMuftt, wem man jebe für fic^ nimmt, jeigt
ftd^ bie (Einl^eit bed ganzen itunfhoertt unb feinet (impfdngntd.
auf bem Sebiete bet 9Ruflf aOein ober mat bie Sßirfung
(Sefamthinfiioertt bod^ grog genug, um Wagner al^nungd«
üoll fd)on in feiner erflen, tiat unb beutlid) in feiner üroeiten
"il^criobe ber (Sntraidlung ber neuen ^unft juj^ubrängen. 9Bie
ftorf babei ©infUiJ unb bircfteß (Sinroirfen ^x^t^ mar, — wer
mitt l^eutefd^on gons etmeffen ? @id^er \% hai äBagner bie neue
S^ed^nit in oielet $in^d^t bod^ aud^ felbfidnbig unb auf ®tunb^
eigenficr f^unbe geübt l^ot: er l^at, ein B^id&en be^ rool^rcn @r*
ftnber^, perfönlidjen 8til unb unücrfcnnbnre (5inennrt. 80 l)at
3)Ja9rberger barauf f)ingeiDiefen, bafe äi>ai;iuT, nni bei langen
©a^en ober 9)iotioen bem ^örer bag 33en)u6t)ein ber ^onatität
SU erhalten, ein fftt il^n befonbetd d^atatterifiifd^ "SUitiü an«
menbet, balS etwa bet tl^totifd^en (Sfltpfe entfprid^t 9Bie
ttSmtid^ in bet Siebe tnöglid) ift, in bewegtem @efil^( ober in
aufgeregter £eibenfd&aft, guroeilen aud^ ber JRüv^e unb 3Kilid)fcit
falber, ein SBort ober mehrere SBörter auöjulajjen, um burd;
bereu bem ^örer zugemutete felbfttl^atige (^rgän^ung bie
Sttbing |u etl^^en, fo löft SBagnet bie S)if|onansen
bet (Sl^romatif nid^t fiufenweife in eine ^onfonan) auf, fonbetn
Qerfd)weigt bie 9(uf(öfung unb l^d(t eben boburd^, ba^ et fle
bem $örer juroeift, bie biatoiüfdje ©ruiiblage aufredjt. ift
cini^ unter oielen 5}ZitteIn äi>agncrö, ber neuen 3)hifif gerabe
ben ßfiarafter ju geben, beffen er für fein 2)rama bebuifte:
witb bie ^otfd^ung einmal atte biefe äRittel fpftematifd^ and^
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(Confunfl.
2\6)t gebogen ^abm, fo merbeu mir imftanbe fein, ein guted
2:eit ht» SStogner perfdnliii^ eidtietiben ^ttli» |u ttbecblitfen.
int übrigen ber 9tei|iet aOe ftflitfle ber neuen ^Ced^nit
unb namentlid^ ber G^romatif mrtuoiS b<tnb^obte, ift befannt
genug; quc^ ber 2Iufnal)me alter mufifalifdjcr Xedjnif jiir ^er*
ftörfung be^ ©egenfa^e^ voax er ^olb; man braucht ba nod^
gar nid&t an bie „^WeifterRnger" ober bie jablreid^en 3)lonobieu
feiner dornen im Sinne bei» \päitxm 9)Httela(terd §u benfeit:
im „ißarftfaC wirb bad ganje ®nitenu>tio unb boiS (Slmitnih
i^ma im Sinne ber älteren Äunfl biatonifd^ gebolten, um l^ier
überirbifdjc Segcnefraft, bort JVeftiflfeit unb Uncr)djiUterlid;feit
be^ ©laubeng ju oerrmubilblid^en ; Äunbrp unftete <Seele ba=
^egen, ^er^eleiben^ mütterlid^e ^ngft unb Slmfortod' Dual
werben in wefentUcb <i^ronmtifd^n äRoÜoen Dertörpert.
SßiQ man l^eute^ m foum fd^rnt bie SInfönge einer tieferen
T^urdiforfd^ung ber neuen ^Wufif oor^anben finb, ftd^, freilid^
ein loeniß rsrob, oergegenirartigen, inraiewcit äBagner 3}Jeifter
unb 3)Utbcgiünber ber neuen 3}hifif genannt werben (ann, fo
ijebenft man rool^l am beften feinet außerorbentlicfien ©influffeä
auf bie mufttalifd^e ^urd^biibung unb Skrftörfung bed OrdSiefierd
unb auf bie Segrünbung einer neuen SBeife ju fmgen. 3u
beiben fiinfid^ten finb bie Snberungen befannt, bie er mk nie
raftcnber Energie burd)fetUe. <Sd^on gelegentlid^ feinet langen
crften ^arifer 2Iufentl;alt)5 ^atte er jene ©enauigleit unb gein*
t)dt ber granjofen in ber 2luffüf)rung pon äBerten ber rebenben
unb ber mufifd^en üünfte bewunbem gelernt, bie nod^ b^te
bie beutfd^e bei toeitem übertrifft. 9la^ S)eutfd^(anb ^urüd-
<}efe^rt, l)atte er bann on bie beutfd&en Drd^efter fran5öfiid)c 2ln*
forbenmgen geftellt: UiuTbittlidjfeit in biefcr fiinfidjt niar eine
ber Urfadjeii feinet SDrei^bner Unglüdö. Unb aU er bann au
bie äluffü^rung feiner eigenen SlBerfe ber ^weiten $eriobe ^eran«
ging, oerf^ärfte er biefe Sorgfalt no4 unb er^og fo iene
Ord^efier unb erhielte fene S)arbietungen , bie feber ^namif
unb 3^itfc{)n)anfung gered&t würben. Unb roie mar injroif d^en
üon il;ni aud; baS Drd^efter fclbft in feiner S^^fö^^^^^ttfcfeung
Deränbert loorbenl Aufgaben einer neuen üDpnamit unb (Sr«
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Confttn^.
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finbunc^cn neuer Älongroirfiniö bebiirften neuer ^iiftnimente iiiib
ja^lreid)erer 3"fti^»"iciitc Won befamiter ^attui^: fo würben
neben ben ©treid^inflrumenten nanientlid^ bie ^laöinftrumente
oerMrtt; fd^on im „So^zn^xin** tritt @(fa fafl audfd^liegdd^
oon Sladinfinimetiteii gefolgt auf, unb flönig j^eintid^ wivb
von ^ofmtnen unb trompeten begtdtet. SBet aber wü^tt
md)t oon ben Snberungen, rce[d)e bie iluiift ^Banner« im (^k--
fang l^eruorgerufen ^ot: ber bei canto oerfcfinmnb, bie nuifi*
falifd^e ^eflamation gewann ha^ §elb, ber tpeaifiic^ »beutfc^e
@tit" bed (Sefangei^, nie bie SBagnerianer ido^I jagen, fam
Sur SntwiiKung.
Sie fe^r bod aDed in ba« praftifd^e ^afein ber SRufif ein'
griff, jeigt bie T{)atfad)e, bo^ Sl^agner feit ben fedi^iger Qa^ren
immer unb immer raieber beftrebt roar, eine eigene ^c^ule ber
audfü^renben ^ufi( begrünben.
Unb bo(6/ toir werben ni^t oerlennen, ffiiegelten ii4
in ben Serfinberungen bed Ord^eßerd unb ht» ®efangd nur
ung(et($ einfd^neibenbere unb tiefere Serfinberungen bed inneren
Sßefen^ ber ^ufif lieber, — trat Ijier nur befonber^ beutlic^
baS Sterben einer neuen nuififdjeu i^unft ju Xage. Unb biefe
mufifc^e Kunft luar nid^t auf ftide ^Nirfungen befci^ränlt; fie
fud^te nid^t blog bie ^imlidtifeit ber ilammermupl auf, unb
aui$ bie {^Ken ber Drdftefieraufffl|rungen genflgten i^r nid^t.
Sie nuir verfd^roiRert mit ber ^d^tung unb innig verfd^motfen
mit ber üolf^tümlidiften unb für ba^ B^itt^^t^i^ d;arafteriftifd;ften
oller poetifd^en Gattungen, mit bem ^rama: baS Xf)eater
fuc^te fie auf, ja fd^uf um unb fprad) uon ber ^ü^ne ^er
taut bett (aufd^enben ^{affen. Unb inbent fte fo su einer
SRad^t ber Seit marb, fdrberte fie ben neuen @eifl ber muftfd^en
Sewegung gerabe an ber Stede, an ber er am el^eflen burd^^
jubringen üermodjte: in ber SBiebergabe ber burc^ SBorte he--
ftimmt gefennjeidSineten unb bod) aud) ord^eftraler SBirfung
}uftrebenben muftfd^en ^egeifterung, in ber oolalen uub su'
g(eid^ inflrumentalen ftunfl ber Oper.
60 ifi benn bad oor aSem fftr ffiagner bad G^aral*
teriflifd^e, bag er, mag er aud^ ben 9tu|m bed äBegrünberiS ber
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46 Confunfl.
neuen BRuftI mit anberen teilen, bod^ lange Seit l^inbutd|
ber einzige Slteiflet mt, ber biefe neue SWup! ber fHatxon
wirfUd; na^e bradjtc. 3n)ofeni war er in ganj anberer SBeife
als felbft i^i^jt ber 9ieprä)entant feiner 3*-'^^- '^^^'^ ^(^^ fei»^
^ebeutung in biefet ^infid^t nod^ ec^öi^t: er n)Qr e$ nid^t blo6
in mufüalifd^er, er loat eiS aud^ — vmn ftd^ auf (odfere unb
nod^ latb unburd^fid^tifte Strömungen fo BeRimmte SBorte
anmeuben (äffen — in et^ifd^er unb p^itofopl^ifcf^er ^infid^t.
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V.
9lo4 l^ute gilt Sßagnet im ©efpräd^e bet ®eUIbeteii ge«
fegentUd^ atö unfelbftänbigcr Slnl^änger, ja bIo§cr ©d^ütcr
©c^openl^Querg. Äein gröfeerer ^rrtiirn ift benfbor; äßagncr
f)atte bie ©runbfcften einer gonj onber« gearteten 2Be(t=
onfd^auung fd^on getoonnen, el}e er Sd^open^auerd Sd^riften
fennen lentte; utib langfi bmitd iß M von ben ffiagnergele^rten,
unter ben Siograpl^en nor aOem oon iS^htcMn, flberaeugenb
nod^gciüiefen toorben.
Um 1850 roar SBagner in ben gunbamenten feine« att^
gemeinen ^en!en<8 fertig, ©elegt \)at er bieje gunbamente in
bcr für i^n übertoiegenb traurigen S^it jroifd^en etroa 1840
unb 1850^ in ben breigiger Sauren alfo feineit iSebenft.
^matt, att er von dix^a l^offnungdfreubig nad^ jenem
^orig gefommen roar, in bem er an^ ber Entfernung ber
baltijd;en ^romn^eu {)er ben 9}Utte(punft unb bie glßU^)'
toerbung aller Äunft ju oerel^ren gelernt ()atte, würben, feit
1839, bie etgentüd^en @runb}üge feiner SBeltanfd^uuttg ent^
vMtlt äBie onber0 nxir bod^ bieiS $arid, att er ficb iH>r«
ge[ieat ^atte! ftauflid^feit untouterer Sinn, Si^ettbewerb mit
üllen 3JJitte(n be« Äapitali^mu« auf ben ibealen ©ebieten ber
Äunft überaß, fo fd^ien e«, raoljiu er ]Qi), — unb er felbft ge^
Icgentlid^ ^lalb oerf)ungert, auf Lohnarbeiten aiigeroiefen, oer-
bammt jur ^rfiedung von SJ^elobienanangement« nad^ Opern
oen Qal6w9 unb S)oni§ettil S>ad foflte ber SSBelten befie
fein? 9Hmmerme|r. !&ie ilultur, mie fte beflanb, mt bad
Serberbni« ber SBelt. (Bin tiefer ^effimi^muiS erfüSte ben
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48
Coltftinfl*
SReifler — ein ^efftmidmud, ber burd^ bie ^Oredbner Ctfal^rungen
gegen @nbe ber üierjiger ^a^xe mo\)[ noä) üerftärft tourbc.
Slber Sßagner l)Qtte m6)t ber fd^affenöftäftige ÜOIenfd^ fein
müffen, q(S ben er fiel) jieberjeit hmäl)xt t)at, meim i^m nid^ft
fd^on frü^ ber ^^tieb^ }ttttö4ft nur bunfel empfunben, auf«
getaud^t mdre^ nun biefe fdftlintme SSelt }u beffem unb bantit
einen SludbÜdf wenigflend eröffnen auf eine onbere Stviltm,
eine fd^önere Sufnnft. ^Der 3")"tinft beS S^A^eneration^gebanfen^
regte fid^. Sereitö anf ber ^ieife nad^ ^^axx^ IjatU er ben
„gliegenben fioflänber" empfangen^ in $arig bilbete er i^n
burd^: bad itunfitoer!, in bem er ben reinfien $efftmtdmui$,
aber aud^ fd^on bie äteligion beS aRit(eibd prebigt 9Bad bie
^efd^äftigung mit biefem Stoffe für bie Entfaltung feiner
SBeUonfd^auung aufgetragen l)at, ba^ l^at Söagner fd^on in
ben fünfziger Qa^ren beutlid^ überfeinen unb anerfannt. Unb
baneben !am \l)m in $ari0, junäc^ft xooi)i auf bem ffiege ber
^ontrafiiDirtung^ fein beutf^er @inn erft red^t jum 8emugtfein,
unb aud^ biefer, gefiärlt burd^ Sefd^ftftigung mit ber beiitfd^en
^^tl^ologte, beftärfte i^in jnmr in feinem ipeffimi«mug, ^ob
i^n aber gugleid^ empor gu ber üerfc^roommenen Hoffnung einer
großen, glän5enben 3"^"»!^ ber Üultur feineö i8ol£eg: — nic^t
in eine erträumte parabiefifd;e SBergangen^eit fJob biefcr 3!)eutfd^e
oor bem @(enb ber B^t, mie ein{l ber Sd^weijer Stomane
nouffeau: in bie Bubtnft firedfte er moOenb mfinfd^enb
in nod^ nebelhaften, bod^ n)o(;lt(;ätigen ^()antofien. 3n ^re^ben
aber, nod^ uor 1848, oerbic^teten fid; Die Diebel ju beftimniten
SSorfteHungen. SBogner fa^ eine 3^legeneration ber SBelt nur
möglid^ auf bem äBege ber Äunft, — eS war eine ber erften
{lareren ^oral^nungen ber l^ute offen liegmben STfiatfad^e, baft
bod geitalter bed fogenannten 9tea(idmu9 oon etwa 1830 MB
1880, ba9 Seitatter einer noturiDiffenfd^aftlid^ unb bif^orifd^
d^arafterifierten Slufflärung einef Xage^ abgeföft fein roerbe
burd^ eine neue ä^xt mit ber Itnnft, ber äft()eti)(^en (Seite ber
Kultur, aii gü^rerin an ber (Spige. Unb fd^on erfd^ien
il^m atö biejenige (Gattung ber ftunfl, bie ben Umfd^ipung
(erbeifa^ren milffe, an erfler ©tele bie ^id^tung unb bie
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(Tonfunfl.
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^Sflufü, unb indbefonbete bie ^unft beiS murtfalifc^en ^rama^.
& waren tiitt^^m^m, bie äßagnet bann in bet erflen Seit
bed 3o^rje]^nteS feiner Serbannung (1840—1859), in ber frud^t*
baren (Stille ber Sd&roeij, r\o6) mel^r befeftiöt unb quc§ fd^on
litterotifd^ j|um 2lu^bru(f gebrad^t F)at.
3Baö biefcn Slnfid^ten ober nod; fe&^te, war ba§ beutlicä^e
Setüugtfein i^rer allflemeinften unb borum anfd^einenb fidleren
iBegrünbung. & war jiunäd^fi weiter ni(|tö, ate eine aud«
•einanberflrebenbe, wenigfiend nid^t brn^aft Derbunbene klaffe
mögtid^j^ üerallgetneinerter pcrfönfid^er ©tfaljrungen ; bie @in^
^eit rvax nur in bem fubjcftioen Untergrunb ber Seele SBagnerö
(jcöeben. äßagner, ber immer ganj pcrföuUd& gebod^t unb
empfunben ^at, roax ftd^ beffen wo^l beitrugt, unb eben barum
l^atte er f4ion lange nad^ einem fil^itofop^ifd^en ^unbament
feined ^mtmi an^gefd^aut. (St war babet an ^euerbad^ ge«
raten, ben 3J^obep]^i(ofop()en ber S^xt, allein er ^atte nid)! gc-
funben, wa^ er fudjte. !3)a fiel iljm, 1854, ba§ 33ud^ ©djopen*
^auerö in bie fiänbe, fam il^m, wie er al^balb an 2i^t
fd^rieb, „wie ein ^immel^gefd^enf in feine ©infamfeit". 3n
ber X^at: l^ier l^atte ber ^rang bed ^ünftlerd eine rationaie
SCudlbfung burd^ ben longenialen Genfer gefunben; wenigflend
für bie peffimiftifd^e ©runblage feiner ©mpfmbung, nid^t minber
für feine etl)ifd^en Qbeale, bie im loeiteften ©inne d^riftlid;
religiös unb besljalb fold^e beg ©rbarmenS niaren, f)at 2ßagner
in <5d&openlJauer feinen 'ü)ieifter DereJ^rt. Unb — rounberbarer
BufaU — aud^ in ber befonberen Sd^o^ung nid^t bloi ber
Itunfl, fonbern fpe^iell aud^ ber BRufit bißegneten {td^ wieberunt
bie beiben; von ^ier ou8 erflärt e§ fic^, bafe Rd^ SBagncr
burd^ Sdjopen^auer fdjlicfeUd; gerabe§u pl)ito)opl)ifd^em
^Denfen angeregt fal); fein „Seet^ooen" (1870) ift eine 2lrt von
(^gönaung ^u @d^open(;auerS ^etapli^fif ber ^hifif.
Sm ftbrigen aber blieb äBagner einem grunbfätlid^en itnb
metapl^pftfd^en $ef{tmidmud fem; nie ifti^m fein $efftmidmud
etwa« anbereS, als eine übcrrotnbcnbe ÜbergangSfiufe geroefen,
unb jenfeitS feiner fd^roarjen ©djatten teud;teten itjxn früf) fdjon
bie 33crf)ei)3ung^f Cheine ber 'Jict]cneration. Unb bod je me^r, je
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(ConfMift
länger ec lebte, unb je fidlerer er bem oon i()m erfd^outen
Qbeole ber Äimfl nä^cr gu fommen glaubte. 2)arum tritt fein
^effimiiStnud om indficn l^ervor in ben äBerfen ber txfUn ißetiobe,
bte vor ber 8e(anntf<i^aft mit 64o))eti^Quer liegen, iN>r aDem im
».^(iegenben ßollänbet"; in ber smeiten ^Jeriobe bagcgen l^eOft er
auf; aiiö bcm ^etfimi^mu« oon „Xriftan unb 3folbe" unb
be§ „S^ibeluiißcnring^" ergeben fid^ bie „"tD^cifterfinger" jur Se^
jaljung beä 2BilIen^3 jum Seben, iinb im „^arfifal" folgt auf bie
Seja^ung bed Siziliens bie Xf^at, Xxti ^al^xe ahex, beoor ber
..^arTtfal" oottenbet warb, om Sbenb feine« bebend (1880), er*
Härte ber SIeifier: „fBir erfennen ben ®runb be« Serfatted
ber IWenfd^^eit, fowie bie S^otroenbigfeit einer SHegencration ber*
felben; roir glauben an bie 5)?öglid)feit biefer ^Degeneration
unb TOibmen un^ i^rer SDurdifü^runfl in jebem 6inne."
äöorin beftanb nun biefer ©laube, worin bie 2)urd^ffi^run9?
@d flnb fragen, bie in ben engen B^fammenl^ng, ia bie &n*
^eit ber SBeltonfc^auung unb ber Jlunfl SBagnerft einfül^ren,
unb bie jugleid^, fubjeftio, oon ber ©eele be^ ^JKei|!er8 ou§
betrad^lct, bie (Sittfte^ung be^ ^Jiufifbramaö als> cine^ ^efamt*
CunftuHnf^i erflären.
äBagner fal^ in ber befte^enben Kultur eine „fiügengcburt
ber mißleiteten SRenfd^l^eit", caiü £id^t gebradjlt burd^ bie mirt*
fd^aftlid^e (Sntn)i<nun9 sum 5topitaIidmui^, burd^ ben Serberb
ber ^Raffen infolge von ^ermifd^ung mit uneblem, fpejieCl
jiibifd)em 33lut, unb burd^ ben S3crberb bc^ ^.UutejS infolge
ticrifcber 9Jal^rung. l^fijdjifd) unb p^pfifd^ roar für ifin ber
^^enfd) ber mobernen ^ioilifation entartet, unb bie Drbnung
biefer (Siimtifation erfd^ien ibm ab anard^ifdü, i^r @taat ab
9{ot{laat, i^r ^^riflentum, verglichen mit bem ®eifl bed (^oan*
geliumö, alsS „abfdjrcdfenb luarnenbeg ^cifpicl", i^re ©cfefl'-
fd^aft aU Drganifation be§ 9iaubcö unb ber Scbiüdung. Unb
SU biefeni ^ilbe fteüte er nun ein anbcre^ ^ilb in @egenfag, bad
in feinem ßerjen lebte — ba« ^ilb einer i^m feineSroegS un*
erreid^bar erfd^einenben, glän^ben 3ufunft S)a fol^ er in be«
fonberiS gel^obenen SRomenten mol^I bte SSIenfd^^eit flaatenlod
ba^inleben unb bennod^ im fidleren @enu6 ber ^öd^ften yiultur*
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51
guter: beim i^r 53efi^ fd)ieii i(;m burd^ bie ^Serroirflid^ung beö
Qbealg einer neuen ^ieligion ^emäfjxki^tt J^nb er bod^, bajs
ber reltgiöfe 3"9 Gebens ber roeltbe^errfd^enbc fei, unb ^atet
bod^ atö tiefßed (Srtebitt« feinet „perfdnU^en Sebfitfiiiffed" aud'
gefprod^en, bafi .»bie Slnerlennung einer moralifd^ Sebeutuitg
ber ffiett bie 5ttone aSet (Stfemtni»" fei.
2Bie ober biefc neue 3eit Ijerouf führen? 3)a eS fici^ unt
bie aBanblung unb ©rljöljung ber ^J)ienfd;enfeele (jonbelte, fo
f^ienen aQe äugeren ^J}2acl^tmittel, etwa gar poUtifd)e, oer*
tagen. Sur bie äieUgion vermag nad^ SBagner bai» ^unber su
Wirten^ — ober ni((t bie oerborbene SleUgion ber befiel^enben
Äird^en, fonbem eine neue, ^ö^ere gorm, bie ba werben foff. S)aÄ
2Bcrben aber, bie ©eburt biefer neuen ^Reli^ion fonn [xä) nur
auf einem äBege r)oIl3ieI)en : bem ber 5lunft, benn biefe allein
reid^t an bas ^öttUd^e, unb „bod ^unftwerl iß bie lebenbig
bargefieate dteUgion".
Sie fform biefer Aunfl niu| baBei bie benfbar 1^5d^fle
fein: bad 2)ranta, aber nid^t bad l^erfdmmttd^e, unooQfomntene
^rama, fonbem baS S)ranta in feiner SSereiniguna üon
SBirfungen ber bilbenbcn, ber rebenben unb ber mufifc^en
5lunft, ba§ üoUcnbete ^rama, ba^ Eunftroerf ber 3"^""ft-
©enügt aber allein bie gorm? 92ein, — aud^ ber @ebalt mui
gefleigert werben: biefe %om mui geeignet fein, bai^ ^0d^fie
unb ^teffte, m$ ber ©knfd^engeift ju faffen fntflonbe ift, in
pd^ ^u bergen unb auf bie üciitänbüdjfte StBcife mit5utei(en.
§ier tritt bie ^orbonnuj cincv^ Qnljalte^ auf, ber, rein menfd;»
iiö) unb eben baburd^ göttUd; jugleic^, aUem ^ufä^Iigen, aüern
fpejiftfd^ B^itUd^en unb 9{aumUd^en entzogen ift unb barum
bauemb wirft unb ade fiei^en rfi^rt, — jener Snl^alt, ber im
IDrama sugkid; att einjig möglid^er crfd&eint, fobalb bie
3)hifif ju bem gefprod^encu äBorte l)in5utritt unb x>on i^m
abftreift, roaS au§ biejer ^^it^i^^^it gleic^fam an ii)m ^/aftet
unb oerunjiert.
Erinnert man ftd^ an biefer <5telle früherer ^udfüljirungen
Aber (S^arafter unb i^tfte^ung ber mobernen Vtnfxt, fo geigt
fid^, mie fid^ \)\tt bei SBagner äBettanfd^auung unb Rnnj^ ie»
4*
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52 (Lontanft.
biitgett, — loie einf ad^fte gforberuitdeit bet tcd^nif d^eit ^ortbUbung
ber ^ufti bie auf ^itit^eit unb ®rd6e bei» Jtunfboetfed Iftin«
ht&n^en, ^uc^Ux^ sufammetifolleit mit beti initerflen Sebfitf«
niffen eine^ fünftlerifd^en ^erjen^; roic dltale^ unb SbeoleS
ineinonberfliegt : wie bie ©infieit beS ©efomtfunfhöcrf^ ent*
fte^t, bie (^in^eit be^ ilunftwerfd ber Buitunft
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VI.
S)er j^ifiocifer tokb bem ^id^ter gern folgen, nenn er
^ ent)üdfcnbe ^ernftd^ten auftaut 9l6et et wirb viel«
leidet no(5 einem öctDtffen dian((S)e, bod^ immer wr6e^(ten, bie
^ingc Qud^ oon feinem 8lanbpunfte auö ju bclrad)tcii. Unb
ba lüirb benn an bie ©teUe beS oerenciten ^ori^ont^ fünft*
lerifd^er ^erjüd^ung ber n)eite Se^freid gefd}id^tlid^er (Srfa^rung
treten ntüffen, fotten bie ^inge nid^t fubjeltit) — unb xoo*
möglid^ in bem ^ddüflen Srabe ber ®ubje(t{oitfit, ber eqiafe — ,
fonbem vietmel^r objettio, in t^rem gehörigen ^er^altntd
QÜem anbeten erfd^einen. ^ie 2(uöfid^t brandet beö()alb
nid^t rceniger feffelnb fein; unb im engeren ©inne le^r»
reid^er aU ba^ fd^immernbe ^beot be§ Äünft(er§ ift fie öerotfe.
Qier bietet nun bad ©efamtfunftmert 9iid^arb äBagnerd,
vom gefd^id^tHd^en Stanbpunfte ata ind SCuge gefa|t, Xnbfi
§u Setrad^tungen, bie mefentlid) fein fd^einen §um
Sßerftänbniö ber mobcrtien Äunft unb be^ «loberneu Seelenleben^
überhaupt.
3ft bie 3bee bei^ ©efamtfunflroerfiä an beflimmte 3eitalter
ber @ntn)idf(ung einer menfd^lid^en ^efeUfd^aft, indbefonbere
eines So(M, gebunben? — S)ai$ i|i, etmai^ dugerlid^ gefagt,
bie wid&tigftc grage, We ^ier miftoud^t.
^an mu6 ba jroifcben jwei 2Irten üon ©efamtfunftroerfen
unterfd^eiben: bem ^unftrocrf ber fchmeftcrlid) näberftel)enben
Rünfte, fß. aQer bilbenben ober aUer barfteUenben fünfte,
unb bem Hunftmert aQer jlünfte fd^iedSit^in.
Sa lann nun baiS' ®efaml(unfiloer! fd^nefiertid^ oerwanbter
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Stümfit SU jeber S^t auftreten. ®m\i untediegt au^ fein S)afein
jebedmol geroifTen Sebingungen, ober biefe Oebingungen Unb
nid^t fold^e tiefft fo3iQ(pft)d^if<^er 9latur, nid^t fold^c eine^ bc*
fHmmten Seitaltcrä. 9iel)inen wir j. 53. bic bilbenben ^inifte^
fo tritt bei biefen crfal^run9gmä6i9 baS ©efamtfiuiftroerf ju
^Qge, fobalb ein beftimmter ^auftil fräftig entroidelt unb im
3ufammennang bamit ein bcfiimmter garbenfinn eingebürgert
ifl: mit anberen SS^orten bann, wenn ffir Umrtfi unb farbige
gläd^enfüflung bet)err)d)enbc 3Wotit)e geroonnen ftnb. 9lotür*
(1$: benn burdj) xoa^ fonft foHen beim bic bilbenben Äünpe
be^errfd^t fein, toenn nid^t burd) Uinrife unb gläd^enbeljanblung^
burd^ ben ©tild^arofter alfo ber beiben erftcn ^imenfioncn, ber
in feiner Jeweiligen Sefonber^eit auf|(^4 bie 0e|ianbIung ber
britten 5Dimenfton einfd^UeBt? Sold^e Seiten he» ®efamt«
xotxU btlbenber jhtnfi ftnb öde Venoben ganj au^gefprod^enen
Btii^ nercefen: ber gotifd&e Stil l^ot feine über^ö{)ten ^ro*
Portionen auf bie menfdjlid^e (^eftolt unb bomit ouf ^laftif
unb SJialerei übertragen, bie Sfienaiffoncc l^at wie bie ©otif
bad Aunflgenierbe in feine älrd^itefturfomten gebraöi^t, bai^
9tofoIo l^t, wie @otU unb Stenoiffance, einen fpejiftfd^en —
in biefem galle tid^ten — SJon glcid^mäfeig im Äunfibau, in
ber Tlalmi unb nid^t minber o«^ in ber S3ilbfunft oerroenbet.
Unb fielen wir l^eute nid^t an ber Sd&roelle ber Entfaltung
einer neuen bilbenben ©efamtfunft? Unb jcigt [xä) nx^t fd^on,.
ba| ftd^ )u beren S)urd^bilbung ein befiimmter garbengefd^macl
mit bem itonturengefd^mad einer befHmmten, er|l werbenben
Saufunfi oerbinben mirb?
25enn tüir ober oom Sßagnerfd^en ^unftrcerf fprcd^en, fo
ift Don ^^^eriobcn eines fo partiellen ©efamtfunftroerf^ nid^t bic
Siebe. S)ad, ma^ SBagner begwedtte unb in geroiffem @rabe
erreid^te, mar bie SSerbinbung aller ilfinfie, ber bilbenben wie
ber barfieOenben, wie ber muftfd^en, in bem einen AunHwert
be8 muRfalifd^en 3)ramog. Qft nun biefer ©ebanfe allen 3eit«
altern gugänglid^, — ober roann tritt er auf? ^ie ©puren
fütjren öon ber ©egenioart l^er nid^t jurüdf über bag grofee 3eit»
alter fubjeftioen 6eelenlebeni^, bai^ in ber beutfd^en (^ntwidlung
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(Eonfuu(]t.
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mit ben l^beett bet ^mpftnbfamfeit unb be^ 6turmei$ unb Cranges
fyximWt^t, tiitb in bem nrit tttiS no$ ^te befinben. ^bet ifi ^,
bet guerfl ein(]e()cnb ben (Bebonfen etne^ fotd^en unb ber fioupt«
fadje fd^on be^ SBoönerfdjcn ©efanttfunflroerfiS geäiifeert
^Qt. Seitbem ift ber ©ebonfe nic^t tüieber oerfd;n)unben ; fe^r,
fef)r häufig ^aben fid^ i^n, ganj unabhängig Doneinanber, be*
beutenbe äRönner bei» 19. ^[Q^cl^unbertö eigen gemad^t; fo, um
nur ein paar Beitgenoifen unb binedmegS Sfreunbe ffiagnecd }u
nennen, Otto Submig unb ^debric^ Hebbel, beibe in ben nier3t()er
3a^)ten, eigentlid^ foft nod) oor ä^ngner. Unb ber groeite Xeil
t)on ©octfjeg „??auft". fo wie fid^ if)n ber ^td)ter ot^ ein
iunigcÄ ©anjeg üon Sing , 8djaufpiel= unb ^aujfunft badete:
n>at er nidftt etgentli((» bad erfle (^efamtfunüwer! in beutfd^en
Sanben? S)ad ®efamtfunfimert SSagneril ift alfo ni^t ein
perfdntid^ fd^öpferifd^et ®ebanfe, e9 ifl ber (Bebonb nidmel^r
me& beftimmten QcitalUx^, einer ßpodje.
&ef)en roir nun aber oon biefem 3^t<i^tcr riidta>nrte in
ber beutfd^en ©efd^id^te — in ben ßJefd^id^ten anberer ^i^ölfor
tDürbe ftd^ bei Sorgel^en auf analogem Gebiete bie @ad^e nid^t
anberft geßolten — , fo mögen mir fd^on lange manbern^ el^e
wir auf ein gweiteS S^italter eine« gteid^ umfaffenben @efamt«
funftroerfg ftofeen. ^iefe§ S^ita^ter ift erft — bie Urjeit.
©orcig: bamoU nod^, in ben 5Infängen unferer beglaubigten
©efc^id^te, unb nod^ oiel me^r, wie bie 3InaIogie anberer SBölfer
le^rt, in ben Slebeljabren ber „oorgefd^id^tUd^en'' S^t -r- bei*
lauftg einei» (dfen SBiberfpntd^i» im Seiwort ~: ba gab eiS
ein fold^c« ©cfamtfunfhocrf, benn ba Ijotten fid^ bie einjefnen
fünfte nod^ nid^t ouögelöft unb tjeraib^geläutert au^ ber in
Wimxt (lebenbiger Silbnerei), bidjterijc^em unb nuififalifd)eni
Vortrag lugleicb befte^enben, fd}lieg(id& einmal in ganj früijer
Soi^t (na bem gemeinmenfc^Ud^en ©pieltrieb ^eraui» ent-
ffambenen Urbinft
J^reilidd im übrigen lüeld^e ©egenfäfec jwifd^en bem ®e*
fanitfunftiüerf oon f)eutc unb bem ber Urjeit! Unb bod^ roieber,
loenn wir nä^er jufel^en würben, miä) merftDürbige Übcretn^
ftimmungenl 3{l ed s* 9- ein Su^oSi, hai bie @4iöpfungen
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56
(Confattf»
unfered ^ütaliM, bie ben C^oraftet M (BefamttunRiDerfiS
tragen ober i^m juneigen, i^rem ©e{)a(tc nod^ einer facjengläubigen
ober ni^tliologifd^en Urzeit angehören: Jauft II. Xe'ii, bie
SSerfe 2Bagner^, ^ebbeU nid&t 5u @nbe geführter „"^toloc^",
2nhmi^& beabfi^tigte Oper „9lanhaxt" ? ^od^ nid^t t^nli^^
feiten auf^ufud^en^ Unterfd^iebe nietmel^t au^ubeden, ifl in
biefem fjoöe bie erfle SlufgaSe ber J^orf^ung. Unb ba ergiebt
fid^ ein übovüiiij n)id}tiger nntcr}d)ieb, in bem ade anbcrcn
gipfeln: bie pftjdjifdje ('»Jrunblage ift nat)e oenuanbt, aber Don
i^r <m& toirb in ber Urzeit inftinftio^ triebmägig^ üi ber
(Segennatt bewußt n)enn nid^t gor raffiniert gefd^affen.
^e &a^e würbe ber (Sm&pm^ wenigflend an biefer &tfU
nidjt weiter wert fein, — wenn fid^ nic^t {jerouSftelltc, bofe
eine gro^e ^Injal)! ntoberner (Sntroidlunggerfdjeinungen 511 ben
entfpred)enben ©rfdjeinungen ber Urjeit in benifelbeu ^er*
Ijjältniö ftel^en, ja bafe . . . 2)ocl) wir raollcn feigen.
3n ber ^iJ^alerei erfd^dpfte fx^ bie iUin^ ber Ur)eit im
Ornament, ä^gleid^en wir nun bie Omamentil biefer 8^t
mit ber ber Gegenwart, fo ftnb bie &u§eren S^Hd^feiten er^*
ftannlid;. §ier wie bort nur 2lnbeiitungen ber aögemeinften
gorm beg ©egenftonbc^ — man benfe nn unfere ^lafatfunft,
unfere Xapeten, unfere (Stoffniuftcr ^>ier wie bort bie garbe
im affgemeinen nur beforotio gemeint^ |ur blogen giäd^en«
ffidung beftimmt unb barum unpIafUfd^; ol^ne Xnbeutung bed
Seliefo aufgetragen. Jreilid^: in ber Ui^eit ba« offe* naiü^
aus bem nieberen 5Bnnen unb bem lumii^gebilbetcn gönnen*
gebädjtni^ einer werbenben Äunft l^erau^, in ber ©egenroart
bagegen bag alle^ bewußte^ ,,9iaffinement", ber Umrife abfid^t*
lid^ t>ereinfad;t, unb bie garbenbel^anblung bad (Ergebnis einer
Srei(uftma(erei, bie über eine $eriobe me^r plafHfd^et 8e|anb«
lung f)inttu8 nid^t mel^r plaftifd^, fonbern nurnod^ in ?Jarben-
einbrücfen, suunbimenfionat gtcic^fam, ju fefjen gerool^nt ifi.
Sn ber ^ilbnerei, bie in ber Ur5cit, forceit mir feigen,
faft auSfd)lie61id; J^^d^bilbnerei, Pornel^mlid& in 4)olj unb ©rj,
war, berfelbe gati : bamatö nur formen gan) im @inne bet
foeben gefd^ilberten Ornamentier ^eutsutage^ wenn ornamentale
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Confunf^.
57
Moniten gewäl^tt wetbeti, formell analoge Silbungen unb biefe
fogor aud^ — bied »o^I sufäQig in einet ^(ad^maniet,
bic felbft bei 5lu^fü!)run9 in Stein bem platten Solgornomcnt
uad)ticlnlbet rairb : unb üor oHem roiebcr ber Untcrfcj^icb jmfd^en
triebmagigem unb betougtem (Schäften.
ftbecge^en voit bie Saulunfl, in beten Seteid^ bie Utjeit
fein Sergleid^dmatetiat bietet — unb bo(| waten bie elenben
Kütten biefc!^ S^itölt^rg »öcb 5lu§rcei^ unfcrcr ^^Solf^red^te @e*
rüftbauten roie bie F)eutigen ^i'orläufer einec^ fünftigen ©erüft'
(lilö! — ; tDcnben rair unö oielmefir ber SDid^tung ju.
it^t benn bie altefte ^oxm bed ä3olt^liebed jum ^ergleid^ mit
analogen ®t|eugnif[en bet (Skgemoart Sßad ift ba nun bet
Untetfdftieb jwifd^en folgenben Strophen:
S>ott fyielt ein itinb am Ufer,
2)ie 9avle hirc^ft^nctbet ben 6ee,
tm bie 9lofe ber %^u,
Sod lai^elfl btt ivttbe unb iDe(? • •
unb: 2)tei Soul' auf einer 8inben,
S)ie Ua^en alfo ioo|(;
6ie t^ oiel iaufenb Sprflnaer
3§t (ers »or Srimben ooS . . .
«nb: brtc^ft ein bürted tiftlein,
2)a« ift fo fnofpenleer,
Unb reic^ft mir beine ^&nbe —
9ßtr fa^en und nimmermehr ?
SR nid^t in allen bteien bad fotmal eigentUd^ &^ax(ä*
terifiif^e bie unuetmittelte iRebeneinanberfieDung uon Silb unb
€mpftnbung? — SIbet bie etjle biefer ©tropl^en tfl von
''Madai), bie graeite au§> be^ „j!naben SSunber^orn", bie brittc
Don Siliencron; bie mittlere citiert Sdjerer in feiner £itteratur=
gefd()id^te ald ^^ufterbeifpiel primitiven ^oU^liebeS, bie beiben
anbeten gepten bem mobetnften pffpftologifdSien äniptefftonid^
mud anl Unb bei genauetem 3ufe(^ liegen bie Untetfd^iebe
mtd^ auf ber $anb ; bie Silbet im etfien unb legten (Bebid^t
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58
Cpnfttiift
fUib raffiniett mobem, ^ ba» eUb be9 mittterai ifl t^pif^
taufenbmol gebrandet unb inflinttio aitgewenbet^
60 ()ätten rair bie ganje äft^etifd^e Seite be^ ur^citlid^eu
©eelenlebcng mit ber ber ©egentuart DergHd^en: bcnn aufecr
bcm Sßolf^lieb unb bcm Ornament in 3)ialcrei unb Silbnerei
giebt t& hin braud^bored ißecgUi^dgebiet. Unb überad ba^
gleite Srgebntö oenoanbtar ^onneii, — nur bort triebmdgig,
(iet benmit erjeugt. SBiirben bn onbere Gebiete ber ^\r)d)e
beiber anbete ©rgcbniffe liefern? @S fd^eint bei bem
engen 3"toi»"ien()ang oder Äußerungen be^ fcelif($en Sebent
ein unb berfelben ^tit unmöglid^^ — fo unmöglid^, wie baft
ein 92aturforf(i^er bei einem gifd^e mmt& ^iai, bei einem
Sierfügbr ben ftnod^en eine9 Sogett nad^miefe.
SBir l^oben affo fe^r merfmfirbige flbereinflimmungen
groifd^en ber ^yi)d)e ur^eitlid^er Kulturen unb bem ©eetcnleben
ber ©egcnmart tjefunben, — aber bocb nur äufeerlid^e Überein«
ftimmungen, benen eine tiefe Antinomie ^ur Seite fte^t: bad,
m& an& früher Seit ald @rgebntd bloget triebe, inflinftiiien
6dfiaffend flberliefert ift, tritt und l^eute att aaü ber uoOften
9en)u6t(eit inbioibuetten ^raeugenS l^erporgegangen entgegen.
2Bie erflärt fic^ bnö? ^Dürfen u)ir ben ßorfungen einer
9[^ergleid)ung 5n)ifd)cii ©egenroart unb Urjeit nod) weiter/ hinein
biÄ in« l^t)pot^etifd) 3ufammenfof)enbe, folgen?
(Sd wirb ben SSorgong ber Hulturentmidlung, fomeit er
rein geifliger 92atur ifi, wo^l DoDflftnbig erOfiren, menn mon
bel^auptet, er befleiße barin, baß Grfd^einungen, bie ftd^ in ber
menfd)H(^en 6eele §unQd;ft unbeiuufet abfpielen, burd^ immer
intenfiücre jcelifdjc i^Ubeit lauqfom in ben 33ereid) flarer ä^orfteU
lungen gehoben werben: ber j^ulturproje^ ift im ©runbe ein
^rojef} ber ©elbfterfenntntd. S)a6 biefer ^rogeg nur burd^
überaus uermidfeUe Sorgdnge ber fogenannten materteOen unb
* SRan ogL ju bem ottn ftiSgefai^vtfn an^ tiO(| ben 9Va4ii»eid (ei
nic^ofb 9R. aRever, !Deiitf<9e Sittetotut be< 19. So^r^unbettt 6. 874 fp.,
baB ^ ber bi(^teriMe Smpveffioniftmuf bei Hmerifoner« VUiSk IB^itman,
einet ber Olteflcn, »cimnii^t ber ftUefle oKet Sm^efPoniSmen beS 19. 3a^*
lunberiS, an bie Utporfie be< alten SCeflomenit aiif<|ne(i
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(Confiitifl.
XtbeltMeiluug unb WAdHtemniqmQ, ^eroorgerufeii unb ge»
förbert roerben tann, ift felbflüerftänblid^.
3nt 93erlQiife biefer Slufbcdung gfeid^fam ber menfdötid^eii
6eele gelangt nun jebe Kultur in $^afen, in benen fie, moA
rte bei gunfiiger Überliefmiitg in gefd^id^tUd^er ^o^f^ung att
einfieti^ in^ItU» empfunbcn unb getfion erbnnt, in ber gho|if
ber ®egmi»art unb bei» Sebend gleid^fam be»u§t nod^ einmal
cntbedt unb ou8füf)rt, inbem fie ben aOgemeinen pf^d^ifd^cn 3"*
ftanb, QuS bem in ber frü()eren 3^'^^ triebmäfeig geljnnbelt
worben ift, nun in bad :^ic^t PöQig flarer ^^orfteäungen ^ebt
unb Qud biefer lid^tooden ilenntnid ^er bewußt (^onbelt.
Sinb biefe 8eobad^tungen rid^tig, fo wftrbe ei( fid^ nur
barum (mtbein, feflaufleaen, roeld^er 9rt benn gerabe ber
pf^ifd^e 3"ftönb ift, von bem ou^ in ber Urjctt lüie ^eute
bie ^anblungen erfliefeen. ift eine ^xac\Q, auf bie bie Urjeit
feine älntraort geben !ann, ba i^r ber eigene 3uftanb ja eben
unbemugt mt; wir werben bad $rob(em alfo aud ^bad^«
tungen ber Gegenwart (9fen mfiffen. Unb ba lautet benn bie
^ragefteHung : weCd^ed ftnb bie pft)d^ifd^en ^rfd^einungen , bie
gerobe ba^ heutige 3cttöiter Don früheren 3citöJ^«ni trennen,
mithin für bie ©egenroart d^orafteriftifd^ finb?
iüngfie groge 3^italter beutfd^en Seelenlebend fe^t
ein mit ber §mpflnbfamfeit unb gebt burd^ bie Sa^r^el^nte
ber Simnantit binburdft |u ben mobemen Sufifinben Ober, bie
pfpd^ifd^ löngft aä bie ber 9lemofltät erlonnt ünb. ^ßUm barf
bobei mit bem SBorte „Sferoofitcit" nid^t ol^ne roeitereö ben 33e-
griff beS ^ranf^often uerbiuben: eö ^anbelt fid^ nur um ein
und in cerftarfter äBeife beroufet geworbene^ fieben ber S^eroen,
bad man beiSljialb t)ielleid[)t beffer, ba einmal bad SBort „^er«
oofttot" beIHmmte SlebenoorfMungen enoedtt, für ben Iftier ge«
meinten Sinn mit bem SBorte „Meiafamfeit" «ertaufd^en wirb.
^)a6 bann freilid^ aud^ in biefer „SReijfamfeit" leidet etiua^ Hranf=
dofteö ftedft, in bem 6inne, in bem ber Slrjt von ©ntroidlungS^
franf^eiten fpridjjt, — roer rooHte t& leugnen? Äranf^aft in
biefem @inne finb aber alle jemeiU neuen feelif d^en Srfd^einungen
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60
Cottfunft.
^erocfen. 25q§ inbeö ©mpfinbfamfeit, ^Romontif unb 9^eij*
famfeit gegenüber ber {celifd^cn Eigenart früherer S^ttolter aU
genteinfame^ 5lenn}eid^en auftDeifen, bai^ ifi ein immer fUHdtec
in ben Sotflellungdbeteid^ gel^obened Stooenleben — von bem
6i« gu SBeinfröiiipfen gefteigetten ^reunbfd^aftsbienfl ber fünf*
jigcr unb fedjgiger 3^^^^^^ ^^'^ Söl^rl^unbcrtö an big ben
viel feineren, in ber 8cele gleidjifani no6) tiefer abgegrabenen,
no6) benou^ter l^erDorgerufeiien ,,@enfationen" ber ^leroenfünftUr
ber ä^egentüart.
SBon biefer (Sl^aralterifHf bed leiten, no^ anbauemben
pftjd^ifd^en 3^tatterS l^er fd^einen fld; nun mit einem ©daläge aQe
SSertDanbtfd^aften ber ©egeniuart mit ber Urzeit ertlären, —
unb roir werben beren fpäter mä) weit mel;r pnben, al§ bie beä
üorläufig allein berüljrten äf^)etifd;en (äJebieteg. ^ie Urzeit
lebte, wie bie ^fpd^ologte jebed ber fogenannten ^aturoöUer
^eigt, oomefimUd^ mit ben 92eroen; aber fte lebte barin in*
fHnftiv: ^atte bie oberen €($i(^ten gleid^fam bei» ^eelenlebeni»,
bie ©ebiete ber ©efül^l^^ unb SSerftanbeSt^ätigfeit nod^ nid^t
entfernt in ber Qntenfität, bie roir fennen, entbedt. JlBie l)ätten
ba bie unteren feinfteu Biegungen ber 9^ert)enba^)nen fd^on in&
SetDultfein gel^oben fein foEen? ^nhm aber bie äBe(t ber
gefügte« unb ber oerftanbedmä^igen ^^ätigMt im &mfe toü^U
reid^er (Generationen immer mel^r DorfleQung^tnögig bemcittigt
unb bamit jugleid^ unenblid) bereid)ert unb nilanciert rourbe,
brnni] baö lefete 3eitalter aHmäljlid^, gleid^fam von oben l^erab,
^inburc^ burdj bie ©efü^leroelt, DorjMungdmögig ben,
fagen wir einftweüen einmal 9lerüen tjor unb begann aud^
beren SBett nunme|r in eifrigen (Sntbedfungdfa^rten bemüht ^u
erobern. (B^ gefd^at) in ©rfd^einungen, bie — mie man jeftt fiebt
fet)r natürlidjer, ja notiucubißenueife — an bac> äußere ©eroanb
ber geiftigen Suftönbe ber Uri^eit erinnern nuifeten, ol)ne i^ni bod;
innerlid) auc^ nur im genngften ju gleid^en: ba^, roaS fie oon
ibm trennt, ift bie in ben manbelbarften unb mannigfad^ften ©r*
fd^einungSmeifen gu S^age tretenbe Sewugtl^eit bei» ^d^affend.
^iefe (SrICftrung ift 5unäd;ft nur, mad eine nod^ nid^t aS*
fettig burd^ 2:l;at)ad;en geftü(}te ^iDarlegung ift; eine Vermutung.
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61
Xffeiti wenn biefe ^ennutung nun burd^ eine ^flde fpöter nod^
anjufü^renber ftarer unb anfdjaiilid^er Xl)at)ad)cn überall!? wahv'
fc^ciulic^ gemadjt werben unirbe, fo mnl)rtd)cinlici^, loie nur
immer l^iftorifd^e ©reignifie ongcfe^en werben fönnen, für bie
man einen 8emeid ethtad^t ^at? — äBie auti biefe ^rage fpäter
SU beontmovten unb su bejubeln fein mag: fd^on ie(t mitb
e« möglid^ fein, in i^rem Sereid^e nod^ einen, freilid^ fe^r
fubjef tioen 33en)ei§, ben 33cn)ei^ ad hominem fü()rcn.
2Benn bie ©egeniuart unb bie Urzeit oornel;mlid^ alö ^erioben
eined bort triebmäfcigen, l)ier oorfteUungSmägigen Oleroenleben^
b^d^net merben, — wäre ed bann wo^l mögtid^, jenfeit i^rer
Srenjen weitere ^^o\m smeifeltoiB DoDfaftiger (^tmidHung
ju beulen? 5I)ie jrage fallt mit ber anberen jufammen, ob
es xoo\)i inner()alb Der nienfdjlidjcii Seele nod) elementarere
äiorgänge, ale bie be^ bloßen Dierueulebeib^ qebe? 2Bir werben
fie oenieinen müffeu. Xann aber wäre bem 3^itaUer ber Ur*
)eU ald einer erften menfdSiiid^en Slnfangdjeit (wenn aud^ uiel*
(efd^t uon fel^r nieten ^injeI|>erioben oon ber S)auer Dieler
3Qf)rtau)enbe) bie ©egenmart aU ein 3eitolter, wenn nidjt be«^
Sc^luffe^, fo bod) beS SSerfatle^ entfieGcngefe^t? Unb, um
eine oielfad^ mifebraud;te 2lna(ogie mit aller ^^orfid)t an^u-
roenben, wir ftänben in einem (iJreifenalter ber C?iituncf(unö^
bod eben be^^alb aud^ fdj^inbar tinblid^e oufmiefe?
SRan weil, wie gro6 bie berer ifl, bie biefe $rage
ieute bejahen. S)er fiiftorifce wirb für biefe IJerjweifelnben
ober D^efignierten ben ^ewei^ ad hominem gelten laffcn, ohne
fid^ etwa be^lialb auf if)re ©eite gu ftellcn. ^enn wa^ l)eij5t
'Verfall? Unb wie lange fann 33erfall fic^ erftreden, — mldjc
Unfumme von (Sntwidlungdmomenten !ann er umfaf(en? Unb
bebeutet &n^t ber Sage nid^t audi 9R5gad^feit ber Slb^Ufe?
3a, — l^ier ftel)en wir oor ber großen ^^va(ie be« jwan*
iiöfien Qa^r^unbertS, — unb nidjt blo6 i^i^. öüe ^^ölfer über*
^aupt bcS obenblänbifd^en J^ulturfreife^ einfd)licf3[id) ber ab>
geleiteten Slmerifaner — unb wir !2)eutfd^en uielleidjt nod; am
menigfien bringlid^. Unb biefe g^age ifi benn bod^ }U löfen.
Sreilid^ mir burdft eine unenblid^ oermel^rte gefd^id^tlic^e @in|id^t.
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«2
SBir (önittfit unfere ^tige £age um vUIeil ü^eiier, unb weit
i)tnaud jebenfaD^ fiter bie Mo^ ^notogiemit bet Ut^eit befUmmen
burc^ fel)r eingel^enbe qcid)id)tlid;-üeröleic^cnbc gorf(5iingcn über
iinfere Kultur im ^lUnl)ältni^ ju ber iliiUur fortgefd^rittencrer
SBölfer, weniger ber (^ried;en unb 9iömer, bei benen na^e öer»
tDaiibtfcbaft mit und unb taufenb awifd^ uni» unb i^nen in 9ie-
jtptionen unb Stenoiffoncen gesogene SSerbinbungen bie Cinftd^t
in bie oer^Itnidmögige Sebeutung bet iBergletd^dmomente
ftörcn, aU üictme^r burd) intenfioe ^ergleidje mit ber gefd^id^t»
lid^eu (5ntiüi(f(ung ber ^nber, ber Gl)ine|en unb teihneiö mid^
ber 3Qpaner — furj, ber gejc^id^tlid^en Xräger beä gcogeu
aftatifd^en Kultuttteiie^, bed gtoeiten in bet äBelt, bet neben uniS
unb entn)id(ungggef4id^tU((^ oieCfad^ 00t und fid^t SIbet l^aben
fold^e gorfdjungen fd^on me|t aU begonnen? Unb (Qmmetn ftd^
unfere ^iftorifer etroa jiumeift um biefe S)ingc? S^Jein — bie
miifteii iniierljalb bc^i eiißcn ^kreid)^ ber curopaild^en unb roomög^
lic^ gar nur innerhalb ber eigenen nationalen @e{c^ic^te ,,inbi«
DibueU'' oetfabren, nad^ ben Röntgen aud^ bie iRinißer, ©efanbten
unb anbete ftdrtnet, nad^ ben Snaletffitfien aud^ bie gfatben«
teibet in* Sluge faffen unb ©efd^id^ten fd;reibcn flatt ©efdjidjte.
©eljen tüir aber oon ber Xl;atfad;e au^, bie für bie äft^e*
tijd;e Seite ber Gntmidhing fd)on nad^geroiefen ift, bafe baS
moberne 3<^itaUer unb nod^ mel;r bie unmittelbare Vergangen«
beit unb ^genioott pf^dSiifd^ d^arafteriftert finb butd^ ein
fleigenbed j^oottteten bed bewuBten 9{etoenleben0^ fo etl^äit
bad ©efamthinfhoetf ffiagnetd atebatb eine 8e(eud^tung, bie
ed mit einem ©djlac^e ju eintT ber raidjtigften — tüenn nid)t
gerabe^n jur unc^tigfteu — ©inleitungderfc^einung ber ^Jieriobc
■ber ^iei^famfeit erljcbt.
äBir treten l;ier bein ^erftänbnid am letd^teßen nftl^et
oon bet löeobad^tung jenet eigentfimlid^en (fofd^einungen J^,
bie im tibergang bet netodfen Steide unteteinanbet befielen,
fo ba§ ©d^oDrocIIen Sid^tcmpfinbungcn , Erregungen beS ^afl*
gefül)U ©e^ör^empfinbungen , Sid^troellen ©ef^madijempfiu*
bungen u. bergl. Ijcvüorrufcn : ä>orgänge, meldte raiffen-
ifd^aftlid^ auetft mit bem 92amen bet ©^nopfe be^eid^net
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Confnn^
63
TOorbcn finb. ©intt^c bicfer Sßorgöngc fann befonntlid^ jeber •
Ietc6t bei ftdö Fieroorrufen ; ol^ berouSte ©mpfinbunt^en in
au6erorbent(i(^er ^uSbel^nunc) ber möglid^en Kombinationen^
fomie au<$ in bem l^eutigen Umfang i^ter — tmvtiten — Sei^
(ivitimg Hnb bod^ stemtid^ mobente (Srf^einungen^
®fner ber frül^eRcn bemühten beutfd^en „©pnoptifer" i|t
ber rounberlid&e @. 91. ^offmann (jeroefen: „nid^t foroo^l
im 2^raumc aU im 3uftanbe beS ^ettrterenö, ber bem ©in*
fd^tafen Dorl^ercie^t, t)orjtiglid^ mcnn id) t)iel 3Kufif o^e^övt ^abe,
ftnbe ic^ eine ftbereinfunft ber Zbnt, garben unb 2)üfte. (Sd
bmmt mir vor, aü wenn ade auf bie gleite gel^eimnid9oKe
f^fe burd^ ben fifd^tflral^t würben imb ftd^ bann §u einem
rcunberoollen Äonjert oercinigen müßten. 3)er ^uft ber bunfet*
roten Steifen löirft mit fonberborer mogifd^er ©eroalt auf mic^;
umoiUtürlid^ finfe id^ in einen tröumerifd^en 3ufianb unb l^öre
bann, loie auiS »elter Seme, bie aufd^toedenben unb loieber
verRießenben ^dne beft S3affetl^omiS.'' SSon ^offmann ab mel^n
ftd^ ober Denoanbte ©rfd^einungcn bei unfern ^id^tem unb
iWnfilern, — bi^ ber Übergang ber ©mpfinbungcn von geiDiffen
S^lid^tungen unferer nioberneu ^x)vit, roie fd^on einmal an-
beutungömcife oon ber eirtremen 3lomantif, a(5 etroaä ganj 0e*
»öl^nUdM be^anbett »irb. S>aoon wirb fpater nod^ }u fpred^en
fein; ^ier fei nur an bie merfwürbigen Sejiel^ungen t»on
Malerei unb ^ft! bei g^euerbad^ erinnert tmb an bie mit be«
fonberer Xreue aufgejeid^neten (Smpfinbungen Dtto ßubiDig^,
bem j. f8. bei bem ©ebanfen an 6c^iDer unb Öoetlje beftimmte
garbenerfd^einungen auftraten, bem 3)lufif unb ^axhemx\d)ü'
nungen burd^einanber gingen, unb ber bei bergleid^en $^äno«
* ^rct^if^ !^^^* ^'"2 '^^^ c^eiftreic^ftcn Xljeoxien über bie ©ntfte^ung
t)er 6pra(^c, bie von Ä. SB. Subroig ^er)\e, von ber Sdifd^auung auö, baB
fc^on in ber frü^eften 3^it iebem äufteren ©inbrucf, qu(^ bem burd^ baS
Sluqe oermittciten, unbeiüuüt eine ÄTangporfteüung entfprod^en l^abe —
unb bo^i biefe Ärongoorftettungen in 2aüte iim(\cfetft toorbcn feien, ©nt-
fptädie biefe .^^potfiefe über bie Gntftcbunn bev 5prai^e ber 3Birf(icf)feit,
fo roare ein neueä, überaus djaraftcriftifd^es iUioiuent für bie 3Jetgleic^ung
oon Gegenwart unb Urzeit gemonnea.
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64
QionfitiifL
menen ,,bie ^Intücfenljeit einer geroiffcn, i^nen entfprcc^enben
iinb fie ftet^ bec^fcitenben (Stimminic^, jebod& traumortig" fuMte.
äBtrb man fic^ ba no6) iDunbent, wenn Qani von ^üloxo tool^l
an bad Dtd^efiec bie Slufforbeninfj rid^tetc, eine ©teile „nicl^r
rot ober grün" su fpielen? @<|reibt bo^ fd^on ber itopett«
nteifler itteiiSter bei l^offmann an 9BalI6om: „^ud^ l^atte id^
gerabe ein Äleib an, beffen 5Var6e in Cis-moll ge^t, roeö^alb
i(5 gu einiger SBeru^igung ber 3ufc&auer einen Rragen au^
£-dar«garbe barauf fetten laffen.''
9htn finb biefe %äüe getütg ait<$ l^eute nod^ oielfad^ al&
estxm %n beseid^nen« Unb £eute, bie, wie ^p^mand 9ioman«
l^elb beS (Sffeinted^, in jebem 2itlk da anbereS SnRntment
l^ören, im (5ura9Q0 eine Klarinette, im Äümmel eine Dboe, im
Sliiifette eine glöte, bie be8l)alb i^ren Sd^nop^fd^ronf mit
D^ed^t eine orgue aux liqueurs nennen unb (tdb burd^
9}2ifd6ung feinet S^i^alti^ ben tiäudUd^en @enu6 mödfttigen
Drd^efiev9 oerfd^affen lönnen, — fotd^e &ute wirb ed wo%l
in ^eiitfd)Ianb nod^ nid^t geben. 9ßo^t aber trifft mim
gang allgemein auf Grfdjeinungen, bie, wenn aud^ nid^t gletd^
ftarf au§gefprorf)en, bod) auf einen gegenüber früheren QdUn
viel entfd^iebeneren 3"f^»n^"ißnl)öng ber einseinen p^ijfios
logifd^en unb pfpd^ifd^en '^unttionen j^inioeifen. Unb von biefen
Srfd^einungen |inb itoei^ unter fi<!^ nal^e oenoonbte für bie
fönflterifd^e ^twidPtung ber GJegenroart oon größter Sebeutung
gciüorben. ^ic eine befielet barin, ba6 fid^ bie ein.^elnen 5!ünfle
in ifiren Slu^brudt^roeifen raie in bem erfirebten ©rfolge biefer
in einer SBeife einanber näljcru, bie, aufeer ber Urjeit, feine
fräl^ece $eriobe gefannt l^at^. Unb bie anbere liegt in ber
fd^on oiel frfll^er wal^mel^ntbaren, je^t aber befonberS weit
oeisbreiteten X^)ai\aä)t vox, bag fünfllerifd^ begabte !D^enfd^en
* Ta^ 9}?obea ift ber (Sraf Dlobert HRontcSquiou, von bem wir ein
fd^öneS ^'orträt oon Si^^iftlcr f)ahen.
* Sluf biefen ^^^iinft brandet ^ier nid^t genauer eingegangen
merben, ba er ganj ncuerbingö in einem Äuffa^ ^Ta^^offä im Äunflroart
(herausgegeben oon 2locnartud) 1901 ©. 317 ff. (Sanuar^efte) ein*
gel^enb unb geiftveid^ be§anbelt toorben ift.
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Confnnfl.
65
auf ben Derfd)iebenften ©ebieten n\d)t bloß ber einen ©ruppe
ber bilbenben ober ber barfteUenben itünfle, fonbent beiber
jugleid^ t^atig flnb. S)a9 etfle fion} oollbnimene Setfpiet
i^terfür fc^eitit $^t(ipp Otto 9iun^e, ber Segranbet bed
frften beutf(ien, leiber fo furjlebiß ucrlonfenen mnlerifc^en
Smprejfioniemug im 33ecjinne be^ 19. 3al)rtiimbert^ geboten
ju baben. iSr roor junäcbft bilbenber Äünftler auf foft jebem
©ebiete, et matte, et fd(initt (Silhouetten, er seidSinete Sl^orlagen
fOt ®er&te, er vm ber (Itftnbet jenet Dtnamenttt, aU beteit
Schöpfer geroöl^nlid^ 9}euteut^er betnid^tet wirb. 9bet er
fomponierte aud^, f^riftflefiferte unb bid)tete iinb t)atte ftarfe
pf)ilofopf)ifd}e 3nteref)cn; ben 53en)eiö erbrint^n feine „§inter^
laffenen Schriften'', bie 1842 oon feinem trüber herausgegeben
iDorben flnb. Unb ^anb in $anb mit einer fo mannigfachen
iSei^obung pflegt bann ein 3u0 auf« (^n^eitU^e gehen, fo
iDte in jeber h^h^t flehenben Solf^mittfchaft bie fietig ju*
nel^menbe 2lrbeit^tei(ung burd^ eine entfpred;enbe 5lrbeit^Der*
einii^ung gegengetnogen wirb; unb biefcm 3uge entfpricfjt bann
öuBerlidS) ein SebürfniS ber ©infamfeit. So fdjroebte fd;on bem
nerodfen ftleifi bad gbeal beS einfachen ^Oanblebend oot; ßubioig,
ber fo (ange barüber im UnHaren blieb, ob er mehr aU
SRufifer ober ate ^i^trc geboren fei, mdre am liebflen ^orf«
f4u(meifter geworben, inib felbft SBogner, ber grofee 2Igitator,
^Qt lange 3ahre5reif)en ber ©infamfeit gel)abt iinb genoffen.
2)iefet 3)rang ber ^^'Vereinheitlichung aber, innerlid^ aufgefaßt,
führt nun fafl tegelmägig ftorfer ^erüdfichtigung ber iD^ufif.
(H tonn bad auf ben etjien Slic! methoütbig etfcheinen. 9Bie
aber mftre eS im ®runbe anber9 benfbar in einem ooniehmdd^
bem 5ReroenIeben alg bem betougt bleuen /jugeroenbeten S^iU
oltcr? ^mn bie 3Jiufif ift unter aÜen itüiiften biejenige, bie
Reh am unmittelbarften on bie ^ieroen wenbet. 3!)arum fleht
bie ^iuftf im ^Uttelpunfte aQer jener äßedhfettei^, Don beten
gegenf eiliger SSertretbarfeit oben bie Siebe mar: unb l^arbe
unb ®efiaU, 9)^a(erif(hed unb ^idhtertfdhei» ruft bei ttber«
leitung ber ©inbrüde Don einem Sinne gum anbern oor allem
mufifalifche @mpfinbungen h^roor.
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66
?Run aber faffe man alle biefe (Srf d^elrmngen : baS ftar!e
S^crDenleben ber 3^it Xtanq hex iRünfte nad^ ©inl^eit, bie
Seoorjugung ber ^JJ^ufit unb anbere^ genteinfam ins Sluge,
utib man idrb oerßei^eti, load bad (S^efamtfunfhoed SBagnetS
bebeutete. & nmt bie et^e ganje Smingenf^oft ber neuen 3cit:
taiifenb amio^ vereinzelten ^enben^en oerl^alf e» einem
einjigen ftuÄbrurf, ben großen S3rud^ fd^uf c§ in bem ^anim
ber Seit burd^ ben bie SBaffer eines neuen Seelenlebens un«
auj^altfam einftrömten. Mod^ Voltaire l^atte fagen fönnen:
Ce qui Berait trop sot pour 6tre dit, on le cbante; bei
SBognec finbet fiit ber Safe: „Wita nid^t n>ert ifl, gefunden
ju merben, ifH oud^ nid^t bet ^id^tung mert." IDie Shifll mar
je^t bie füljrenbe ber fünfte geworben, unb berjenige il^rer
befonbercn Sieblinge, ber jugleid^ ein 3)tcifter ber anberen
fünfte tDar, eröffnete mit feinem in erfter £inie bod^ mufi'
!alif(it)en ©efamttunftwerl bie neueften S^Uxl
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3tUende liuniu
6'
Digitiztxi by
I.
defpTO($enen allgemein entioidlungdoef^i^tii^en ©ebanfen finb
nttfhoeilen tto4 äkrmutungen, wenn aud^ von mannet äBa^r«
f4einl{(ifeit, unb oiete verben ed aud^ no$ am Sc^Iuffe biefed
9u4ed Udben, ba t^ret enbgiUtic^en ^tltif eine otet ein«
fieJienbere Äeimtniö anberer I)öd^ft entmirfctter i!ulturen nötiß ift,
alö fie bem Sßerfaffer jur ©eite fte^t. 2Bqö uor aüent — unb luol;!
nid^t bem SJerfaffer allein — fe^lt, ba§ ift, roic fd^on einmal an«
gebeutet, eine umfaffenbe ilenntnid bed feeUfc^en (^Ifiaraftetö
betjenigen ofioftatifd^en Sntwid^Iungdfhtfen, bie bort noc^ nad^
ben S^ten burd^taufen worben ftnb, Me unferer ©egenmart
feetifd) entjprcdjen. @rft eine folc^e Kenntnis würbe mit mcl)r
Sid;crl)cit baniber urteilen (äffen, iniDiefern unb in n3eld)em
®rabe unfer S^italter wirflic^ fd^on atö ein folc^e^ be^ ^^er»
faOed betrad^tet mevben müffe, — unb, t)etbiinben mit einem
eingel^nben Serflftnbnii^ ber Stufen urseitlidber ftulturen vieler
anberer ^dlfer, aud^ erfi barfiber ein obfdjliegenbed UrteiC ge^
ftatten, mit ben Grfd&einuni^en fpc^iell welcher Stufen ber
Urzeit bie heutigen ^Uirgänge eine^ neroö^ d&arafterifierteu
Seelenlebens genauer in parallele ^u [teilen feien.
S)ad aber lä^t ben Sludfii^rungen gegen (Snbe bed
vorigen 9(bfd^nitteiS immer^n mit ®en)i6beit entnel^men, bog
ein ©efamtfunfhoerf im Sinne SBagneri» unb eine ^uftf wie
bie moberne nur auf einer fd;on überauig l;ol)en ^ulturftufe
möglich) ift — unb bag mithin ^u il^rem eigentlichen ^erftänb«
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Btlbenöf Kttnft
nid auf eine Slnga^I frttl^eret 6hifm unferer nationalen Snt«
widfutif) ^urfidPgegangen mrben ntug.
Xa^i (5Jleid)e gilt oiit^ für bie bilbenbe Äunfl, fd^on toegen
ber engen SEBed)telüerbinbung aller fcelifd^en ©rfd)einungen
tnnerf)Qlb einer beftiinniten inenfd^lici^en ^emeinfd^aft unb inner*
^16 eined beftimmtcn 3^ita(terd biefer (Bemeinfd^aft unter*
einanbet. 9htr bofi bie einzelnen Sntioidlungdfiufen ^ier viel
beffer überliefert finb unb für unfer SSerftänbni^ mel weiter
jurücfge^en. ^enn was> [)ahm rcir im ©riinbe von ber beutfd^en
^onfiinft be^ erften 3Ql)rtaufcnb^ unferer Sra für ÄenntniÄ
aufeer bem Qn^alt puftg red^t oielbeutigev^ für) abgeriffenet
Stotiien? bie bilbenbe Itunfi aber liegt au9 biefen Seiten
eine gcfd^Ioffene Überiieferung vor, unb biefe greift nod^ über
fie rürfmärt^ f)inau§ in t)orctefd)id^tlid)e B^i^'^"/ feitbem fid^
bie ©räber unferer Uroorfal^ren geöffnet unb ntonumentole
Sdbäfee in gülle geliefert l^aben. Sßon nirgenbg ^er läßt ft(|
baber beffer, atö von ber ®efd^id^te ber bilbenben Jtunfl aui^
ein (SinbHdf in bie gan^e Siaumtiefe unferer nationalen (Snt«
Toicflung^geitaUer unb bamit unferer l^eutigen Äultur überl^aupt
gercinnen. Unb bafe ein folc^er ^'inblicf oud^ im befonberen
für baS gefd)id)tHd}e ^erftänbnid ber ^unft ber @egenn)art
notioenbig ift, bebarf leiner befonberen Betonung.
SXed Serflt&nbnid niitb aber mieber unter ben bilbenben
ftfinfien am beften auiS ber ©efd^id^te ber Vtoferei gewonnen.
^5)ie SBifbnerei tritt in biefem 3"ffl"^"iß"^öng fd^on be^^olb
aufeer äBettberoerb, raeil Tie in ben ölteflen 3^itcn, foroeit roir
nod^ feljen tonnen, oornel^mlid^ glQd)bilbnerei geroefen ijt unb
bed^alb mit ber Malerei oielfa<b gemeinfame ©efe^e ber Snt«
midHuitg getrabt ^at. S)ie Oaufunfi aber fbmmt junöd^fl nid^t
in grage, toeil fie in ber ^urd^bilbung i^rer einzelnen (BnU
roidflungöftufen ^öufig genug öon au6evfünftlcnfd)en düid--
fid^ten mit bebingt ift: fo oon ben ietueild befte^enben ^aum-
bebürfniffen unb oon ber jeweiU )ur äSerfägung fle^enben
Aenntnid ber fiatifd^en (Befe^e, — gan} baoon abgefe^en, ba|
für fte aud^ bie fragen be9 Materials unb beS Jltimoil non
weit größerer S3ebeutung finb roie für irgenb einen anberen
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Bilbeitbt Kttitft
71
3n)eiö ber bilbenbcn Rim% ^J)a5u fommt, unb jraar für bic
^ufföff»"9 ber ßefc^ic^Kid&cn gorfcfjung augfd^lac^ßebcnb, nod^
ein anberer $unft. Malerei unb Silbnerei finb im SBer^ältnid
|ttr Sauhtnft nad^alrmetibe Aflnfte : fte f Raffen in innigfler Hn«
(el^nunf) beft fSu^e» an Me gfotmen ber (Srfd^einungdioeli
^arin liegt Begrünbet, bofe biefe (5rfd)einun9groe(t an fid^
gerabeju einen jlänbigen, weil ber ^auptfadjc nad^ in fid^ un=
Deränberlid^en ^agfiab abgiebt für bie ^bfc^ä^ung i^rer ^nU
»idtlung: baiS fo fd^wer p finbenbe ÜKoment augerl^alb ber
0ltt<i^t ber (iflorifcfiett Srfc^eimingen, bai» }tt beren GrtentttniS
unb entwidHungSgefd^id^tlid^er Oetoertung hod) fo nötig ift, Ijier
i|l gegeben, ^tc ^oufunft boge^en bietet fdjled^troeg nid^t^,
roaS biejem eigenartigen SBerl^ältni^ entfpräd^c, fo lüenig roie bic
^uftf, — roä^renb bie ^Did^tung ()ier roieber auf bie Seite oon
^ilbnerei unb äRoIerei tritt: — unb barum finb SaubinÜ
unb 9Rufi{ an fid^ neit weniger geeignet, unmittelbar in bie
elementaren Vorgänge ber ffinftlerifd^en ^tfaltung menfdjiidfien
@emeinfd^aftslebens einzuführen, al& bie anberen 3^^^
^l^antartet^ätigfeit.
Überfielt man bie (^tmicflung ber beutf^en Malerei nad^
{(ren einfad^ften unb grdbfien fomponierenben (Elementen, nad^
Umrig unb ^arBe, fo ergiebt ftd^ in ben elementarflen SH^^h
bie auf bie fd^arf gefaxten Urerfd;einungen jurüdtgefü^rt [iub,
etwa folgenbeg.
SBir feljien in ben älteften gunben bie ^efte einer Qdt
90t utt&, in ber bie ^arbe fiberl^aupt nod^ feine 9^ioIle fpielte
ober menigfiend nur für ro^efie gläcj^enfiUlung in ein paar
bunten 2;(Hten in Settadjt fam: f o in ben Ser^ierungen ber
3^öpfern)aren ber ©teinjeit. übrigen befdjränft fid) bie
Äunft auf lineare (Elemente unb Sßiebergabe einzelner tleiner
^eile ber ©rfd&einung^roelt (Sölätter u. a. m.), bic fo ollgemcin
umtiffen finb, ba| man taum bie ^orm niebererlennt: fo bat
bad Ünfiierif^e ®ebi(be fafi nur nod^ ab Sn^nAol ber natar»
(id^en Vorlage erfdfteint ^an {ann alfo oon einer fpmbottftif 4en
Kunil teben.
Sine jüngere $eriobe ber Urzeit ge(|t über biefe einfad^fle
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3il5enbe Kunft.
SlBelt ber ^oxm fd;on l^itiaiid. @d erfd^eint anfangt bie 2^iet«
geflalt im aQgemdnen, baim au4 bie Oefiatt beftimmter Xxm,
\(iiUebl\d) and) ^flanjen: jmar no((^ in fe^r aQ^^emeinen ttitt'
riffeii roiebergcßeben, ober bod; fd;oii fo, bofe mau fie crfcnnt: eine
ornamentale Jiunft t)on oft l)OÖer (Sbciiniämt]fcit ber gönnen ift
erreicht. S)ie %axht txiti babei je^t aud) fd^on in xdd^mx ^{^alette
auf, tDeimgteid^ noil^ in ungebtod^enen, ftarfen 2;dnen; unb biefe
%bne werben ol^ne iebe 8c|ie^un9 jur Soblforbe ber bar«
gefleOiten ^ci^nftönbe nad^ rein beforatioen ®nmbfä^en jur
glac^cnfüHung bed Dntament^ benu^t: rote ^flau^en, golbene
Xicre u. f. ro.
6c^reiten wir toeitcr oorioärt^ ind foc^enannte ^üttelalter,
in bieS^it etwa nirni 9. bid |um 15. Sa^r^unbert, fo lä|t {t(|i
oerfolgen, wie fid^ ber bid^er ornamentale Umrig immer mel^r
beni iuirflid;en ©^arofter beö Umriffeö annähert, o^ne il^n bodft
i^an;^ errcid^en. ift eine leife ^eränberung in faft un^
meiElid^en (^lababftufungen 5U bem bin, xoa& wir gcwö^nlid^
mit bem ^ort reatifiifd^ bejeic^nen: unb wenn man bie $aupt'
momente ber grabmö^tgen iterfdj^iebung pm SCuiSbrudt bringen
wiH, fo fann man oon einer erft tt)pif c^en, bann fonoentioneOen
^ciüältigunci be^ UinriffeiS fprcd}cn. 3nbem aber biefe ^er»
fd(jiebnng eintritt, enoeitert fid^ 5iic]leid) ba^ (Etoffgebiet ber
SKalcrei. iiUben ber (^injelfiijur roagt man jc^t Sccnen roieber*
lugeben, |ier unb ba finben fid^ aud) \ö^on leife, freilid^ md^
unferen Segriffen ^5(bfl verunglüdfte Serfuc^e ber SBiebergabe
ber fianbfd^aft: man weife bie S^iefe nod^ nid^t geben unb
gel)t flatt beffen (une beute bie ^iinbcr) in bie $öl)e. SDod;
fteöen fid^ bamit immerl;in fd;on bie erften 5ßer)nd;e jur 33e--
roältignng ber elementaren i^inearpcrfpeftioe ein. 3!)ie g^rbc
ift im älnfang biefer ^riobe nod^ ein rein beloratioed (Clement
|ur bloßen g^lä^enfüllung ; nod^ im 9. unb 10. 3al)rl)unbert
finben fid) golbene 9?inber, blaue ^^H^^i'be, nod) im 12. 3al)r-
Ijunbert gclegentlid;, loenigften^ im Kontur, i]clbe unb rote
^flanjen. ^r\\ gansen aber ooH^iei^t \iö) allmä^lid) ber Über«
gang jur ^ofalfarbe, wenn au4 sunäcbfi in nur fe(»r ro(|er
unb fummarifd^er iSrfaffung ber Xöne ber (^fd^einungdwelt.
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Stibenbt KmtfL
73
^Dic folgenbc ^eriobe, bag S^^töltcr be^ Snbiüibuali^mu^,
bag 15. big 18. 3Q^rl)unbert , hxxnc^t junäd^ft ben uöllig
realifiifd^cn Umrife, b. f). bcn Umrife fo, xok roxi i^n bei ein»
ge^enber, ben Segenftonb fpe^ieU ind äluge foffeiibec öe*
ttad^tung feinem Serfaufe nad^ v9iMx^ fe^en, bodft atö eine
fc^arfe Sinie, olfo j^eid^nerifd^ erfaßt. 2)ag ift fdjon im 3Iufang
bcr ^eriobe ha, ja eben hiermit fe^t [\e ein. 3u itjreni ^i^er=
lauf fommt baju ein Dodeg ^ecftänbnig unb eine oirtuofe
prQftif(i^e 2)ur(IS^bilbung bec Sineotperfpeftioe, bie in ben SSet*
tat^ungen ber Sedengem&Ibe ber Sarotf» unb no4 me^c
ber 9^o!o!obauten ilbemfitige 3^riunipl;c feiert 3n ber ^axU
wirb junäd^ft, gleid^jeitig mit bcr (Sntroicflung eineg anfangt
etroag gezierten ©efd^nmcfg für gebrod^ene ^öne, bie SBieber*
gäbe bed. ^ofaltoneg doQ erreid^t, unb barüber l^inaug tritt
betettd bad $rDb(em ber beliii^teten garbe auf. ^abei wirb baü
&\^t, bad nun su9^^i<^ anfängt, bad ®efül^( ber Koumtiefe
ju ücrmittcln, onfangg nod; fe^r ing Ungefäl;re au fgefe^t: in
weisen ober qelben ^önen ober gar in Xöncii ber komplementär«
färbe, rofa auf hellgrün, bläuUd^ auf gelblich u. f. m. Später
wirb bann eine größere ^unä^erung an bie äBirUid^feit erreid^t,
inbem bad Sid^t in feinen Schattierungen ber Sobilfarbe auftritt
Unb balb beginnt man aud^ einjufel^en , bag baiS Sid^t t)ermdge
feiner Df^efteye in ber Suft nid)t blofe an ben Giegenftäiiben
haftet, fonbern aucb ben 3^Mcbenrauni auffüllt unb in il^m
gemalt merben ntug. ^ie f^ragen ber Suftperfpeftioe brangen
ßd^ auf unb bamit erfle groge SSerfud^e im fianbfd^aftlid^en, unb
fflr ben Snnenraum werben bie Sdftwierigfeiten bei» $eD*
biuifelg berüljrt: n)aö 511 einer ftarfen Slugbilbnng jeneg
8ittenbi(beg ^nla{3 gicbt, ba§ bie Qnncnräume (ebenbig mad^t
äBag aber auf biefen Gebieten erreid)t roirb^ bag ift nod,) nid^t
bie oolle SGBiebergabe bed Sic^ted, fonbern nur eined von toxi'
zentrierter Si^tqueQe audüra^tenben, im engeren Sinne bed
Sorten beleud^tenben £icbteg: bag £id^t aU bag etgentlidbe
Webium, in bem loir alle ^inge fel)cn, bag fid& aU 2id)t''
empfinbung in und jur ©rfd)einunggu)elt finnlid^ fo oerbält,
»ie erlenntnidma|ig unfer UBewultfein, bied Sid^t ift nod^ nid^t
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3tl6enbe Kunfl.
«
gefunbeit: Ue S)tnqe ftnb no<i^ nid^t auf Sid^teinbtfidFe rebusiert
^ementfpred^enb ift bcr Umrife q(0 fituie, ben ber Sid^tcinbrud
nid^t me^r fcnnt, noä) nid^t t)erfd;n)imben, wenn ouci^ fd^on
bebro^t, itnb bie Silber behalten nod^ itvoa& oom (S;^ara{tet
ber S^id^nung.
S)ie muefie S^t beginnt in beutfdften Sanben gon^ (eife
frü^eflen« mit ber SWitte beÄ 18. go^rftunbertt, auSgefprod^ener,
ober junöd^ft noä) feine^raeg^ in iingeftörtcr ^ntroidflung mit
bcm @nbe biefeö 3;Q{)r{)unbert^ , im völligen Siege erfl mit
ber jroeiten ^ölfte bed 19. S^fet^unbert^. 6ie fennt im enU
»»idfelten @tabinm nur nod^ Sic^teinbrüde, bie natftrlid^ in
garten toiebet^ugeben ftnb, unb I9{i ben ttmril ndllig in
belichtete ©renken oon ^^arbeneinbrüdten auf. S^abei wirb
ber ftmilid^ Qftl)etif(^e (^inbriidf uad^ ber ©egenroart ju
immer mel^r auf feitte momentanpe %oxm jurüdgefül)rt, auf
iene ^orm, bie glei4)fam erft aud ben Heroen frifd^ l^eromr»
gel^; unb immer weniger toerben SinbrudiSarten s^geloffen,
bie au9 mel^reren ^efid^t^rei^en gebäd^tniiSmägig jufammen«
gebogen finb. S)er ^inbrud wirb alfo fo^ufagen immer
reiner, immer mef)r — unter Slu^fd&altung ber gebäd^tniS«
mäßigen ©ummierung — ein ©inbrudt im ftrengften Sinne,
eine „Smpreffton", ^al^er tonn man bie Ie|te ^twidtlungd«
ftufe biefes 3^tQ(teriS om beften mit bem SBorte „Smprefiioni«--
muS" bejcid^nen; in S)eutfchlanb ^at fie aU aflgemeine (Sx-
fd^einung erft etroa feit ben fünfj^tger 3^^1)1^^" geringeren
Spuren, feit ben fiebriger ^a^ren ftarfcr eingefe^t, bx^ fie um
1890 etma geftegt fyd. S)ie imprefftoniftifc^^e äRalerei bilbet
bie ^araOeterf Meinung ber bitbenben Xünfie }ur neuen 9RuftI;
ein meitered voDeiS ©egenftüdt, boiS etwa pxt glei d^en Seit
fpurenf)aft, üott aber erft in ben ad)tjiger S^Ö^en einfejjt,
rcerben luir auf bem ^oben ber $l^antafiet()ätig{eit in ber
@efd;id)te ber ^id^lung pnben.
^ie aber foüen bie legten beiben 3^ta(ter, vom 16. ^um
18. Saljtl^unbert, unb mx 1750 ab aU ®an5e$ bejeid^net
werben? ^J)ie ^va^t ift nid^t gleidigültig, fonbern giuingt
ba^u, foU fie \nä)i einfeitig gelöft werben, biefe g^i^alter nxd^t
Diaiti?ed bv GooQfe
Bilbeitbe Knttfl.
Mo6 vom ©tanbpunft ber ^l)Qntafiet^ätiöEeit, fonbern al^
pf^d^ifd^ed (San^e^ überl^aupt htixa^ten»
Uttb ba ergiebt fidö benn folgenbc^. T>ie brei S^Jirl^unbctte
pon etiDa 1450 bid 1750 bringen betanntlid^ bie ^fung von
ber mittelaltertid^en „©ebunbenl^eit" ; il)r erffc« ganj l^erpor*
fted^enbe^ ©reiöni^ ift in ^eutfd^lanb bie 9fleformatioii : bie
^Befreiung beiS mittelalterlichen 3}lenf{^en Don jeber fremben SBer-
mittlung feiner religiöfen Sejic^ungen gnm 2lbfoluten, feien
Re auc^ bur<i^ bie 4Sinri<i^tungen einer meUei<i^t nod^ fo treff»
Hd^en Aird^ geroäl^rleifiet, femer bie @otted(inbfd^aft bed ein«
jelncn, b. 1^. bie 9Jiöglid^feit be8 (Sinjelncn, bog er — nur
bie eine Sd^ranfe bleibt : innerljalb ber ©renken ber eüangelifdjen
S3otfd)aft — fromm werbe auf eigenem SBege. Snbem aber
bicfe Qal^rl^unberte ben einzelnen befreien, »ereinjeln il)»
)ug(eid^ : nie, n>eber früher nod^ f|>ftter, ifl ber ßins^^n^ f4^
oud^ tfotiert, ein für fid^ ftel)enber S9H(rofoi$nioi$, ntenfd&Ud^
Qlfo gefetti"d)aft§lo§ geroefen unb gebadet worben. 2)aS D^atur^
red;t, bem bie ©taati^le^re biefer S^it entmud^^, gipfelte in
ber 3luffaffung, bag ber Staat eine mec^anifd^e Summation
von Snbioibuen fei, bie einel^ ^aged and freien @tüdfen au«
fmnmengetreten feien, um unter freiioiQigem Sufgeben bei»
i^nen angeborenen ^Wed^tc« abfoluter grei^eit eben i^n, be»
6tQat, fei eg aU ^Demofratie, fei e§ al§ 3J^onard^ie, 5u be=
grünben; unb ba^ abfd&Iie6enbe p^i(ofopl;ifd;e ©pftem biefe^
3eitalterd, bod Seibni^eniS, fteUte fid^ bie ^elt aU Softem oon
Itr&ften Dor, beren jebe, fel^r bejeid^nenb Sflonabe genannt,
gän^lid; unabl^öngig oon ber anberen baftel^e unb mit ber
anberen nur baburd; in ^erbinbung fei, ba& fie, je nad^ ber
gein^eit ber S)urd()bilbung, ein ebenfo rid^tige^, mcl)r ober
minber umfaffenbeS ^ilb ber SBelt in fid; n^iberfpiegele, mit
bie anberen. S)ad ftnb d^arafterifiifd^e ftenn)ei4en einer B^t,.
beren innerjled SBefen man f d^on oerl^altnidmaßig frül^ erbmnt
5at, Inbcm man eg aU inbioibuoliftifd^ beseid^nete.
2ßie orbnet \xd) nun biefem Qexi^axatiex ber befonbere
S^arafter ber ^l^antafiet^ätigfeit, in unferem fpejiellen gälte
n>ieber ber ber SDlalerei, ein? (Sinfad^ genug. S)ad, mai in
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biefeti 3a|vl^tttiberteti erreUftt warb, »ar bie einge^enbfie
teoliftifdie Itenntmd M dinselobielte». S){€« Objeft wirb fllr
fidö betradjtet uiib fo im pdjften l^tQBc plQÜijc^ gefeljen:
ba^er ber ©nrerb bcr ooUch ^nbigfeit ber 3Biebergabc t>e&
UmtiffeS unb ber l^ofalfarbe. S)agegen feine DoUe ^inorbnung
ber (^ti^elbinge in bad (Skinie, t>ot aKem nUbt in bad ®an)e
bed Si^tö, in bai^ 9Imbiente, wie ed einige IBotUufer fp&terer
Seiten in biefer ^eriobc fd^on genonnt t^ahm, — iinb barum
feine ©ifaijung ber ^üifecnraelt alg einc^ in fic^ gefdjloj'ienen,
(ürfenlod in ficb ^ufanimen^ängenben ©anjen ooii i^id^U
«inbrüden.
S)em inbioibualifHfd^en Seitalter folgte feit Witte hei
18. Sol^rl^unbem bad fubjettiotflif^e. 2)a« ifl bie Seit ber
Ginpftnbfamfeit, be§ JVreunbfd^QftefultuS imb beö Üluffonimen^
bcr ^Nft)d)oIonic a{§> einer oon ber 5)ietapl}i;Hf uiiab^änc^igen
äiiiffenfdjaft, ber Ätultur()efci^id)te, ber Statiftif unb ber :^cljre
oom ©taate aU einem Drganidmud: bie S^^f in ber ber
9lenf4 int 9lenf<ben bcn l^öd^ften ©egenflanb ber Siebe unb
ber Srfennttiid fe^en (ernte: bie Beit einer Stuffaffunt; beS
3Jicnfd)en alö eine^ nid^t bIo§ inbiuiMuIlen, fonbern fojialen
5i^e(enö. Qe^t begriff man, bofe bie äBelt fid^ geroife junäd^ft
in jebem ©injelnen lüiberfpiegete, aber nid;t gleid^niäfeig in
iebcm, fonbern oerfd^ieben nad^ bem ©ubjett: hai jeber SDienfd^
infofem inteHeftued ber ißerr ber SBelt fei in fetner l&kife,
bo^ ober crft bie ©umme oder inbiüibueffen ^otengen, bie in
einer menfdjlid^en @emeinjd;aft in )ü)x ueifd^iebenartiger äBeife
begriffen feien, organifd^ oerbunben ein ^ulturganjed bilbe:
^in ^utturganaed, in bem eine f^b^m Wenfdjilici^tett flcb etit«
wideln unb ber (Kn^elne an feinen äbtfgaben toad^fen fdnne.
©0 flanb ber 3Renf(^ jefet nidjt me(}r ifoliert ba, ol8 3nbi»
üiMium, fonbern fojial, auf anbere bejogen, al^ Subjeft. Unb
mit dl€d)t liefe fid) auf ©runb ber ^eobad^tung biefer be-
fonberen ©teöung bem Swtalter ber 9kme be^ fubieftioiftifdjjen
geben, ber anfangt nur oon ber (^rfenntnidt^eorie SUntA ge«
polten l^atte.
3n aE biefen B^M^^^^iit^n^ängen liegt ^ugleid^ bie ä}e*
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Silben^ UunfU
77
grflnbuitg bafüt, bafe bieiS 9Bott unb bec bal^intet flel^enbe
Segriff o(ine ^d^wierigfeit aud^ auf bie Bilbenbe ftunft biefer
3eit unb üornef)m(id) auf bcren jcßt fül^rcnben S^^^i^^/
3)ia(erei, antjeroenbet roerDen fann. ^enn ba^, roa^ bie 5hnift
bietet S^itaiterg giebt, ift eben ber fubjeftioe ©inbrucf, ben bcr
üünftler ber (^fd^einungdioelt entnimmt unb unter ftäderem
ober fc^mftd^erem Sinleben feinet $erfön(id^bit in ben ®e9en«
ftonb }um Äunftroerf ju geftalten fud^t. —
9Bir fe^ jeftt, baft bie fubieltioiliifd^e unb bie inbi«
vibualifHfd^e ilunfl beiS 19. unb ber oorl^ergel^enben (e(ten
brei 3a6r{)unberte nid^tÄ \% tt(« ber in« Äfi^etifd&e geaoqene,
ber ^^antafietbätiöfeit jugewanbte 2lu§brucf ber '^\v}d)t biefer
Reiten, ©ottte mit ber Äunft ber t)or()erge()eiiben 3^1^^^^^^^'
onber« fein? 2ßie toärc e8 mögüd^: bilbet bod^ bie ^()antafie*
tdätiQMt eine fo mid^tige @eite bed ietoeiligen @eelenIebeniS^
bofi bie anberen ©ebiete bedfelben nottoenbig mit il^r in be«
ftäubigem roedfifelfeitigen Söerf)ältnig fteben muffen: fo baf?
jebe roobl abgegrenzte unb (luie baä nun einmal §um (eid)tcren
SSerftönbnii^ nid)t anber^ ge^t) in ^ßerioben jerlegte ^Ibmanblung
ber Itrafte ber ^^antafiebiibung nur ein Slui^fd^nitt ift aud bem
analog nerlaufenben, nur oiel umfangreid^uen $ro}e6 bed
gefamten nationalen Seelenleben^ überhaupt. Übrigen« fdnnte
ber 33en)eig für jebe^ einzelne 3^'ilölter auc^ auö ben XljaU
{oc^en felbft anfi^auli^ unb leidet erbradjt nierben, luenu e«
bie £)bnomie ber S)arfiteaung an biefer ©teile auliege K
SBu^ \)ahm nnx alfo? 33or mv^ tauchen uon ber Urjeit
ob bis jur ©egenroart fünf S^^talter ber Gntmirflnnc^ ber
nationolen ^f^d^e auf, unb il^uen gel)ören natnrgemäfe fünf
SBanblungen ber Mlbenben 5tänfte unb indbefonbere ber ISRaierei
an: vom St^mboUf d^en in« Ornamentale, von biefem in«
^^^piidj-^onüentioneHe, l^ieroon ins^ Qnbiüibualiftifd^e unb uon
biefem luiebcr in^ Subjeftiinftifdje fd^reitet bie ©ntroicflitng
fort Unb biefe ^aublungen lommen }ur ^cfc^einung üi ber
* C^rbrac^t ift et in meinet iDeutfc^en ©cfc^ic^te 1—6 pusaim.
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78
SißMitbf Kttttft.
fe^r oerfd^iebenortit^en S3cl^anbtun9 beS UmnffcS wnb ber Jvarbe:
TOobei ba« äUefte 3eitalter faft nur ben Umrife, ba^ iünflfte
faft nur bie ^axht fennt.
S)iefe gefd^id^tl^en (Erfahrungen lönnen f$ematif(i^ unb
^ujsetQdl^ ecfdMnen. Sie wenig fie ftnb, oeraiag mit
ooQfient @rfol() ^ter ntd^t barget^an §u mitott ei» l^iege eine
beutfd;e Äiuiiftöefdjid^te in organifd^em ^^lufbau i^rer entwicflung
üorttagen. 2öo^l aber läfet fid^ an einem n)id^tigflen S3eifpier
mit jroei SlBorten jeigen, roa^ eine flare ^eriobifierung ber
SntwidUing oon Umrig unb garbe bebeutet Win wirb nid^t
3n)eife(n, ba§ bad jemetlige öfttietifd^e Staumgefül^l einer ber
roid^tigften gfi^toren ber funft(]efd)id)tlid^en @ntn)idhing ift. 3^un
ermeift fidj aber bie ©efd)id)te be^ ^kumgefüljlö a(3 in gänjtid^
untrennbarem 3ufammenl^aug mit ber be^ Umriffe^ unb ber garbe
befinbtid^, ober, nienn man bad lieber l^ört, bie Entfaltung
bed Staumgefül^ä finbet unmittelbaren Sbidbrud in ben SEBanb«
lungen Don garbe unb ttmrife. 3n ber erflen, fpmbolifttfd^en
$eriobe ift ba0 S^aumgefüljl nod^ fo gering, ba^ eine bloge
fpmmetrifd^e SInorbnung von Linien unb anberen 2)eforation^-
teilen o^ne Umral^numg befriebigt; iin ornamentalen geitalter
i|i ber 9laum bed OmamentiS ftetd fd^on gebunben: ^ befielt
eine Umrahmung, tnnerl^alb beren ftd^ bie Ornamente um einen
öirtuellcn 3)iittelpunft legen in bem 6inne, roie man in bem
Ornament be^ 9iofofo§ t)on ber Slnorbnunf^ ber Sd^mudfteile
um ein mxtmüeä (S^entrum reben fann. ^abet n)erben in beiben
3ettaltern nur bie beiben ^imenftonen ber Sange unb breite
bem<igt. ^a» britte, mittelalterli^e geitattet bringt bann
in ftetig junel^menben SSerfud^en ber Sinearperfpeftiüe bie erfle
Slnfd^auuiig ber britten ^iinenfion unb bie erften Jrai^en ber
iHaumoertiefung ; ba^ inbiuibualiftifd^e ßeitalter fefct biefe ^er^
fud^e fort, inbem eg bie ßinearperfpeftioe bemättigt unb, freilidj
no(i^ unoodtommen, bie ßuftperfpeftioe l^iitsu^ielftt; bad 3^italter
enblid^, in bem mir und beftnben, l^at eine biiS bal^in unerl^drte
SRaumuertiefung auf bem 2Bege ber 2Biebergabe beiS belid^teteu
garbcneinbrudeg erjielt.
^irb man nun nod^ an ber ^^rud^tbarfeit einer ent»
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2lbcr nod^ mel^r: ift bie einzig juläffige. 3!)er iRadJ»
loeid Uefer Sl^otfad^ fü^tt su Q^ebanletirei^en, bie beim Sefer
lool^l f<ton Ungfl angeHungen fein nUigen.
4t 4(
*
2. @§ ift hx^\)tx oon einem fpmboliftif d^en unb einem
ornamentalen 3^^^^^^^ gefprod^en unb eg ift bel^auptet roorben,
bat in bem erfien biefec S^^^^^ @egenfianbe ber St«
fd^einung^melt in bet Äiinft mtt in ben alletallgemein|ien Um«
riffen, nod) mä)t einmal ornamental, unb in beut jroeiten ^tit-
alter nur ornamental feien roiebergegeben tüorben. Siegt ba
nid^t bie ?^rage auf ben iBippen, ob benn etm gar bie ^lenfd^eu
biefec 3^t^tet nur ornamental ober nod^ nid^t einmal oma»
mental gefeilen l^aben foOen, fo ba^ ite eben aud^ nuv otna«
mental ober no^ nid^t einmal fo §eid(inen fonnten?
^ie Slntmort lautet : ja unb nein, je nad^ bem, roas man
unter ©el^en oerfte^t. Sunöd^ft- ift ^^i" S^Jeifel, bafe bie
^JJ^enfd^en biefer 3^i^ a"<$ naturalifiifd^ feigen fonnten, menn
{te moSten. ffiir l^aben tlberliefentngen fd^on au9 bem 7. unb
8. 3<^^^^unbert, in benen, im ®egenfa( jur gteid^jettigen orna«
mentalen Äunft, S)eutfd&e Xiere unb $8erroanbte^ gonj natura-
Uftijc^ gejeid^net l^aben; ja, oereingelt reid^en foldje Über=
lieferungen für bie 9lorbgermanen bi^ roeit in bie oorgefd^ic^t-
Ud^en Sa^tl^unbette luvüd. @o beßanb ein boppelted @elj^en?
dmii. SMe ii^ftologifd^en Keije, meldte ben Sugennem et«
fagten^ unb bad SBilb auf ber 92egl^aut waten in bem ^uge
ber ©ermanen im allgemeinen — fie mögen freilid) burd)^
fc^nittlid^ fd^ärfer gefeiten l^aben alg wir — ganj biifelben
»ie bei und. Unb menn ein Germane bie^ pj^vftologilc^e ^ilb
unmittelbat, nad| bet Katut, mit önfterftet gntenfitfit unb Xteue
butdl ben Stift feft^ul^alten fud;te, fo mat bai^ Stgebnii^ im
ollgemeiiieii baö gleidje, n)ie bei einem bilettantifd^en 3^^^"^!^
oon ^eutgutage. Slnber^ bagegen, roenn berfelbe ©ermane alö
ilünfilet fd^uf: bann fam bei ber ^iebergobe be^ ^ef ebenen
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80
SU^enbe Uunft,
I
ein Ornament, unb nur dn Ornament, l^eroui^. ^ie ifl biefe
X{]at\aä)e nun erflärlic^, bie übcrlieferunggmäfeig ganj fcftftel^t
unb fid) in ben nieberen JluUurftufcn anberer 33ölfer ftanbig
tüieber^olt? @infa($ burd^ ben Umftanb, ba§ baS fünflterifd^e
^t(b nid^t nad^ ber ^flatat aufgenommen mürbe, fonbem mel«
me|r an ber ßanb ber gebäd^tnidmögtg surüdfgebtiebenen Sor«
ftellunc^en beS eiiifl ©rfd^auten : ber ©ermone fal^ im allgemetncn
nidit tntenfiücr ol^ fo, ba§ er von bem ©eqenftanb ein orna*
mentales ^ilb behielt; unb bied fixierte ernac^^er, menn feine
^^antafte i^n ^nm <Sd^affen anregte.
9Ran nutd^e bie $robe, ob man benn felbfl — menn ntd^t
ÄünfWer — f)eute fd^on ©efcl^^cne« im attgemeincn um fo vielei^
]d)ärfer bet)alte; man beobad^te bie Äinber, bie, roenn fie
5eid;nen, nad^ ber ^atfteUungiStDeife ber nieberen ^ulturftufen
oerfal^ren.
SlCfo: oon bem gnl^alt bed SUbed auf ber ^ttli^ut, bai^
bie DoOe 9Be(t ber @rfd)einungen miebergiebt, mürbe nur ein
geringer SJkud^teil in bie SßorfteHung ge(}obcn, §u anfd&aulid^er
^l^orüeHung umgeformt, unb biefer Xeii war ^runblage ber
ilunftübung.
9lm oerflel^t ftd^ o^ne weitered ber ^ntmidiungdgang ber
beutfdden TlalttiA unb bilbenben Itunfi fiber^aupt — wie audj^
ber gonj analoge ©ntroitflungggang ber üunft anberer ^Bölfer:
au§> beni p^i;fioIogi)d)en 33ilb wirb immer mel^r in bie ge--
bäd^tni^mäfeig flare 9(nfd^auung gehoben, bie älnnä^ernng ber
^unft an bie ^d^einung ber ^inge nimmt ju, bie ^unfl
wirb immer naturalifüfd^er. 3» meldten @ntwidflungdfhtfett
bad*gefd^iel^t, wiffen wir. ^ügen wir nur nod^ i()injn, bog bai^
Eintreten ber böigeren ©tnfen burd) eine immer ftarfere ^nten*
fität beS Sebens, burd) ben Übergang fdjlicjilid; jum (Scbaffen
nad^ bem ■^iobeU t)ermittelt werben mugte, unb bag biefe ^^er*
mittlung nur möglid^ war, wenn fiünftler }u fein ein be«
fonberer Seruf warb: bie wirtfd^aftlid^e Xrbeitdteitung, bie
SWöglid^feit einer fojiafen ©d^id^tung, in ber oietc moteriell
probujieren, um anberen bie 3)iöglid)feit ^u geben, rein bem
@d^uen ^ugewanbt intenfioer $u feigen unb ^ierauiS genauer
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gertalten, ifl be^^alb notroenbige ^orau^fe^ung für bie Q:nU
wicflung einer ^öl^eren Äunft.
@o iß bec ^ortf4intt bet Itunft bebiiigi buvd^ bie 9lrt
unb Seife, bie %om beS menfd^Iid^en DoDbetDU^m 6e](eni»:
ein formale^ ^rinjip liegt ben ©ntroidlung^perioben ber ^unfl
§u ®runbe, nid^t ein ^rinjjip, ba§ flofflid^ auiS ben ®egen-
^nben ber ^unft genommen wtxhtn fönnte.
& ijl bad ein SRoment, bad auf bad entfdjiiebenfie betont
loecbett inu|, foiool^l für bie Oegemoott, in bev man »ieber
oiet von einer Gtofftunft l^ört, mie aud^ fftr bie jüngjl im*
floffenen Sa^rge^nte, wä^renb beten mele niemals jroifd^en
Sinne leutemalerei unb greiluftnmlerei, groifd^en ftofflid^em unb
formalem 92aturaIiSmuiS unterfd^eiben lernten. äBod aber mni
mm gar non einer Oefij^id^tfd^eibung mtb nod^ mel^r von einer
^ilorifd^en, fei ei» ber Sitteratur ober ber SMil^tung ober
onberen ©ebteten ongeprigen gorfd^ung benfen, bie fid^ oon
jiofflid^en ^rinjipien be^ertfd)en läfet? S^nrfteHutui rcie Unter*
fud^ung »erben auf ^iftorifd^em @ebtete Don t)onü;erein irre
ge^en, loemt fle nid^t fhieng baran fefk^alten, baft fftr jebei»
gefd^id^ttid^e SerfUnbnÜ» baiS Sui^gel^en 9on ber CntwidHung
ber $orm notmenbig i%
S)enn xoa^ ifi bie Jform? ©ie i(l gegenüber bem 6toff,
ben bie ©rfd^einungSroeit in ber einen ober anberen SBeifc
Pellt (©egenjlanb ber 3)orfteIIung, 3J?aterial in ©tein, ©rj,
ed^aUmeOen ti. f. xo.), ber @eifl, ber biefen @toff befeelt; fie
ifl bie in bie XHnge ^ineinge^aud^te $ft)d^e. Sefd^id^te aber
ift unter aUen Umftönben feelifd^e^ ©efc^el^en unb ni^td
anberen.
Unb ftnb biefe älitöfül^rungen, bie ftd^ aderbingd gegen fe^r
oerbreitete Srfd^eimingen im SSetrieb ber ®efd^id^tdn>iffenfd^aften
rid^ten, benn fo neu? SBenn (Boet^e immer unb immer mieber
afe eine feiner wefentUd^flen ©rfal^rungen betont, nur bie gorm
mad^e ben 2)id^ter, meint er ba etrca^ anbetet al^ bag ©efagte?
^reilid^ giebt ed fd^einbare ^u^na^men oon ber Stiegel,
^ne ber mid^tigfien, bie immer n)ieber $u ^öufd^ungen Slnla6
giebt, ifi in ben befonbecen Serl^ltniffen bei 8eginn einer
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82
Btlbeti^f Ktiitil.
^eriobe ftarfcr 58orfteUun(i§erroeitenntgeH begrünbet. S^eljtnen
roir g. 3i iti bcr 3)JQlerei unb ber ^id^tung bie ©rrociterung
bed SS^ufUd^feitöfttmed, loie man |tt fogen pflegt, b. ^. bed
SorfieOutigtunifanged in ben bteigiget bed 19. 3a|¥»
Rimbert»: fie führte jum ^uemMIb unb jur ^orfgefc^id^te;
ober faffen wir bie i^lcidbe ©rfd^einung auf I)ö^erer 6tufc
in ben adjtjiger Sohren ine 5hine: fie fül)rte jmti 3Irme=
Icutebilb unb jum fc:^ialen ^Jiomaii bc^ oierten Staubet —
ober sielten mix, aui^ früherer (^noeitening ber pedipd»
ttmfd^en 9lnfd^auung, überl^aupt bie neuen maletif^en Xäibenjen
in ben erften 3ö^i^5et)nten be« 16. SoJir^unbert« in S3ctra(i^t:
fie fiUjrten ,>ur erften felbftänbigen Sanbfd^aftSmatcret. 3)a
fmm nun rool^l im erften Slugcnblid bie ?vrage auftreten, roa0
früf)er t»or!)anbcn war: bad neue Dbjeft, bcr weiter er*
griffene Stoff, ober ber 6imt, ber i^n erfaßte? gnbed bei
genauerem 3^fe^en ift bod^ bie Antwort nid^t im geringfien
jTOeifell)aft. finb bie neuen triebe am Saume ber 3>or-
fteUungöenueiterung, bie ,^nerft I)eiuorfproffen; biefe ftrecfen fid^
bann }uerfi nad^ ber Seite neuer Stoffe, bie iljnen befonber^
lufagen, bie oon il^nen am leidbteften geformt werben tdmien;
erfl fpftter ergreifen fte bie gon^e (^fd^einungdtoelt aud^ in
ben Steilen, moü^nen Derfc^icbenartige fiinbemiffe, am ^äufigfleii
etwa eine fd;on befte()enbe ^rabition anberer gormung, rafdjjc
unb mül;eIofe (S'ntfaltung oerfagen. ©o l^anbelt ec^ fid) aud^
in bieten gäUen im ©runbe bod) um teine ©tofflunft, fonbern
um eine gormtunft, bie §unäd^ft nur auf einen befümmten
@toff (efd^räntt ift: unb oon biefer Seite ^er, nidftt vom
Stoffe au^, mug in bie Xiefe fold^er (^fd^einungen gerungen
werben.
greilid) werben mir un§ im übrigen über ben Segriff ber
fjorm nod^ flarer werben muffen. S)enn ber äludbrud ift oiel«
beutig, unb bie folgenbe ^rfieOung, bie il^n Dermenbet, fann
nid^t burd^ftdfitig werben, ift er nid^t oorl^er erdrtert
^ie gönn, üon ber bi^l^er gerebet morben ift, ift bie
gorm, üermcge beien ein beftimmte^ 3^ita(ter ber .^^unft bie
^rfd^einungdiuelt miebergiebt äBäre man niö^i oerjud^t, ne
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Silbenbe Kunfi. 83
Stil lu nennen V 2lllein bie§ SBort »irb bod^ in anbcrem
@intte gebfottd^t: lumeifi in Sbtlel^ttiiiig an bie ietDeilige ^orm
ber 9aulun|l, bie nttt ber l^ier (el^onbelten ^otm, fc^on
wegen ber oben genaner bcfpro^enen entroidlung^t^efd^id^tlid^en
Stellung ber SBaufiinft, feine^rceg^ jufammcnfäHt. ©o roirb
mon bie gorm »ont Stile fc^eiDen müffen unb fie barum
tDenigften^ ba, xoo bod einfädle 3Bort gorm SRigoerftänb«
niffe lierbeifü^ren ttnnte, am beflen Oemeinform ober ge»
mein pfpd^ifd^e gorm ober §orm einei^ befümmten S^itottetil
nennen.
3|nnerl)Q(6 biefcr ©emeinform feiner ^ext nun, fie im ein=
jcinen üeränbernb unb fortbilbenb, fdiofft bann ber einzelne
Rünftler. Sbma voit er immer tl^öttg fein möge, er ift eine
$erfönli<i^(eit unb tl^ut bamit gegenüber ber 9Bir!(td()fett tinb ber
3[rt, wie biefe oon ber ©emeinform ergriffen roirb; i^r fein
©igneS l^inju. ^abei finb benn unenbUd^ oiele Sd^ottieruntien
in bem äBefen biefeg Eignen benfbar. 5Iber fie alle beroegcn
Üd^ innerl^atb ^meier $ole. ^Dem ftünftler tarn entoeber ber
Shrang innemol^nen, auflS meitefie ^ oft meint er fe(b|l:
gänjlid^ — in ber ^fd^einnngiSmelt aufzugellen unb biefe fo
natürlid^ roie nur irgenb inner()alb ber ^enben§ ber ^errfcftenben
(Semeinform benfbar, ja über biefe in leifen Sd^ritten ^inau§
roiebergugeben: in biefcm '^aUc fprid^tman Don ^iaturaü^mug.
Ober aber er I&|t in bad ftunftwerf au|er ber gform feinet
Temperamente aud^ nod^ feine Steigung unb Stimmung, im
ftärferen i^-aüe Spuren feiner Sßeltanfd^auung, feiner ftttlidjen
^IJIa^imen unb anberer ftofflid^*perfön(id;en Elemente einfließen:
bann roirb man i\)n ju ben 3^ealiften red^nen. ^emnad^ roäre
aud^ nod^ eine |)erf önlid^e ^^orm, unb in i^r roieber eine natura«
(ifUfd^e unb eine ibealiftifd^e SIbart ju unterfd^eiben. Unb
babei ffinnen biefe g^ormen bei ein unb bemfetben j^ünflfer
oertreten fein: gerabe bie (SJrofeen — ouf beutfd)ein Boben
j. 33. bie van @pdf§, ©ürer, ^Rembranbt, ^Jiubcn^ — l^aben
bie naturaliftifd^e S^iebergabe ftarf geförbert unb bie neuen
Girungenfd^aften biefer )ug(eid^ ibealiftert.
Wton fitit l^iermtS, mie menig ed möglid^ ifi, bie ®efd^id^te
6*
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84
Bübenbe Knnjl.
ber ^^antaftct^ätigfeit etwa na6) ibealiftifd^en unb natura»
liilifd^en ^erioben 3U gliebern. SBo ftd^ eine fiatle t^ortbilbung
bed 8BirfUd^(eitdfinne9 wt^it^t, alfo ein neuer KtttutalttmuiS
einfe^t, ba ifl ato(alb and^ bet Sbealttmud §ut SteDe, unb
bcibc greifen felbfi beim gleid^en £ünft(er, wie ml nte^r erft
bei oerfc^iebenen Äünftfern begfelben S^italter^, roirffam unb
fiänbig ineinanber. Unb aud^ nad^ Dorroiegenbem ^^aturali^mud
unb Sbealii^mui» (äffen fid^ grofte $erioben bet Cntwidbtng
nid^t obgren^em S)enn mi foO eine Sd^eibung, bie immer
nur mit einem 3Wel^r ober 3)^inber red^net? Elemente üor
allem ber l^öd^ften ^eriobenbilbung muffen ffar unb einbeutig
unb barum aud^ im Pd^ften @rabe eigenartig fein, ^ur
für ben fpe^iellen Serlauf einer £unft innerl^alb einer be*
fiimmten $eriobe mag eine (El^rafterifUf ber Sitqeloorgdnge
nad^ bem ftbermiegen naturaliflifd^er unb ibeatiflifd^er Elemente
juläfRö fein. Unb auf biefem Soben wirb fid; bann ber
diiQcl nad^ l)eraugftellen , bog in Slnfanggjeiten einer neuen
^^antafiet^ätiflfeit ber äiaturali^mud überwog, worauf eine
Seit ftärterer äbealifterung einfette. Statttrlid^: bie £flnftler
erobern erfl bie Xuj^brudfMeife eined verflArlten Sirflid^feitiS«
finnei^; ftnb pe t^rer 3Weiftcr, fo fd^affen fie au8 biefer Se-
^errfdöung J)erau§ me^r perfönUd^, tppifierenb, ibealiftifd^.
§d erbeut ^iernad^, bag ber (S^ebraud^ ber äBörter SibealüS»
muiS unb iRaturalidmud (9%ea(iiSmuiS) )ur Sejeidftnung etned
beßimmten Seitaltetj» unsuMfßg ifi. & iat )tt aOen Beiten
9{aturtt(ÜBmuiB unb SbeoHdmui» gegeben; unb ba bie ©emein*
form im SSerlauf ber nationalen ®efd^id[)ten in iljrer ©ntroidflung
erfa^runggmäfeig burd^ bie Entfaltung eine^ immer ftärferen
SBirtUdSffeit^rtnneg (rid^tiger: burd^ bie immer üollftänbigere
Hebung pl^^ßologifd^er (Befid^tdeinbrüde in ben IBereid^ bt*
mujster SCnfd^auung), atfo burd^ naturalifHfd^e S^orgönge be«
fUmmt ifl, fo bilben bie üerfd^iebenen 9laturaU§men ber Der*
fd^iebencn S^italter bag eigentlid^ jufammen^altenbe ^anb ber
funftgefd^id^tlid^en @ntn)idt(ung. äBir fönnen bemgemäg oon
einem f^mbolipif d^en , ornamentolen, tppifd^^fonoentionettcn,
inbinibualifUfd^en^ fubjehioifUfd^ 9latura(iiSmud fpred^en unb
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Bilbettbe Knnfl.
85
muffen bieS fogar auf bie ©efol^r \)\n, bie grabe unter
fiifloriferu ^äupgcn *3§menfeinbc fd^roer §u mieten. 3n
biefeni wie mancft anbcrem gaHe ifl eben in ber äBiffenfd^aft
j{(arl)eit loid^ttger ate ein oieUeid^t nod^ fo berechtigter filnfl«
(erif^er SBibermiKe gegen 8egripMIbtmg.
2>ie lette 6tufe biefet StatutnlttmuH aber, atf o bie 9ufh
bilbung beg mobernen D^aturoli^mug, liegt nun im SmprefftoniS*
mug öor. 33on i^m roor in ben affgemeinflen Qü^m unb
grunbfä^licli fd^on bie 9kbe. SBie er ftd^ Dor allem in beutfd^en
Sanben im eingelnen gefd^id^tUd^ entfaltet ifot, unb »ie {td^
innerhalb feined SetlaufdS bie anfange me^r impreffloniflifd^*
naturaliflifd^en Elemente in me^r imprefftoniftifd^^ibealiftifd^e
umfegten, ba^ foK nun im folgenben ^unäd^ft für bie ^^alerei
er)ätilt n)erben.
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n.
1. Sa ifl mm wt allem )u betmteit, ba| bie ünU
rotrffung grabe ber bilbenben Äunjl in S)cutfd&(onb toftl^renb
ber 2Infänge besJ jubjeftioiftifd^en Qextalttx^ oHc^ anbere alö
leidet unb bamit aud) einf ad^ geioefen ift. <Bo fidler bajJ bi^
auf ben l^eutigen ^ag le^te 3^^^/ ber mobente StnpcefrtoniSmui^,
f^lielUd^ erteilt loorben ift, fo oenoonen woxm bie Siege,
bie 5u biefer entiDtdlung^gefd^td^tKdften Sanbmatle fül^rten.
©runb J)ierfür rcar in erftcr ßinie ber ungeheure Gräfte*
verfall uniere^ ^ßolk^ feit etwa 1530 bie» 1550.
SSßir Ratten feit bem 12. unb 13. So^r^unbert in unferer
inneren (^ntwidflung ebenfoDtel @iüd gehabt nie Unglüd im
äußeren Si^xd^aL ^ benfelben j^ttn, in benen bod gro^e
mittelalterlid6e Äaifertum feit bem gmoeftiturflreit tro^ fo
glänjenber §errfdjeröefd)(ed)ter , roie eö (Balm unb ©taufer
waren, ja eben wegen ber rounber baren ^raft biefer ^errfc^er
biutooU unb majeftötifd^ wie bie ftnfenbe dornte eine^ flaren
Sbenbl^immete @runbe ging, mürbe tinfere Jtultur beinah
unerwartet aufi^ naci^l^altigfte beftud^tet. Sd^on fpurenl^aft
t)orI)anbene Slnfänge einer engeren SSelt^anbel^oerbinbung mit
bem mittcnänbifd[)en Söedfen bce afiatifd;-euroviiiid;en i^ultur^
freife^ bilbeten fid^ raf^ au^; burd; Die iiolonifotion bee
heutigen beutfdben SlorboftenS würbe bie Ofüfee erfd^loffen unb
für 9lorbbeutf(^(anb ein groger internationaler mefÜifUiö^er
iganbet mit ben ^bpunlten Sonbon, Sergen, ^owgorob tt*
(^riinbet. ^ie golge war eine reifeenbe 3ii^^ti^)»^ß ^^^^ Stäbte^
fuitur in ganj ^eutfc^lanb unb eine in unenoarteter Sd^neUig^
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87
Uli ßeigeitbe Sebeutung bed 9firgertum9. S^eit iiitenftoer unb
weit Tofd^er, ab bdi» aud eigenen iträften oOeln ^fttte
fd^c^en fönnen, üolljog fid& TOeiügften^ für einen Steil ber
'3?ation ber Übergang von ber SiaturalTOirtfd^aft pr ©elbtnirt-
j(^aft mit oU feinen oQgemeinen (eelifc^en unb geiftigen folgen:
ei» war, toenigftend mad bie Bestellungen |um ä^Uttebneer am
gel^t^.bie er|d|te ^ennentation oon ftultuten, bie, wie 8. bie
ja^ifd^e burd^ bie d^inefxfd^e, bie gried^ifd^e burd^ bie'flein«
Qj'iatifdbe unD äc^pptifd^e, bie rönii)d;c burc^ bie gried^ifd&e, oon
Qufeen ^er burd) .^anbelä^ unb $ßerfe{)rS3ufammenf)änge mit
enttoidlungdgefd^icS^tlid^ ^ö^eten BiM'tänben in ^erü^rung
fomtnen unb nunmel|r geil emporfdl^ie^ @o liiaben wir in
unferen @tftbten bed 15. S^^rl^unbertiS gelegenttid^ fd^on (Sr*
fc^einungen foft ber nioberncn ©elbroirtfd^aft; l^olb mobern
ober TOenigften^ burd^ou^ vom WxtitiaiUv gefd)ieben muten
un§ il)re fortgefd^rittenften ^^Nerfönlid^fciten an, unb in ^eutfc^-
lanb l^at bann eben auf @runb ber angebeuteten @ntn)idlungen
bie SVeformation im tieffien aller menfd^lid^en ^mpfinbungd'
freife, im religiöfen, ben Slrennung^ftrid^ jroifd^en 9RittelaUer
unb S^eujeit gebogen.
• 5Iber blieb biefe Kultur erljaltcn? Sie fd;iuant) teiliueig
nieber ba^in mit ben SSorau^fefeungen, auf benen fie beruljte:
fie iDurbe, (angfam natürlid^, ein Opfer bei» S^italterd ber
(Sntbedungen. Slfö ^Deutfd^Ianb burd^ bie Serbgung ber
grogen ^anbeldl^erbe nad^ bem SBefien Suropod aui» ben m*
mittelbarften 3"ff^^^^^^^"^öngeu be§ 2Belt()anbeIf^ aiic>fd)ieb, ba
roar, unter gleidjgeiticjcr 2Birfung geraiffer innerer 3[^er=
fd^iebungen gn)ifd{)en ber politifd)en SBebeutung ber 6täbte unb
S:erritorien, fein Sd^idfal entfd^ieben. Sd^on feit etma 1530
gel)t e9 nid^t mel^r red^t Dorroärtd in matertetten mie au^
geiftigen SDingen, SSerfad^erfd^einung ^änft fid^ auf JßerfallÄ«
erfd^einung, big ber entfet3Ud)e Krieg ber breifeig 3al;re bie
Sage Befiegelt. 2)ie gürftin unter ben D^ationen war jum
Slfd^enbröbel gemorben; granbeid^ unb @nglanb ^tten ^euifd^f»
bnb fiber^olt.
IM ift ber S^arotter ber beutfd^en Kultur bed 16. tü
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19. 3al^r^unbertö. 9tt in bie 3^iten nadft bem 5lriege von
1870/71, M sut vricbergetDoniteneti Clitl^ toami mit bett »efi«
(i$eii Stationen in ben mdfien SHngen bet Auttut unterlegen unb
Rnb in einer ditx\^t ber feinften S^inge nod^ ^eiite. (5^ muß
boS offen QU^gefprodjcn rcerben; fd^änbet nic^t; unb cjS ift
nod^ bem SSerlauf unferer ©efd^id^te leidet erflärlid^. ^er
SIr&gev ber mobemen ilultur ifl bad SSfirgertum. 9&um f)at
{{^ biel^ mobeme Sürgertum bei ben btei Stationen oergteid^d«
weife entwMelt? Sn @ngtanb witb in ber ^loeiten i^älfte
be^ 17. Sal^rl&unbert^ bebeutfam; bie gül^rung ber 9lation be*
onfprud^t feit beginn beä 18. QQl^rljunbcrtg. 3" S^önf*
reid^ regen [xä) bürgerlidje Qntcreffen flärfer feit ctroa 1730;
fle Regen 1789. 3n a)eutf4Ianb wirb bod eargertum foiial,
in ben gefeEfd^aftüd^en Sorsängen ber Smpfinbfamleit, taflenb
regfam feit etwa 1750, bilbet garte Slnfö^e eine^ primitioen
politifd^en S3erftänbniffe§ au& feit etwa 1760 — bringt
aber ju ben erften ^Übungen politifd^er ^arteten erft im
19. Sal^rl^unbert, nad^ jener jfinglingi^^Qften ^(ben^eit n)a^renb
ber 3al^ ber ^^iti^triege. ffiirfUd^ etwa» )u fagen l^at,
ffil^renb wirb ed alfo erfi im 19. Sol^rl^unbert
Tlan mu6 biefe l^ier ganj grob ^ingeroorfenen Datierungen
ftänbig im 3luge ^aben, will man bie beut)d)e .Kultur feit 17.50,
ja roiÜ man bie Swfömmenl^änge ber europäifd^en iluttur ber
legten Sal^rl^unberte überlSiaupt verfiel, ^a bie mobemen
Itulturfortf^ritte fo^ial auf (flrgetlid^et Snmblage ermad^fen,
unb ba bie Au(turentn)id^(ung ber brei großen §entrat« unb
wefteuropäifdjcu Diationen im allgemeinen burd^auö benfelben
2ßeg nimmt, fo liegt nad^ ber foeben gegebenen ß^^ronologic
auf ber ^anb, ba| bie ietoeil^ neueften (Etfd^einungen ber
Siegel na4 in (Snglanb auftauö^en werben, bama<i in
^ranfreid^, enbti$ in ^eutfd^lonb. ttnb e9 i|l Hat, bag
ba^ bei ben S^adjjüglem uic^t oljne 33eeinf(uf)ung feiten^
ber SSorberteute gefd^el^en wirb, ©o erfldrt eg pd^, ba&
^rantreidS^ ftänbig eine ^iltte englifd^er üultureinflüffe aufge«
nommen unb mit ben eigenen (^tmidlungi^feimen Derfd^mol^
l^at unb nod^ aufnimmt unb oerfd^mil^t — oon Sottoire unb
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Btlbenbf Kunf).
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S^rfil^eren l^erab Btt auf ben jüngften fran^öfifd^en Stomciti unb
bie legten ©cdPcnlouncn bcr SJ^obc; unb ba6 bag beutfd^c SBolf
jebe neue freie unb grofee SBallung eigenen J^ortfd^rttteS mit
ben fd^ou älteren (Erfahrungen @nglanbd unb granfreid)^ —
unb %vm nid^t feiten engUfd^en, butd^ Sfnmheid^ oemiUteltett,
ia aud^ fiansdftfd^, butd^ Cnglimb oeniiittelten Crfal^itgeit —
^u t)erquidfen pflegt, ^abei ging biefer etwaig oenoicfeUe
^ro,^e6 frül)er jiemlid; longforn oor ftd^; heutzutage, wo
bie ^ntroidlunggbifferengen d^ronologifd^ gienilid^ ausgeglichen
haben, xoo toeber ^ranfreid^ leintet @nglanb nod^ S)eutfd^lanb
Gintec gftatifaeid^ nod^ um eine iwOe Generation §tttfld ifl,
poDaieht er 9^ rei|enb ^6)m\l, ifl ober freUid( aud| mit ber
immer fiärfcren d^ronologifdfeen Slnnäherung ber ^Rationen in
fetner alten 5orm im Slbfterben begriffen. 2ln bie Stelle tritt,
bei immer loadhf^t^bem ä^erfehr unb ftets fteigenber ^uSbilbung
einer großen internationalen @efellfdhaft ber fühtenben itreife,
ein einfod^ gegenfeltigev Xudtoufd^, eine medftfelfeitige S)urd^*
bringung auf gleicher Srunblage, bie man fid^ unter bem
phpfifalifchen Silbe ber ^ioSmofe üeranfd^aulidhen fann.
früher aber unb für 2)eut)(hlanb fpejiell njöhrenb ber
Seiten ber neuen bürgerlid^en ilultur, feit etma 1750, rcar ed
ber allgemeine gu^nb, bi^ neue Crrungenfd^aften nur fd^wer
ol^ne einen ^^inbtidf auf bie fortgefd^rlttene Äittur ber meft«
lid^en 9}ationen gemad^t werben fonnten. ttnb nod^ früher,
oon etwa 1550 big 1750, war eg nod^ fd^limmer. S)a roar
bie alte bürgerliche Äultur beg fpäteren 3JiittelalterS üerfallen,
an bie ©teile n^ar eine fürftlid^e unb abiige @urrogat!ultur
getreten, bie fi^ über bm S3erfattdoorgängen innerl^alb ber
Nation nur baburd^ mü^fam aufredet erhielt, bajl fie iM ber
im 16. Sahrhunbert nodh in reid^er Slbblüte beftnbltd&en italie*
nifdhen unb fpäter auS ber franjöfifd^en 5lultur fd^öpfte: baS
^ulturnioeau ber Nation ai& ©anjeS mar gefunfen, unb über
ihm fd^lugen bie SBogen ber h^inbranbenben Kultur ber
romanifd^ Nationen }ufammen.
S)i^ ©efamtUIb aber mürbe nod^ burd^ einen weiteren 3ug
fo mefentlidh dharafteriftert, bag mir aud^ biefen f)iet mit ein^
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^ilbnibe Knnft.
ffl^ren mfiffeti, pimal et ttod^ für Me @iqtmaxt von 8e«
beutimn ift. ©d^on bie ©ntroicflunggitufen ber ntittelalterlid^en
Jiultur ert)ielten burd^ Slufnalime anüfer Elemente gelegentlich
eine anbere gärbung: immer unb immer roieber brängten
fid^ bie loeltgefd^id^tlid^en Elemente in bec ^orm llafRfd^er
9ienaiffancen in ben Bufanmten^g ber nationalen Cntmicl*
(ung ein: balb unorganifc^ unb bann rafd^ »ieber faft gön^üd^
Quögeftofeen, tote jum größten Xcit in ben ^Henaiffancen Raxl^
bcö (^rof^en unb ber Dttonen, balb aud) orqnnifi^ unb bann
in bie eigene (^ntroicflung aufgefougt, nie in ber Sieseption von
)Ctiim ht» römif^en 9it^t& feit ben @taufent. S)ann aber tarn
mit bem 15. unb 16. 3a(r{iunbert unb von ba ab anbauentb für
faft ganj Europa bie größte aDet organifd^en SIenaiffancen: bie
ec^te, eigentlidöe SWenaiffance. 2Bie tüirfte fie auf bie oerfc^iebenen
^Rationen? 3m gan5en fann man, )\e\)i man oom 19. 3ahr=
^unbert ah, n)emdfiend für bie brei biö^cr betrad^teten ^NÖtfer^
3)eutf4e/ ^ranjofen unb Chiglänber, je eine bofipelte gkriobe
i^xH^ SinfluffeiS unterfd^eiben : bai^ 15. Uf^ 16. Sa^r^unbect,
unb fpäter bei ben g^anjofcn bog 11., bei ben ©nglänbern
unb ^cutid)en ba§ 18. 3al)rl)unbcrt. 83on biefen beiden
^^ieriobengruppen toar bie erfte, infofern eine aftioe 9ialionali*
fierung frembec (Slemente in ^etrad^t fam, me^r oorbereitenb,
bie sweite bagegen ging tief in gleifd^ unb Siut: fo »enigHend
bei ben ^ran^ofen unb ^eutfd^en; bie (SngMnber ^aben ftd^,
roie einft fc^on bie 5lngelfad^fen, ben flaffifc^en ©inflüffcn über*
^aupt treniger jugänglic^ eninefen. J^ranjofen unb
^eutfd&e aber befte^t innerhalb ber jroeiten (Gruppe ber gro6e
Unterfd^ieb, ba6 bie ^eriobe biefet (Bruppe bei ben grannofen
no4 in bad 3^taltet bed SnbioibualidmuiS, unter bad Slegime
fiubroigg XIV. fiel, — im 18. ^a^r^unbert fpielen bie KafR-
jiftifdjen 33eftrebungen nur nod) eine 9lebenroÜe; jiemlid; frei
oon i^r, nur nuljr in Sufeerlid) feiten oon i^r beftimtnt, ^at
fid^ bie franjöfifcbe Äultur fd^on feit etroa 1730 entioidfelt.
^nberd in ^eutfdjilanb. ^ier brad^ bie isoeite, beUenifd^
g^eriobe ber 9tenaiffance unmittelbar in bie Sugenboorgönge
bed fubjeftioiftifd^en SeitalteriS feit etOKi 1750 (inein, gab
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9Ubtnbe Knnft.
91
in ber ^id^tung jii ber Qeit, ba biefe aug (^mpjinbfainfeit
unb 6turm unb ^rang baju überging, einen neuen ^bealidmud^
)u entiDi<fe(n, biefem S^^i^i^n^ud einen antüen ^nftrid^ — unb
befUmmte, tote mit fe|en werben, nod^ weit me^t tna @d^idfat
ber Mfbenben AfinRe. 9hir bie 9tu^f ^ielt ^x^ von biefent
3tnftiinn frei — toie and) i)äite bie Slntife i^r beifommen
foöen? — : unb barum ift allein fie ööüig Uax, frü^jeitig unb
organii(i^ entroidelt iDorben. Unb aud^ bie ^^^^ilofopi^ie tourbe
oon ber ^ntife weniger betroffen: ba würbe bie gan§e SBirt
lid^feit ber Qnt, bie hinter jeber Silbung einer wo^aften
SBettonfd^auung [teilen ntujs^ att ein genügenbed ©egengewid^t
gegen jebe 3^enaif)ance erprobt.
2Bir überfefjen jefet im allgemeinen bie befonberen Um=
ftönbe, bie förbernben unb bie ^emmenben (Elemente ^ unter
bcren S)afein ftd^ bie feit bem 16. Sa^r^unbert in it^rer
SBetterbiKbung fo fd^wer gefd^äbigte unb barum gegenüber
trcmben ©inflüffen fo loenig roiberftanb^föfiige beutfd^e iluttur
unb fo aud^ bie btlbcnöen j^ünfte unb fpc^ietl bie ^DMterei feit
etwa 1750 entioicf elten : ftarfe ©inroirfung einer iHenaifjance^
t)ie feit bem 15. ^a^r^unbert anbauerte unb nun eben wieber
in neuer AraftentwidHung begriffen war; fifinbiger (Sinf(u6 ber
loeiter fortgefd^rittenen bflrgertid^en itulturen ber SSeßUnber^
@nglanb^ unb granheid^^.
*
2. ©eibftänbige ^erfud^e in ber 9tid^tung auf eine fub»
ieltioifHfd^e aHa(erei fbib auf beutfd^em Soben feit 1750 immer
unb immer wieber l^erDorgetreten. 9l6er fie ^aben im ott*
otemeinen nid^t burd^bringen fönnen gegenüber einer Strönuing
antitifierenber gönnen, bie fid^, einmal an ber Dberfläd^e be=
flnblid^, mit mobernen Neigungen big weit ^inaud nod^ über
bie fiebsiger 3|abre bed 19. ^al^rl^unbertd uerbanb.
SMe fubjefttmfiifd^e !Rid^tung trat begreiflid^erweife suerft
im Silbni^ auf unb im eigenttid^ften öürgerjtanbe : benn
bog S3ilbniö mu6, wenn e§ alö e(^t unb ät)nlic§ rairfen foll,
immer ber jeweiligen eingeborenen älu^bilbung bed fünftlerif 4)en
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^ Silbcnbe Kunft.
Geltend fol^^eit: eil fei benn, bag biefe9 6el^ f^on h\& jur
öönjli^en Sluflöfung be§ Umriffe^ fortgefd^ritten fei unb bamit
bie 5Wö0ad&feit, ein 'Mb ou« ber 9Jä()e ju betrad^tcn —
TOorouf ba« öilbniö ber Siegel na^ angeroicfen ift — aHL^uU^x
befeitigt ^abe. jBflrgetUd^ aber ntu^te biefer neue Stniiteffto«
t^tma fein gegenfibet bet nod^ fortbauemben fütfttid^ unb
Sbeldtunfl, loeit eben boS Sfirgerhtm ber eigentUd^e ^^roger
ber Äiiltur be« neuen S^^t^^^t^^^ä^ W tüerben begann.
S)ie erften ©puren beS 9kuen pnben fid^ bolier bei bürger«
li^en SKalemunb ^^iorträtiften, fo namentlid^ @roff (1736—1813)
unb C^obomiedK (1726—1801), ben beiben eng befreunbeten
ÜReiHem SDredbenB unb Serlinil, — bei bem festeren aujler in
ben Porträt« audS) in ben go^lreid^en ©itten-, ^loftüm» unb Qtxt^
bilbern, bie feiner ffeifeigen ^aM oerbonft rcerben. ^i)axah
teriftifci^er von beiben ift ©raff; toö^^renb ^^obotoiedi ha^ dUut
«igentlid^ sunöd^fl nur flofftid^ ergriff unb i^m sugleid^ feine
Jhtnfl, bie foft gan^ bie ber B^nung unb ber 9tiri)ierung toor,
nur fd^wer geftattete, in ber SBiebergabe be8 Sid^teS Aber bie
Grrungenfd^aften namentlid^ ber ?Rieber(önber be§ 17. 3a^r*
{)unbertg j^inaue^ugel^en, ^ot ©raff q(<S ßlmaler gcroaltige
^d^ritte nad^ Dom)ärtd getl^an. @r madj^te fid^ frei oon ber
eingel^enben )Oe(^anb(ung ber äilebenbinge; nur ben ftopf gab
er flberieugenb loieber in einem fonjentrierten Sid^te bei tneifl
l^ell gen)fi^tter Palette; unb im Äopfe roieber ging er gonj auf
ben ©inbrucE beiS ©eiftigen, be§ Sluge^. (Seine beften ^orträt^,
unter benen fid^ eine grofee Slnjo^l von Silbniffen unferer
@eifte^l^e(ben auS> ber imxim ^äifte beS 18. Sal^r^unbertd
befinbet, fo ein Sefftng, Berber, SSBieionb, futb erflen Stanged
unb oermögen [x^, rein (finfUerifd^ betrad^tet, burd^aud, aber
felbft enttt)icf(ung^öcfcljtd)tlid; eiiiigermaSen neben ber englifd^en
^ilbniefunft ber gleid^en Qe\t ju l^aUen.
SSiel weiter oorroärt^ auf bem SBege ber fubjeftioiftifd^cn
Malerei fftl^rte eine Strömung bflrgerUd^ Sanbfd^aftömalerei,
bie fid^ oon £6nemarf l^er, inbed — mie benn Sftnematt
bamott nod^ eine S)omftne beutfd^en ©eifledleben^ xoax — von
92orbbeut)d;en enttoidfelt, roeiter nad^ ^orbbeutfd^Ianb l^inein.
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9S
unb l^tcr Domc^mlid^ in Hamburg, in einem (efeten $8orort
ober fttblid^ noc$ bis Bresben oerbreitete. Sie fnüpft \\(S) an
bie ^men ^uölS, ^Q^(g imb griebrid^S, unb fie finbet it)rcii
^^eputitt in $^Utpp Otto älimge (1777-1810). 8ei bm
ItOfien^ageneni imw aüent bad Oeflretoi loa^r^une^incn^
bic fiQnbfd^oft nid^t me^r in ben ©egenftänben, fonbern in ber
garbe, in ben baS ©anje frei burd^roaüenben ^önen roaflenben
^id^ted iDieberjugeben. 60 entfernt fidSi namentlid^ ^^riebrid^,
ber fortgefd^rittenf^e biefet (Gruppe, von ber ^eridmmlid^en
tonoentioneikn 8e(eud^tuit9 mit intern glei^mft^igen Zon ober
mit i^ren buc^ Befonbete ^imnteberfd^einungen moHoierten
Sic^teffef ten ; er fud^t bag lic^tumfloffene ©infad^e auf, bie
großen ^^^ö ober lang^inftreid^enbe fianb^
maffen in oerfd^roimmenben ^önen beiS S^i^Ii^^t^-
SRedlenbittgo; Stange, bie fd^dnfie Beit feinet ffiirtfamteit in
^mburg anföfftg, ifl gegenüber ben ftopen^agenem fefier;
me^r gleid^fam Sanbmenf^ fielet er bie Umriffe nod^ jiemlid^
linien^aft. ^ennod^ ift er ein ^eifter ber 33eobQc^tung beS
2idS)te^; er juerft l^at farbige ©d^atten gemalt. Unb feinet*
loegd bU>i auf eine (Snoeitening bed malerifd^en äBirflid^feitd'
finned xfk er bebaut; im tieffien Otunbe eine flarfe fßerfdn«-
Kd^feit f^^tifft er ibeolifHfd^ btt« nad& i^m toenig fortgepflegte
monumentale ^ilbni^ unb loiib ber ©rfinber einer Dmamentif,
bie in i^ren fonftituierenben Elementen n)ie fogar in i^irer
beforatioen Palette lebhaft an bie Slnfänge ber mobemen
ooBimptefftonifHfd^en Ornamentit erinnert.
I^afl nod^ früher aber aft in 9lorbbeutfd(Ianb seigen
üud^ in (Sübbeutfd^lanb (Spuren einer neuen 3Walfunfl. $ier
erö^net ber Sürid^er Salomon ©cfener (1730—1788) ben Steigen
mit feinen ftimmungdooE^fentimentalen Sanbfd^aftSrabierungen
freilid^ no4 or tabif d^er (Battung ; viel mebr auf bie Statur f el6|l
utibberen feu4tenb«f arbige Seite ge^en bann ein bie Sebutenmaler
$^iUpp öadfert (1737—1807), ber bie Sanbfd^aft freiRd^ oielfad^
nod; in altem ©inne, ho6) unter ftärferem Slbfd^reiben be^ natür*
lidjen SBefen« auffaßte, unb 2ubjoig fieg (1760-1800), ber erfte,
ber ber @d^mei§erlanbfd^aft £öne feineren £id^tei» abgemann.
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Bilbeube Kunft.
älber entfd^ieben burd^gefd^kgen ^ai toeber bie notbbeutfd^e
fio$ bie fübbeutf(3^ SemeguttB. S)te ffibbeutfd^e loar gegen«
über tl^ret ©d^roefler tut 9}otben infofem hn siöd^teil, ate ll^r
in ben 2l(pen, bie fie gunäd)ft faft allein raiebergab, me^r
eine llmrife- olä eine (Stimmun9^lanb{d;aft ju ©ebote ftanb,
foUö man unter einer ©tinunungölanbfd^aft eine Sanbfdjaft
oetfd^mtibenbec ftontutett, aber ftarfer 93eleud^tung^rfd^ei«
nungen in unb Siebet Derflel^en voiü, toie fie bie
Seefüflen be§ D^orbenö barbieten. 51ber aud^ fpäter, aU in
Sübbeutid)(anb S^id^tnngen auftraten, bie fd^on teife nid^t
bloß auf eine beffere 33e]^anb(uttg beg 2\^U& unb einen
{härteren Steatii^mud ber S)arfteIIung ausgingen, fonbem ber
ntobemen ^orm ber fubjeltioifHfd^en SRalerei, bem 3nt|>tefftO'
tttSnttid, naiver traten, ate Oürfet unb Spi^roeg in Winnen
malten, finb biefe 9fiid)tiinqen bod^ für ben ®efamtfortfd^ritt
junäd;ft unfrud^tbar cjeblieben; nod^ in ben brei^iger, ja
Dier^iger ^a^^x^n bed 19. ^c^^i^^unbertd würben il^re JSeiftungen
atö iSr^eugniffe einei» unfilnfilerifd^en, unbegabten unb gänflid^
unorientierten l^IettanttiSmud tiera<3^tet. Unb ncm Hamburg
au^ ift mol)[, etwa im britten ^atirje^nt be^ 19. 3a]^rl)unbert5,
bie fünftlerifd^e 33efrud;tung einiger Slfabemieu beö ^innenlanbe^
rerfud^t roorben, — ber Hamburger Äaufmann l^at fogar $umeijl
93ilber oud bem ba^rifd^en ^od^lanb gemalt: aber eine größere
fBirbing ift aud^ von biefen SBorgängen nid^t auiSgeqangen.
^ie l^errfd^enbe flalerei war niefmel^r ^unod^fl bie beS
5llaffigi§mn§ unb ber S^omantif. ^iefe 3J^alerei aber I)at
bie gemeinfame (Sntiüidlungggrunblage , bafe fte Äunft-
iinfd^auungen Derbanft würbe, bie ber l^errfd^enben älenaiffance
entfprangen.
2)a b<ttte nun fd^on bie altere 9ienaiffanee bed 16. ^a^x^
l^unbertS bie beutfd^e Äunft im ©runbe ^um 2Ibfterben gebrat^t.
Smar in ber Malerei, roo antife Sßorbilber fel^lten, mar man
eigene, nationale SBege gegangen, obraoljl biefe fd^tiefelid^ nur
an einer stelle ^u bauernber ^(üte gefül^rt l^otten: in ^oflanb,
ba, mo ftd^ oermdge ber befonberen Soge beiS Sanbed ber Snfd^btg
ber gefamten AuIturentwidKung an ben SHuffd^wung äBeft«
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95
europoö l^atte tjotljiel^cn [äffen unb bae (^Icnb beö Qlli]emeinen
beutfc^en binncnlQnbifd6en ^öerfaQ^S nidjt eingetreten max. 3n
ber Saufunft aber unb aud^ in ber ^ilbnerei l^atte bie ^e^
itoiffance fd^ott bed 16. Sa^^utibectö vtt^ünqtii&wfL gemitft:
eine teitie ^eintifd^e fttmft loar imtotm gegangen: in lang*
famem Slbflcrben, roemi oudj unter Slufna^me ntand^er nationaler
Elemente I)Qtte eine ^albfrembc 3fienaifyanceard;iteftnr unb
•tRcnaiftanceprofti! eine 5lrd&itcftur unb ^laftif be3 ^arod^
unb be^ S^ofofo^ geboten. Unb oon biefen an ftd^ nid^t oolf^^
tümlid^en itunfifonnen unterlag bann h<a Siofoto in S)eutfd^«
btnb fd^tieglid^ ntd^t einmal ntel^r nationaler SearMttinc) !
S)ie J^ürften unb, foroeit er oermod^te, oud^ ber Slbel bei^Of^en
bie befjeren SBerte Diefer ^unft qu§ Jronfreicf), ober lioBen
franjöfifc^e 3Ber!(eute ju beutfc^en bauten fommen ober {onbten
begabte ^ttnjUer nad^ ^rii» in fran^öftfdj^e £el^re.
^[>Q%u Im, hai biefe frembe itunfl oud^ bie nod^ not'
^anbenen 9ief)erfd^einungen nationaler 9Raterei immer mel^r
erbrü(fte. diototo erzeugte fd^liefelid; ein ardjiteftonifd^eS
©efamtfunftroerf, bem fid) bie 3Jialerei unterorbnen, in beffcn
Siöumen fie {td^ fransöfteren unb flafilfd^ alabemifteren mugte.
mi» bomt nod( au^ biefer SJertt^rung oerbtieb, mar ber
^auptfad^e nad^ nur bie 8i(bnÜSmaIerei unb bie Sittenmalerei
für biirgerlid^e Greife: unb wir ^aben gefe^en, rote ©roff unb
e^oborciecti Ijieran anfnüpfenb bie Slnfänge einer neuen ^unft
enttDidetten.
gm gonjcn aber r&umte ba« SRofofo im ^ereid^ oolf«*
tOmtid^er Aunfifibung odOig auf: nid^t bioft bie (Sntroidlung
ber Äunfiformen brad^ ab, felbfl bie fünfltertfd^c «ed^nif bro^te
oerloren ju gelten.
Unb foroeit ber 3ufmnuienljQng ber alten oolf^tümlid^en
Äunft nod^ nid^t burd& bie alte IJ^enaiffance unb beren golgc^
fttle bte }um «oWo ^in burdjbrodjen mar, rourbe er fd;lie6lid;
iHm ber neuen, ^effenifd^en «enaiffance be« 18. 3«^)^^""^^^^^
bcfeitigt ^Denn biefe SRenaiffance bradjte bie Se^ren SBintfeU
mann« unb bic Vorliebe für bie antife ^JtafHI: bie «Cbnerei
bei (Sried^en gaU a\& ber unübertreffbare ^ö^epunft aUer
Digitized by_C^||E»g[e
9(>
men]c§Hd^en 5lunft, alS bie üoHenbetfte Umgeftoltung bcr S^latur
in Äunft für aQe Qtitm ber 33crgQngen{)eit roic 3wf""ft. 2In
i^utn ^anon unb äBefen begann man bälget nid^t blog bie
mobmie 8Ubnem, tieitt, faft nod^ mel^r bie mobeme SRaierel
SU tnejfen. Seg mit ber gfoite, — nur no^ ber Umriß gilt;
iDeg mit ber 6cene bed @itten6ilbed unb weg erft red^t mit ber
Sanbfd&oft: nnr bie ftotuarifd^e Haltung ber ©eftalten, nur
eine Malerei gteid^fam im plafti{($en SIa4)bilb entfprad^ jeftt
^o^en fänftlerifd^en S^üm.
SBod muBten biefe Seigren fftr bie ermattete, fafl fd^on }u
Soben gebrfidtte oolfetflmlid^e Aunfl bebeutett! @{e {Idrften
fie nid^t ober läuterten fie ju rafd^erer unb reid;erer ©urd^*
bitbung, fo roie etwa üerroanbte £el)ren gegenüber ber nationalen
S)id^tung gen)ir!t l^abeu: fie erbrüdten fie. S^un gingen
bie legten Erinnerungen fafi an bie einft fo blü^enbe
fttnfilerifd^e S^ed^nil ber l^eimifd^en ftunft Derbren; man
„malte" nur nod^ im bloßen Umrife, mit bem S^i^enftift unb
^öc^fteng unter t)erftol)lener 3"^öffw^^9 ßontrebanbe ber
garben ; man fd^raubte fid^ fünftlid^ jurüdt auf ben entroicflungS*
gefd^id^tUd^en @tanbpunft üroa be^ 14. unb 15. 3al{l<^unbertd.
9Bad bemnad^ bie Itunfigefd^id^te bed 19. 3al^r|unbertd menigfteni»
in ber 9RaIerei §unäd^ft merben mußte, mar flar: ein freilid^
oon mobernen Elementen burc^fefeter SBieberl^olung^fur^ ber
ißeiftungen be^ 14. bi^ 18. ^olir^unbert^.
^ur in ganj allgemeinen, barum abfürjenben unb l^ier
unb ba su entfdjiieben |ugreifenben ^^gen ftberfd^auen mir ben
Serlauf biefed fturfeiS.
@r beginnt rote billig mit einer rein jeid^nenben Äunft
antif^ilbnerifd^en ©til^ unb anfangt gumeift aud^ antifen
3n^alti5. $Der äJieifter biefeg ©tilö roar 6ar(ieng (1754-98).
S)ann folgten, innerlftalb biefed bod^ unter fiärferer
iginpnal^me ber färben, bie fid| je (änger je mentger umgel^en
liegen, bie floffijiftifd^en ßanbfd^after: Sbealiflen einer au« tppi*
fierten ihüifien jufammengefe^ten unb in^ ©onge burd;*
fomponierten £anbfd;aft: Jloc^, Siottmann, ^>reller. SDer leftte
bebeutenbe Ulaffisift mar ©enetti (1798—1868).
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Stber neben bie flaffiaiftifd^e Stmh (latte fidj bolb eine
romantifc^e gefußt, ber fünftlerif^en goim nod; iljr ju»
näc^ft gleich, in^altUciJ aber üerfc^ieben. wor eine 3roei=
teibtng ber @ntn)id(ung, bie baburd^ tnoglid^ warb, bag biefe
gan^e {ei^nerifd^e Aunß, me jebe mobeme Umri|htnfl, ®ro^
nur (eiflen lomite burd^ Entfaltung eined flarf gebanfttdften
S()arQfterg. 2)enn wirb in Kulturen von unfercr Gntiuicflung
bie finnlic^e «Seite betont, fo treten alebolb garbe unb Sid^t
ien)Ot unumgänglid^e 5lörpere(emente gleid^fam ber 3J2alerei:
mit im @eban!li(^en läjst ftd^ nod^ bet blo|e Umril, bie 3eid^mmg
galten. Sejittnb nun ober um 1800 eine (lofie S^^^"
fünft unb würbe baburd^ ber Qnl^att 3Kit^err ber 3Äo(erei, fo
mußten neben bie f(aifi3iftifc^en 3been aud) immer mc^r roman*
tifd^e treten: benn bie Stomontif war ganj anöer^, alg e§
früher ber illafftji^mud gewefen, bie geiftige ^errfd^erin
minbeftend ber erfien (Generation bed neuen Sfo^l^unbertiS. ®o
Hellten ftd^ benn ne6en bie fttafftjifien jundd^fl bie 92a^rener,
unb Warften« würbe abgelöft burd^ Doerbedf (1789—1869).
Sugleid^ aber geigte ftd), baß bie romantifd^en ©mpfinbiingen
unb ^been bod^ in Diel oertiefterem 6inne 3^i^<i^tSbru(f
moren, ald bie (iafftsifUfd^en; bie Stasarener grünbeten unb be*
ftud^teten )al^(teid^e 6$uten in Deutfd^Ianb, fo (efonberi^ in
Sßien, S)iedben unb ^anlfutt; unb i^ letfte Generation wies
ai^ ^auptoertreter ni^t einen 3Jiann t)on bcn fleinen 3Ib=
ttiefjungen ©eneflie auf, fonbern groei fo roimberbar poetifd^e
9^atiiren wie 3)?ori6 x)on ©d^winb (1804—1871) unb fiubroig
'Jlid^ter (1803—1884). Unb aud^ ma(erifd^«ted^nifd^ blieben bie
9lomantiIev ber 3^tt nid^t fo fern wie bie ftlaf ft^ifien : fd^on
baS brad^te fte bem nationalen (Smpfinbeu nä^er, bog fie bie
3beale iljre^ Umrifeftile^ nidjt mel^r in ber 2lntife unb nod^
baju in ber ^ilbnerei fud^ten, fonbern auf d^riftlidjem 93oben,
in ber WlaUm bed italienif d^en DuattrocentoS unb ber f olgenben
itatienifd^en, gelegentlid^ fogar ber entfpred^enben beutfd^en
Sal^rl^unberte. Unb wad nodd me^ befagte: biefe 9loiitanttfet
unterbrüdften bie Jarbe nid^t mel)r von ®runb au§, wenn fie
fie Qud^ anfangt überaus fd}üdjteru, gleid^fam nur al& Umrife*
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98
füttung üerroanbten: fie rooren bod^ im ©runbe mobern,
}u ci^nftlid^ tdox allem, um fie nid^t liehm, Unb fo fd^uf
[d^on erfie @eitetation eine, freilid^ oft in gef^maifiofer
S^ntl^elt angenxmbte Palette faüen ima (Uouet ®runb'
färbe), Me wie eine abgeblaßte Palette ted SRofoIod attö«
fle^t unb getüt^ aud^ biefer Öejiel^ungen ^at; unb bie
fpäteren ©enerationeii gingen erft red^t, wenn oud^ immer
nod^ mit 3urüd^altung, ins ^^arbige.
Sl^e inbed biefer gortfd^ritt eintrat;^ oereinigte ein ge«
waltiger ^Reiftet, (Sometiu« (1783—1867), in feinem ftdnnen
gletd^fam ÄlafpäiSmuS unb 9fiomantif, inbem er me^r romanttfd^
von 2)ürer augging, fpäter aber 5lnregungen oornel^mlid^ von
bem italienifd^en Giinquecento^ ber iQö^e^eit ber erften großen
Stenaiffance, erl^ielt unb inbem er suglei<i^, ein SDtoment, bad
in bie S^hm^ mied, fiarle Sinwirftingen jener l^iftorifd^ Se«
trad^tung^meife ber ^inge erfüllt, bie feit ben brei^iger
3aJ)ren ein immer loid^tigereS Clement beS atigemeinen S)enfen§
ju werben begann, ©ein ^Rad^folger, freilid^ nid^t red&t wert,
i^m bie 6d^ul^riemen §u Idfen, mar äBil^etm oon ^autbad^*
Snswifd^en aber nmr mit teifen 9%udkn von ber Umrig-^
funfl aus l^itt ^ur wirllid^en ^rbe unb nid^t mel^r bloß ^n
farbiger 5{onturfülIung ein ?^ort]d^ntt auf ber ^al^n be§ großen
2Bieberl)olunggfurfe<§ geinad^t roorben, ber ben bered^tigten
^enbenjen ber ^di felbft oerbanft marb. ^r gemiffe @egen»
ftänbe, bie fid^ nun einmal nid^t ontitifieren unb romontifteren
liegen, l^atte ftd^ ein gefunber Sieatidmul^ audgebilbet, ein
9ieali9mui$, ber fd^on ein menig nad^ bem SmpreffioniiSmuö l^in*
fd^ielte, ol)ne bod; bereite alö fein uiinüttelbarer Vorgänger
gelten }u fönnen: man Ijatte ^anbfefte 3)Ulitärbilber, topo'
gropbU^ beutUd^ erfennbare ^onbfd^aften unb , unftilifterte,
mirllid^ ft^nlid^e Silbniffe malen gelernt. (H mar einftmeilen
eine fülle SBinfelfunfi, bie junödjft abgelegen in unofabemifd^en
Orten, roie Dürnberg ober ©amburg, blühte; aber auc^ in 2Bien
unb Söerlin trat fie auf, unb in SDiünd^en mad^te fie fogar bem
großen (Kornelius ju fcljaffen.
£dngt ed mit ber Strömung auf me^r ä&ireiidftleit, bie
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09
in btefen {(einen SCnfdngen fühlbar ifl, gufammen, bog fid^ auc^
von ben S^omontifern feit ©d^aboro^ ßeitung ber 5)üf|clborfer
Slfabemie (1826 f.) eine me^r ber ^nrflid^feit jugeroaiibte
©d^ule lodlöfte*? Bö^ahoxo tarn von ben S^omantüem ^er,
^tte ober in 9%om ftonsdftfd^en itoloii^mu» fd^ft^en gelernt:
benn bie ^ranjofen looten niematt einer fold^en färben«
üertoüftung unterlegen bie ^eutfd^en; baoor l^atte fic ba^
bei i()nen Toirfücl^ lebcnbige 5Iii§leben eine^ eicjenftänbigen
reid^en 9io!o!o^ unb ber Diel geringere ^influ^ ber ^ellenijc^en
Sienaiffance beioal^rt. Sran§öflfd^e guf^^n^menl^finge beftimmen
a(fo fd^on ^ec mit bie beutfd^e Snt»idiun0: »ie oft loerben
wir i^neit nod^ im SSerlmif ber beutfd^en Walerei be9 19. 3al)r*
^unbert^ begegnen ! gi^eilid^ barf mau fid) nun ben 5lolori^mu^
ber ^üfjelborfcr Scf)u(e nid^t ju ftarf oorfteHen, fo oufeer*
orbentlid^ed äluffe^en er bei feinem ^uftoud^ien in ben 5lunft«
audfieUungen, nmnentlid^ in Berlin, ate eine uner^drte Rixi^n*
^eit mo^te. & mar eine gfarbigleit im Sinne ber tlber«
ÖongÄseit vom 16. §um 17. ^a^t^unbert, beileibe nodj nid^t etwa
9luben§ ober gar ^ftembranbt, unb bancbeu nod^ fel^r, fe^r t)iel
Seid^nung — baö ©onje ein wenig flau, „fd^ön", nad^ unfcrer
äiuffaffung 5^^^^"^^"^^ — öber ongeroaubt bod^ fd^on auf
neue @ebiete, fo bie Sanbf^aft (bie Sld^enba^d, Seffing), bad
batb „fo beliebte" ^üffelborfer Sittenbilb (wobei aber bie @ng*
länber, namentlich 3Bilfie, $ate fianben) unb aud^ auf bie
^iftorie im bamaligen ^er[taub, namentlid^ bie ölbilblid^e
ättuftration ber ^lafpfer.
Sßeitergefü^rt mürbe ber allgemeine 9f^epetitioni^!urd ber
^tmidtung ber SRaterei 9om 14. bid )um 18. gal^r^unbert mit
einem großen ©prung 5lnfang ber oierjiger 3^^^^/ ber un«
mittelbar ben Sßlamen, mittelbar ben granjofen oerbanft würbe.
^ie gran5ofen l^atten, wie fc^on bemerkt, niemals ben
ilolori^mug oerloren. Unb fie l^atten il^n feit ben jwanjiger
Siai^ren, bomatt, att in gfranlreid^ ber ^iftorüSmud mit 3Rid^elet,
Stignet, S^ieri», ^^ierrp, Sui^ot feine großen Xriump^e au
feiern begann, ^nx ^ntwidlung einer neuen ©efd^id^t^malerei
au^genugt^ nad^bem fd^on uorl^er bie foloriftifd^en Oiomantüer,
7*
100 Silbenbe Ktiitit
Domtoeg ^IDelacroif, gegeigt Ratten, toa« bic ^axht bei oirtuofer
^eöanblung öermöge. ^iDer erfte grofee Tlex^tex biefer ^iftorien^
maierei mat i^elarod^e. ^on biefer ^2alerei maxm benu auc^
bie ^(omen, rok von jeber grogen ^ercegung ber franjoftfd^en
StuUux be9 19. 3a(r|unbertö, fiatl beeinflujst lootben. 9l6er
fte l^atteit il^ aud^, mie e6enfatti$ jebem onbmn franjöftf d^en
ÄuUureinf(u6 beö Sö^i^ftunbertS, i^)r ftarfc« germanifc^eiS 3^aturell
entgegengeftettt unb fic^ bobei in biefem J^^alle auf ^Jtubeng ge^
ftü^t. ©0 fam e^ raä^renb ber brei§iger 3a^re in Belgien
tu ber ^ifiorienmalerei ber äBapperd, be SUg^, <S(ütdene9ei:,
@aUait, Si^foe, bie im »efentKd^en bie volle Snimicflungd^öl^e
ber Rm^i be^ 17. Sa^rl^unbertiS toteberaufteben lieg^ fo mit
etroa $Huben^ auf i^r geftonben ^atte.
Unb biefe Äunft lüurbe nun in SDeutfc^lanb feit 1842 burc^
einige Silber ©allait^ unb be Säi^ftJe^ befannt iinb roirfte — um
einer l^eridmmlid^en 9%ebendart einmal in ooQem 9U^t su oet'
I}elfen — mirllid^ niie eine Offenbarung. SßaiS fid^ in bem beutfd^en
äßieberl^olunggfur^ leife al^ eine fünftige 3)?ögli(j^feit angebeutet
l^atte, ein ^olori^mu^ im 6inne be§ großen ülaniiid;eu ^Jieifter»
italienifd^er gärbung: ^ier fd)ien e^ ooHenbet. 2Ba^ äBunber,
ba^ ie^t beutfdfte ed^üler lai^lreid^ in ben äBerffiätten Srüffetö
unb kntioerpend auftaud^ten? Unb non ben Slamen brongen fte
ju ben 5^an§ofen cor, unter benen namentlid^ ßouture ein be*
Hebtet ße^rer ber ^eutfd^cn warö, unb ju ben olamifd&en
©inroirfungen fügten fie — in geroiffem Sinne rcieber ein
@(j^ritt Donoärtd jum farbigen fiid^t — ^inflüffe ber Sene«
tianer. Sud biefen Bufammenl^ftngen ging bie groge beutfc^e
^iflorienmaterei ber fünfziger Sa^re ^erüor, beren bejeid^ncnbRer
^Jieifter $i(ott) geroefen ift; mit feinem „6eni oor SBaHenftein"
(1855) begannen i^re gtänjenbften ^dim. Unb bie ^ed^nif
biefeig malerifc^en ^iftori^mu^ würbe x>on Hnau&, 83autier,
S)efregger* auf bie Sittenmalerei übertragen, von ben ^d^en*
bad^d mit einer etmaS dlteren 9ta(weife oerfd^motaen, oon 8en'
bod^ unter emfigem Stubium ber oerfd^iebenftcn alten ^Dieifter
t)cm :;üilbniö gugefüljrt, von 9)iafart enblic^ in geiüaltigen befo*
ratioen Silbern ^u i^ren ooUften !olori)tifd^en ^i^en entioideit.
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BUbenbe Kanji.
101
Satte man nun bamit ten ganzen Stt^ bet iUten burd^*
toanbed? Sflein, no4 906 ei^ mi einer Stelle )tt (emen, ba^
wo bie tnten bem £id^t^^ar6enetnbntcl ote @ntnbetement bed
inatcrifd^en (Se^en0 unb ©c^affen^ am näd)\ien getreten waren:
für bie ^eutfd&en bei geroiffen fioQänbern ber großen S^ii, roie
Bieter be ßood^, Xerbord^ u. a., für bie ^^ran^ofen (unb baburd^
teilioeid oud^ S^Umen) bei gemiffen 3|ttt(ienem unb Spaniern
bei» 17. Sal^tl^unbettd, am Cnbe oome^mtid^ bei SSelodquq^
iSd war ein te|ter ^mmt ber Ib^dngigldt von hm Xtten,
ber, foraeit bie beutfd^^ütamifd^e ®ntn)i(flung in ^etrad^t fam,
aud^ on ein beftimmte^ Stoffgebiet anfnüpfte, an ba§ Sittenbilb:
bennin biefem Ratten ftd^ bie oorbilbUd^en Reiftet ber Vergangen»
l^eit §umeifi bewegt. 2)ie aLnfange liegen l^ier in gianbem;
bad erfte ein SSoE^rjeid^en Mlbenbe Jtunffaoerf ifi Se^iS' „^0^"
geit im 17. Sal^rljunbert" (1845). SepS ^at fid^ bann in einer
5rt)citen $eriobe, feit 3J^itte ber fünfziger ^a\)xe, me^r von ben
ahm äJlamen be§ 15. ^ial^rl^unberts unb S)ürer beeinfluffcn
(äffen, womit ber Übergang |ur religiöfen SRalerei ^ufammen*
l^ing; l^er tft aud^ ber $unlt, wo entwicHungSgefd^id^tUd^ bie
religidd'ord^aifd^e Malerei be8 IDflffetborferiS d. @eb^arbt unb
feiner ©d^üler ab^tinigt. 3^^^ inneren ^eutfd^Ianb aber fam
baS l^iftorifd^e ©ittenbilb gur redeten ^lüte erft mit ben fec^5iger
3a^rcn, etwa gleid^jeitig , el)er etroag früt)er, al^ bie bamolä
einfetenbe Bewegung einer btnftgewerbUd^en Stenaiffance; feine
Sö()e5eit fftOt etwa in bte S^xt ber ^nc^ener Sludftellung unb
ba§ ^a\)x 1876; unb in 'Diüiid^en, in ^iej unb feiner 8cl;ule,
^at e§ n)o!)l audf) feine beften Xriumplje gefeiert.
war in bem (efeten Qaljrie^ut ber ooUen Seben^fraft
ienei» igilloridmui^, ber feit ben ^wan^iger unb brei^iger ^a^)tm
bie Kation fo oietfad^^ unb nid^t bloi auf dfi^etifdiiem @ebiete,
Ivette rüdfroörts f d^auen (äffen : jenes ^ifloridmuiS. ber bie {hibterenbe
Sugenb in bcfonberer 2lnbad;t t)or ben Äatljebcrn ber ©cfdjic^tS'
profefforen oerfammelte, ber in ber ^ergangenljeit etmaso an
fld^ unb felbftoerfiänbUcb ^effereS oerel^rte, ber ben @ntt)urtad«
nwd bei» älntiquariS erzeugte unb bie Segeifierung filr bie pO'
litifd^e ©rdße bei» 9Ktte(a(terd, ber ben l^iftorif d^en S^oman unb
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102
8f Iben^e Kttnft.
fd^Uefelid^ bie 33u6cnf(i^eibcnlt)nf großzog. 2Bic Ijätte er nid^t
aiid^ bie SD'Jalerei unb ade anbeten fünfte am Eliten feft^alten
fotten, {lopd^ unb ted^nifd^? ^Ran malte Silber, bie alte
@t\^tm borfleateti, etaaiioXÜmim unb fufUnblid^ Sti^t»,
unb man malte fie im alten 6ti(e.
SBar baä ober ein 3wPö"^ ^on ber ©eroä^r längerer
^auer? 2Bie bie gläubige Sercunberung ber 33ergQngen{)eit
immer mel^r su beren ^erfiänbnii^ führte unb ein ^^erftänbnid
jumSetgletd^ mit ber ©egemDavt, unb mie biefet Setgleid^ bann
ben unumRdgH^en Cntfd^Iuft artigen muftte, mie aOe @e«
fd^Ied^ter «orbem wtmfjmliii ber ©egemoort }tt (eben: — fo
erfdf)öpfte man fd^liefeltdf) aud^ ben fie^rgang ber über alleS ge=
liebten unb betrunberten 3llten, \a\) fic^ mit ©inem Dor ben
^^oren ber @d^ule unb mu|te {td^ entfd^Hegen, auf eigene e^auft
SU (eben. 9Ran mar teif |u 9^em: bie Stmfi fagte bem 17.
unb 18. 3a|t(unbert 9lbe, mie norbet bem 14. M 16. ^iafyc*
^unbert; fte matb eine Stm^ ber ©egenmart unb Dermarf mit
ben fieJ)rern ber 2?crgangenl)eit jugleic^ ben ^iftoriSmu« unb in
i^m bie SBiffenjc^aft, beren 2luSbrud er war: i^re eigene
Leiterin wollte fie fortan fein auf unbefannten ^faben, unb
inbem fte ben 9Rut l^iei^u gewann, marb fte in ber gü^»
rerin in ein neued fee(ifd^ei» 8eben überbaupt unb auf ibrem
engeren Gebiete ^ü^rerin ^in ^ur mobemen $^antafietbätig(eit
be^ ^mpceifioni^muiS.
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UI.
1. hatwsa bie beutf Stan% itüBiefonbece bie ^laUtd,
ben SBeg um SinpteffurnttimtiS aDeiti surfltf gelegt, ol^ne ^Ufe
ber fiunft anbetet SdOht? JtebteStDegS. ^^r grögter $fab^
finber nod^ biefem 3^^^^/ ^Renjet, ^at fo gut roic feine Sdjüler
gehabt. 9^od^ einmal mad^te i'id) ()ier geltenb, bog ber furd^t=
bare 5öerfaII feit bem 16. 3öJ)rt)unt)ert uniS grobe erfl im
18. 3a(ftl^nbett xt^t {Onfilenfcl^ abl^ängig qma^t fytüt von
ben ^anjofen, unb boft und Ue ^eOenifd;e Kenaiffance in
unferer 2lrmut unb fiilflofigfeit ganj onbcr^ entfd^eibenb al^
onberen SSöIfern eine 2Bieber()oIung jener <Stufen ber 5lunfl
aufgebtimgen kaXU, bie entroidlungSgef^id^tlid^ eigentlid^ fd^on
überiDunben »aten. S)ai^ gab anbeten SöUetn einen Sotfptung,
ben fte insmif (|en genügt Ratten. 6pätefienl» in ben S^ten
unfeted großen ^ißorienbitbed rnib unfeted gefd^id^tlid^en
Sittenbi(be§ entroidfeUen fte fc^on fo fräftige triebe be^ Qm*
prefftoni^mu^, bofe roir i^nen nidfit nad^famen, baß wir oiel*
mel^t nad^ bem großen Kriege Don 1870/71 namentlid^ von ben
$tan|ofen au^unel^en l^atten^ ma» wit felbfl nid^t in aUet
<^(e hätten nad^l^olen Unnen, felbfl n^enn bie geiflige S)iSpo<
fition ba^u Dor^anben gen)efen roäxe, — victi victoribus leges
dedere.
2lber frcilid^ : unvorbereitet traf un^ ha§> raf d^e Einbringen
bed maletifd^ SmptefftoniiSmud in ben fiebaiget Sagten nic^t
— frnift l^tte et au4 nid^t fo tofd^ Regen Uhmen — : nid*
me^r gab e8 au$ in nnferer .<^u(tut taufenb Anfänge fd^on
unb Vorahnungen unb Vorfd^öpfungen be^ ^ommenben. 6ie
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104
einmal itiiS efai^elne naij^juioeifen, wirb eine ber fd^önflen
Aufgaben elned @efd^id^tfc^rei6er0 ber betitfd^en Jtitn^ im
19. 3a^rl)unbcrt fein.
©e^en roir im folgenben 5unäd)ft auf bic frembe ^ntroid^
lung ein, fo fann nxä)t bie ^jtd^t fein, fie Dödig gleid^^
m&lsig unb unter iBerttdfl^tidung aller i^rer loiö^ttgen Srfd^ei«
nuniien su fd^Ubem« ®d tami fid^ oielmel^r nur borum l^an«
beln, bie fRomente ^erouejuQcoen , bie )um tSerfidnbniS ber
etiön» öcnuicfclten beutfdöen Vorgänge, biefe im weiteren 6inne
genommen, unerläfelid^ finb.
3n ben ^^orbergrunb tritt ba junad^ft bie ©nttoidlung ber
engtifd^en Sanbf^aftömaterei. d^nglonb ifl bad geeignetfte
Sanb ffir bie SrbnntniiS latter SBirtungen bei^ Sidfttcd, — fd^on
in ^eutfd^Ianb hatten wir roal^mc^mcn fönnen, bafe bie erften,
folgenlos (gebliebenen 33erfud^e ooOer fubjeftioiftifdier ^klerei
an ben ©eefüften, unb ebenfalls im ^Banbjd^aft liefen, in ben
malerifd^en Objeften weiter S^iaum* unb 2u^u unb ^id^U
bejie^ungen gemad^t morben waren. Unb dngUmb war ha»
Sanb fortgefd^rittenfier bürgerlid^er Kultur. @o fann ed nid^t
rounber ne()men, wenn ber erfte grofee (anbfdjQftlidje oubjef-
tioift (Sni]lQnb^, ©ain^boroug^ (1727—1788), f^on in ben
3eiten bed diototo gelebt l^at. ^on i^m ^at er nun gemi^
nodi rinige ©titeUmente erl^alten: bie unwirdid^e älnmut ber
Sinien, bie falonmftMse/ feibige garbengebung. Sber burd^
fte l^inburd^ ftingt bod^ beutfid^ fd^on ein 3u9 Sur Stögen
SBiebergobe ber Savbeneinbrüdc, unb bie Sanbfd^aft erfc^eint
nebelburd^iüirft unb in ben Umrifjen gelodert.
5luf ©aingborougl) folgte ^Turner, ein früj^efter äReifler
abfohlten Sid^tS unb blo6 bed Sid^ted in feinen nerwegen^en
aOeS burd^fetenben SRanifefiationen, 9on ber Silberflut etned
Sic^tmorgen« an big ju ben purpurnen unb golbenen g^uer*
roerfö fünften eine^ fonnigen 3lbenb^. Slber er \)ai feine 9^ad&=
folge gefunben; bie weitere ©ntioidlung fnüpfte oielmel)r an
@aindborougl^ an. ^uf i^m i^ai in ber nöd()fien 9)2aler«
generation oor allem Crome (1769—1821) gefugt, nur bag er
nid^t mel^r bie buftige £anbf^aft 6uffol!d, fonbem bie fräf tige
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Bilbcnbe Kunji.
105
Konoids matte. S>anim WA et benti mi^, M oOem rea«
Hftifcöcn ©ingel^en in ßinjel^citcn, im Umrife fc^er, unb, ein
Sd^üler unb Sßcre^rer $obbema§ unb feiner fräfti(]en ?v(ad^=
lanbfd^af ten , fte^t er etma auf ber ©nttoidlung^^ö^e ^lid^elS
ober aud^ f<j^on j^uetö in ^^ranfreid^. SugUid^ aber na^m in
fetner Generation bie englifd^ äRotpra^ eine Xed^nif ftor!
auf, bie allein fd^on §eigt, wie weit man bereite ganj atigemein
für eine roirftidbc Jyarbenfunft reif war. 3m 3a^re 1805
rourbe bic Society of painters in watercolours bcgrünbet,
unb fdjon oor^er l^atte man bie 2IquareÜma[erei befonbcrd
lieben getemt. 2)ie älquarelKmaierei bringt lici^te färben unb
fftlrt gern unmittelbar 9or bie Statur^ gefiattet auBerbem, mit
8Hcifterf(5aft betrieben, gan^ befonber« teid^t bic SBiebergate
einer aU (5umine ooii garbcneinbrücfen gef eigenen Sanbfd^nft
unb erlaubt ba^cr, bie alten lanbfd^aftlic^en jlompofitionö^
grunbföge lu Derlaffen, — aud^ in ^)eutfd^lanb b^t fte, in ber
^urd^bitbung ber aiquareOe Aarl SBemer» (1806—1894) unb
ebuarb j^ilbebranbtiS (1818—1868), oomebmtid^ in ben ffinf«
jiger unb fed^jiger 3öt)ren bc§ 19. 3ö^^^l)"nbert^ eine 9^olIe in
ber SSorbercitiing beö üoUen 3^^^Pi^^ffio"i'^i"»^ gefpielt.
3n ©nglonb ^at ßonftable (177G-1837) im 2lnfd^lu6
an bie Sntmidtung ber bid^er genannten ^eifter einige ^rin«
|i|iien bed Slquareltö auf bie Clmaterei übertragen. So fennt
er i. 9. nid^t me^r bie alte Sanbfd^aft mit i^ren bübfd^ auf<
gebauten ^uliffen unb il)rem Stjftem ber brei forgfam au^=
gebauten braunen, grünen, hlanen ©rünbe, er fielet aud^ nid)t
me^r auf bie alte bilbmägige äi^irfung — burd^fd^neibet 3. ^.
Säume im @tamm unb er malt nid^t mebr fpi|, fonbem
breit unb mud^tig. ttnb ba fd^minbet benn mit bem geid^ne«
rifd^en aud^ bie alte ©tilifierung be« Umriffc^; bai^ 9latür(id^e
erfd^eint natürlid^; bie ??arben beginnen ba§ Silb ju ton-
flituieren, fiuft unb Sid^t beginnen fid; ju regen: bie Silber
atmen einen anfänglid^en 3ntpreffionidmud.
d^onfiable ifk in SSlrmut gefiorben. Itter er l^at feine 5lunft
nad^ Sran(reid( übertragen. 3m 3abre 1827 flellte er in
$arig au^, mad^te ^uffe^en unb erhielt bie groge golbne Me^
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loa
baiHe. (Später fuib aud^ in ^glanb bie iBanbfd^aftSmalei
iMnM 114 bort feit ben ffinhigcr Sol^ f 4tie^Ud^ auf 901^
anberem S&t^e, ndmli^ aaü ber einge^enbflett noturoliftifd^en
^clianblutiQ jcber tleinfUn ^insel^eit burd^ bie ^rärafaeliten,
entwicfelt ^at.
3n f^ranfreid^ featte fion bie erftc S^xi enoad^enber bür^er*
Kd^er StuUux eutm Slkrf udft erlebt, in Ud^teti Sorben }u malen:
bereiti» ffiattcou ging ind $elle unb nod( »eit me^r oon 800
(1705-1765) unb S3oudf)er (1703—1770). Mein fie ade,
obne bouernb burd^jubringen. ^ietme^r trat butd^ ben (5tn=
flug ber großen ^Italiener, namentUdi) 9iafaeld unb XijianS, unb
im Bufammenl^ang mit ben (Sintoirbin^ien ber ^ellenifd^en 9^e«
naiffance balb eine Serbunfelung ber Palette M 8rftunUii^e,
(Sfotie imb Oelbßd^e (fonc^) ein : $u ber Seit, ba bie S)eutf c^en jebe
Jorbe faft Derbren, erhielten iid^ bie granjofen TOenigftcn^ bie
Jarbenfunft ber 2)0Dib unb ©enoffen, bie '^Palette be^ Ätaffi'
jidmud. ^on biefem Ranon au^, ber fic^ mit ber langen
3)auet beö fcan^flf^en illafft^üKmui» in gemiffen SlbnNinb«
(ungen bid auf ^n^M unb feine 6d^b er^tt, ^ben bie
^ranjofen bann in einer oberen Strömung ber ?Wa(erei, ä^nlid^
loie bie 3)eutfd&en, eine 2lrt freilid^ oiel freieren funftgefd^id^t»
Ud^en Sieber^olung^furfed burd^gemac^t : ba roirb $rub^on
TOä^renb be^ erften ^afirje^nt« bö5 19. 3a^r|unbert« in bct
Sebanblung ber Uaffüiftifd^n ^atbenmerte befonbec0 fein, ba
ge^t (Mricault iu ber neuen, freilid^ red^t brutalen ffwAm»
gebung eine^ (eud^tenben Äoloriömu^ über, bi§ ^elocroif
(179P— 1863) als Stürmer unb 2)ränger ben enbgültigen
gortjc^ritt bringt, ber eben nod^ innerhalb ber alten ^unft bed
17. 2l<^l^r^unbertd bentbar mar: munberbar gUiiienbe {färben,
namentlid^ ein brenncnbeS Suntelrot, bie Staumtiefe nod( ge«
jc^affen burd( Stembronbtfd^ed ipeObunfel, ber (anbfd^aftUd^e
fiintergrunb faft ju oerroed^feln mit ber ^ed^nif beiS ^iubenS.
3n biefer D^lic^tung l^aben öann ^Dkler, wie 2)ecampg, gleurp,
©^afjöriau unb gröber ßouture (1815—1879), ber £e^rer ber
^tfd^en, fortgefd^affen; bod^ bleibt in bem bi^ gegebenen
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Bilbcnbf Vnitfl.
107
Sufammen^anqe her Slblauf bicjer oberen Strömung in feinen
ßinjel^dten gteid^gtiUit^.
Um fo me^r interefftert und eine untere Strömunf) in
^nfceid^, bie feit bm iwan^ign Sauren fidtfer nmrb; benti
fle Beamte bie erfien CntwicHungiSpl^afen ^in )um SmpteffiO'
nidmuiS, unb fte ging, n>ie fd^on erwähnte oeriDanbte 93en>e*
gungen in ^eutfd^Iaub unb ©nglanb, auf bie Sonbf^aft. 3^re
erfien SBcrtreterroaren feineSroegiS ongefe^en; neben i^ren fd^nöbe
iel^onbelten Sd^öpfungen prangten nod^ lange aI<S eigentlid^e
tunft bie Ctieugniffe ber grofien ftofftsifiifd^en &inbf<i^ft, bev
vue ajost^e; ber atme Seorge Widmet (1768—1848), ber etfle
große ^J}?eifter ber neuen Sanbfd^oft, \)at fo roenig roie ßon*
ftable ein angene()nies> fieben getrabt. 5lber biefe frü{)e @ene»
ration fümmerte bad roenig. Unbefangen mad^te fie \\)xt 2lud«
üflge aud $and in bie wed^felvoQe Sanbfd^aft von &t dionh
unb SiOe b'X9rtt9 unb braute bie gewonnenen Qinbrflde mit
möglid^fter Xteue auf bie Seinwanb.
3)urd^fd^(Qqenb aber loirfte biefe ©eneration noc^ nid^t^
fonbern erft bie näd;fte, bie fc&on unter bem ©influffe ßonftab(eS
flanb unb alg 6d^ule oon gontainebteau befannt ifl. ^ün\
3al|re nod^ ber älui^fieaund bet Silber d^onfiablei» in ^ti»
liegen il^te Xnfange, bie fi$ an ben Sufentl^It Stouffeaui^
(1812—1867) unb Balb oudft einiger anberer 3Rarer in bem
2)orfe 53arbijon, mitten unter ben reidjen unb abroed^SlungeoolIen
«Sd^önlieiten bes SßalbeS oon gontainebleau, fnüpfeii : unb über
ein ^JRenfd^enalter fajl \)at fu geblüht, um f4)Ueglic^ bem
6ifi<nrtdmud ber fündiger 3al^ anerfannt sur @eite su treten^
ja il^n in ber Seiterentioidnung i^rer Xenben^en §u beftegen.
2)a finben roir SRouffeau, ben fnorrigen §eroifer mit feinen
nod^ im ganzen bunflen ^önen, fd^roer, in ber fiuft oielfad^
trüb, nod^ oon oorroiegenb gelber Stimmung; ba tritt unÄ
ber ^ater (Sorot (1796—1875) entgegen, ein Ud^tfreubiger
Sbealifl, ber mel^ mie anbete bliebet bet Stuppe f(bon ben
Ümtifi auflöfl, von Hebentofitbiget Itjrifd^er 8egci)'terung: wie
er befd^eiben ron fid^ fagte, une alouette, qui pousse de
petites cliansons dans mes nuages gris; ba ift ber launen«
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108
^ofte, pricfelnbe ^iay, ba präfentiercn pd^, fd^on weiter fort=
gefcferitten in ber neuen Xedjuif, ber Tiermaler Trot)on (1810
bid 1865), ber furj oor feinem früöen Tobe in feinen Boeufs
86 rendant aa labour bte unoüd^ftgfie ittaft oerriet^ nnb
vor atm ^auMgiti^ (1817— 1878), eine Mumerif^e, tituft«
blifd^e Seele, ber jenige S^^eiftet ber 6$ute, ber in feinen
fpäteren 33i[bern ade gortfd)rittc ber neuen Itunft mitmachte
unb bie 3eit ber alten S^eoolutionäre ber breiftioter unb üierjiger
Solare mit jener ber jüngeren ber fed&jiger unb fiebriger oerbinbet.
SEBor nun mit ber Aunfl von gfmttainebleau fd^on ber
DoOe SminrefftoniiSmulS, bie Sktrflellung ber ^d^etnungen aü
@untnten Don farbigen Si$teinbrü<Ien, errei^t? ileinedioegd.
5iur ein ©d^ritt auf bem 2Bege ba()in wax gett^an. ^ie
HJleifter biefer ^unft ftnb faft alle gute Qeiä)nex geroefen, unb
grobe berjenige oon il^nen, ber bem üotlen QmprefftonigmuÄ
am nöd^ften ^el^t, (&oxoi, fyxi mit bem UebeooUfien ^gel^en
auf jebei^ ^tai( g^d^net. 6o l^alten fte im ®ntnbe an
bem jeid^ncrifd^en ©erüft be§ S3ilbeS fefl. Sfber feft oermad^fen
mit ber ßanbfd^aft, beren S^^eige fie roiebergeben, Kenner all
i^rer ^eimlid^ feiten im 2)uft unb 3ltem glcid)fam ber (5rbc,
beleben fte bieiS (beruft, umüeiben ed mit ben blül^enben
€in)e(l^eiten bed (^nbrudb ber @egenfUinbe unb aud^ bem
^laum fd^on ber CHnbrfidfe ber Suft unb ht& fiid^teS. Sie
i^aben nod^ feine^wegö grunbfä^lid; in ber freien fiuft gemalt:
aber il^r ©ebäd^tniso war fd^arf unb ilir ©mpfinben fon^entriert
genug, um ou^ bem ©rfc^auten me^r feRgu^alten, atö bie S8or*
giinger oermod^t l^atten. Unb )u bem t^eftge^altenen gel^örten
aud^ fd^mt bie feinen atmofp^fd^en ffierte, bad ^.Stmbiente" ber
SHngc; e§ tfl fein 3»fott. wenn biefe ?Weifter gern ju bem bie
2)inge (ci^ iinirauDenben ^aftellftift griffen an ©teile be5 ^^iinfelg.
Wian fü^lt, bafe ijm bie ^orbebingungen für eine große
ibealiftifd^e Eunft gegeben waren. Unb i^r ^eifter fam in
äAiUet (1814—1874), bem armen Sauemburfd^en aud ber
9lormanbie, bem grfiblerifd^en ^^ilofopl^en, ber fo gern bie
©riedben lad unb Don tt)nen Dor allem ben ^l^eofrit, bem fo
lange barbenben Keinen @inn)o^ner von Sarbijon. @r mar
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BU^enbe Knitft
109
tit, ber juerfl auf @runb ber ©rrungenfd^aftcn feiner 3Wit*
jirebenben bie Sanbfd^aft von Jontaiiiebleau auf i^re ein*
fttd^en großen Linien gurüdfül)rte, ber mit roenigen aufgefegten
garben unb noä) lieber mit ber grofoflglgen 6prad^c bc«
^afteaittftd bie S)afeindl^armome biefer Sanbf^aft entratfelte:
bcn fldren, fafi (ebenbig attnenben 8au be9 &tl&nhe», bai^
cd^roingen ber fiuft, bag fieud^ten be^ ^immel^ im ©ilber ber
y)littag§fonne ober in ben roogenben (Straeten be^ ^benbrot^.
So erfd^ien i^m bie Äkmbfc&aft belebt, pat^etifc^, ^)eroi)ci^ gan§
o^ne ben älufmanb ber g^eid^netett Auliffen bed äUeten tiaffi*
Sifüfd^en gbealidmud: bie S^nponbetabilien triumphierten, bie
Wuttet @tbe fpra^ gleid^fam aud i^nen: t& mat ber tiefe
§erjfd^(ag be^ ^^>ant^ei^mu^. Unb in biefe Sanbfd^aft trat
ber 3Kenfd^ — ber :2anbmann in feiner nacf ten Sßa^r^eit. ^en
8auer nid^t bei feinen geften, wo er betn neugierigen ©täbter
„intereffont" erfdfteint, nein, ben Sauer bei feiner Strbeit, in bem
fd^eren, Don Sal)r §u ^a^r mieber^olten ftampfe unb in bem
bod^ jugleid^ fo rul)igen BiM^^t^in^nf^in i^it 3^atur i)ai ^JJUHet
nadj) bell eroigen 3^9^" feinet SBefen^ gefd^ilbert: aljg ben un=
erläfelid^en Seftanbteit unb bod^ ^ugleid^ garten, l^art arbeitenben
^errfd^er ber Aulturlanbfd^aft Unb boi^ gefdftal^ mit ben«
fetben großen 3^9^ f init benen er bie Sanbfd^aft mieber»
gab. Monumental, mie aud @r$ gegoffen — wie leidet ^at
3Reuiüer biefen ^t)pu^, übertragen auf ben merten 8tanb
be^mobernen Qnbuftriearbeiter^, plaftifd^ bel^anbeln fönnen! — ,
in bem erl^abenen ^aud^ beä 2)auernben, nur fid^ felbjl lebenb,
auf ben Inappftett Sludbrudt feiner itu^eren formen gebrad^t
unb batum in ber ^oefte unb bem S^alidmud bed XOtagd : fo ^at
er biefen ^auer cor unä geftellt, nur in ber ©runbnote feiner S3e=
roegimg, reliefartig com ^intergrunbe abgel)oben, in ber einfad^en
Belb[toer)tänblic|)!eit feinei^ ^afeind feierlid; , in faft m^ftifd^er
iiirtung. ilam bann gor )u ber einfadften S)ar|iettung nod^
einentfpred^enbedStimmungdmoment, mie in bem JLn^tlaa'' von
1859, fo ftnb ftunfhoerle von unoergänglid^em ^erte entßanben.
3WiIIet ift ein 3Jteifter für fid^; bie (^ntioidlung fd^ritt
toeiter fort, ber immer m^^x anu^ad^fenbe ^irllic^leit^finn
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110
i^ilbcnbe Kunft.
brfingte §tt einem fleti^ flärfeten 3mprefftonttmu9. Unb 6alb
ftellte fid^ ^eraug, boB fic^ im ®runbc um jroei ©tufen be§
?fOrtfcl^rttted \)anMU. 2)ie erfte Stufe ift baburd^ d^orofterifiert,
bag ber ^irüid^feit^ftnn fid^ noc^ mit ber me^r äugerlid^en^
g(ei4fam pl^9ftoIogifd^en Setcad^tung ber SHnge begnügte: bag
ber eii^Ine Skgettffamb ixmä^fi ittf Ibtge gefaxt mtb, ba^ beffen
lldrperUdftleit bed^alb — utib mit i^ nod^ ^albroeg^ ber
Umriß — in erfter :Oinie roiebenjegebcn rourbe, unb bofe nd)
bog ©anje bes ^ilbe^ immer nod^ auö ben einseinen Öegen*
ftänben jafammcnfeftte. tiefer ©tufe, unb jroar ber frü^eften
iSntfottung, gel^drte bte Sd^uU omt Soiitaitiebleau an; SRiBetd
ibealiflifd^e 9Ra(ecel, loeld^e bie S^^^n no4 fheng (eioal^,
wenn fte oiid^ beren fdjorfen Umrife fd^on abfd^tiff, loeld^e fo oft
nod^ ben ibealifiertcn 9)ienf d^en in großer ^igur, glei^fam im
S^lelief oor eine ßanbfd^aft niebrigen ^orijonte^ fefete, ifl nur
unter ben ollgemeinen ^ingungen biefer ©tufe benfbor unb
verfiänbltd^. SoUenbet iDurbe biefe ©tufe burd^ d^ourbet
(1819—1877). Soutbet l^ot bo» Stoffgebiet ber frauaöfifd&en
9J?o(erei ftorf erweitert — er TOor u. o. ber erfte ioirf(id)e
SJiorinemoler — , er l)ai bie ©rrungenfd;aften ber 6d^u(e oon
e^ontoinebteou ouf bie 2lnnenma(erei übertrogen, er ^at in ber
Äompojltion bie Äonfequen^en ber neuen Äunfl ftörfer gegogen,
er ^at §uerft bad itunfipriniip bet Törit^ yraie^ »onadft man
nur bie fftatxt unb nid^t ft^ felbft geben fode, mit ber ftber«
jeugt^eit So^ö^ oerfünbet, wenn er \\)m aud) in feineu Silbern
fo wenig wie 3olo geredet rcorb, unb er ift mit aüen 3Wittetn
großftöbtifd^er ^ropoganbo, ^gitotion unb 9>ieElome für bod
^eue eingetreten. Qt xoav {»eifeltod ein großer 'Skakt. älber
fein SBetbienfi ift, entnitflungiBgef^i^tUd^ betrad^tet, bod^ nid^t
bcüK ber Segrünbung einer neuen, l^öljeren $^ofe beiS Smpreffto«
ni^muiJ, wie mon roo^l l)ören fonn: er bringt nur ben plji^fio^
logifd;en 3mpreffioniC>mu^ jum oollen Slugbrucf unb oor ollem:
er ^eigt ber ^elt, baß er bo ift^ unb boß er fid; oon bem ge«
»onnenen Soben nid^t mel^r »irb oertreiben (af{en.
^ie smeite, l^dbere Stufe bagegen wirb erreid^t burdü SRonet
(18da— 1883). Sie unterf^eibet oon bet erften baburc^.
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BUbei0ff UanfL
III
tkjfe nunmehr nur jener farbige ßid^teinbrudf roiebergegcben tuirb,
ben ein 9l6fd6nitt ber ©rfd^einungöroett alg ©anjeiS auf ein
empfänglid^eS Sluge tnad^t. @g ift gleid^fam ba^ S^efe^autbilb
Ott &an^, auf bie Setnioanb gebiiod^t werben foH %M
itSrpettid^e bed einzelnen SegenfiatibeS, fflr f{d( betrautet,
i^roinbet bobei, roäl^renb ber breibimenfionale ©inbtucf be«
üollcn (Seljgebteteg nimmt, ba bie ^roifdien ben ©egenftänben
flutenbe :Ouft in i^cen oerfc^iebenen farbigen ^bfiufungen ttad^
ber ^iefe §u beffer jum ^uiSbrud gebrad^t n)irb. ifi gegen«
dbet bem pl^ltologifdften ein i^fpd^otogifd^et Smpteffionidmud;
bie l^arte Stt^erH^feit ber ^inge wirb bem imteren Oeftd^td«
cinbrucf al^ eine Totalität untergeorbnet.
^JJ2anet Ijat anfangt ganj in ben überlieferten 33Ql)nen
ber £unft gefdjiaffen. @rft feit ettoa 1860 ^eigt ftd^ bei i^m
ein Umfd^wung; 1865 loot er im 6alon f^on mit {»ei 8ilbem
oertreten, ber „®etfeelung e^rifii" unb bem „rul^enben VtSbi^m
tnit einer Sta^t" (DIpntpio), bie vom $er!ömmlid^cn fo fet)r
abroid^en, bafi fie ftet^ üon einem bid^ten 5lreife von ^Spöttern
umgeben njaren; um 1870 entftanben bann bie erften 2Berfe
eined im mefentUd^en fd^cm oollenbeten pfpd^ologifd^en 3mpreffio«
nidmui^, i^or allem bod „@l^epaar SÜHtttd" unb bad ,,9tennen von
Songd^antpd". Unb sugletd^ würbe 9}anet immer perfönlid^er.
Sel)r begreiflid^. ^er 3WaIer, ber bie ©efidjt^bilber in feiner
6ee(e aU malerifdieg Dbjeft betrachtet, ftel)t biefem Dbjeft
nid^t fo fem^ a(d ber ^kler, ber fid^ au^gefprod^enermagen
ob« aud^ naio an bie fdrperl^fte 9lu|enmelt a(d äiorlage
^(t. Mnnen mir benn fiberl^aupt anberd ate UlbKd^ t)on ben
©efid^t^bilbem in unferer ©eele fpred^cn? ©e^en l^ier ntd^t
bag perjipierte ^ilb unb bie perjipierenbe <SeeIe, Dbjeft
unb ©ubjelt von felbft burd^einanber? 2öirb nid^t bai§ Se^
obad^tete von ooml^ein in bie eigene iß^ntafie, baS ©efel^ene
in ein ®eal^nted, ba« ^rf^aute in ein t»am Subfeft aud
CmpftinbeneiS umgefe^t? 3n biefem fo Übermii^ (ei^t ein*
ttetenben Übergange liegt e^ bcgrünbet, menn fid^ ber pft)d^o=
^ogifd^e 3mprefftonigmug frül) in eine <5tinimunggfunfl , in
einen primitioen 2lbeatidmu^ ber (Stimmung umgeftaltet. <B^on
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112
Stlbenbe Kntt^
(ei SRanet ift ha» tcUmeii» ber %afl geioefen, nod^ mel^r trat
bann bte SBonbbmg bei feinen S^ad^folgern, j. S)ega» eilt
2Bir werben auf beutfd^cm ^Boben in ber ©utiuidlung bcr
•i)Jalcrei wie aud& in ber ©ntroidlung ber S)id^tung biefelbe
^rfd^einunq luiebcrfinben : ber pft)d^o(ogifd^e 2lmpreffionidmu§
fd^Ugt atebaib in ben SbealiiSmud ber Stimmung um, bet fid^
att G^mboMmuS ober 9leutomanti( ober mie man fonfl bie
betreffenben ßrfc^eimmgen genannt i)at, offenbart; unb bei
ftärferer ©ntraicflung fefterer Gfeniente einer ftänbigen 6lim=
mung, b. ^. bei bem leifen ^uftauc^en fonfUtuierenber ^Motiiot
einer äBeltonfd^auung, lamt ftd^ biefer prtotitioe SbealiiSmud
bann )u l^d^er ^(enben, tbreren formen entmidteln, meldte ber
Xbbitung beiS äBortcd SbeatÜlmuil non 2lbee entfpred^en. 9^od^
an ücrfd^iebeneii «Stetten loirb auf biefe für bie (Sntroicffung
beS niobcrnen Seelenleben^ überoui» be^eid^nenben Umfomiungen
)urü(!^u{ommen fein.
3m übrigen verfielt fid^, bag äRonet nur ber Se*
grünber, nid^t ber SoSenber bed pfpd^ologifd^en Smprefftonid«
wuÄ ber SWalerei gemefen ifi. fjür uni8 Hegt aber fein roefent^
(id^er ©runb üor, bie weitere ®ntn)idf(ung in granfreid^ md)
genauer gu oerfotgen. 3iur ba^ fei bemerft, baß fid^ für bie
®egenn)art in ^^ranfreid^ im ganfen unb großen brei Siid^tungen
ber SRalerei unterfd^eiben (äffen.
@ine erfie taucht bie ^rfd^einungiSmelt in eine 9lrt ^tVitn
$Rebel^, bcr ben Umrife gänjlid^ gcrffattern unb bie 2)inge wie
burc^ eine unenblid^ roeid^e unb bonn nod^ üerraifd^te ^^oto=
grapbi^ ^inburdfi ertemien lägt. Man fönnte fie bie iD^alerei
ber Aursfid^tigen nennen. Sie ifi ^ugleid^ bie SRalerei ber
belifoten Sorbenobfiufungen unb ber Serfud^e, bie Silber auf
befiimmte ^dne, ein §arted ®rau etma ober ®e(b ober
5lofa, ju ftimmen: bie 3)klerei ber JarbenfijmpJionie. ^ielfad^
fc^Uefet fie fid^ an bie Hunfl öon ^JiimsJ be Gl)aoanne^ an, bie
fid), ^Banbmalerei unb ein beforatioeS @(entent ber Soulunfi
im iSid^eren Sinne, in fe^r fetten, buftigen ^rbenl^armonieti
ergangen l^atte. 3m ganzen ift (eid^t su erfe^en, hai biefe
itunfl, troft ber Serfd^ (eierung beiS UmriffeiS, bod^ im ®runbe
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113
eben nod^ auf biefem beruht; ei ift eigentlid^ eine ilunft ber
Seid^nung^ bie bem ntobcrnen, ouf ??arbcneinbräcfc gerichteten
9u0e nut bie nötiden Bugefl&nbniffe fd^einbam nebelhafter
Xufrdfung maä)t; entmidCfung^gefd^id^tli^ fte^t |te auf bem
9^tDeau ber 2lnfän(^e oon gontainebleau, ift olfo eigentHd^ eine
gurücfgebliebene Grfc^einung. SDenn im ©runbe ift l)ier bie
Sd^wierigfeit, farbige ^id^teinbrüde in ben fcinßen ^bfd^attie«
tungen toieberiugeben, nid^t geldü^ fonbem oietme^r — nad^
heutiger Sluffaffung — umgangen.
@tnc jroeite !Rid^tung, bie ber eigentlid^ entroidffungS«
9efd;id;t[id^en ^unft, ge^t barauf au^, bie (S;rrungenfd)aften
beg pf)}d)ologifd^en 2impreffioni^mud 3U bergen unb auszubauen.
<Sd i^anbelt fid^ ba um ^meiertei : barum, reinere, feinere, gartet
gegeneinanbet abfd^atiierte ^arbeneinbrttdfe in |td^ anzunehmen,
atfo nod^ bejfer feigen ju lernen, unb borum, bae feiner ®e*
feierte nun aud^ im S3ilbe tüieberjugeben unb anberen ju t)er«
mittetn. 2luf bem erften ©ebiete ift natürlid^ bie intenfioc,
rafd^ aufnel^menbe unö ben 2liigenbUdfgeinbrudf gab feftljaltenbe
Seobad^tung bo^ mid^tigfie @efd^äft unb funöd^fi ha& einzige
SRittet, um weiter ju gelangen; in unenblic^ oerfd^ärftem
?Dla^e e8 gerabe in granfrcic^ angeroanbt roorben. 5Iber
bauebeu hatte in ^eutfd&Ianb fd^on ©oetbe ba^ ©tuMiim ber
Opti! empfobten, unb in (^nglanb i^aiU dhi^tin bereits^ in ben
vierziger Salären ebenfatU bie 3Bi{fenfd^aft atö ^ilfiSmittel ber
SRaltunfi l^erange^ogen. SoiK ifi benn aud^ in ^anbeid^, unb
wiebentm l^ier mo^l in befonberd l^ol^em ®rabe, gefd)ef)en;
nac^ Einleitung ber feinflcn ©rfal^rungen unb Seobadf)tungcn
ber Dptif f)at man feben i^elernt unb namentlicb im S^eic^e
ber ^iberfd^eine tt^abre (Sntbedungen gemad^t. Sie aber bäS ^e«
obad^tete farbented^nifd^ tiermenben unb miebergeben? S)a |eigte
fid^ balb, bafi bie b(o|e 9Rifd^ung ber färben ben feinen
fhifungen ber garbeneinbrüde aud^ nid^t entfernt metir geredet
würbe, dagegen log fd^ou bie alte 3J2a lerer fal^rung t)or, baß fid^
ber ©inbrud feinfter 5lüanceu burd& S^lebeneinanberfteUung geroiffer
Sarbentdne erreid^en taffe, menn mon baiS Silb aud geroiffer
(Entfernung betro^tet. IDiefe ^to}^ mugte jefet fpfiematifd^
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BUbenbe Knut,
QiiÄc]ebaiit werben; in bieder yiid)tung üertief bte ©ntrottflung.
9?un l)atte fc^oii 3)Janet in feinen fpateren 33ilbern fo gearbeitet.
Unb bie i^m näd^floerioanbtm ^JJ^eifter festen biefe Wd }u«
nöd^fk fort, wenn no$ gninbfötUd^et unb mit no4 toeiter
entfaltetem f^arfienflnn, fo oor ottem 9Mnatb. 8a(b a(er ßing
eine onbere 9?id)tung nod) weiter. Um eine m6) ftärfer biffe*
rentierte S5>irfnng ju crl)altcn, begann fie grunbfäfelid^ jeben
^aiboieinbrud nid^t me^r burd^ eine garbe, fonbern burd^
eine SatbenjufammenfielUing miebetgugeBen, etma nad^ älnalogie
Gonnentid^td, beffen weijse ^atbe befanntUdft burd^ bie
(unten Okarben bed Speftnmid gebitbet mirb. (H ifl eine
•iWetf)obe, bei ber bic ü^üancen burd^ B^f^ii^^^nenflellen ber in
ber garbented;nif bekannten garbenroerte auf bem äöege ber
Kombination unb ^ermutation faft bi§ in§ UnenbUd^e gefleigert
metben fönnen: unb fo fann fie an ftd^ fel^t mo^i al& ein geeignete^
bittet erfd^elnen, ber für unfer ©mpfinben t^atfäd^lid^en ttn*
enblid^feit, njeit bem ftänbigen Übergange ber J^^rben gered&t
TOerben. ^urd^au§ auf beftimmte Siegeln gebrad)t erfd^eint
fie nun in bem fog. pointillage, ber regelmöfeigen S[^erbinbung
einer gemiffen iniaf^t oon ^rbentupfen jur SBiebetgabe ber
9tüancen; baneben aber tritt fie ^ufiger in freierer ^orm auf.
^ie Entfaltung biefer ganzen ^edf)nif erfolgte mol^t juerfl, unb
jebcufali^S juerft ganj augenfd&einlid&, in ber ßanb)d)aft^ma(erei,
unb ber eigentlid^e 3)kifter ber ^ierljer ge{)örigcn £anb)d&aftg*
{unfi ifl feit ^uiSgang ber fiebriger Sa^re ^onet (geb. 1840);
neben il^m finb u. o. nod^ Pffaro (gA. 1830) unb Sebourg
(geb. 1849) ju nennen. 9[uf bie ffiiebergabe uon iSt*
fd[)einungen, bie bem 3Iuge nöt)er fte^en, oor allem beS 3J^enf^en,
l^at fienoir (geb. 1841) bie 3J(etl)obe angeroanbt.
2)oc^ wäre ed fal[c^, tooUte man fid^ bie franjöftfd^e ilunft
ber ©egenmart oon ben (S^perimentatoren bed SReuen be^errfd^t
ben!en. 9iur wenige finb tii, bie ini^ Unbelannte fireben, menn
aud^ bie allgemeinen (Srrungenfd^aften ber Waterei im ©inne ber
9)ceiftcr von gontaintbteau, foroie ß^ourbet^ unb felbft 3}knet^
faft buid)meg angenonunen finb. ganzen ^errfd;t — unb
bad ift bie britte 9ii4itung — bie Neigung gur SBermittlung
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Bilbenbf Tinnft.
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jroifd^en olt unb neu. 2)cnn granfreid^ ift im ©runbe roie
in feinem fojia(en £eben fo in fetner Hunfl tonfecoatiu. ^ag
inner(^al6 biefet Demtittelnben Strihnun^ bie oetfdftiebenfUn
SRifc^ungen von alt unb neu benibar finb, bad giebt (eute
ber franjöfifd^en Äunft einen guten ^ei( i{)re^ ^()aTafterd.
Unb roag für ^lombinotionen fommen ba iüd;t mid^ roirfUd^
por! S)er jüngere ^Dubufe 5. 33. malt ganj in ben garben ber
mobemen 5tunft, be^ ftärffkn pfpii^ologifd^en 3i"Pteffionidmud,
oerbinbet aber batnit bie lineare unlr umrigfefle Formgebung ber
9(ten: bie 9Bir(ung ift, felbfl bei Silbniffen, eine rein beforatioe.
Unb ho6) barf man üieUeidjt bie 8tärfe biefcr SBerfud^e, 2lltei8
unb dhm^ gu amalgamieren, nid^t unterfd)ä6en: bcnu wo roäre je
2)auer()afted anberd aus ber ^^erbinbung von Vergangenheit
unb ©egenioart, t»on Sefianb unb ^ortfd^ritt gef Raffen worben?
2. ^eutfd^tanb liegen t^ie Sfnfänge ber neuen ^uuft
nid^t fo früh roie in ©nglanb, unb it/re Gntroicflung ge^t nid&t
fo flar unb gleid^fom f^ftemotifd^ t)or fi(h, wie in granfreid^.
3fl bo4 granfrei^ baiS 2anh ber folgeridjitigfien @ef(^i(ihte
fc^on barum, weiC biefe fich jum grofeen 5CM in ^aris^, alfo
unter ber (Sinljeit be^ Drte^, unb in einer @ro6ftabt, unb ba3
Reifet unter S^^'^""^ öud^ ber äußerften golgcn jeber jeweiU
^enfc^enben (^ntn)icf(ungSrid^tung abfpiett.
SBir loiffen, loie fid^ in beutfd^en &tnben bi^ unb bort
unter ber sunAc^fl aOed be^etrfd^enben oberen @tr0mung bed
Sßteberholung^furfe» f<3^on in ben 3«ten bei5 Älaffiai^mu« unb
ber ^iomontif ftiße, ber 2i>irflid^feit jugeroanbte Unterftrömungcn
bübeten; bo^in gehört bie Vebutenmalerei fd)on feit 53eginn be^
19. 3Qhrt)unberti bie 3)Ulitärmalerei nad^ 1813, bie Wlakxd ber .
Sagbftftde, bie Sitbnidfunft u. a. m. Unb biefe bflnnen realiftif d^en,
farbenfroheren Unterflr5mungen fd^roollen immer mel^^ an, il^
Xcnbenj begann in ber ©c^aborofd^en 6d)ule (1826 f.) fd^on
bie obere Strömung §u treffen, unb in bem gortgang biefer
©dhule, in ber ^etfon be^ leiber fo früh »oßenbeten $Wethel,
im Saufe ber 9{er)iger Sahre trat grabe^u eine ä^ermif d^ung ein.
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6« TOor baöfelbc gal^rje^nt, in bem bie Untcrftrömungcn
aud) \on)t, unb me^rfac^ fd^on beinah außer Serftl^rung mit
bec Oberfttdmung, bad ^ntereffe einer wextmn Cffentlid^feit
9u fleiDinnen iDufiten. S)em großen ^ublibtm traten {te in
ber Sit^ogrop^ie unb im {^olsfc^nitt na^e: ed ifi Ue 3^t ber
Begrflnbung unferer ersten iöuftrterten periobifd^en 33[ätter,
beö entftcljen^ unferer frü^eften öffentüd^eii ^^arifatur, bie
Seit, auf bereu gefunbem ^oben fpäter bie ^^u\di) unb bie Dber-
(änber fugten; bie ^(iegenben Slöttec erfd)ienen feit 1845.
^ie iDid^ttgfiten ^mrtfc^ritte ober nmtben bod^ ini f^i^n ge«
mad^t tinb ^n)at, a^nüd^ »ie um einige ^a\)x^t^nte früher
in ©nt^Ianb unb in g^onfreic^, auf bem ©ebiete ber fianb=
fdjaft^nialcrei. Unb ber ilreig roieberum innerf)olb biefe§
engeren (^ebiete^, auf bem man oortoärtd brang^ max ber bec
äRalerei (anbfd^aftlid^ec Stimmungen.
Stimmungdmaletei fiinn obiettio unb fubjeltiD getrieben
merben; eft !ann üd^ bürum ^anbetn, bag ber ftfln|Uev ber
fianbfc^aft eine perfön(id)e (Stimmunc; cinoerleibt, ober aber
bn6 er bie in ber fianbidjaft felbft gegebene (Stimmung auö
i^c ^eraud^olt. ^latürlid; aber giebt ed jrcifd^en biefen ©egen«
f%n eine SRaffe uon Übergangen. S)ie Uaffi^ifüfd^ unb
romantifd^e Sbealtanbfd^aft mar fe^r l^äuftg unb im @runbe
immer fubjeftio flimmungiSooll gewefen: meldte f!ar!en ^ccente
be^ perfönlid&en ^ot^oS fpred^en ^. 33. au§ DlottmanniS
^^arat^onbilb! S^^t bagegen ^anbelte fid^barum, objeftioe
©timmungen wieberjugebcn, ma^ bonn unmittelbar in bie
atmofp^ärifd^e Seite ber Sanbfd^aft, in 2id^t unb Suft hinüber«
füfirte: bemt eben in biefen ftnb Domel^mUd^ bie Elemente
objeftiüer ©timmung^bilbung befd^toffen.
2Bie fel)r Ijänfig bei bem 33erfii d)c, neue ©eiten ber 2öirf*
lid^feit ber S)arfteIIung p erobern, iiid)te bie £unft aud^ bie^»
mal oor ädern bie Stetten auf, miö)t bie i^fung ber Aufgabe
erleid^terten, a(fo bie Sanbfd^aften {tarier Stimmung: ei» maven,
ba man bad Wim nod^ (aum gewonnen l^tte unb an bie
früljeren '^er|"ud;e ber Äopenbagener nid;t aiifnüpfte, bie Sanb-
fc^aften ber ^JJlofel unb be^ ü)Uttelr^eind mit i^vem ftarfea
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Bilben^e Knnft
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©chatte an Sßafferbampf unb mit Den braungolbcnen ^öiien il^rcr
()errUd;en Slbenbc unb, bid^t bei i^nen, bie Sanbfd^aften bcr
©ifel mit il^rer (S^ioermut, mit ber 5ßer(affent)cit itjrcr lang*
tlinftTeid^enben ^^bmm unb bem p^antaftifd^en äBed^fel i^rer
geotogtfd^en {Formationen, ßiet entwidfelten bie Dllffeiborfer
fc^on in ben breifeiger Satiren eine rege ^Ijätigfeit; Sefiing,
einer i^rcr ©röfeten, entbecfte oor allem bie ©ifellanbfc^aft unb
gab fie mit einer bid bal^in unerhörten Xreue ber Seobad^itung
mtebet.
&xoaü fp&ter aber warb no^ ein onbered @ebiet fidrifler
^timtnungSelemente entbetft, bie bo^rifc^e ^o^ebene, nament*
lid^ nad^ bem ©algburgiid^en ju, biefe ©tätte roo^l ber
größten beutfd^en S^iegenmengen unb jebenfaUs eine^ in ben
ßufterfd^einungen befonberi^ intenfio wed^felnben ^immetö.
^et loar f^on ber wunberlid^e, oergnögfame BpUym^
(1808 — 1885) mit feinen 8anbfc^aft«bilbem fiaufe; oor allem
aber würbe biefe fianbfd^aft unb ba^ füblid^ere 3Soralpengebiet
überhaupt ber ^errfd^aft^bercid; üon ©d;leid) (1812— lb74):
auf ber entroicflung^gefd^id^tlic^en $ö^e ctioa ber ©d^ule oon
^ontainebkau ^at er, teilweid in großen Formaten, £uft unb
St^t biefer @egenben mit einer Sicber^eit gemalt, ber nur ber
Übergang in eine fältere Palette feljlt, um ganj SBa^r^eit
ju fein.
Unb aud& fonft fehlte e^ in 2)eutfd;lanb nid^t an Über-
gangen §tt einem p^^ftoiogifd^enämprefflonidmud berSanbfcbaft;
audE» aud ben mittdbeutf<i^en @ebieten mdre eine gonje 9in}al^(
wenn aud^ minber ^)0(5fte^enber 92ei|ter %n nennen. 3« felbft
bie^ilfe beö 2lquareQ§, oon bem fdjon gelegentlid^ ber euglijdjiMi
Gntmidllung bie 9*iebe mar, oerfagte nid)t. ßier mirfte in ben
fünfziger Saliren namentlid^ ^axl 2Berner, in ben fec^^igcr
<Sbuarb iQilbebranbt. Selbe malen in freier Suft, unb beibe
fe(en boi» Sid^t fd^on ftarl in ben Sotalton. Unb beibe et*
teid^en bie $öl^e ber i^ncn 5ugänglid()en SBirfttdJfeit^miebergabe,
iubem fie mit Vorliebe au6cil)alb ®eutfd;(anb^ tljätig ftiib, in
©egenben mit reid^erem, fic^ mel)r aufbrängenbem iiic^t, ber
^ in Staiien unb ben bftUd^en SRittetmeerlönbem, ber anbere
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in feinen dleifen um bie äBelt unter bem (Anflug nidftt b(o|
flarifen, fonbem oud^ fe^Tt)erfd)iebenarti9en8id^tejS. SBod^unber,
wenn [\d) befonbere il}m, bem Kosmopoliten, bie ©e^eimniffc
biefeS Sicktes aufbrängten? 3)at)eim aber mad^te man it)m
jum ^oriDurf, er erftrebe p^antaftifc^e (Siiibnicfe unb bie ©egen*
ftclnbe wären i|im bid §u bem ©rabe nur Unterlage sut S>ar«
fUümq mm fiiii^tmirlungen, bofi barflber ^rm unb itompo«
jttion verloren ge^e. @d ftnb SSormflrfe, bie ben ungewollten
^eroetS erbringen, baf3 ^ilbebronbt unmittelbar an bcr ©dj^ioelle
jum pfpc^ologifc^en ^inprcfiloniemu^ ftanb.
Slber aU biefe oer^ei^iingeuoUcn ^ilnfa^e führten nid^t }u
einer grunbfötUd^en unb burd^f^togenben SSenbung. mar
i^ &iid\al, bog fle, entfpred^enb ber Serfireuung ber beutfc^en
l^ultur, »ereinjclt blieben; t& fehlte bie qegenfeitige 2Inregung
unb ber auS i^r ^leroorge^enbc Xrieb auf einen allgemeinen
gortfd^ritt. 3"^^« loic übermäd^tiö war in ben Xagen
biefer ^oUrei ber ^ifioridmud, unb bad ^ie^ bie Figuren«
maierei: — oor aUem gerabe in SHänd^en unb S)uf[t;lborf
feierte fte, bort im ßtfiorienbilb, l^ier im Sittenfiücf, in ben
fünfziger unb fed^jiger 3al)ren if)re größten 5Criumpl)e.
5(ber aud^ ber Übergang ju einem pbtifiologijc^en 3m*
prefiioni^muS bed {^igurenbilbed ^^^^ burc^; benn im
@runbe mürbe er nur burd^ iwd grobe, ober oereinielt bleibenbe
SReifler oertreten, bur$ ben ßfierrei^er ^ettentofen unb oor
aKem ben ^eufien ^enjel.
Sßon ber Sitbograp^ie auSgeljenb, bie fein i8ater unb oud^
er anfangt beruf^mä&ig betrieben, seigt aWenjeUgeb. 1815)f(^on
in feinen erften ßlbilbem gegen ©nbe ber breifeiger ^a\)xe eine
bomaU fafi aQein bafte^enbe SSBol^r^eit in ber ^eoba^tung bed
^rbigen unb in feinen 3^i4nu"d^n pr S^it ^^riebricbiS bed
6Jro6cn (oon 1840) einen nialctii d)en 3» 9/ ber eine bis bal^iu
unbefannte 5:^onfeinl^eit ber 4>oläic^neibefunft beroorrief.
näd^ften S^^^S^M/ beutlid^ feit 1850 (,,Tafeirunbe ^nebric^S
bed &xobm"), beginnen bann weitere (^ntbedungen Mm^lA auf
bem (Sebiete ber SRalerei. 6ie laufen, etwa poxoM ben im*
prefitonifltif d^en Slnfängen ber $rSrafaeIiten unb l^aben mit
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BUbente Vntift. 119
biefcn im Siexme oiet S(l)nlicftfeit. 3^^^ ift bciben J^öDen,
mit bcr einflet)enbften ©orgfalt baiS einzelne malerifc^e ©lement
bcr ©rfcfieinungöroelt crfaffen unb jur ^DarfteOiing ju bringen
in ber Grroartung , bog bei flarlftem äBirtlic^teitöfiubium im
einielnett {Id^ aud^ fUlrf^e aBirtii^feitdiDivfung im gansen Ifter«
auiSReden ntüffe. So ift benn Wense!, n)ie et mit einer lit^o*
grapöierten 8eIbftbio(]rapljie begonnen t)Qtte, bi^5 in fein ^ol)e§
3l(ter ftönbic^er ^Un^leiter feinet ^ogc^lebenS mit Stift unb
$infel geblieben; immer unb immer »ieber ^at er mit bem
iCeinflen (Segenfianb feinet Umgebung gerungen, um i^n male«
rifd^ }u bewältigen, ni^t anbetd, mie et M %n jebem Gtlld
Sige ber fribericianifc^enUniformtDelt ard^äologif(4 unb maletifd^
burcbbrong.
Seit ben fed^jiger 3<^^ren n)urbe 'Flenid mit ber fo er«
rungenen ^unfl ber ^aiet ber grogeit poUtifd^en (Begenmatt:
.»Ittdnung in jtdnigdbetg", „Slbteife Hönig SSBilMmiB sut Sltmee
1870", — no<j( me^t bet OToIet ber geitgenöffifd^en ©efeflfcbaft:
6cenen au^ bem ^orifer unb SBeronefer ^l^olfölebcn, (otbolifcfte
^ro^^effionen unb proteftaiitiidie @otte§bienfte,53runnenpromenabe
in Äif fingen, SSaOpaufen ber berliner (^eieUjd;Qft,i5cenenau^ bem
Seben am iireufcif df^en $of e, — oor aflem ober ber gro|e (Optier ber
mobemen Sltbeit: „SifemDalsmerl" oom Sa^re 1876. biefen
33ilbem offenbart fit^ feine gonje Äunfl. ^Da«, wa« fle au«*
jeidinet, ift freilid^ md) wie t)or ber unglaublid) fixere 33licf
für bae ©injeinc. Skalier — unb auf biefem ©ebiete reid)t
^enjel b\& tief in bie Siuffaffung bed pf^d^ologifdien 3m«
prefftonidmud hinein — oor aOem feine itompofttion: ber ^or«
gang a(9 San^ed mirb genau fo erfagt, mie er fh) abfpielt,
ba« 33ilb ift nid^tö alö ein 5lu^fc^nitt quö bem fieben. ©cbon
ba§ ^öni(]^3beri]er Ärönung^bilb ift fo gemalt unb erregte eben
barum 2lnfto6 bei fiofe. 3)arum weiter feine 6pur fünftlicfter
Sid^tfa^rung me^r: frei flutet ber Stral^l, unb frei merben bie
S)inge t>on feinen tauf enb unb abertaufenbaSiberfd^einenumfpielt
Da foOte man bemt freili^ aud^ fiatt ber alten ^rbenmelt
be« Stenaiffancepinfel^ eine foldjc farbiger fiic^teinbrüde er«
toarten. Eber ^ier ift nun bod Gegenteil ber gaU; benn l^ier wirft
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9Ren|ete äüiffalfung bed (Ein)e(neit ein* (&x seid^net bod @in»
^(ne nod^, loeit et ^ junöd^ft einzeln unb batunt üi bet fhengen
Ütnrigfomt fie^t. Unb roo er bi^ in^ eingetne nid;t me^r
jetd;net, ba ntalt er jebenfallö — ber S3en)ei§ innerlid^ jeid^ne*
tifdjien (Smpfangend — mit fpi^em $in{el. @r uerbinbet alfo
mobeme ftompofttion bed ^an^n mit einer oft unenblid^
minuti0fen, übttaxA plantaReooUen unb bod^ ben Segenfianb
mit l^artem SSitKi^feitiSftnn umbrönc^enben 3^t(^nung im
einzelnen. SBie follte ba bie garbenraelt als ©anjeö, ai^ lid^t*
burdjiuebt unb lid^tüergeljtt, gu iljtem ganjen S^led^te fommen?
2)ttg ift ba^ ©ebict, auf bem ^Jlenjel am alten 5lanon feft*
(äU; unb fo be^eid^net feine SRalerei in gemiffer ä^li^tung bie
ougerfie Stenge eined pl^ppotogifd^en Snip^<^ffionidmuiS, ol^ne fie
§u überjd)rcitcn.
ift eine per)önHd)e ©teÜung, bie an fid^ oicUeid^t fd^on
bie öilbung einer ©d^ute au^fd)lo6, fidler aber unter bem gort-
bouem bei^ ted^nifd^en n>ie ftofflid^en j^ifioriiSmud bid in bie
fiebriger, idk adftt)iget Sollte l^inein }u bief er nid^t fönten f onnte :
unb fo ift bie Jhinfl "Sfltn^U einfam geblieben. S^ntid^ fte^t
es mit ber Äunft Slugujt oon ^^ettenfofen^ (1822—1889). 5«ur
bafe biefe fd^on nid^t me^r unbecinfiufet oon ben granjofen
war: nur l^alb als unabl;ängiger $fabfinber eined beutfd^en
SmprefftoniiSmui» ift ^ettenfofen }u re4$nen.
$etten!ofen ifl mfjl ber erfle beutfd^e DrTt5ier au^er
2)ienften, ber in ber @efd^id)te beS Clingens beS fpäteren
19. 3at)rt;uubertg nad; einer neuen Kultur einen unbeftrcit*
boren ^laft einnimmt. 2Bir werben folc^er Dffijiere im
gortfd^reiten unferer Setrad^tungen nod^ mehrere treffen:
l^ier fei nur an ben ^^Uofopl^en o. fiartmann, ben 9Ra(er
0. U^be, ben S5id&tet v. Siliencron, ben @tt)ifer o. ©gibp er*
innert, (^in ©cmeinfameS burdjjiebt ba§ SBirfen aller biefer
3Jiänner. ©ie oerlaffen ben ^eruf mit einer ftrengen ßr^ieljung
)ur Xreue unb SBal^r^aftigteit ber Arbeit; fie treten in fräf«
tigern SDianniSalter unvoreingenommen, nid^t aü^ufe^r t)on
tultureSen Überlieferungen belaflet an he& SEktl, gu bem fte
itjre Segabung Ijinjie^t. 6o fdjaffen fie frei, ernft unb im
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Sinne von Urnaturen, j^umcift oud^ in l^ofiem ©rabc unbcfüm*
liiert um Beifall, unb olle bie ^^^orteile, nitid;e bie (fiilnncflung
einer ^o()en Kultur auf folonialem ^oben auSjujeid^nen pflegen,
faQen i^nen §u; in bem 92eu(anb i^rer ©eele ifi ni(i^t oiel
totq^ut&umm, unb ber bftftige Soben bietet ber getingfien &n*
faat taufenbfäUig ^rud^t.
^ettenfofen lernte ju guter 3^it 23itber ron ^rot)on unb
Glittet fennen unb er jroeifelte nid&t, baß fie eine ^öl)ere 6tufe
ber ©ntroidiung barftellten ald bie ^lalerei ber äBiener ^fa-
bemie. Unb fo folgte er il^nett. äBad bantnt feine ftunfi
f^on ber ffinf§ioer ^l^u ouiSsei(|net, bod ifi bet ^on b^
a6foIut @egenftänb(id^en, bie 'Sinl^t ber Seoba^tung, bod $)reite
unb bie 5^reif)eit ber farbigen Jüel)anblung. 5lber fretüd^ üerbinbet
fid^ bamit ein ftar( perfönlid)e^ ©lement. ^ettenfofen ift in
©ali^ien aufgeiDad^fen; ed ftedt etmod Senaufdj^ed in i^m; in
^o^em ®rabe ift er fd^metmütig flimmungdoon.
O^ne <Btimmung ^ot bem p^9Fio(ogifd)en Smpreffionidnutd
fieibl (1844—1000) ge^ulbigt. fieibl, üon ©eburt ein 9i^ein=
(änber, war feinem äBefen uad^ ein ^^kijer unb in 3}Üiud;en
Saufe, ^laö^ ^lün(i)tn aber toaren fc^on frül^ einige (Sin-
fUiffe ber 9ßänner.9on ^ontainebleau gebrungen. fieibl fp^ieU
(ernte 1869, )ur S^t, ha er fein erfied 8i(b in bie ÖffentUd^*
feit brad^tc, auf ber ^ünd^ener 2tu§ftcIIung ^xütt, Sorot unb
Gourbet fennen, unb alebalb fd;lo6 er fic^ Gourbet an, mit
bem er aud^ feiner ^^erfönlid^feit nac^ oielfac^ l^armoniertc,
unb begann, wie ^UÜet, ^auemmaler ^u n^erben; in Aibling
in Oberbapem no^m er feinen ftcinbigen Slufent^olt. Seibl
^at bie erfte, pb^ftologifd^e (SntwidCungeftufe ber neuen
i{unft auf beutfd^em 33oben jum ]^öd)ften 3lu§brud gebrad^t;
reftloö ge^t bei it)m bie äBirfUd()feit, nodj ai^ au6er umS liegenb
gefc^aut, nod^ nict)t in blofee neroöfe JörbenempRubuntjen um*
gefett in bie £eintoanb auf: t& ift wie bie tlarfte garbeu'
p^otograpl^ie, ^ ifl eine ted^nifd^e Sottenbung fonbergCeid^en.
Seibt feierte feine erften ^riump(;e fünfimbjroanjigiätirig,
nod^ beuor er ju ßourbet in erneute Sebre ging; man mag
ilt^n barum too^l al& fpe^ififd^ beutfd^en ^ünftler feiern« wenn
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Stibeitbe Kttitfl.
er aud^ fpäter von bcn g^ranjofen ütel gelernt I^Qt; unb jebeu«
fall^ ()Qt er f($on 1869, mit qI§ einer ber erflen, in ^Jünd^cn
ben ^ergebrad^ten ^ifloriSmu^ unb bie ^(leitil^mfd^aft htt
&^uU ^üotß erf^fittem l^tfen.
m war }u ber 8^t, ba ein SRonet in $arid ftd^ ber
^öl^ejeit feiner Äunft no^te, ba in gronfreid^ bie jroeite, pfQd^o*
logifdfie ©tufe beä Smpreffioniömu^ erreidjt raarb. 3Bar um
biefe 3^it biefe fernere (Bntmidinng in ^eut{dj)lanb fc^ou oor^
bereitet?
ffiir ntüffen fagen: feineSioegd.« Sie weitere entfaltttng
ber beutfd^en iSanbfc^aftdmaterei, von ber au9 am e^eften, ja
meHetc^t allein ber Übergang gur blofeen SJialerei ber g^^^rben*
einbrüdfe l^ätte ^)eröorgel^en fönnen, liefe auf fid^ warten;
Silber ber anfönglid^en neuen franjöfifd^en ^unft, bie gelegen!*
lid^ in S)eutf(lft(anb erf Lienen, fanben fiatt Serflänbniffei^ nur
$o^n — f^o%n ber ^uptfac^e nad^ Don feiten berfelben
Äünftter, bie mit il^rcm afabemifd^cn ^iftoriiSmujS ouf ben
©d^ultern ber fran3öfijd() ülamifdjen 3)ialerei ber fünfziger Qa^re
fianben, ja jum guten ^eile in ben fünfziger 3<t^ren felbft in
^rid gelernt Ratten, ^an f)klt bie militärifd^ gefd^lagenen
^an^ofen aud^ {ftnfUerifd^ ffir beftegt. Unb biefe Stuffaffung
fiörte aud^ bai^ bisher nod^ immer rege ^in unb $er junger
beutfd^er ^kler in ben ^arifer SBerfftätten. S)er alte 3"*
famnienl)ang ber fontineutakn £unft erlitt auf me^ircre Si<^^T^'
je^nte eine Unterbred()ung.
gür bie beutfd^e äKaterei ^tte bad 0ur golge, ba^ fle ben
pf^d^ologifd^en SmprefflonidmuiS unb bomit loenigjlend ben
ftu^eren Slnlag §um enbgüttigen Srud^ mit bem ted^nifd^en unb
ftofflid&en fiiftorismug nic^t unmittelbar unb bamit aud^ roenigficnS
nid;t ganj au^ granfreid^ erl^iett, fonbern oielmc^r ©ermittelt
burd^ bie £unft ber ^ollänber unb fpäter aud^ ein wenig ber
Slamen.
SBir tüiffen fd^on, baß bie Dlamifd^e Äunfl be9 19. gal^r»
l^unbert^ ted^nifd^ ganj ben g^ö^^ofen gefolgt ift: ber ©d^ulc
öon gontainebleau entfprid^t bie 6^ute beS SBalbeg oon
2:eroueren bei Trüffel; ber belgifd^e (S^ourbet l^eifet be @rou]^;
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Bllbenbe Künfl.
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iJlanct^ 5!unft rourbe feit 1875, juerft burd) ^ernmng „^ort^cn^
Däiiniierung'^ in ben äBerfftätten von Trüffel unb Sliitioerpen
Wniifcft. daneben fehlten freilid^ bic 2luÄläufer jene^ ein»
(fetmifd^en ^ifiimdiiiui^, ber bie Mnnenbeutfd^e iRaletei bet
Dierjic^cr unb fünfjiger So^re fo fiort beeinflufet ^Qtte, oucf) in
ben fiebriger 3at)ren noc^ lüd^t; neben bie beut|"d)cn ^laler beS
^iftorifc^en ©ittenbilbe^, neben bie ^iej, ßloug ^Jici^er, griebr.
^ug. ÜQulbact) {tettt fU^ in ^elgi^" 9rae!e(eer. ^eut^utage
aber, barf man fagen, malen bie äl^lamen ted^nif^ fafl gani
in ber 9Beif e ber mobernen ^ron^of en, nur ba| fle biefe ^le^ni!
in germanif<!^fm ©eiflc tinb fpejictt wieber im ©eiftc il^re«
(Stammet lianbljoben. ^ie Jo'^i^^c" werben ba fd)ärfcr unb
ro^er, ober aud^ d^arafteriftifc^er ald bei ben ^^ranjofen; bie
Sorben faden me^r in$ @TQue unb Sraune; ift ber Unter»
fdtiieb bed burd^Rd^tigen SReermafferi» fübUdj» ber ^d^e oon
8ou(ogne utib ber bmnpfen, gelblid)en See von IDflnftr^en unb
Dftenbe. 3"9^ci^) ^^^^^ ^^ote bcc^ allgemeinen Stilö jiirürf^
rcäf)renb fic^ bie ^erfönlid^teit Ijeruorbrängt. 2)ie Qa\)[ ber
@£perimcntatoren ift weit gröfeer ol^ in ^^ranfreid^ ; baS Süng*
lein an ber SBage bed U^nx\d^ für mdgUd^ ^^altenen f^mingt
loeiter aui^. S)a§tt mirb ber Sn^alt weit me^r betont; ade
flbergönge r>on einem primitioen l^bealidmud ber Stimmung
biä jum QU^gefprod)en (3i)mbolifdjen finb üertreten unb ge=
»innen ©influfe auf bie nialerifd^en @igenfdj)aften bc^ ^itbeÄ^
(Sd ift bie ^unfl eine^ fel)r lebendjtdS^eren Stammet Don
toter 9luiSgefprodien|eit ber @mpfinbung, bie Jlunfl ber 9lad^«
fahren nid^t b\oi t>on Slubend, fonbem au(( von SorbaenlS;.
im inneren 2)eutfd^lQnb fprid^t loeniger unmittelbar an
unb ^at fie barum and) lueniger ©influfe erlangt alö bie il)r
bod^ Dielfadi^ oerioanbte £unft ber ^oUänber. ^enn biefe ift
nid^t fo rabilal; fie jeigt weniger £uft sum Siperimentieren
unb me^r Xnf d^(u^ nod^ an bie großen SIten ; ba^u ijl fie um
eine Sd^attierung feiner, bürgcrlid^er.
2Benn aber bie l^oHäiibifdie i^unft für ben gortfd^ritt ber
beutfdden Malerei §ur :8ic^t!unft oon gang befonberer ^e«
beutung marb, fo fpielt bier faß ebenbürtig neben ber ^edftnif
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feiner SRaler ber befonbere ^^orofter bed SanbeS felbft eine
SloIIe. ^enn roo onber^ als in ^oflanb foUte ber beutfd^e
ü)lalcr bie fcinften ^^iroblemc biefer neuen Sid^tfunft erfaffen
lernen? (Stoa an ben beutfd^en lüften ber Ofifee, bie bod^
nur in geringem ®rabe bie atmofp^f^ fi^ mannigfaltigen
€rf Meinungen bed SBcflenS bieten? Ober an ben Sd^Iidf»
geftaben ber beutfd^en 9^orbfee mit i^ren nod^ fo falten, froftigen
^önen? 6rft ba, roo baS 3)ker unter ben erroärmenben ©in*
flu6 lefeter 3lu^Iäufer beÄ ©olfftrom^ ö^rät, tüo laue ^Jleered»
nackte bei {alter Xem^ieratur bed £anbed hinter ben S>ünen
einen fUnbigen 9batm\^ tDed^felnbfier SemdUungen unb 9e«
lid^tungen oeronloffen , in biefem l^oOänbifd^en Oinnenflad^lanb
jubem mit feinen fanalburdj^oi^eneu , roafferf^efättiqten Ebenen
mit il^ren toufenb ^unfterjd^einungen ber fic^ erbebenben unb
fd^eibenben (Sonne, erft in biefer ganzen £anbe!^fd)öpfung mit
bem ewig mieberl^olten @egenfat ber Sieflese ftiden äBafferft
itnb braufenber SReeredflut fonnten bie Slnfönge einer ooDenbeten
beutfd^en fiid^tfunft gleid^fam felbftocrftänblid^ erroad^fen.
Unb ber beutfd^en roor natürlid^ bie ^olIänbifc^)e -Dklerei
felbft vorangegangen. Qmx ijatte fie längft bie grofeen Über*
lieferungen ber Steter be £ood^ ober ^an ^^ermeer man S)elft
verloren, bie fd^on einmal fo Demebmlidft an bie Pforten einer
freien StdE)t!un^ geftopft Ratten. 3n ber ftberf&ttigung ber
faufmännifd;en HuUur um 1700, in ber ©eledtfeeit eincÄ
2Ibriaen mn ber äBerff tüar bie {)oIIänbifd)e 3}klerei ber gro6en
Seiten öerfiegt, unb fpäter ^atte fie fic^ o^ne befonbere iSigen{)eiten
bem Slbfolgef (bema oon dtotolo, $Uü\fy\&mu^, ätomantil ein^-
^eorbnet. 9tur bafi Songttnb^ 1819 §u Satrop geboren, fp&ter
in $arid, bie vue ajust^e^ bie Äuliffcnlanbfd^aft ber gran*
jofen fc^on inö duftige jog, fo ba6 man xljn mit Sorot oer-
gleid^en fonnte: eine leife (Erinnerung an bie flüd;tigen 2Bed&fet
bed malerifdjen ©efamtton^ ber Heimat 3" biefer felbft aber
ging man erft feit ben fünf |iger gal^ren etmad weiter: SD^eifter
mie Süedbag unb be fyiai traten auf, unb ol^ne niel Xuffe^end
tourbe jroar nid^t bie anfangt oft fo fc^reienbe fiid^tfunft ber
j^ran^ofen unb ber bäftig laftenbe i^uftton ber Flamen, wobt
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Silbenbe Knitlt
125
aber eine fiid)tma(erei ber bi^freten, nirgenbS färben fälligen
unb hod) überall rounberbar Uc^tfrcubigen ©efamtftimmung ber
^oHönbifd^en £anbfd^aft erretd^t. Serjenige SHeifler aber, ber
biefe Stmft in ben flebstger 3al^ tut |54fleii 8(flte tnU
«idfelte, war ber ^roninger 3ube 3«rae(iS (geb. 1824). 9Ran
i)at if)n lüo^l ben t)o(Iänbtfd^cn 'DiiUet genannt, nnb baä mag
md) einer ftofjlid;en älnalogie jutreffenb Jein: roie 3JJilIet feine
dauern unb feine Sanbfdbaft üon 33arbijon liebte unb bar*
fUUU, fo {Gilbert unb liebt SdraeU fein SReer nnb feine
6d^{f|er von B^^nbuoort. 3m fibrigen aber ift ^mü bodft
entwWtttngögefd^id^tlid^ fortgefd^rittener, wenn oud^ von bem
gleichen ariftofratifd^en $atbo^ wie killet: feine ^^?crfonen
leben in 2ü\t unb 2id)t rok in einem gluibum, ba^ i^nen
bafeinSnotrocnbig ifl, — «nb fo fielet er in ber duleren ^orm,
im l^ö<i^{ien ted^nifcben einne awifd^en WiSet mib Vtonet^
ja malt eigentlid^ fafl na^ ^anM nur auf ^oDanb über«
tragener unb baburd^ gemäßigter 5Infd^auung.
@S ifl flar, mag biefe @ntn)irflung JooüanbiS bei ben na^en
Regierungen ber l^oßnnbif d^en unb binncnbeutfc^en 3}M(erei für
bad innere ^eutfd^lanb bebeutete. Unb mie nun, menn ein äRaler
fom, ber in $arid bie Xed^nil ber gfranjofen erlernte, {ie in ^odonb
mit SiSraeld' Srt oerfd^mof^ unb bann im inneren S)eutfd^lanb
felbft Doll unerbittlid)er ^Nal)rl)aftigfeit mit flareni eigenem 3luge
im neuen 6tnne anroanbte ? (Bx muf5te, ba bie ilialerei mittlerweile
aud^ im S3innenlanb für einen gortfd^ritt über bie feinften ßicbt-
lünfUer ber SUten ^inaud reif mar — ba aud^ f dfton bie (Stufe einei^
Haren pl^pfiologifd^en SaturalUmud an verfö^iebenen Stellen
erretd^t fd^ien — mit ber SSud^t eines 9^eDolutionäriS mirlen.
S)iefer SJJaler mar Siebermann, fiiebermann, 1849 in
33crlin geboren, ging 1872 nac^ ^ariö unb malte junäc^jl in
ber Slrt ßourbetij. 3)arauf mar er 1873 roö^renb beS ©om«
merd in Sarbi^on unb fanb an ^DliOet einen ü^n feffeinben
9)^eifler, memt er ibm oud^ perfönUd^ nid^t na^etrat; r.ad^
beffen ^obe trieb e^ if)n ju S^^^et^, unb biefer rourbc nun,
neben bem iilum ^ollanbö, fein eigentlidjer ßebrer. ©pätcr
ift er nad^ 2)eut{4)lanb j^jeimgeie^rt, ^at aber bie in ber grembe
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Sifbcnbe Ksitfl.
errunt^encn ©igcnid^oftcn bcl^alten: regen Bxnn für te(6iüf4cn
gortfd)ntt, babei ©rofejügigfeit unb ©infocb^eit, beibe^ aber in
ber XDexd)m Umroelt ber ou^gefprod^enften ©rjc^cinungen ber
2u\t unb bed 2id^iei^. Spuren biefer ^luffaffung jeigte Bieber«
mann fd^on, ba er no4 vor bem ^rifer Slufent^KiU att
64fiter ber iffieimorer Mabentie bad SoU Bei feiner Arbeit %n
belQufcbcn bcßann („©änfenipferinnen" ooit 1872). Unb^ort-
1'djritte in iljr bracbten, freilid^ unter ftarfem ©infliife ^^Jiillet^,
bie „Slrbeitcr im iHübenfelb" , bie ,,©cl&uftern)crfftätte", bie
„»reiche'' unb bad ^^ünil^er Sierfonaert". @ca^ aber fanb
fitebermann erfl in l^oIUinbifclben Sonoflrfen; ba üi
eine« feiner fcgönften Silber ber ,,$of bei» Sßoifen^aufed §u
^infterbom" (1881) geroorben, rocnn aud) anhexe Stüde, roic
bie „%xau mit ben S^eQzn" ober ber „forbtragenbe 3)lann" in
S)ünenlanbfct)aft, ((larafteriftifc^er fein mögen: benn Dor ödem
loeig er ben mitben Silberglan) einer oon 6onnenli(bt burc^«
mirlten, oon feinerbl SauUcbfeiten eingeengten Suft )U erfaffen.
3m übrigen blieb Siebermann in ^eutfd^Ianb att fl^^eifler
ber neuen Äunft nur furje Qeit allein, wenn er ouc^ junäd)ft
aUe ©töfie mitierroiüiger 3lufnal)me unb ^öl;iitnber Slble^nung
)u ertragen b<^tte. Verbal tnidmägig rafdb brang bie neue Slrt
bur4^ unb nad^ fün^e^n labten etma ^atte fte geftegt — utib
mit i^r eine groge Slnja^t aud^ ber ^^ortfcbritte, bie in ^xanU
xeiä) 5U SWonet unb, wie wir gefe^en boben, über 3Wanet \)in*
axi^ geführt b^ben. 3q roie bie ^Uomen fo finb oucb bie
^eutfcben ein 33olf eifriger (^perimentierer geroorben ; unb wie
bie ^ortfd^ntte ^ur Sicbtfunß ftd^ in ^anfreid^ bei genauerer
Setrad^tung atö weniger 9on ben romanifdften benn oon ben
germanifd^en Seftanbteilen ber Station getragen ergeben^ mie
Staliener unb ©panier auf bicfem ©ebiete fünftterifcber ©nt-
lüicflung fafl ganj unfrudjtbar geblieben Rnb, fo l^aben fidb
neben ^eutfcben unb Flamen oor allem aud|^ bie ^^orbgernianeu
ber neuen Sed^nif angenommen, aud^ fte, mie ^eutfcbe unb
Slamen, Semo^ner nebelreid^er, fonnenbunfüger Sönber, eined
^immeteflrid^e^, in bem [xd) baü Si<bt empfänglid^en klugen mit
ber iSBud^t beS 5törperlid^en aufbröngt.
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Unter ben berliner ^Jieiftern ift Sfarbino, mit Siebenimnn
im gleid^en 3al^re 1849 geboren, üor ollem ber Mann
perimentö geworben, ein tec^nifd^er ^aufenbtünfUer unb ^ejren«
tneifter, nebenl^ec ein Serel^iet ht& ^tidebiben. Oon $arifec
Souleoorbfcenen auiSgel^enb imttbe er feit etwa bet Wtte bet
od^tjigcr S^^re weit me^r, at« btt« Siebermann je geroefen,
SSertreter einer raffinierten ßid^tfimft auf beutf^em ^ioDen.
2)abei fonb er feine 6toffe, nod^bem er eine 3^it^ö"9
j^oUönbifd^er SIrt gefd^affen ^atte, t)or aBem aud^ im £eben
ber beutfd^en ®ro|fiabt bei^ Storbetii» unb ^ier toiebet
vitl^aö) im fUdü^t bed pfanten; er ^uerfl l^at in ^utfd^«
(ttnb ben S^eijen be* SBeibe^ in ber neuen ^klroeife ge»
^ulbigt. hieben ©forbina trat bann in nodb jüngerer ^eit
kalter Seiftüoio aU berliner unb märfifc^er :Banb)c^after
auf, — freilid^, um rafd^ jenen ftbergang §u einer ibealiftifd^en
SRalerei |tt tiol^ielen, ber einer DoOenbeten Sid^tfunfl fo
leidet wirb.
gm ganjen aber tourbe bie neue ^ilrt nid^t in SBerün ju*
crft l^eimifc^, fonbern oielmelir in 3JJün(^en, baC^ fid^ feit 1870
immer mcl^r gur fünfiterifc^en unb geiftigen ^auptftabt bed
Sabeni» entmideit l^at. S)a UKir im Sa^re 1886 ptot9 ge«
{lorben; ^itot^^ groge Sd^üter, Xefregger, WUi^, Senbadft,
ftanben im Qtnit^) it)reg ^u\)me^, — e« mar ein freier 2Ro»
nient, mäJirenb beffen bie :^id)tfunft al^balb eiubrang. grül^efte
SSertreter waren ^ier Sllbert Heller, ber freiließ nidEit ju allen
itonfequen^en beiS ©pftemiS f ortfd^ritt ; bann ber rounberlid^e
greifierr t>on f^bemam; flar 9or aüem unb ni^t o^ne an
Seibid Idrperfiafte @egenftänbUd^!eit f^a erinnern, ber ®raf
ÄaldfrentJ) ber 3»"gere mit feinen grofefignrigen Silbern; ferner
Mi)i, ber 3Jia(er fein empfunbencr ^nnenanfic^ten, namentlid^
oon jilird^en unb alten 3*iat^äuiern unb oon (Strafeenfcenen in
bem bunftigen ©emifd^ von Stiegen unb SHebel; enblid^ unter
ben Xiermalerp Sd^tl, unb unter ben Oernftttigem HlnfUid^en
Sid^td, namentlich in Qitbem im» ber (Befeafd^aft, ^einrid^
©Büttgen.
2;njn)i{dgen aber l^atte ftd^ bie neue ^rt aud^ fonft in ben
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8täbten beutfdfjer ^JJalfunft Derbreitet, mit am früljeftcn in ben
@egenben ber norbifd^en ^eere, namentlich in ^ambutg, xoo
Olbe unb S)ettmann toid^tide älnj^önger mürben, barni in
WütÜtai^^lavb, in Sßeimar unb Sredben. Sp&tet ftnb, unb
bann meifl red^t Mftig, aud^ ^üffelborf, J^anlfurt, Seipjig^
SSBien in bie S3eTDegung eingetreten.
3m ganjeu mirb fid^ fagen (äffen, bafe etroo um 1895,
nad^ melftt al^ einem S^l^r^e^nt von kämpfen, bie um 1887
fiävter würben unb im er^en gal^rfänft ber neunziger 3a^re
befonbet^ tobten, ber €ieg bei^ 9^euen in Deutfd^Ianb ent«
fd^ieben war. Qe^t oerftummte bie feinblid^e ältere Sft^etif;
ein fräftigeg 3J?äcenot, rcie e^ ben ©eutfd^en jüngft er*
roorbener 3ieid^tum ju gef^atten begann, fam ber neuen
Stanft )U gute, unb l^ier unb ba f dornende fogar fd^on bie
omtHd^e Aunfipf(ege ^u il^r ab ober emried il^r oenigflenia
n)ohIn)o(Ienbe ^ulbung.
3. ^ie Sefer beS vorigen unb beS roroorigen ^bfd^nitted
werben melteid^t f d^on vieifad^ gefragt laben, worin bemt nun
im ®runbe unb im einzelnen bie neue Jtunü 6efte!)e? SBad ei^
benn eigentlid^ auf fid& \)ah^ mit bem impreffioniftifd^en S^atu*
raliSmuö, unb mie benn feine beiben ©tufen, bie pJ)i)(io=
logifdje unb bie pfi;c^o(ogifd^e, genau ju fd^/eiben feien? Unb
ifl nid^t aud^ fd^on über biefe fragen ^inaud bad (te be'
l^errfd^enbe $robtem oufgetaud^t, meldte feelifd^en ®runb(agen
benn für biefe Äunfl Sorougfe^ung feien?
@g ift jcfet Qeit, ba6 biefe fragen beantraortet werben.
^Die ältere intunft mar im ©runbe nodj) immer eine geidj*
nerifd^e llunft. @o felir aud^ bei il^r gete^entlid^ ber flare
£inienumri|, boS aufbringiid^ße Clement ber 3^idftnung m»
bedK fein modele, immer lag er bod^ tl^atfad^Ud^ oor. Qnb
immer fam er burd^fd)lagenb in ber allgemeinen ilompofition
beg Silben jum 2luebrudf. ®enn biefe i^ompofition mar nid^t
feiten gerabeju im Sinne eine^ ^elief^ bilbnerifd^ gemeint unb
ardj^iteftonifd^. @en)i{fe Siniengruppen bilbeten gemiffe ^«
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mmtien, om elnfad^ftcn etwa in einer Slnlage ppramibalen
2lufbaug nad^ oben ober nac^ unten ober in energifd^em ^Drängen
nod^ red^t^ ober linU ober aud^ in einer Seitenoerfc^ie*
bimg ber ppramibalen Slnorbnung nad^ einer ber beiben ffiid^»
ixaiQou SenHfe würbe babei au4 auf Ue Serteibtng ber
^orbenelemente ttnb bomit aud^ bed Sid^tei^ 9tfidfrid^t ge^
nommen; aber bod^ \ianh bieö Problem on jroeitcr ©teile, be-
J)errfd^te nid^t bag ©anje ber Äoinpofition. (5:rft innerhalb beS
jeidbnerifd^ gegebenen ©erüft^, ba^ SumeiiI oud^ oor aller garbe
ber fieinimmb bed Ulnftigeii Silbed genau eUwerleibt »urbe,
galt botm gforbe unb Sid^t §ur (Bettung au bringen. Unb
babei erfd^enen biefe beiben ©lemente im ©runbe nod^ getrennt
5)00 fiid^t gab bie §ö()en unb liefen, bie Jarbe ben ^ofatton.
S)ag ßid^t galt alfo nod^ nid^t aU bag allgemeine gluibum,
in bem jeber (Segenßanb gleid^fam fd^ioimmt, fonbem aU ^it*
mmt einer mel^r ober minber gellen, }u ben (Begeniiänben erfi
l^n^utretenben 8e(eud^tung. Xomm nirlte ed enhoeber inü
ßeHe ober ing SDunfle: belid^tetc Stellen tourben in§ 5öei§lid^e
ober ©elblid^e gebogen, bie ^cS)atten erfd)tenen fdjiuar^. dtxm
f)atU man freilid^ löngft bemerft, baB mit einer foldt)eu ^e*
l^blung be9 2x^U& ber äBirllic^teU nid^t ©enflge gefd^e^e:
bie Silber erf^ienen }tt talt, sumot fte, |ur SCui^fd^Iiegung bec
loed^felnben Seleud^tungen eineiS DoQen Sonnentag^, in na^
S^lorben gelegenen äBerfftätten genialt würben. mar alfo
bafür äu forgen, bafe bie Silber trog ber gerodelten ßid^t*
bel^anblung einen roarmen @inbrucf mad;ten. hierfür fe^te man
benn id>er ^orbe je nad^ Sebarf ein gemiffei» äRai im marmen
getblid^en, brftunlid^en, r6tlid(en X6nen ^n, fo bajs bann bie
B(!^aiUn j. in§ braune ober aud^ 9lote fallen fonnten ; bur^
biefen Xon glaubte man bem Silbe ba§ Sebeu be^ ßidjtiS ein*
juoerleiben. 3flotürIid^ war auf biefe äBeife bag gefamte äBefen
ber äBtrfUd^feit im Silbe Don ®runb au& oeronbert: benn ba
nrtr aOe S)inge im SU^te feigen, fo entfernte jebe fd^iefe Se«
^anblung gerabe bed Si^ted alei^ anbere tmauf ^altforn oon biefer
gefallenen 2Birflid^feit
3n biefem 3wfammenl^ang roirb flar, ba^ eine »eitere
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130
mbenbe Kttttf^.
(EntiDidtuitg ber materif^en SHd^ergafie ber SBirfK^feU mm
feiner anbeten @elte ()er als von her tieferen (Srfoffung ber
Probleme beS ^i^te-S erfolgen fonnte. Unb l^ier roieberum
war nun bie ©runblage atte^ gortfd^ritte^ in ber ©infid^t gc*
geben, bag ein ^ilb nidftt mel^r aui» bet j^n^taxnq {onftituieit
werben f0nne, ha loit in ber Un{Uertf$«anfd^auIi<!^en ffiirfttd^«
feit niemals ßtntcn erMitfen, fonbern nur au8 ßid^teinbrüdfen;
benn wa^ rair aud^ fehlen, atteS fe|t fid^ auS Sid^teinbrüdeii
jufammen. ^ad ©tubium beS ^id^teinbrud^S : bai^ toar bal^er
bie neue ßofung. Unb ba ergab ftd^ benn langfam, in grab«
niA6ig fieigenber Sdenntnid, bag e8 a6erl^au|»t nid^t bIo| ein
Std^t gebe, fonbern taufenb Std^ter, bag ein abfiraltej» Sid^t
für bie 9lnf(^auung iibert)aupt nid^t oor^onben fei, fonbern eine
ungetieure, niemals ganj ju ergrünbenbe Unenblid^fcit üon
farbigen Sid^tern — oon farbigen Hd^tem aud^ in ben ©d^atten.
2)enn (ein @d^tten ifi fd^nnir} unb lid^tloiS, mie man b\& ha*
(in im (Brunbe geglaubt l^atte: ouö^ bie Sinßemid no<i^ l^at
i^re fiid^ter.
©0 fam es barauf an, baö Söilb au8 iSid^teinbrüden auf'
jubauen: einfadEi, wie fie fid^ barbieten, aber freilid^ in ben faum
)tt beiDöIttgenben Summen ber unenblid^en ^ftufung i^rer
Slüancen f oDten fie miebergegeben merben. SBoi^ ergab fi4 ba für
bie J^ontpofttion? ftonnte je^t bie f^rage nad^ t^r nid^t im
@runbe aU etroai?, an ber älteren Äunft gemeffcn, SBiüfürlid^e^
erfdjcinen? <Bä)\nit ein ^ilb nid^t immer in me^r ober minber
brutaler SBeife ein ©tüd l^erau^ quS ber unenblidjen räum*
Ud^en S^mpl^onie bed £id^ted? @o tonnte man ba^u lommen,
jebe ftompofttion überl^aupt ju Denoerfen, — eine Summe von
feff eluDen, fünftlerifc^ er^ebenben Sid;teinbrüdfen, ein 5lu$fd)nitt
aus bem leud^tenben gluibum war baS 33i(b, ni^t^ weiter.
2lber war nid^t gerabe in ber 3luSn)al^l beS fünftlerifd^ ^nttx^
ejfanten bod^ aud^ ein ©runbf a(, ein ^eim neuer ^mpofttiond«
&tn{i gegeben? ftonnte man in ber aBgemeinen Sid^tfpmpl^onie
nid^t gleid^fam ©ä^e, 5Ib]d)nitte ^^erauSjugreifen )ud;en oon
befonberer ©efd^loffenl^eit? (Stiua Diomente, bie ein feines
Spiel pon ^iüancen berfelben {^arbe auftoiefen, beren S^^pt^men
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^Ibenbe Knitfl.
131
bann rool)(georbnet oorgetragen rourben, ober aucö S5bmcntc
Don ^inbrücfen gemifd^ter färben, beten ^i^erte nac^ ben nod^
nid^t ind Semugtfein gehobenen ßiOen trieben eine^ neuen ®tß
fd^maded angeorbnet lourben? Sin gan^ed 9{e|l neuer
bleme ergab ftd^ ba, unb bie neue Stmft ergriff biefe Probleme
mit befonberem @ifer.
Stotflrlid^ aber waren mit ber voOen (Sntmidlung ber Sid^t«
fünft bie alten Sofalforben unb bie fc^roorjen Sd)Qttcn unb
il^re ^orreftur, ber roarme ^on, oerfd^rounben. 2BaS l^at man
babei nic^t namentlic(f bem Xon nad^gejammert ! D^ne i^n fei an
eine Harmonie, an ein 3uf<^ntmenge^en ber färben im ^übe
nid^t }u benfen! — biiS fidft fd^Ueglid^^ freiiid^ erH bei einer
geroiffen $ö^e ber neuen ted^nifc^cn fieifiung^fäl)igfeit, jetgte,
ba6 bie !)art, aber genau nebeneinanber lieferten garbennüancen
ber SBirflic^feit ein bis ba^in ungeahnt feinet, — unb, raad
mtfyt befagt, wal^reS ^^f^nimenge^en bed ©anjen beioirfen.
@rft rcd^t üerfd^roanb natürUd^ bag 3^i<^"^nfd^e. ^enn
felbft bie Umriffe ber ^iDinge löften fid^ jefet, genau befe^en, in
£id()teinbrüde feiner @ren§ftreifen auf. Unb bamit oerfd^nrnnb
aud^ bie bid^er geiool^nte Sel^anblung ber Siefe, bed KaumeS.
9&it fOr bie ^mpofttton, fo war im ®runbe aud^ für
bie ^erfpeftiüe biöl;er im rcefentlid^en bie 3ßid^"""9
gebenb geroefen: bie Sinearperfpeftioe alfo, unb jiuar nod^ nid;t
einmal bie rein natürlid)e, fonbern eine etroag nad) ben fünft*
(erifd^en 9ebttrfnif|en bed Silbei^ forrigierte^ welche bie ^inge
im Sorbergrunb gern etmaiS sufommenfd^ob^ um im j^inter«
grunb größere ^iefe §u gewinnen. ®mii l^atte man baneben
aud^ fd^on bie ^SL^uftperfpeftiue gefannt unb angenjanbt. Slber
im ©runbe in roeld^ ro^en, abgefürjten, nod^ iininer auä Un*
oermögen {iilifierten gformen ! ^a voai ber j^intergrunb blau,
ber ^orbergrunb braun, ber äRittelgrunb jumelft grftntid^' braun
ober oud^ in anberen färben gegeben worben, fo wie man
nod^ ^eutc wobl fioljfd^nitten ober $l^otograpl)ien ben ©in*
brudf beS fjarbigen oerleil)t, inbem man fie mit einem Über*
brud verfielt, ber oom ^orbergruub ^um ^intergrunb eine
9*
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182
ottniäl^nd^c garbenDerfd^iebung über iöraun in ©rün unb
9lau aufweift.
9hin Idm bie neue Jtunfl mtt i|rem einzigen (Clement, bem
öbf<5attterten fii^teinbrudP. SBie onber« fai^ fte bie Unfumme
Don farbigen 2Biberf(^einen ber in ber fiuft befxnblid^en 3Bof|er=
bltt^4)en unb fonftigcn (eife SRefleje ^leroorrufenben ©[etnentc:
wie etfd^ien i^r bad gluibutn biefer £uft auf jel^n ^eter
anberd gefärbt att auf iwan^xQ, auf sioansig onbetd afö auf
bretgig unb fo fort! Unb erfl l^inter btefen Suftfd^i($ten, bie
burd) einen unnntcrbrod^enen Übergang von Nuancen farbigen
SicbtCiS niiteinanber uerbunben iDaren, lagen bie ©egenftönbe,
• rourben burd^ fie roie burc^ uuenblicb fein abfcbattierte farbige
©läfer gefeiten I @d n>ar flar, (|ier ergaben fU^ bie (Elemente einer
gan$ anberU genauen Sßiebergabe ber riiuniH^en Sertiefung
als fie bie fitnearperfpefÜDe bieten fann: getoijg rourben beren
©efe^e and) fürberbin, aber jefct in ibrer burcbauS natürlid;en
gorm angeroanbt; aber fie rourben verfeinert unb aufS roefent*
Iid()fte ergänzt burdb bie einge^enbe Sßiebergabe ber jemeiU
beßel^enben Suftrefleie je nad^ ber l^tfemung.
war eine 2BanbIung, bie fid^ am ebeften, roeil ein*
failften ba ooQ^iel^en {onnte, roo groge liefen bie ^eränberung
ber belid^teten unb wiberfd^einburd^trönften £uft leidster )u
beobad^ten geftatteten. S)ied war in ber Sanbfd^aft ber ^aO:
borum \)at ficb bie neue ^unft am liebfien unb and^ am orga=
nifdjften in ber fianbfdiaft^malerei entroidfelt. 3m allgemeinen
erft fpäter, nad()bem man bie ^Probleme ber fianbfd^aft jd^fon
gelöfi l^atte, ift man bann ju ber fd^wierigeren Senmitigung
aud^ bed JRaUrifd^en ber Snnenrftunte fortgefd^ritten.
Snbem nun aber fo in jcber ^ejiebung, unb oor ädern
aud^ in ber Sel^anblung be^ S^aumeS, mit ber £onfiituientng
bed Silbed aui^ bem Sid^teinbrud (Sm^ gemad^t würbe — ein
SBorgang, ber ftd^ äugerlid^ u. a. audb barin geigte, bog man
roeit mebr ai^ friiljer in freier fiuft malte — , ergab fid^ eine
©d^rcierigfeit, bie fiir baS Sßerftänbni^ jener ibealiftifc^en ^unj^-
formen oon großer ^ebeutung ift^ bie aud bem malerijc^en
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133
Smprefftoni§mu§ {)erüorgingen , unb oon benen botb bic 9?cbe
fein wirb. 3» rocld&cr äßeifc nämlid^ c^eflaltete ftd^ beim jefet bie
SBiebergabe einet taumtiefen £anb{(^af t, in beten SBotbergrunbe
eine flatf Betonte Staffage r>on {^abetgefiatten. Ziemt, Stenf^en,
etwa gar in Seben^gröfee, auftrat, wie nid^t fe(ten gcrabe bei
Silbern tbealiftif d^en 3nf)altg? ^ier war junäd^ft flar, baß bie
©egenftänbe ber größeren ^liefen, unb mit i^neu bicfe 2:iefen
felbfl, burd^ einfädle ^rbennüancen ber (id^terfüllten t hiebet«
gegeben werben fonnten. Steinte aber bie gewonnene itenntniS
ber e^arbennflancen ber belid^teten fiuft fd^on baju an^, au^ and
i^r allein J)erau§ bie 9^aumtiefent)erl)ältniffe, bie ^laftif ber
Äörper beä isorberc^runbe^ anfd^aulid^ ju mad^en? 2Bar ber
forbige £idS>td()ara(ter ber i^uft jroifd^en bem Sluge beg ^JialerÄ
unb ben weiter jurütfliegenben Zeiten eined folgen ftörperd
fo fel^r oon bem Q^oxdttt betfetben Suft, aber nur ^wifdben
bem 2Iuge unb ben üorberen teilen biefeg Äörper« gemeffen,
Dcrfd^ieben, baß er in anfdjau^ «nb barfteHbaren garbennüancen
Mar 3u Xage trat? Äeine^roegS. äßie alfo biefe ilörper
malen? — @d blieb nid^t^ übrig, al$ bad g^lafitfd^e ber
ftörper, ja teitweiiS aud^ fonfl ber ^genfl&nbe bed Sorber«
grunbe^, foweit fle Befonber« eingel^enb gef^ilbert würben, in
biefem JaHe bod^ nod^ aud; burd^ bie 3«i^""nö/ ^^^^
alten Hilfsmittel ber gorm mit roieberg uneben.
^un ^iefe bad gweifel§ol)ne einen ftar!en 9f?eft frül)erer
SRalweife in Mbem oon biefer älrt belaffen. ^ieg ein«
geflel^en, bag l^ier bie ted^nifd^e ^tfferenaierung ber Sid^t'
einbrüdte ber neuen Äunft nod^ nid^t meit QenuQ fortgefd^ritten
roar, um baö gegebene ^^^roblem voll ju löfen. Qnbem aber
l^ier Momente ber alten Äunft attgewanbt würben, wenn aud^
natürtid^ abgefd^wäd^t unb ber neuen angenäl^rtt war bamit
ttid^t, oom Stanbpunfte biefer neuen ftunfi aud, ein Sletnent
gegeben, bod beten eigentlid^e ^nforberungen nur ungefölir
erfüllte, fie tt)pifierte, ibealifierte? Äein B^eifel: unb fo lag
eben in biefem 3wfammen^ange üon pornljcrein bie 3)^öglid^feit
einer fcljr merfroürbigen ibealiftifc^en Übergang^funft be*
fdjftoffen. @d ifi bie entwidltmgdgefd^id^tlid^e ©runbiage fd^on
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134
ber 5lunft Bidets; in SDeutfd^Ionb beruljt auf iljr bie gro^c
Überßanggreiljc ber geuerbadö, Södlin, Xi^oma, £Unger.
Übrigeng : liegt biefem bcfonberen S8er^ättnig, vom 6tanb*
l>utitte bec ßineatperfpettioe, alfo bed entf^eibetiben äRomeittö
ber Sergangenl^eit i^ttbttca^Ut, nid^t bo^ aud^ ein anfd^auUd^
Tlotiv ©runbe? ©egenftänbe in weiterer Entfernung fe^en
n)ir nic^t nicl)r in i{)rer i^ncn befonbers eignenben, fpejififd&cn
^^(aftit baju bilben fid^ bie mn i^nen au^ge^enben 2Bir!ungen
oud^ ber £inient)er^ältniffe im Sluge mUroffopifd^ ob: wie
ertennen fie oielmel^r nur nod^ )n)eibimenftona(, ate ^la^, —
\M Aörper^afte ergönjen wir rein burd^ Hnologieoorfiellunqen.
3n ber 9M{)e baneqen feigen roir aud^ fd^on fleinere ©egen*
ftanbe breibimenfional, äunädjft i^eiuiB, intern wir \l)xe Umrife*
eleniente »erfolgen, — inbed, »er toeig, ob nic^t aud^ f d^on auf
@runb einer überaui^ feinen, nur von uniS nod^ nid^t in gan^
beutlid^e Sorftellung unb flare Slnfd^uung gel^obenen Suft^
perfpeftioe? SBie bem üu6) fei: jebcnfallÄ entfprid^t bie Hnear«
perfpehiüifd^^jraeibimenfionale ^nfc^auung ferner ©injelobjefte
bem ebenfaQg ja jroeibintenfionalen g^arbeneinbrudf, roä^reuD
eg für bie ^lä\)c augenfd^einlid^ ift, bag bie 6umme ber von
einem (Begenflanb auSge^enben garbenetnbrütfe jene $(ajü{
nod^ nid^t Doflbewufit wiebergiebt, bie und burd^ bie Sinear»
perfpeftipe oermittelt roirb.
2Bir finb mit allebem ber rein pfi)d^ologifd;en 53etrQd^tung
ber neuen ^unft nal^e gefommen. äBaiS biefe felbfi betrifft,
fo gel^t au^ unferer bid^er gepflogenen Unterfud^ung i^eroor,
bat ^ M im nolenbeten Smp^ef itonismud grunbffi^lid^
nur um ein einjiged Element |anbett: ben S^eij 6e(id^teter
garbe ober, itie man audf) fagen fann, ba bie garbe immer
belid^tet ift, ber garbe fcf)Iec^t^in. ^Da^ Silb fe^t fi^ aug he*
fonberd unmittelbaren «^arbenempftnbungen, gorbeneinbrüden
{ufammen, beren SBerte auf bie Seinmanb gebrad^t finb.
Snbeil biefe gan^ neue ftunfl, in ber ber ^rbeneinbrudf
fo^ufogen al^balb om ßnbe ber ^tcroenbol^n abgefangen unb
foloriftifd; regiftriert wirb, ift bod^ erft bie Icfcte Stufe ber
Entwidlung; ed ift ber pfQd^ologifd^e — bei ooSÜer Z)urd[|^
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BUbtnbt Kiwft 185
fü^runfl fönntc man faft fagcn neurologifd^e — 3w'preffionigmu«.
S3or tl^m Hegt eine Überganggflufe, in ber ben ©egenftänben
auger uns nod) mel^r 3^ gelaffen mixb, auf uiiS nid)t einen
SRomenteinbrud, fonbem eine Summe fold^er GinbtüdCe )u
madieit, Me mir bonn 0eb&4tmi»mft|io in einen lufammen*
faffen, in ber fojufagen non ben Dbjeften in unferer 9Cn«
fd}auung etiuaS me\)x bleibt, al8 nur ein einziges ©inbrucfSergeb^
niS, ein feftereS 33ilb gleid^fom von objeftioerem, i'd^cinbar me^r in
ber (^{(l^einung$n)elt au§er \m& gegebenem SBert, eine !(arere,
genauere, tdrper^ftere älnf cl^auung , nid^t 6lo| ber ^f(^
eines einbruA. 3n biefem %afie erfd^dnt bad 8Ub nod^
nid^t fo ganj nur auf unferer Snnerlid^feit, auf unferen
rofd^en ^ergeptionen aufgebaut, eS erfd^eint mel)v alö ^urc^»
fd^nittdergebniS ber ^Öeobadjtung unb bcS biefer untergelegten
@eini^; e& ^at gleid^fam mel^r plaftifd^en (^^aratter. S^^ennt
man bie $eriobe einer fold^en, nod^ nidftt gan} noQenbeten
6inbrudt9ma(erei bie bed pl^pftologif^en ^niprefftoniSmud, fo
iäit ßd^ für biefe ^aufe anführen, ba6 ba§ SBort „pbpUo*
bgtfd^" in ben fiebriger 3al)ren jur Sejeid^nung beö bamalÄ
erreichten äugerfien ©rabed oon äBir!U4ifeitdfinn auffam, —
unb ba| biei^ eben ber im vorigen d^arolteriflerte SS^irfUd^'
leitdfinn mar. Unb bie Sq^eid^nung „pfpd^ologifd^er Smprefüo«
niiSmui^'' mirb fld^ aui» analogen 0rflnben in ben Singen
berjenigen red^tfertigen , bie TOiffen, roic ©nbe ber a^tjiger
3ahre ta^ SBort .,p{)pfio(ogi)ch'' von „pfi)d}o(ogifd^" jur Se*
nennung eined neuen, ^öljieren (S^robed oon äi^irfUd^leitdfinn ob«
geUft mürbe.
Jtann man freitid^ fagen, bog ber SBirHid^Ieitdfuin felbfl
be« p^pfiologifd^en, gefd^roeige benn bc8 pf9d;o(ogif(^)eu S^i*
preffioniSmuS fd^on allgemein verbreitet fei? lleineSroegS !
2)em £aien, beffen 2lufnal)mefQ^tgfeit noä) auf bie 9iüancen
ber frfll^eren Aunfl eingeftedt iji, erfd^einen bie neuen, oiel
feineren unb jugleid^ fd^ärferen, gleid^fam fd^reienberen Vb*
fd^attierungen ber ^arbenrnelt atg im l^ol^en ®rabe peinlid;;
fie erregen il^m SpannungSgefü^Ie, bie er im Sereid^e ber i^m
gelaufigen Slffo^iationen nur fd^toer ober gar nid^t löfen {ann:
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laa Btlbettbe Kunf{.
fie „faDeit i^m oitf Ue Sleroen". ttnb mtbererfeM ifl Hat, boB
bie immer feineren (Sinbrüde be^ fortgefd^rittenen Smpreffio«'
niömujS nur üon befonbcrg farbcnreijfamcn Staturen, üon
„neroöfcn aKaletfeelm" mpfmhm — unb vov allem fp
lebhaft empfunben toetben Bnneti, ba^ fie in bev mderifd^n
^ed^nit einen i^nen entfpred^ben Sbtdbruif )tt erl^olten oer«*
mögen.
@g finb ©rfd^einungcn, bie fid^ bei ber ©ntroicflung bej3
neuen muftfalifd^en ^inned in oöllig enttpred^enbet äBeife er«
geben Iftotou
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IV.
1. SRon wirb lAtlM^t in Mefer SkttfleDtm^ ber ntobemeti
beutfd^en ^kletei bie (Srroä^mmg ber nod^ fortroirfcnben alten
Äunft crraarten, bie bod^ noö) immer fo bebeutenbe (ebenbe
Vertreter ^)at mk £enbad^. müxht Unred^t gefd^e^eru
Syemt bied Sud^ l^at {einen fiattfHfd^n iS^QxatUx, fonbecn
enttoicflitngiSoefd^id^tlid^en, imb botum inteteffiert l^iet ni^t
ollc« unb jebeg an unferer 3eit, felbft nid^t einmal atleS Se=
bcutcnbc, fonbem nur ber Inbegriff berjenigen Wlomtnte, bie
in entfd^eibenber äBeife ben i&ngften Vorgang ber ^nttoidlung
fennseid^nen.
SBoi» bebeutet ei$ nun in biefer 4Hnftd(t^ wenn ftd^ feit
ctiDa ben neunziger S^^l^ren in 2)eutfd^lanb — wie übtigend
Qud^ in granfreid^ — geroiffe (Seiten ber alten 5lunft roieber
met)r gettenb mad^en? SBir fielen im beginn einer (^rfd^einung,
bie nad^ 3<^^^e^nten ftarfer feelifd^er (Snttoidlung faft regeU
tn&^ }tt Sage ttitt. ^ie neue S3en>egun9 i|l b\» an bie
ftugerflen (Stenden bet SCuiSbel^nung il^ret Seben^fä^igfeit ge
langte fie fangt an, fid^, wie ein burdj) ben ^^-'flug oufgelocferter
HdPer, §u fe^en, unb nun beginnt bie 3^^^ S3erfd[)mel5ung
mit bem Sllten : nod^ lebenbige Gräfte au& ben tieferen 6c^id^ten
bet ^ntiDidUung fteigen auf unb beginnen in ben oetfd^iebenfien
Serbinbungen mit ben neuen bad fi&nbige, bauembe Xmalgant
einet Ungeten neuen fßetiobe bell Solfäleben« p bilben. S)enn ball
9kue fann nic^t trabitionöleer bleiben; e^ ^iefee bie Unterbred^ung
bei8 Drganifd^en, jener Äeben^form, bie pfi)d&ifd^en rcie pl)ijfifd&en
£e6endt)orgängen ^ier auf (&thtn in gleid^er SBeife eignet.
60 f d^einen benn bie neueten äRif d^ungi^^to^effe su beweifen.
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138
Btlbenbe Kunfi.
ba6 bie SCnfd^outtnf^^intenfttdt bed jüngflen, tmprefftoniflifd^eii
D^aturaliSmug an i^rer ©renje angetangt ift, — unb in ber
%\)at l)at fd)on minbeftenS ba^ (e^tc 3[al^rje()nt niä)i^ grunb^
fä^Iid^ ^^eued mel^r gebmd^t. ^amit fönnen benn auc^ bie
ä^erbienfie bet gtofien WtaUx mödli^fi teiner SS^irlUctiteit fd^on
^eute etnigermolen gefdEiidSltn«^ defd^ctfet loerben. SBer wftrbe
l^cute tiod^ t)crfennen, bo6 ber pl^^fiotogifci^e unb bcr pfpd^ologif d^e
SnipreifiomömuS , ber (entere audj für SDeutfdjlanb guerft in
f^ronfreid^ öorbilblid^ burd^gebilbet, bann ober roie bie frühere
Stufe bod^ Quci^ felbftänbig entfaltet unb erft red^t felbftönbtg
foTtentmidelt, in ber £|at eine l^dl^ere @tufe ber malerifd^en unb
bantit ilbertiaupt ber IttnfUerif^en ^ßl^antafiet^ätigfeit l^erauf«
geführt l^aben?
5lber ift bieg ^erbienf! ein im £jöd^ften Sinne einzig*
artige^'i^ So wk jebeiS ^ol! in ben Anfangen ber (^ntiDidlung
feine ornamentale ftunft l^at, fo ntad^t im feeUfdften Serlaufe
feined Sebeni^ anbere $erioben feiner $l^ntaftet^cltidkit burd^,
«nb bei ungel^inberter, nid^t frül^ burdf) ftörenbe ©eroalten
abgebrod^ener Entfaltung roirb e^ auc^ fein 3^itQlter beä
pref fioni^mu^ erleben : fo roie ed ^. ^. bie 3<^paner, nid^t o^ne
ftarfe Einroirfung auf bie europöifd^e Run% erlebt l^aben unb
nod^ erleben. 9& fymUlt fid^ ifin nid^t um im l^ddjifien ®tnne
fingulare SSorgänge, fonbem sunäc^ft nur um regelmäßige @nt^
roirflunggerfd^einungen nationalen Seelenleben^, roenn biefe
@rfd^einungen wo\)l aud^ im ^ßerlaufe aufeinanber folgenber
SSöKergefd^ic^ten in jeroeilö ^ö^eren Slccentuierungen auftreten,
' wie biefe ber älufna^me fteigernber unb ftörfenber demente
frül^erer Kulturen verbantt werben. Unb mei( bem fo ift, fo
gepren bie Äünftler, bie fid^ in erfter :^inie ber gortbilbung
be^ äBirnidjfeitöfinneS roibmen, and^ ber $eriobe beg 2Birf=
Udöfeit^finne^, bie fie fdj^affen, im befonberen an; biegfeitd roie
ienfeitd berfelben fe^lt oielfad^ bie feinfie feelifd^e Sermanbt«
fdftaft, um i^re Seiflungen doO in mürbigen: fie finb S)tener
unb gelben norne^mlid^ ber ®egemiNtrt: horae inaerviendo
consumuntur.
älber neben i^nen giebt ed anbere (^r)d^einungen, ftünfiler.
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13^
bic nid^t in gleichem Örabe in ber ^tJeroaltigung bcr formellen
"^Probleme ber jcitgenöffifd^en Äunft aufgeben, fonberu fic^^
unter il^rer t)oQen Kenntnis unb ^u^nugung, ja aud^
görbenmg, bo4 Aber fie tt^Am, um in ber i^neti befonbetd
«erliel^eiten Sptad^e }u fagen, toaft il^r $erj betoegt. & tlnb>
bie fpegififd&en ^erfönlidbfeiten unter ben Reiben ber geiftiqen
S3en)egung — Snbioibualitäten auggefproc^enfter 2lrt, rcie fie
nur einmal oorfommen, unb wie fie mit bem ©runbe i^red
Siefens, loenn aud^ gebunben an bie formen einer befiimmten
Seit, ho^ bei befonberft dfinfUgem Bufammentreffen ber Unt'
fifinbe loemgfteni^ §um Xeit 90tbiß)li<jft unb wirffam werben
fönnen für oiele Seiten. 2)enu geroife ift ja richtig, bafi ba^
(Clement beö Singulären an fid^ fc^on jeber menfcf)(id^en ^nb-
lung anflebt: im fttengften Sinne he^ S9orte^ luirb niemali^
tUoai §n)eimal getrau, »ie in ber Statur niemate etwaig
zweimal gef d^ie^ f^on bedbalb, weit Slaturoordftnoe nrte menf
lidbe ^miblungen menigfteniS in bem streife ber und benhiot«
roetibigen ^orftellungen ber Qtxt angel)ören. Slber wie oer*
fd^roinbet bod^ ber finguläre 33eftonbteil be^ §anbeln^ bei kaufen*
ben unb ^bertaufenben von ^anblungen m6)t blog bed ^(dtag^^
nein, ou^ bei oieUn ber ^nbUingen, bie onf dSieinenb für 3^ten
gelten fo lang, bag fie nur nod^ ber fromme Sinn bed ^falmifien
mit bem 2Bä^ren eine^ ^ageö oergleid^en roirb. 2Bo bleiben
fie Dor bem 5lntli6 einer mifjenjdjQftlidfi entuncfelten ©efd^id^le,
bie oieien politifd^en unb friegerif d^en ©injelereigniffe, gang
gefd^meigen ber pfifd^en ^eßoorgänge ber S^ü^n? ^ann man
i^nen gegenüber nid^t fd^on non ber unenblid^en Sauer bed^
SBerleil» etne9 MnfUerd, dnei^ ®ele^rten grogen Stiied reben?
©oroeit aber ber toiftler in ^etradf)t fommt, fo befte()t
eine \)'öl}m ©ernähr ber S)aucr feinet SBerfe^ eben bann, iDenii
er e§ als ^erfönUd^feit gefdt)affen l)Qt, roenn ju bem ^efonberen
ber 3^t unb ber Station niK^ ha& ^foubere ber Snbioibuatitat
augenfd^einlid^ (linjutritt Snfofem l^aben ibeatiflifd^e, unb bod-
l)ei|t eben fpe^ifif^ perfönltd^e @tn^e(funfiwerle im allgemeinen
eine ^öl^ere n)eltgefd6i^t(id[)e aBirfung in erl)offen natura*
liftifd^e: benn in i^nen wirft beutlid^er unb energifd^er al^
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140
Silbenbt Vnitit
in bicfen ein boppelt unb breif ad^ ©inguläreg bcbeutfam
weiter, äßer empfinbct ba^ nid^t, loenn er nod^ freute mit
tnnigfiem älnteil bie „^ntx^om" ht& 6op^of(ei$ f^M, ober {td^
mit iiinetem OewUm in bie gfctotnigfeit Ut Setfad^tuttgen bej»
urfprünglic^cn Subb^iflmuS iiettieft ober oud^ mit frifc^eftem
€ntjücfen ©ofufaiiS ljunbert Slnfid^ten be^ gu^fipama betrad)tet!
finb (^r^eiuinifye cjonj perfönlid^er 2lrt, bie, gleichen
I»f9d)ifc^en ^Norbebingungen etwa, wie fie unfer i^ultur^italter
barbietet, entffnmngen, fflr und aber bod^ gtei^fam )dt« unb
raumM, mie bie $f9<lbe an fU^, auf unfer Sntereffe einbringen,
unfere ©eele einnel^men unb bereid^em. @« ^nb (Srbftüdfc
^(eid^fam be^ weltgefd^id^tlid^en S5erlauf^, bie i^rem inneren
SBefen nad^ bem Untergange entjogen fd^einen unb barum
nod^ gan) anbersS §r}eugnif[e bed (Ewigen im SJ^enfd^en fxnh, ald
üinaelerrungenfd^aften eined mit ber iemeiftgen (Bntmidbmgfi*
ftufe enger oerfnüpften unb barum meit leidster mi^er mit
©runbe gel^enben feelifd^en ©nergieoerbraud^^ ober gar
RxieQt unb (Btoot^gefd^äfte unb Sd^lod^ten. SBerben wir aber
beiS^alb bie aQgemeineren @rrun0enfdS)aften ber itulturarbeit
gering ad^ten? ©od nidftt fogar aud^ ber äu|ere Xkrlouf ber
®efd^id|te, bad 6d^id(fa[ ber Söder in XuiSbreitung unb Jtompf
unb ©teg unb Untergang in ber großen gcfd^id^tlid^en 8e*
trad^tung feinen $(q^ Jiaben? ^er 33otanifcr roirb fi(^ wenig
barum fümmern, ob biefe ober jene ©id^e üon ftärferen 9iadj*
barn im äBud^S unterbrüdtt ober vom ^li( jerfpeQt wirb:
^iebt genug §id^en, unb mad bebeutet il^m bie l^9potlietifd^ Subt»
uibuolfeele ber Cid^e? Cine groge menfd^Iid^e ®emeinf^Qft ba«
gegen, ein SSoIf, Bilbet unter allen Umftänben einen fo wertoollen
2lft, ein fo fd)öne§ 33latt raenigften^ an jenem ^aume ber
iBf^enfc^^eit, beffen 2Burjehi wir ebenfowenig fennen wie bie
älu^löufer feinet äBipfel^, bag uni^ immer aud^ fein äugered
©d^idfai f^ebi wirb. Unb ^at Me 9Rufe ber ^Ibrie nidftt
no<| immer etwa« tm er^ä^Ienber Gd^watl^aftigfeit? „SMe
Äinber, fie Ij'oxm gerne !" 3)arum fott ung anä) bie äufeere @e^
fd^id^te nid&t, nod^ wenic^er aber freiließ bie ftiöe ^Kulturarbeit im
kleinen „©d^ein" fein ober gar „^üge", SSBdrter, mit benen
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9^anfe unb ßcgcl bte iEjncn roenif^er toidjtig er|d;einenben Seiten
beö öefd}id^tlid^en :Ceben^ bejeic^net ^obcn. 3^^^^^ Äleinfte unter
un^ iDebt mit am ä^ebftu^l nid^t hloi ber Qext, fonbern auc^ ber
^igleit; teiticr lann enlbel^tt netbeti, utib bie innere (S^lei^^t
Ue 90V bem (Sott ht» G|ri^n gilt, gilt aud^ oot bem SKd^tflul^t
ber ©efd^id^te. ^inioeg mit ber beibnifd^en, gegend^rifKid^en, ja
unmenfc^lid^en Slnfid^t, bafe nur bie grofee ^erfönlidjfeit bie ®e*
fd^idbte mad^e: ein ©d^Iag ind ^ngefidj^t ifl fte bed gemein«
menfd^Ud^en 3BefeniS.
Sier loir »uc^em mit verfd^iebenen ^funben. S)er ewige
item be9 XBirfen« bed einen ift im Ser^ältnid snr SRaffe
beS ©efd^affenen gering; bei anbcren bilbet er ben breiten,
feinem @e)d;(ed^t, feiner S^^ation, ja ber 2)Jen)d^^eit Ieud;tenben
(Silberblicf beS ;^ebeniS. @o oer(eibt aud^ ber ted^nifd^e ^elfter
bed Smprefftonidmud, gaiQ obgefel^ boomt, ba| er mit
neroiger ftraft eine l^ö^ere Jtulturfhtf^ feiner Jtunft erttimmen
^ilft, feiner ©d^öpfung einen 3:eil feine« SEBefen« ein: Me
v^ritö vraie, von ber dourbet träumte, eine inbiüibualität^lofe
pl^otograpl^if(^e 2lbftraft^eit ber ^unfi, giebt eg nid&t, unb 3ola
^t red^t mit feinem Sbidfprud^ von bem coin de la nature
vu k travers an temp^rament Son ein§igartigerem Serte finb
ober bod^ Me ftunfhoerte, in benen pd^ boS ^Temperament 5ur
^erfönlid^feit erweitert unD wir ben 2Beg von bem naturo*
liftifc^eu -iiol ber Seben^roiebergobe ^in bem ibeatiftifdjcn
befd^rittcn unb oollenbct felien. 9^atürlid^ nid^t, o^nc bafe oor*
|er ber SBeg einer naturaliflifd^n Itunft in ieber möglid^en
§orm ber ^gabe unb Seioättigung pafjiert fei. itein großer
Sbealift, bet nid^t ein groger Stoturatifi loar, ifl unb jeber^eit
fein fann. ^ein ^^jencj ober ^el^am, fonbern ein ^ürer, feine
9^od^aJ)mung ober gar 3^iac^Ql;mung ber 9Jad^af)mer be^ Ur*
fprünglid^en, fonbern Urfprünglid^feit, — bai5 fei bie ^ö^fte
Sofung bed ftünfikrd; unb ifl bied Biel nid^t su erreid^en, bann
nid^t in einem l^aßiofen €d^einibealii^mud jerflattem, fonbern
wcnigftenS SJleifter fein einer tl^unlid^fl unoerbrüd^lid^en SBirf*
lid)feit^n)iebergobe, 3)iei)'ter einer im roeitejlen 6inne be^ SÖBorte^
ooUenbeten Xed^nif.
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142
Silbenbt Knttlt
@d ifi f4on frül^er baoon bie %ebe geroefen, ha% ein
^öd&fter !3bcQli«mu§ mä)i an Qnien gebunben ift, bafe er nid^t
Venoben bilbet, ja faum ©pod^en. 2lug ben foeben gepflogenen
(Snocigungen gel^t bad ©letd^e l^etDor. ^er ©eift Tt)et)t, n>o
et Witt. S)a| 3^iten einer im 9l6f d^lu| begriffenen iStttmdUmgfl^
{lufe pl^eren SBirflid^teitiSfinned nte^r bem ^bealidniud zuneigen
loerben, fott freiHd) bamit nid^t geleugnet tüerben : benn ba gilt
eg Qud) für bie kleinere», bie in 3)iaffe auftreten fönnen, ba^
neue ©itber einer er^ö^ten ^ed^ni! perfönlid^ au^^umünjen.
Unb gemi^ bietet eine §tt beftimmter $5l(ie ber ä^oflenbung ge^
ixa^tt Xed^nil aud^ bem großen 3^ta(ter erfl re<i|t ®eioa(r noO'
enbeter (Sd^öpfungcn. Unb sroeifelgol^ne loerben ftd& in Seiten
ftarfen ted;nifd^en gortfdjrittio oud^ bebeutenbe Gräfte leidster
meJir beffen görberung j^uraenben ober aber — ba ja ber
2lbeaUil erft baS ©efellentum be^ S^atiirali^mug gu überroinben
(at, el^e er 9Reifier fein barf — in i^ fieden bleiben.
mol^t bleibt befteben, bag 9lattiraH9mud unb Sbealidmud fletS
nur (Srfd^einung^formen berfelbcn entroidlung^gefd^idjtUd^en
Stufe ber ^unft finb: ber Qnbiöibualiömug be^ 15. bi§
18. 2lal^rl^unbertS ^at ebenfo feinen 9^aturalidmud toie feinen
3bea(idmujS gehabt, unb ha^ ©leid^e gilt Don bem fubjetti«
oifHf^en S^italter feit 1750 unb in i|m mieber non ber im«
preffioniflifd^ $eriobe ber @egenmart.
2ßie febr biefe Scobod^tungen jutreffen, jeigt bie X\)aU
fad^e, baf^ in 3)eutfd)Iant) ein ftarfer Sbeali^mu^ neucrbing^
fd^on in ber ^tit be^ Übergang^ jum reinen Sinpreffionidmud
eingetreten ift, unb bag eben biefer gbealü^mud bed ÜbergangiK
ben erfien Shi^meiStitel ber beutfd^en Walerei ber ^weiten ^ölfte
beö 19. 3abrbunbert^ bilbet. ^enn Ijier tritt un^ bie glän^enbe
dic\l)c ber 5Ramen g^uerbadd, ^ödlin, Xijoma, ilUnger entgegen:
fie roirb man an etfter ©teile nennen, roenn man ba0 fpejiftfd^
^eutfd^e in ber europäifd^en Aunfl bed jängfien 3^italterd be«
seidenen vML &mxi f^ahm aud^ bie (SngUnber in ber Uber«
gangggeit eine ibealiftifd^c Äunft gehabt unb ebenfo bie jjran*
jofen : bort ludre auf bie freilid^ febr über jdjägten ^rärafaeliten
mit ibrem gemeinen (Sd^ön^eitdibeal, bem finnlid^en ^fid^t
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3tlbtnftt Kmtf».
143
ber grou beg $Roffctti ju ücrroeifen, l^ter auf bic cblc Äunft
3Rtttct^ urib — gießen roir neben ber 3}ialerei auä) bie ^ilbnerei
mit ^eratt iinb red^ncn wir Belgien ju ^ranfreid^ — auf be«
iRalet'Silbnerd ^eunier iDtiiibei:6aif bed oietten
Stotibed. Ilnb geniift i|i fein 3ufaS, bojl fibeml in biefer
Öbert^QTiggjeit eine ibeoliftifd^e Äimft einfette; wir werben Me
befonberen llrfad^en biefer ©rfd^einiing norf) fpnter betrad^ten.
Slbcr in S^eiitfd&lanb roar biefe Übergomjöjeit befonberiS lang,
fo bog {td^ biefer 3^ea(tömuiS , burd^ bebeutenbe 'DMfler Der^
tteten, gm% anberS milAtn tonnte ato bei ben 92tt(^6am bed
Seitens ; i)ter ifl ber $unft, 100 und bie bei und fo befonberd
fdWertge unb oerjögerte ©ntroidlung bc3 tedbnifd)en ^ntpreffio-
memii^ gute tarn. Xenn fo fonnte gefd^e^cn, bafe äBerfe
öiefe^ Qbeali^mu^ no6) l)eute entftel)en, roä^renb ber erfte 3)ieifter
Mefet diUlitun%, geuerbad^, f d^on (^nbe ber fflnfiiger unb loä^renb
ber fed^jtger Saläre bie fflr i^n entfd^eibenben ffierfe fd^uf: —
ttnger als ein ^Kenfd^enalter l^at in unfcrcn rafc^lcbigen 3^iten
im ©runbe ein unb btefelbe ßrfd)einung, lüenn and) in geroiffen
Sbwanblungen^ bie älufnterffamteit ber ^^itgenoffen gefefielt.
* *
2. ^euerbad^, 1829 geboren, in tlmri^ unb i^oniporition
anjangä oornel^mlid^ burd) CSouture beftimmt, ben franjöfifd^en
Siftorienmaler, ber gu gleid^cn teilen etroa au§ ber 9^ontantit
feit ^elacroii unb aud bem illaffiji^muS beS ^nQv^& l^erfam,
in ber garbe non feinem oenetionifd^ Slufentl^att ab im
6eflm Sinne Sd^filer Xi^iand, fielet, mie man fte^t, ber ftufieren
Jorm nad^ am ^uiJgang beö ted^nifd^en i&ißori^mu^. Unb ^at
^ biefen fpäter in ber ?^ürbe gu (fünften cineö überaus üer-
minberten 5lolori^mu^, in Umrife unb ^ompofition gu ©unften
einer oiel [tärferen ^tonung bes 3^i<^n^^f4^n verlaffen, fo
«Kir bad gemi| ein Sd^ritt Ober bod Sebiet bed ^fioridmud
hinaus, aber feinedmegS fo ol^ne weiteres %u Sunflen irgenb
eiiteg Qmpreffioni^muS. 2Ba§ feine SBerfe bennod) an bie
Spifee ber Übergang^ibealiften fe^t, finb ©igenfd^aften ber
inneren gorm. äii^ie fein tieftragifdl^eS „äiermäd^tniS" in fo
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öiclen ©äfeeu immer unb immer mieber begeugt, mar geuer=
haä) eine gan§ mobeme, reijfame D^latur: ein @rüb(er üon
tiefer Wlüand)oüe, mufifalifd^er (Sinbrücfe big jur ©fftafe fällig,
babei affetifd^ angelegt, doE jegUd^en Ser^id^ti» mif ©elbfi'
pfriebenl^t tmb ool bed ^efftmidmud bed 19. S^^rl^tmberti^.
^Dorum fpred^en feine SBilber gleid^fam gebämpft ju un^, jeber
fd^riHe 2ant ift fern; fein 3w0 ber :2eibenfd;aft ftört, eine er*
^abene ^'^u^e fpiegelt bie in taufenb Aufregungen ermorbene
^fignation bed ^ömpferiS loiber, — toie gern ^at er
geitienbilber gemalt: et ^uerfl Iftat bie ^erbe ©^dti^eit, bieomt
mtOBtt freie ©efe^mäßigfeit, bie ©elbftoerftänblic^felt bei»
bloßen 3Ingefd^aiitfeing be^ mobernen ibealiftif d^en KunftroerfS.
Unb er juerft prägte biefe ©igen fd^aften in einem befonberen
ilörperibeal unb aud^ f4on in ber ^Ibealifierung bei» ©efamt»
bUbed oud.
@Qng l^at fid^ g^euerbad^ erfl in 9tom (feit 1856) gefunben,
im Slnblidf ber großen 3Konumentalmo(er be^ 16. 3al)r^unbertg
unb ber bilbnerifd^en ©d^öpfungen ber 3lntife. Qe^t erft rcarb e^
i^m (m& ben innerflen liefen feiner iBerankgung l^er ^u einer
übergeugungi^QoHen (^a^rung, ja }u einer Offenbarung, bie
i|n wie eine Crteud^tung unb ooDIommene (Seelenmanblung
anmutete, bog bie (ünillerifd^e ^l^antofie nid^t mit ber blo^
2lufna^mefä()igfeit für bie Slatur erfc^öpft fei, bafe fie oieünef)r
i^re pd^fte ^raft erfi geige in bem 33ermögen, aug ber
Summe ber geböd^tnismägig oufgefpeid^erten Slntd^auungi»*
einbrftde in bid^terifd^er Araft boi» j^eraud^ugreifen, vM in
inbioibueDer Umgeflaltung ein 8i(b ergiebt'. Sd^on frül^ l^atte
Jeuerbad^ feine (Seele erfüllt gefunben uon S3ilbern, beren an-
fd^aulid^eö 2cbm bebrängte, bis er fie in ©enmlben qu^
{td^ l^eraug bannte: jet^t, in ber erl^abenen Stille ^md, begriff
er bied feetifd^e S)afein ate bad bed itünfilerd.
X)abei mieS i^n bie eigene Oegabung mie bie Sonbei^natut
Dor ödem auf bie SBiebergabe menfd^Iid^en Sebent unb gang
befonber^ menfd[)lid^er Mörperl^aftigfeit: ii^repl^antafieooIIe9la4<
1 6^ Xageyer, Xnfelm gfeuertec^r 389—90.
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Bttbfiibc Kirnt*
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fd^öpfung erfd^ieii if)m immer me^r alö nädjftc unb erflc
2lufga6e. Unb ba begriff er benn, obrcol)! mit einem
unglaublid^ aufnahmefähigen f^ormengebäc^tnid au^geftattet,
ba% auf biefem (Bebiete tiicbt Stubien attein, unb ba^ nod^
iDentger felbfi bte eifrtgfle Slnfd^auung i^n boiS Seben bed
menfchHcf;en Äörper^ je ganj gebäd^tnismafeig würben umfaffen
laffen; raer foHte biefe unenblidie ©umme von ^Beroegung^«
fombinationen be^errfd^en, wer bie freien $öerfürjungg= unD
Überfd^neibungdmögliii^felten, bie be( menfcihii^^ Xdrpet in
Serfifl« unb Shidbtfpiel batbietet? Unb fo Mi^ et, obmo^t
ibeoUiiifdh bcr ^gpifterung ber fjotmen jugeroonbt, bennod^ roie
ber eifrigf^e 5Raturalift bem ^JJ^obell getreu — freiließ bem \\ä)
bewegenben nadtten ^lobeQ, oe^^alb er benn mit Kinberftubien
begann — : unb je ntel^^ et bann bad ^obeE ftubierte, mit um
fo {lätfetet ®eiDatt btang immet unb immet miebet bet nadlte-
aii^enfd^ in ben ©eftd^t^freid feinei» 6d^affend.
^amit rourbe ba^ großflgurige ^ilb ba^ cigentUd&e 3lr*
beitögebiet be^ .^üiiftler^, — unb ba§ Problem ber J^orm, roie
mix z& oben befprad^en, ber fd;arfen Umriffenheit von giguten,
bie aM bet betta^tet werben, mugte oon i^m gan)
anbete be^anbelt unb gelöft werben ald tion ben SReifletn bet
flintmernben Si^tfd^roabcn ber neuen ^unft, in^befonbere ber
Hunft ber Sanbfdjnft. ^^i^bcm iid) nun biefcr ^^rojcfe bei Jeuer^
bod^ öoH^og,, inbem fic^ iljm bie innerlid) erfd^autcn ©eftalten on
bet $anb beftänbiget Kontrolle an bet Stfcbeinungdwelt §u
feiten, (anmtifd^en formen bed SReufd^en, |u t^pifd^en gbeaten
oerbid^teten, nid^t met)r fo fe^r getrogen wn gfotbenerfd^ei«
nungen, bie oielmet)r attmäljtid; ^unidroid^en, roie von ber
^laftif bilbnerifd^en ©rfaffen^: taudjtc eine ntoberne plaftifd;*
maletifdSie Sluffajfung be^ 3Henfd^en empor, beren SDafein, wenn
aud^ ootlaufig nut in einem ftttnfUerlopf, bie SBotaudfeftung
wot für jebe weitete Sntwidflung eines impteffioniflifd^en Igbea«
li^mufo. 2)enn bo e^3, roie roir gefe^en hoben, ber impreffio^
niftijc^en Technif einftroeilen nod^ nidjt gelang, nabgefcljcne
©rofefiguren allein mit ben ^J)Utteln ber ^li^icbergabe reiner Sicht*
gfarbeneinbtüde §u bewältigen, fo mubte von anbeten (Seiten
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Ijer, nod^ t>on ben ted^nifd^en Sototii^fe^in^en bet atten Hunfl
ouS 3bea( unb Ramn bicfer g^ur^" fl^f4?Qffen rocrben, folltc
anberö auä) ein ibeoliftiidyer Qmi^ be$ roQen 3mprefnoiü§=
mud gebei^en unb Blüten unb grüd^te trafen in reid^er ^ülle.
3bcat, bie mobeme ntaUtifd^ plaftifd^e grorm bed
9teinmenfd^(id^en fd^offen, mr ^etbad^ fein Seben ^n«
burd^ bemüht. 2)ic ^>öt)e feiner Äunft aber liegt in ber ^eii,
ha er in ber ^^enuirflicijung biefe§ 3bealg rafd^ foitjdjritt,
of)m bod^ \ö)on bic foloriftijd^en e^ä^i()!eiten feiner ^ud^t^b^^it
oertoren ^u ^ben. @d ifl eine ^eriobe, bie itc^ mit bem
Santebitb von 1858 anfflnbigt unb in md^fenben fieifhingen
lu ben Sauren 1870 bie 1871 anfleigt. 2)Qbei vereiti«
fachten fid^ bem *D3ieiftcr in biefer großen ^»4) bie ^ro
bleme ber Äompofition immer me^r, unb feine ^ormenfprad^e
würbe immer energifd)er. ib^dd) ein ^bftanb in biefer ^infid^t
m% ber ^kbonna ber ^rei^bener ©alede von 1860 bid )u ben
Silbern bered^atfgaUrieC.^^ietit" 1863, ^^onceSca baKimini"
1864, „Qa^% am Sntnnen" 1866), unb nod^ viel ntel^r von ^ier
Ms jum „@aftmal)t be^ ^laton", beffen erfte 3lu^fü^rung (jeftt
in ^Qrl§rut)e) 1867 begonnen roarb, unb ben 3p()igenien^ unb
^Jabonnenbilbem ober aud^ bem „^acidurtetr' ber legten Sla^re
biefer g^eriobe.
Wer inbem biefe Sereinfad^ung eintrat, oerfcbob fid^ in
ben legten fünf^el^n Scbendjo^ren ber ©eftaltungStrieb bcS
^J}ieifterg md) gmei ©eiten t)in. ^ie gorm befiegte immer
me^r baö Clement beS ^Dklerifc^en unb fogar beä 9iäumlic^en
im meiteren Sinne; unb inbem fie überroog, bilbete fiel) eine
Steigung }u i^rer ftberftt^rung ind ^e^r^oU^meufd^lid^e, Xi»
tanen^afte, unb bomit eine KompoFttioniKwetfe, bie ben (^n^eU
förper in feinen 6tellung§- unb 53en)egung§n)Qnblungen nur
noc^ ai^ Öii^^t^Ö^iff beS unenblid^en ^onncnreid)tumS unb ber
g^ormenprac^t ber ^latur betrad^tete unb il^u barum nur no^
als ^eil einer allgemeinen {$ormenfi)mp()onie , nid^t mel^r alk
felbflänbiged Moment oerwanbte. SHe folgen ber erftereii
9licbtung jeigen ^\6) fd^on in ber monumentalen Sludfübrnng
beg „SijmpofionS" in ber berliner 9tationolgalerie; l^ier ifl ber
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rtnnUd^e Siei) bet ^xbe (ereitd gebtodj^en }u (Bunfieti einer
fltarmftfiig ^eid^nerifd^en Setonung ber ^otmen. IDie %olQm
her jtüeiten ^id&tung gelangen in ber .,3lma5oncnfd^(aci^t" von
1873 unb in bein „^itancnfturj" üon 1879 jimi 5lu§brudf.
Sei aller Sie^errfd^ung bet @efamtan(age mit einem feinen^
audgeglid^enen, gleid^fam fublimierten Sid^t itnb bei aQem
3au6er monumentaler Sramatit ifi l^iet ber Sd^ritt }u einer
gformenfprad^e faß im Sinne SRid^etangetod getban.
3lber bog, roa^ J^eucrbad) d^araf teriliert , ift bod^ nur on
erfter Stelle ein neue^ plaftifd^^malerifd^e^ 3beal be^ 3)Jenfc^en.
äKan brandet nur bie £itel ber uon i^m bi^b^t angeführten
®em&lbe }U mufiem, um ^u fe|en, baft ein 3n^ted l^iniufommt
3)er menfd^Itd^e ft6rper in feiner ibealifd^en ^orm ift i^m in
feiner beften ^dt bod; nur Komponente von ^ilbeni, in benen
ein rein menfd^lid^er ^nl)a{t in einfad^fter 21nfd()aulidöfeit jur
2)arfteIIun(] gelangen foH. 2)arum, roeil er biefen t)öcl;ften
SBunfd^ rubiger älnfd^lid^feit rein menfd^lidber, an feine Q^t
unb leinen Drt gteid^fam me^r gefetteter Sorgönge unb ®e«
füble am einfad&ften in ftaffifd^en ©toffen glaubte üerroirflicbcn
§u fönnen, l)at Jeuerbad^ fo oicl aug ber Slntifc gemalt. 9Ba§
bebeuteten in biefcr iQinfid^t nid^t für i^n bie immer unb immer
loieber in Singriff genommenen SPbiQcnien* unb 3)kbeeuftoffe I
Hin glaubte er rein menfd^lid^en @el^att in tppifd^ unb
barum ibeatifierter $orm am (eid^teften ber Seinmanb einoer«
(eiben gu fönnen. So ift er nid^t blo^ ein ^bealift ber 5törper*
form geroefen, fonbern ber S3iIbform überbaupt : er juerft geigte
in mobernem Sinne, wie man in einem gigurenbilbe nidi)t blofe
nad^ ber äBeife bed ^ifiorii^mud er|äblen, fonbern, fogar mit
einem grogflgurigen Silbe, aud^ ftimmen I5nne, unb mie ber
^infcbug t>on Stimmung, ber ^beali^muiS ber ®efüble atebatb
aud^ ju einer abgeroaiibetten Formgebung, einem QbealiSmug
bei^ ©efamtbilbeg fübre. ift ber äßeg, ben fpoter Sörflin
mib %f)oma unb oud^ Alinger mit gang onbeter Sicberbeit ge»
iDanbelt ftnb.
gtoerbod^ ifi 1880 geftorben — wenige Sa^re, beoor bie
2Belt tum ^erftänbni^ feiner ilunft Ijeranreifte. SDenn um bie
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Bliebe Hunft.
Witte ber ad^taiget er^ob fl# f^oii bad (BefHm 8M(iti«
mit todt^in wfttmenbem Sttal^Ie. ^erbad^ obet M ]^wt
gelitten unter bem Unglüd, unüerftanben ju bleiben big jum
^obe. ^enn er rcugtc feinen äßert ju frfjä^en, roenn nid^t
}U überfd^äßen. Slbet eben beg{)a(b mar t>od) wobt nod^
utiglüdlicber al^ er ein l^ütiftler, ber nid^t minber al^ ^or«
Uufer ber großen Sbealißen gelten botf, unb bem ^ g(eid^«
iDo^I nidftt vergönnt mar, in ber eigenen Orufl flarfe ttnb ßAn«
bige SBiberftanbsfraft ju finben gegen äugere SSerfennung.
Hebbel l^at einmal au& tieffter Äenntni^ geroiffer feelifd^er
©runbbebingungen feiner S^it im 3<t(|re 1847 geäufeert, bag „in
ber geifUgen ©p^öre bin unb mieber an gewiffen fünften mit
!RotmenbigIeit ein flbergangiSgefd^öpf l^eroortreten müffe^ bod
ber Qbec nod^ einer l^ö^eren ©ottung ongel^ören mu6, al§ eS
burd; feine nod^ mangell)Qften Organe realifieren oermag".
Unb er l^at gefragt, wie benn rool^l ein \ol^^ ©efc^öpf bem
äBiberfprud^ gmifc^en äBoUen unb Vollbringen entfliegen fönne?
^ad von Hebbel aufgeworfene $rob(em ^at ba9 €d^id^fal
twm San» uon War^ed (1837—1887) bel^errfd^t*. SWorde»,
ber fd;on in jungen Qafjren in 3)iüncben alö ein überaus be^
gabter ^tünftler galt, Ijat ben inS 3nl)altlid)e l)inüberfd)n)eifenben
SbealiÄmuS 5ß"^^^öcb^ niemals ganj erfannt, gefd^weige benn
anerlannt. )93ielmebr {am er fd^on in Wöncben ber ^uf faffung
nöber, hai bie Stan^ unter allen Umfianben leine SpmboUf
bcS ©mpfxnbcnÄ ober gor @rfennenS fei, fonbcm ba6 i^re
einzige Slufgabe barin befteljen rniiffe, ficbtbareS 6ein immer
flarerem unb reid^erem Slusbrud ju entmideln. 2)urd^auS beut='
Ud^ TOurbe i^m biefe Slnfd^auung aber bod^ erft in diom, voo
er feit 1864 metUe. Unb feinedmegiS mit einem 9Ra(e, mie eine
3"tuition, brad^ jte Uber ifyx l)crein. 3at)relang oielmel^r,
roäljrenb er anberen fd^on längft qI^ ein untriiglidjer , gonj in
fid^ fertiger Siil)rer galt, l)at er immer unb immer mieber mit
fid) gerungen, iiö) i^m ^unäc^ft gruubfä^lid^ )u bemäd^tigen.
* Sgl. giebrer, Schriften über Äunft S. 369—462: :panä von HRaröeö,
lt. a. tn. Sfu^erbem finb ^anbfc^riftlic^e ^lufjeic^nungen über ben Tlax^cä^
fd^en Rtiii von Slti^ut Solfmann benuj^t.
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3l6er fd^licglid^ flanb i^m feft, baß bic ftinftlerifd^e ^t)ätiöfeit
nur auf bic St^eolifierung bee ©iditboren ge^eu fönne, unb bafe
ei^ l^tersu nötig fei, fld^ bie S^iatut in allen (Sinael^eiten il^tec
Sirffambit fo «BBig su eigen $u mad^en, bo^ ed mögtid^ fei,
aui5 il^rer intimjien ilcnntntiS ^er reprobujierenb 511 fd^affen,
o^ne nod^ eine§ befonberen ©tubium^ für ben einjelnen gall
}u bebürfen. ^(fo grunbfö^lid^ junöd^ft abfoluter ^iaturaUS«
mu§ — unb baS l^ieg bod^ um 1865 fd^on wenigfiend p^pfio*
logifd^er Smpteffbnidmud? aber biefet 9latuta(tiSnmiS nid^t
einbni4dn)eife angemanbf, fonbem feinem ^nöatte nacl^ ju*
fammengefafet größeren ©cbac^tniegruppen, bie bann ti)pifd^e
unb fomit ibealifierte gönnen ber ©inbrüde ergeben foüten,
wenn fie im Silbe gur 2)arftettung gelangten. Dber anberg
audgebrfidt: gebäd^tnidmögige B^fammenfaffung bei: (SinjeC«
einbrfidFe (Sinbrucfdfammtungen; unb biefe (SinbnufiS«
fammlungen g^ormen ber 2)arfteIIung.
^Jiaröeö brad^te jur Sßerroirflidjung feiner 5lbfid^t ein nn*
glaubli^eö Jormengebäd^tni^ mit; auf feinem legten Äarton
»oten SUte aui^ bem ^opf ge^d^net, bie ftd^ von anbeten,
fpfiter nad^ bem SRabeK ge^eid^neten att in leinet SSSeife net'
fd^ieben ermiefen. Sei biefcm fjormenfinn lag es i^m nun
nal^e, ben (Bdjnjcipunft feiner 3Jiaterei üor allem in bie plaflifd^e
9)lob edier ung ber giguren unb in bie SBiebergabe ber Umriffe unb
ber 9^{aumtiefe ju t)er(egen, foweit nid^t etma eineS^ppifiening von
Sinbraden fd^on ol^ne meiterei^ unb natuntotwenbtg miebet |ur
flfirleten Betonung ber gorm jurüdffüJ)rte. 3n biefem ©inne
l^t er benn ju fd^affen uerfud^t, unb barnad; roäfjttc er fi^
feine ©egenftänbe; einfadje Sßiefengrünbe, fanft (jügeligc^ ©e*
lönbe, mäßige Saumgruppen, ab unb }u ein äBafferfptegei,
eine fente SergUnie, — vor aEem aber in ber Sanbfd^aft
groge, meiß nadEte giguten, aud^ Xiete, indbefonbere ^ferbe,
unb bementfpred^enb jumcift antife ©toffe ; „Urteil be§ ^^^arig",
„^auh ber Helena", „^Imajonenfdjladjt", ^esperibenbilber mit
Dem ftänbig «jieberl^oUen 3}Zotio beS Drangenpflüdenl u. a. m.
3n biefen unb oenoanbten, teitoeid aud^ mitteiatterlid^en
©cenen befirebte ftd( nun 3flatM, einer gefd^toffenen ®^^t&'
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3SiIbenbe Kimft.
t)orfte(Iintg 5Iuebru(f geben unb jugfeid^ in allgemeinen
gormeii bie benfbar t)öd)ftc Qüurion ber 2Birflid)feit ju erreid^en.
Slber cd gelang il)m nic^t^ fi(^ genug tl^un. Smmer unb
immer »ieber übennalte er, load anbere oft in ber erjieti älud*
ffil^rung Ott am beflen gelungen gefunben litten, malte unb
malte, unb gerflörte, wa« er gefd^affcn.
3)a§ ift bie Xragif biefe^ ^ünftlerleben^ — bie 2^ragif
un^^iilänglic^er 5?räfte bei t)od) ßefpaunten ^^itkn. (SS ift
bie gi()gte ©eite an 9}iareed, bag er biefer XxaQxt n\d)t unter*
legen ift. su'Qng fi^ sunt glauben an ft4, unb barum
untersioang er biefem ®biuben au4 anbere. Serfetbe Wann,
ber einfam unb auftraglog bei nerfd^loffencr SBerfftatt malte,
ber im Äunftl)anbel feinen Flamen \)atie, begeifterte bie bcfteii
jungen Gräfte burd^ bie ^la6)t feiner £e^re ~ unb rourbe fo
mit 5um (^5euger unb ^efeeler einer neuen ibealiftifd^en
ftunfi. 9Bad er gewonnen l^atte unb mA man bei i^m
gewann, bad mar ber rfitffid^tdlofe, l^eilige ^bealiBmud einer
jüiigften, bem mobernen 3lugc entfpredjenben blofeen gormen«
fünft — einer gorJncnfunft ^inau^ über ba^ äßiffen unb
Aönnen geuerba^^*
8. geuerbac^ fd^retbt in feinem Sermftd^tniS: „9fiom, biefer
gottbcgnabeten ^u^ei beö ftiÜen ^enfen^ unb (Scf)Qffeng, \)ahe
id) fo oiet ju banfen. ift mir in 2Bal)rl)eit eine jweite
^eimat geroorben, unb immer wenn mein fünftlerifd^eS S)enf=
oermögen in S)eutf(l^ianb brad^gelegt mürbe, burfte id^ nur bie
italienifd^e @rense fiberfd^reiten, unb eine 9Be(t von Sitbent
flieg in mir auf. SSei einfod^er Sebendmeife erinnere id^ mid^
iiuibrenb eine^ Sfit^^ci"»^^ i^on beinal) ficbjeljn Qoljrcu fauni
eineii förpcrlidjen Unn)ol)lfeinS. 3)Jein reijbare^ SBefen mid&
einer angeregten Dlu^e, bie mid^ fortan au6) in @efa(;ren nid^t
oerlieg. fing an, bad Sllleinfein ju (ieben, bai^ i^ früher
fo fd^mer ertragen ^atte."
3« 9lom ^at ^^aröe^ gelebt, in dlo\n ift Hlinger gereift ;
diom roar aud^ bie iBe^rmeifterin ^ödiin^.
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fKdlin, bet 1827 }u ^fel gebomt tmb 1901 auf feinet
5ßiIIa bei glorenj geftorSen ift, roax ein geborene^ Horben*
genie. ©o fanb er bei (Bd&irmer in ^üffclborf, bem legten
großen ^bpHifer ber f lafn$ifti)(^en Sanbfd^aft, ieiblid^e ^örberung,
feinte ftc^ aber bo^ — ^ wx in ben oiet|iget Sagten, in
betten man in S^eutfd^tanb lunftd^fi bie Slomen (ernten gelernt
^atte — nac^ bem flärferen i^iflorifd^en StoIoridmuS tion OrOffeC
unb ^arig. Jreilid) baben i^n bann in ^küffel ^Rembranbt
unb 9iu6enS fd)Iie{^ttcf) raeniger ongejoc^en bie mn ©prfS,
dioger Dan ber ^ü^eiDen, ^ieniUng unb ^outö: xl)xc ^arbenroelt,
loie fte faft in ben magif^en ^önen fonnenburd^glü^ter @tad«
fenfler teuftet, na^m i^n attbalb gefangeit^ unb unter biefen
Wetllem toirfte wicber am meiftcn Sout« auf i^n, ber am
roenigften cr5äblt, am meiften onfci^outid) b^^^f^^l^^- in
^ariö erging i^m ä()nli(b; quc^ ^ier frud&teten bie ntobernen
Staren toenit] unb ald bauernbe @inbrü(fe feinet 3lufent^altcd
blieben i^m fafl nur einige miterlebte 6cenen ber Sieoolution.
916er fd^on 1850, ^mefunbstDanstgjä^rig, fanb 9Mlin bod
fianb feiner S3erl^ei6ung, QtQlien. Unb ^ier blieb er junäd^ft
\iebm ^al)xt in dlom — ^a\)xe fd^roerer ©ntbebrung, bie i^n
bod^ niä)t nteberbrüdten : in einem ^ugenblid ()öd^fter Dlot
^at er, na<j^ wenigen ^agen ber ^efanntfd^aft, ein armed
Sldmermdbd^en gel^eiratet 3n biefer 3^ begann er feinen
@inn fflr ftoIoriiSmug, feinen S^iß bid^terifd^en Setebung
h\& \)in lux ?5^Qbe(toett, fein befonbere^ 8ti(gefül)l unb inS*
befonbere feineu ganj ungeroö^nlid; Qnfc^aulid)en ?Raumfinn
auS^ubilben unb in gu oerfd^melBen, begann er ein felb^
fiänbiger ilfinfiler su nierben. S)cnn 9lom bot aEed, um i|n
in feinen angeborenen Steigungen su förbern: ar<l^iteItonifd^en
e^araftcr ber fianbfd^aft, lebenbige garbenweit, taufenb ftar!e
©tnbrüde auf bie ^tjnntafie — unb jene ©titte, bie füc jebe
i^OHjentration reid^er Gräfte noträenbig ift. @r (fijgierte üiel
nad^ ber Statur, Dor aUem ober burd[)ftreifte er @ebirg unb
SIa<i^lanb, um |u feigen, |U fe^en allein, unb fo in feinem
unglaubliö^ aufnabmefät)tgen (Seb&d^tnid aufaufpeid^em, toad
feine ^^antafte fo mit ^om^t^alt erfüllen !onnte, ba§ {te
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BUbcnbe Knttft.
fpftter ol^ne ünmitteUace Sotlage unb olftne 9Robell ^ur
gtü^enbrten unb toa^rften @prad^e int Silbe bm.
^ic SBcrfc feiner erften ^eriobe frcilid^, bi§ etwa 1862,
jcigen noci& nic^t ben 5lu§brudf innerften ^eftrebeng. S3ö(fUii
war ein Spätreifer ; er fd)[o6 fid^ in biefer Seit, ctma wie fein
greimb unb 9Ritf(j^ülei: bei @4itmer, ^ns«S)te6er, nod^ an
bie Ilafri^irtifd^^romontifd^^b^atf^e Sanbfc^aft (jerfdmmUd^en
©ti(e^ an. Stllcrbing^ in jieniUc^ naturaliftifc^er gomigebung ;
mit ben l^eroifdbeii ^anbfd^aften ettDO ^retter^, aber auä) mit
benen ber fpejififcifeeu Sb^ßifer^ ja in fpatcrer 3eit fogar gronj^
<3)rebecd netgli^en etf d^einen feine Mbet bem |>l^9fiologif d^en
Smprefftonidmud ^mot nid^t ange^dtenb, aber bod^ angenöl^ert.
®8 ift böÄ ÜWomcnt, au8 bcm l^erau« fid^, abgefcl^en von
fpätcren, weiter fü{)renben ^Rainnejpcrimenten, am etjeften bic
(Stellung ^ödlinS jur aEgemeitien ©nttoidlung^gefd^id^te ber
iDflaletei beftimmen tä^t.
®egen @d^luf| biefet ^etiobe aber tonnte ftd^ Södftin in
Korn ntd^t mtf)x tjatten ; er {)atte bie Sewunbetung e^euerbad^^,
aber bie 2ßett blieb uor feinen Silbern falt; unb fo Der liefe
er Italien, ^onn fam ein crfter Uin]cfjiuung. ©ein „^an
im Sd^ilf" erregte auf ber 3)iünd)ener Slu^fteffung x>on 1859
äiuffef^: wo l^atte man bidl^er fd^on fo reid^e unb fo fatte
^rben gefeben? Unb bie ftu^eren SeBeniBoerl^Itniffe be0
3)kifterg beffertcn fidj. 9lud^ bie innere ©ntwitflung üertief
künftig; in bem ^al^rjraölft üon 1862 h\§> 1874 etroa reifte
^ödliu ben l)öd)ften Qidm ber fiebriger unb ad^tjiger 3^6«
entgegen. 3^" öllgemeineu ift er aud^ je^t nod^ Sanbfd^after;
bie ^igttten bitben bet ^uptfac^e nad^ nod^ Möge Staffage.
^Daneben [teilen freitid^ gelegentlid^ reine gigurenbilber, wie
eine „©uterpc" (von 1861) ober „SJiaßbalenen^ ^J^rauer on ber
Seidje (Stjrifti" ober „bie 3)iufe bc6 5lnafreon", unb in i()nen
bilbet fid^ ber j^örper, in^befonbere ba^ grauenibeat ber folgen^
ben ^ud: bie St^H^nerin, ja iniSbefonbere Stömenn in
{attem, gelegentßd^ üppigerem itörpet, fd^Ianf unb barin
germanifd&cm ©efül^l angenä()crt; in ber Äleibung baä feine
®efä(te( oon ^atifl ober noc^ lieber feibenen 6di)leiem. 3n
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168
ber Sanbf^aft aber wä^^ bo€ bid^terifd^e @(ement, bet Stim«
immgSgel^olt, unb cor ollem bie fc^roeren, fd^TOermut^ooQeii
Stimmungen finb beoorjugt: ba^ ^ämmerung§ooll^2)üftcre im
„®ong md^ ©mmaus", ba§ Sd^aurig^öefpenfter^aftc im „SRitt
bed Xobd»", bad (SHcauftge in bet «^gfetfenfd^Mt", bai» enU
fe^Iid^e im r^^utienbitb", bod S)ro^enb*i8el^etiiiittoool[e im
„^eiligen $ainc". ^abei wirb mit bem 2Bad)feii bcg ©tim*
mung^f^el^alte^ bie Staffage immer bebeutfamer — baö 3Kenfd^=
lic^e ober menfd^Ud^ (Smpfunbene brängt \i6) ^eran — : bi^
ouiSnaEim^toeife fd^on in Dollet ^benbüttigleit mit bet £anb*
fd^Qft etfdMnt, fo in bem liebedf^müten 9l6enb(i(b bet ben
Iteiot entfenbenben SemtiS. S)abei fteigt bamt butd^ herein«
jiel^en beS ©rogfigurigen gang oHgemein bie ^laftif be^
St(be§, — wie benn gelegentlidö fd^on giguren auftreten, bie,
nid)t mel^r fid^tbar l^anbetnb, nur butd^ i^r einfad^ed ^afein,
gleid^fam bloft bilbnetifd^ Stimmung oudbtflcten bie
(SüArcmq bet Segenflänbe mitb entfdftiebenet, bie ^otbenwette
werben leud^tenber unb begrenzter, baS ©eroifd^e fd^eint (eife
J)erDor ai^ Inbegriff üerftärften ©timmung^ge^alt^ unb in^
S)ic^terifd^c gehobener gormen.
®Ä ifl bet ftbergong ju ber großen 3cit 33ödf(in8, ben fünf=
ae^n Sauren von 1873 b\» 1887, bie bet SReiflet bet 6anpt«
fod^e nod^ in gtorenj, gegen ®nbe aud^ in Q\\x\6) §ugebrad^t l&at.
Sefet erblüht i^m ganj Der groge Stil, ber Stil ibealiftifd^en
Umriffeä unb Sf^aumeio, ibealiftiic^er garbe, ibealiftifdjcn Sid)tc^.
erjie 3a^rfünft bringt biefen Stil bem Stoffe nad^
mel^r begten^t iura Sludbrud, ba nämlid^, m et ftd^ am
einfad^flen oenDit!(id^ tiejs, am SRenfd^en. SHefet ttitt
je|t im Silbe entf (Rieben l^etoot, Me i^altnng bed Sanb^
jd^aftlid^en rairb bcf^eiben. Unb reo bie 9iatur mc\)v mit-
fprid^t, ba rebet fie burd^ (Elemente, bie fid; beni plafti(d()en
25>efen be^ neuen, ^unäd^ft im aJienfd^enförper oerroirflidjten
@tiled leidet unterotbnen obet, il^tem äBefen nadji fotmloi», bie
@ti(i|tetung nid^t oetmiffen laffen: fo butd^ bad SBaffet —
jc^t beginnen bie gemattigen Seebilbet — obet burd^ Suft=
gebilbe, bie a. fd. im ,,Hentaurenfampfe" bo;^ i^anbfd^aftlid^e be-
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3Ubcit^ Knttt*
l^errfd^en. Um btefen neuen dfementen freien $(a^ f(i^affen,
roirb bann bic Sanbfd^aft au§ bcr Jroji^perfpef tioe genommen;
erft ber liefe ^orijont üermittelt ganj bie in i^nen ru^enbe
^oefie. 6pötet erft, aumal in einer ^ei^e fd^önfler ^rü^Ungd^
Mtber, tritt bann rine pflanslid^ unb geotogifd^ mel^ belebte
Sanbfd^aft auf: unb bamit Bitben biefe 3)ariiellun9en ebenfo
ben Übergang ben ©djöpfungen ber ^ai)xe 1878 bis 1887,
toie bie greifen im ^afeter ^JÖ^ufeum (1868 — 70) oon ber
Betonung beö ^i^anbfc^aftlid^en gum gigürlid^en gefü^jrt Ratten.
äßorin befielt nun im einzelnen baS ^eue beS (Stitö in
biefem Sufhum? S)ad SBefentlid^e ifl eine ougerorbentHdüe
^noeiterung be§ ^onKW* unb au$ be« Äaumgefü^I«. SWenfd^en
unb 5^icrc, boS bcJierrfd^enbe (£'(cment bes ^ilbeS, erhalten
ftatuarifc^e Raffung ; im Umrife irerben fte gegenüber bem oer*
fc^wimmenben £ontur ber frül^eren j^iii ^eroorge^oben; »ie
im Slelief bewegen fte fid^ oor bem {^intergtunb unb er«
Ratten bad SBefen beS unmittelbar ®reifbaren um fo me^r, je
ftärfer bei tiefgelegtem fiorigont eine weite gernfid^t bes §inter^
grunbcö erftrebt rairb. Unb gelegentlid^ fommt baju, roie g.
im „^entaurenfampf", gerabeju eine reliefartigc Sluorbnung ber
@€ene. ^ai^felbe ^ilb aber, ha& biefe ^norbnung be^ ^igür«
liefen unb Stftumlid^en sum erfien ^ß^ait gans oottenbet jeig^
bie „Senud Hnab^omene" t>on 1873, funfeit aud^ fd^on im
(Bd^mucfe einer bi§ bQl)in uner{)örten ibeo(ifd)cii ^ynrbcngebung.
fiier erfd^einen jene ^öne be^ Ultramarin, bie in rounberbarer
Siefe (eud)ten, unb jene glei(|)fam fd^öpfung^mäjsige foloriftifdj*
patl^etif(|e Palette wirb gewonnen, bie in ber fortfd^reitenben
SemoDfommmmg ber ad^tsiger Sa^re einer nur Sddttin
eigenen garbenroelt geführt ^at.
^er 3bealiämu^ ber garbcn* unb Formgebung aber warb
oon einer groar nid^t unoorbcreiteten, aber bod^ erfl je^t gonj
ftarf einfe^enben ^nberung bed bargefteUten 3n||ttItS begleitet.
S)em imnt^eiftifd^en 92aturgefa^l bed Sl^eijieri» genfigten bie
natflrliii^en ^eftattungen nid^t mefir unb er ergänzte fie burd^
eine )b}dt märdjenljafter ©ejc^öpfe. 3e^t iui)t 3(p(jrobitc, bie
6d^aumgeborene, l^eran unb mit i^r baio uerguiigt«ftnnlid[)e Soll
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Sifben^e Kanft. 155
ber ^ritonc unb 3^ereibeu unb ^}]t)mpl)en imb ^J^ojaben; ^xana
jagt auf ©efilben, bie oon Äentaiiren unb grünen beoölfcrt
ftnb, unb $an flötet um bie ^ige @tunbe bed Smttagd.
SBer ober miO inrntet unterf^eiben, 06 biefe SBafferftouen
beutfd^e SReenoeibd^en Rnb ober Hafftfcfie 9)^mp^en? Unb
fpielt tiefe 9Bc(t neben ber :c'i;ra nid^t bie fiarfe? roirb neben
ber ^ritoru^nuifdiet nidit bie Saute gehört? ^en ontifen
giguren treten folc^e ber beutf(Jen ©age gut (Seite, aber aud^
^erfonen ber biblifdften Übetlieferung unb bed ®e|laltentteifei»
ber Kenmffance, Dot offem a\a bem SieMingilbud^e fSbätinü,
Slnoftg „S^afenbcm ^Jofanb" — ja felbft mobcrne ^cnfd^en,
(Sonntaggfinber natürlid), junge ^Röbd^en, ^odjjeit^reifenbe,
mifc^en ficb in bcn unOcroufet, triebartig, entljufiaftifd^ mit
ber 3^atur fiir^fcnbcn 6^or. SBenn in einem pant^ciftifc^en
@efä^l ftnb fie ade ctnd, — unb oon il^m befeeU erl^Iten ftc
aud^ im ©ninbe einerlei ffiefen. @ie l^aben eine biefem ©efü^l
entfpred)enbe ©ebärbe, 5)hhJfefaueftQttung, ja ein iE)m notraenbig
fonforiiie^ ^felett: fie finb nur ber fernen 5lbftammung nad^
nod) antif ober germanifdt) ober d^rift(id) ober auS bem Reiben«
(anb ber 9^enaiffance: in äBirfltd^feit l^aben fie baiS pant^eifHfAe
Stttturgeffil^I bed 10. ga^r^unbertd sum äkter unb sur 9Rutter
bie Sadlinfd^e ^^antaße.
9l6er biefe bunte ©efetlfc^aft trieb ben ^Dieifter roeiter.
^eburfte fie nid^t einer ibr nun nod^ me()r ongenteffenen, i^ren
joud^jenben, trauernben, fd)n3ärmerifd^en, lärnienben Qnftinften
Qäinli^ angepaßten äßeit? a)ie3a^re 1878 bid 1887 bringen
bie 6onnen^5^e ber ftunfi bed ^AfM, — ^tte er ftd^ am
B(l^lu% ber oorl^ergel^enben ^ertobe mit bem ftebefnben ^ob
3ur Seite porträtiert, fo ftel)t am 8c^luffe biejer ^^Jeriobe
ba^ 8e(bftbilbniö mit bem ^i^orbeer^roeige.
^or aüem ^anbelle e§ fid) ba um bie fianbfd^aft: wie mar fie
ptaflifc^ }u gefialten, mie bie gorm im befonberd betonten @inne^
mie ber Umrig ju geroinnen, ol^ne fte ben gemaltigen ^irfungen
be« Öid^teä unb ber garbe ju entjiefjen? Sange Ijat Süöcftin f)ter
^in unb b^r oerfud^t ; unb ei^ get)ürt ju ben rei^uoliften Slufijaben
gefc()idj)tli(i^er Sorfcbung auf bem Gebiete iüngfter ^ergaugen«^
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^tlbenbe "HunfL
^eit, feine (S^eritnente an ben Silbern i»on etwa 1873 ab %u
verfolgen. @eit etwa 1878 aber ifl bie SCufgobe gelöft^ uttb
wir fe^eu eine Sanbfd^aft x>on p^antQftiidier ^d)ö\\l)eii auf^
taud^eit o^ne jebe ©pur beö ä.^erfd)roommenen in ber 3Bieber*
^abe beg fiid)t§: bie „©efilbe ber ©eligen" bieten bag erfte
oodenbete Seifpiel. S)a ^aben wir benn bie d^raberiftifd^e
Sanbfid^aft SddUniS mit il^ren an SotttceSi unb bad Hmot^al
erinnemben Seflanbtdten : eine fjfad&lanbfd^aft mit SBtcfe unb
SBoffer, oon einzelnen Baumen bcftanben, mit nicbrii]cm ^orijont,
ben bie l^ö^er auffteigenbe ^flanjenroelt burd^fd^neibet, mit
fcrn^inftreid^enben Sergen: bag ©anje gclegentlicji üertieft gc*
badftt ate ein ftifled, niebriged %^al, bidweiien au^ ald ttnbe
^^e mit ouSgreifenber ^ernftd^t. Unb in biefem fd^ier un«
begrenzten diaum erfd;cinen 33lumen unb Säume unb Siefer
unb ge(g unb Suft unb 'il>Qffer ftilifiert: bie ^(umeu in ber
Söeije ber 3Jieifter be^ 15. 3o^r^unbert^ ö^f^^)^"' wi«
^ebilbe in £o{alfarben unb piaflifd^ geljioben; bie Säume, meift
Don teftonifd^er %ütm, $opT>eIn unb Cppreffen, Sorbeer unb
^(atanen, SBeiben, Stannen unb Sirfen, üom oberen Silbranb
fd^on oft oor ber Mronenbilbung burd()fdjnitten, bei bargcftellter
ilrone in Slattbilbung unb Kronenumfang ftreng umriffen, oft
gerabe^u in Rainen unb ^Qeen fünftUd^ gepftan^t unb fünftlid^
gefdpft; bad Sanb oon SRenfd^enbanb |u SBcUlen unb Kraben
unb X^ötem unb Sudeten ffinflKd^ georbnet; ber gern
bef)Quen, mit einer 3?or(iebe für (SpiegeUingen gut geglätteten
5Diarmor^; felbft bne äBaffer in umborbeten ^ädjen unb SedPen
unb Springbrunnen fünftlid) gefül^rt, unb bie äBolfengebilbe
aufgebaut )U granbiofen Slrd^itefturen. §reUid^ bleibt neben
biefer Sanbfd^aft in alter, ja fortentmidefter @d^5ne bie un«
gcbänbigte ^raft beö Tleexti beftcl^en — eine« ber größten SSerfe
Södlin^, ba^5 „epicl ber SBeOen" (1883), i]iebt eben bie ^^loefie
biefer ^raft raieber — : aber aud) \)kx roirb bie SBoge tecj^nifcder
beffanbelt ate bidl^er, treten magifd^ere ^rbenfpiele auf ab
früher.
S)amit mar benn erreid^t, mad nad^ ber SBenbung um bo«
3a^r 1872 uotroeubig erfdjieu: berfelbe gornidS/aiafter ^aitiegt
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fürbic ©eftalten Töte bte (anbfd^oftlid^e Umnebunö. Snbeginbem
beibe^, ©eftolten rcie l^Qnbfd)Qft, einem biird)QUö ibcolplaftifd^en
^rin^ip ber ^^orm^^ebung untenoorfen toorben xoax, eri]ab fid^
aU notmenbic^, bag bieS ^rin^ip attd^ ben ^aum erfaßte, in bem
Sanbfd^aft loie ©efitolten lebten, ^iet (ag bie fd^ioerße 9iuf-
gäbe: unoblaffig l^ot S5(f(in baran gearbeitet, bie plaflifd^e
©tärfe ber S^aumwirfung ju er{)ö^en. Soroeit l;ier bie fiincor-
peripeftioe in ^etrad&t tarn, ftel ba^ Problem teilroctS mit ber
^unfl bec ^orbnung ber (anbfd^aftliclien iluliffen jufammen;
baneben tarnen Xiefe bed ^origontd gegen ben be^ertfd^enben
SCufbau bet Figuren im Sorbetgnmb, S)urd^f(l^neiben bet
^flanjenwett nnb toufenb anbete Hilfsmittel in 9etta$t S8off
üerinirftic^t aber fonnte bie neue 5lbfidjt boc^ nur rcerben im
S3ereid;e ber garbe unb bciS :2id)te5. Unb ba ber 3Jieifter liier
bei ber plaftifd^en SBirfung be^ Siorbergrunbeg auf bag ftarfe
Spiel ber äBiberfc|eine in maffecgefättigter Suft unb bie
^nfügleit bet Seleud^tung nid^t te^nen butfte, moOte et
nid^it baS @benmo§ beö ©anjen aufgeben, fo blieb i^m, ber
bem pbpfiologifdjen Qmpreffioni^mu^ 'lUiitteteuropaS jeitiuei^
nid^t fern geftanben ^atte, jefet nur no6) jene Jarbeniuelt
3ur Verfügung, mid^t gleid^fam atmofp^ärenfreie ttorfte ^ge
Staliend aufmetfen. Unb in biefem 9ereid^ bm ed bann
barouf an, bie üBerreid^e ^onabfolge ber italienifd^en Sanb«
fdjaft, beren abfolute Differenzen im 9^aum bee ©cmälbeö
rcieber^ugeben jeber menfd)licl^en ^^?a(ette oerja^t erfd^eint, bod)
in i^ren n)id^tigften relatioen ^bftönben fo eingufangen, ba^
bet (Sinbrud einer {d^ier unenblid^en Slbftufung von oom nad^
hinten erreid^t mürbe. S)ad mar bad $roblem^ bad Sddtlin |u
immer neuen JoTbeneyperimenten trieb, \f)n in^befonbere nad^
einem ^klmittel fud)en Iie6, tneldie^ bie Jarbcn fo büim auf-
zutragen geftattete, ba^ ber ^JJialgrunb, eine roeig grunbierte unb
blanfe ^oljtafel, burd^fd^eine unb bie garben faft roie in einem
(Sla^emdlbe leud^ten lajfe. Unb in einer fiemlid^ oermidtelten
^ed^nit naä) bem ^rd^PtoBen jalilreid^er alter 9]lalmei|en,
gelang eg ityn, bie entfpredjcnben Wxikl ju finben. @r oer*
fügte fd^lieglic^ über eine {Jarbenjlaia/ bie i^m bie ^öglid[)!eit
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Bilbenbe Kun(l.
|u bid^er fflr mSxiitn^ft ge^alteiteti ftontra^ gab. 9)Ht
brod^te er e« fertig, nod^ im äWittelgrunbe ungebrocbene
gorbeii im l^eüften Sonnenfd^ein Icud)tcii laffen, inbem er
bie Äontrofte im bläulid^en ©d^ottenUd^t beö ^JSorbergrunbe^
fo ftorf toä^lte, bafe fie fclbft ben roormen aJiittelgrunb jurüd*
brftnglen : bief er aber rüdte bomt toieber bte Serge bed hinter«
grunbed in bte loeitefleti fernen. SUtf biefe SBeife fd^uf er
für ben SBefd^auer ein TOo^tigc^, ja öberqueUcnbeg, ben 9^a(;men
qleic^jam fprenc^enbeö, ein ibealiftifd^ee S^Qumgefü^l: eine S^er--
boppelung ber Qntenfität feiner (Smpfinbungen ergreift i^n imb
gleid^t fttr feine ^nfd^auung ben diaum ber plaftifdj^ S^eali»
Herung ber ®efiatten an.
(Sine gehobene Harmonie ber gefamten &x\fyxm gform ifi
bamit exxt\ä)t, unb e^ bebarf nur nod^ einer cbenfoQ^ ibealiftifdicn
inneren Harmonie, eine^ jur äufeeren gorm ebenmäfeigen ftarfen
©timmun0^9e()alt^, um Jlunftroerfe von ibcoliftifc^er ^oHenbung
entfiel^en }u laffen. Södlin erlUmntt im S^^^ ©d^affeni»
aud^ biefe {teilte fiöbe. Sumeifi, inbem fi^ Statur unb de*
flaltenwett ba9 ®(eid^gen)i(^t l^alten unb bie eine btefelbe
Stimmung in un§ au^töft raie bie anbere; fo am uoUenbetfien
roofcl im ,.6piel ber ^BeQen". 33igiDeilen aber aud^ in ber 2lrt,
ba§ entroeber ba^ :^anbfd^aftlid^e ober bad ^ebenbig^Drganifcibe
überioiegt, ieber %M aUx 5ur ooOen SSi^irbing bod^ bed anberen
bebarf. 3n ben meiflen fallen fie^t l^ier, aui» begreiflid^en
Urfod^en bei ber ©ntiuicflung^roeife biefer 5lunft, bas Drganifd^e
im 58orbergrunb, am munberbarften melleid^t im „©cbmeigen
im Sßalbe", biefem Silbe forootjl norbifd^er roie füblic^er ^45^au«
tofie, ber S^erförperung jener fd^red^aften (ginfamfeit abgelegener
äBalbtiefen, in bie bie freieren äBiberfd^eine ber Stdiitung hinein«
fpielen. ^ftr baft flbem)iegen bc^S ßanbfd^aftlid^en bietet ein
(]ro6i]carteteö Seifpiel ber „^rometljenS" com Qatire 1882: bie
ftitiftertc Sanbfdjaft eineS über branbenbcn äi>ogen auf-
gebauten ©ebirge^, ba§ fturmumroe^t unb ftutjerriffen in
boppeltem @todfn)er! b\» gur legten ^ö^e bei» fö\\M auf«
ragt, einem j^immel unb einem Soltenmeer nod^ eben
^lai laffenb, in beren erfiidfenb enger Xtmofpbäte $romet^euS
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Silbctibe Kitti|t
159
über bte ^erge l^ingelagert ift, ein ungeheurer, pergeblid[) ringen«
ber 3^iefe.
1882 unb 1883, für bie beutfd;e iiQturoliftifd&e Äunfl bie
Seiten M tlbetgattgi» SUir tinmitteUMicfüen äBiebergabe mm
Si4t'^6eneinbrfldfen, mcen auö^ Sddtind größte ^a\)xe. 9C(er
«ud^ biefe 53lüte l^atte nur SlugenblidPe üoHflcr @d^önl)eit;
fc^on melbeten fid^ 3ei4)en oc§ ?8erfaU^. ^er 3)Jeifter ftanb
bereite an ber ©d^roeüe be^ Öreijenalter^, bo^ ©ebanfen unb
<3en)o^n^iten jugeroonbt ift: lag ed nid^t na^e, bag aud ber
^tiUftenmg äRartiet unb aud ber ©timmung XOegorie warb?
SBai» ft(i^ fdfton früher ontOnbigte, l^at beutlid^ eine fünfte
«Pertobe be« ^kifter^ feit 1887 etwa jur Steife gebraut, ^ie«
3at)r geitigtc ba? 'Bilb „Vita somnium breve", mit feinem
3nl)alt felbft ein ^ingang^benfmal in bie froftigen ^aQen bed
SllteviS: eine ^arfteUung ber vxex ^enfd^enalter, nod^ in ber
^d^e meifierl^after Sonn» unb ^arbengebung, aber gebanttid^
komponiert: eine Slabientng wäre bent ©toffe ebenfo geredet
gercorben. Unb balb fd^roinbet in ber ^cljanblung üon 3"'
()alten, bie fid^ bis jum iplait 2Iffegorifd^en Derlieren - im
^af^x 1891 malte ber SÄeiftcr eine grei[;eit mit $alme, 2lbler unb
Pl^tpgifd^er 3Rüte — ottdft bie S^e unb ftraft anf^auliii^et
»eiDättigung. S)er ^infet setftielt unb giebt bie $(afii{ ber
formen nic^t mel)r wtcber, ber Umrife wirb grob geid^nerifd^,
bag gonnengebäd^tni^ nimmt ob, bie 9^Qumbcn)ältigung im
ölten ©inne fd^roinbet. 5Dic ©in^eit ber Itonjeption ber
(jro^n ad^t^iger Qalire t)erliert pdf); ber SDieifter beginnt §u
fd^manbn (loif^en fd^roffer ©tilifierung unb bem früheren
9laturo(iiSmui» ber fed^jiger Sa^re. 69 finb Seiten, in benen
fid& ^ödlin nid^t mobl füf)lte; 1890 trat ein ©d^laganfatt ein.
2lber nod; tuar feiner ^raftgeftatt metjr al^ ein 3ül)r5el)nt üer=
gönnt, unb bie ^u\i StalienS unb be^ geliebten glorenj, rool^in
er 1892 n)ieber überftebelte, zeitigten nod^ ben ^uffd^roung
einet teid^en 9lad^b(üte. Sogar neue Sinfd^auungdfeeife unb
©egenflänbe ^u bewältigen gelang nod^, tmb ben ftof)f fd^lieg«
1x6) voU von no6) unausgeführten Sbeen ^at ber ^iJieifter bic
<5rbe perlaffcn.
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BUbenbe Kunfl.
S3ödfHn3 allgemeine Sebeutung liegt barin, bafe er ben SBe^
gefunben l^at, bie moberne f^arbenraelt fo intcnfioieren, ba§ ftc
ber ibealiftifd^ gefteigerten äBiebergabe ber gorm in ebenbürtiger
Harmonie )ut ©eite ttat^ — itnb bag il^m gebmgen ift, in
bem Suf<>nimeniDirfen orni %cm unb %axU aud^ ben ^aum
fo gu meiftern, boft bö« Sloumgefü^l {ntenflt)iert etfd^cfnt. ^att
bagegen mad^te feine 3bealifiernng nod^ üor ben moberneu )p^i=
fifdjien Sid^torf^einungen. S^Hd^t al^ ob er ni^t aud^ fiid^teffefte
bel^ertfc^t ^ättc. 3lber e§ finb fold^e begrenzter 2lrt: bie
javten, bunftigen, unenblid^ abfd^attietten äBibecfd^eine liegen
nii^t im 8erei<i^e fetner fit ftnb mit biefer unoertrögtid^ :
nur bie allgemeine ^eüigfcit, bie §c(Iig!eit einer früt;ling§-
feudalen 5Itnio)pl)äre f)at er ibealiftifd) perförpert. 2)amit
^ängt bie ftoffUc^e ^egrenjung feinet Slufd^auungsfreifeS §u^
fammen. 92orbifc^er ^^antaftif {einediDegd ab^olb, ift mdiin
bo4 tvefentlid^ ber Sbealifiening ber italienif^en Statur, genauer
no$ ber Wotut bet italicnifd^en SBeftfüfte treu geblieben,
^amit fiel beuu bie gange ^oefie bc§ ciSalpinen Si^te§ l)in''
roeg. Unb auä) innerljalb ber gegebenen ©renken finb oor
allem bie n)ei||e»i)llen, bie J^ftfünimungen ber 9?atur unb il^rer
Sebemefen, benen ber SReifter auf ber $öl^e feiner Hunfi nac^«
gel)t; fetten nur l^at er ben trüberen ©ttmmung§gel)ott be«
.perbfte^, nidjt (jdiifig ben IjeifeiiHljenbcn Dbem beö Sommert
gemalt: bem ßen^ üor aQem lebt er unb in ber ^^eifeen S^it
ber ^oefie be^ füblic^en S'iecrel.
®er ®efül^töleiter noc^ aber bewegt fid^ Södlin burd^ fafi
ade Sieid^e, bie fid^ ber 9Ritempftnbung bed M& erf daliegen:
neben bem ©innigen wirb ha^ @rnj^e unb ^el^müttge manfc^au
lid)t, neben bem ©infad^en ba§ ©emcffene unb äi>ürbige; neben
Slu^gelaffen^eit unb ©d^erj unb l^einilidjcm §umor fte^t ©e^)n*
fud^t unb Trauer unb troftlofe ©d&roermut; unb SiebUdJfeü
unb (Bt^abm^tit finb oft, €d^auer unb @d^reden bod^ nid^t
fetten miebetfel^renbe ©efü^te. Segten^t no^ im ®egenßanb
ber ^arftellung, roeil gebunben nod^ an eine geroiffe äiUebergabe
be^ ^id;te^, ift ^ödlin^ 5lunft fd)ier unenblid^ in ber manbeln*
ben Belebung ber ^^atur burd^ ^efü^le: ba^ ^er§ bed
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161
üRei^itv^ burd^pulft feine ^(i^öpfungen in aü feinen ^d^lägen,
Siegungen unb liefen.
4. Qani ^onta, ein S3aucmfol)n vom ©d^roarjiüalb,
1839 geboren, würbe jTOan^igjäljric^ 2Binterfc^üler ber Äart3*
rul^er 2lfabemie, breifeigjä^rig ©d^üler ßourbetg. $Bon (Sourbet
TDurbe er in ben fortgefd^tittenflen S^P^^efftonidmu^ ber fed^»
Siger 3al^te eingeweiht: ab er aber im SBintec 9on 1869 auf
1870 ^e^n groge Silber vtm fe iwA 9)^eter Sreite in ber neu
errungenen gomtenfprod^e ber granjofen §u ^arl^rul^e auS-
fteHte, fiel er bamit in einer unerl)örten 2ßeife burd^ — unb
jtiQ unb perftodtt, roie er xoax, 50g er iid^ junöd^ft nad^ ^lünd;en
}urüd. Später |^at er bann lange verborgen in granffurt am ^ain
gelebt, bie neut^ger Saläre Siu^meS bie f^lle brad^ten unb
ber giirfl feinet Sanbed i^n in bie Stabt eben ber Xfabemie
berief, bereu fiel^rem er früher fo oiel f4)einbar oergebene
Wx\)t c^emadf)! fiotte.
@iit«)icfIungögefd^idJ)tUd^ ift ^l^oma S^ealift be^ t)or=
gefd^rittenen p^^fiologifd^en Smpreffionidmud, wie SddUn
Sbealifl ber SÜnfdnge biefeS ^n^P^^ff^onidmud getoefen war: in
biefem ©inne fe^t er bie 9^eiF)e ber beutfd^en 3bealiflen fort.
??reilid^ \)at er babci, ber äu Bereu gorm mä), ben SbeatiS^
mus faum über ^ödElin l^inau!5 geförbert, unb aud^ in ber
SSirtuofität ber Xed&nif ifl er biefem feine^roegg gewad^fen.
92i(bt ate ob er auf bem @ebiete formaler ^ortbilbung nicbt
0ro|e8 l^dtte (eiflen ttnnen, — loer wirb bei bem 9Ra(er einei^
Öilbeg roie „^ie raufenben Subeu" glänjenbe ted^nif^e 58er*
antagung üerfennen? 2(ber biefe Seite feiner Kunft feffelte
il^n nic^t^ benn er mürbe oon einer ganj anberen ©etoaU DöHig
in äinfprud^ genommen unb gleid^fam mit Oefd^lag belegt;
wn ber Slo^t einer fiberqueüenben bid^terifd^en ^l^tafte.
Unb biefe $l)antafte l^at nun, im ©egenfa^ gu ber aSer
anberen gbealiften biefer dUxl)c, feine Spur oon Äo^mopoliti^mu^
an pd^; fie ift burd^au^ unb rein beutfc^. Db Slu^länber ^^oma
gon^ober aud^ nur einigermaßen oerfte^en fönnen? 3^benfaQd oer«^
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Stibenbe Kunft.
fielet %f^ma baiS Sitilfenb ii{#t. ^)etm er mag xm {|m malen,
roa^ er töill, einen cngltfd^en 8tianb ober bie gelfenriffe beg
©Qrbofee^ ober bie oerbrannte (£bene ber Campagna: e§ i|l
atte^ eins unb toitb alle§ beutfd^, — unb felbft bie Statienerinneti
loerbeit bei il^m |tt beutfd^en ^^uen in fiember 9ladfe.
3m ^nne unoeclierbaren ^eutfc^tum^ aber ift 2^^oma
loiebentm ton einer gana befonberd eigentüiEigen, niemaU oer«
bmtbaren $l^anta|te be^errfd^t (&t {lebt meber bie einfädle
SBirMid^Ieit wenn er fci^offt, fo gut er fie in ber ©fi^e ab*
fonterfeit, nod^ erfaffen \i)n bie onfd^aulicl^en Qbeen ber ^tit
3«)ar nähert er fid^ itjnen gelegeiitlid^ : feine ©tillleben unb
feine Silbniffe jeigen, xoa^ fein 3Birflid)feitöfinn rermag; unb
in ben äUIegorien fpäterer ga^re nähert er ftcb au(b inbattUd^
biiSmeUen befonberen 3<^itgebanten. SOer gan} babeim ifl er bod^
nur im einfad^ mit ber ^l^antafie erfaßten ©egenftänblid^en.
Unb ba erl)Qlten äße feine (5d;öpfunßen, 3)lenfd^en, Xiere,
£aub{c^aften, ettoaS gleid^fam Stumm^^elebteiS: fie [trogen von
innerem Seben^ aber fie behalten e^ bei ftd^ unb eröffnen fid^
trauKd^ nur bem, ber fid^ i§nen innig bingiebt Z)ad t|l bie
SBefendoenoanbtbeit 9^oma^ mit bem erflen grogen boSftnbtfd^en
WlaUx 2)irf Sout§, ber and) auf Södflin fo einbrucfc^uott gemirft
l^at; auä) ben ©eftolten oon 33outö ift i^r ©el^eimnig ^ftid^t,
unb fie reben felbft unter Sanb^leuten nur ju ben ©onntagÄ«
finbem, bie bie i^raft beftgen, ben 3<utber, ber Re umgiebt, 8^
bred^en.
^abei ift biefe befonbere Begabung Xbomod mie ein
feiner @erud^, ber oKed burd^bringt; lein Sebiet he»
fd^außd^en ifl ibm unb feiner Walerei verfd^loffen, itberad ftebt
er öcljeimen Sinn unb baut auö beffcn ilenutni^S bie S)inge in
einfad^er ©egenftänblid^feit auf. 5)iu6 ba nodf) gefagt werben,
ba^ er eine fromme S^iatur ift? ©ottfelig unb (ampflog, mit
bem froben äSertrauen bed 9lad^tn)anb(erd fd^reitet er feined
9Begi( burd^ biefe mogenbe WkU, bem S&monn gleid^, ben er
fo oft gemalt l^at:
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Va, vient, lance la graine au loin,
Rouvre sa main et recommence;
£t je m^dite, obscur t^moin,
Pendant que d^ployant ses Toiles
L*ombre oü se in61e one rumear
Semble ^rgir jusqu^anz ^toiles
Le geste angaste dn semenr. (9Hctor ^ugo.)
X^oma^ 5limfl ift fo in nod^ ganj anberS iimfajfenbem
Sinne att bie Aunjl SödUnd nur bie ^ntmidhing feiner
^l^tafte, ni^t feiner Xed^nil^ ®em\% ifl bad fQr ^oma nid^t
ungeftraft geblieben, — benn Qud5 ber 9f^eid)fte entfernt ftd^
ni^t von ber Statur, ofyxt ju leiben. Slber biefe ©ntroicfding
roax fein ©d^idfat. 2lud^ jeigen bie erften Saläre ber ©elb»
ßönbigteit ben ^fler ted^nifd^ nod^ forgfamer unb nod^ e^er
in ben @eleifen bei» Courbetfd^en 3mpreffioni8mu8, loenngteid^
rm SInbeginn bie rein oufd Slnfd^aultd^e im beutfd^en @inne
geridjtete @inbilbung0fraft bie ^^eleud^tungsfraije betfeite fd^iebt
unb fid^ an bie gormen \)ält, bie in ber unbeftimmten ^eßigfeit
aber fel^r befUmmten Suf ttlar^eit bed beutfd^en ©p&tnad^mittagd
(Aen.
3n ber ber ©egenfiftnbe ift t^^oma in biefer erften
3eit fo unbegrenzt roie nur je; er matt qüc^, Sanbfd^aft unb
Silbiü^, ^ierftücf unb gigurenbilb, 6tifl(eben unb gclegentlid^
fogar Snnenbilbev, — bod^ ift bejeid^nenb, ba6 er »on oorn*
^ein bem ^iftorienbilb ebeiif o fem bleibt wie bem er}&^(enben
6ittenUIb: feine ftunft ift immer audfd^tiegKdi rein an«
fd^ouUd^. Snnerl^alb feine« Sereid^eiS aber beoorgugt er bie
tiefe ^erfenfung, bie äBiebergabe ber ^raft be« ©emüteiS: fo
^ Sbwnm ftnb am^ bte $edoben bet ^tviinung Xl^omaS f($tDerer
|tt umsrenaeit oB bie ber (M»i(f(itng SbdünS. (Si lommt (insu, boB
bei 09dKiii*9Becl ^fintten, 9^tO0rot»|. Union, 3 8be.) einftmeiCen eine
IM^fteve flberft^t Aber baS SBerben beS aReiftec9 oetmitteU, ald bie9 beim
Xtom«-SBer! fttr 2|oma bev gdS ift; n»enififtcn9 no^ bem 6tanbe oom
2)e|cmbee 1880 bi9 S^bntor 1900, in benen bie Stubien sum oben^
Re^enben demactt »utben. ®eiibem ifk übrigens ein 3. Sanb
bi^eft 9Berfc9 ^ug^imtmen. Sgl. itm Sotgenben anil 3:(obe,
(«Ii 3;(om<^ 1891; gf. SRei(ner, fonS Z|oma, 1889; $. X^obe,
^. Stoma XU f. Ihinft, 1899.
11*
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I
164 Bilbenbc Kunfi.
in bem fd^on je^t ^äiiftget onKingenbett Wotto he^ S>orf'
geigerö ober beg ^flüger^ unb be§ Sämann^, unb fo nid^t
am tDeni(jften in ber ßanbf(^aft. ^enn in i^r gunäd^ft, unb
allenfottg noc^ im öilbni^, liegt in biefer frü^cficn feine
Stärfe. 2)a6ei iß et im :&inb(d^aftli((en vor aUm im
Sd^matsmotb^ am Dbetrl^dn unb am Slain — tut} in feiner
Heimat unb in ©ebicten, bie btcfer ßeimot wnoanbt finb, ju
^Qufe; unb befonber^ ^aben e§ i^m roieberum ^ercj unb %i)a[ unb
glu6 biefer SJJittelgebirö^lanbfd^aften anget^on. 2)a malt er mit
ä^orlicbe beren langl^tnflretd^enbe 3üge, teitö aud einem SBinfel
beiS %^a% teils von belftenrfdftenbet fiöl^e aud; aber au^ jliQe
$fö|d^en im ©arten, am 8ad^, auf ber SBiefe bel)agen i^m.
Unb att biefe £Qnb)d)Qften finb 5rül)ling^lanbfd^aften ober fold^c
nod^ fornberoegten ©ommerg; ber fierbft ift feiten, unb ben
^Hnter fennt ^lj)oma faft nic^t: benn ben ^at er wä^renb
feiner £e^rial^re nid^t auf bem Sanbe beobad^tet.
Slber aOma^Udft menbet f{d| feine ^^antaRe. Seife, (eife
fann man bie Übergänge in ber fianbfd^aft t>erfolgen. @8 ftnb
nod) bie blumigen SBiefen üon el^ebem unb bie einfamen 3Salb'-
raeiben, bie 2Binfel im fdjroeigenben Xann unb bie Inufdjigen
©dd^en am öadj); aber bie 3)^enfdjen werben auf i^nen admä^lid^
bebeutfamer. @ie fpieien, fte luftmanbeln, fte bred^en Slumen:
fte beginnen auiSjufpre^en, maS bie 9latur fte empfinben lägt.
& ift nod& nid^t bag ^^Ow^^^^^^^l^ J allerroenigften finb bic
©eftatten fd)on reliefnmfeig bel^anbelt unb bie fianbfd^aft jum
^intergrunb gemadjt. ^ber ^2enfd; unb ^atur finb nid^t
blo6 gleid^finnig, fonbern aud^ fd^on gleid^roertig nebeneiimnber
gefleOt. ^ementfpred^enb mirb bie l&mbfd^aft bo4 mel^r S)oI«
metfd^ t)on Stimmungen unb beiSl^alb oereinfad^t; ein breiter
^infel ftreidjt lange ^ergl)alben l)in unb blanfe SBaffer*
fpiegel, ber ^ßorbergrunb roirb im großen 3"g geljalten: baS
@an)e gebt etmad nod^ bem Panorama ^u unb beginnt
monumental )U werben. Unb bad unbefd^abet aller Snnigfeit
unb ©emütötiefe, — fern bleibt aOed eigenttid^ ard^itettonifd^e
(5mpfinben, fogar bie italienifd^en Sanbfc^aftcn biefer ^di
i)abü\ ed uic^t.
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165
Unb inbem fid^ bic fianbfc^aft loanbett roonbelt fid; raeiter
bog SSerl^ältniS bc« Tlakx^ gu ben ©rfd^einungen überhaupt.
SlHed mitb einfädlet unb wiOi beuttiil^et fpted^en; boi^ Statur«
aittli^ bet &be giebt biefe Sprad^e itid^t mel^t ^er: bie
SR^t^ologte bröiigt fid^ auf, juerfl bic attgemeine, bonn eine
perfönUd^e. @§ finb Umbilbungen, bic fid^ mehren, je ftärfer
fid^ bcr 3Rcifter ben SBierjigern näfiert; Tic leiten feine groge
3eit ein. 3n)ar ntit ber antifcn ^i^t^ologie ift ^oma ftänbig
auf gefpanntem ^ge; feine f$aune finb inmter ^l^ilifiec
gebtieben. Unb aud^ bie notbifd^e S^h^t^otogic, }u ber i^n
gelegentlid^ ^Rid^arb STsagner verleitet liegt i()m nid^t: er ift
fein Serferfer, unb ©icgfrieb ift bei xfyM ein Iprif^cr unb fein
^elbentenor. 2)a ge^t eÄ mit ber dj)nftlid^en Äiegenbe fd^ou
ote( beffer unb aQem, wcA mit §ur ©efd^id^te bed d^riftti^en
^eiUmegdS red^nen lönnen. @an} aber giebt ftd^ X^ma bod^
nur in feiner ^öd^fteigenen, felbftgefd^affenen ^tl^otogic: unb
bic ift grunbbeutfd^ im ©inne unferer ÜJlärd^en. SDa treten
juerft grauen unb ^inber auf, feine ^>utten, fonbcrn beutfc^e
^aufebaäd, feine ^lufen ober (^l^aritinnen^ fonbern beutfd^e
3Mtter unb 9)2äbd^en. (Hne ber erfien gana gelungenen
©d^öpfungen ift ^ier bie ^^S^lad^t" vom Qal^re 1875: burd^
ben Sternengtanj eineg rounberbar beroölften $immcfö tragen
roeid&c SBolfen bie 3)?utter 9lad^t mit groei träumcnben Äinblein
im ©d^ofee. Unb aud; fdjon in ben greifen für bad Uttmannfd^e
^ud uom 2ltt^^c 1875 tritt ^l^oma^ ^örd^enfinbcrtDelt auf. @ine
ber liebeni^mürbigfhn Sd^öpfungen beiS Sleiflerd auf biefem ©e*
biete ift bann bie f ogenannte ^ttenmoHe, ein Wotin, bod er am
üoHenbetflen molil 1879 Derförpert f)at: bie Sluflöfung ber unferen
Äieinen fo teuren roeifeen ©d^äfdfienraolfen be^ ßod^fommerg
in eine ©d^ar Iieblic|) fpielenber ^inber, mit pcrrounbert
)iDifd^enbrein fd^auenbem j^immetebku unb Slumenguirlanben
}u gügen. Xber baneben taud^t nun eine ganse nt^tboiogifd^e
SBclt auf: üWeerroeiber, nadfte glötenbidfer on nöd^tUd^en ®e*
tDöffem, ibi;flifd^e Birten an Duett unb blumigem Ufer; unb
fleine SBolfenfinber, bie roo^l gar auf ben flingenben gittidjen
eined Stäben einfam unb aOein ben gewagten ging über
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Bilbcnbe Kunji.
Setg unb oerfu$eit l^in htxtfi (Nitrenen l^dl^eit bed
^immelg.
^ag oto Toirfte nun auf bie ^t^ed^ui! beg ^cifler^. ©eit
feinem fünf^igfien Si<'^i)xe etwa !ommt äBanblungen, auiS
benen fafi ein neuer 6til l^etDorge^t. SDie &inbf$aft wirb
nun mit nod^ bteitetem $infe( unb in noc^ Ratteren S^attte«
rungen bel^anbelt, gugteid^ aber für i^re formen ein be«
ftimmtercr ^ilu^brud gefud^t: {)ierbMr(5 wirb bic 3öl^l ber ba2
6timmung#element entljaltenben ^otioe nod^malg üerringert:
jinb bag ©nbergebni^ ift bei aller 2x)x\t ein monumentaler
S^arafter. Snbem aber bie Sanbfd^aft fo in einfädelten ^*
monien su tdnen beginnt gleid^ ben langgezogenen Kccorben
eincg Drd^efter^, tritt ber 5Wenfd^ aug i^r f)exr)ox als ber per-
fonipäierte Präger biefeö 5llangeg, biefer ©nipfinbimg. ^)ie
Staffage iDirb je^t grogftgurig; unb in f efter S^id^nung ep
fd^einen bie ©eßa(ten abgel^oben von bem 9%aume, ber binter
il^nen in weite gemen »erläuft S)iefe Sbtffaffung finbet ^
am frü^eften in ben „Sabenben ^rouen", bem „igeimweg/
bem „©infamen 9litt", ber „glud;t nad^ Ägypten"; jinb
ȟber au^ ben Saftren 1888 nnb 1889.
Anfang ber nennjiger Saläre nal^m bann X^oma, menn
aud^ in anberem ©inne, eine Xb^tigleit wieber auf^ |u ber er
ate Anabe einfl befümmt gewefen war: er begann gu Htl^o«
grapf)ieren; unb eö entfianben nun jene S3Iätter einer neuen
Jlunft(it{)ograp^ie, bie l)eute fo üiele beutfd^e Käufer fd^müdfen.
Sie roaren anfangt red&t einfad^, bann fteigerte ber 9Jleifter bie
Xed^nil oom bioien (Sintonblott Miellen ^apieriS ^ux ^erwenbung
oon Xonimpieren mit genau auf fie eingepaßter Sd^attierung
ber S^i^nu^d^f^i^^ unb Don ba ju blättern im !Dle^rfar6en<
brndf, für beren D^^üancierung alle ©rfaf)rungen ber mobemen
ß^emie nu^bar gemad^t raurben. Unb balb geigte baß aud^
com Stanbpuufte ber perfi^nlid^en ted^nifd^en (^ntwidlung be§
äßeifterd in bie neue ftunft gewäl^lt war. S)enn wenn biefe
oom fpi^en gum breiten $infe(, von ber breiten SIrbeit §ur
flrengeren Umreifeung ber J^Öi^^^" ^orbcrgrunbeö unb
t)om Umreiten fd^Iieglid^ faft jum 3^id^nen fortgefd^ritten mar^
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fo mugte fte aU Unterlage biejenige §ei(i^nenbe ftunft befonberft
totttfommen l^eißen, bie otn rocic^fien raar unb am leidf)teflcn
Stimmung aufnal^m unb toiebetgab. ^ieje ^unfi aber mat
bie bed Steinbnufi^.
9Bad Zl^oma im @teinbnul gefd^affen f^, toeiß meift auf
ftftere fjtttibe feinet ^l^antafle pMi, unb au$ frül^ete Stubien
na<5 ber 9?otut pnb benu^t morben. ^abei tritt bie ßonb»»
{d)aft noc^ mct)r jurücf unb fiegt fafl gonj bo^ ®ro6*
figurige. Unb mel^r nod^: bic X^^nit ber immer nod^
fortgefd^affenen Clgemölbe beginnt fic^ nun bem lit^o«
gropl^if d^en 3^dftnungi»füle ot^nO^em, ia unter)umrbnen. 9lie
mx it^ma pilant in ber f^arbe, ja aud^ nut fiarf {tnnlid^
gewcfen: je^t oerlieren bic ^axhm ben golbigen ©d^immer
früt)erer Seiten unb loerben leidet ^arte, flumpfc, auf ©injcl*
Reiten üerjid^tenbe gtäd^enf üüer ; immer l^atte fein ©d^affen bei
aUer ^Qe unb Srud^tbarfeit bad B^wm, @tcenge^ älvbeitd«
noOe be9 beutfdl^en Sauevn behalten: je(t erfd^nt bie gan^e
igerbigfeit biefer unbel^olfenen unb bod^ fo treuen unb Hebend«
merten 3lnmut: bie SBilber roerben faflt ju folorierten 3^^^*
Hungen, unb au^ il^nen fprid^t beinah unoer^üllt nidjt mel^r ber
^aler, ber mannedbäftig ber ©rfd^einungSroelt etroaS in
Üd^ Sottenbetem sugemanbt ifi, fonbem ber altoäterifd^
Sinnend unb S)enfend.
SoHte baö ©djicffat be^ Übergangdibeali^mu^ fein, in
einer neuen ^artonfunft ^u enben?
♦ ♦
5. atos itlinger, gdboren 1857, vm in ben erfien $erioben
feined Sd^affend nimtelmlid^ Stdbierer unb i{l je^t oome^mßd^
Silb^auer: — er roeifl in einigen 3ügen gurüdE auf ©enetti
unb Sd^roinb unb beren 3Sorgängcr big in^ 18. Sa^rfiunbert;
unb er ifi ber lefete ber ^bealiften ber Übergangdgeit, er weift
vmo&M in eine anberd geartete Bn^unft
ätabierung unb llupferflid^, bie ^ftrfUnnen im 9ieid^e
jener fünfte, bie 5t(inger unter bem Si^amen ©riffelfunfl ju*
fammengefagt ^at, roaxnx im Saufe be^ 19. 2la^rl^unberti^ von
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BUliiibt ICmtlt
i|ter $ö^e wii ^erabgefunfen. fBo ^uQHgten il^nett nod^
gro^e Äünfttcr wie einftcn^ 2)ürer unb Stcmbronbt? ^eilroei«
fd&on feit 3}?arcanton, erft red^t bann feit bcr Qüt ber "tRuhtn^^
fted^er unb i^rer 9{ad^folger im 18. S^^r^unbert Ratten fte,
nitti 6(tat»innen beS $infetö luib ÜRetgeU, lumelfl ber 9U»
pYobttftion mm itunftmerien bec Waterei itnb Oilbiteret gebtent
unb bemgemäg iduflratioen ^^arafter atigeitomnten. Unb boiS
war im 19. Qa^rl^unbert nodj fd^ (echter geroorben. ^wax ber
Sinienfiipferftid^ l^ielt pd^ in bcr äßiebergabc ber gröfetcn
3Kcifterroerfe ber ^«DJoterei ungefähr nod^ auf alter $öl^e, aber
für bie einfädle SOufiration traten iBit^oftrap^te, ^Isfd^nitt
unb oud^ ber unfihiflilerifd^e @taf)(flid^ fo nentid^tettb iti ffiett*
beroerb, bafe bie ^abieruugeii faft ganj, ber Äupferftic^ beinahe
Dcrfd^roanben.
Sollten bemgegenüber beibe Ted^nifen roieber ©efäfee fünft»
lerifd^en 6d^affeni^ werben, fo beburfte eS^ ber £o^ldfung oon
ber Sduftration unb bei» Sintrittft elneiS Xugenblidd, in bem
üe sud^^id^ berufen erfd^ienen, ber allgemeinen entwicflungil«
gefd;id)tlid^en S^lid^tung beg malerif d&en 2lugeg ju befonberg
leidstem 5!u§brudf üerl^elfen. tiefer 3)Joment fam mit bem
2|mpreffionidmuiS, n)enigften^ für bie äfiabierung: benn feine
anbere ©d^mar^iDeifttedftnif ifl aud^ nur onnö^emb in gUid^
9Beife n»ie fie imflanbe, htA Sid^t in bem blo^ ®e0ettfa|e
aipeier ^^arben (ebenbig ju mad^en.
illinger ift in beutfd)en fiauben ber gröfete ^Keifter ber
neuen Rnn\t, bie bamit möglid) warb. Unb fd^on febr frül),
jwan^igjä^rig, begann er von ganj beftimmtcn ©efid^t^putiften
^er in i|r |u fd^affen. felbft l^t fpöter in feinem 1891
gefd^riebenen, 1893 oeraffentUd^ten 8fid(lein über bie Sriffet*
fünft au^gefübrt, xoa^ i^m oor allem aU SSorjug ber S^labierung««
fünft erfdj^eint: bie ^Jlöglid^feit, fdbärffte ©ef^enfafee von Sid^t
unb (Sd^atten big jur SDarfteHung oon bireftem 2iä)i unb
birefter ^unte(l)eit herauszuarbeiten; bie ^rei^eit ^u fd^arfer
IBetonung bed 9^^^t^^ma unb ber fdmequn^ unb baburdj» ber
Sanblung, auf bem Sege jeid^nerifd^en Umriffed; bie 92ög^
lid^feit, o^ne befinierten ^iutergrunb barjufieUen; bad leidste
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SSerfd&meljen felbft naturaliftifd^er SDarftetlung mit ber Dmo*
ttientif. S)ag 3wfö'""ienn)irfen biefer grcil^eiten, bic offefamt
bie äRalerei nid^t htfi^t, erlaubt ei» bann, toufenbrnol frifd^ec
tmb intenftoer ott in bec SRoIetei in einer gteid^tdnigen f^otge
oon Silbern ein Btüd 2thm im fc^neden äßed^fel aOer nur
jugängtid^en (Sinbrüdte rcieber^ugeben: „fie mögen ftd^ epifd^
ausbreiten, bramotifd^ fid^ üetfd&ärfen, mit trocfener g^onie
und anblicfen: nur Sd^atten, ergreifen fte felbft ha& Un«
gel^erlid^e, ol^ne anju^g^."
9Ran fielet, wie biefe ftunffaoeife pb^ntaftebetebt fein ntu|,
foll fte bebeutenb wirfen. 35enn wie in ber 3)id^tung unb
3Jiufif bie SBorte unb Xöne gu Strophen unb t)ormonifd^em
Sa^e, fo fd^iegen i^ier bie einzelnen ©ceneu gu ©ruppen*
fompofttionen ^ufammen: nid^t bod einzelne älnfdiiauttd^, fonbem
^anje Slnfd^auungdlreife, ganje finntid^e, aber gebanlenlaft oer«
bunbene ©ebiete müffen ate groü empfunbener ^n\)aU ind
^ben treten.
@ben in biefen 3wfonimenbängcn lag für i^linger ber ditii
ber ^abierung. ^enn er gebietet über eine $b<^ntafie, bie an
3ntenftt&t bie S^omad erreid^t, an Sudbel^nung unb SReidfttum
ber sieflaltung ober nid^t b(o6 fte, fonbern aud^ bie Wdlin9
bei meitem übertrifft. 3a faft rcid; ift fie. Überrooltigenb
ftcigen i^re (Sinbrüde quö unerjc^öpflidjem Sorn (jeroor unb
bebrängen einanber unb oerbrängen, fo bag nid^t feiten p^n»
taftifd^e ©ebübe non einer ^ülle ber Sufammenfeftung ent«
jU^en, bie unentwirrbar bleibt. Sie aber foQte einem fotdften
be^finbig fprubelnben DueO bie SSItaltt^ genügen? ber
Siabieiung erft ergofe er fid^ auf fein eigenfteö @efi(be.
^abei jeigen bereite geroiffe S^obieningen ber erften -^J^eriobe
(1877—1880) ben ©til be^ sufünftigen 3Reifter«. 3n ben
..Slettungen bei» Otnb" erf^eint bad Dmamentale beinab fd^on
in ber SoOenbung, getüig aber ganj in bem 9teid^tum ber
fpäteren SBerfe, — unb merftüürbig berührt babei, wie geroiffe
oiel fpäter auftaudjeiibe Eigenheiten ber mobernen fünft'
getoerblid^en Drnamentif, wie ]d)on einmal ä^nlid^ bei SRunge,
bid ini» etnietnfie 9orgebi(bet erf4ieinen. Unb loie anmutdoott
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BU^^ Kitttlt
ift ber bunte SBcd^fel pflanzlicher unb tierijd^er (Elemente, unb
mit weld^er Energie bed ^nitnalifd^en ift ber ornamentale
^enfd^ in ben ©d^mudral^men eingefügt: unb fd^on tc>
Wefer ornamentierte menfdftlid^e Rdrpet Uife Büge ettieil perfön«
(i^en fd^on fd^einen l^ier fene fd^mad^tigen, flraffen,
fe{)nigen gormen angebeutet, bie, 3lngel)örige einer mobemen
^ifenjeit, für Älinger fpäter mel)r aii für irgenb einen anberen
beutf(^en j^ünftler be^eid^nenb gen)orben finb. ^ilber aud^ im
SanbfdftaftUd^en ifi bereitö mand^ei» oon bem fpäteren Rlinger
oor^onben, fo oor allem bie Umgielimg ber geologifd^en
(Elemente in bie formen einet perfönlid^en ©ebirgdard^itefttir
unb beren einbrudfSDolIe ©lieberung bei aller p^antaflifd^en
Oppig!eit beö bebecfenben ^Pflonjenroud^feS. Tagegen ift ber
^ienfd^ al^ ^igur unb Staffage noc^ wenig pecfönlid^ gebilbet:
nodft 0an| überwiegt ^ier ber @toff bie gorm unb bie ttber^
tieferung baiS eigene Gd^affen.
Um wie mete^ fü^rt ba eine gmeite $eriobe (1880—1888)
weiter, bie jugleic^ bur^ bag Sd)affen roenigfteng on einem
großen ©emälbe, bem „Urteil beg ^ari8", foroie, gegen i^r
@nbe, burd^ ben Übergang jur ^ilbnerei d^arafteriftert mirb.
SHe »Snterm^i", bie im Seginn biefed Beitabfd^nitted fie^,
9ergegenm6rtigen mo^l am beflen, mod ittinger in ben erfien
trter 3al)ren feiner 9^abierung«funft junäd^fl ted^nifd^ errcid^t
batte. 5ür Teutfd^lanb, barf mon faft fagen, ift in bicfer furjen
3eit ber ß^arafter ber mobemen 5labicrung erobert roorbcn,
namentlid^ bie geifireid^e ^erbinbung oon reiner 9iabierung
mit Squatintamanier unb anberen ^ed^nifen, beren Aombi*
nationen ftlinger aud^ fpäter burd( eine güOe großer unb
fleiner ©rfinbungen bereid^ert l)at. ^JJiit biefer er^öl)ten ^^ec^nif
aber näl)crte fid^ ber Hünftler nun oor allem ben Problemen
bes eben bamald in Teutfd^lanb um fid^ greifenben pfi;d^o^
logifd^en Smpreffionidmud: ei^ ifi einer ber intereffanteften
9lomente feiner Sntwidflung. 9m frü^iefien Hingt biefcr
^mprefftonidmuS mol^I an in vier grofen Sanbfd^aften au8
bem ^ai)xc 1880: finb Syperimente in oerfd^iebenem ßic^t;
man lönnte fie gerabe^u aU ^tiim beiS Xage^ bejeid^nen. Unb
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Sttbcnbe 7£unft
171
roic ßellt fid^ ba illinger ju ber neuen 5lunft? (B^ ift biefelbe
Se^anblung, bie toir fpäter in feiner ^JD^alerei htobaö;)tm
Wethen, — nur l^et no^ oiel unmitteUorer tm^ bie Sec^^nU
bet 9tabieniti0 manlait, nrit bort bittd^ bie Sotbenrngeii eined
materifd^en 3beaH#iimd: er (e^nt il^re ^orberungeti ni<l^t ai,
ober er orbnet fie ber gorm unter uiib ift baburd^ oeranlofet,
ba^ 2i^t ju ibcalifieren. 9ü(f)tS ift in biejer fiinfic^t bejeic^*
nenbcr qI§ ba§ vierte biefet ^i&ttex, bag „nnc^tlic^e 2)orf":
eine £anbfd^ft, bie ^an) in mobemer Sid^tmiffaffung, bod^ in
biefer fHHftert gegeben ifl; fbibet {i4 bod^ l)kx fogar fd^on
jene ßilijterenbe S3et)anbfung ber Qtmofpl)änfd^en fiuft unb ber
fiid^teffeftc, foroie üornel)mlid) aud^ ber SBolfen, in bei* Äiünger
fpäter bi^ §u onti^ropomorpöer Umformung ber SBolfengebilbe
fortgefd^ritten ifl. Spotet ^at er bann bie ^e^anblung ber
mobemen Sid^tprobieme in ber Kobierung nodft viel umfaffenber
aufgenonnnen; nantentHd^ bie Dramen'' (1881—88) {trogen
oon immer unb innuer roieber anber^ geioenbeten ßjperimentcn
in biefer 9?i(^tung.
finb SSerfuc^e oon ^o^em ^ntereffe: fie ergeben für
iUinger bie Sf^otn^enbigteit, Sunöd^fi wenigßen/» atö 9%abierer
Umrig unb ^orm nid^t faOen pi laffen, fo fe^ {idft aud^ gentbe
burdft bie ntaferifd^en i8id^ten)eriniente bie ^iefe unb 9[u9«
brucf^fäljitjfeit ber D^obierung fteigern (ie6; unb jte raiefen
bamit ben Tlakx bei atter SereitmiÜigfeit , impreffioniftifd;e
@rrunöen(d^aften aufzunehmen, bod^ auf ba^ ^^^laftifc^e ber @r*
fdfteinungen ^in bid su bem @rabe^ hai, freilid^ innerer äSer*
anlagung entfpred^enb, aud bem ^alet ber 9in>^auer (eroor«
ging, ^eroorgcl^en mufete. 3" biefen 3ufommen!)öngcn beruht
bie ©in^eit ber Äunft JlHngerS unb ber Stielen, bie l)eute in
^armonifd^er ^erbinbung oon Malerei, Silbnerei unb aud^
Saufunfl ibealißifdft fd^affen.
SBoiS iUinger nod^ meiter an ber Stabierung feß^ielt, bad
mar bie flberfölle fetner ^^antaFte unb fein grOMerifd^er^ ba«
maU no6) nid^t qu§ peffimifti) d&en Stimmungen ^um DptimiS*
mue freubiger ©ntfagung bur(i)gegorener S^arafter. Unb fo
bilbete fid^ junädtift nocd toefentlic^ auf biefem Gebiete fein
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Bixi meiter. Unb innerbotb biefe<S 33ereid^eö brängte er \e%t
vox allem einem abgefd)loffenen ^öeal be^ menfd^lid^cn Äörperd
SU. S)ei; (^9f(u» ,,(^n &ben'' (1881—1884) leigte ba fdb^m
3temli(!b Ilat beit ®ntnbtt^ud; DoOetibetet aber ttat er erfl in
bem (Er)tm „®ine Siebe" (1879—1887) berüor. S)tcg 2Berf
oerbanft feinen 21bfd)(u6 unb baiS freie 5lünft(ertum feiner beficn
Slätter ben 3a^ren beö «ßorifer SMufenttjalt« (1883—1887) unb
ber ftiQen ©innjirbing ber ^anbjeid^nungen Sionarbod im
Souvre. 9U4t atö wenn iSionotbo fßate ber bef onberen gformen
oemotben n>&re. SBol^t aber ^at feine ftunfl ben Sleifler auf
feinem ^Bege jum allgemein i^ienfd) liefen begleitet. Unb fo
tauchen fie benn je^t anf, bicfe tuie aug MeiaU gcfd^miebeten
Äörper mit ber fd^arfen Betonung ber ^üftpartie aU ber
BUfU, bie ffir bie ^etoegung bei^ förperlid^en @efamtmed^anis*
mud entfd^eibet, Jene Wönner mit ben unerbittlid^ garten
^u9fe(n iinb bie ^r^wf"^ i>««n 9leroengef[e($t gleid^fam offen»
gelegt ift, boren ^hiefulatur oon ftanbig l)armonifd^em ©ebroud^
nid;t minber gefpannt ift alö bie ber 3)iünner; unb über bt&
^J^eiftcriS 5lunft \)\m\i^ barf man tt)ol)l fagen: bag mobeme
^dr^beal, bad 3bea( einer fraftfud^enben unb fiiortfreubigen
Seit iß gefunben.
3)ie grofeen S^lobierunggctiflen ber fpäteren Qcxi, „^om
^obe" I unD II unb bie „^robm^pl^antafie", ^aben biefen @r*
rungenfd^aften grunbfä^licb nic^t viel 9?eued l^in^ugefügt. %ur
bag ber ^^enfd^ jeftt mie in feinem ^nten fo in feinem an*
fd^aulid^en @d^affen immer me|r an bie crfle Stelle tritt M
toaren bie Seiten einer SBanMung ber ffieltonfd^auung be9
bamalö etwa breifeigjä^rigen ^ünftler^: au^ bem @lenb ^u^
fälligen 'TafeiniS rid^tete er feine ölirfe empor ju ben 3}?omenten
eroiger S)auer, §u ber Statur, oon ber il^m ^ilfe fam: unb in
biefer SBonblung befann er ftd^ auf fid^ felbfi unb in {14
auf ben Stenf^en: meit mel^r aü frül^er begann er i^n ju
lieben, immer mel^r rourbe er roeltfreubig unb lebenÄfrifc^.
3roar baS leiste ber großen Dfiabierunggioerfe, bie 33ra^mg*
p^antafie, ber $öerfud^, 3Kufit in bie bilbenbc Äunfl ber
ätobierung um^ufe^n, ^l^rte i^n auf gemiffe äUii^gongdpunte
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17a
feiner ©ntroirflung jurücf: auf ba^ moterifc^e ©(enient, auf
bic ^l^antaftif ber S)arftelliing , auf eine gormcngebung, bie
oor aUem einer sagen, mebr ntuftfalifd^ gearteten @inbi(bung
entgegenbmmt: tiid^td beseid^nenber^ aü hai bie Slquatinttt«
mattier nrieber flärler auftritt uttb bafi \M Sßerf in feiner
©liebcrung, feinen ^ntermejji unb ftimmung^üotl gefteigerten
teilen wie an bie gönnen ber Tlu[it fo am metfien unter
allen äBerfen ber barf^edenbeu ^unft an bie ^ugcnb«
fd^dpfung ber Dmbifd^en Siettungen erinnert Unb oudft bie
äludffi^ng trSot materif^en G^oratter: neben Zdnen non
larteper f^einl^eit, einer ffiiebergobe namentlid^ ber gleifc^töne
wie auf bem burd^fd^einenben gf^^ß^Öß^^J^^ß bünnen Sotiftö,
ftei)t ba, wo ber malerifc^e ^u^brud v&clan^t, breite, ja
flüd^tige ^eljanblung.
S>ie beiben anbeten Serie aber, bie (>Un nont 2;obe^
bringen mit ibrem emfien ibealif^en ®ebalte, mit ibren tiefen
©rübeleien über ba§ 2Befen von HWenfd^ unb ©c^icffal ben
^^erjid^t auf alle fpielenben gormen frül)erer 3a^re: bie reid^e
Dmamcntif fäQt bal^in }U fünften gelegentUd^ angen)anbter
fclbmerer Slrcbiteftonü, namentU(i^ romanifd^en Sarod^d; unb bie
beitere S<^be(melt l^alb l^umoriflifd^, l^alb grotedf bebanbelter
3n)ifd^enn)efen ^n)ifd^en 9{atur unb 9Renfd^ ifl abgeftorben.
^ie reliefmöBige Äompofitioii ber Scene, uereinjelt fd^on friUjer
oenuenbet, wirb nun jur Dtegel: unb ricfcnmäfeig, alö ftatuarifc^e
Ro[o\)t erfd^einen bie menfdf)Iid^en itörper öor tief gelegtem
^riaont. Unb mad für iti^er ! Se^terffbeintbai^ neue itörper»
ibea( nun aud^ im einzelnen burd^gebilbet, unb ber S^finfller ner«
(iert fid^ in bie entjtirfenbe Sctrad^tung unb 5öieberga6e
jeber @injel()eit be§ ^JJIuSfelfpielS. S^^affiniert feine 8trid;lagen
iDcrben ben leifeften Slnbeutungen öon ^JJiuefelanftrengung unb
SRudfelru^e geredet; wk mit feibig fd^iUernben Mitteln erfd^eint
ber Aörper mobelUert S)a nerfibminbet benn bie frübere SSer*
binbung ber Slabiertecbnil mit ber Xquatinta; bie @rab'
ftic^elarbeit ttOerroiegt, aber nid^t in ben groben Sinien ber
6te^er be8 17. unb oft nod^ be^ 19. Qaljrljunberts, fonbern
in ben feiaften @d^attierungen, wie fie bie galoaiu)))(aftifd^e
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Btlbcnbc Kunfl.
Serflä^lung erlaubt, unb attd^ bet ^tntergntitb, alled Sonb«
fd^aftUd;e unterliegt bcr erl^ö(;ten ^ed^nif. SDicfe £anbfc^aft
ober fennt jegt nur nod) eine QÖqemeine ibealiftifd^e S3elid^tung
unb wirb i^ren formen nad^ gleiclifam ^nm Sobelin ber uor i^r
unb um fie fpieUnben @cene, — nid^t bU>i ifyce geologifd^en
(Elemente, ou^ bie atmofpl&rif^en unb f»f[an}H<i^en unterliegen
ber ©tiliPcrung, unb nidjt feiten tjcrfdjwinben i^re 5i:iefen in
2lblöiuinc]en, bie ben Dkunt fafl nur noä) roie einen Sd)Ieier,
eine bloge ^nbeutung bed iiHäumlid^en hinter ber figürlicden
©cene erfd^einen (äffen.
@d oerfte^t fi^, ba| biefe (Sntioidfung ben 5lünfUer ^ttr
fßlaftif Ijinbrftngte — bag bal^er feine SRaterei in £)( nur noc(
eine Übergani^gftufe ju biefer fein unb bQ§ fte be^l^alb in
einem B^italter be^ Smpreffioni^mu^ Don oornl^ereiii ibea«
Uftifc^en i^^)axatUt ^aben mufete.
itUngerd erfteiS grogel^ Semalbe, bod ,,Urteil bed ^fiox^^**,
1884—87 in fßorü» entjianben, seigt fofort biefen perfdnlid^
SbealfHI. Sluf einem l^od^getegenen 3J?o)aif6oben, von bem
eine roeite Umfci^ou auf blü^enbe fianbfd^aften beg hinter-
grunbeg gewonnen wirb, erfd^einen bie ©öttinnen mx ^^Jarid,
bem ^erme^ jur @eite fielet, in xoeitet Entfernung ooneinanber
fte^enb, bie eine odUig nadt, bie anbern in t»erfd^iebenen Stufen
ber (SntKeibung. S)ie Stnorbnung ber ®efla(ten ifl friedartig:
fein reid^er Äontrapoft, feine roirffame Überfc^neibung ober S5er*
bedfung ber giguren ; unb fie ift retiefmä^ic] : fd^orf unb beutUd^
umriffen lieben fid^ bie Körper üoin *Qintergrunbe ab. ^ro|*
bem ift bie ätaummirfaing bebeutenb. i3)enn bie Sanbf^aft im
fiintergrunbe ift mit il^rem tief (iegenben fo^tont burd^ reid^e
©lieberung unb leBengfrol^cS Sid^t weit l^inauSgerürft, unb ber
S3orbergrunb ift burd^ einen S^ial^men ftarf Qrd;iteftonifd)en unb
ploftifdjen ßl^araftcr^ fd^on feinerfeit^ raumtief geftaltet. Unb
bad Sid^t? S)ie ^Jrobleme beS fortgefd^rittenen 3mpre)fioniÄ»
mud? ftlinger ift nid^t eigentlid^ itolorift; il^m fe^tt ber
6inn für baiS Stftl^enbe ber ^arbe. So fte^t er ben Mo^
riftifdjen Sßerfud^en ber Sbealfunft S3ödtlin§ fem. 3)ie JJarben
finb bei i^m tiX^l be^anbett, unb eine allgemeine ibealifd^
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Öelid^tung ifl bie golge. SIber innerhalb biefer l^ett genommenen
Delixi tung fielet ber ^ünftler überauiS fein; fein @inn für ^b«
fd^Qttierung von 2i^tmttm fielet l^ö^ec xoie bei anbeten
Sbealifien. So loecben bemi Ue SUtoncen bet St^t'gfdtben*
etnbtfide fameti^IB ber allgemeinen ^De fel^r roo^I fe[ige^a(ten,
feftge^alten namentlich aud; für bic gleifd^portten. 5lber Re
ftnb fo fein, bo^ pe in ber 3iäbe für ba^ getDöfinticl^e 2liu]e
um fo weniger roirfen, aU bag „^ari^urteil" wie faft alle
anbeten OenUUbe lUingeti» ein SBetf oon fel^t gtolen 9lb«
meffungen ifL Saturn etf^eint benn bie {Datf^Dimg in biefem
Toie anberen ©emälben üon ber S^^ä^e aug gefeiten fiad^. ^ritt
man ober meitcr roeg, fo erl^ö^t fid) mit jebem ©d^rttte rüd^
warte bie ^^3lQftif unb Xiefe, big fie bei großer ©ntfernnng,
oft 30-40 ©(Jtitten, ein etjkunlid^eg 3Jla§ erreid^t. Bo
ifi bet ftünfUet te^t eigentliii |um SSBanbmatar geboten«
ftlinget ifl aSet wfil^b feines ^atifer Slufentfialted
aud^ fc^on al§ S3ilb^auer tl^ätig geroefen. SIlö er bann, in
ben Sauren 1888—1892, feine 2Berfftatt nad; ^oxn üerlegte,
war ed etft ted^t feine Slbfid^t, plaftifd^ ju arbeiten. QnbeS
bet gewaltige (^btutf bet füblid^en ^^atbenwelt, in weid^e bie
formen unablöi^iid^ getaud^t fein fd^einen, ffll^tte i|n nad^
frül^eren ja^lreid^en imprefftoniftifd^cn ^Berfud^en ^ier nod^matt
jum ©tubium beg malerifd^en QmpreffiontSmug. Unb auS
xf^m l^eroug erftanben, geroife nid^t of)ne ben ©influfe ber
^ar^eSfd^en Überlieferung wie ber ^unft ©ignoreUi^ unb
Sotticettid, bet ^eiflet einet Seit, in bet bie »Ubnetei bie
^ül)rung bet ftünfie gel^abt l^atte, oon neuem groge SBetfe
ibealiftifd^er 9)klerei, bie „Äreujigung" (1888-91), bie
„^ietä" (1890) unb „ß^riftuö im DIpmp'' (1893—96). @g finb
Schöpfungen, bie fid^ bem ^^ari^urteil unmittelbar anf daliegen,
nut oon einem nod^ mel^ gelöuterten, oot aOem plaftifd^eren
unb me|r ouf Bufammen^ang im gebunbenen 9taum beted^neten
etile. 3ugleid^ S^igen ^e oon WJb fu 8i(b eine unoetlenn*
bare Steigerung ber Slu^brud^^ unb ^lompofitionsSfäljigfeit.
S5ie „ISreujigung'' ftedt im einzelnen nod^ ooll üon ©rinne»'
tungen an äienaiffance unb älntite, bie Sid^tfü^tung iil nod^
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;3tlbetibe Knnfi.
nid^t gati) einl^eittid^; wo, etrood gegen ha& $cin§i|> bet blogen
Stellung, bie Figuren übecfdftneiben, ge|eit fie no4 n^t te(|t
oonelnonber Io9. SHe „'^itik" Die( gleiilmAiiger biir#«
gearbeitet imb von größter geinl^eit ber Sid^troerte, bod^ oerfagt
ber Gimmel mit feinen gelblid^^rofa^ blau-grünen ^önen. 2lm
^öd^ften fielet „(S^^riftu^ im Dl^mp", aud^ inl^tUd^ ein ®e«
mftlbe, bad bem Stoffe im grogeit @inne unb ergreif enb ge«
red^t wirb.
^en ilünftler über l^atte e& toäl^renb ber 3at)re, bie biefen
SBerfeu angeprten, immer unroiberfle^Ud^er ju ber 2^ed^nif
gebogen, auf bie il^n bod^ fd^lieglid^ aHeiS (linfül^rte, pr
$lafti!.
SWerbingS war er batnote in bilbnerifd^en Serfu(|m nid^t
ntel^ 9leuHng; ja er l^atte fd^on Sebeutenbei^ }u fd^affen Be«
gönnen: bie 2Infänge ber „(Salome" fül)ren nod; in ben -^sarifcr
älufent^alt, ber erfte ©nttourf gum „^eetl)Oöen" ftammt au^
bem ^a^)x^ 1887. 5lber biefe Söerle, bereu cine^ auä) ^eute nod^
nid^t oöUig abgefd^loffen ift, tragen ober trugen bod^ wenigfienil
nod^ etn>ad 90m (S^araUer bed SRalerifd^en ; ja bei ber Ron^
jeption ber „Salome" fann man an ©inflüffc ber ^Rabierung
benfen: ober (inb bie am J^uge ber fialbfxgur angebrad^ten
Äöpfe eine^ oerjioeifelnben, ju ©runbe gerid^teten $^üugling§
unb einei» lüftern aufblidfenben Sllten loirflid^ fünftlerifd^
SmpfAngniffe eined Oilbnerd? Unb weiter würbe in ben 9bt»
fangen biefer 3ßit bie grage nad^ ber garbigfeit ber ^piaftif,
rote bie erfte Bearbeitung beg „SBeetl^oüen" jeigt, ju fe^r im
malerifd^en Sinne gelöft. Später f)at bann lltinger eine oiel
bi^fretere garbigfeit beö SilbroertÄ beoorgugt, mit fie namentlid^
bie Arbeit in buntem ®eftein ermdglid^t, unb er ^at biefe Se»
Qor^ugung mit bem Sbeat eineiS burd^roeg unb feiner Katur
nad^ farbigen ard)iteftonifd^en @efamtfunftroerf<8 in S8erbinbung
gebrad()t. $ßor aüem aber entfpridjt eö biefem im ©runbe nod)
malerifd^en unb innerhalb ber Malerei roieber ibealiftifd^en
3uge, bag bie erfiten plaftifdj^en SBerfe nod^ einen befümmten
inl^ttlid^en Sl^after jeigen: gemiffe Stimmungen, gemiffe
feelifd^e Haltungen foOen gum IKuiSbrudf gelangen. 60 ifl bie
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\uxd)ihaxe „Salome" (enb^ültige gertigfteUung 1892—93) mit
i^rem ©p^injföpfd^en ouf bcm elegant befleibeten Stumpfe,
mit ben falten SUigen ttnb hm j^ö^nifd^ogieviden SKunbe unb
ben 2^atenl^ftnben bte Serlötpenmg ber peroecfen SnfHnfte
unb beS SioubtiertricbeS ber mobernen ^ime; fo giebt ber
Äopf ber „Äaffaubra" (ol^ne Stumpf fd)on 1886 uodeiibet) beii
©efü^ten ber un^eila^nenbcn ^rop^etin 2lugbrucf. 2)ag ge*
WQltigfie äBerf biefer erften $etiobe aber ift ber „^et^ooen"
(nod^ nid^t ooOenbet): bet^eifler oornüBer gebeugt auf einem
broncenen ^^rone, beffcn glod^biCber {e^]ifud;t^reid)en Serjid^t
imb l^o^eit^DoHe Eingabe rerfünben, in crliabener Segeifterimg
öor fid^ l^inf dS)auenb , im SlugenbUdf be^ Übergang^ jur
fd^öp ferif d^en %f)at; mit bem ^()ron in überirbifd[>e Sphären
entrAdt, il^m fax €eite ein §u vafd^en @d^n>üngen auffleigenbet
^ie DoIIc plaPtfd^e ^icriobe Ätingerg aber, bie feit 1895
etma beginnt, begeid^net ettoa^ anbereg. @g ift eine 33i(bnerei beä
nadtten rein ^örperlid^en o^ne irgenbiueld^e in^Qltlid;en, bid^«
terifd^en ^e^ie^ungen, eine $laftif, ber man bie (Sntfie^ung
oud gleidfter ^nb mit ben großen SBerten ber Stabierung unb
ber SRaletei nur an geroiffen (^igenl^eiten perf önlid^en @titö an*
jic^t. ^en Übergang gu biefer '^^eriobe begeid^nen fc^on bie
S3i(broetfe am gufee ber großen ptaflif d^en Umrot^iniing beä
„ß^riftu^ im Dlt)mp" ; Jjier ijl eö junäd^ft ber naäte Körper
alkin, ber ben Hünftter feffett: auf ber einen ©eite ein unter*
fetter ftdtper in Sorberanfld^t, in oer^tDeifelnbem Nufringen,
fd^on bewegter ats alle frü{)eren plaftifd^en ©d^öpfungen be§
3JJeifterö, auf ber nnberen ein jarter, fel^niger SRücfen in fel)nfud^t^*
ooQem @mpor{lreben; nur an jioeiter Stelle fd^ieben fid^ pfpd^ifd^e
ältomente ein, erfd^etnen bie beiben iBilber a(d Verkörperungen
ha 5u netgeblid^em Itampf fd^reitenben ^eibentumd unb ber in
ftegl^after S)emut ouffteigenben d^rifttid^en £e^re. ®an| aber
fleJ)en fd^on im ^cxäd) ber neuen ^eriobe bie SBilbroerfe, bie
feit 1896 entftanben finb: fo bie „53abenbe" unb bie „iRauernbe''
unb anbere mel^r. ^enn fie rootten nidjit^ außer fidb felbft, pe
ftnb nut iltte im l^öd^ilen Sinne bed äBorted: un6emu|t ftd^
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barbietenbe S3ert)errlic^ungcn ber 8d;ön^eit bc§ 3)ienf d^en»
für;)er^. 2iber — inib ^icr jeigt fid^ bie ^erfönlid^feit i^re^
©djöpferg — fie finb nid^t befd^aulic^en iEi)üxatUx^: bramatifd;
betoegt fmb fte ode, unb tM äRudtetfpiel, ba^ burd^ bie
fidrffleti eben tiodj^ in \M Urmaterial bei^ Wodtii l^inein
9U bannenben Seipegungen auiSgetdfl wirb, jeigt ben menfd^'
lid&en Seib al^ einen von tau\c\io ^eiüeguugömotiüea burd^*
pull'ten liDüfcofodmoiS.
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V.
1. ^Die ibeattftifd&e Riu\]i ber Überganöt^seit unb be«
pl^pfiologifd^en Smpreffioiü^muÄ — fo fönneii wir mo\)l bic
ftunft bec drohen ^bealiflen omt ^euerbad^ bid ^(inger mU
iDidtungdgefd^^tUd^ b^eid^tien — l^at in il^en fd^dpferifd^eti
<Beiflem von tninbeflenS etwa Snbe ber fünf^ic^er bii^ in Me
neunziger 3Qt)re ge6(ü!)t — ntet)r allein 5D^enfc^ena(ter : bann
gingen il^re legten SSertreter in^ 3^i^^"^nfcfic ober Sitbnerifc^e
über, ^l^oma jur Äitl^ograpljie, Jünger, ber fd^on unioerfaler
ab feine Sargänger mit ber Siabierung begonnen b<^tte, }ut
$(a{iiL 8on ber ®un|l ht» $ubH!unt^ getragen, alfo mit
innerem STnteit ongefd^ant unb angeeignet würbe btefe Äunft
aber erft fett ben ad;t$igcr 3at)ren. S^od) im September 1870
fd^rieb Jeuerbad^ oon $Rom an feine 3)hitter: „@ieb n)ol}l
ad^tl iOerliner ^uSfteHung 1870, (e^ter ©aal, Xotenfammer
benannt, oberfted &oä, unter bem $(afonb, in nerfebrtem
Sid^t: Webea unb Urteil bed ^oxii von ^nfetm ^euerbad^.
9Jiiete einen trodtencn ^Mag im Sager()aug unb lafj'e bie Silber
in if)ren Giften eiiiftcllen. @ö ift boö Sefte für fie unb mid^.
3d& mar unwohl, grengenlofe 3}tübigfeit, unüberioinbUd^er @fel."
3Ritte ber ad^t^iger äabre fab ftd^ Södlin anerfannt; fein
Sob im Qcifyct 1901 enoedfte in ben geifUg (ebenben Xeilen
ber Kation ba« ungeteilte ©efü^l ber Trauer.
^kn mu^ fid^ ba^ uergegenmärtigcn, raiH man gegen bie
©ntroidlung unfereö neueften ^beali^mug, beSjenigen be§ pft)d^o*
logifd^en ^mpreffionidmu^, nid^t ungered)t fein, (gr \^ai in
feinen frO^efien gan| cbaratteriftifd^en (^fd^einungen um bie
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180 Silbetibt Iftttifl.
SBenbc ber ad^tjigcr 3a^re 511 ben neunziger Sauren cint^efefct;
er ift olfo noc^ gong im SBerbcn. ÜJlon roirb x^n be^^alb
nod^ nid()t abfc^tiegenb beurteilen ober barfteUen fönnen ~
vMt^aib er auc| ||ier nur gefireift werben f od — ; molftl ato
bnn man feine aflgemeinen entn>id(ungdgefd^id^tli^en Soroui^
fe^ungen Itor legen, unb man mirb immer^iin gut tKiran t^m,
bieg 5u wogen.
S)ie 3beo(iften ber fünfziger big neunziger Saläre ^atte
ein augerorbentlid^eg @ebäd^tiüs für bad Slnfd^aulid^e, ein
äBeiterf^auen Aber bie Sinselerfd^einung bcd S^dtagd Ibin^
in ben 2^99, unb bie ^ä^igfeit bi(^terif(i^er Stimmungdmieber*
gobe tro§ aller — ober oielmet)r innerhalb aller ©tilifierung
aiiggejeid^net. 80 rooren fie fd)lid;tcr ^oüenbung oor*
gcbrungen: bag eigentlich ©eiftreid^e fe^lt — auc^ bei 5llingec
menigfteng in ben G^emälben — ; etroag ©trenged unb Steincg
nimmt in i|ren OUbem ein; eine fUOe ^ertid^feit umfängt
und. !Dabei ^at biefer (Smfl nid^ts ^rübed; rubige ^eitevMt
t)ielmel)r fprid^t auS ben 2Berfen. @g ift bie ßeiterfcit einer
oon SHUüfür freien ©efe^mäBigfeit, beg ©leicbmoßeg, ber
©elbftoerftänblicbfeit be« 2)argeftellten. a)enn biefc Silber
moOen ni^td era&b^^: fuib ein älngefd^auted an flö^, fie
geben neben ber ^orm feinen fiufieren Sn^alt, fonbern nur
Stimmung: fie geben auf in bem ©ebalt ber 3lnfd^auung unb
(?mpfinbung. Unb barum fennen i^re 33ieifter feine Unter*
fcbiebe äugertid^^ftofflicbcr Seroöltigung me^r: fie malen meber
SierftüdPe, noä) ©tiüleben, nod^ fiiftorien, nod& ©ittenbilber,
nod^ £anbf duften, fonbern Silber beliebigen Snl^alti^, ober
mit einem ganj [xis^mn Gtimmungggebalt.
SBaö rcar nun nnd; aUebem, in jwei äBorten gefügt, ba^
äBefentlid;e biefer Äunft?
Söei jebem gbealiSmug wirb man gn)ifd)en gorm* unb
©el^altgibealigmud unterfd^eiben müffen. ^er gformibeatidmud
beruht immer auf ber bemufiten Zi^^ifterung jener Srfd^einungen
ber 9^atur, lüctd^e ber naturaliflifdjen SInfcbauung jeroeilö gu»
gänglid^ geworben finb, unb auf ber ^ilu»geftaltung roieber biefe^
tppifcb ^ngef (bauten sum 2lnbioibuellen, aum {ingulär Singe»
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fd^auten im cinjctncn ilunfhoerf. ^cr ©e^att^ibeatttmu« fann
im ganjen ein hoppeltet fein: er fann bem ^unftroerf einen
StimmungiSgel^aU gefeit ober einen ^beettc^el^alt, einen mel^r
primitiven 3ufat von perföntid^ec (Smpfmbung bed lUmhieA,
ober einen 8ufQ(, ber, gmat auä^ empftnbungdgemftfi unb
anfd^autic^ c^manht, hod) in ben großen fittlid^en unb
religiö^-metap^^fifci^en ©ebonfenfreifen ber 3eit rourjelt. 3)abei
ift felbftoerftänblidti, hai bcr StimmungS^^ ober S^^cnö^^^^^t
irfelfad^ aud^ bie Xpptftentng bed naturaliftifd^ (^d^auten unb
bomit bie gform mit befitmmen mirb.
3n ber ibealiflifd^en 9}atetei ber fünfziger nemijtger
Solare ift nun ber @el)alt faft QUöfd)Üift(ic^ ftimmungSmafeig;
roo er ibeenmäfeig wirb, fe^t bie 3t'irf)nuiig ein: bie 9^abie=
ntngen ^(ingerd. Slber aud^ ber ftimmungSmägige (^el;alt
wirb in einer ^orm sum äiui&bnid gebrodftt, bie, entff rec(^enb
nod^ bent ted^nifd^en ^ifiorii&mud, in (eifem SBiberfprud^ nid^t
feiten mit bem p^^fiologifd^en Smpreffioni^mu«, an ber jeic^^
nerifdjen ©runbloge be^ öilbe^ uielf ad; fe)'tl;ält unb jebenfallg
bie menf d^Ud^e ©eftaltentoelt in einer ^laftif bed Umriffed
vriebergiebt, bie mit weiteren ^ortfdftritten bed 3<n|>^ffionidnmi(
nid^t vereinbar mar.
Sier tritt bie SCd^iOedferfe biefe« 3beaMmu9 §u ^age,
ber ^eil, roo er fterblid^ war. iiUe fonnte fid^ eine ftänbig
june^menbe ^tcbuftion ber impreffioniftifd^en Malerei auf blofee
Sid^t'garbeneinbrüdfe mit ber ftarfen ^^laftif, ber gla(&bilb*
bmpofttion gUid^fam biefed Sbealidmud befreunben ober aud^
nur abfinben? S)ie grogen Semälbe iHingeri^ entl^atten bad
oufeerfte nod& ^enfbare an gegenfeitigcn Swö^ftönbniffen —
barüber l^tnauS roar feine Ausgleichung me^r benfbar unb ^at
leine ftattgefunben.
SS^enn aber nun ber ooUe £id^t>$arbeneinbrudP bed pfpd^o»
lo0ifd^ Smprefftonidmui^ in fein Siedet trat: mie tonnte er
formalei^ ^n^ip eines netten S^ealidmud werben? Stud^ ^ier
flonben, nur je^t ganj anberörooljiu fü^renb, bie beiben 2Begc
ber ^!t)pifierung ber gorm unb ber Erfüllung biefer gorm mit
Stimmungd« ober mit ä^beengef^alt Verfügung.
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BUbetibe Kunfl.
j
^ic gotwcnfunft bcd neuen Jsbealtömuö \)at junäd^fl gum
tnobemen Ornament nnb $um ^lafatfitU gefül^rt. 3n einfad^flec
Seife. &n Si4t*Sai:beneiitbnid, auf feine reinfle Katuv Tri>u3iert
unb fomit tT)pifiert, er()tebt nid^tiS a(d einen ^eQen, mit (lu^erft
unfidjerer ©renje oerfeljenen garbenfled. 2öill man iljn be
ßrenjen, fo mufe bie ©renge in tl)ren ungefötirften gormen um=
{daneben, b. 1^. fie mug ornamentiert toerben. @o entfielt bei
einet tppifterenben itombination mehrerer tiet vieler Sid^t^
^Tbeneinbrfidfe ein fdiiarf ornamentierte^^ ®ebi(be, bad inner«
l^alb bcr einzelnen, burd^ ornamentale Uniriffe getrennten ^eitc
pon gorbcntönen in beii belichteten :2ofalfQrben erfüllt ift, 9?un
finb aber bem pfiijc^ologif^en 3«ipre)fioniömiiö alle ©egenftänbc
nur Kombinationen von ^arbeneinbrüdfen: fie aQe fann ba^ev ein
auf biefem Srnp^efftoniemud aufgebauter gormibeatidmud onut«
mentieren. Unb er tl^ut bied aud^. Sßenbet er \M SerfQ()ren auf
ganje ©cenen ober menfdj)lid^e unb tierifd^e ©eftalten an, fo
entftet)t ber nioberne ^lafntftil; unterroirft er i^m bogegen blofe
pBansUdjc ©egenftänbe, fo erhält man ba^ moberne Ornament
S)enn bied Ornament ifi grunbfötlidb )>f{an§lid^er 3latut.
^an barf fld^ l^infid^tHd^ bed Omomentd nid^t babun^
beirren laffen, bafe e8 in feinen fpe5irifd)cn gönnen anfangt
auä Gnnlanb 311 uiix> ßeinngt ift. 2)ort t)oben bie ^rärafaeliten
meit fvül;cr aU wir in ^eutjd)Ianb einen pf^d^ologifd^en
preffioni:»um6 — unb eben aud il^m bereits oud^ gan^ folge«
rid^tig baS mobenie englifd^e Ornament entmidfelt. 2>ied eng«
Iifd)e Ornament Ijat aber in ^eutfd^Ianb erfl dingang ge
funben, bie S^'it erfüllt roar: als audö bie beutfd;e Ännfi
jum pfpd)otogifd)cn QmpreffioniÄmuS fortfd^ritt; bann frcilid^,
meil aus ber eigenen ^ntmidlung ^er erroünf4)t, mit rei^enber
@dSinettigteit Unb (hierauf ^at fid^ in biefem Ornament
genau fo mie in ßnglanb aud( in Seulfd^ianb eine SBeitu-
entroidlung nod^matS jurüd in t)ereinfad^tere gormen üolljogen.
Sßon beu ornamentierten ^^^flanjen, Milien, ^ria^int^en, 3l(pen*
oeild^en^ ^ifteln u. a. m. ^aben fid^ bie Blätter loSgelöft unb
fmb jum felbfiönbigen Oniament gemorben, S)abei ifl i^re
oegetatioe ^orm immer me^r t^nfadftt morben unb fd(lie|(i4
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Btldeitbe Kttnf).
183
nur Ue ov^aittf^e Gd^tDtngung übrig geUietett, bie l^eute —
äl^nlid^ einer vermanbten pflan§ltd^^omamentaIen ©d^roingung
beÄ rontanif d^en 6tili8 — iinfer gonge« ^liinjlgenjcrbe, uom 33ud)=
bruc! in feinen omamentalen teilen btd lUx ^^öbelinbuftrie,
burdbHt.
& ein Sorgans non großem entmidlunQ^gefd^idfttU^en
j^ntereffe. Senn niie biefe neue ^flansenomomentif ber alten
ber Urjett unb, i^rem g^ormgetiatt na$, aucf) ber Stierorna*
meutif ber Urgeit fo überaus äljnlid^ ift — ift baoon fc^on
bie 9^ebe geroefen — fo l^at auä) btc urjeitUd^e Drnamentif
bie gleiche älufldfung il^rei» mrganifii^en Dmomentö in elnaelne
^ei(e unb boi^ fetbfl&nbige fortleben blefer Xeite erlebt 9hir
bofe ber S^orgong, ber ficb gu unferer iw wenigen Sahiren
ooHäog, bort gur SßoHenbung niedrerer 3o^rl)unberte beburfte.
Um fo oiel leben toir rafcber, al« unfere ^^nen!
9f?eben bem gormenibeoU^mud in Ornament iinb ^lafat*
ftil — bie ja beibe fd^tieglid^ nur burd^ ben 6toff ber S)ar*
jleCfüng getrennte (^ntmldHungen von glei^er @ninblage i^et
ftnb — bot pd^ im pf^cbotogifd^cn Qmpreffioni^mug aber aucb
ein ©ebaltSibeoliSmu^ entraicPelt. Unb biefer Säorgang ift oon
minbeften« gleid^ \)o\)im 3ntere[fe.
S)er primitive @el^(tdibealidnutö mirb immer ©timmungS*
ibealÜSmud feim i^raglid^ Meibt babei bJo|, »o^r bie
Stimmung genommen wirb, bie bo« jhtnfhoer! erfüllen folC.
Sie fann perfönlict) fein im böd;fl€n Sinne beö 2ßortcg: fo
war ed bei ben großen Sbealiften ber Übergangszeit ber 5^11 •
S)arum finb ite ade anfangt nid^t oerftanben rcorben, l^aben aQe
anfangt leiben unb föniDfen muffen. Sie lonn ober aud^ all«
gemeiner einer gemiffen Seit, einer genriffen Umwelt entfpringen,
roobet bem einzelnen 5lünft(er ber perfönlid^e 2lntei[ an feinen
Sd^öpfiino(en bennod^ geroa^rt toirb, inenn er aucb in biefem
Jalle weit inel)r S3ertreter feiner Qtit, benn aU SBortäufcr
ber ^ormfainft auftritt S)iefer §weite ifad trifft nun im ad»
gemeinen für bie 6timmungdbm{l M pf^d^ologifd^en 3m»
prefftonidmuiS ^u.
S^2id^t al& ob fi( be^^alb nid^t an bie allgemeinen Stirn*
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184 Btlbenbe Kunft.
mun0de(emente bed ftbergangdibealUmiii» in oietetii Setrac^t
anfdft(dffe. 3m Se^enteil. S)ettn bad eben vm fOr biefe ftber«
gongSfunfl jba« ©l^oraftcrillifd^c, ba§ fic um bie ^itte bcr
od^tjiger Qo^re anfing cerftanben werben, unb bajä fie in
ben neunjtger S^l&tcn populär roarb. Qn ben Greifen ber
Station, roeld^e nic^t bbg ber oergangenen, fonbern aud^ ber
Settgendfftfid^en itunfi leben moOten, entwidelte ftd^ um biefe
3eit unb mit ben Saluten immer breiter ein Serftfinbtti« ffir
bie (Stimmungen be§ ÜbergangSibealigmug, unb auf ber breiten
©runblage biefer ©mpfinbungen ift bann bie ©timmung^funjl
pfticljologifd^en Smpreffioni^muS erraad)fen.
äBo^er Jam nun bied äSerflänbnii^? tarn, um ed mit
einem Sßorte fagen, aud bem rafd^en ßnoad^fen ber mobemen
^Pfpd^e in weiten Greifen: au« ber 3unQ^uie ber SReijfamfeit. (S«
ift ein 3)?oment, bag mir etroag eingelienber oerfofgen muffen,
bcun nur auö feinem bcfonberen ß^arafter erflären fic^ geioiffe
dHgenfd^aften beS mobernften malerifd^en ^bealiSmud.
SHe ateiifamleit ift im oUgemeinen eine ^ofge unferer
mobemen IBebeni^oerl^altnifre : fte ift bod pfpd^ifd^e Sefamt*
erjeugni^ ber ©ntmicflung unferer l^eutigen fojialen unb roirt^
fd[)aftli(5en Kultur auf bem S3oben begjenigen SJ^enfd^en--
tnateriaU, bag bie SSergangen^eit ber ©egenroart jur ^urd^*
bilbung biefer ItuUur . überlieferte, ^fonberi^ ftad unb be«
jeid^ttenb erfleht baber bie 9tet|fQmleit in ben SRittelpuntten
beiS mobernen ©efeUfd^aftiS' unb SBirtfd^afti^IebenS, in ben
großen Stäbten.
2Bie aber bilben ficö nun auf biefer ©runblage befonbere
äfi§etif<jje S3ebürfniffe? 3)ad moberne ßcben ift infofern be»
fonberd un&ftbetifd^, ate ed )u befifinbigen Störungen ber
geiftigen Iton^entration fül^rt. Z)al^ ewige ^a^m, ber $ftff
ber fiofomotioe, ba^ Jllingetn ber ©trafeenbaljn, bie ftänbige
Ü6erfd)n)ennnnng mit ^^oftfad^en, ber ^ubringlid^e 9?ad^ric^ten=
bieuft ber Leitungen, bie fteigenbe 3ö^t t^o» perfönlid^en
rü^rungen bei ftänbig er(|dl^ter Seid^tigteit be« ^erfonenoerfebrd,
bied unb melei^ anbere legt vor aOem ben SBunfd^ na^ bem
Slboentum bed Slugenblidfd gu entfCiel^en: ben Sßunfd^ nad^
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BUbeitbt Knuff. 186
im gciftigen @cnu6, ein ftiüc^ ©id^oerfcnfen in ein
S)Qfein, beffen feftUd^e ©tunben von feiner ^of)dt bes; Dafein^^
fampfeS geftört, beffen Summe bem freien g^lug ber Sin»
6Ubun0d{taft geioibmet fein ntüffe.
gffir Me (SrfüOung MefeiK SBunfd^ed ifl, bei bem f^wad^
rcligiöfen Qntereffe ber legten Generationen, feit langem fd^on
Me ilunfl im roeitejlen ©inne be^ äBorte^ eingetreten — ju-
«äd^ft nur für begrenjU Kreife, bonn, mit ber ©ntroicflung
ber 9iei)famteit |U einer feelifd^en ^Itung ber fü^renben
ftlaffen, in immer ^d^erer fotei^ unb weiterer Xudbel^nung.
Unb ba (am nun an erfler 6tele bie bilbenbe ftunfl in Bt*
trad^t; benn bie ^id^tung unb nod^ me^r bie Xonfunft er-
f orbern gu t)olIem ®enu6 eine roillen^fräf tigere, perfönlic^ere
^on^tration: — aber bie gerabe. {diente man, ber voax man
in mand^er j^infiddt am menigfien geioad^fen. 3n biefem 3^'
fammen^ang verfielt eiS fld( aa^, menn unter ben Bitbenben
ilünften wieberum bie SÄatcrei bcfonbcr^ beoorjugt warb : bcnn
eben ftc flettt an eine perfönlid^e 3nitiatioe im @enu6 bie ge=
ringften ^nforberungen. @o fd^müdte man benn feitt ^eim mit
33i(bem, fpdter immer mcl^r aud^ mit anberen SBerfen ber
Itunfl unb bed ftunfigemerbed, um in fütten @tunben, fid^ fetbfl
Eingegeben, in (eifer Anregung burd^ bie Umgebung rafd^ ben
SBeg in^ £anb ber ^^antafte ju finben. ^a ift benn flar, roie
folc^e Äunftroerfe atg treue, ftifle Slnreger unb ^Segleiter ber
©timmung befd^affen fein mußten: fie mufeten ben didi jarter
^mottien in ftd^ tragen; etnmd @e^eimnidoi>IIei^^ £odenbed,
»atfel^afted, etma» Hu^meltHd^, ^arabiefifd^e«, <^imm<
(ifd^c§, etroo« ^atfietifd^e^, baiS fid^ bcnnod^ nid^t aufbringt,
etroaö oon einem greunb, ber jur geroeiljten ©tunbe fpric^t,
o^ne gebeten fein, fonft aber fc^n)eigt, etioad ^ii$h:eted; bad
oQeiS mugte i^nen eignen.
Unb bod^ wieber: aud^ gang anbere (^genfd^aften mußten
fie ^aben. Senn bem reisfam^nertidfen Wenfd^en ruft ber
8)fimon feineiS 3"nern bod^ immer unb immer mieber fein
9lQfte nid;t! j^u: unb fo fud^t biefer Wlm]6) auä) in ber ^^er=
{enhtng nodj» ben (^enu6 ber (Erregung. äBie nun bie ^e^
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bingungen einciS fotd^en ©enuffeg mit jenen fünften, quietifttfdf)e!r
Harmonien mifd)cn? @ö ift ba§ Problem beö mobernen
SbealiÄmu^ bcr Stimmung; iinb auf bie oerjc^iiebenfle SBeife
f^cit man ed gelöft unb oetfudj^t man weitet )u (öfeii. Se(r
tial^e li€0t ein SRotio, boiB man bad ber Sugenb nennen Iditnte —
liat bod^ ba9 Sßort S^genb fogat ben 5Cite( fflr eine befannte
Seitfc^rift ber neuen 9'?irf)tung t)ergegeben unb für eine Se=
loegung im Ä^unftgercerbe, bie fid^ me^r ober roeniger an biefe
3eitfd)rtft gelnüpft bat. S)a wirb ber Äontraft jugenbUd^er^
niil^t feiten 9or allem gefd^led^tlicfeei: (Sm)>ftnbun^ gegenüber
bem Cnegung fudftenben 9^ul)ebebürfnid audgef|>ielt. 3n ber<
felben 9]id()tuug Hegt e3, menn ber ©egenfa^ jroifd^en raffi*
uierter unb priiiütiner Kultur ()crQufbe)d^müren ruirb, unb-
<Bcenen einer uoriucltUd^en Unfc^ulb^Smelt ober ouci^ ^ar*
fteQungen in ber OIrt ber tmd^ unferen Smpftnbungen nainen
Walerei be« 14. unb 15. 3a^r||unbert0 oot und entrollt mcrben»
SlQgemeiner leiflet bann fd^on ber ^nbnnf be8 ffrembarttgen,
nid)t feiten Qud& beS ^eruerfen biefelben 2)ienftc: S^Pöni^men^ i
5lfft)riQca unb ^[gt^ptiacQ, (Benfationen au3 ben Seiten beö 9Htter*
Uum in Tomontifc^em :Sid^te, n^unberlid^e äUUgorien, feitfame
S^arbenbufettd abenteuerli^er g^flan)enformen u. bergt, nid^r
treten l^eroor.
Unb all bie mit biefen Stoffen a(d ©timmungterregem
perbunbenen ©timmungen, all bie äBimfc^e unb ftillen, oft un-
berougt gebliebenen S3ebürfiiiHe ber mobernen fo ru^ebebürftigen
unb fo rei^fomen 6ee(e follte nun ber neue S^^^^i^ntud M
fii<|t'{$ar6enetnbru(fed befriebtgenl aRujjtei er nid^t ^ietgu
ber ftrengen ^onn ber l^erliHnmüd^en Sinienhinfi ^erau^ge^en^
jelbft wenn e§ ibm ted^nifd^ möglid) geroefen märe, menigften^
einige« ftrcnger3eiä)nerifc^enod; fclXuil)Qlten? ^§ mar Hat: bem
ejtremften ^ebürfniö ber neuen ^elt entfprod) nur bie Starben«
fi^mp^onie, garbenbid^tung, gfarbenorgie. S>abei mujite bann
baiS ftörperlid^e iniS Ornamentale gebogen merben unb, bei be*
fonberen 9l{)r)t^muÄ fdner ©igenberoegung ©erfuftig, in ben im*
gefaljren Linien feinet Umriffe^ einen St^^itl^nui!^ aunelimen,
ber bem gleitenben ^ogen ber Stimmung eutfprad^; babet
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mod)tcn J^immcl unb ßiift unb 6onne unb Sterne if)rer 9latur
nad^ Derfd^winben unb burc^ orangefatbene^ ultramarine, Diolette,
9eUlt<|e, ja gvodgtüne ^^ntodmagorien etfej^t loerbeii; babei
mod^te bad ^^efie fflr bm SRetifd^ett att folgen, ber 9l€itf4|
felb^, ja f ogar bad 8ilbnid eine« befttmmten ^^enf (^en bem Sil'
fürgefe^e einer beftimmten f^arben^onnonie untenrorfen n3erbcn:
— e« TDor erloubt, benn euJ gefiel ebenfo roie rote ^aummaifen,
(afienbe ^etgformen in ber Färbung bed SitrioliS unb
S)aunenbeUni gebattte @4iDefe(iootten ooit Udenier Sd^tDete»
S)aiS ftnb min freiti^ bte ouSbünbigfleti Srfd^einungen,
imb weit inebr aU in ^eutfrf)lanb finb fie in ©nglanb unb
^ranfreid^ f^n l^ac^t getreten, reo ein 3bcQ(i^mu§ biefer Stirn ^
mung \d)on oiel früher, in Gn(^Iant) faft feit Sölafe (1757 bi^
1828) unb Rd^ec feit 9io{|etti (i828-~18d2). in granfrei^ feit
Storeau (1826—1898) einaufe(en begann. Sber aud^ auf
beutfd^em ©oben fehlen fie feine^njegS gnnj, unb pdfjer berul^t
and) l)\cx ber neiiefte Stinnmin(]öibcali^nni$ auf einer dleii^
fam!eit, für roeld^e bad Slbgraben ber Guipfiubungi^iuelt {)xmb
bis auf ben ^Reroenreij d^arofteriftifd^ ift. SDcnn n^ie lommt
benn eigentlid^ biefe mobeme Stimmung in bcc ^lalerei §u«
ftanbe? 2)od^ offenbat baburd^, bag Sidjtfacbenreije, bie ui»
fprünglid^ au^ ber (^rfd^einung^roelt ber, al^^ von beftimmten
©egcnftänben au^gebenb, jur 3hiTiiabmc tielangen, nun um--
getel^rt oon ber ^fi)d^e auS felbfaljätig unb in tuiüfürlidSKU
9^ntaRen bed Sidjitd unb ber gatbe j^etoorgentfen metben.
(i^ ift bet emig miebetfel^renbe Sorgang: gegen bie fUlrtete
feelifd^e ^hirdjbringung ber ©rfd()einunggroelt, roie Re bie fort»
jc^reitenbe 5tultur bringt, unb roie fie gleidt)fam bie Seele mit
immer unfelbftänbigeren Silbern anfüllt unb unfelbftänbigerer
X^tigteit )U überliefern brolit, reagiert biefe, inbem Re bie
neuermorbenen SRittel ber SSBiebergabe oon Rdb aud in freier
3orm unb felbfiönbigem ^l)un ibealiftifd^ umbitbet. —
2. 21U ber erfte grofee "!3}ieiRer ber neuen Stimmung^^
tunfl auf beutfd^em Stoben fann grau) &tnd, geboren 1863^
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bejcid^nct roerben. Sind Ijat ol« 3^^"^^^ begonnen; 1882—84
erfd^icnen von i^m SlUeöorien unb ©mbleme, 1886 harten unb
Signetten; oud^ brei @ruppen ^^onat^adegorien beß^t man von
i^m, bereit eine in ben gfliegenben Slattem etfcbieneit ifl
iStft um 1887 ging er sur SRoIeret Aber, unb im ®ruttbe ifi
er immer ftorf B^td^ner geblieben. fDo« gicbt t^m entroirflung«*
gefd^td^tlid^ eine (Stellung ganj im 2Infang ber neuen Stim*
mungSfunft; ba*^ erflärt, wie eiS i^m möglid^ roav, um bie
3a^re 1893 — 94 auS einem jart * neroöfen e^arbenflil an*
fd^nenb unpermittelt in eine (eibenf^aftlid^ flammenbe unb
ftnntid^ fifeelnbe Sd^roarsfarbenmalerei ikbei^ugel^en. 3n feinen
Silbern l^aben ober bie gut gefe^enen unb gejeid^neten ©egenftänbe
einen fo ftarfen Überrcurf üon fiid^t^gorbeneinbrücfen, bog ba§
Seid^nerifd^e äufeerlid) ganj oerfd^roinbct — unb bie ©inbrüde
fprül^en in taf^nierten (^e!ten einei» gerabe}U buni^triebenen
gfarbenfinned. S)abei ifl 6tud oOed, xoa& bie mobeme
famfeit mlangt: Taunifd^, barorf, geiftreid^, epifurifd^; üon ber
{jualüoüen Sinnlidj)feit, bie bo^ ©raufome Hebt; unb bod)
fd^einbar mieber gonj urroeltlic^ unb parabiefifd^, roenn and)
parabieftfd^ brutal. (So ergebt er fid^ mit Vorliebe in ber
SarfleUung Dorftntflutlid^er Sorgdnge bed Stebei^Ubend, bie er
mit ben pifanten 9Ritte(n aSermobernfier Itunfl ma(t^ bamit
ber ©egenfa^ oon ©toff unb 53cl)anblung finnlid^ aufreihe.
Unb einen üernianbten ©egenfa^ trögt er and) in anbere
©toffe; er l^at eine S^^ocentia gemalt, bie oerfü^rerifd^ ift,
itnb eine älUegorie ber @ünbe, bie nur progrcmmtma^ig ob*
fd^redt; eine ^tlftene mit ben (eid^tftnnigßen ätugen unb ben
aufgemorfenflen kippen einer fatalen Senud ift i^m gelungen;
unb aud; fel)r üiel ^eiligeres ^ot fein ^infel nid^t üerfd^ont.
Äann ba bie Sanb[d;aft bei 6tucf mel^r aU ber Äaneoajg ani*
matifd^er ©timmuugen fein? @ie l^at bei i^m fein eigeneiS
ßeben. Sie fdftmingt in ben 5lonmeiIen ber @efialten, iie
giebt bie Obertbne ber ^ffonongen, bie fftr biefe angefö^tagen
finb: unb barum lebt fie gern in fel^nfud^tSooffen Harbern
fc^leiern ber dlad)t, nod; lieber in ben fd^roülen ^Dämmerung*»
fd^auern ber @#ferftunbe. &mxi f^ai ©tuet aud^ anbere
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3ii6enbe Kunf^.
Stoffe gemalt aU erotifd^e; oh er aBet je eine Sanbfd^af t nid^t
crotifd^ ober loeuigften^ finnlid^ crregenb gemalt l^at, fd^eiut
IVL bearoeifetn.
Unb hod) eignete fi^ gerabe t>a& ^anbfd^aftUd^e an Ttd^^
oon nur mitflndenbet, mittdnenber, ^lM^\om mitbuftenbet,
m&ixq betonter etoffdge (ele6t, fttr biefe Itfinfle ebted pfpci^o«
(ogifd^en ©ttmmunggimprefftoniSmuiS : unb auf il)rem ©ebiete
^at biefe neuefte Äunft in bcr Xf)at big^er bie reinflen ^riuntpJie
gefeiert, ^ier treten ung bie dlmnm Suliuö ü^jterS (geb. 1863)
unb iSubmig von ^ofmanniS (geb. 1861) entgegen, (^ter i{l an
Sednarb gebitbet; feine „WkSit" unb fein .Serlorened ^arabied"
geben 9on il^m bie befie SorfleOung. ^ofmann fief)t ine^r auf
eigenen, beutfd&en Süfeen; er ifl unfer größter Jarbenf^melger; er
Derfiel&t eS tl^atfäc^Iid;, Sanbfd^aften ntärd^en()aften SBefen^ in
bie ^inbrüde feiner garbenpfpd^e aufjulöfen unb Ianbfc|)aft(id^e
S^mpl^onien ertünen §u (äffen, bei»n ^^emen unoergegUd^
futb. 9Re|r nac^ ber (Bebunbenifteit ber ornamentierten Sonb*
fd^aft bed Sid^t^f^arbeneinbrudfi^ ^rebt bagegen fd^on bie 5tunfi
Sd^ulfte^^kumburgS (geb. 1869); biefe ©ebunbenl^eit in ein*
brud^oollen gormen, bi^ ju Ianbfdöaftlid^*ornamentalen SBor»
lagen für äBanbteppid^e, erreid^t )u l^oben, i|i bie (Eigenart
£eijUIo«d (geb. 1865).
S)od^ wer wirb ^ier bie 9lanien aOer berer finben woOen,
bie auf biefem gelbe no^ ^eute ober erft lieute tl)ätig finb?
ein ©ang burd^ bie ©äle be^ großen malerifd^en SBetlftreit^ ber
3iiationen auf ber ^arifer SBeltaugftellung jeigte, bag e^ fid^
l^ier ber fpegielleren $l^anta|teburd^bilbung biefer ^kifter nad^
um eine Äunü red^t etgentlid^ germanifd^en fil^aratterd. bonbett;
bafi l^ier neben und 6d^n>eben unb Storrceger me^r pl^antaflifd^,
3)änen finniger unb 33lamen gegenftänblic^er malen, bafe bie
Seroegung erft im ooöcn 9lnfa^ ift, unb bafe i^r Slu^tUngen
nod^ nid^t fo balb ju erroarten fi^eint.
greilid^ : in bem SbeaUdmud bed fttnfUerifd^en &t^(dt» fielet
ttod( über bcr Gtimmungdlunft bie Jtun|l ber 3bee, ber religtöfen,
et^ifd^en ®emetnempftnbung. ©ollte nid^t aud^ fte oon ber ibea«
liftifd^ gen}anbten^ed^ni{ einer Malerei aufgefud^t werben, bie am
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Biete neuer formen angelangt ifl? SHe Sotaudfetung €tttet
aOgemeinen ftunfl biefet 8rt wfltbe aOerbtngS tm eine groge
etljifd^e, metap(}9)'ifc^e, rcligiöfe ^mt^mq bitben fönncn —
— imb roer fonn trog moud^er günftiger ^orjeid&eu jagen, ob unb
roann eine folc^e einzutreten oermö^te? äBol^l aber ^at ed —
eined ber oielen Beiden bafüt, bag unfer SoU bet mobenten ßat
in fiftriecem Bufommen^ano mit bem 9(ten folgt, aU anbete
^Rationen — in beutfd^en Sonben fd^on frül^ einen ajialer ge-
geben, ber auf eigene Sauft, unmittelbar auö ber Seigre eine^
fortgefd^rittcnen 3»^P>^effionigmug \)exan^, beni ^öd^ften Sbeale
einer fold[)en ^beentunft, bem religiöfen, §ufh;ebte. & iß
^it oon U^be.
Ul)be ift 1848 geboren, war jum Sa^re 1877 Keitet«
Offizier unb gab erft bann bem angeborenen triebe aum 3Walen
auc^ in ber 2ßat;l be^ 33erufe^ nad^. @r fd^roelgte im Äotorit
^afartg, (ernte bie ^arifer Smpreffioniften me^r ber p^pfio-
logifd^en ate ber pfpc^oiogifd^ ä^id^tung lennen unb fanb
bann erfl, wie Stebermann, in giSraett feinen ^A^. 6o
malte er junäc^ft ganj naturaliftifd^; feine „S'^äl^erinnen" unb
fein „Seierfaftenmann" roaren neben fiiebermanns Silbern mit
bie erften, welche ben ooUen ^mpreffionidmud in ^eutfd^lanb
einleiteten.
äiaetn f$ott wenige ga^re fpäter, 1884, iß U^be ber
retigiöfen ftunft jugeiDanbt; bamatt würbe baiS Si(b ,,£affet
bie Äinblein gu mir fommen" fertig, bann folgten „5^omm,
^err S^fug, fei unfer @aft", ber „@ang nad^ ©mmauö", baö
„Slbenbma^l", bie „^ergprebigt", bie „^eilige dlü(S)t" unb
anbered; mit immer grd|erer gnbrunft oerfenfte fx^ ber Giftet
in bad ®e|eimnid unb ben fiauber eoangelifd^er @raäl|lung.
Unb bie 2lrt, wie er bo8 malerifd^ t^^at, mar bie, weld^e
bie grofee ^unft immer unb immer toieber angeroanbt l^at.
2Bie ^ürerg „3)iarienleben" in bem beutfdjen S3ürger^aufe bed
16. Sal^rl^unbertd fpiett unb 9hmbranbtd „älpofter' ber ^«
DdKerung ber Sobenl^outtuine ^mfterbamd entnommen fc^einen,
fo entflammen UbbeiS Mblifd^e @efla(ten ber Gegenwart, nur
mit benfelben Bugeftäubniffen an ben gefc^i4)tUv^en @inn ber
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Seitgcnoffen, Mc oud^, nuTMbem f^eringeten Orabe bicfc« 6tnnc8
-entfpred^enb roeniger au^tjebe^nt, bei ^ürer unb ^lembranbt
^cmad^t finb. Unb bie £unft bcr äufeereii gorm ift ebenfalls
biefelbe, tote bei bett ilHaletrfttrftett ber ^ergangettbett : ^ter toie
bott wich bie mobemfte %mn bet ^ed^itit, bei U^be alfo ein
fafl Md auf ben Uogeit Std^t^^arbeiteiitbtucf irebu|ierter 3tn«
preffionigmug ongeroanbt. 3ft be^b^^b bie SBiebergabe notura--
liftifd^? SBeber für ba« 16. unb 17. Sabr^unbert nod^ für
U^be tarn man baS bebaupten. SDte b^i^^fl^>^ Sl^orgänge, oon
bem $Qit$e unb S)ufte einer fo unenblicb geftalten^.unb formen«
reid^ii Überlieferung umgogen, brftngen f d^on oud ber Xrabition
fyt %u einer getüiffen ^ppifierung ; nod^ me^r t^ut ba«, au<i
bei fo trabition^lofeu 53ilbern tüie „^onnn, ^err !3efu§,
fei imfer ©aft" ber 3n()alt. ^aber ibealifiert Ubbe bie
ßuft= unb ßid^teinbrüde — oieUeid^t teilroeig, obne eiS ju
woOen. @o iß 8. in bem Wittelbilb ber ^eiligen Kaci^t
mit einfa(ben, aber nid^t mebr aud ber Statur abgefd^riebenen
3)Utteln ber ßuftperfpeftiüe eine aufeerorbentlic^e Xiefemoirfung
be^ 3""^»i^oumeg erreidit, bie jur ^olg^e ijat, ba^ bie Jungfrau
im Säorbergrunb be^ ^ilbe^ beffen Dominante mäd)tig, ja
fafl munberbor l^eroortritt Unb fd^on in bem ©emälbe aud
früher Seit „Söffet bie Ainbtein ^u mir fommen" ifi burc^
eine ganj beflimmte 3lrt ber Sid^tfü^rung — einzelne ^enfler
beS 3nncnrQumeg finb teilroei^ mit ©arbinen ücrbängt —
eine befonbere Qnnigfeit ber ©tinnnung unb ein g(eid)fam un=
geiDoQteS unb borunt überaus fd^lid^t mirtenbed ^eroortreteit
ber ^rfon (^l^rifH erreid^t.
SBlan tarn alfo bei Ubbe fel^r n)ob( oon einer ibealiftifd^en
Äunft aud) ber äußeren gönn rebcn; unb roäre nid^t injroifdjeii
ber ©timmung^ibealiömue be^ p)i;d^ologifd)cn 3»mprefnoni^mue
entnideU loorben, fo fönnte mau oielleidit im Ungeroiffeu fein,
ob man feine religiöfe ä)kierei nid^t beffer ettoa berjenigen
ber alteren Sbealifien — Aber bereu felbft fortgefd^rittenHen,
Minger, er im ^mprefftoniiSmui^ meit binaudgebt — anfd^löffe.
Unb roer würbe gar an bem ibeaten @et)alte, an ber tiefen
Srömmigfeitdfiimmung ber Silber Ubbed jioeifeln?
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BilbfnW Vttitfl.
©(cid&rool^l fprid&t ein on fid^ fe^r äufeerüd^er Umflanb
bageßen, baft U()be fd^on ben DoOeii 3(ugbrucf beg reUgiöfen
Sbealidmu^ erreid^t ^abe, beffen bie neuere Wlakm fä^ig ift.
Ul^be ^at feinen t)oIIn)erti9ni D'^ad^folger gefunben. (Sine
leligidfe ihinfl barf, loitt fie gtoft fein, nid^t biog iitMotbiteOe^
fubjeftioe Stimmungen miebergetot; eine teligiöfe Rm\t mui
mel)v fein, eine ^^at perfönlic^cr Jrömmigfeit. 2ltte
grofee religiöfe Äunft ifl fird^lic^e ^imft geraefen, t)at @tim=
nutngen gum ^udbcud gebracht, bie me^c ober minber Gemein«
gut ber 3ett unb iß eben bantm j^etfeni^fa^e gat^er
(Bfmppm unb (Bef^le^ter oon 9ta(ent gewefen. SRoment^
unb mit iljm bie Sf^od^folge anberer, fe^tt U^be. Siatürlid^
wirb \l)n niemanb bafür üerantroortlid^ madjen. fel)lt ber
3eit. Unb ^ier feigen wir in ben tiefften Spiegel ber @nt»
n)idt[ung beiS niafertfd^en S^^^^^^^^ud ber ®egenn)art. @ine
ibeaiifci^ Itunfl l^ödi^fUn Siianged tonn nid^t befielen ol^ne
bad Stutmedmel^ einer SBeCtanfd^auung, burd^ bad ftd^ oEe
ober roenigften^ alle ^^erufenen ergriffen füJ)(en: fie bebarf ber
ganjcn ^f^d^e beö ^J}ien)d()en ber füfirenben Sd^id^ten, unt
fc^offenb unb nad^enipfinbenb roo^r^oft ©rofeeS jeugen.
äBirb und eine foldjie Hmh noö) befd^ert »erben? ffiir
vertrauen bem ®eniu8 unfereiS Koüa, ber bie X^nen von
$ö^e au <Qö^e geführt ^at, unb mhr gimtben an eine (St*
neuerung großer 3^iten in nod^ niemals erlebtem Sinne.
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VI.
•
Som atqmtintn cnimidnung^gefci^id^tHd^en 6tanbpunlte
aus fönnte jefet bie iDorftellunc^ ber bilbenben ^unft ge*
fd^loffen roerben. 35enn foiocit bcm ^Serfofftr gegeben ift,
ben eigentüd^en Verlauf bed öft^etifd^en @ee(en(ebend ber
9Uitioii auf beut (Skiiete ber bUbenben Rmft aufpbeden,
fo iDeit ifi baiS gefd^e^en. Sttev gebort ^ur flofflid^en SoO«
ftänbigfeit ber ^J^orfteUung, bofe nod^ ber ©ntroicflung berjcnigcn
Itünfte mit einem SBorte gebadjt werbe, bie bi^f)er nur nebenbei
©rroä^nung fanben, ber Silbnerei, beS Äunftgeroerbe^S nnb ber
^autunft. Unb jebenfaOd toirb eine tlberfidtit ftber bie (Snt<
f attung biefer Aflnfle, unb mfirbe fte au^ nur mit ^wei Sßorten
gegeben, baiK ®ute |oben, geigen, rote fe()r fie oon ber S9}a(erei
abi)Qngig roaren ober roenigftenS benfelbcn allgemeinen (£in*
Püffen untertagen wie biefe.
S)ie Silbnerei ber breifeiger bis fiebriger 3al)re l^at unter
ber fortbouemben ^nioirfung bei^ R(aff[)idmud geftanben, wie
er fl$ aui^ in ber duneren ^orm ber IRalerei geltenb mad^te;
boneben enoad^te bann leifc aud^ in il^r ber attgemein fteigenbe
SBirflid&feitsrinn beS 19. 3al)rl)unbertS, unb enblid; traten,
ctroaS fpät freilid^ im SBcrl^ältniS jur allgemeinen ©ntroidlung,
Ginflüffe ber S^enaiffance unb namentlid; beS ^arodd auf^ bie
no4 ^eute einen gewiffen Xeit unferer $(afHf, oor aDem bie
Serliner fioffunft, betjerrfc^en: ^ier in merfmürbiger, freiüd^
nid^t burd^ge{)enber unb aud^ nid^t voU organifd)er 3[5erbinbung
mit bem mobernen J^beal beö feljnigen, fpovtgeübten ÜörperS.
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»
194
Bflben^ KntilL
SBürbc man ben Sertouf biefcr Äunfl im elnjeltien
folc^en roollen, fo gefd^a^e bo^ am beften an bcn öffentlichen
iStatuen, bercn 3ö'&l in bem bemoftotifd^en So^r^unbert aufä
fnid^tbarfte, freiließ auä) furd^tbarfte zugenommen ^at, roö^renb
in ben frfi^eren Sa^^unberten im adgemeinen nur grürflen ein
öffentlid^ed Denfmot ||u(am. t^ie ^^ot^e biefet ttberfd^memmung
mit öffentlichen Statuen oielfad) aud) bürgerlid^er ßcrfunft
x\i bonn c^cracfcn, bafe ba§ 5?iirftenbenfinal in immer geroaltiqerer
^})laffe empornetürmt rourbe: nur eine bie fieben^mafec meit
Oberjleidenbe 9leiterflatue fd^ien e# in biefem gaQe t^tm §tt
fdnnen, unb nid^l feiten nmtben ber Aoloffdfigut bed xt»
(^ierenben Herren bk Gtotitetten bct tegierenben ©eifler in
^})Uniaturaui8jiabeu beigegeben, mie bie Donatoren mtttclolter*
licj^er ©cmölbe i^ren Ijeiligen ^^iatronen: an bem 3}kria=Xl)ereria=
^enfmal in SBien fann man fogar Gleiter oU iduflrietenbe
$o{iamentfi0uren etbliden. 3m übrigen genfigte mtter ben
neuen Soroulfe^unnen felbft ha^ plafitfd^e S)enhnal in %oxm
be^ foloffalcn ^afelauffat^e^ nicht mehr; man mußte bie 'Bau-
fünft ^ilfe nehmen: unb fo entftanbcn jene neuen 2'r)pen
be^ ^^l}ffhäuferben^maU — ober auch f^on be§ ÄaiferbenfmalÄ
in ilobieni, bei benen bie fierftedung einet matetifd^en ^rmonie
Swifd^en SRonument unb Sanbfd^aft eine bet mefentii^flen,
fibctgenS offenbor fehr fd^roer gu löfcnben Stufgaben btlbet
^er (^egcnmart gehört biefe gange 3fitd^tung blo6 ard^i^
tcftonif ch, plaftifd^ bagegen imr in gemiffen (^naelf^eiten an
benn im tieffien ®runbe ifl bie iflngfie ^eit oon gat^ anbeten
bilbnetifd^en gStoblemen bemegt Wtan tarn ffit fie oiet
Dichtungen unterf<jMben, für bie e« dharafteriftifd^ ift, bag Tie
fich ohne weitere^ nad& gcroiffen (Sntiuicf (ung^periobcn ber Tlaletd
abgrenzen laffen. S)ie eine geht auf eingehenbfte unb üoll*
ftänbigfte Söa^r^eit junädhft be3 phpRologifd^ einbrudfcä, fie
entfpric^t bem pl^pRologifd^en Smprefftonii^mud bet aRatetei;
bie anbete entfaltet eine 3bealp(afli( im Sinne be9 malerif dhen
* Sgl. bad f^avte Urteil über fie ober rccnlgflenS i^rc (e^te daU
ioi(f(una bei ^llbebranb, ^xohlm bec Som @. dd— 100 (1893).
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Btl^enbe Knnfl.
195
ftberflanggibealiSmuS; bie brittc unb vierte ibealifieren ben
p^pfiotoflifd^en unb pfpc^ologifd^en 3mprcffioni^inug. Unb in
ber Xf)at: njeld^e anberen Strömungen wären aud^ benfbor?
SBie foa bie $laftU 8. etwa ber naturaliftifd^en @eite bed
|if9d^oIogif<|en Smprefftonidmui^ geredet werben?
S)ie erfte ^Rid^tung, bie beg pl^pfiologifc^en ^mprefRomg»
muS, ift äufeerlid) jumeift fd^on baburd^ gefenngeidjuet, bog Tie
ben 3J^armor unb erft re4)t baS ßrj malerifd^ be^anbclt, ben
^annor biSn)ei(en auf bie einfad^fte ^eife: burc^ bloged Unter«
kffen he» Slbfd^leifend unb polierend. (Bxoi ift fie vor attem
im SUbnid, unb |ter wirb.wo^I Seffner ate i^r erfler
beut)d;er 3J^eifter gelten fönncn: feine 33üften 5. 33. be^ iRönig^
mildert unb ber Königin Garola oon Sadjfen, be^ ^^pfio-
logen :^ubn)ig unb beS ^^pfüerS ^iebemann id^en bie
eingel^enbfte äBiebergabe bed degenfidtiblicbeit Sebeni», o^ne bie
Sefeelung tiemtifTett su (äffen. Sieben bie Süße finb bann in
Mefer ©ntroidlung feit etwa 1890 nad^ franjöfifd^em S8orbi(b —
bort njurben fie fd^on feit 18G8 roieberbelebt — bie 3Kebaille
unb bie ^lafette getreten.
äll^ eigentlid^ groge beutfd^e $laftif aber mixh bie ber
Sweiten äiid^tung gelten Unnen: bie $(aflit ^ilbebranbd (geb.
1847), Solfmonni» (geb. 1851) unb ^aifonS (geb. 1854). Bit
wurzelt mit ber 3J?alerei ber großen Sbealiften, üor allem
Södlin§, in bemfelben ^oben, unb fie ift nidjt minber roie
tiefe oon rönüfdben unb italienifdben ©inbrüden mit beftimmt.
3n ioe(<|er i£Beife l^iier bie Slnregungen von ber äl^alerei unb
ber Silbnerei Ifter burd^einonbergingen^ inwieweit ber ©rfibel*
Rnn unb bie Seigre von SRar^ed ©etegenl^eitcn gemcinfamen
©ebanfenauötaufd^eg ber ^talcr unb 53ilbl)auer barboten, ba§
im einzelnen feftjufteüen ift l)eute rao^l faum fd;on möglich:
genug, bafe ber gü^irer biefer ^ic^tung, ßilbebranb, in feinem
Sfld^Uin über ho» Problem ber ^om (1893) ^^eorien auf«
gefielt l^at, bie ber $ra^d aud^ ber Walerei bed Übergan^^«
tbealigmug faft burd^auS entfpred^en, unb baß ber leßte große
Überc^angöibealift, ^linger, al^ $s(afti!er in getoifjem Sinne
auf ben äBegeu ^ilbebranbd wanbelt. (^mii ift l;ier eine
13*
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196
gegenfeitige Öefrud&linuj ber .(lunftiiattungcu eingetreten, rote
fic fonft in ber beutfc^en ©ntroicflunq ber ^weiten A^älfte bes
19. Sabr^imbertg nid^t ihresgleichen f)at, unb geroiß ^at in ibt
bie $Iafti! )u einet j^it, ha bie ent»ic!hmg bed malerifö^
3m|»teff{onUniu9 jebed anf^auli«]^ SerßftnbniiS ber ^orm }tt
Serftftren bro^te, in einem SRomente fiörffler ©efä^rbung bem
maleri)d)cn SbeoIiSmu« roirffam Jpilfe geleiftet.
^ie 33itbnerei beS p()r)fio(oßifd}en unb pfpd^otogifd^en
SmprejfioniemuS ift in S)cutfc^>lanb crf^ in Slnföngen ücrtreten.
9(iKb bod Mengtet wiebet bai» Set^öCtnid lut äKalecei: bie
p(aftif4e SntiDidCung folgt im oOgemeinen ber malerifc^eti
nocft. 3n S3tütc bagc^en fte^t biefe neue ^laftif fd)on in
^ronfreid) unb in ben ulamiid) l)üüänbifd;cn ©ebieten. Unb
biefer Umftanb mag eS bei ben engen ibeedeu ^e^ieEiungen
Swifc^en ber nieberlönbifd^en unb ber binnenbeutfd^en ilunfl
re^tfertigen, loenn fle bter nidftt an ber 4^b ber beutfd^en Sit'
fange, fonbem an ben 9Reiflem 8e(gien9 unb ^odanbS, teitmetil
Quc^ grnnfreicf)^ mit jioei SBortcn djarnttcrifiert roerben foll.
^er große 3JUnfter ber p()i;)"io[oi]i]d;-'imprcf)ioniftifd^en Qbeol^
plnftif ift ba ber Belgier 3)ieunicr (geb. 1831); roir fennen \l)n
fc^on atö main unb in ber äRalerei aU ben beigifd^en mM.
3n ber Zl^at ift e» bie »id^tung etm Wlittm, nur nod^ in
ctroaS pärfer betonter ©inbnidsfunft, bie SWeuntcr ouf bog Grj
überträgt, boS er feiner molerifd^en (S*igen|'d;aften roegen be«
fonberS liebt: unb wa§> er in biefer Äunft fc^afft, ba^ ift ba^
Sbeat bed mobernen ^eroS ber med^onifd^en ^Irbeit, bed !l)2anne^
bed vierten ®tanbed. ^ba» Rraftgeffl^t beS ®((aoen, \M
Srutate ber ^(jätigfeit, bie bei aller p()t)fifd^en @emalt ge*
beiujte ©nergie, ba^> ftumme Lienen unter ber ^errfd^aft über*
(ct^encr iDiodjte fdjilbcrt er mit ergreifenber 2BQ()r()af tigfeit :
unb roeife er e^ au6) im geiDöf)nUd^cn ©inne beS Sßorte^
ibealifteren, xf^m bai^ äibfd^redenbe }u nehmen, fo ift bad nid^t
bie %ol%t ber Sefd^önigung, fonbem ber Aompofition in einer
.®efd)roffent)eit be« Umriffe«unb einer ^nl^eit be« !Raumbilbe§,
bic unmittelbar an bie oon bem Iluifter oerel)rte 2lntife erinnern.
^ie pfpd^ologifd^ imprefitoniftifd^e ^ilbnerei ^at i^ren
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Bilben^e Ktiitft 197
^aiiptoertreter in ^^anfretd^. 9labhi l^t ^tcr juerft QtUljxt,
bei oft fummorifd^er 33el)anblun(i bc5 ©iiijelnen oerniöge
einer ©tcttung ber ©lieber, bie nid^t feiten l)öci^ft roittlürlid^,
aber ^öd^ft §ieI6en)ugt, ja bi^ aufd äuberfte unb barüber
hinaus beted^iiet ifk, bie ®pta^ einet unetl^ fiatfen
p(o|Hfd)ett 9[udbru(!^fö^t()feit reben. 3n Belgien l^at et in
bem frommen SBlamen 3Kinne einen ^^od^folger gefunben, ber
mit einer gegenüber bem ^J)itiftcr etroo^ ertncidjten gornien^
fprad^e ben fpötgotifdjen 8til ol^ bie grofee Äunftform feinet
fßoiU^ unb feinet @(aubend oerbaub. (^inen ö^nlicben ^eg
ifl bann in ^odanb 3U( gegangen. 9Rinned gtögted Sßerf
ifl bod ®t()6benfmal fflr Solberd, ben Segrftnbet ber belgifd^en
3Irbeiterpartei : jwei imcfte ^Didnncr, bie fidj auf fcJ)n)anfenbem
Sd^iffe ju ftüfeen fud^en. ^a^, i^n roie d^arofteriftert,
ift ber flare, ftroffe, fc!)nige UmriB bei gelcgcntlid^ ganj p^an«
tafUfij^er 9lebuftion bed piaftifd^en ildrperi^ mif feine ^upt«
momente bi9 l^nein inS bloi SCrd^itettonifd^e, ja Omamentale:
fur^, ber Serfud^, ben Itörper gteid^fam nur auf @inbrüd(e
bringen. S)ie SBirfung ift ftarf unb einfad^, unb fo föniitcii
^ier bie 2lnfänge einer Äunft oorlicgen, bie aud^ bem i)tcligiö|en
nid^t fern fte^t: ber ^Oien\^ unter ber ©en^alt &oik^, bad
Sltom im @turme bed Staubed, Siieftgnation butäf dtaf^e in
(Bott^ bad ftnb groge Stimmungen ^inaud übet baiK ^erfdnlid^e,
3lnfänge oieUeid^t einer ibealeu i^unft ^öd;fter Äonjeption,
ml6)t bie <5d^öpfungen namentlid^ ^linned prebtgen.
Sot ber ^aufunfl ifl ie^t oom itunfigemetbe }u teben:
benn boS ift bie etfle groge ober n»enig{ien9 merfmflrbige
2:^atfad)e in ber ©efd^id^te ber jüngpien löoufimft, bajj fel)r
iDefentli^e (Sinroirfungcn auf fie ncuerbing^^ uom ilunftgeroerbe
unb smar von ber Drnameutit tote oon ber ^eltonit bed
^öbelftild audge^en.
S)arabet, mie bad mobetne Ornament aud fiatfften &tilu
iietungdbefhrebungen bed ^mprefftoniiSmud^ oot allem ber Aunfl
beS reinen ßid&t^garbeneinbrucfi^ fieroorgegangen ift, ifl fd^on
frülj^er berichtet worben. ^u<i^ baoon ifi bereite bie ä^ebe getoefen.
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198
Bilbenbe Kunft.
ia6 biefcr 6til nQturqetitäö juerft in ©nglanb ewtftonb: ^ier
ffil^rten bie SSetfud^e 9iudfind fdfton in ben t)iersij)et Sagten,
bie Aunfl bemofratifd^ in ben xiienfi bed Sebend )u fletten fOr
jebermann, gu bem ^eftreben ber ^rärofaeliten, i^ren 3ni*
preffiorü^nni^ funflc^eTOerblid^ burc^jubilben : unb fo fd^uf oor*
ne^mlid^ William ^iorrid, ber oud bec 6d^ule oon S^offetti
unb 3urne«3oneiS l^etnorging, ben fogenannten neuenglifd^en <StiC,
inbem et ben SCnfotbeninf^en ber Sleifier lunft^fi bie ®e6erel
unb bie ®\aimaltxd Menjlbar ntad^te unb iiigleid) attnationoten
gotifd&en foroie fremben japanifdjen ©inflüffeu 3utritt üerfiattete.
3)lit biefcr ^unäd)ft üornc^inUcf) ornamentalen Söcroegung
öerfnüpfte fic^ bann eine anbere, fonflruftioe, an ber m6)t jum
getingflen an<^ Slmetita beteiligt toax. @ie ging barauf aud^
an @teüe eined SRobitiatd, bad nod^ immer von bem testen
aii^laufenben ^^nngefül^t ber 9Unaiffance, alfo eineö SBanb*
ftil^, beftimmt n^ar, ein anbere^ SJiobiltar fe^en, bem
ha& gormenmotiü oom SIBerfjeug hergenommen rourbe: feine
atibere @ci^ön()eit aU bie ber S^zimäi\%Uit unb banim feine
ord^iteltonifd^'beloratioen formen, fonbetn nur bie SRaffe
beffen, wa9 nod^ med^onifd^en ®efe^en notmenbig mar: biefe
9Waffe aber unter bem 6d)önl)eit§Gefüf)l ber S^^t^c^niäfeigfeit
organifd^ geftaltet. roax, alg mürbe jebe^ 3)iöbelftüd gum
äBerfjeug, ja jiir 3)2ttfci&ine: bünn aufgcbante, ftraffe, profillofe
formen; bie ftd^ nur bei tabeUofer äirbeit ^erfteUen (äffen;
SIegan} bed Sdfttanlen, (^infad^en, in Harem 9il(iptl^mui» Xuf«
ftrebcnben unb (Sd&mingenben : ©erüftftil.
5ludf) auf roeldjem SKege fid^ bie neue Drnamentif unb
ber neue @erüftftit bes ^j)iobiliard untereinanber Derbanben, ift
fd^on angebeutet werben, ^ie Drnamentif biente entmeber
a(d Kaumffillung: bann blieb fie meifi ungeflört; ober aber
fie warb ^ur Umral^mung oerroanbt: bann beburfte man
fijmmetrifc^er S^eil^en. SDiefe 9^ei(jen mürben au^3 ber DrnQ=
mentif baburd^ gemonnen, baß man einselne i^rer ^eile, ^u--
meift bie langgeftrcd^ten ^Kälter im Sinne beS Silienblatted^
non ildr audfcbieb, fär {td^ in rl^ptl^mifd^en Harmonien unb
itontraßen anorbnete unb bei biefer Selegenl^eit bann mel^r in
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33ilbcnbe Kuttfi.
199
etnfad^en gcfdjiuungenett Sintemtotioeit umMlbete. SHefe Wotioe
gcfd^raungcncr fiinicn liefern ^xd) bann fel^r lcid)t mit bcm
neuen ©erüftftil bc^ ^JJJobiliarg oerfnüpfen; fie belebten tiefen,
o^ne fein innerfte^ ©efefe au gerfiören. Unb fo entftanb aud
ber itombinaüim uifprAngli^ intpteffiottifitifci^ (Siemente unb
bet SIemente eincd S^dnl^eiUfbiiieiB me^anifd^er &mdmäi\%»
fett bad mobeme ^5be(.
3n 3)eutf(i^Ianb waren bie ru^mreid^en Xrobitionen beS
alten ^lunflgeroerbe^ um bie 2Benbe be3 18. 3ol)rl)unbertÄ
obgebrod^en. ^eitbem nahmen fiel bie ^rd^iteften bed iluiiü«
geiocfbed an, in ber 92aci^abmmi0 tta{{tf(be( gfofmen etma
6d^nlel, in ber S)ut$bi(bung einer romantifd^en ®oti( etma
©eibeloff — Dielfad^ o^ne 3^üdffid^t auf ba^ aJinterial unb o^ne
Äenntni^ ber ein,^etnen ^^ed^nifen: im ganzen unfrud^tbar.
darunter bauerten bann geiDiffe ^u^lauf^ftrömungen beS dioioto
fort, unb fran}öftf<bem üinM vmt!tt ein nid^t minber langed
XttSteben aud^ eines oielfadft ab^emanbetten (Smpixt verbantt.
3m ganjen trat bie Änl^e ber SSerfumpfung ein, — bt«, etwa
mit ben fed^^iger 3af)ren, mit bem fteii^enben 9^eicl)tum ber
Nation baS 5lun{lgen)erbe einen äl)nlic^en ^ieberlplungefurd
ber alten Stile burd^jumad^en begann toie oor ibm bie f^o^t
Hunft S)er @tit ber SRenaiffonce, ber fogenannte altbeutfd^e
Stil, fam auf unb erreid^te etma um 1880 feine $öt)e; bann
folgten in reifeenbem 3wge 93arodf unb 9iofofo unb reineö
^npire: M§ fie alle feit etwa 1890 einen Jeinb er^^ielten, ber
ße je^t iu oerf^lingen broljt: ben neuen @til.
Ser neue @til beginnt in ^tfd^ionb, wie etwa breigig
Sa^re früher in Cnglanb, ^unftd^ft mit ber Xudbilbung ber
Drnamentif ; bann fommt, feit etwa 1890 auf bem Äontinent
unb jroar juerft in $ari§ eingefüt)rt, auf beutfd^em ^oben feit
ctTOa 1897 ^eimifd^er, ber neue ©erüftftil be§ 3)iöbel^^ l)inäu. Unb
ie%t baben ftd^, natürlid^ unter ber gortbauer geroijfer (^iuflüffe
9on aufien ber, bod^ ber ^uptfadüe nad^ fd^on in nationaler,
von oermanbten fransöfifd^en unb englifd^en formen mob( unter«
fd^eibbarer gorm beibe burd^brungen : eine ncueilunft be^ ©aufeS
ifl erftanben, bie mobern i{l unb fid^ nid^t me^r an ^IteS anlehnt.
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200
3ilbettbe HunfL
Jtonnte tmn btefe gan^e (hitioufbing o^ne Cinfbifi mif ble
Saiifuttfl bleiben? ®mi% f)ahm ftunftgewfrbe unb Oaufunfl
lüemolö fo lüenig biirdjQUiS notroenbigc inmxe ^Ik'jie^ungen ge*
^abt, toie in einer Qüi, ba grofee 2^eile ber Aktion in J)äufig
gemcd^felten ^^o^nräumen |uc 9]>2iete roo^nen : bennoci^ ift biefer
Hinflug betrö<j^tU(i^ ^ewefeii unb nod^ im SBod^fen.
befte^t borilber ©inoerftänbnig, bofe bi^ber roeber bie
oielfad) neuen SRainnbebürfniffe unferer ^tit nod) bie neuen
Materialien, (5ifen, Qiia^, in bisher unbefonntct äBcife jum
äBonb* unb S)edenbau oenoanbtec bidljiet un^ugöngUd^
SBertfleine, ba}u geffl^rt (oben, und einen Sauflit }u oer«
fd^affen. 6ott befonberfi flarf „rcpröfentieTt" »erben, fo Bauen
roir and) ()cu tc iiod; gern ard^aifdö ; ba ()errfd^t nod^ ber in 5)ialcrct
unb ^Üilbnerei übcrrounbene ßiftoriömug. 5Iber biefer $i)'to^
ri^mu^ fi^t oud^ unferer 5lrd^ite(tur be§ einfachen ^am^ nod)
tief im SUite. Unfete SRietd^au«' unb Siaenfaffaben ftnb bie
obgewanbelten^iafifafTaben ber 9ienaiffcmce unb i^vet f^olge^
^xU, unb md) beren ^^enfierantoge rid^tcn fi^ bie 3nnen-
räume; unfer 33ürgertuni, geiftig au§ ber fiirftlic^ abiigen
grembfultur be« 17. unb 18. Sa^r^unbert« feit etwa 1750
erldft, ftedt bod^ ard^iteftonifc^ nad^ in beten @el^äufe: will
ein jlommet|ienrat befonbeti» gut uiol^nen^ fo »o^nt er
.fürftlic^".
äßer roill fidj tounbern, bafe unter all biefem 3Ri6gcfc6icf
bog (Sd()limmfte eingetreten ift? 3Bir ^oben burd^fdjinittUc^
feinen @inn mel^r für t>a^, xoa^ ard^iteftonifd^ fd^ön ift. ^ir
glauben nid^t me^ an ben einfad^en Stei} tbptbmifd^ec Sinien
unb eined ffied^fett oon Sid^t unb @d!^atten, ber oon belid^teten
unb befd^atteten Zuteilen f^v ^otmonifd^ atmet. SBir fteben
ber ^aufunft feelifdj) ratloi^ gegenüber, toir empfinben i^re
SQßerfe nic&t me^r.
So ift baS ßrfic unb SQBid^tigfte, raa^ roiebererroorben rocrben
mu^, ber ^nn für ben St^ptl^mui» ber @tru{tur unb bod
Gbenmal ber Sinien, in benen biefe ftd^ (unbt^ut. ffiirb unil
l^icr^u ba^ neue £uuftgen)erbe, in^befoubere ber ©erüftftil bed
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KttnU. 201
WbeU, oer^clfcn? ©c^on bcftc^cn SBeftrebungcn, nad) bem
^r)t\)\m&, ber im SWobilior fd^läft, unter ^arinonifd^cr @nt«
toicflung fetner (Sigenf((often im Bufammen^ong mit bem
^atalUv bed Siaumed, in bem e6 aufdefUdt wich, eine ®e-
famtfd^dn^eit eingerid^teter 9VAunte entioicfcln; unter bet
JiUjning be§ je^t in ^krliu roirfenben SBIomcn mn ben Iselbe
toerben fie uon ftorfcm Erfolge getrogen: l)offeii toir, bofe
und ^unöc^ft rcieber einen floren unb fefteu @iun für ben
an^iteftonifd^en Si^pt^mud von Snnenraumen^ unb oon biefem
<aa aud^ einen Sinn für ben Aufieren St^t^niui» bet ®efQmt«
fhmttiir unb ber f^affabe groger SCcd^itefturen in §eitgemögem
Sinne eröffnen rocrben.
®a§, roa« und baö 19. 3al)rl)iinbert aud ad bem ©emeng
MRorifd^er Sauflile unb taftcnbcr Söerfudj^e nad^ einem neuen
^beaie f^in aü guten dinfang einer neuen ar(^iteItonif<i^n
^pfinbung l^tntertaffen l^at, ifl ber @inn ffir baH bauU($
3J^a(erif(^e. f^reilid^ nid^t in ber mel^r tcftonif(^en 9flid&tung
auf bie moterifd^en 2Birfungen ber einzelnen Xeile etneS ^am^
in i^rem ^r^öltnid |u einanber, fonbern für jened ^J}2a(erifd^e,
bod mir emp^nben, wenn vir bad 3>nnere einer nte^rfd^ifflfien
gotifc^en ftat^ebrale betreten unb und bie fd^wac^en, gebrod^enen,
deUeid^t gar bunten Std^ter untfnngen, bie burd^ bie mannig«
fod^en, beim SBoriüärtefdjreiten ftet^ n)cd)felnben ^Kombinationen
oon Pfeilern ^inburd^fluten. ift alfo fein eigentlich ard^i-
teftonifd^ malcrifc^er ©inn, ben roir ^aben; ed ift oiefmej^r
nur bie lebenbige (Snq>ftnbung für iBid^t^^arbeneinbrüdfe, bie oon
einer befonbeven baulich ItonfleOation auSgel^en fönnen. &t
iP ed, bie lüir überaß fudien, in unfcren großen ©ifenbaffen,
in ^Bauten fo n)ed))elnbcn ard)i(cftoni)d)cn G^arafterd i[)rcr ein=
lelncn Steile roie ben neueren 3JJufeumdpaläften oon Sern unb
Sftrid^ unb äKünd^en, in ber Anlage ber (Straßen neuer Stabt«
teile, na beren fünftlerifd^ gebadeter S>urd^fabrung bad fiarfe
steigen grogfifibtifd^er eeo5[(erungen fo oft SCnlag giebt, unb
nid^t minber in ben neuerbing^j immer ftärfer auftauc^enben
^crfud^en, ganje ©täbte ol8 Äunftioerfe ju betrad^ten unb
nad^ ben einbeitlid^en d^eftd^t^punlten ^ober itunfi su oenoaUen,
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202
au^HQefialten unb fcf)müden. 3}Ut biefem <Sinne wirb alfo
Qiid) bei ber ©ntroicflung eine§ geitc^enöffifdien ^auftif^ ju rennen
fein, ober rid^itiger: er toirb ai& £eim unb Anfang eined
ord^itettonif^eti ©inned ol^ne loeitoted fd^dpferifd^ »erben.
3m übrigen weifen neue ^Materialien raie neue ^ebürfniffe
loie aud^ ber Bufammenl^ang mit ber funftgetoerblid^en (&nU
tDidhtng auf einen neuen ®erüfifU( unb bomit auf älbwenbung
von bem SBmtbiHI ber Stenoiffonce unb il^ren Xod^ter« unb
©nfelerfd&einuncjen. ^enn bie 33ebürfnif[e ge()en auf ^olje,
weite unb befonberiS lic^treid^e 9^äume, — wie tft unfer 3luge
burc6 bie neuen Slrten fünftUd^en Äid^teS rerroö^nt raorben!
Sold^e äftäume finb aber nur }tt fdftaffen bei ßarter S)urd^«
bred^ung ber SBfinbe: alfo tHe( 9l(fd^Iug burd^ ®Ia9 — unb
bcniflemä6 bei Slnroenbung flarfer teftonifd^er ^olf)men: alfo
gerüftartigem 5lufbQu. Unb ba gleid^jcitig ber SHaummangel
in ben großen 6täbten, bie für ben gortfd;ritt ber ard^i»
teftonifd^en SBeioegung maggebenb finb, ^o\)t äBötbungen x>et*
bietet, oielmel^r )um Ginbou ni5g(id^fl vieler etodboerb flad^e
5Cedfen miongt, fo ergiebt ftd^ o^ne weitered eine gewiffe fCn^
(e^nung an ben nationalen Stil ber (Spätgotif, ben einzigen,
ber bigl^er gerüftlid^en 5Iuf6au mit flad^en Xidtn ober wenigfiend
fiad^ eingewölbten ^ed^en oereinte.
2llfo @lag^eifen!onftruftion, maöfiert burd^ eine gotiRereiibe
Steinfaffabe? @d ift bie £dfung, bie oft genug, funäc^ti an
großen Sßarenl^äufern, bann aud^ an äRieti^pal&fien unb «er«
eln)e(t fogar an Samitienwol^l^äufem verfud^t »orben ifL
Xber biefe Söfung bringt wie jebe anbere immer wieber boi»
fijwere Problem ber fünftlerif d^en SBerbinbung oon Stein unb
©ifen mit ft^: unb bag Reifet eineg ©ifeng, beifcn fünftlerifd^e
gjotenjen nod) nid;t flar entfaltet pnb, unb eined Steine«, ber
mit allen Xiorteilen einer ftarfen ttbertieferung feiner 8e^
wenbunggfäl^igfeit in taufenb befannten Stilen unb 6tit
nüancen auftritt. 2?a6 ba in allem Drnomentalcn, unb barüber
Ijiiiau^ aud; oft nod^ im ^eftonifd^en, junädjft ber Stein no^
fiegt unb gefiegt i^at: wer wollte ed nid^t Derfte^en? So ift
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Bilbenbe Uunft
ho» SBaDotf^e 9tA^Ui%S^au» ein eifettbmt, abec in ber
Steinmadie eined atqmanMtm Satodi^.
@ine üoll befriebigenbe fiöfimg wirb ftd^ ^ier roo^l erft bann
einfteHen, wenn ftd^ bte neue Onicimentif unb bßt ©crüftftil
beg £unftgctt)erbe^ ber älrd^iteUur noc^ me^r als M^f)cr be*
mäd^tigen: benn ben Stnforbetungen biefer Hunft gegenäbet ifi
ber Stein ebenfo^ wenn ni$t gar nod^ mebr ttabitiondhM^ ate
bQ9 ^fen, unb fo mag el^er ald bi^^er ein geredeter Slui^
ölei^ oerfud^t werben.
Unb J)ierl^in f(^einen bie S^^^^^ jefet gu beuten. 2ßer
etwa bauten ber frü()eften &oixt in granfreid^ unb aud^ in
Seutfd^lanb, bie dUfabetl^tird^e in Watburg ). S., bettod^tet
unb bie fpätere (Snlwidnung ber (Botil lennt, bem lommen
biefc Sauten rool^t l^erb unb jungfräuUd^ unbe()o(feii öor: unb
er fielet burd^ bie cpffopifdien 5(n(ai}en i()rer fc^mucftofen
Strebepfeiler, burd^ bie flo^artigen ^efrönungen ber ^^JunJte,
100 einem ®en>ölbefd^ub burd^ aufgefegtem @teinge«)idit ent«
gegengemirlt toerben foD, l^inburd^ loo^t fd^on bie fd^lanleren^
aOflufungen ber S^^^unft mit i^rem 5Wo§iöer! unb intern
StQtuenfdjimidt unb bie gialenbefrönungen eineg fpätern Qo^r^
Ijunbertg. ©o giebt eg aud^ ^eute fd^on ^ier unb ba S3Quten
im fogenannten neuen ©til, in benen taftenb, aber nod^ fc^roer*
fällig unb ^erb ein 92eue9 ergriffen }u fein fd^eint, baiS fo«
nod^ nid^t (ebt ober nur (ebt wie baiS ftüd^Iein im &,
baS [)inau§brängt-in Sid^t unb :8uft, aber nodj) nid?t für fie
entbimben ift. 3)iö^len bie fd)öpferifdjeit Gräfte f^on unter
und tueilen, bie eS befreien^ unb bie erzeugen, roaS ber bilben«
beit ftunfi ber (^gemoart nod^ feblt: einen tettonif d^eu Stil
tmb eine gro^ Srd^iteltur ber Sulunft
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L
^ie ^atftelltmg bet ttwbenteit ftunßgefd^idftte ift in ben
einsetnen fto^tebt bed vorigen X6f(i^mttd M in ben pfi^d^o-
toftifd^en S3rennpunft ber ©ntroitffung l^inein getrieben TOorbcn:
biß in bell ^unft, in beut fid; ade 2lu§ftra()(ungen menfd;lid)er
X^dtigfeit wie in einer ©onnc centra( treffen, um in einer
grogen ©tut, in einem einzigen geuer emporfd^lagenb unb ben
befonberen SRittein ber S^rfd^ung bidl^ nid^t oeiter Udbor^
ein gatttic^es, ein natHrlid^eiS ®ef^mrd9 tu Meiben.
©ir ne{)men jefet bie gleid;e ^nalt)fe für bic ^idjtinuj
auf. 2öir brau($en un^ bobei um bie t)oIIe äußere ©ntiDicflinu]
ber mobernen ^id)tung einftroeilen nid^t ju fümmern. Sa o^ne
hierauf felbft fpöter no^ in allen (Sinjet^eiten eingeben nu
müffen, Idnnen loir und bereitö jefet oorfleKen, bog M il^r bie
Alteren Stufen ber 3)i(^tung aHmä^Ud^ nähern, ba6 fid^ in
unb neben biefen, äl)\\l\d) wie in unb neben bcm §iftori§mug
ber 3}kterei im £aufe be^ 19. Qa^rftunbert^, ein immer ftärferer
^irflid^feitdftnn gettenb mod^en lüirb: bid er obliegt unb {td^
in ben formen bed Smpreffionidniud ein neued (itterarifdfted
ftleib fd^afft, eine neue SMd^tung begrfinbet.
Sßaä un^ junäd^ft obüegt, unb roa^ mir, um ben 3«--
famment)ang ber einsclnen Gattungen nationoler ^^antafie-
tl^ätigfeit genau ju überbliden, unmittelbar nad^ ber jur
Pfpd^otogifd^en älnalpfe auffteigenben Se^anblung ber bilbenben
fonü Dornel^men müffen, bad ift bie allgemeine pfi^d^otogifd^e
S^orafterifUf ber ^id^tung. ^flad) i^r wirb bann — in um*
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208
flefe^rter SRei^cnfoffle olfo wie bei bcr öel^onbtunQ her Mlben»
ben Äunfl — bag Sterben im einzelnen betrachten fein. ,
Unb tDie in ber 5lunft bie aJialcrei, fo foQ un& in bcr
^id^tung bie fiprif führen, ^enn bie >\l bilbet bie Ur^
etfc^etnuitfl attet $oefte; unb wie ftd^ {etgen wirb, bleiU fte
biefer befonberen Stellung aud^ in unfeter ^etiobe tmt: benn
nieljr qI^ irgenb eine onbere poetifc^e ©attung, toenn auc^ ber
C)ffcntlichfeit üie[(cid;t lueniger befannt, t)at iic fofl ade
^enbungen ber neueften ©efc^ic^te ber ^id^tung }uerft ober
loenigfiend auecü wirffam eingeCeitet.
6l^e aber an ein^ebien S>i4tem, ben fQl^renben SRdflem
unb Gruppen ber 2\)nt, eine genaue 9[na(i;fe ber mobemen
2r)x\t oerfud^t wirb, bebarf ee ber i^öfung einer SSorfroge. (5*
mu6, 93orQuefe^ung aüc^ Aolticiiben, gezeigt roerbeii, bafe
in biefer 2r)x\t bie bid^terifc^en ©inbrüdfe öon einer früher nie
erreid^teii ^ntenFttöt finb: baft jt4 in in ber ^^at ^
neuer unb gegenüber jebem Stabium ber nationalen Sergangen«
l)eit gefteigerter SBirftid^fcit«ftnn offenbart.
D^un würbe biefer ^^nnei^ für ba3 ©an^e ber mobernen
Sr)rif natürlid^ erft bann ganj gegeben fein, roenn er in genauer
SBergleid^ung biefe« ©anjen mit bem (prifd^cn ©anjen frütjerer
$erioben bur^geffi^rt wäre. SRan fie^t aber aldbalb, bag ein
fold^er Seioetö an fl^ unb namentlid^ im Siif^ntmenl^ang
unferer Betrachtungen faum möglid^ ift. ^od^ wirb man ju
glcid; and} jugeben, bafe e§ (genügen nuife, an einem tt^pifc^
geiDä^lten ^eifpiel ben Unterfc^ieb ber 3»tenfität t^rifd^er unb
bid^terifd^er @inbrüde überhaupt im 17., 18. unb 19. Slaj^r' |
(unbert ~ unb baiS l^eigt für bad 19. So^unbert in ber
mobemen ^riobe — 5eigen. Qd; fteHe j^u biefem 3n)e<fc im
folgcnbcn brci t)erfd)iebcne '2Ibenblieber auö ben brei 3a()r»
hunberten nebeneiirnnber : oon ^^aut 6JerJ)arbt, üoa ^jj^att^ia^
(^laubiud, oon Dtto SuUud ^ierbaum.
$ouI ®er(;arbt (oor 1666):
iRun rillten alle 2i>iilbcr,
SBie^, 9)ien[c^cn, 6tat>t unb gelber,
@d Wä\t bie gan^e äOett:
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209
äbtx, ntciiic Gittticn^
Xttf, auf, i^t foOt beginnen,
SBoS eurem 6d^d))fev tDo^rgefäHt
2Qo bift 2)u, @omie, blieben?
2)ie ^ac^t §at btd^ vertrieben,
S)ie 9{a(^t, be^ Xaged ^einb:
gabr ^tn, ein anber 6onne,
SRein 3efu§, meine Sßonne,
®as ^ett in meinem ^eraen fc^int
fbtx Zag ift nun oergangen,
S>ie gfilhieii Giemen prangen
9m Umien Rimmels @aa(:
Sllfo »erb' i4 oui^ flehen,
SBeim mi4 oivb ^etien ge^
SReiit ^toit caa biefem i^ammert^al.
SRattl^iad Sbitbiiti» (1779):
!2)er 9Ronb tft aufgegangen,
2)ie golbnen ©tcmlein prangen
2lm Gimmel f)eü unb flar;
2)er SGßalb fte^t fcf)n)ar^ unb [(^»eiget
Unb auä ben Sßtefen fteiget
2}er n)ei^e ü^^ebel munbecbar.
»ie ift bie SBeli fo ftiOe
llnb In bet SXbnmning ^üUe
60 tcoulic^ unb fo botbl
918 eine fkiOe Kammer,
SBo ifr beS Xaged Jammer
8erf<$(afen unb «ergeffen foSt
Otto SttliuS Sieriaum:
3)ic yia^t ift niebergangen,
2)ie ft^roarjen 6cblcier fangen
9{un über IBufc^ unb ^aud.
£eid raufest ed in ben 9u(^en,
^ie (e|ten äßinbe fuc^en
S>ie ooSfien äBipfel fid^ lum S^efte aud.
einmal Uid ein SBe^en,
2)ann bleibt ber Vtem ftel^en
2)er mfiben, müben SBett.
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210
Kuv no<$ ds tage* Men
Sffi^I biiv(9 bie Stacht 14 f^iDebeii,
Sttf bie ber ffrtebe feine (8nbe (itfi
Vtan toirb §unä(^fl nid^t ^meifeln, hai ber SXd^tet be9
jüttgflen ^titaitex^, S3ierbaum, bie ©ebid^te fetner Sßorgänqer (;e*
fonnt Ijat. ^enn toeldjier ©ebitbete fennt fie nid&t? Sßon ßlaubiu^
aber ifl nadißeroiefen, ba6 fein ©ebid^t eine jeitijemäfee Um»=
bilbung ber SSerfe ^ul ©er^arbtö bUbet^ 2)ie ©ebid^te
fielen alfo in einer gemiffen SU^angigbit ooneinanbet; bie
Stimmung, Ue au^ebrUcTt werben fott, tfi btefelbe; aud;
bie r^t)tl)mifd^e gorm ift, unter 9en3iffen 5lbn)eid^uncten,
bie gleid)e. Slber babci roetdie SSerfdjieben^eiten in ber
äBiebergabe ber (^inbri'tde! (Bd^on bie Slnbeutung nur ber
augenfd^etnUd^ften Unterfc^iebe wirb mel^r aü genfigenb jeigen,
ml^ auj^erorbentliö^e ©teigeningen ber SBirtHd^Mtdjtnn wm
17. jum 18. unb üom 18. gum 19. ^al^r^unbert erlebt ^at.
Xaii Sieb $au( @erl^arbtö l^t neun ©tropfen; bie
Gd^itbening bed Sanbfd^aftlid^en ifl mit ben brei Strophen
obgefc^ [offen, bie oben gegeben flnb; in ben folgcnben, nid^t
mel^r abgebrucften Stropljeu tritt bie 2ßQt)rne^mung ber
äugeren äBelt inuuer me^r )u (Sanften bed ©rguffe^ frommer
@mpfinbung jurüd^.
©laubiuS^ Sieb f)at fiebeii Stropl^en, roooon bie fünf
legten, l)ier nid^t wiebergegebenen, ganj bem btreften ^udbrud
religiöfer Stimmung bienen: nur hai nod^ einmal auf ben
SRonb bingewiefen wirb unb )ur Sd^Uberung ber fonheten
(Srfd^einungen bie »^a(t ifl ber S(6enb^auc§" l^tnjufmnmt
^ierbaumd ©ebid^t ift mit ben citierten }wei Stropl)en
ooUlianbig; ed giebt nur bie Situation unb in biefer bie
Stimmung mit; aü bem Sludbrud ber Stimmung für ftd^ aQein
» ©. 3). 3acob9 in SBagner« Slrd^io f. b. Oefd^. ber bcutfc^en
@prac^e unb ^ic^tutiQ 1, 381; cit. @auer in Itttrfc^nerS X. ''JlatiomU
Utteratur 50, 2, 293 Slrnn. ^iemo«^ ift aiottbiu« obm citiett; Oes^arbt
na^ )Bb. 31, 139-40.
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Dichtung.
211
geroibmet fönnte l^dd^ßeniS bie legte ^üi^ ber itoeiten ^trop^e
angcfprod&en rtjerbcn.
SBu l^aben a(fo fftt beit mobeineit SHd^ter vor aDem bie
Mx^ 3)ie Aflrse otiier Gebeutet ftonsentvatiim. SBte btml^*
bro(^en t)on ©mpfttibunpSaufeerungcn ifl bei $aut ®erE)Qrbt bie
Situation^fc^ilberung, toie von \\)x eingcfc^ (offen ouc^ noä)
bei ^laubiu^i 8ei ^ierbaum faden Sitttation unb ©titnmung
fo gut loie tufammen.
S)amit ei^t ftd^ sugleid^ ein weiterer Unterfd^teb.
fiCteren SWeiftcr geben bie ©mpfinbung bireft rcicber: ja biefe
birefte SBiebergobe be^errfc^t i^re ^id^tung. ^er mobernc
^ic^ter iierlegt bie @mpfinbung berart in bie Sc^ilberung
Sinnfälligen, bag ber geniegenbe ^örer mit regflem innerem
antat feiner $^antafle oeranlalt i% fie au9 biefer felbflt^ttg
auiS§uI9fen: btnr^ bie inbirefte 8el^anb(ung ber Stinmtung roirb
er in ein ©ponnungögefül)! üerfefct, beffcn ßöfung il^n stoingt,
bic in 5^Qge fte^enbe (Stimmung fubjeftio üon fid^ au^ 5U er*
jcugen. @g ift ba^ einer ber roid^tigften Unterfd^iebe ber fub*
ieftioiftifd^ SHd^tung Don ber früheren gioefie. Siid^t a(d ob
SpannungSgefü^Ie nid^t aud^ frül^er fd^on erregt morben wdren.
Slber bie ftänbige Slbfid^t beg SDid^ter^, fie burd^ ben $örer
Töfen laffen unb fo beffen aftio eingreifenbe ^{)antafte=
t^ätigfeit gu erzeugen, wirb in biefer SUisbe^nung boc^ erft eine
eigen^eit ber ^id^tung feit frä^eftend ber mtU t>t» 18. 3a^r*
lunbertö. S)od^ ni^t bied SRoment l^aben wir l^iet ins Sluge
in foffen, fonbem iHetmel^r bie Swwol^nie ber mel^ ä«6erlid^en
Jä^igfeit, S)inge unb @efü{)(e miebequgeben, unb ba§ hinter
i^ir ftel^enbe ^Balten unb SBod^fen beö äi>irflid^feit^rtnneg.
fommt benn für bie Sßiebergabe ber ©efü^le oor
ödem bie SSe^anbbtng bed Sil^tl^nitti» in grage. 9Ran recitiere
bie brei @ebid(te (aut, man oergleid^e im befonberen nod( bie
lefete, müb fd^leppenbe Stile ber ©tropfen SBierbauntö mit ben
entfpred^enben Seilen bei ^(aubiuö unb ^aut ©erljarbt: unb
man wirb nid^t jweifed^aft fein über bie {^ortfd^ritte, n)eld^e
bie murttoUfci^^Tl^ptl^mifd^e äBiebergabe ber Stimmung bei ^ier*
boum aufweifi — obgleid^ gerabe in biefer ^inftd^t oud^ bie
14*
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212
Dic^tnitg.
betben frül^eren ©ebid^te fd^oii auf einer für il^re 3^it fei^r
i^ol^en (Stufe fte^etu
SBoi» ober am mtgenfij^Ud^ßeit ift, bod ifl bie Stetgemng
ber Sntenfitdt ber Seobad^tung für bie Au^ereit Crf$elmm0en —
bie Suna^nte beiS p^^ftologifd^en 9Bir!(i(^!eitiSftnnei5. Sßft^renb
bie ^eobad^tung bei $aut ©erl^arbt no6) \o aügemeine ©egen-
flänbe auffud^t wie SBälber, SBie^, 3}lenfci^en, ©tabt, JJelber^
bie gan^e äBelt unb am Gimmel @onne unb Sterne — eine
Seobad^tung, bie mon 90m molerifdfteit Stotibpunfte aud fafi
no<l^ Derfud^t mftre, tpptfd^ ober gar ornamental )tt nennen — ,
unb roäl^renb aud^ ©laubiuS neben bem Slbenbfd^njeigen bed
SBalbeS unb ber näd;tlidjeii Siebelbitbung nod^ mit ben ©tem*
lein unb bem ^nbe am Gimmel 5u tl)un ^at, fegt Sierboum
mit @(i^ilbetung ber feinfien ein, bie ben fommenben
9lbenb ^aralterifteren, 3ü0e, bie man im Sebid^te felbß nod^
einmal nad^Iefen möge: ifl eine Seobad^tung von biefem
(^inget)en auf bie Intimitäten ber ©rfc^einung^toelt etioad
fd^led^t^in ^eued.
3lm ift, tDie fd^on angebeutet, mit ber ^ergleid^ung
biefer brei @ebid^te, bie in einem ungefäl^ren Slbfianb oon ttaM
me^r ali je einem S^^^^unbert gu einanber fielen, an ftd^
geiüife nodö nid)t^ ©nbgültigeS unb Slttgemeine« über bie @e=
fd[)id^te be§ bid^terifd^en SBirflid^feit^finneg auSgefogt. Sldein
t& läfet fid^ getroft bel^aupten, ba§ jebe genauere Setradjjtunö
ber beutfd^en Sitteratur ber leiten brei 3<K^rl^unberte ba, mo
eine Sergleid^ng mdgßd^ erfd^eint, im aOgemeinen immer
TOicber ju bem f)kx ©orliegenbcn ©rgebnig führen roirb. ^ic
S3ergleid)iin9 , bie an bem Sd^affen breier ^id^ter oon guter
mittlerer SBegobung unb 33cbeutung burd)(]efü^rt worben i^,
l^at t^atfädjilid^ t^pifd&e SBertc unb tppifd^e SIbflänbc ergeben:
auf bem @ebiete pfipftologifd^er mie pfpd^ologif d^et Seoba^tung
ifl bie mobeme SHd^tung ben früheren SntmiillungSfhtfen ber
nationalen 2)id^tung überlegen.
fte aber in ber bei Sierbaum auftretenben Qntenfität
unb barüber l^inau^ tljatfäd^lid^ üxoa^ ^eue^ unb ^niar ein
(Sraeugnid jüngfier Seit i^ bai» ifi mid^ fonfi ha» Urteil ber
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beftcn Äenner. 60 giebt 5. 33. bcr oerflärftc SBirflid^feitÄltnn
in ^JÖJielfeg @efd)ic^te be^ beutfc^cn 3f^omQn« im 19. ga^r^unbert
bcn eigcntUd^cn ©rimbton ber enttuicflungsgefc^ic^tlid^en ^ar*
liedung ab; unb ^id^ath ^^ WUt^tx fyit in feiner ^eutfc^eti
Sitteraturflefd^id^te be» 19. 3ol^rbttnbertö bett dtodftioeid ge«
liefert, bafe geroiffe mobeme formen beiS p^pfiologifd^en 3m«
preifioni^muiS fic^ bei ©oet^e unb Senou erft in SSora^nungen
finben unb, ganj oereinjelt bei bem Slmerifaner ^alt SB^it*
man auftretenb, in biefer 9ludprä()ung noc^ von greiligrat^
ber beutfct^en ^ic^Umg vergebend jur Se(Kt}idung empfof^len
iDorben |lnb.
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IL
1. SU^er ifl aud^ fflr ba§ ®e(net ber ^id^timg fd&ort
nAm^fx bec (Begenfafe einei» |>^fto(ogifd^en unb eined pfi^dlro«
(ogifd^en 3iii))reffIoitttimti( eingeffil^rt loorben, sAmo^ ber 9la4'
loeid einer ^tioicffung innerhalb biefed ©egenfageiS erfl für
bie bilbenbe Äiinf! erbracht toorben ifi. Sefct, too ber oll'
gemeine ß^orofter ber moberncn ^id^tung aliS ber ^ocfie cine^
9er|)ör(ten SBirflid^feit^rinnei» feftfte^t, iß ei» an ber 3eit, biefe
Scgenföte au4 innerhalb ber Did^tung genauer auftufu^en
unb na^^uweifen. 6{nb Re beutüd^ erfaßt, fo ifl ber Soleier
ber ©ntroidfhing ber moberiien 2)ic]^tun9 gelüftet.
Tlan wirb babet biefe ©egenfä^e am e^eften hoffen bürfen
bei ben fiaiiptoertretem ber erflen unb ber groeiten ^l^ofe ber
mobemen £9ri( su ftnben. Sltö ßauptpertreter gilt nun fflr bie
er|)e $^afe fd^on je^t unbefiritten o. SUiencron; fflr bie )U)eite
${)afe finb Bkv^ün ©eorge unb fiiigo von ©ofmannSt^ol nebft
ben um fie fte()enben ^Did&tern als guftönbigfte, wenn au6) in
mancher ^infic^t etioa^ ejtreme ^ßertreter anä) fd&on jiemlid^ oll*
gemein anerfannt, unb jebenfaQ^ bilben fte bie meitauiS beutUdt)fte,
greifbarfie unb d^ara(teri{lif(ti{ie (Sruppe inner^lb ber iflngfteii
SntwidCung.
3unä(i^ft von Siliencron. Siliencron, 1844 ju Äiel ge«
boren, preuf3ifd)er Dffiäier in ben gelbjügen Don 1866 unb
1870 71, na^m al^ Hauptmann feinen Slbfd^icb unb ^at 1884^
atfo oier)igi(i^rig^ feine erfie (Bebi^tfammlung, bie älbjutanten*
ritte^ erf^einen (äffen. Später folgten anbere Sammlungen^
au^ Dramen unb @pen; bie ^lütejeit ber erflen ^eriobe bei^
S)id^ter^ liegt in ben ac^tjiger ^a^ren.
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215
fitliencron ift eine biird^ unb burd^ urfprünglic^e SRotur
unb barum aud^ fern jeber engeren ^bljängigfeit feiner S)idj|tung
oon frü^ren unb fremben litterarifd^en Strömungen. &n
Sunfer Dom Sanbe, ber fi^ mit Stols bcft 9lormannenbluM
in feinen 9[bem entftnnt, tfl er mt^ ald SH^ter ein felbfl*
gemad)ter ^ann, ber nur ganj im attgemeinen auf ber ©runb^«
lajie ber von feinen 2l{)ncn {)er ererbten ©eifte^^altung fie^t.
3fl9b^ Ärieg unb Siebe, bog finb feine Qbeole. Unb feine ißiebc
ift oon tinbönbiger ©innlicbfeit, wie ber Xan) ibm nur eine
anbere %om ber ^ctgb t|l Unb bie Sogb wieber feffelt il^n nur
ein ©(^einfpiel beg ilriege^. 3)er Ärieg aber, bog ifl fein
£eben^element, nid^t eine ^arte 5Jotn)enbigfeit fonbern quellenbeä
eigentlicbfled ^afein, unb Sd^Iad^tenbunj^ wirb i^m )u er«
frif^enber Sebendiuft: ber Suft jene» &6end, bem er ent*
gegeniimö^St: „Seben (urral" 60 feblt ifjm in feiner $51^
seit jebe, ober aud^ jebe ©pur Don ©mpfinbfamfeit unb
(Sntfagung; mufe er oeräid^ten, fo gefd^ie^t e§ in ©elbft*
jerfleiid^ung, unb er roirb fdjiredlid^ im @efüt)l jomigen ^ulben^.
^ied aüe^, biefe S^iidf^tung auf teibenfdyafttid^fte Stimmungen,
auf unfc^attierte (Semeingeffl^le gtei^ ben Sngrebien^ien einer
fernen Urzeit, oerMnbet fid^ bann mit einem mafftven, fafl
mi)tl)ifd)en ©otteeglauben, mit einem triebmaßigen, ron ben
Slltoätern l^er »ererbten (S{)riftcntum, über befjen feften formen,
ein ^nac^roni^muiS ber (3egenn)art, nur feiten bad pantl^eiftifc^e
@effi(^l bed mobemen S)i(bterd aufbliftt
ffiai» mufi eine fold^e 9lotur ab SMd^ter fein? SUiencron
ift junäd^fl, wie er bo^ SBort einmal oon einem oere^rten
ÄriegSfameraben gebraud^t, „üon ber nocften 2Birf(id^feit beS
6ein^ tief burct)brungen". befdj^reibt grunbf ägUd^ nic^tj^,
n»ad er nid^t gefe^en ^at; fünbigt er gegen biefen ©runbfa^,
fo mirb er blutleer; bad Sein ifl ibm b^ig« Unb fo ift er
aud^ in ber f^orm fromm unb TOo^)rl^Qftig. ®r ru^t nid^t, hi^
nid)t ber 2lu^brudf baö feinfte, burd^fd^einenbfte Hleib feiner
©efü^le unb Slnfd^ouungen geworben ift; unb bie bem Dffijier
boppelt anerzogene ^reue im fleinen begnügt fid^ im SDienfle
ber ©prad^ nur mit bem IGoSenbetflen unb ^öcbflen. Unb biefer
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216
UR^t bmmt eine oudgef^mKl^e aUtlage entgegen. Stlieit»
cton iü in ber S^anbbing unfecer Gpitai^ ungtaubCid^
öcroanbt, reimfid^cr unb r^pt^muiSfeft: liegt in feinen
2Borten etroa-e^ oon ber ruhigen ^anb unb bem fd^arfen Sluqc
bed junlerlid^en SanbroirtÄ, ber flroff im SBüget burd& fein
Eigentum trabt unb fd^mit wie bie gelber btfl^ S)a6ei
l^t biefe 6pra(|e trot aOer ffiud^t unb (Berabl^ ettood SRuft'
faltfd^ed: freiließ ba« 9)>hiftfQ(tf<j^e bei» Xtnrnipetenfd^aad, ben
Xon alter Kritgömufi! unb bie rl^ptl^mifd^e ^urtigfeit einc§
^adi) ober ^änbel. Unb toie ift nun biefe Sprod^e geniobelt!
^iä)t^ mel^r oon ben fonoentioneUen SDid^tertdnen ber ^igonen
ber fündiger bü» it^mn Sjol^, mm i^rem Xui»|a^(en au9
einem trabitioneOen ffiortfd^a^, vm il^rem fein cifelierenben
(3prad)f)anbn)crf. ©rofe tritt boS 2Bort bal^er unb unoüd^itg
ftarf : tüi)m 2InafolutF)e, Slnnäl^erung an baS gefprodf)ene ^eutf
unb beffen unoergleid^lid^e {^rifd^e unb Unmittelbarfeit, (3e^
bantenf d^attierungen burd^ 6^^i^ung unnerbraud^ter ^pta^*
juwele M SUtogiS, taf^eS, fooaliermdfiig^ Smrbringen §um
gefud^ten SluiSbrudf, unmittelbar felbftpd^cre Unbeforgt^eit, alle
inflinftio ergriffenen 3^^^^ 5" erreid^en: „glatternbeä @e*
plauber" : unb bag alle^ balb in freien ^^gt^men unter
fiarfer SBinbung be^ SQBortmetrumS on ben @inn, balb —
unb mit Sorliebe — in gefd^loffener ^orm unter meifterlid^,
ja l)atebred^erifd^er ^anbl^abung bed Sleimeft.
SKufetc ßiliencron fo nid^t ber 3)leifler eines pl;piiologifd^en
Smpreffionii^muiS werben, einer S9ri(, bie fUi^ mefentlidS^ ben
Aufieren SinbrttdPen luioonbte?
Unb loie begünftigtc ber ^rieg, ber erftc, gröfete, er»
l^abenfie ©egenfianb feinet £ebeni» unb feiner S)id^tung^
biefe älrt:
$(aj^ t>a, unb Bietzen oue bem Oufd!
SRtt ^ntxafi brauf in (^luf(^ unb ^ufc^t.
ttnb iiorgebeugten SefM vafen
3fi eHiem Btsi^ ooti ^ferbenafeit
IBii aiuet oeit «omn ben ^ufaten:
6o fbib oir in ben 9^ gefahren.
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217
2)ie roten jungen ^inter^er
3n tobeSbringenbcr Garriöre,
2)afe niilb bie @pi^en ber (S^abrocfen
2)en Oraß^alm fepen roie ber Sßinb.
Unb f)u^a, ^ep, bie bunten
©inb roir om Sßalöeiäranb gcft^roinb.
©efnatter, bann ein toUeö iiaufen,
SBir fonnten fautn mit i^nen raufen,
So riffen bie ©aöcoc^ner auö
Sor unfcrm Säbelfc^nittticfauä.
^em ^riec^e fafl au^fc^liefelic^, feinen rafd^en, bUlfd^nctt
loedbfelnben (^inbrüden, feiner ^e^ten Slufcegung ber 9lemn
gehören bie fd^önflen unb frfl^efien ber Eingebungen bed
^ic^terd an, unb lange no^ jenfeitö ber großen Kampfe Übt
er im 9taufc^e i^rer S^ipreifionen:
Sidroeilcn ift mir, alS ob ic^ ^örc
S)ie 2lromme(n toirbeln unb ben 9luf ber Börner.
Unb ftegedtrunfen bricht au§ taufcnb Äe^Icn,
®« flinqt ju mir auS ungemeffncn fernen
@in braufenb |)urra^ iauc^jenb ju ben Sternen.
Wan fugt wof^l, bie ftriege von 1866 unb 1870 l^ötten
ttnd feine $oefte gebrad^t. Slber wie l^tte man vor biplomattfd^
eingeleiteten Kriegen, beren 3lugbrud& nod^ raenige 2Bodf)en oor
ber Ärieggerflärung zweifelhaft ober gar unroal^rfdjeinlid^
war, unmittelbar jenen ^uSbrud ber ©efü^le ertoarten fönnen,
ben in ber ^ greil^eitdMege bie jal^relange %it, ha»
Sfil^netnirfd^en unter ber %aa^ dne6 fremben SvHug^erm o^ne
©rofemut ^eroorbroc^te? 3)ie neuen 5h:iegi8jciten fonnten nid^t
bie ©e^er unb $ropl;eten, fonnten nic^t einen 2Irnbt unb
Äörner unb Sd^enfenborf erjeugen. @rft im iiriege felbft er»
tDu4)d bie ^oefte, unb ed »ar nid^t bie ^oefie beS Unter«
brüdten, fonbem bed Siegerin. Sie aber ifi ^, bie mir bei Si(ien«
cron finben — ftnben im Serein mit einer ungbmbßd^ fidleren,
nur bem (Sieger möglid^en ^Beobad^tiuig ber ©injelüorgänge beö
i^QtiipfeS. Söioo^l, e^ ift etraa^ inie ted^nifd^e SDidjtung, toie
ein @egenftüd jur tec^nif^en Strategie eineS ^^oUte. ^ber
wer in i^ren (Beifl eintaud^t, mirb fie nie mieber oergeffen,
<ittd^ ba tti^t, mo fie fiatt ber gefd^bffenen bic^terif^en ^orm
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218
nur bie ber jlimfterjä^lung annimmt, n)ie in ben unglaublid^
(ebendooQen jlriegdnooeQen beiS ^id^ter^.
3m übü^m vm biefer tafd^e, "fyxtU, {lal^InerDtge ämpreffUH*
itttnmd, ber 3ug bei Sug fe^t unb bem $5tet flberlägt, au« ben
momentanen Bd)[äQm atemlog bog ©an^e ju bilben, ho6) feinet*
toegg innerlid) an ilrieg unb ^eergeft^rei (^ebunbcn. ßeid&t
ging er in ^id^tungSarten ein, bie, groijc^en ^^rifd^em unb
(l^ifd^>'S)camatif4em fd^toanlenb, im eitenben ^ottgang einer
fianblung bie Seteimgung ber einzelnen Cinbrfldte ^urtig
l^erbeifül^ren. ^on ben ©attungen, bie itd& l^ier borbieten, ^at
Siliencron oome!)mlid^ jroei gepflegt, bie ^agebud^bid^tung unb
bie ^adabe. Unb in ber ^adabe vox adem erfreut er burd^
fnoppfie (^sä^hmg; ed xfi mie eine ptaü ft^nbe ^ufaten*
unifonn: unb bie enge Sdünflrung ber 6prtt$e mirb nid^t
fetten §u fomif d^en Sßirfungen auggenu^t ^Daneben treten bann
gewaltige ©tüdfe auf namentlich öon leibenfd^aftUc^em Sinn
für ©elbftänbigfeit, üon einer 3lrt Urpat^og ber grei^eit, alg
c^rone ber @ang t)on bem unbönbigen ^^ei^eit^brang ber
Qyliet ^riefen mit bem ftel^rreim^ fiemmer buab Ü0 &Uml
9(6er olmd^Ud^ erweitert ber ^id^ter feinen 6toffh:eid;
bie impreffioniftifd^e ©d^ilberung wirb auf einfädle SBorgänge
beg ^llltaglic^en auggebet)nt: rul)ige ©cenen aug bem Älein*
leben, gern mit SRaturfc^ilberungcn oerfnüpft, taud&cn ouf,
baneben (Scenen au« ber fogenannten @e{eUfd^aft unb axa bem
High life — biefe nid^t fetten mit grimmigem $umar:
(Sö fingt ein ßieb von fjelij äifcnbelmaier
^er lange Lieutenant mit bem Dcbend&änbel.
2)aä alte ^^räulein brütet JRätfelcicr,
Seforgt ben 2^ee unb buftet nac^ Saoenbcl.
brummt ber SRat, ber liebe 6(^reter.
3Be^ mir, roie langfam fdjroingt ber Slbenbpenbell
3» ®nbe. ©Ott fei 2)anf. ^(i) atme freier
Unb babe mic^ ba^eim in Sac^ unb ^änbeL
Sefonberd eigenartig finb bie Slaturfd^itberungen, bie §a^I«
reid^er erft gegen ^c^lug ber erften ^eriobe einfegen. 6ie be*
> $ibbev Sftiig, SBMfe 9, 18 ff.
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roegcn ftd^ genau roie bic bisherigen !3mprcfftonen beS ^l)id^ter5^
in 'iQoxqatiQ^', ^anblungH Setoegungdeinbrüden: Biliencron
tennt (eine SRatitrauflftnbe.
@Iei(^Dte[ me^^alb, id) bind, id) bin oecbannt
3luf biefc lieine, bcic^umro^mte ^n\tU
SBeit liegt mein roalbburc^raufc^ted Saterlanb.
^ier fc^Iei(^t unb friec^t boä SBattenmeergerinfet
3)urd^ @(6(i(f unb @cf|[amm, ein [c^mu^ig gelbed Sanb.
foltert bcr 6turm nic^t, nörgelt Söinbgeroinfel.
)el) bic Sonne morgenö Sßaffcr trinfen
Unb abenbd mieber in bie äOogen fin!en.
Cd ifi bev tiefe Sinn für ba9 fionblungiSntögige in ben
fingen, ber ©inn, ber fie^t, roie „ber ,3)?orgcn bie 3lad)t
fd^tocigenb in feine fiungen fangt", roie „^ammerfd^lag unb
Äolbenftöfee ber SBelt i^|r l)Qrteg ^flid^tgcräufc^ oerfünben":
ed i{i ber @inn, ber ui^tli4ien Kulturen eignet, ber fie bad
(Spod |ur grofien Jtunfifimn entmidetn UHst, ber il^nen bie
^i:ieromanientif, bie Dmomentif bcS ßebenbigen am ereilen
naljelegt. @ö ift bie feelifd^e Haltung, bie auf ba^ 33e(ebte,
bad Engere ge^t, ber bie S)ramen unb bie feineren ^töge unb
Strdme bed inneren no$ unerf^loffen ftnb.
3n ber Sl^at feljlen biefe 8töBe unb Störungen aud^ bei
£ilienaon. Seelifdft tennt er nur ^oEgefü^le, ungebrod^ene
^rben:
Shifiaud^jenb, fterngeftreift, in ^oc^gebanfen,
^ätf nieber, erbgefd^Ieift, in 3)oni ttttb Slanlen,
Setfolgt, ietf^a^ wn giergequUten 9Men
8ifl btt, mein mtfgeiDÜ^Ited ^ers.
60 mtd^, nenn er initbere Smpfinbungen )U fc^Ubem ^t,.
wie in ben $ara0e(Rrop^en ber (eiben Sebid^te „älbfcl^ieb Dom.
33ater(anb" unb „^eimfel^r".
1. ^ iD4>0t mein @(^iff, finft tinb te(t,
^tt 6turmneb fUifien bie SRatrofen.
(88 mögt mein $e(|, e8 fingt unb htht,
§8 f^Iftgt 6tunR ben ^eimatlofcn;
unb:
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8. m fc^reit mcHi ^ers, iauc^jt MI
%kt alten (eimat ^eiB entgegen;
nnb »Ol od ftinb ic^ ie buc(^(e6t,
Itlingt micbev mit auf oHen 9Begen.
©0 bleibt ber ^id^ter auc^ bei Iprifc^cr ©mpfinbungö^
^ntnblage gleic^fam badabenmöBig^ ba er immer in au^»
^efpto^ettem Sinne etaädlt: fiatt B^f^nbe ^nbtung, ^nb«
brnq, ^anblung. Ergeben fi^ tvo^bem oemattige Stimmungi^-
tüirfungcn, fo ^öngt ba« bamit jufammen, bafe nur ba« 2luf*
quellen von Urgefül^len gefd^ilbert roirb: Urgefü^le aber finb
©emeingefü^le; um [xe roirffam madjien^ bebarf e« nur
einet ^nbeutung im flüddtigfien (Sinbrud.
Sin bod giebt nun bec eigenfkn unb urfprflnglid^fien Jtitnft
Sitiencronil BefUmmte Orenjen. 5ba et feigen I5nnen nntfi, ma
er [int^t, fo ift bie ^oefic be« ©eelenteben« nur in Slnbeutungcn
oor^anben, — nirgenb^ ^antilenen ber Stimmung unb be«
Oemtit«. 2Beil er ba« ©eelifd^e nur im ^l^pfiologifd^en et*
^ft, finit et (eid^t in» Siatäglid^e, bidmeiten in« ^latt'*
^rofaifd^e. Unb ou^ ba, wo er f^ietoux bema^tt bleibt, ift et
in feinen (prifd^en ©ebid^tcn oon jenem inftinftiü ©eifilofen,
rein unb blofe 2lnf ^au liefen, ben 3"l^^^iib gleic^fam unberoufet
^rfaffenben, ba« in jeber Gattung ber ^^antafiet^dtigfeit
ftennieic^en be« pbpft^^dif^^n 3m|»^^frtonidmu« ift S)ata6et
bei einfädlet ffii^etgabe oon einbtfiden l^imoegiugelangen,
giebt e« ffit Siliencton anf^einenb nut ein 9litte(: ben ntdg«
lid)ft glän^enben ©ebraud^ be« ^ergleid^«. Unb barin ijt er
^^eifter :
2)er ©türm pre^t tro^ig an bie genfterfd^eibcn
2)ie rau^c 6tirn; tieffc^roarse SöoKcn txzibw,
35Jie gcftcn einer Stiefentrauerfa^ne,
Unb fc^neU, roie Silber jie^n im ^iebeimolint.
Obet, oon einem gied^oogel:
Sbn anbte trieb im 6<l^ioet^e feinen tßflug,
wie bie OoHrn fai| ba« et jagen,
Xttf iebet 9lemi(o|it Uieb pnüä fein ffiagen,
6tatt SBeine« fanb et mit ben IBaffetftuo.
4c
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Did^tnng. 221
2. 3lber roa^ hx^^tx gefagt ift, d^arofterifiert ben 3)id^ter
nur wäl^rcnb feiner erften ^eriobe, lüä^renb bet reinen
p^pftologifd^en Smprefftontömud. Wt ben neunjiget 3al^vett
ge^t er langfom in eine anbete 9lrt Aber; bie bisher Qm^
noturaliftifd^e SBeife feinet 3mprefftoni«mui5 üerfd^roinbct, unb
uad^ unb nad^ taud^en ibcoliftifd^e gerben auf, üerfd^mtljt
jugleid^ bie neue gorm ber erften ^eriobe unoermerft mit
iprifd^en formen ftlterec fiberliefetung. Sitiencron ^ai in
feinem Spoi$ „^oggfreb" (1895) felbfl biefe neue $eciobe launig
unb ber SBetünbening ooDauf Bemüht begrübt:
3BQg t^u ic^ nun hinein in bie 33e^ältcr?
eriniuung? Xraum? ©rtebniä? ^^antafic?
Sc^ l^abe Hngft, mein Srut roirb täglich lättcr,
3um 2:eufel ge^t aümäfjlic^ ber ©fprit.
Sufatnmen fc^ab ic^ brum, immer älter,
^ie fc^äbigen tiefte meiner ^oefte.
2)enn üor mir, greulid^e ^agobe,
•fiocft fteif beä 2)ic§terä »jrocite ^eriobe".
3n ber Sil^at: ber S)i<l^ter wirb ru^ger, bie fd^arfe ^b*
grenaung ber Sinbrfidfe oerliert ftdft, bad SRoment ber 6tinnmmg
nimmt über^anb:
£angfam graut ber 3lbenb nieder,
3KiIber n)irb bie ^arte 2ßelt,
Unb ba§ ^erj mac^t feinen ^rieben,
Unb 9um ^inbe n)irb ber ^elb.
ixa flnb in biefen vier 3^(en gewig tiod^ t»ier gut um«
riffene (SitiMde, aber baiS ©anje ift fd^on unenbtid^ fiimmungiS«
coli, ©ebid^te biefer 9frt roerben l^äuficjer, liäufiger au6) (Buv-
brüdfe, benen, oft burd^ ein einjige^ äßort, eine ftarfe 6tinu
mungdnote gegeben wirb:
l^ort om Ufet flett mein 8u|,
2>tü6enr (otiaoniburillaffenb,
Stiert am Gtronb ebi f^moIeS SNUb^en.
Ober:
Itnb immer fülley toitbS im ^ain,
fd^Iief bie ganje ^be ein,
S>ev Sßittb nur butil^ bie fedlen
6pielt 4^of(9en unb Setflecfen.
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222
2)td}tittii|*
Siefer GtimmtmgiSQel^alt toteb batm fletegentlic^ fo fiocf,
bo6 er netDöfe ©d^toebungen unb ©pannung^gefü^Ie l^erDor«
ruft bie ber fiörer burd^ tbätige 5leilna^me ber eigenen ©in*
bilbung^fraft auiSlöfen mug. ift bann fd^on ber Übergang
einer ^id^tung, bie i^rent ^auptmoment nad^ Stimmung^»
bid^tung ift, olfo, ba fit bie gkrfdnlidftleit bei» ^i^Uxi gaii}
in ben Sorbergrunb fd^iebt, ibealijlif^e ^id^tung, loenn aud^
noö) einer nieberen^ fubjeftioen (Gattung, ^au ^öre unb
genieße:
Xie gtoBe gelbe S^ofe ru^te fd^ioet
^uf fc^roatsem äßarmorfarg in Stamor^aUen.
äßeff' ^anb fte brac^, unb mx fie trug an^er,
^\x(S) roex bie £ei(^e soar, ift mir entfallen.
@d fd^lief ber ©arg, von f&iatt unb Blumen leet,
3m 2)ämmcr, eine ©p^inr, auf ^ömenftaQen.
2)er Slbenbnjolfen lic^tgeftocfteg |)eer
(Sntftieg bent SKeere, tot mU iOlutforoOen.
fiiliencron l)at in feinen fpateren ^id)tungeu
Stüde biefer ^rt üon großer ©d^önl^eit. ©^ ift ein ibealiftifc^er
Srnprefftoni^mud pl^9{u)logifd()en ^l^arafterd ; nid^t feiten bilben
feine Sd^dpfungen unmittelbare (Segenbilber 8U ben ent«
fpred^enben ©rgeugniffen ber impreffioniftif d^en SRalerei: —
SJor mir bc^nt fid^ ein gro^e^ 2)icet
D()ne Söeüenfturj, heilig unb leer.
2)er Äüftenfanb, auf bem ic^ geruht,
SCar von (^Jolb unb rot rote 53Iut,
Überfc^immert von bläulichem Sic^t
^^raeier eirunber Sonnen, bie bict)t an bic^t
Über ber ©ee am .f>immelörant)e
Sic^ äeigten mit purpurnem 2BoIfenbanbe,
2)ad leicht fte überfällt unb unge^roungcn,
Sllä xväx^ um jroci Siofofofpiegel gefd^lungen.
3ch fonnte, o^n mit ben 3lugcn ju blinfen,
3n i^ren milbcn ^^lammen ertrinfen.
2)ünn, roie meinet ©pajierftocfö Sauf,
©(^offcn nal^ hinter mir Säumc^en auf,
6echö an ber S^¥t 9"* ausgerichtet,
9lur in ben (Gipfeln blattoerbic^tet ....
ftanb auf ben ^njeln ber eroigen diul).
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223
ttiib loie »1(1 i|v fimftak 2tu^im Uqlüä^,
Unb wk tiri(( i(v ^ecvlid^er ®Iati| entsficfte,
6paitni i4 bie Xtme bem 645pfev auf:
3^ oolnte in fetitem Satevlaui.
3Ran fielet: ^ier ift aud) fd^on bet S^mbolidtimi^ eingefel^rt;
bic 6umme beö äufeeiiid^ äingefd^auten ift nur ein 2Biberfd)ein,
erl^ält Seben nur von Stimmungen, bie unter il^m fluten unb
in i^m aU burd^ einen Spiegel gefeiten emportauc^en.
©tredft ftd) ber Did)ter l^ier an bie ©renken ber
ntobernen ©pmboliften, bereu SBefen wir balb fenneu lernen
werben, fo Derfd^milst er anbererfeit^ in ber Stimmung md^
ättt unb fUtu in mand^mal übenafc^enb ftdiieret ^otmonie:
Unb eine 9ht(e lommt gesogen,
SRein ^ets ft^Cftgt feinen alten ^taq,
2)ie UnglflcfSodgel finb oerflogen,
3R\x a§nt ein neuer X§atentag.
S)a hüd midt) unb pflücf im ©erretten
SluS ($elb unb Stnid mix einen Strauß
Unb trag i^n, ooß oon ©eligfciten,
2>er Siebften feilen S)anld nac^ ^ui^
ffiie ftnb bo4 i^iet bie @efül^le unmittelbat gef^ilbevt,
wie ift We %üm bie ber gefd^tiffenen ftunft ber fünfziger
Sa^re, wie J)ält man mit bem S)id&ter unter alten SDod^ern
(Sinfefir! @g ift eine ^td)tung, in ber Siliencron in ben
legten ^a\)xen meit gegangen ift, ja ju toeit, bid )U un«
aioeifell^aften SangweiKem. ^ber bod^ ^ört man in ben meiflen
ber Stüdte, bie l^tet^er gel^dren, infiaUtid^ %^ue l^eraud,
iDie ftd^ aud^ in ber ^orm fSilt unb 9leu begrüben: unb folte
nid^t eben ber fc^öpferifc^en ^ermaJihmg von 2llt unb 9?eu
bet (^up^orion einer 3ui^unftdbic^tung entfteigen fönuen? *~
3ube9 bie (Sinhoidf (ung bet mobemen S)id(tung ntad^te bei ber
5lu^geftaltung be^ pl)i;fioloöi{d;en SnipreffioniSmug nid^t ^alt
unb nod^ roeniger bei beffen ibealiftifd)er Ummonblung ober
SSermifd^ung mit grofeen ^rabitionen: unerfättlid^ ftrebte ber
BirUid^feitöfinn nonoartö in boi» @eeKfd^e hinein unb brängte
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224
^ier an gegen bte unbcfonntcn ©ebiete ber blofeen SRctgoo'rgänge^
bii^ er feinen gug auf iungfröuUc^e^ £anb gefegt ^atte.
8. S)er fif^d^ologifd^e Smprefflonttmui» gefangt am befien
ober roenigfteng am gefd^loffenften unb cinbringlid) ften in ber
^oefie einer ©ruppe üon S)i(i^tern jum 2lugbrucf, bie fid^ feit
1892 um bie „JÖlätter für bie ilunft" fd^arten, eine 3eitfc^rift,
bie juerfi nut intim — bad ift ein Sieblingdmort biefec ®vwppt
unb be? @eq,mmQXt übet^upt — „fftr eine mideriDä^tte Semetn«
f d^aft Km JtfinfUem unb jlunflttn(|ängem'' erfc^ien. & ftnb an
erfter ©teile 6tepban ©eorge unb ßugo von fiofmannSt^at, bann
Äart äi^olf^fe^I, Seopolb 3Inbrian, ^idfiarb '^exi^, maic S)au*
tlienbep u. a. m. : :^eute t)on meift jurüdge^ogen^ariftofratifd^em
Seben, langer (^ebtod unb bivite ^Idbütbe, ^artta<bt ber
breigiger Sabre, gern oon teid^en iSÜem, mobem in ®änfe«
fü§d;en, im übrigen jung: fiofmannSt^al, geboren 2Bien
1874, wirb in Äürfd^nerS Sitteroturfalenber »on 1898 nod&
al& S)o!toranb ber ^^ilofo^^ie uer^ei^net.
^efe &twp^t vM nic^td t»on unmittelbar anfd^auUd^
®iYHi<|(ett wiffen; fle mill eine ,,geifHge Stunfl"; benm^t er«
fd^eint il)r bie SBelt al^ ^Heil^e bloßer ©enfationen, unb biefe
©enfotionen finb il)r barum folgerid^tig allein ©egenftanb ber
SDic^tung. Unb unter biefen 8enfationen fud^t Tie roiebcrum
veniger biejenigen auf, bie bie Dberfläd^ bed ©eelenlebend
ftreifen, aü oielmel^ bie tieferen, bie bid in bie unbebmnten
Untergrünbe ber ^ftjd^e filieren. S)enn bie Dulgären ©efü^te
finb i^r nidjt^ einfad}e3 unb barum ©rofeeg mel^r, fonbern lu-
fammengefefete ^ilbungen, rcie bie Glitte beg ^aufenbfd^önd^en^
ober ber Sonnenblume, ^nfummungen jeweils einer großen ^enge
Don elementaren (^ftnbungen, oon nerodfen Siefen nocb obne
flaren unb abgegrenzten ^nljalt, meldte bad (Sebft^tni» erfi §u
bem groben SQünbel eineö ganj fonfreten unb feinem 3n^alte
nad^ flareren ©efü^ls ^ufammenfafet.
^iefe unteren Sf^eije nun üor allem, biefe nod^ nid^t mit be*
ftimmtem Snbalte ober gleid^fam nur von ^ü^tm unb 92ebeltt
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Did^tung. 225
f)alh aufgefüllten ©efäge von ^mpftnbungen gilt eiS bewußt in
fi^ au^unelmen unb mtd intern ®e^U bie 2)id^tung )u ge*
flotten. ®efd^ie(|t bad, fo wirb eine $oefte ecUfi^en att 9tqm*
pol bef pli^fiologifc^eii i^^mpref fionifmuf , „jener üerbraudjten
unb minberroevtiqcn Schule, bie einer folfd^en 5(uffQf)iinc^ ber
SBirfUci^feit entfprang". Unb biefe ^oefic wirb „feine (St*
ftnbund oon^fd^id^ten, fonbem äBiebergabe oon Stimmungen"
erfireben, steine Setrad^tung, fonbem ^arfieKung; feine Unter«
Igaltung, fonbem ^nbmd".
SBie nun bieg ^xtl erreid^en? öiebt e§ junäd^ft ben
SBeg einfädlet ©d)ilberung feelifd^er unb befoiiber<S neroöfer
^ieijüorgänge. Unb l)ier wirb oon ber neuen Schule fe^r frü^
fd^on eine augerorbentlid^e äßeifierfd^aft erreid^t, »ie benn bie
Schule bie ^om flbetl^Qupt in jebem @inne l^od^^ält unb
förbert.
SBit f(^reitcn auf unb ab im reicf)en }^ütttx
^eS Suc^engangeö beinah biä jum Xt)oxe,
Unb fe^en aufeen in bem ^^elb oom ©itter
2)en 3)2anbel&aum jum ^loeitenmat im ^(ore.
9Bir fttd^en nad^ ben fc^attenfreien hänfen
Xoxt, wo vtni niemals frembe Stimmen fc^eu(^ten:
^n Xräumen unfre Xrme fic^ Derfc^ränfen,
S&ix toben unA am fongen mUbcti Seuc^ten.
9Kt fallen baitlbat, nie su letfem Staufen
8on äBipfeln 6tra§(enfpuren auf un8 tropfen,
Unb l^orc^en nut unb hlidm, wenn in Raufen
S)ie reifen gfrüc^te an ben Ooben flopfen.
(@tepl^n George.)
^uger ben leifen unb leifeften Sd^attierunnen beS ^er«
lömmlid^en aber fud^t man nor oOem aud^ neue Gebiete feelifd^er
Steide auf. Smat nid^t gan) mit bem munberlid^en Buge ber
granjofcn, biefe wie jebe neue Äid^tung ini ^trem ju ftofeen,
bii3 fie, in biefem ^^ße, ju ben ^Worreteien fdjon ber ©oncourtf,
nomentUd) aber ber ^u^fmang, 9lobö unb ^Jic^npiS gelangte,
älber boc^ in grunbfä^lid) neuen unb nid^t immer uon einem
gemiffm SnobiiSmud freien äiid^tungen. 2)a^in gehört ed
oor aDem, menn bie tlbergangdfenfationen smifd^en §mei \}^iß
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226
pfd^en Sinnc^cinbrücfen in bie ^id)tiin(] einqefü^rt werben:
bic töneiiben gorbeii, bie farbigen SBofale, bie (;el)örteu ober
gcf ebenen Xaftgefü^le; (£rfd)einunqen, bic in bcr 2)ici&tun9 bc*
loujst aHerbingd f (^on von X. Sl. ^offmanit oenuertet toorben
ftiib. 5Da|in gel^ört audft bie S^ilbening bet Qermifd^ung
^ö^erer unb ftödftpcr ©inne^cinbrücfe , ba« 2Iuf6ebcn ber
fefteften unb Qnfd}aulid)ftcn C*>)rcnjen unferer ©mpfinbung, bc§
SfiQume^ eim unb ber Qeit finb ^inge^ bie man fonft
bodd tool^l nur bem Senfeitö §ugef daneben ^at:
Et tüi, diviue Mort oü tout rentre et s'üflace,
Acciieille tes enfants dans ton sein etoile,
AftVaii(his-nout> du temps, du iiombre et de l'espace
Et reudb-uous le repoy que la vie a troublö.
(Lecoüte de Lisle.)
Sie neue S)i4tun9 aber iienDenbet biefe Senfationen
wentöfteng fd^on für bie irbifd&e ©fftofe. ©o. ©tepl^an ®eorge
in feinem ©ebid^t „S5?ei^e", ba§ in bcn allgemeinften 3^'^^"
benfelben SSorgang fd^ilbert toie ©oet^eg „3"^i9"""ö"- 2)er
^id^ter ruft fid^ su, bie SHufe ber Sicitung am ©efkbe eined
@tromed §u erwarten:
3m 9iafen raftenb [oUft bu bic^ betäuben
Sin ftarfcm Urbuft, o[;ne 25enfer[törung,
So bafe bie frembcn 5)auc^c all jerftäubcn,
3)a8 Äuge fc^auenb ^aire ber ßrljörung:
6ieW hl im Zalt M €itcou(^ed 2au( Mon sittevn
Unb auf ber gtatten fluten 9)unfe(glan)
2)ic bünne iRebelmauer fi<( jerfplittcrn?
^örft btt bad C$(fen(teb sunt (Slfentana?
Q(5)on fc^einen burc^ bev Qm^Qt Qad6nvQ.i)mcn
SDiit 6ternenftäbten feligc ©eftlbe,
S)er Qtitm T^iuc^ oerliert bie otten 9?amen,
Unb diaum unb ^a[ein bleiben nuv im 3ilbe.
S)ie tlbergang^fenfationen amifd^en fpe^iftf^en einneft*
etnbrüÄen aber tüerben aU ctioa» ganj ®en)ö{)nlid^c8 wn ber
(5ä)ii{e einget;enb jur ^arfteHung gebracht, ©o üon ^ofmannä*
i^ai im „Xoh bed Xi^ian" :
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lUib nie M SDunlelS Uüftt 9ttem)ii0
Sttn Shift M (Sotttnd um bie 6Hcn mir trug,
2)a Weit cd ntiv »le ba9 9oYfi6erf4ioetfen
Son einem loeii^enr nogenbeit 0emanb
ttnb bie Serü^iid einer nmrmen (anb.
3n »eilen, feibig neiBen SRonbetflteifen
fBoc liebedtoOer SUiifen biegtet Sana,
Unb <nif bem Seifige lao ein oeii^ef Olans
tlnb f»fötf<l^ette tmb blinfte auf itnb nieber.
3<9 mei| eS (eut ni((t, o('< bie ®(|n>&ne
Ob babenber 9Iajaben wei^ ©lieber,
ttnb nie ein fafter XuH oon Srmien^aaren
fßemxWt 1t(^ bem 2>uft ber SOoft . .
S)oi rofenrote Zbntn mit von ©eigen, .
Venoben oud ber @e§nfu(^t unb bem @($weigen,
2) er Brunnen $(ätf(^em unb ber Qlflten 6<^nee,
3) en bie Slfosien (eife ntebergoffen,
ttnb was ba n)ar, ift mir in @ind oer|ioffen:
3n eine überfiarle, fc^rcere ^rac^t,
S)te 6inne fhmrai unb Storte ftnnlod nuu^t
♦ *
4. dlun ift f(ar, bafe auf biefem ^eqe taxm no$ toeiter
SU gelQHQen ift, toenigftend innerhalb ber G^retijen ber feelifc^en
©ninblage ber ©egenwairt; bie ttaturaUfttfci^e dniwidbinQ beiS
)>f94olo0if4en, ja bed neiiYoIogif<$en Smprefftotitömui^ etfd^eint
mit ber äfufnal^e bid^terifd^er ^omteti wie ber gefd^ttbertett
erfd^öpft. 2lber injitifd^en mar lönöft, ja fnft gleii^^eitio! unb
Beklag auf B6){a(\ bcn naturaliftifd)cn ©rrungenfd^aften bicfeö
Srnprefftonidmud folgenb ein neuer ^bealidmud emporgeblü^t.
S)er md,
ber farbenbürftenb in fic^ felbft gefcnft
3la^ immer neuer äBunber unertoa(^tem @piele fpä^t
(fiubroig ß(ageä)
l^atte beit Steiaoordang ni^i ntel^r att Dbjelt aufgefud^t; oiel*
me^r umgefel^rt fd^uf ber 5Did^ter auft ftd; ^eraud bie 6enfa«
tionen, jprad^en biefe fubjettiu qu§ i^m in neuen Sunt^en:
übermäd^tig unb breiten 6tromei$ trat in ben gormen neuro«
16*
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228
[ofiifd^er Smpreffionen ein ^öealUmu^ jmmd^ft ber pcrfön=
Udjen Stinnnung ^eroor.
(B^ \mv augleic^i eine toic^tige äBanblung ber p\\)di)o^
logifij^ änf^auung im aOgemeineti. ^er naturaUflifd^e ^m*
ptefHonidmud l^atte bie Seck nur atö Sü^ne ffir h<a bmtt
Spiet von Ginbrfidten angefe^en, a(d ben leeren Ort gteid^fam
unabläjfiö nd) foUienber pf^d^ifc^cr Stftuölitaten, qU „Xempcl
be^ STraume^" (3)iQeterlincfj; üon bem feftcn ten ber ^erfön*
lid)teit, üon einer Seele al§ «Siibjeft war roeiiig übrig ge*
blieben. 3e|t »enbete (leb bie älnfcbauung leife, wenn au4
nod^ längere Beit ein unKareiK (Sefü^t pantl^eifiifd^er @ebunben«
^eit QU bo^ 5111 ber dlaiux iinb ber ©efd^id^te oorroaltcte. So
bewegt rieb ^^^^ ^ojmanudt^al nod) in 3^^if^^n:
Oana oergeffenet Sdlfev SRabiflCettcn
Jtann niäft abt^un oon meinen Stbern
9lo($ loeg^alten oon ber erfc^rocfenen &tüt
^tttimneA StieberfaOen femer Steme.
Siele ©cfc^icfe rceben neben bcm meinen,
2)urc^einQnber fpielt fie alle bao Safein,
Unb mein 2eil ift me^r a[ö biefe^S iiebend
@(^(anfe <^(amme ober [c^male :^eier.
SIDein tbatfad^Iid^ trug bo$ ein primitiver ^beaMmud,
ber ^beoltömiig ber Stimmung, ben Sieg baoon; unb er roar
nid)t benfbar ü()ne eine '|>|ijd)olo9ie, bie bem leeren Ort ber Sen=
fationen ein wenigftenö triebhaftem 34/ ^in^ feimt)afte ^^Jerfön*
lic^feit entgegenfeftte. Unb bie^ 34 n'irfte {t(b nun mit feinen
Stimmungen oft pbantafiif(b unb nid^t feiten au<b nod^ gefprei^t
genug in einer neuen ^t<j^tung aud.
3unddj|t fam e^, genau roie in bem ibealiftifd^en Qm«
prejfioniemuö ber 3}ialerei, jn einer anfeerorbeiitUdjen Steigerung
ber ©inbrud^nüttel unter gleid^^eitiger S3ereinfad^ung unb ^er=
einbeitlicbung ber itomporttion. Sine Sl^ortiebe für ungeftört
verlauf enbe Vorgänge tommt auf unb für SRaffensüge, unb bie
Äürje wirb gefugt: „rein eflenmäfeig bie Äürjc". ^a« offe«
bebeutet bann eine ftarfe ^ndjt ber ^{^^antofie in ber 3luen3a[)t
ber oermirrenb mannigfaltigen ^inbrüde, bie au^ ber biegte»
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229
df^en Cmpfängm« j^crooroe^cn: eine 3"^t, bie ftetfid^ o^ne
breinfprct^cnbe 31uffic^t be^S 33crfloitbej8 tamx mö0d} war.
Xa^ fo ßetDonneiie (beruft ber 2)ic^)tunö ober roirb bann mit
einem ^unberiDedoonUmfleibungen, bte burc^ iDealiftifd^e ^{aU
mittel gefd^affen »erben, odQig überbedt unb glei4ifam aui^'
gebaut: „Stimntuiigebilber in aQen @|>eftra(fatben'' treten auf
unb in allen Xonfombinationen, nßen ^ifyonanjen unb ilonfo«
nanjcn unb 2lffonaiijeit be^ (^erud)e^ unb be^5 xaftgefü^le, un*
erl^örte Xöne unb garben, fatt unb glüljenb, geuerroerfe ber
rü^rungeeinbrüde unb Orgien be^ ©erud^ed, Vorlieben für
$un!e(nbei», 6teme, (Sbelfieine, 3^Iegungen ber d^emifcben
^rojeffe bed 8(umenbufte^, :Ou|:u$gefü^(e be9 Statten^ Staul^en:
^•liohcnbe .Hii^Ie Don junqen Si)ringcn.
JDämmernbe ©rotten ci)auenblott.
SBafier in lUngenben l^ogen
Sä5oflcn —
3tuf p^o§pt)ornen Sc^toingett
@e^nenbe ÜUogen.
purpurne ^n\ün in Mlummetnben gfetnen.
6Ubmie ftfle auf monbgvfinev Qu.
<9olbne Dianen auf gu ben 6temen.
8on aittemben Selten
6tnlt Scttett^ott. (Star fDottitenbe9.)
Daju ftarffte ^3)^ittet jur öntcnuüiernng ber ©runb*
{Hmmung neben ad ben £ilaträunten unb ben ©enfationen
mennigroter SSHefen: ein attumtönenbed Geläut ber ©timmungd«
maierei, ein aud Slbgrunbtiefen aufftcigcnber $a(I beiS ^atl^oiS,
ein erhobener ^aud) ber ^procbe — oUeö in ber Diic^tung beö
5veierfid)en, 5(nbeutenbeu, UngcroiRen, Sl^nunggoollen, @e»
^eimni^reid^en:
^aft ifi bie ihtnfi bei gro|en (intecgntnbcS
ttnb baS ®el^etmntö groetfell^after fit(^ter;
Xai moc^t fo fc^9n bie ^alboenoe^ten Itlftnge,
60 Mdn bie bunilen Sorte totev 2)i(^ter.
(0. 4ofmann0t^al.)
Unb gal^lreid) unb in äu^erfter ^Verfeinerung finb bie 3)littel
entwidtelt, aU biefen gorberungen au genügen, oer)c^n)immt
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Dtd^tun^
bie B^td^nung ber Vorgänge iniS Ungeiviffe, tote in ben i02alereien
eiited ^uoid be ii^ammt&i bad ®erippe bed @ef(^e^ni{fed
voith nid^t me^r ftd^tbar, oud^ toenn e9 gninbfö^Ud^ genau ge«
jeid^net ift, bie Konftruftion bleibt üecbedt roie in ben 33ilbern
©tucf^, nur ber SDuft, ber ^üu6), ber ©eruc^ ber (^reigiüffe
mrb gefotumelt. toirb bie Sprache in eine finnU^e,
neroenfcUlige, ä^eisnotgcinge untetften &xah^ enegenbe, fiiri
tmiittalifd^e Haltung gebogen :
2)ic ©celc roeint in ängftlic^en ©efü^Ien:
fann bie SBorte nic^t klängen jtnben,
Äann bie ©ebanfeu nid^t Äränjen roinben,
Um roter Sßunbe ^ei^en ^canb tüi)Un
fo flagt ber ^d^ter (S^id^arb $er(d), bem bie SRiife ber neuen
2)id^tung ben Kufe oerfagt. SBenn aber biefe ^Dlufe ben
SDid)ter erhört, bann entfielen mufüaUid^e ^ortbid^tungen oon
fonorem Alange:
^inouft atttti 6iromt 9Bo 1loI| bie ^o^eti Stopft
gm lUiben SBinbe i^te gfa^nen (((iDingcn
Unb loelten Junger IBetten G((.mei($eI($ore
gum Ufetmoofe fofenb votsubr^gcn.
{SUnp^n 0eorgc.)
Unb nid^t bie 6prad()e allein t^ut e^. Slud^ ber ©ebanfe
xoxxh in ben Strubel ber Stimmung gei^ogen — am l^äufigfkn
burd^ überaui^ feine, ja raffinierte Stnwenbung fiarf buftenber,
nartotifd^ wirlenber @Ieid^niffe, Symbole, Slttegorien, dhnbleme.
So wirb j. 33. für ^ofmonnStljal bie ©prod^e ber ^ic^tung
gerobe^u 5ur Sprad()e be^ ^Ulbe^, ber ^JJetapljer. Unb bamit
wirb benn bie Sprache auö) aU ^2luebrud bed ©ebanfend eine
anbere. 8ie ^at dier nid^t me^r bie Aufgabe, mit „'^äi^nunifi*
merten bem gemeinen Sagei^oerbdr unb feinem berben Sebarf "
§u genügen. Sie mu§ vielmehr eine neue fpntaftifd^c Äunfl
ciittaUcii, fie mufe bie raeitefteu Sd;reine iljre^ äBortfd^afeei^
biirc{)uni()len lafjen unb mit neuen J^oftbarfeiten aufroarten, fie
mug ungeahnte Jlombinationen i^rer ^Uttel anroenben, um
ber unerl^örten äntenfttöt ber Stimmungen geredet |u werben.
Senn glül^enbfie färben unb tief fie ittänge, intimfie X9ne
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Ptc^tistig.
231
unb oerfietftelie ^ußfd^tcige oerlangt mon 9on il^r, unb eine
^o(mctid)enii foll fie fein be^ „gcljeimni^Dotlcn, unfid^tbor
raufd)enben unb an^ie^enben Untertond" bicf^tecifcj^er ^ec^
ftänbigung.
3a, eine ^olntetfd^tin! S)adi{l ed: bie SJfiittel biefer
S)i4tun0, bie bod^ immer mieber auf bie Gprad^e hinauslaufen
ober beren S^unftlreiiS paffteren mfiffen, fte Rnb g(eid)fam bo4
nur (Sc^attenfpielc cincS hinter bem 3^orl)Qnß, l)inter ber finn*
H(f)en ^rfd)einung be^ ©ebic^te^S fid^ ab) pielenben (Srcioniffe^,
ba§ feincrfeit^ erft ba^ eigentlid;e SBefcn unb bie Seele be§
®ebi<lftted barfieat. S)iefe ^i^tung ift f9mboafcl^ bur4 unb
burd^: unb bag fie ed i{l, beweifi, trot aOer ffiunberUd^«
feiten unb 3)iobetl)or^eiten im ein5elnen, bafe fie einen ßö^c*
punft bilbet in ber ©ntroicflung ber ^^^ocfie ber niobernen
Stimmung, ^enn bie Stimmung fu^t ein gefü^looded ^htai
%\nUx ben S)ingen unb töxih erfi bann ©enüge i^rer Se^n^
fu4t ftnben, menn aOe dufieren Wittel bi4terif(tier Skirfiellung
jenem einen 3i^^^ untergeotbnet ftnb, bad ^inburd^ bur^ ben
Schleier ber ilompoHtion unb ber Sprad^e auf einen burd^*
richtigen feelifd^en ©e^alt I)inn)eift.
^ad aUed jcigt aber auc^, bafe biefer QbealiiSmug ber
pfpd^ifd^en unb neroöfen ^inbrfide feine ^orgefd^icbte bat. Unb
in ber %f^t erinnert einjelned lurücf bis an bie Sid^tung ber
©mpfinbfamfeit.
D 2)efiberata!
St&mt fte iDetterunt^üQt btr in ben fterbenben t^euern (ber &onnt),
jtänte fte leife bang com Sc^atten^ügel geioanbett:
9ttebev fäniefi bu gßn^l —
©iefe »erfe t)on aibroig jltoge^, fdnnte fte nid^t jlfopftotf
gcbid^tet ^laben? 9lber ba§ fuib oerftreute 2lnflänge. 2)agegen
jprid^t man ii)o()I oon biefer neueften $oefie ber 9ieisfamfeit
aU oon einer D^euromantÜ. SoUte bamit ber ©taube angebeutet
werben, bafe 114 in ber ^oefte unferer S^age bie alte 9iomanti(
nod mieber^ole, fo n)firbe bie Sntfiebung bed ffiorted bei feinem
S3i(bner einen bebentlid^cn SWangel gcfd^id()tlid)en ^enfen^ unb
eine fd^limme Unfenntni^ ber Uttciargefd^id^itlic^en X^atfad^en
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232
Pidrtttitd.
oorau^^fc^cii. 3)enu ber grobmafeige Unter fdiieb ber neuen
^Cid)tung üon ber alten SRomantif ift augenf d^einlid^ ; uub gut
^at i^u ^icl^arb ^erU ^ecDorgel^oben:
bette bi(^ in trmimedüefe ftuft,
ein, mein Sveunb, sum alten Heiligtümer
S)ott (IttfUert unb bort raunet man bit au
<Sin neues ®tffen um bie Maue 9Iume.
(5in neue« Sßiffen! ©craife finben fid^ in ber ^id^tung
ber ^ioinantif )sBorboten heii tnobernen 6t)mbon$mud, fo mie
fi4 in bett 3)i(titun0en ber @mpfinbfam!eit SSoraei^eit ber
9tomantt! nad^weifen (offen. 9l6er ftnb bedl^lb je jroei btefer
^erioben unb baniit mo{)i gar fie ade brei iljrer inner üen
©eele na6) ibentifd^? roirb eine ber (oljnenbften Slufgaben
einer i^ultur* unb inöbefonbere ^^itteraturgefc^id^te be^ fubjefti-
t>iftif4)en 3eitatterd fein, bie Unterfcfiiebe in bec feeU{(i^en ^aftd
ber empfinbfamen, ber romantifd^en nnb ber mobemen Sid^tung
einmal ganj genau ju beftimmen. btefe 2)id&tungen aber
überljaupt üerfd)ieben finb, ba§ fann felbft bcni oberfläc^lid^cn
.sicnner ber litteracifc^eu 2)enfmäler ber brei ^Periobcn nid&t
zweifelhaft bleiben.
aber menidftend oon ben franaöfifci^en Siaturaliften unb
SbeaKflen hed pfpd^ologifd^en SmpreffloniiSniud, ben 9aube(aire,
5ßer(aine, 3J?alIarm^ foÖen unfere SDid;ter ausgegangen fein!
®eun6 liegt ba bie ©ntwidlung ber analogen franjöfifd^en ^ic^^
tung früt)er als bie ber beutfd^en; ^aubelaire ftarb 18G7, unb bie
„Fleurs du Mal" erfc^tenen 1857. ^ie beutfd^e ©ntiuidlung
aber nur ald eine llopie ber franjdftf^en an}ufe(ien n>firbe nid^td
anbereiS feigen, etma beifptetömeife meinen, Me beutfc^e
Gnipfinbfamfeit üon 1750 fei burd) bie (Sinful)r unb Seftüre von
SjoridS Sentimentaler 9Unfe ücranlafet raort^en. ©eiuife ^aben
uniere beutfd)en S)id()ter in ber gorni von ben granjofen ge^
lernt, benn biefe loaren gefd^id^tUd^ friif^er am $la(e; bie ^
l^auptung aber, bag tie il^nen in bloßer Kad^abmung gefolgt
feien, follte fd^on burd^ bie X^atfad^e ouSgef^toffen fein, bog
roefentlidje Qü^e ber entfpredjenben fran^öfifd^en ^^soefie bei
i^ueu febien. Unb ^war gerabe bie (leroorragenb fran^öfifcben:
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23S
ber ftarfc unb finnlid&e 5lult beö :Ü>ei6eS, ha^ ^u]\nä)m über-
feiner S^arfofen von ber 5lrt etroa, rote biefe bur$ ßeroiffe
iBitaneien be^ romanifd^en jlat^oli^tömu^ l^eroor gerufen werben,
itnb Senoanbtei^. 92ein, bie @ruppe oon ®eorge utib ^ofmannd«
t^al ift beutf<i(; unb pflegt fte bei il^rer Vorliebe fttr ha» Seit«
fotne, ^^]runfenbe, l^alb ^erücrfe ütelfod^e SBcjicl^ungen ju tp
trenten ^JUc^tungen auc^roärtiger Kulturen, fo j. f&, oud) gum
^ngtifd^cn ^rärafaelitentuni, fo ift fie bennoc^ in i^rem Snnerfteu
fogar auSgefprod^en national, ja ei^ fel^lt i^r nic^t einmal bie
4>ffenfid^tU(l^e oaterUinbif^e SS^aQung:
©c^on locft nic^t mel^r ba^ SDunber ber Lagunen,
'^a^ aüumroorbenc, trümmerc^roBe ^om,
3üie f)exbev ßic^cnbuft unb ^tebenblüten,
SBie fte, bie beine^ ^-l^olfeö ^ort bcl^üten,
äBie beine ^ogen, lebengrünet @trom. (@te)}l^an ©eorge.)
^efer pfpd^ologifd^'intpreflionillif^e SbeaüÄmu» ifl aber
jugleid) bieder bie lefetc üöllig abqefdjloffeiie @rrungenfd)aft
uuferer bid^terifc^en Kultur; mit i^m enbet einftroeilen ber 2aui
ber mobemen Sntmidlung. Unb wie ber ^araQeli^mus bet
^an^en Seioegung §u ben Sorg&ngen auf bem ©ebiete ber
bilbenben ftünfte, fo (ö6t ftd^ aud^ bie innere entnndfungd«
gefd^ic^tüd^e @efd)[offen!)eit biefe^ ^öerfaufe^ nid^t werfennen : ber
pl^pfiologifdie Qnipreffionigmu^ mufete in einen pji}d)o[ogifd)en,
ja, bei ftärffter iiertiefung, in einen neurologifd^en Smprejfioniä*
tntid auslaufen, unb auf bem ©ebiete jeber biefer (SnttoidCungen
mugte einer S^t naturalifHfd^er (Eroberung ber neuen Itunfl*
mittel eine Seit ibeoliftifd&en SlusbaueÄ parallel Q^l)tn unb
nachfolgen.
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IIL
1. 3m üMg«! ift ^araftetiflifd^, ba| Ue Httctarifd^e
^eiDegung t>od) erfl (öngete 3^it na(^ ber ^uftf unb beti
bilöcnben fünften ober raenii^ftenö ber SWolerei jum ent=
ic^iebencn ^ritd) mit einer aiibers^ gearteten Vergangenheit ge«
langte. 2)ie „Blätter fttr bie Rm^" fonnten ed audfpred^en:
«We wöxt bei utiiS @4nfttum unb S)i4tung oon ^te in fo
trautige 6t(hrung geraten, loenn i^re 9krtreter§u ben gletd^jettig
lebenben ^]}feiflern ber bilbenben unb ber ^i^onfunft ben 33Iicf
er{)oben bätten." ^^eilid) : raürbe bie ^I5id)tung burc^ einen fiebr--
gang bei ben anberen (Gattungen ber ^^antaftetl^ätigfeit roirflid^
im Snnerfien gefdrbett loorben fein? 2)ie einaetnen debiete
menfd^lid^en 6ee(en(ebeniS finb in tieferen Bufommen^ngen vtt^
anfert aU in benen von ein poor o6erfiö(^Ii(^en SIbbängigfeiten.
@g foH l)ier nid^t oerfud^t werben, bie 'i^orgefd^ic^^te bed
bi(i^teri{d;en ^t^Pi^^fKonidniuS auf beutfd^em ^oben audft nur
in ben aUgemeinfiten unb gröbften 3ün^n DoUftönbig ju ^id^nen.
Sin fold^ed Sot^aben wflrbe bie Cfonomie biefed fßu^t»
fprengcn, würbe ben Sefer entioitftung^^ßefd^id^tlid^ nid^t Diet
über bie allgemeinen ßinfidjten binau^hbringen, bie jid^ gelegent^
lid^ ber eingebenberen ^ctradjtung ber ^i^orßcfd^icbte ber im
preffioniftifcben ^JJ^alerei ergeben baben, unb loäre^ubem nad^ bem
beutigen Stanbe ber gelefirten (^in^eUirbeit nur febv brudftftad«
neife m9g(id[|. (Senug hai bie leifen Senegungen, bie |mar
nod^ nid^t bad 9{eue ftnb, aber bod^ pi ibm überfübren, in
ber ^i(^tung bod^ faft fo weit roie in ber 2!ia[erei jurücfreid^en
unb aud^ äbnlid^fe $^afen, wie in biefer, burd^laufeu ^abeu.
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235
@inc früf)efte SSorftufe fü^rt ^ier auf märfifd^en 53oben
unb ingbefonbere m6) Berlin: in ba^ ßanb unb bie ©tabt
beg f Warfen StealiiSmud unb bec ^Beoba^Uing in biefem ©inne.
^intiil^ oon ftleift (1777—1811) ift ab ^rjä^Ier etwa, lood
$t)ilipp Otto Suiifle a(g ??ortrdtifl loor: er ^at fd^on eine oit
SJiaupaffant eriunernbc ^ed;iitf, inbem er bie (Srjä^lutig bamit
beginnt, bafe er unmittelbar in eine gefpanntc Situation oer«
fe^t unb biefe bann einge^enb unb energifii^ ausmalt. 3n ber
(foftnbung ifi bann fteilid^ ^ieled no4 nmiantifc^. älber bod^
tDtrb mon fd^on an SBUItbalb Kejd^, einen ber erfien grögeten
9JeaIiften, unb on ^f)eobor ??ontane, faft einen ber erften 3m*
preifioniftcn, 0ema()nt: unb beibe tuaren 3J?ärfer. 2ln bcn
frül^en S^ealiSmu^ bed berliner 5iriegjg= unb ^4^arabebilbed tote
bie SSerbienfie e^nebtid^ äBü^elmd HI. um eine teaUfUfd^ere
S)enIntabp(afU( gemannt ed weiter, wenn einer ber ftfij^eßet»
fd^orfen Sd^itberer ntobemer beutfd^er ^efeUfd^aft, ein Heiner
6lenbH. 3"I"i^ t)on 58o6 (1768-1838), big 1798 preiif3i|d)ec
Leutnant roar: roir üerbanfen i^m, bei all feiner gripolität in
ber ^rt ber gieic^jeitigen beutfd^en unb fran^öfifd^en rationa<r
Kfiifd^en Sitteratur, au^erorbentlid^ treue ©d^ilberungen bei^
preu^if d^en ^eered t»on 1800 unb namentlid^ feinel^ Dfft^iercorpS.
Son Königsberg gebürtig, ober nad^ oielen (Seiten \)\n berliner
geworben, mar ferner ©ruft ^^eobor 2lmabeug ^offmann (1776
bid 1822), bei ollen roniantifd^en ©djrullen unb ©d^auergefü^len
ein oufierorbentliil^ fd^arfer Seobad^ter ber SBirllidj^teit, im
(Brunbe oielleid^t ber erfie mirltid^ gan§ Oerlinifd^e S)i((ter^r
jcbenfaOiS ein ^id^ter ganj auf eigenem ^ßofiament, mit einer
güHe üon Su^unftöfenfationen, ein Wiann ber SBeltlitteratur,
^eutc oielleidjt in feiner ^eimat weniger gelefcn als in ^xant^
retd^. Unb mit ^offmann brad^ ber ftetige glug beS berliner
Stealidmui» teinedmegi» ab. äBirb man aud^ bei aSUaibaib*
tlle^s unb felbfi bei &\t%tm, att S^ilberer beS arifiofratifd^en
Berlins, feine burd;auS fidleren unb unmittelbaren $Boral^nungen
beä mobemen S^i^preffioniSmuiS fuc[;en wollen, fo fte^t biefem
bafür ber Saron ^le^anber oon Ungerm^ternberg (1806 — 1868>
» e. mtiu \ 69.
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mä^t fem — loenigftend nid^t in feinen fpäteten Itbeiten, na4*
^em er bie aOatiflarfe Slbl^öngic^fett t)on ^ideniS obgefltreift ^atte.
Ijat ex, mit l^tib imb ©ce(c feubol (^cftnnt imb in beii
füiif^it^er ^t^Ör^n .^reuj^eitung^monn, freilid; roeber frioole
no4 ^umoriftifd)e ^kljanbliing Qu?W)lof3, ha§> lieben beS preii§i*
feigen Slbetö am ^ofe wie au6er ^ofe, überhaupt bad arifio«
fratifcie Oetlin mit unübertrefflici^er ^teue gefd^ilbert
Qnbe« bic eit^entUcfeften unb ticfftcn Übcrganggfonnen 51ml
bleuen finb Dod) fd^Ucfelid; nid)t auf märfifc^em unb 53erliiü)d)iui
©oben ern)ad;fen. S)aju roar bie märfifd^e unb roo^l aii4 bie
berliner Rultnx n)eni0fteniS ber erften ^älfte bed 19.
tiunbertd im Serl^äÜnid suv beutf dften @efamt(u(tur nod^ ju iDcnig
bebeutenb. ^er load^fenbe ^irtlid^fettöflnn bebmf te, wo tx ^
erfolgreich regen f oöte, ftarferer Slnregungen, be5eid^neiiberer Ob-
jtfte. Unb ba er öorne^mlidö in ber bürgerlid^en Alultur als ber
innerhalb ber 9iotion allgemein fü^renben ermac^te, fo roanbtc et
fid^ }unä((ift bem dten 8auenttume, ba, m ed traftig unb
fnortig unb attererbtem Ooben venoadftfen fag, ate inter«
effanteflem ©egenftanbe, weil gröfetem ©egenfa^e ju. 9f?eben bic
©auernmalerei trat bie ^orfgetd)id)te, unb Dornel)niIid; in (Süb^
beutfd&Ittnb, in Bä)XDahm unb in ber ©d^roeij, roarb fic juen't
l^eimifcö. ©ert^olb Sluerbad^ (1812—82) wirb atg i^r öegrünbcr
gefeiert, unb fo tonoentionett uniS l^eute feine Sörbeled unb
3ofep{)ö erfd&einen, in ben ©ieraiger unb fünfziger Sohren galt
feine ^aiftetlung alä ein Sluöbunb von di^aMmu^. S)erje!ii9e
^reilid), ber 5U meitaug fd)Qrferer Beobachtung üorbrang unb
«baburch ju einem eigentlichen 3[?or(äufcr beö mobernen 3m--
^»reffionidmuiS mürbe, mar ber Schweiber ällbert Siftiud, 3eie<
miaiS @otthe(f (1797—1854). Si^iud mar Pfarrer, unb feine
2Ibficht war e^ feineSroegS an erfter ©teQe, S3ouernnoi)effen
fünftlerifd^en Gh^rafter^ ober aud^ nur böuerlid^e ©r^ähluiigcii
5u fchreiben. 6eine äßerfe gehören oielmehr einer gan^ anbtTeii
Sflichtung on, bic oon alterdljer in ber ©chroetj gepflegt roarb
unb aud^ in einigen ^id^tungen fteUerd nod^ in fiarfen Stetem
■augfirahlt: fie finb in (irjählungen getleibete SSolföpäbaiiogif.
1Die grögeften früheren Tutoren biefer §lid^tung n)aren $efta(o^3i
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287
mit „Sienljarb unb ©ertrub" unb SW^ffe mit bem „©olbmod^cr^
borf" geiuefeu; fd)on bei itjneii rcnr bie bäuerliche, bie (änblid)c
Um()ebung beDorjugt; i^uen fc^Uegt ^i^iu^ fic^ an. ^bec gerobe
in biefem Stammen wox mdgUd^, tein tea(ifiif(|, nur ben
S)ingen augeiQonbt, litteratif^ ttabitioniSM su fd^a^en. Unb
btt ^at benn ber SleaUdmud beg fd^toei^erifdien ^forr^crm
{d)oii mondjei?, ja mele§ vom ^mpxc^\ion\^\\m^> an fid): feine
abfohlte ^-h>at)rhafti9feit läfet \\)n oor allem ba^ ^JJenfd^en^crj^
bo4 flucf) bie DZotur in feineren ^Regungen als bcn bi^^er be*
tonnten beoba<i^ten; bementfpred^enb erfd^lie^en ftd^ ifim oud^ neue
Stoffe jumeifl bed igägli^en, unb bie 5lonipofttion wirb unter
ber äÖu4t ber anbringenbeu ©egenftänblid^feit ber äßelt üer=
nac^läffigt. ^i^iug ift beni jieime nad) bei: erfte ^mpreffioiiift.
^ber fo rafdj) unb geraben ^egS wie er ift bie beutfc^e
fittterotur neben unb nod^ i^m nid^t nam SmprefftoniiSmu^
fortgef(^tten. (St (atte aleid^fam jenfeitiS ber CSremen ber
ttberlteferung gefc^affen. <i)iejenigen 5Did)ter aber, bie neben
unb nad^ il)m oor aßem ftärferen äi>irflid)feitöfinn oerrieten,
fd^ufen bod^ innerhalb biefer ©renken: unb fo raurben fie, loie
man fagen pflegt, fortgefc^rittene ^tealiften, unb i^r ^efen
gehört nur teitweid ber neuen 3eit, §umeift bagegen ber ^Itur
ber fünfziger bid fiebriger ^a\)xt an. S)a ifi, um nur einige ber
®rö6eften ju nennen, gunädjft griebrid^ Hebbel (1813—68).
6eine „^Karia 3)iagbaleno" (1843) lie^, roa^ unuiittelbaice (Sr*
fafien pfi;chifd;er 2Birflid)feit betrifft, ben rajd^eften gortfd;ritt
fum Sntprefftonidmud ober n)emgftend einen SluSbau ber @e*
ffi^tewett erwarten, ber erbomtungiSlod ieben SS^nfet bei»
grojsen ®ebieted erl^ellte. tHIein fiber biei» 6tfidf l^inaui» fd^ritt
Hebbel im ^Raturalisjnuiö nid)t fort; in feinen fpäteren Dramen
be^anbelte er felbft bie feinften gäben betoufeter ^orfteHungen
unb flaren äBoßen^ nid)t einmal unmittelbar anfdjaulic^ aU
Settel ober dinf^lag bed bramatifd^«|)f9diiologifd^en ©emebed,
fonbem fd^ilberte Re gleidbfam nur wie ben @efla(ten aufgen&^t
unb angeflebt; bie ^erfönlid&feiten würben bewufet ftilificrt,
unb fie traten unter bie SBirfungen einer fo au^gefprod^enen
64)idfaUibee, bag fie beren SQ^ud^t unterlagen, ^a ift femer
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Otto SubiDio (1813—65). Subwig ifl mit einem nod^ flärfeven
SöirfUdjfeitöfinn auögcftattet al§ Hebbel; feine ßrjäl)liin(;
,.C)eiteretl)ei'' fet3t bie ^orfgefd;id;te in einer SBeife fort, bofe tro^
«der 5IppUfationefticferei von ^umor iinb Saune unb taufenb
perfdnlid^en äRotioen, tto| einei^ gewiffen älrabed!etitumd tia^
ber 9lrt von geon ^ul bod( ein 8i(b bed tl^üringifd^
SBauernlebenS von haf)\n imerl)örter Xrcue entfielt. Unb
niie fleraattig (\ax Tinb einzelne ^eile ber @rjäl)lung „SnJif^en
glimmet unb ©rbe" in i^rer abfoluten ©egenftönblid^feit, in bem
vollen ^inp^^ff^onii^tnud ber ^^aturfd^ilberung, in bec feinen,
wenn au4 tiod^ niö^t neurologifd^en 3^I^^ung bed inneroi
iSBefeniS bet ®e|ialten! 916er Subwig f^at biefe (Sr^ö^lungen
fpäter beinalj üenuorfcn, roie er nod^ meljr ben ,,(^rbförPer"
(1853) unb frühere $ßerf ud^e üerroanbter Dramen uerroorfen
^aU ^intueg mit ber taftenben ^ergegenrcärtigung ber ©efamt*
fumme pfpd^ologifd^ei: 9tefle£e ^in hut^ da gonfed S)cania,
l^nmeg mit bev Setonung beiS So^ialpfD^if^en in ben Se*
Palten, l^inweg mit ben H^nungen einer tieferen Stufe ber
(Benftttion: üerebelt mufe baS 3)rania werben nod^ ber ©d^id^
fal^ibee unb bem nodb l^olb erjä^lenben bramaturgif d^en Äonon
©l^afefpeareiJ ! ^er ^idjiter ift bie bcftcn Sa^re feiner jeugenben
itraft biefem SrrUd^t nad^gqogen unb in bem Sumpfe
reid;er, auf bie $ra^$ unonwenbbarer tl^eoretifd^r Setrad^tungen
crftirft, in ben esS füljrte. ^a ift enblid; 2ln5engruber (1839
bis 1889) — ein ^f^aturbid^ter, rcenn ba§ SBort erlaubt ift,
faft wie BifeiuiS, unb bod^ aU ehemaliger ©d^aufpieler auf ber
iBü^ne }u ^aa» mie in ber Heimat, ^ber fein 2;a(ent btiet
begrenzt; er gelangte nid^t weiter aU ba^u, ben gan}en
Steatidmui^ ber ^orfgefd^i(^te in ha9 Sauembrama ^u fiber«
tragen: unb and) bieg nur im D^a^men ber ftarfen unb alten
^ntroidprung hc^ SBiener ^öolföftürfS. (So entftanb etroae in
fid) SSoüenbeteg, fielet man oon ben Stilcfen unb ©cenen ab,
bie ftd^ mit bem britten ©tanbe befd^äftigen: aber eben ttmi
SSoQenbeted a(d ber 3[6fd^Iu§ einer reiben (Sntwitflung, eine
^ipfelfunft, on ber $Raimunb feine J^reube gcl^abt ^aben mfirb^ —
eine Üunft nur mit anbeutenben g^oten^en ber 3ulunft.
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Qthbel, Siibroiq, Slnsengruber, brei ftärffte Präger unb
5l^)ucr beg Koiiuuenben, finb üornc^mlici^ ^ramotifcr (jeroefcn.
©oute ed nic^t befonberd fd^ner geioefen fein, ben Smpteflto*
nidtmtiS gerabe im S)rama enttoUbtn? 3m S)rama, bo»
neben bem <^pföngnii9 ber ®efta(ten mit qu9 ber te^etnben
Dberciimnrfung einer ©d^idjalöibec entfte()t — unb ba^5 l)ei§t
einer ^Ißeltanfc^auung, beten nH'fcntIid)fte 3^itmomente nod^
l^eute erft jum Xeii ber impreffiomftifd^eu Kultur angehören,
in ben fünrsider galten aber beren noc^ tingeborenem ^efen
no6) fo fern flanben, ba§ il^r fel^Ienber SRiteinftug in ber
©ntftel^ung be« ^Droma« allein fd^on beffen Übergong jum
üoUen ^"ipr^ffioniömu^ uer^inbern fonnte? Sludj in ^yronfreid^
\)abtn gu ben Qexkn be^ 3mpre]'i'ioni^mu^ nod; ^umag fils
unb ^ugier geblüht unb vegetiert njenigften^ nod^ l^eute Sarbou —
aOed ©d^ne einei^ frfil^eren, hioi tealifUfd^en Sebend ber
SHd^tung. Unb bei und beginnt bie (itteradfd^e 9leoo(ution
mit ben adjtjiger Qaljren, fteljt bie p{)t)fioloöiid;4mpreffioniftifd^e
2r)X\t mit etwa 1884, bie HuHfter5ät)lung wenig fpäter auf
i^rer ^ö^e, — bad erfte ganj imprejfioniftifd^e ^Drama bagegen
ifl erfi ^uptmanni^ „ä$ot Sonnenaufgang" Don 1889, unb bie
5ffentli4e Sü^ne ifl bem beutfd^en gmpreffionidmud erfl in ben
nennjiger Söhren entfd^eibenb geroonnen TOorben. S^ein, manche
grofee ^romatifer ber fünfziger big fiebjiger ^al)xc Ijahen bem
Smpreffioni^mu^ i^rer ^can(agung m6) n)o^l na^e geftanben,
aber begrünbet unb eröffnet ^aben Tie it)n nic^t.
3m ganzen aber mar bois ^ama biefer 3^ten erfl ted^t
anberiS geartet. 9{iemanb mirb ben ®ebrflbem ^rt im mefent*
lid^en roiberfpred^cn fönnen, wenn fie von bem 3"ftöi^^ ^'or
1882 meinten; man l;aUe bie 3eit ber ^ragöbie unb be§
^ö^ereu ^rama§ für auf immer geid)n)unben} nur bem Hon*
oerfationdftüd, bem Suftfpiel, bem ©d^toont unb ber ^offe
gebe man nod^ eine 3t(Iunft. S)aiS Sntereffe fflt emfiere 5tunfi
fei beim ^ublifum oertoren, bei ben ^id^tem fe^e man ooraud,
bafe fie meber bie Xcdf^nif be^ Slufbaueß unb ber .^ompofition
»erftünben nod) fpannen ober intereffieren fönnten; einzig oon
ber S^lad^al^mung ber ^ransofen erwarte man ^eit. ^ ber
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Zl^at mangle Originalität unb SebeniSfftle. S)ie G^dtalteit
feien im Segriff, gu fonoenttonellen 3Wö»fen erflorrcn; wo«
früf)eren Sf^Ö^^^l^i^^^^^t^" ^arlefin, her ^antaton, ber
©rajiofo, bie Kolombine waren, bo^ feien bem heutigen ber
Sacfftfd^, ber Sonoioant, bie Soubrette, ^an fd^affe bie @e«
fialten nid^t mel^r aui^ bem Men unb bem eigenen Snneieir
l^erauiS, fonbetn aui^ Sül^ne unb 9fi($em: „überaE Sleprobubimv
miat^^ unb ^ad^bru(f."
roar gewife ein jdjarfe^ Urteil, ein Urteil jene^ 3o^^^'
ber fc^öpferifd^ Dleue^ fud^t. 2)ennoc& würbe e^ mit mand^er
Seredjitigung aud^ bie ilunfter^äl^lung unb bie Sprit getroffen
l^aben. Sor allem bie Sprit. S)a mar bie l^ol^e, menn ain|
fo t)ie(fad6 fd^on abgeleitete formen fd^önl^eit @ei6e(i^ im Segriff
ju t)ernet]en; jefet famen bie ©pigonen ber Epigonen, unb t)ie
Sutenfd^eibenlieber erf langen in bünnem ©eflimpcr. Unb
au6) in ber ^unfterjäl^lunQ ging wenigftenS im gongen,,
nid^t me^r redfft vormörtd. äBo mar ber 9iefle|ioniSroman ber
3ungbeutfd^en geblieben, m ber groge Sloman ber Oegentoact^
ber breit in aller 5luttur fußenbe S^^oman be^ „Dieben*
einanbers" üon föu^fon)? ^Der l^iftorifdje 9lontan geipann ba^
gelb unb umfd^anjte fic^ mit ©itaten unb ©ffurfen, — bid
ein le(ter ^erfud^, i^n in groggearteter Epopöe burd^gufü^ren,
in ^reptagiS „Sinnen" fd^eiterte. 3n)ar ttatm neue SRomen
l^eroor, bie ben ©egenmartdroman immer reaUftifd^er gefalteten,
bie TOefentlid) in bie neue ^ext (jinüberfüljren Ralfen, am glanj*
öoQften üiellcid)t in ßfterreic^: i^arl ©mil ?^ranjo§, $eter
3io)cgger, bie (^bner-^fd^enbad^, unb bie S^ooeUe erblühte unter
ber $eber ^epfed )u ben feinßen^ buftigften, tanßlerifd^flen
Sebilben.
Slber bie ^unfteraäl)Umg mad^t feine fiitteratur. & Beborf
eines l)ö()eren ©d^wunge^, einer mel^r aU blofe im fid^tbarften
Sereidj ber SBirUid^feit geftaltenben Ginbilbungsfraft, um neue
Seiten )u ^evLQm. Unb bie neuen Briten finb aud^ bieiSmal
nid^t von ber Sraäl^lung l^er, fonbem in einer neuen Sprit unb
SDramatit gefd^affen morbem
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2. 3m 3a^re 1882 malte 9Mlin fein »ilb .Malerei
unb ^Di^tung'' : jtoei ftel^enbe grauengeftalten auf marmornem
Unterbau in ^eiligem Sorbeerljain, jroifd^en i(;nen ba§ öedten
etneg ©pringbnmneng, bejfen ftradö emporfd^nellenber ©tra()(
bod SUb in jioei giften teilt: bie aRalerei mit bem äßaffer
b€0 Stral^lei^ fpietenb, gleid^fam feierabenbfrol^ na^ getl^aner
5lrbeit; bie ^id^tung \)od) aufgerid^tet, bie ^^rnc mit bem
33tidPe fuc^enb, bereit, au§ ber Sd^ale in i[;rer S^edjten ben
faftalifd^cn ^runf ber ^egeifterung ju nel^men. tüar um
1882 eine gutreffenbe Spmbolil ber 3^itumftftnbe: bie S)i(i^ttmg
fd^idte fi^ an, bie SRalerei in ber i^ül^ntng ber nationalen
^^antaftetl^ätigfeit ab^ulöfen.
g^reiUd^ : nod; oerroorren unb ungeorbnet fluteten t)orn)ärt§*
brängenbe Strömungen burd^einanber. gab feine <Sd^ule,
eö gab auä) feinen eigentlid^en SBiberftonb ber 2l(ten, in beffen
iBeldntpfung ftd^ ein frü^ gefd^Ioffenei» 9ieue l^ätte l^eraudbilben
tönnen^ — nur bie ©el^nfud^t mar ba, bie Se^nfu^)t oormftrtd
nad^ einer T)id^tung, bie n)al;r{)aftig roäre unb TOürbig ber
großen 2^^aten von 1866 unb 1870. 2)a oerfiel man tooIjI,
um ju Reifen, einem unbeftimmten ©oet^efult; ba beiferte man
eifrig an ben ciuieren Ser^ättniffen bed X^eaterd, a(d menn
nid^t bem Xl^ter nur eine gro^ Sitteratur Reifen (örnie, nie«
nitttö aber ba« ^eoter ber Sitteratur; ba forberte man n)of)(
gor etn)ag mit ein 3^eid;g^^id^tung^amt , um ber laljmen Se*
roegung ber ^oefte Seine ju mad^en. 2)ag Sefte in biefem
9]i2einungdgetoirr tl^aten nod^ bie oormörtiStDeifenben ^enbenjen
ber natianaten bi^terifd^en Sergangenl^eit. äRod^ten fte bad
Sanb bed neuen Stitt nur Don ferne gefe^en l^aben, bie
Si^iu^ unb i^ubroig unb Hebbel unb Sln^engruber, mit bem
^iefften il^rer Seele Ijatten fie \tyn bod; fd^on jugeftrebt: mit
bem SBa^rl^eit^fanati^mu^ ifjre^ Sc^jaffeng, mit bem ©rbgerud^
il^rer $oefte^ mit ber unerbittlid^en ij^olgerid^tigleit i^rer @nt'
bedungiSreifen ind eigene Smtere, mit il^rem ibealifd^en 3ug
jum ^nfad&*@ro6en, mit il^rer 5!6netgung gegen bie fpe^ififd^
wifjenj^aftUd^e Seite beö ^iftori^mul.
Su biefen 3"9ß" brachte nun baS neue ©efd^Ied^t neue
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242 Di4}tnn9.
&abm — gefftl^rtid^e @ki6en, &abm oome^Iid^ bet g^anbora
ber neuen oolbmirtf^afttid^n^ gefdlf^aftli^^f l>oHtifc^m Snt^
wiclfung. @9 ftnb bie entfd^benben Seimifd^un^^en, bie xoit
fcnnen: ber @influ6 ber ©rofcftabt, ja ber Sfi^eltftabt mit i^ren
neuen ©rlebniffcn, ber ben alten, uiifercn Siomanen fo lieb ge*
worbenen @egenfa^ von d^efibenjftabt unb plattem ii^anb in
ben bei» )entta(en ^»oUtifd^en, fojiolen, (ommecsiellen %vdbm9
unb ber ptroninaialen 9tul^ oenoanbelte, bid mid^ bas ^i^bufhfe'
leben ber ?5ror)injen feine ^icbtunt] fanb unb all biefe @egcn=
fäfee in ber großen 8e()nfud)t nad) ^eimatfunft auffingen unb
oertd&moljen; — ber ^ultuÄ be^ ©rfolged unb ber Wlaä)t, ber
<S^rgei}i0e ivm ä^ufterfien oufftad^elte; — bie arifiotcatifil^
S^rfurd^t vot bem @voiim unb bad bemotratifdjfe l^fdi^ na^
bem SBolffStümtic^en ; — ber f ^arfe ^lid für bie mm^Mt,
bem baö :^ieblinö^n)ort ber fiebriger ^a\)xe, ba^ 2Bort „P()9Uo*
logifd^" entfprang ; — ber neroöfe ^hq jum lauten :ßärm unb
ber neroöfe .3uö jut ftiöen Sefd^aulici^teit, bad ^ortc 2^rommel»
feO unb bad empflnbUd^e O^t: bod^ »er ^äl^lt fte f^,
aS bie taufenb C^fc^einungen eined neuen Sebent, in benen
PdJ in fd^illernber ^unt^eit bag neue Siefen ber 3^lei^fam{eit
8a^n bra^?
Unb ju allebem famen frembe ©inflüffe non jroeierlei ©eiten,
au^ ^o^er Kultur unb oon ben ^öUern bed ätorbend unb Oßend,
bie beutfd^em SBefen Md^er mel^r aü ftulturempfänger |u
bttnfen benn ols 5lulturbrlnger felbftt^otig gefpenbet l^atten, Son
granfreid) nielbete nä) ber fogenannte 'Jiaturali^mn^, baS ^eißt
ber pl)i}fioIogifc^e Smpreffioni^muÄ Qoia^. SoIö rourbe in
S)eutfdS)lanb oorne^mlid^ butd^ fein «Slffommoir", feit 1877,
betannt; t(arer übertragen n»urbe fein (Hinflug feit ben ad^^iger
Sabren burd^ bie 9)<lünd^ener. Dor attem ®. Wt, Gonrab; in
niifiücrftanbener unb übertriebener gorm rourbe feine fie^re
enbUd; nodjuial^ eingeführt burd) bie ^Berliner in ber jroeiten
Hälfte ber ad^tjigcr Saljre, §u einer Qdt, ba ber ^\d)ta in
^ranfreid^ fdjion bem SInbrang anberd fül^lenber ^iUer,
Dor allem SourgetiS, %n erliegen brol^te. Slber ^at man in
^eutf(^(anb toirlUd^ {lat( an ben eigentlid^en Sola geglaubt?
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243
SBor man nod^ in ben oc^t^^tger Sahiren tt)eitl)in von einem
Sage überzeugt tute bem folgenben: Le retour ä la nature,
rövolution naturaliste, qui empörte le si^de, pousse peii
k peu tontee les manifeBtations de rintelligence humaine
dana nne m%me vie acientifique? SSoven baiS ffir bie
beutfd^e Jluttur nid^t unoerftanbenc Sirenenflänßc aibi beni
pofitioiftifc^en ©pfteme ßomte^ unb aug beffen titterarifd)cr
SluSmünjung burc^ Xaine — au^ faft imbefunnten SSorgängen
ber bretgiger bid fünf§igec 3a^re bev fransöftfd^en Kultur*
gefd^id^te? 2>ie S^ilbentng ber beutfd^en Htterarifd^en iSnU
toidtung wirb jeigen, tnroieioeit S^la unb öer franjöfifc^e
flaturali^muS in i^r eine Mad^i rcaren.
"3J?erfn)ürbiger jebenfaflö griffen bie norbgermanifd^en unb
bie flaoifd^en Sitteraturen ein. Wiim tarn nid^t eigentlich fagen:
in ber fii^rif unb in ber ftunfter^ö^lung. S)Qd ^uptgebiet
t^rc« ©influffe« roor oielme^r ba« i)rama. 2Barum? 3)tefe
ßitteraturen erinnern in mandjer ^infid^t an bie ^cbeutung
ber beut{d)en homines novi innerl)alb berfelben 3^iten unferer
@ntn)id(ung, ber oieten Offiziere sumal, ber £i(iencron, U^be^
@gib9 unb anberer. ^Sxa, vmi^ biefen }u gute gefommen war,
mx xf)te geiftige ^ungfräutid^feit geroefen: faft bebingung§(oi5
lonnten fie fid) bem neuen reijfamen Seelenleben Ijingcben,
ol^nc hux^ früljere litterarifc^e, füiiftlerifd^e, pl;iIofopl)i]c^e (^in=
brüdfe unb entgegenfte^enbc Xrabitionen alljnüiel geftört p {ein.
ä^nlid^ loar bie Sage ber öftlic^en unb norbifc^en Stationen; audd
fie waren fo^ufagen l^atb trabitiondlofe, litterarifd^ unoorein*
genommene S^ieulinge; unb nirgenb» ifam il^nen biefe Sage im
33ergleic^ mit ben großen ^iftorifd^cn Sitteraturnationen mefir
ju gute al^ im 2)ramQ. ®enn in raeld)er ©attung ber ^id;tung
ifl bie Xrabition fiärfer, tüo bie „^Jac^e" üon me^r Sebeutung?
Unb f 0 entfalteten benn eben biefe Stationen ben neuen, impreffto«
niftifd^en Stil beS S)rama8 frei unb in »oder 9idne, ungeftört
oon ben ^inberniffcn einer belaftenben Sßergaugenljeit.
Sßon biefen fiitteraturen tüirhen nun bie fd^raebifd;e unD
rufflfd^e auf bie beutfd)e nic^t fo übermäßig, ^on 6d;n)eDen ^cr
iDarb eigentlich erft Strinbberg von Sinflug, unb biefer erfi nach
16*
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244
Dichtung.
ber entfd^eibcnbcn beutfd^en ^Icoolutton^seit von 1885 auf 1886,
mit ben Xnagöbien „2)er Sater" (1887) unb ^Sv^uIeUi Sulie^
(1888). SnnetM^ bet tufftfd^en Sitteratur ftonb 2:ur9enjeio
fo ftar! unter bem (Sinflufe ber ^^ranjofen, bafe er, ber fieimat
cntiDurgelt, inS 3)ianierierte oerfiel unb in ^eutfdjlanb raenig
^Mc^a^mer mn ^ebeutung fanb. 3ei lueitem n\e\)v \)at bei uniS
S)ofioietoiSli getoirft. Sinett toidlid^ gtogen (2^n{iu| aber ge*
mann bod^ nur ZolM* Snbei^ (ei ifim mieberum berul^t bie
äöirfung bod^ nid&t fo fe^r auf ber Jorm, bie in SBerfen wie
„Hrieg unb ^rieben" (1865) ober „Slnua ilarenina" (1874—76)
fpejifif ruffifd^ bleibt, wie melmel^r auf bem Snl^att : biefer
aber gel^ört ber etl^ifd^en Setoegung an unb ^at bie @toffmal^l
beutfd^er Tutoren mol^( nur ba^in beeinfluß gebgentlid^
0eniif)e fo§ialpf^d^ifd)e Materien beoorjugten.
ftärfften ift in ^Deutfd^Ianb jmeifel^o^ne bie äBirfung
ber 9h>nDeger gemefen. Unb l^ier mieber mar HBjdmfen inner^lb
be^ l^ier ^ur ^orfteDung gelangenben B^itraumiS ber .gauptfad^e
nodd bod^ nur ein 58orläufer Sbfen^. äöaö aber Qbfen bem
beutfdjen ^rama ber (^egenroart gegeben l)at feit ber 2luffüf}rung
feiner „©efpenfter" imQalire 1881, rca^ er it)m befonberä tourbe,
feitbem bie @diiü(er ^^m», Otto ^a^m unb $aul B^Uni^t,
feine 9BerIe in Serlin l^eimifd^ mad^ten, bod tft§t ftd^ nid^t mit
groet SGBorten fagen: man mü^te benn ben 3)id^tcr in naioer (Sxn*
oerteibungöfud^t ber nationalen (Sntmidflung fo guorbnen roollen,
wie etroa bie ßnglänber ^änbel ju noftrifi^ieren pflegen.
mirb in ber ©efd^id^te bed S)ramad nod^ einge^enb oon Ssf>\m
bie 9tebe fein müffem
8. äufeerlid^ begann bie neue litterarifd^e S3en)egung in
S)eutfd}lanb etraa im ^a\)xe 1882 mit bem ©ridjoinen ber
„ilritifd^en äöaffengänge" ber trüber fieinru^ unti Julius ^art
(geb. 1855 unb 1859). 3n einer 9iei^e oon ^ften fd^lug bad
Srüberpaor lod auf ftruf e ab ^ramatiler unb auf Sinbau aU
Aritifer, Satiriler unb geutiletoniil, betrad^tete ipugo Bürger unb
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Dichtung.
245
Gilbert Präger aU (Sd^oufpiet» unb ©ebiditfabrifanten kla mode
unb fam auf (Spieltagen unb ben 9ioman ber ©egenroart,
em)>fal^t ben ®rafen B^aä atö ben %>id^Uv, bec in bte ^uiunft
weife, ttnb enoartete Sroged nim bem S)eutfd^en X^eater
S'SCrronged. 3nt ganzen mar babet bad Sefireben, mit ben ^(ten
abgured^nen, gepaart mit ftarfen ergieE)lid^en SeJiren für eine neue
Äritif unb oor aUem mit ber lebhaften ©rroartung, ja $rop()e^
jeiung einer neuen ßitteratur, bte fid^ burd^ äBal^rl^aftigfeit
ber Sntpftnbung unb flared ^ur<i^f(l6einen ber 2>id^teq>erfönlid^'
feiten, fowie burdj innige S3erf($melgung neuer 3n^)<Jlte mit
neuen formen auSjeid^nen werbe. älUirbe basS aÜeö ^unädjft
Don ber fii^rif ©erlangt, fo golt im ©runbe boc^ ber fieerruf üor
attem bem 2)rama: ein 3)rama ber „©ebanfen unb tiefen ©e*
f ü^le'' mirb erl^offt, ^inneg mit ben „fünfaltigen, in ^nen unb
Samten gebrad^ten Worbgefd^td^ten'' ! Unb eind Aber olled
foll bte neue ^id^tung fein: national! „^ie S'lation ftrafft
fi^ gufammen, unb baö, roa^ man 3^ationatgeift nennt, foll
fein leeres 'iBoxt me^r fein! ^ir füllen und als ^eutfd^e,
ald äSertreter bei^ ©ermanentumd gegenüber bem oberl^errltd^en
Stomani^muS, bem anbrängenben Slaoidmud. Snergifc^er
fliegt baiS 9(ut in unferen Sbem, unb nod^ ben motten ^er«
bauungSftunben beS perfloffencn ^ecenniumS, nad^ bem bloßen
!Raufd^ beS @enuffed . . . füllen roir loieber bod ^ebürfnid nad^
grolsen 3^ealen."
Um bie ^t, ba bie £artd otfo ffirad^en, mor bie neue
Semegung fd^on in il^ren Anfängen ba, unb aud^ ber Sleid^Stag
befd^äftigte fid^ mit iljv gelegentlid; ber Beratung eines ©efe^eS
über ben 5loIportagebud)f)anbel. ©ine üerberblid^e neue ßitte=
ratur, l)ie6 es ba, fdjiefee jcfet inS Äraut unb ftel)e unter bem
(Sinfbtffe bed fd^nöben if^aturaliften ^ola-, unb gana befonberd
ein SBerl mürbe aü gemeingefö^rtid^ B^d^net, bie «.ftinber
be« g^eid^«" oon 2Bolfgang Äird^bad^ (1883). 9tm mar jmor
baS 33ud^ ilird^badjS inljaltlid^ gut beutfd) unb fo „moralifd^"
als nur möglid^, unb in ber gorm l^atte eS mit Sola nid)t
ben geringften 3uf<^tnmenl^ang. S^i^tig aber xoat, bag fidti
bomate in 9Ründ^en gegenüber ber älteren Sitteraturgeneration
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246
lim ^Qul ^er)fe ein neue^ ©efd)led)t regen begann, bem
neben ^J)?artin ©reif (t^eb. 1839) unb ©eorg ^x6)atl ßonrab
(geb. 1846) and) Äircftbod^ (geb. 1857) angc^rtc, unb bafe
Stixd^bad^d fdaxö^ eineit p^tuftologifc^en Srnprefftonidmud luc^
fe()r ptimitioev ^orm unb elgenfiet (Srftnbung aufioied. Unb
balb traten and), bur^ ßonrab, ber in ^ariiS geroefen war,
^ejieljungen übrigen^ nur allgemeiner SRatur 3ola ein, unb
ber ^j)^ünd)ener Kreis ertoeitecte unb fefiigte fic^: feit bem
1. Sanuar 1885 erfc^^ien, oon il^ ^etfogen, bie 3^Uf(|inft
Setna^ gleid^^eitig matten aud^ Me $art9 in Serfin ben
^^erjuc^, bie 9f?euerer um eine B^i^l^inft fammeln; am
1. Slpril 1885 famen i^re „S3erliner 3J2onatö^efte für Äitte*
rotur, Äritil unb 3:i)eater" ^erauS. 2lber nur ein ^albe^
3a^t. S)ann gingen fte ein, unb bie Sefer »ucben ber
feQfcbaft" fibermiefen. S)ennod^ brang bie neue Strömung
aud) in Berlin oorroärtö; balb erfc^oCl in SIeibtreuS S3ro)c^üre
„3ieDolution ber £itteratur" ein geüenber 2)rommetcnftofe üon
unreinen ^larmtönen, unb im ^erbft 1886 trat eine ^^a^l
junger ^oeten in bem herein „iDurd^" jufammen uiüi
forberte neben ber ^inmenbung ber SMd^tung }u niDbemen
3nbalten aud^ eine neue J^orm oerftärften SBirflic^feitSRnne«:
„^ie ntoberne 2)id)tung foll ben 3}lenfc^)en mit gleifd^ unb
^lut, mit feinen :Seibenfd;aften in unerbittlicher äBa^r^eit
leigen, o^ne babei bie burd^ ha& jlunftmer! felbfi g^gene
(fo!) ®reiqe }u überfd^reiten, Dielmel^r um bur<lft bie ®rd6e
ber Slatunoal)rheit bie äfl^ctifd^c SBirfung ju erljö^en." 3"'
gleid^ trat mobl in biefen ilreifen juerft ha& entjeglic^e ^ort
„3)ioberne" auf.
Unb nun famen ju allebem in Berlin bie fremben Sin«
regungen oud ber rufftfd^en unb norbifdj^n, t>or aOem tM ber
franjöfifd^en Sitteratur. Unb bi^r mar eiS Qola, ber, in $arU
fcbon t)ern3orfen, nocb einmal als Sau- unb ©dftein cine^
neuen litterarifdjen ©ebäubeS bienen follte. Qrvax Ijatten fi4
aud; jc^on bie ^arts gegen i^n auSgefprod^en : er oerfto^e in«
folge einer ,,ebenfo originellen mie falfdben Xbeorie" gegen ben
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@eifl ber 2)id6tun9 burc^ „2ln{)äufim9 f^ilbcmber 3)etaiU,
5lrmut bcr ©rfinbung, Übenou^erung bcS SkbenfädjUc^en" ;
er mad^e cor allem bie Äunfk jur SBiffenfc^oft. „(5r rcill eine
£eiben{4aft frieren, etnm bie Xnitifen^t {jivAi %xml\u6^i),
unb tiintntt nun von ollen ^nintenbolben ZH^ um oud
i^ncn einen einzigen Saufet jufammenjufe^en, unb er gewinnt
ouf biefe Söeife eine fieibenfd)aft, roie fie fo, S^iab in 9^ab,
3o^n in 3ö^n greifenb, fo (ogifd^ rid^tig aufgebaut in ber
SBirtli^teit foum einmal in bie (^c^einung tritt" : — er fteat
ade miffenfd^aftlid^ Jtennseid^ einei» XtunfenboM sufammen,
ni*t bicfen felbft. 3lber bag ^ielt SCmo fiola (geb. 1863)
unb beffen greunb 3ol}anneg (5df)(af (geb. 1862) nic^t ab, bie
£cl^ren golad nod^moU ju einer befonber^ fc^arfen Xf)eone ju
raffinieren unb nodj biefer Sfijjen in fc^affen, bie im Ja^re
1889 unter bem Xitel „^apa ^mlet" unb unter bem $feub«
on^m 9. ^otmfen erfd^ienen, fomie nail^ bemfelben 9^eaept
ein $Drama „2)ie gamilie Selirfe" (erfc^^ienen 1890) ju oer*
fertigen. Unb biefe $8orgänge roareti, raie wir fpater feljen
n>erben, für bie äBenbung ber berliner litterarifd^en ^e*
fteebungen von nid^t geringer Oebeutung.
3njn)ifd^en aber ^atte fic^ ber naturaliftifd^e Snipreffio*
nidmud )un&(|fi p^^fiatogifd^en (S^ratterd wie in Berlin unb
Slflndften fo aud^ fonfl im dieic^e entiotdtett, unb )ioar ber
^uptfad^e nad^ aud eigenfter feelifd^er Entfaltung ber Station
l^eraug unb in fpe^ifiid^ beutfd^en ©rfcfteinung^formen. Unb
aud^ baä beutfc^e Öfterreid^ m\)m, wenngleich etroaö fpäter
unb weniger heftig unb ftogioeife, an ber Semegung teil, ja
ging i^t auf bramaturgifd^em Sebiete fall ooraui»: 1889 fd^on
öffnete fld^ bie ^ofburg unter ber Seitung 9urd^arbd ber
mobernen Bewegung, unb §u gleid^er ^ni etwa na()m ba^
im September 1889 gegrünbete ^eutfd^e ^olfi^tbeater bais
neue S)(ama auf.
®ag .rjüngfte SDeutfd^lanb" aber, oon böfen 5DRenfd^en ^in
unb wieber audj) bod ,,grüne ^eutfd^Ianb'' genannt, erhielt
ii^mif dften gaiq teoolutionilren Gb^after:
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248
Stein TÜtftoärtS ft^auenber ^vop^et,
@eblenbet burc^ unfa6ft<9e 3boU|
SKobern fei ber $oct,
Unb ba begann fid^ benn ba^ 33ilb runbcn, ba§ S3a]^r gc*
legentl^ ber ^efd^reibung ber fponifd^en „^iohmu" fo anmutig
ge^eid^net l^at: „ikt Qo^tant gegen attd», DOtl^er gefd^^,
unb bet einfame @to(}, ber ade Hoffnungen ber ^Renfd^^eit
erfl üon fid^ felbft batiert, ueräd^tlid^ gegen bie Starren unb
©d^urfen ringsum in 3[^er(^angenf)eit unb ©egenroart; ber
fft^ne, raeltübecfliegenbe 6d^n)ung, ber ^x6) immer gleid^ an
gans Suropa abrefftertf bad üppige ^atl^od, bai^ bie nü(|temen
(Srünbe bed Serflonbed t»erfd^m&l[it unb burö^ bai^ f&mpferifd^e
©äbetroffcln be« ^ronunciamento» erfejt; jene TOunberlid&e
3J^ifd^ung oon 2lrme=ßeute^(^erud^ unb einer g^mnafiaflen'
l^aften ©ranbejja, unb eine unerfd^öpflid^e ßuft am eioigcn
^Reformieren, bie nid^td in ber gansen SBelt in Stulpe (äffen
Witt; natürlid^ au4 ein unerbittlid^er $effimi^mud ber lein
9HtIeib (ennt: attei» ift fd^Ied^t, ol^ne SluiSnol^me, xoof)xn immer
man fid^ roenben mag." Unb majidf)er ^offnung^oolle 3Jiutter»
fol^n ging an biefer (Stimmung ju ©runbe. ^enn mit ber
SierDofität, bie fid^ bei ber fd^arfen 2lufnal^me imprefjtoniftifc^er
Slomente namentlich anfangt faft aui^nal^mdtod einßettte, vtx*
bonb {td^ nur }u häufig ein Ci^nidmui^, ber nid^tS für rein
l^ielt unb barum aud^ fid^ felbfi befubelte.
3m übrigen prägte fld^ für ben oberfläd^Ud^en 93eobad^ter
ber neue 3^f^<tnb namentUc!^ in ^ei 9iid^tungen auiS: bie
Sungen waren antitlaffifd^, unb fle waren antibürgerlid^. 6ie
waren antiftaffif , weil fie um jcben ^rei« .national fein
wollten, unb weil fie bie 2^ntife burd^ fid^ überrounben
betrad^teten. Sie marcn antibürgerlid& , racit fte burd^ bie
©toffroa^il i^ren 2)id^tungen auf ba^ imprefRoniftifd^
}unäd^|t am leid^tefien |tt 93ewältigenbe, auf bad Seben ber
unteren Stftnbe^ ^tngemiefen waren, weil fie gumeifl arm
waren, wie einft bie ^arifer antibourgeoife 9ol(|@me unb bie
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fBcnfo antibourgeoife 9)^atcrfo(onie von ^ontainthUau , unb
nid^t Bum geringften weil bie Äiitteratur oor i^nen, bie Sitte»
xatux ber (Mbü, 6e9fe, g^eptag eine f)>^iftfii^ bSix^ttü^t ge^
loefen vi», nnb ^ »utben butd^ il^ CBe^enfatf gum
Oürgertunt loie bur$ einen ibeotogtfd^en SBa^tl^eitiSfanatiiSmud
in einzelnen ^öden bi^ in ha^ @ebiet ber fo^ialbemofratifd^en
$arteipoliti{ getrieben.
Söenn troß allebem bie neue Äunft fiegte, fo jeigte pe
fid^ eben barin aU ©rgebniö eine^ eingeborenen 2)rQnge^ ber
nationolen fiebeniScntroidlung. 3"^ ^a\)xt 1888 mad^te i^x
SSilbenbrud^ in ben i.&uitoiDd'' bie etflen BugeßAnbrnffe, benen
In ber „^mtbenterd^e" (September 1890) Härtere folgten; im
Sa^re 1890 mfyn SBilbronbt in feinen „9^euen Seiten" 2:eile
ber impreffioniftifdjcn ^ed^nif auf unb näberte ftd^ gulba, ber
©d^üler fiepfeS, in feinem „SBerlorenen ^arabieg" TOenigftend
bem Stoffe nad^ ber neuen Hunft, um fid^ i^r 1891 in ber
„SKaoin" aud^ ber ^orm nad^ oerfd^reiben; 1892 folgten
oon filteren 3)td^tem 9lofegger unb ^^anjod. Unb bod^ max
ber S^^preffioniömuö in einem feiner eigentlid^ften Vertreter,
©erl^art Hauptmann, erft 1891 jum erften 3J2a(e auf ber ge*
toöl^nlid^en ^ü^ne erfd^ienen! dagegen traten von ben großen
Vertretern ber filteren Itunflei^fil^bing mo^l Spiell^agen, ^fc^
Silbronbt, ßopfen in^ItUd^ gegen ben Stnpiefftonidmudmtf,—
aber fie würben bod^ auc^ felbft jufe^enbg impreffioniftifd^, unb
©piell^agen l^ielt fc^liefelic^ auf ben in SBerlin anroefcnben S3er*
treter bed ganj impreffiontftifd^en $arifer freien Xl^eaterd^
Xntoine, einen begeiferten "^rinffpruc^.
fiätte man barnad^ bem naturaliftifd^en S^^prcffionigmu^
um 1890 nid^t ein gftnftiged ^oroffop nod^ auf Sa^re ftetten
foOen? aian ^fitte fid^ arg getaufd^t Cine Umfrage, bie
ilurt ©rottewife im Sa^re 1891 bei derunbficbcnaig beutfdjen
^Did^tern unb ©d^riftftellern über bie 3"^""f^ bcutfd^en
Sitteratur oeranftaltete^ ergab nad) ©rotterai^enS Gruppierung
neben ben „Sllten" unb einer ^^iittelpartei" folgenbe klaffen
ber ffSmven'': Sorpofien, gemfi^igte Stealiften, ätoturaliften;
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250
Smpreffioniftcn ; ©^mboliften unb neue 3lomantifer, Sozial»
pfp^ologen, S'üefeic^eQner unb 9]euibea(iften.
S)ic Zoten reiten fc^nett in ben mobemen geifttgen S3e*
toegtingen. €4on fo^ \i6) ber )>^9[u»(o0if(i^«naturali{itif(^
SmiitefflonidmuiS Dor feinem (SnU, |>f9d^obgif4e 3ntei«ffe
am ^immet ber S)ic^tnng herauf, unb (otb überfha^Ite
biefen bie ^Jionjenröte etneS neuen, p{)i)fiologi)c^en, p)"9<4o*
logijd)eu Sbeoli^nmö. Q;^ ift ein @ang, ber unS auf bie ^öe^^
trad^tung ber ^injeloorgänge in ben befonberen (Gebieten ber
ägtil, bec D:imftersäf)lun0 unb bed 2)camai$ ^inioeifi.
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IV.
1. ©oll eine furjc tlbcrfid^t her mobernen Sprif gegeben
njerben, toie fie bcn befonbereu ^^>unften, bie roir in ber 2)id^tung
^^ilienctond unb beg ^ofmann^t^olfd^en Ärcife« fennen gelernt
fyAm, pataM läuft unb fie oerbinbet, fo tommt ei» k\nt&*
mtQli botauf cm, aOe ^öne ioiber|alIeii §u (äffen, bie in ben
legten jiDei Sa^rse^nten im beutfd^en ^td^tenoalb erüungen
finb. Unb auä) bie fd^önflen ^öne, b. 1^. bie ^öne, bie ber
^erfaffer biefe^ ^ud^e^ für bie fd^önften \^äit, @e^ör in
bringen, iß (eineKtoegiS bie Aufgabe, ^nx barauf fommt
m, ben algemeinen Serlauf ber It^rif^en Cntmidlung su
fennjeid^nen unb in feinen wid^tigflen Sd^atHerungen burc^
^id^ter unb 3)id&tungen oeranfd^au liefen.
Unb ba fteljeii benn entn)icflunfl^gefd[)id^tlic^, roenn auä)
ber blogen ^^ronotogie nad^ noc^ meit in baS le^te S^^r^e^nt
bed Sa^r^unbertö (linein reid^enb an erfier @tette Serfud^e^
bie älteren l^rifd^n formen neu )u Beleben, fie mobernen
Stoffen bienftbar ju ntad^en unb au^ i^ncn S"9leid^) eine
ibealiftifd^e „grofee It)rifd^e gorm" ju entfalten, eine Jorm be^
l9rifd^en ©püu^, in bem einjelne ©ebic^te burd& einen gemein»
famen Sn^alt miteinanber oerbunben finb. @d finb ^erfud^e
9on grojNi Sntereffe, |umal in il^rem S^erlauf immer mel^r ber
neue 0eifl einer inipreffionifiifd^en Sprit in Ue trabitioneUe
gormgebung einbrid^t.
2(n erfier ©teile ifl biefe ßntniirfding oertreten burd)
^einric^ ^rtd ,,:Bieb ber mm\ö)\^i\t" (1887 ff.) unb ^oenariud'
SHdfttung „Sitbt" (1893).
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252
Sim bem l^ol^en et^ifd^en unb fo^ialpolUifd^en ^nfyüi
ht» 6eM$t(rati|)ed „Sebe" nitb fpdtet no4 bie 9tebe fein;
fiort» „Sieb ber «lenfd^l^eit" ift ein SBcrfud^ , bic ©efamtent*
loidlung beS ^ieujd^en oon ben Uranfängen bcr natürlid&cn
©d^öpfunfl bii8 ju ben taufenb unb abertaufenb Sluöftra^lungen
feinei^ äBefetii» in ber ©egeutoart )U befingen; btefer ^bfic^t
na$ erinnert i& an bie nidftt minber granbiofen SBerfud^e ber
Hyttoi Seconte be Sidted.
2)abei ift in §Qrt^ ©ebidjt ber gormd^arafter im ganzen
ber einer pMtofopljtfd^en ©popöe; bod^ gel^t bie gorm leidet
ins Sprijd^e über, roie benn nad^ früheren 2lugfü^rungen ber
<§kbrflber ^^rt (Mtifd^e äBaffengftnge 6, 11) bod @poi» je
nad( ber 9tatur bed ^^terd (^rifd^er ober bramatifd^et gef&tbt
fein fann. Qm übrigen i|i bie fjorm forgfam, bod& noff
inneren, leiben|d)Qftlid)en geuerö unb burd^glü{)t oom $atJ)oS
bed ^ebnerd: langa.tmenbe ^ä^t, flutenbe S^l^pt^men, Selbft»
begeifierung am eigenen äBort, trunfene ^ingeriffen^eit vom
immanenten Suge ber ^nge. gm ®runbe aber ift biefe
^oefte bod^ nod^ nid^t rei^fam, fonbem el^er empftnbfam ober
gcfül^tfam, wenn eg ertaubt ift, btefeS 3Bort ber 8prad^e
^ie^fd^eg anjuraenben; fie l;at gelc(^entlic^ ^topflodtfc^e 3üge;
fie giebt nod^ mel^r 2lnbeutungen üon ©inbrücfen ai^ bie ©in»
brüdk felbfl; unb fie §al^lt in ber @prad^e nid^t fetten nod^
mit SRflnie aud britter $anb, aud ber ißanb ber flafftjiflifd^en
©pigonen.
SSiel moberner, ja man föunte fagen an ein5elnen ©teilen
faft ju mobern ift bagegen SloenariuS. ©r gel^ört ju benen,
bie fd^on bie feinfien ©enfationen er^af d^en unb fte nid^t me^r
platt miebergeben, fonbem in bie Sd^ilberung oerarbeiten; bi»
in« tieffi ^ßat^oiogifd^e l^inein fielet er Mar, unb wa» er fie^t,
teilt er nid^t in patt;etifc^er 'Soxm mit, fonbem in einer
Sprad^e, bie bem ©egenftanbe fnapp onfitjt, menn pe aud^
oon reid^er ©emüt^toärme burd^trönft erfd^eint gan^
fann man feinen (Sipfbtd mol^l ein ^fpd^obrama im ®emanb
I^rifd^er (Srgüffe nennen, baft in einem ^o^en Siebe bed fOnft'
lerifc^en DptimiSmuiS auiSftingt; in^altlid^ fteUt fid^ ba^ ©e«
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bid^t bomit ettoa neben ein 2)en(ma( ber bilbenben Äunfl wie
^lingerg ä^abierung „9ln bie 64ön^eit".
Unb liegt mä)t überl^aiipt ein ^ergleic^ biefei; ibealiftif4)en
ttbergangiSl^ri! mit ber (Intioidlung bec Übergattgdmalerei vm
$euer6a(| 6tt auf ftCinger nal^? auf bem 8obm ber
alten l^erfdntmlid^en $fi)d^o(ogie fugenb, bo($ i^n gemattig
augroeitenb unb in ftänbigen Buföfeen be^ S^ieuen ^um Sitten
frü^ ju ibealifc^en gormen em|)orIduternb, fteClt biefc ^oefie^
parallel ber ttbergangdmaUrei, eine fpejififd^ beutfd^e
f d^eiming bei» mpbetnen eutopäifd^en Seebtilebeni^ bot, bie beit
anbeten 9lationen in biefer 9lui$bel)nung unb ^iefe fel^tt: wie
bie ^ödliii ober bie 5l(inger fo Ijuben aud^ bie fiort unb bie
^DcnariuS in (^nglanb unb granfreid^ im ganzen genommen
iaum ibre^gleid^en.
Snsioifd^en aber |atte ftd^ auf beutf^em Soben fd^on eine
2ytil bei» reinen pl^pflotogifd^en SmpreffbniSmud entioidfelt
€ie mar, mie ntd^t minber bie entfprec^enbe bilbenbe ilunft,
onfang^ vor allem auf ba^ ©toff(id)e geridjtet, ba§ il^r bc»
fonberiS leidet lag: neben bem 5lrmeleutebilb unb ber iio^l*
fopf lanbfd^af t gebie^ bai» {ojiale &thi^t, bad bie ^ot ber unteren^
oon ber SHd^tung no$ nid^t „bnoentionaliiterten" Stönbe
fc^ilberte. S)aneBen fionben fd^niad^e erfte Serfud^e, aud(
formell meiter ju gelangen: neben oeränberter ©toffroa^l leife,
oft red^t ungelenle Slnbeutungeu einer neuen ^uuftform.
^ejeid^nenb für biefeii tlbergang^juftanb ift t)or allem bie
(Bebid^tfammiung „SRobeme SHd^terd^orottere", bie 1884 aud
einem ber SerKnet Jtreife junger ^id^ter (eroorging. f^xzt
finben ftd^ ©ebid^te, bie, in ber gorm uralt, bod^ bem 6toffe
mä) ^em& bieten; bid)t baneben fteljt formcH unb ted^nifd^
mirflid^ 9^eue§ unb auc^ rcieber inl^altlic^ ^illte^, ba^ nur in
^gerlid^feiten, mie in ber äBeglafj^ung bed Sfieime^ unb im
@e6taud^ bed freien Stl^^tl^nmd, Spuren ber fortfd^reitenben
fünfllerifd^en Seroegung jeigt. SCt« in fid& fertigfter unb
ooOenbetfter ber 2id;ter, bie fid) in biefer ©ammlung ein
©tellbid^ein gaben, erjdjeint woiji Slrno fiolg (^eb. 1863).
(Sr ifl ^ier freilid^ nod^ ^iemlid^ auf alten ^4^faben^ bod^
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254
Didjtung.
^erabe auf i^nen toMt et am beutüd^flen mit bcr itraft
eines n)al)ren ^id^terS; baneben mad^t fic^ ein fpejipfci^ p^9fio«
logifd^er 3^9 G^^tenb, ber mit (5ntfd)icben()eit auf baS 6)axat=
teriftifd)e (Srfaffcn ber Slufeenroelt ge^t. Über $ol} ^inauö ragt
bec ^eanlagung nad^ im Greife ber „^id^tecd^ataftete" loo^l
nur einer, ber unglüdfelige ^ermann Gonrabi (1862—1890):
frO^reif, eine bebauemdmerte ÜJ^ifd^ung von l^od^fteigenbem
^beaUemuS unb nieberjicljenber (3innli(^feit, ift er ber (>)üntl^er
ber neuen litteranfrf)en ^eoolution geworben, ^a^, ma^ i()n
ben 9icuen üor allem onrei^t, ift feine abfolute SBa^r^aftigfeit
in ber SBiebergabe bei^ bid^terif^en Srtebniffei^; befonberd in
bm „Siebem eined ©finberi^" (1887) tritt biefer 3ug neben
aüem Raulen beö 3"f)ölt^ )i;mpatl)ifcb unb alleS anDcre bc*
l^errfc^enb ^eroor. Unb biefer ^nc^ mad)t i^n benu auc^ ju
mcm j^ertreter nic^t bloß mel)r beg p^^fiologijc^en ^mpreffio*
nidmud; fein tief queftenber ^icfUc^teitdfinn bringt oielme|ir
fdfton bU in bie Sebendfammern ber neuen ^f^cbotogie oor:
unb er weife, wöä er ^ier erfd^aut, in freien di^^tbmen toieber«
gugeben, bie fic^ bid^t unb fein wie Schleier ber ©mppnbung
^infd^miegen. 6o ift in \i)m fc^on fe^r Mieles t)om ^ern ber
neueren fi^rit oorgebilbet, ^umal er aud^ fc^on bie inteuftoe
mobeme Stnf^auung mit ber großen, ieibenfcbafttid^en gfomi
oerbinbet. Unb er a^nt in feiner ^toiefpätttgen S^tur fe^r mof^i,
U)ie fe^r er ein unglücf lieber ^orbilbner, ein Unglüdd^erolb fei :
^df) xoei^ — id) ioei|: nur roie ein DJeteor,
2)a^ flaintnenb tarn, fic^ in i)iad)t vevlot,
äüerb' id.; öuidj unfre X'ic^tunc^ ftreifenl
2)ie Saute raufdjt. @ö jauc^jt lüic Sturm(^cfant^ —
9Bie (Sübiüinb foft — eö gellt roie S^rommelflang
^Uin kiit.t> unb toirb in aUe^^erjen gveifen. . . .
^ann bebt'd aitg in fc^riller ^iffonan} . . .
2)tc ölüten ftnb tjerborrt, oerfpcü^t ber GJIana —
(Sd ftrci(^t bcr 2lbcnbn)inb burc^ bie G^preffeu . . •
9?ur roen'ge roeinen . . . Sie uerftummcn boU).
SÖQö ic^ geträumt: fic geben i§m ^eftolt —
ab» »erbe batb pergcffeit. . . .
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Snbeg noä) cl^c €onrabi einer gni^reife gebic^, bcr fein
reicher unb c^lüdlid^er §erbft foUjte, toar bereits bie erfte
gßni tiu)beme ii^rit bie 2r)nt bed p^pfto(ogi[d^en gt^Pi^stfiO'
niStmiS §itv 9oOen ^ö^e i^rec ^ittte %t\an^U bitrd^ £Uiencrott.
SUiencnm o(ev ^tte eine ütomti^ (egabte SofUuferin gehabt
in aba (S^riflen fgcb. 1844, gefl. 1901, — „ßieber einef
S^erlorenen", 1868; „2IuS ber 3lfd5e", 1870; „e^atten", 1872;
„2lug ber 2:iefe'^ 1878). 2lba e^riften augjeid^net, baä
ift bie roeiblidjc Sorgtid^fcit in ber Snlcnfttät ber öeobad^tung,
ttnb babei eine SBeicb^eit ber äRaletei tvo| oft vt^i b^tben
3n^a(tö , bie Silknctmt in biefet Setbinbnng webet in feiner
erften nod^ in feiner jroeiten ^<Periobe erreid^t ^at.
3|m übrigen rourbe SInfang ber neunziger Jla^re ber ^^er-
fud^ gemacht, ben reinen Si^pwlfioni^mug fiiliencronS nod^ ju
äbertrumpfen. 9imo ^ol^, ben wir fcbon ate ben düb^tifd^en
0efe|9eber bed naturoUfiif^'iinpteffioniflifd^en Stontand ttnb bed
^rantad fennen gelernt b<^ben, rerfud^te ftd^ bamatö aud^ in
ber SeJire einer p^^ftotogifd^ impreffioniftifd^en 2x)xxt Seine
l^orberung ging babei auf eine ^id^tungSform, „bie auf jebe
^uft! burd^ SBorte Selbftjioed verliebtet, unb bie, rein
formal, lebiglicb burdb einen Sibptbmud getragen wirb, ber
nur nod^ burd^ bad lebt, loai^ burd^ ibn jum SCudbrudF ringt",
^otj will alfo, um e* anberiS auSjufprcd^en, nur nod^ ben
91l)X)t]^mud julaffen unnüttelbarften 2Iu§brucf ber inneren
@truttur ber 3n^P^^fU<^)i^ii; ^ be^eid^net, ben
„immanenten dibptbmud'', ber jebedmal „nm au0 bem Siibalt
beraui^nad^fe''. SBarum nun bad? 6infad^, meil ibm aOe
anberen ^nfimittet jur Sßiebergabe bid^terifd^er ^nbrfidPe,
9leim, ©tropfe unb ^eraninbteS, ol8 ücrbraud)t erjdjeinen:
„vaa^ im Anfang ^o^eS 4^ieb roar, ift baburc^, bag i& immer
toieberboU würbe, ^eatt ^änfelföngerei gen)orben."
flamt imn eine foidj^ Sieattion gegen befiebenbe formen,
im ®runbe ettoad Semeinenbei^, allein fd^on $um Suffudften
«euer gormen bered^tigen? SBic man fid^ aud^ ju biefer grage
fteüen möge: gerate ift, bajj bie blofee Betonung eine^ 0it)i)t^*
tmid, oon bem äßirlungen oUerftärtfter (^b<^(<^teriiterungdf ä^igfeit
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256
enoattet toetbett, t^atfäd^lidft su einer eng gef^nürten, nur ba0
9Befentli(i^fle (etonenben Sprad^e füllten ntugte: Ue fuper«
(atioifd^e r^ptljinifc^e (Sprad^e ^atte einen fprad^lid^en Äontur«
fiil, eine bloge Umrigpoefie anr is^Iqq.
StomU nun ober bei eines fo überoud ftmlen Stiliftenrng
bet ^orm ber Snl^att naturaHfHfd^ fein ober bleiben — nod(
boju naturaliilifdj in jener p^prioIogifd^^tmprefftonifHfcben 2lrt,
btc fo gern jur SBefd^reibung neigt? ^oljeiiö eigene ©ebid^tc
(„^f^anta\n§>% 1898) geben bie Slntroort OJeroifi ift eine
SKnsabI t>on i^nen rein naturaliftifd^. SBie aber fle^t ed mit
bem folgenben (Bebi<bte, bad §ugleid^ $robe ber ©ottung
bienen mag?
Uber bie SBelt Mm bie SBoIfen.
(^ttti bitr^ bie SMlbet
9mt i§t Sid^t
3n ftitter ©onne
TDcbt Unbernbfter Räuber,
unUx roe^enben ^(umen blü^t taufenb ZtoiH
8etgi|t IBecgiBI
SttS femem Oruitb pfeift, (ov^, ein Bogid . . .
Cr fingt ein 8ieb.
2)aS £icb nm eiMl
35a ift bod^ tüobl fein Steifet: aufeerorbentlid^ fpiett bier
bad ©timmungSelement mit, unb gerabe in unb oielieid^t nur
nermdge ber fiarf {Ulißerten gorm fommt e& fo mäd^tig }ur
®eltung. nnnemtutet ifi ber nQtura(i{iif($e ftßb^ibr aud feiner
S^ormenroelt in« ©timmunggüollc , ^rimitio^Sbcaliftifd^e bin»
übergeglitten. Unb eö banbelt fid^ babei nid^t um bie Elemente
perföntidjen Gmpfinben^, bie fd^iefelid^ jebc 2yvit in fid^
trägt, fonbem um ein Übermaß, um ein $atbo^ ber @m«
pfmbung. S)a6 ober bie ^orm ^ol^eniS nod^ in oiel b^berem
(Stabe boS @efäg gewaltiger bid^tedfd^er Erregungen werben
lann, boi^ b^ben, m\L man ftdfi nid^t ber ©oetbefd^en 2t)x\t
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257
oenminbter Slrt erinnern, neuerbingiS ^id^tungeii vok bie
^I)aut^enbe9g unb ^JJiombert^ beroicfen (,Xclq unb "iRa^t", 1894;
„SDcr ©lü^enbc", 1896; „5Die ©d^öpfung", 1898).
(&f^t inbed unmittelbar aud bent p^^jiologifd^en ^npreifioi»
niSmuiS imturattW^m (SfyxtcSUxü formen einer netten fbea«
tiflifd^en ^id^tun^) geiDonnen würben, war bie ^nttoidtung
fd^on längft beflügelten ©c^ritte^i jenem S^ipr^fRonigmu^ in-
geeilt, ber neben bie pljpfiologifc^en ßiiibrücfe immer mel)r —
weit me^r aU eben ber p^pftologifc^e Qmpreffionigmitö —
pfpd^ologifd^e unb balb neurologifd^e (^inbrttde fette.
2. 3)ie Umformungen ber innerften ©eele ber ß^rif, bie
bei biefer Gelegenheit eintraten, finb fd^on einmal gelegentlid^
ber (Sd^ilberung ber ^id^tung ber George unb ^ofmanndt^al
htrs berührt n)(n:ben; ^ter ift ber äSorgang f^fiematif^er iu
Derfolgen.
3)ag ©ntfd&eibenbe mar, baji nmn in ba§ dM^ ber pri*
mitiüen @mpfinbungen, ber erfteu Dveij^oorgänge oorbrang. ^i^
bal^in war bie ^ft)d6ologie ber i^^rif roefentlid^ in ber Se*
fd^reibung ber (defül^le aufgegangen, l^atte olfo ben legten
Sffrft gef d^itbert, ber fid| in ber 6ee(e ber gebft^tnidmdBigen
^ntntatton einer g^flfle Dorl^ergegangener einjelner ©mpfin*
bungen l)ert)orbilbet. Qe^t trat immer fd^ärfer ba^ 33eftreben
auf, bie einjelnen Slugenblicfe ber ©ntfte^ung biefer Gefühle p
unterfd^eiben unb nur bie Slnfangdntomente aufzugreifen, alfo
boi» gleid^fom wieberaugeben, m9 t>or ber Formulierung im
©efü^l burd^ bie @eete gebogen war unb biiSl^er bie Sewufit*
fein^fd^roelle nod^ nid^t überj^ritteu l^atte: primitiue (Srnpfinbung,
nertjöfe 9^eijoorgänge.
^amit würben benn bie 2)id&ter langfam ^J}Jeifter ber ge*
fft^rlid^en Aunfi, fld^ felbfl in ein ^anbelnbe^ unb ein leibenbed
unb in ein augleid^ fianbeln unb Seiben beobad^tenbeiS 3<j^ SU
^erlegen; in SBettbewerB traten fle mit ben $f^d^ologen unb
ben ^)9d)iatern in bem 33eftreben, fid^ biöljer unberoufet per»
laufenber ^Reijporgänge bemüht ju merben.
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258
Did}tun0. ^
2öog SBunber, wenn fic babei faji noä) (eiditer ale
g^fpd^iatec unb $f9d^o(ogen bem mfteUn, »ad 3uUi^ teattre
la reoherche p^antesqae des sensations rares genannt ^ot!
9Wan ^örc 3)önnann, einen jungen, 1870 SBien geborenen
aWann, ber 1891 unter bem ^itc( ,i)ieurütifa'', 1892 unter
bem Xitel ,,6enfationen ' (^ebid^te ^eraudgab;
3cf) liebe bie ^eftifc^cn, fc^Ianfen
S^arjiffen mit blutrotem "ülunb.
Hebe bie Duafenc^ebanfe»,
2)ie ^ecaen serftoc^en unb rounb.
3(( Iie(e bte gfa^Ien unb Oleid^en»
2Die rlfcaiien mit mftbem i^t^t,
Sbi* meiern in ilommenben S^ic^en
Serae^venbe @iniien0lut fprit^t;
3«^ liebe bte fc^illcrnben S(^lan(;cn,
So fc^iüeic^i'am unb biec^fam unb lü^I;
^6) liebe bic flanenben, bongen,
S)ie lieber oom 2;obedgefii^(!
3(9 Hebe bie (etslofcn, gvfincn
Gmavogbe oor |ebem <Sefitein;
3c4 Iie(e bie gdtbU^en S)finen
3m blAttK(|en SRonbenfc^ein;
3(1^ liebe bie nl"tcnbur(^träufteu,
2)ic 2)üfte, beraufc^enb unb fc^roer;
2)ie 3Bolfcn, bie blit^ebuvc^fenqten,
^ad graue, routfc^äumenbe iKeer;
3<9 liebe, »ad mernonb erlefen,
SaS feinem su lieben gelang:
SRein eigned, urtnnerfied SBefen'
Unb aM, »08 feltfam nnb fran!.
SSaren baiS 9(ui»n>fi(i^fe, bie in 3>eutf(^lQnb feinen eften
feJ)r frud;tbaren 3^äl^rboben fanben — wie uiel lueiter [m'o in
bicfer ^infid^t franjöFtfd^e unb and) cnnüfd^e ^id^ter ge^ j
gongen! — , fo blieb boc^ befte^eii^ bQ& bic neue Sprif auf |
uuteifte iif^d^ifd^e Sotgänge funbamentiect merben fottte.
gar oie( fp&tet aU 95tntann l^at Sd^aulat in einem Suffot
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über bie g^orberuiui uoii jügeiiannten ©cbmtfcn in ber T)id;timg
erffärt, bü| euu bidjtenfc^e^ ©rjeuguisJ, fei ein eiiifad)eS
2ieb ober bie fünftlerifd^ üollenbetfte ^Cragöbie^ niemals etroo^
anbered 6ebeute aU ,,bie ^ntrnoti S)i4terd auf eilten 9M%".
2)aniad| beflonbbad ©e^etmnid betpoetif(i(en ^ocmgebutig,
im weiteften ©inne biefe^ äBorte^, eigentlich barin, geroiffc
Hlänge, garben, ©inbrücfe be^ ^aftgefü^lS gang unabljiingig
vom <Sinne in ber 3pra(^e fo roieberjugeben, bafe geraiffc
empftnbungen, bie ber S)id^ter l^otte, eben butd^ i^re Q^»
fammenfiellung auf ben $5rer ftbettragen tourben. ttnb hierbei
ergab fidj benn balb, bafi bei entf($iebener Jolgcric^tigfeit einer
fold^en 3lnfd^Quung bie ^Dic^tung jur bloßen 2)ienerin oon
Scufationen rouröe.
91un toirfen aber biefe ©enfationen nur auf geroiffe,
mefenUid^ inteUettuett gefärbte Momente unferer Seele, me fie
bentt oudü buril^ Selbfibeobaö^tung , einen me^r ober ntinbet
rationalen Sßorgang, empfangen werben. Tlan barf fid^ in
biefem Urteil, ba^ jebe Seftüre ober jjebe^S $ören rein pfi)(^o=
logifd^* ober gar neurologifcjinmpreffiomftifc^cr ©ebid^te ergiebt,
nid^t burd^ bie ffiörter Xraum, (Se^^dmn\&, Mt]ti, ja aud^
Sel^nfud^t töufd^en (offen. S)iefe SBörter, wie fte bie S)id^tec
biefer ^nft überauiS bäuftg gebrauchen, brfldfen im @runbe nur
auö, bafe bie neuen 6eniationen eben erft jüngft unb Darum
überraf^enb inö 33en)u6t)ein gehoben finb ober looljl gar erft
nod^ gefud^t werben. 2lm aßerwenigften jebenfall^ roirfen biefe
Sebid^te an fidft etl^ifd^ ober gar teligidd. S)ie ©eftt^le bed
oberen flttttd^en Wxiemi^, bie Semeingefübte für ^amtUe,
^eimat, ^^aterlanb, 3Jienfcbbeit, @ott unö äBelt werben nur
matt erregt; bie reine 8enjatiou!S^li^nf oer^ält jfid^ }u i^neu
ber S'iegel nad; gleichgültig.
Um t& mit einem äBort au f agen : ber f olgerid^tige 9tatu*
raßfl ber b(o|en Stei^Md^tung s^dt ber Slbfid^t nad^ fofl nod^
mcl^r al« ber pb^fiologifd^e ^nipreffionift etwa« wn ber
roijfenfd^aftlid^en Strenge be^ g^orf^erö unb fudjt fid) barum
jener perfönlid^en @influ§fpbäre ju entwinben, bie be^ ^id^ter^
fd^nßed ^orred^t iß. Seine ^d^tungen üben barum aud^
17*
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260
leine utfptflngli^e SBiifung, fte bringen irtelmel^r gTunbfölltd^
nur bid^terifd^en d^ol^rtoff.
gfreilid^: fo tmft unb fo entfd^ieben^ wie fte gemeint war,
{{l biefe Stirtf nur feiten in ^rfd^einung getreten; no(^ mel^r
ttlä bei bem pljijfiolüöifd)cn Qmpreffioniewu^ oermifclöte ftd^
f)kv bie naturaliftifc^e Xenbenj ol^balb mit ber ibealiftifd^cn.
SDqB troftbem beibe auSeinanberju^alten finb, unb bag
i^nen oud^ bie poetifd^en (^ugniffe n>ie sunt guten ^eile
felBfl bie S)id(ter fd^etben (offen, bleibt burum nid^t mtnber
xüa\)x. SDenn toie roitt man cntroitftung^öefd^td^tKd^ übertjaupt
onbere ©egenfö^e ouffteHen qI^ polare unb anbere Unter*
fd^eibungen folc^e a potior!?
(Soroett iä) bie jeitgenöffifd^e ^idj)tun9 überfcl)e, fd^eint
mir ber erfte S)id^tcr, ber fid^ einem rein pfi;d)olo9ifc6en 3m
preffioni^mug näherte, ^enr^ SRadop (geb. 1864) geroefen p
fein („ilinber bed ^od^ianbd'', 1885). maäa^ ift oft kttb
unb (röftig, non flarlen unb reid^en SinbrfidPen, non fUifer
männlicher (Sprad^e — einer ber wenigen unter bcn bleueren,
ber nod^ Xrinflaunen mit geuer befingen rcci^. Unb fo ge-
lingt i^m bie SBiebergabe p^pfiologifd^er (^inbrüde trefflid^.
Xbec er l^t boneben aud^ einen formell meid^en unb feilten
3ug, bet il^m 9. 8. eine auBerorbentlid^ ti^nereid^e SD^Ierei
ber äußeren (Srfd^einung be8 Speeres geftattet, — unb non
i^m au^ geiüinnt er bann eine befonbere (Stellung jum ©eelen
leben. Unb ba fd^ilbert er überaus abfd^attiert unb intenfio
feltene Stimmungen unb nimmt aud^ fd^oii Jü^lung mit bem
reinen ^^eroenproblem. ttber ibn ^inoui^ ober sielet bonn bedfelben
lEBeged, fofort tteurotogifd^en aßunbertid^feiten ^ugeroanbt, SSHI»
fielm 2lrent (geb. 1864), reid^, forgloö lebenb, frii^reif, perfönlid^
Don fd^roer neroöfem ßliarafter. ^er Kenntnis gugänglid^
ift er ^eute erft oon feiner britten ©ebid^tfammlung an, bie 1885
unter bem Xitel „%u» tieffier @eele" erfdjiien; unb ^ier fd^logt
er nun neben oielem tl^drid^t ^^rofenl^often, neben fel^r Kkm
unb neben einem grojsen Überftug oon p^ilofopl^ifd^em Sßaif^ta
boc^ aud^ fd^on jene traumfelig weid^e 6prad^e ber neroöfen
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Utting.
261
G;inbrüc!e an, bie fpäter roeit ooUer am bem 'jiiunbe ber ^id^ter
ber neun§iQer Saläre ertönte.
S)er merhoürbigüe aber jener ^i^ter, bei benen ein rein
pfpd^ologifd^er S^nprefftonidmitd wenig^enS ben ^auptbeflanb«
teil ber Äunft nuemadjt, ift Diid^arb S5e^me( (geb. 1863; „@r*
löfungen", 1891; ,,2lber bie i^iebe'', 1893; ,,2Betb unb 9BeIt",
1896; ,,ßebengblätter", 1895). 2)e^met ^at fe^r oiel ^arocfeg;
neben <B(i^n)ulf]t ftel^t $rofa unb loirft no^ me^r faft atö jener
refCeltiert, abfiogenb, ertftttenb. 96er att hia S^wonfen überholt
ni$t fetten ein nterfwürbiger It)rifd^er ©d^roung unb eine m*
qlaublid^e ©idjier^eit ber pfi)d)oIüL]i)d)eu unb aiid^ fc^on ber
neurologifd^en Xe^nit ^Darnadj ift baö ©efamtergebni^ in
Dielen gäHen bebentlid^; eine ntcrfroürbigc 3^i^iffenl^ett ber
Sinbrücfe, 9on ber eiS numd^mal fd^eint, a\& fei fte beabftd^tigt;
eine fortwä^tenb von Seobod^tung unb 9{ad^benfen bebrol^te,
an [xä) überquellenb ftorfe (SinbilbungSfroft ; bajii oft ba^
©egenteil einer großen, freien JormtSolbaiigebcutetcC^ gel^eimniig-
üofl ßrfd^einenbe^ , üon bem man M^raeiten nidfit weife, ob eS
ber Stm^ ober bem Ungefc^id bed 2)id^ter^ verbanft mixh.
SCber baneben wieber gro|e Xteffer f einher Seobad^tung, bie
aud^ in ber ^omt n>o|ren üunfhoerfen on^geflattet metben,
wenn biefe gönn einige fprad^lid^e Unbet)olfeiU)eit 'f^ulä^t ober
jur SBorauöfe^ung tjut. ©o namentlid) in ber ^inberpoefte:
auf biefem Gebiete mag ^J)et)mel mit feiner tiefen SSerfenfung
in jebe Biegung, jeben @inbnid ber Ainberfeele am el^eRen
bauemb 9{eued gef (Raffen ^aben. Unb nod| nad^ einer anberen
:}lid&tung ^in erfd^eint feine $oefie roenigftenö entraicflungS^
gcfd)id)tlid) rcid^tig. hieben fiirjatmigen 3^"Pi^^ffion^J^ in gc
wö^niic^er ©prad^e, iit benen ändere (Srfaörung unb feelifd^er
Vorgang oft funterbunt burd^einanber wirbeln, [teilen ©ebid^te,
in benen ftd^ eine Seele, bie in 6ui»ertatioen innerer Spannung^«
intenfitäteii lebt, in langen ©efängen crgel^t, ml^ in einet
nid^t feiten blenbenben, prunfenben, gleid^ einem 3Jloreaufdf)en
©emälbe fd^mucfbelabenen, in ftrengem 2^onfalI majeftätifd)
gleitenben ©prad^e ba^infliefeen. ift, aU l)örte man einen
onberen ^ic^ter. iZ)abei fuib biefe im @runbe itberaud inten-
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262
Dü^tttttg.
ftoen Citibrüde oft aigemUbert, fie etfii^en in fyilb nAtV
l^aften Utnriffen, in faxtet, \immmqSm1ltt ü^m^^unq: ed ifl
baS (Einbringen ibealifd^er, im ftar! betonten 6inne bed SBorted
per{önlid(ier ^erte.
3. Xn Sinei ©teilen, im Serlauf foioo^l bed p^ipftolooifd^en
n>ie bed pfi^(i^ologifd^en ^mprefftonii^mud, l^aben mir fo ben Ilm«
fc^raung auö einer natura liftif($en einer ibeoUftifd^en Sprif
eintreten fe{)en : bort jeicjte bie ^Hl^ptl^menpoefie nad^ ben ftrengen
äft^etif d^en ©runbfä^en oon ^ol^ ^)ier bie Ungebunbenl^eit ber
SH^tungen 2)el^meld ben Übergang, ^ugte biefet ftbergong
nid^t tief in bec Sntmtd btng begrünbet fein, wenn er fU^ fafi
gleid^^eittg in fo ahoeid^enben SSorgöngen burd^fegte? Unb
beibe 3)iQle ^anbelte e^ ftd^ junäd^ft um biefelbe 2lrt bc3
SbealiSmuS, um ben primitioen ä^eali^mu^ ber perfönlid^en
Stimmung.
Unb bied war wieberum berfelbe ^bealidmud, ben «Hr
au4 in ber (Entfaltung ber Mlbenben Aunfi }uerft oerfolgen
fonnten.
Unb innerljolb biefer ©renjen geigten ftd^ je^t ebenfalls roic
im Gebiete ber ^Dialerei ^mei ^Jldglic^feiten «weiterer ^urc^^
bilbung: entmeber lonnte man wie bort bie Sid^tfarbeniet§e,
fo l^ier bie Iautlii$«neroöfen Senfationen fonturieren, in fUrlflem
Umrig geben, — bann entflanb bort ber $fafatfU( unb bad
Drnoment, \)xex ber Umrifeftil ber fioljfd^en ^J^^pt^menpoefie;
ober aber man liefe bort bie färben, \)kx bie fprad^lid^en 9leij*
effefte in weidbe Harmonien au^tönen, — bann ergab [id^ bort
Ue {Jarienf^mpl^onie unb ^ier etwaig, boS man in Crinnerutig
an bie ^oefie ber ©tepl^an @eorge unb ^ofmanndtl^al m^i
ft)nipl)onifd;e Tidjtung nennen fönnte, roäre biefer ted^nifd^e
2lugbrudt nid^t fd^on oon ber Wu[xt jur S3e3eid^nung ber freien
f^mp^onifd^en gönnen feit oorroeggeiwmmen.
Unb wie in ber SRalerei fd^lielUd^ oon biefen äRdglt^*
feiten in ber l^ol^en Jtunfi allein bie ^benf^m^il^onie (rnib tn
t)er ^ilbnerei bie il^r entfpred^enbe $Iafti!) ftegte, fo triuif
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268
p^tcrtc in bcr ^oefic bie ft^mp^onifc^e ^^ic^tung : benn gllafat*
ftil unb Ornament gehören in§ ^unft^onbrnerf, unb ein t)off*
anbetet UuiriMtii in ber ^id^tunc) fü()rt fc^Ue^Uc^ nidftt wtitex
a(d bid 3tir fünfllerifd^ aufgefaßten Sieportoge.
^bemo^ fott nid^t oetbtnnt toerben, boß bie K^t^meit'
bi^tunf) l^ier unb ba — wie ja aud^ bie otnomentate 9Ratetei —
grofee fieiftungen aufweift; benn für mandjen poetifdjen @ef)alt
roar in i^r tl)atfä(5Iid^ jene engfte unb boc^ noä) an^*
reid^enbe gorm gcfc^affen, beten eigenartige ©d^ön^eit wie bie
einer ^afdjiine witft Unb iDet iDottte oetfennen, ba§ geioiffe
ted^nifd^e Littel bet Sl^tl^menbiij^tung, a- ^ SSBeglaffen
beiS WctxUii, roobux^ etnfod^e Nomina tüie Nomina propria
roitfen fönnen u. bg(. , ju redetet Q^ii unb an redetet ©teÖe
angeioanbt au4i in einer 2vix\t anberen (StiU gewaltig roitfen?
@d iß, rote wenn in garbenfpmp^onien l^iet unb ba fiati
fitid^l^af te UmritTe auiSgefprod^enfier Sielieftening Denoenbet
werben. 3m fibtigen aber iß in bet fi;mpt)oni[($en ^id^tung
oud^ fonft mand^e^ §ut ©eltung gefommen, raa^ jugleid^ an
ben Umrifeftil erinnert: fo bie große, einfädle ^^rm, bie ge*
brängte Sprache, ba^ fon^enttiette ^ilb, mit einem Sorte bie
llüt^e^ bie Untetbtingung teid^en Snl^aiti^ in fnappflet ^otm:
etmoi^ wie bai^ $rin}ip ber 5t(ingetf4en $Ia{iif, um oud^
eine jener 3tnaIogien mit ber bilbenben Äunft augjufpred^cn, bie
fid^ bei 5lu§fü^rungen oon ber 2Irt, mie fie eben gemacht
würben, auf ©d^ritt unb Xritt l^eranbrängen.
Qnbe^ bet B^eig bed 3^^<^^i^ntud, bet eigentlid^ in bet
lol^en i^unfl weiter entwidkit würbe, war bod^ nid^t ber ber
3l^9tl^menpoefie, fonbem ber ber ft)mpl^onifd6en S)id&tung.
Unb ^ier beginnen nun, jur ©tebergabe junädjft ber
(Stimmung, att bie taufenb jlunftmittel $u fpielcn, bie ber finnen--
fttfliöften ©troeid&ung unb perfönlic^ften Umbilbung primitioct
Cmpfinbungen bienen fdnnen. Unb innetl^alb bet (5ptad^e, beten
weited Seteid^ an etflet Stelle oon ber ICnwenbung biefet ftunfi«
mittet butd^rocbt unb butd&jogen witb, ifl eS wiebetum üot
allem ber ßaut, bet junäd^ft in 9(nfprud) genommen erfd^eint,
unb batuni überwiegen bie mufifalijc^eu (Elemente, ^üein
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264
X>i<^itiig«
neben her ©prod^e toerben auä) fonft ©inbrticfc jebcr Slit
I)erQiigeg09eiu um ben neuen perfönlid^en ©tininuinßSibealiSmug
5U beleben, unb ^max üorneljmlid^ auä) (^inbrüde bei^ ^uged.
Unb ba mftel^t eg Rcft leidet, wie in biefem Sufornmcn^ang
aUbalb geioiffe SiebUngdanfiibcmunden, ja Sieblingi^oiBonen bct
gleid&jcitißen ibealiftifd^en SRaferei beutlid^, eben „ougenfättig"
^eruortreten , unb uic^t fetten finbet fid^ 3WufifaUfc()ejJ uiib
3)kleri{c^ed in innigfter ^ifd^ung:
Sotglofeit fijUtelitfi
2)ie igippen 0ef((flY}t,
9tm^ bie Mü^eitben
SBongen gerötet
^anaen loit itinber bed ®(ü(E8
Unfeve fonnigen ffabe bal^in.
9lofenIränae
Unb fd^tmmetnbe 8&IIe
SBetfen »it nnS
Unb ben g^bHngen ju.
5iyer un§ begegnet,
2)em ^uj'c^t cö luie ®olb
Über baS finnenbe
9bif loetii^en SttnieR
2;rägt uns bad Selb,
@üB von ieüffen
S)ttftet bie dufi
tlnfcr SBort
3ft ®efang
Unb ®efang
Unfte Vninott (®$rtfttan 9Rorgenftern.)
Ober:
SSegfänat oom 9l^onb(ic^t lag bte %m\>üf)afU
äluf ^eittet ^ö^e. 3n ben ^eirgen Stufen
(SeietmnidooS mit SBtnl unb fßort gerufen
(Sreebt' id^, ob mein SoS mtd^ gtüdPIic^ falle.
Unb oftmals ^ielt ic^ bange an. 2)ie ^^wi^e»
2)urd^5og ein 5Heigen. — Öraue 9JiänteI roaUten,
Unb l^öf)nifc^ grüßten bleiche ©pufgeftalten,
Unb äng[tenb g(of( oerfc^ioammen bie )ionturen
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Dtd^tung.
205
nnb Vetter fc^viit §9§eni9ftv», mit Saflen.
(Sil! 9Rät4enfd^IoB erßanb in (lauar gfeme^
Unb fachte gingen Gteme um nnb Sterne,
9ß woflte f(^fidj|tem f<$on ber Storgen tagen.
S)ontt ftanb ic^ fc^auentb in ber ^alle ©(^roeigen.
SRtt golDner Glinge fc^nitt ein bleicher ftnabe
9?om Sorbecrbaitme mir bie 6iege8ga6e,
2)en ^ö^iUn ^ceid, in grün belaubten dmeigen.
(SBil^elm ^olaamer.)
Wt afUhm \% auf bem SBege bec Serfd^toeiftung oft
red^t TOed^fefnber @(entente, in gönnen, von bmm tettioeii^
fd^on öelegentlidö ^cr (5d}ilDerunn ber ^id^tung ber ©eorge
unb ^ofmannSttjot bie dtehe ift, im ganjen aber bod^
unter ftcigenber ©ntroiddmg bct ftilifierenben 9)iotioe junäd^ft
eine ibeatiflif d^e %nt bed <3timmungdge^alted gefd^affen lootben.
Sn>eifeteo^ne eine grojse (^ungenfdjaft.
Um fie ju TOürbtgen, bcbenfe man, baft bie frül^erc ibea-
Uftijc^e 2i)xxt be0 10. 5ö^)rf)inibert0 firf; jum größten ^eil in
feiner eigenen gormenroelt beroegtc, fonbern in ber gormenroelt
ber älntife, bed ^lafftji^mu^, ber au^ ber grembe befrud^teten
SÜomantif . Unb man bebenfe weiter, hai in biefer neuen ibea»'
liftifd^en ßprif — unbfi^nen wir l^ter nidjt aud^ fd^on fagen:
in ber niobernen bilbenbeu 5!nnft, ja fönnen wir, fpätcre^ üoi=
auöne(;nienb, nid^t fogar auc^ fdjon von ber mobernen 3)id^tung
überl^oiipt reben? — : bafe alfo in ber mobernen ^f)antafie«
tl[|ätig!eit überl^aupt sugteid^ mit ber neuen ibealifti{(j^en ^orm
au4 bie mobeme Stimmung ate ein neuer unb nationaler
Snl^alt I)eranreifte.
^a^ ftnb n)al)rlid^ grofee ^inge. ^ie ©timmung crroäd^fl
mit ber Formgebung. Sie ift mit il^r unlösbar Derbunben.
Unb ba^er nnoerfennbar ein neuer Stil.
Slflcin in biefer ^inl^ett liegt oud^ bie Segren^ung. Sßie?
@oOte fid^ ein mefendanberer Sbealidmud, namentlid^ ein nid^t
mel^r rein pcrfönlid^er, fonbern me^r objeftioer Qbealiömu^
fittlid^en unb pa triotif d;eu unb religiöfen ©e^alteö in biefe§
©etoanb tUiben laffen? Sd^toerlid^. ^un aber erfd^ien bie
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266
^ortenttoidbing bed ntobemen Sbealü^mitö aud beut blo^i
Stintmung^ge^att in feflete, allgemetn flofflid^e S9lotioe ba(b
aU ein 33ebürfniS ber S^xt, bejjeu tiefere Se^rünbung fi^
fpätcr au^ ber ©efdbidite ber 2Beltanfci^auuncj ergeben wirb:
tnon fd^rie nid^t me^r bloß nod^ fubjeftioer Sßal^r^eit unö
Sd^dn^eit, fonbem na^ objettioen äBetten^ na^ Bxitü^tdt
unb na4 Glauben. SBte aber foQte iegt biefe mel^r objeltitie
(Stimmung, bie^ gü^len nid^t me^r, fonbem üiclmeFir @cfül^(
in ben fliliftifd^en gormen ber (Stimntinu3ö[i)rif jum 3Iiisbru(f
gelangen? @in neiteS Problem bet gorm ergab fid^, badnoc^
leinedroegiS gelöft ift.
S)od^ wxv iDoUeit nx^t in bie 3u(unft flauen. & mttb
3eit, ^urüdf^iiblidPen nnb %xi etjö^Ien, wie bet neue Sbealidmud
fid) im einjelnen ^l]ai)n hxaä). Unb ba fei benn junäd)ft nod^ ein*
mal bnran erinnert, bo§ im c^au^en nnb großen bie erften Reiten
ber neunziger 3Ql)re ben Umjd^ioung brad^ten. ^amalö Ijörte
eine ^t^al^l fpe^ififcl^er IBemegungen bed S^aturalü^mud auf ober
geriet in rul^gere, gbid^fam gefd^aft^mdgigete Salinen: fo u. a.
bie ben SSerlouf beS Sfioturaligmu« begleitenbe Steinigung ber
©prad^e uom ?ve!)Ier, vom grembrcort unb oom ^sapierbeutfc^ :
1885 war ber „SlEgemeine beutfd)e ©pradjüerein" bcgrünbet
werben, 1889 n^ar Dtto @d()röbers ^ud^ „äl^om pas^xemm @til"
erfd^ienen, 1891 folgten nod^ Sßufimonnd „Simkd^bumml^eiteti''.
Kantate fd^uf fid^ weiterl^tn ffinfHerifd^e, il^rcr Katur na<i^ bem
Q^ealen gugeiuanbte fiebcnc-^fvcube bie 5Infängc einer neuen
fiitteratur; 1890 erfd^ien SQng6e^)n§ „^J^embranbt al§> ©räie^er"
unb erlebte in brei Saljrcn gioeiunboier^ig Sluf lagen, 1894 na()m
bev „$an" mel^r für gef4>loffene Areife unb reic^ ftlaffefl,
1895 bie „Sugenb'' für bie groge fiffentß^Mt bie junge 9^
wegung auf. Unb btefen äußeren ^eränberungen entfprodjen
innerlid^e. 3l(te ^nmoriften oon ()ol^er ^unft unb einbringe
li4)er Seclenmalerei, mie ^anö ^offmonn, traten roieber me()r in
ben ^orbergrunb ber litterarifd^en 3ü^ne, unb anä) unter ben
jungen fd^affte fid^ ber ^untot, biefer fo l^öuftge Segldter
eines (ebengfrol)en SbealiSmuS, unb nod^ ntel^r ganj allgemein
tjifteigerte iiiebenöfreube *^|>ltt<j; Kre(jerg nod^ etiua;^ äUIid) jje^
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gcic^nete ^omanjtquren er{)ielten einen 3"9 iiiß ^umoriftifc^e,
Hauptmann unb ©ubermann fdbriebcn 1892 ben „Kollegen
Crompton" unb „Solontlie« $od&jeit", unb in @rnft ©on SBoIaogen
Qenneinte matt nad^ ben ^Itinbem ber ^fceHeni'' (1890) unb
bem tnama „^M :8umpenf)ertnbe(" ben eingeborenen Vertreter
eines impreffioiiiftifd^en ^untor^ entberft l)aben. Unb §anb
in ^anb mit biefen fpejiett litterarifd^cn 5Iii,^eic^en ging oon
3al^r ju 3o^r ftärfer ber Umfd^njung in einen Sbeali^mu«
auc^ ber iBebeniSanfd^auung, (fingen etl^ifd^e unb religiöfe @trd«
mungen, oon benen noi| fpäter )u fpred^en fein wirb.
3n biefem affgemeinen Umfd^tüung aber ftellte fic^ auf
bem ©ebiete ber 3)ici^tung bod^ wieber bie ^i)x\t al^ fiUjrenb
^eraug; feit 1891 begann aud^ äufeerlic^ bie 3ö^)l ber Itjrifd^en
Sammlungen |u wadS^fen; 1891 fam n)ieber unter altoerel^rtem
92amen ein mobemer SDlufenatmanad^ ^eraud, unb ^l^lreid^e
neue 3eitfd^riftea an oermifd^ten Sn^aft» boten ber gprif
immer mel^x eine bequeme, wo^nlid^ gemachte unb l^äufig be*
fud^te Stätte.
*
4. ^reilid^ ifl au^ biefer mobeme (^rifd^e SbealidmuiS
ntd^t o|nc SSorboten unb S3orftufen erroad^fen. Sa e« laffen
ftd^ fo^ar jroei Strömungen uuterfd^eiben, bie frül) auf if)n
l^inmeifen, eine mel)r romantifd^e unb eine, bie üon mel^r
I(affx§ifHfd^er Sluffajfung nu^ jum 3mpreffioniiJmuÄ l^inüber»
gel^t: unb beretti^ um 1870 ifl bementfpred^enb oon befonberi^
^eQftd^tigen ftaintm, mit }. 8. Sd^erer, ein lommenber Um«
fd^roung jum ^beali^muö geal^nt roorben.
SDer me^r romantifd^en S^id^tung ge()ört woljl mit al^
f rü^efter Xräger Dsfar ^inU (geb. 1854) an ; auö bem S'lealig*
mud l^eraudtretenb {e^rt er gern )u ben breiten S^ummelpläten
alter romantifd^er Steigungen prüdt unb erfd^ut etwa in ben
gefhfbung e n ber ft^Uifd^^normannifd^en Kultur unter bem
Staufcnfaifer ^einrid^ VI., ber auf i{)r eine neue SBelt^
monardjie aufbauen mollte, äl)iilirf) wie @oetI)e im jraeiten
Steile bei^ i»S<^uft" antife Sd^önbeit unb mittelalterliche üaifer«
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268
Dichtung,
tna^t tieretnigt. Sbet bei ^(b enuad^t in feinen „9ot»
floiientiäuptern" (1887) eine 2lrt ^ellcntf^cr Sflomantif, unb
SIeibtreu, her t)od;beßabte, ober überaus raotibelbarc Vertreter
eines frübeften Si^PteffioniSmuS, l^at nid^t nur 1884 einen
9ionm „S)er Nibelungen Not" Deröffentlid^t, fonbem mtd^ in
feinem „%itoüx Sieberbud^" (1885) be^eiftert auj^getufen:
^ bun!Ic« nic^t, bu ^eüeä ^Mittelalter,
^d) l)'6vc beiner SJogelroeibe (lf)OV,
^(^ füf)fe beitien ^Kinneernft, o Söalt^er,
Unb fie^, bie 33iorgenfonne flammt empor.
Seife ntitllingenbe Elemente einer felbflönbig ibeaUfUfcl^en
unb ff>^ieD romantifd^ d^arafterifterten 9lid^timg würben bonn
in ben od^tjiger 3al)ren an^ von Otto Sra()m, bem Sd^üfer
©d&erer^, litterarifd) unb braniatiiri]ifc^ als neben bem Naturo^
liSmu^ notroenbig erroünfd^t iinb ücrtreten.
^rü^er inbe^ unb in oeroiffem ©inne organifd^er begann
}u bem impreffioniftifd^en Sbealidmui^ eine 9%eibe non 2)i4tem
fiber^uleiten^ beten öltefle nod^ oielfad^ Bestellungen ^um
^(affijiSmn^ l;atten. 3l)r wid^tigfter nnb friiljefter $Bertreter
ifi ber ©raf ©d^arf, ber nidjt umfonft üon ben erften ^erolben
unb Sßor!ämpfern ber impreffioniftif d^en Ncoolution, ben @e*
brttbern Qaxt, fo innig verebbt »urbe. ©d^ad f^at etnuid
Q0n bec SRateedfd^en Sbiffaffung ber %itat toie ia ond^ ein
menig von feinen ©d^idffaten: bie Nation ifi tbm gegenüber m*
banfbar geblieben unb wirb ifyx beffer n)ol}l erft üerftef)en,
menn fie, junäd^ft rein in^altlid^, in ben nnit)erfa(en , bie
roeiteften ©renjen ber 3Belt feiner ^e'it umfaffenben ^orijont
feinet ^nUn^ nnb <Smpfinbeni$ l^ineingeioad^fen t(t @d^d
bat bei fd^arfer pfpd^ologifd^er 8eobad^tungSgabe nomentIi(b
etroaS üon ber ©egenftänblid^feit beS fpäteren üollen 3i"pteffio--
niSmug; nur bafe er babei, im ©egenfofe gu bem oft boflig^
neroöfen SBefen ber Späteren, in rul)iger 3)Jonumentalauffanung
oerl^arrt: ein ibealiftifdfteiS Clement, bod ibm ben ä^omntrf
ber ftfttte eingetragen ^at.
Nad^ Sd^ad flebt ben Neueren fd^on um ein gon^ €r*
^ebtid^ed näb^i^ W^^^ ^i^ii^ oon(5d^önaid^^(£arolatb(geb. 1852
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in ^re5(au, - ,,Steber an eine Verlorene'', 1878; „^id^tunqen",
1883). ©einem ^iiiefen md) ift er gleid; 8d)acf ein :)iorb*
beutfd^er oom (Beeftranb unb feinem ß^arahcr nad^ meljr in
^olflein aU in @dj)(e|ten ^aud. 2)ad, nwd i^tt imterlid^
sunt SorUufer bel3 iniptefftoniflif^en SbeoHdimid ^mpett, ifl
eine oomebmc unb gerabe SBol^rl^aftigfeit bei ^otjer ®iit*
fac^unn, ein fräftiger imb tl)ätiger Sinn im ftiüen Ji^ampfe um
l^o^e ä^tie. 3n ber gorm ift er weniger gewanbt ald ©djadf,
aber mobetnei:. S)er Djft)ier tritt p ^age, unb neben lan^ien
,®efü^äergü{fen oertaufen fd^on imprefftonifUfd^e @d^auet,
für beten B^id^nung bereitiS eine tiefe ftenntnid nerodfer Sen*
fationen jur SSerfügung fte^t. ^obei ift ber ^rinj rocit baoon
entfernt, im noturaliftifd^en 3"^prefftoin^3mug aiifjugeljen ; er
Dergigt fid^ nie., fo fe()r er and) aufglüfit, n>enu ii^n bad
@tinimungi^an||e ber ^id^tung be^errfd^t.
äBieberum einen Sd^ritt weiter bem SbeaßSntud ber Skgen»
nwtt ju t^ut Sllbcrta oon $utt!anter (geb. 1849; „^id^tungcn",
1885; „3lccorbe unb ©eftinge", 1889; „Offenbarungen", 1894).
hieben einer reinen, fojufagen fad^lid^ impreffioniftifd^en ^raft
gebietet fie über ein fkrfed ^j^at^od unb über eine &maii ber
^tintmung, bie fie nomentlid^ ^ut Pflege ber 9loman^ unb
SaOabe befötiigen.
©d)ad, ber ^^rinj ©d}önaid) (^arolotl), bie grau t)on $utt*
(amer entflammen olle bcfannteu 2lbel^gei'd)led)tern. 3ft baS
ein jiu\a\l? äUd Vierten im ^unbe (önnte man SIbalbert
von j^nftein nennen (geb. 1861; „äRenfd^Ueber", 1887).
f^rifd^er Smprefftonidmud bei fiorfem Srfaffen bod^ audft beiS
Stimntung^ge^atteS, eine oud ber 3itf^<Knbdonfd^<<uung in ben
iQiftori^muS abfd^iueifenbe ^l^antafte, enblic^ nid^t feiten eine
aud^ über bie ©timmung^bii^tung ^inau^fireifenbe Problem*
ftelbing (äffen i^ atö einen ber entfd^iebenften Vertreter bed
neuen 3bea({dmud erlennen.
treten wir je^t aber ganj auf ben Soben biefei^ SbeatiiS*
mu«, fo merben toir junäd^ft groifd^en jenem primitiüen
©timmunggibeali^mug unterfd()ciben l^aben, ber fid^ unmittcl*
bor aud bem ©e^ait ber ^ic^tung ergebt, unb ieuetn ^bealid«
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270
X>td)tnng.
vxa&, iit bem obiettioere fittlid^e unb retiglöfe Itrdfte nod^
@ittfättung tingett. Son beiben Sattungen ifk bie smeite im
affgemeinen bie fpötere, nod^ fd^roäd^ere, nod& im Setben be«
griffene. ^ie erfte bagegen, huxd) 5Q()(reid^e 2)id;tcr oertreten,
roeift roieberum ftimmung^ooll geroanbte ^ß^pfiologeii auf unb
ftimmung^ooff gemanbte ^{^d^ologen, bie gern aud^ xm ner«
oöfen Senfationen (eben.
2)er pl^^fio(ogif<$e Sbealtömud bec ecflen Gattung ifl uni^
fd)ort aug SiUencronö gmeiter ^criobe befannt. ©eioife beruf)t
bie ^ebcutung Siliencron^ mel)r auf bem 'JJaturali^muö feiner^
erften '»^eriobe. 3nbe^ aud^ je^t noc^ ^eben i^n bie ßeid^tigfeit
feinet ©prad^e unb feines ^eirfei^, bie oittuofe ^anbl^bung
bed 9Um^, fwc^ formale Sigenf^aften weit über ben Surdft^
fd^iütt ber mit im äßettbemerb [te^enben ^id^ter ^inmeg, unb
luenn er aud^ nid&t fo abgeftufter Stimmungen fä()ig ift roie
mand^er anbere, fo ^at er bie ^Jation bod^ nod^ mit fo fd^öncn
SDingen wie feinen ©ebic^tfammtungen „^ampf unb @pieie"
unb „^mpfe unb Qiidt" (1897) bebad^t. l^nbeS noDtommener
nod^ afö SiUencron fetbfl oertritt biefe Slrt ber Stimmung^
bid^tung fein g^reunb @uftao ^-aite (geb. 1853 in Vübed,
^JJJufifle^rer in 3lltona; ,/^an/i unb 3lnbad^t", 1893, u. a. m.).
g^alfe ift wärmer unb gefättigter al^ ;^iUencron, unb fd^oa
fd^Iogen bie (^nbrüde bei ibm gekgentUd^ ind Slerpen^afte um.
2) abei lann bie ^orm nid^t feiten auf ben erßen 8(i(f ob a(t
erfd^einen «nb flarf ftitifiert, — fo bog fie wo^l an ©oetM
55^rü]^jeit erinnert. 3nbe^ ba^ ift nur Sd^ein. Qm @runbe ift
galf ganj mobern; mit ©rfolg ruft er weite Sd^roebungen oon
@pannungdgefü^(en l)eroor, um bie Stimmung intenftoteren,
unb baraud ergeben fid^ i^m atdbatb aud^ oernridettere gformen:
etmad (Sel^eimniiSooHei^ in ber Sprad^e, etwad oon feltfamer
Jeierlid^feit, ein ^Jiätfelrcid^tum ber 9^^t)t^meii uuti 3fleime, ein
raunenber ^Tonfall beS 3J?ufifalifd^en. 3!)a^3 alleö tann bann ben
3) icöter fo loeit tragen, ba6 er ba^ erfie ©rforbernid eine^ guten
p^pftologifd^en ämprefftoniSmud, bie Höre @egenßanblidfttett,
verliert, baj^ fid| i^m bie SHnge nid^t mel^r |u einem rfittmU^*
geittid^ gef(^ (offenen (Sanken auf ammenf (Igen. Xber im offge*
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meinen geigt biefer ^Ränget bod^ nid^t fo (jäufig, bag
()ercd^t lüöre, ben 3)ici^ter barnod^ entfd^cibenb 511 beurteilen.
^aUed befte älrt jetgt etwa ba^ Midj^t ««Sommerglücf";
9lfltetiff|»eve %tt%<t
3ii Mftot ttnb Obltfit ringd,
Stein ^era tanji »ie auf (^[ügeln
Sinei tninfencn S<$metiftlin(|d.
2)ie 3lofen über ben SRaueni,
^er Birnbaum brüber
ätUed fo reid^ unb fc^mer
3n fel^nenbcn ^ommerfi^attecn.
iuligelbe fianb
9Rit bem träumenben äßälbecfc^ioetgen,
t^em am buftigen Stanb
darüber bte SSU)lfen ftetgen. —
D, toin fag tc^ nur,
2Qaä aUeS mein Slünfc^en in§ SBeite fü^ttl
t)ai bed @(ü(!d eine (eucf)tenbe Gput
SRit stttembev ©«^lotnge buüfyxt
fßon ben jüngeren ^ic^tecn, bereu ^ier nod^ eine ^2Iu5al)(
9enantU «erben ttnnten, mdgen ^(^mtal {„%kt\e", 1892—96;
„Steine «Mrten, etnfame Serfe", 1897; „%xi9xa'*, 1898) unb
oon ©d&effer („©eltcne ©tunben", 1898; „3)ie ©teuftnien",
1898) Ijerauggegriffeu luerbeu, um beftinuiite D^id^tuußeu ju
dfiarafterifieren. ©d^aufol ^ulbigt nod^ fe^r beutüc^ einem
p^Qitologifd^en 3>^preffu>nidmud. ^ber bod) unter ftärfftem
fkbenmegen ber ®timnntn^, fo ba^ biefe fd^on bie härtere %om
§u beugen beginnt: etwod Betd^eS, ^ufttolifc^ed, 9lebe(,
^iDämmeruug werben d;arafteriftifdb, unb gelegentlich bejtnbet
man ftd^ fd^on in bcm Sanbe rein nevööfer Stimmungen,
©d&effer bagegen ift jioar and) mufifalifc^ geroanbter v^i^fio*
logifdjiec Smpreffionifit, wie ^^utai, aber er bleibt babei
f&(ter, refbftierenber, unb eine tü^U Sebaideniprit trdgt ibn
gelegenttid^ fd^on gang in^ ^^ilofop^ifd^e hinein, wie i^n anbrer*
feit^ feine fefteren 5ofi"en Sluiäflügen in ba§ ©ebiet ber
9attabe ober wenigfieni^ bellen (^ren^lanbe oerloden.
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272
3m ganzen ^at biefe 9lid^tung in t^ten SludUufem etmoA
UiiSel^Q9li($e§ , ein racnig 5?^ofti(^e^5 ; Mc Seftintmtl^ctt be^
p^ijfiologifct^en ©inbnicf^ orbnet fid^ eben ber Stimmung nid^t
lei(^t unter; unb ba, wo fie biefem a)lauöel burd^ ©ebanten
abhelfen will, fte^t {te fel^r unter ber geiftlofen Segenftünb«'
lid^teit ber Oattimg, wirb fie banal.
^)a pnb bie v)9d)o(o9tfd^en Stimmungdbiii^ter bcffer baron;
ganj anbete Ieid)t geljen bei itjnen naturatiftifdje unb ibealiftifc^c
Elemente äufammen. ^ie ^id)ter biefer 3lrt fönnten an ^er^
fönlirfifotten u)ie ben frül)er beljanbelten 3Bi(()elm Slrent on=
0ef<i^lof{en n>erben, unb atö i^r {Fahnenträger unb ^o(b iDürbe
bann, nad^bem ber tl^nen onget)örenbe ftreii^ berer um ®eorge
unb ^ofmann^tl^al fd^on aiigfüljrlic^ befprod^en morben ift,
neben 2)ömiQnn unb 3)ior9enftern namentUdt) 3uliu^ Otto
^ierbaum er(d^einen. ^ierbaum ift 1805 ^u @rünberg in
@(i^(e{ien geboren; toir l^aben wn i^m u. a. „(Erlebte
bid^te" (1892), bie Sammlung „9lemt ^oume, bifen Arana"
(1894) unb ,,Sobetan$" (1895). ißad i^n d^araltedfiert. Im«
ift bie unenblid^ rceid&e unb ^^arte Stimmung in gebrod^enen
^önen auf breiter pfpdjologifd^er, ja neurologifd^cr ©runb^
läge. (Bx ift babei biefen Stimmungen fo Eingegeben, bog er
fie oft unb namentlid^ anfangt» faum in SBerfe )u faffen im«
ftanbe ift; in einer ^erftiegenben @prad^e oon fo gefd^nteibigen
formen breitet er fie au^, bafe ber Unterfd^ieb oon SSer^ unb
^rofa faft nerfd^roinbet. Slber aud6 im $Ber^ bleibt er fd^Uefelid^
gleid^ traumfelig, Unb unb roe^mut^oott, unb er intenfioiert
biefe ©efül^le uielfad^ aud^ burd^ 3^^(^0ung in erl^ö^t gef d^ilberte
nerodfe 9tei|e, unb ber @inbrud trifft faft bad @^bt, att
fdjlüge ber ^d^ter breifad^ befottete Warfen.
ilonnte fid^ nun aber ein fold)er pfpdjifdjer, nernöfer ^lu
ftanb ber Stimmungebic^tung lange erljalten? fidj non
il^m aus auc^ nur entfernt ettoaS n)ie ein äBeltbilb gewinnen?
Unb ifl aU (Snbergebnid, mie im fittlidi^en Seben ein eftremer
Go^iatidmud ober Snbioibualidmud, fo im öft^etifd^en Seien
ein extremer $Et;fiologidmud ober aud^ nur ein extremer ^fy^o^
togiSmuS überl^aupt benfbar?
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273
5(u^ ber reinen, einfornen Seele fann feine Stm^i, tüeber
eine naturaliflifd^e nod^ eine ibealiftifd^e, auf bie 2)auer (eben,
unb am aflenoetiigfien Reifen ba 9len»enesperitnente entfd^eibenb.
Gin 6(o^ed Seelenreic^ bleibt ein XtmmxA^, ia lomidet: ein
ber ©d^atten. Unb bem ^id^ter loinft, mnn er biefem
S'lcid^e allein untertl^an wirb, nic^t Söeltfreubigfeit, bie @runb=
läge aHe^ ©d^offensS, fonbern ©ntfogung. @ben biefe @nt=
fagung {leQte f\6) barum bei ber neuen ^i^tung balb ein ald
ein 3^4^' Summe bet äl^dglid^feiten auf ber ge*
m&^lten iSrunblage erfd^öpft fei
3i( Um ni^t liefen, id^ lann nur fernen,
$km m Bin Iratil unb bin au($ fo mfiber
Sd^ fbnn nur traurig am gfcnfter noit lehnen,
3tt fi^otttt, »amt ber 2;rottm mic^ sur ^oc^jeit no|( [flbe:
fo fingt ^lid^arb $erl§, einer ouÄ ber ©ruppe um ©eorgc unb
i^ofmanndt^al. ®en)ig, ed umt fo, wie ed ^ofmanndt^al
einmal t>on ber neuen S)id^tung er^äl^ite: fte l^atte
ben 6c^mel3 ber ungelebten 2)inge,
2lltfluger aBeid^eit öoU unb frühen ^roeifelS,
SRit einer gro|en ©e^nfud^t bo(^, bie fragt:
ein neueg S^leid^ ber ^Senfotionen war erfc^loffen unb auö feinen
(Bc^äfeen raar eine gan^c 2Belt neuer Stimmungen gefpeift
worben, — aber bei biefem (^'roberung!ä5uge waren bie ©eftabc
bet to^en, greifbarften äBirtiid^teit oerlajfen werben, unb einfam
trieb mon auf bem 9teere einer bfogen Stei^famleit ba^in, bie
unbefriebigt lieg.
äi>effen man beburfte, mar gunäd;ft unb an erfter ©teile
eine gefunbere ^l>erbinbung ber neuen neruöfen Stimmungen
mit ber unmittelbar anfd)aulid;en Ma^t ber älteren pl)r)fio«
logifd^en (^nbrüde, fomeit biefe in§mifd6en non größeren i;ei(en
ber Station aU bauentber neuer Svmerb aufgenommen mar.
Unb barüber l^inauS mufete gmeiteng eine 3?er)d;mel,^ung biefe^
ganzen neugeroonnenen @ute^ mit ben größten, fid) aud) jetU
nod^ als unanfedj^tbar erweijenben gornifd^ägen früherer 4^erioben
unferer ^id^tung oerfud^t werben.
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SS finb Serftinbungen, ble injtoifd^en nevwirnid^t lootben
finb; nid&t unbebeutenbe 2)ici^ter, roie iuöbefonberc SRtcarba
^nö) (geb. 1864) unb Raxi ^uffe (geb. 1872), l^aben fte f^ct*
gel^eat.
SUeiii au<j^ bec ooOete Sludbau blo| einer ibealifierten gönn
genügte tiid^t Sin groget ^(bealidmud bebotf eined S9le^reten :
eine^ großen ibeatifd^en (^e^alte^. konnten ba bie blofeen
perfönlid^en Stimiiuingen genügen? S^ein: bie 9iote ber tcli'
gidfen, bec etbil'c^en CBemeingefü^le mu^te n)iebei; angetd^lagen
werben; banim l^anbelte ^<j^.
Unb e6 ifl nidftt )tt uetfennen, ba6 auf biefem 8obett feit
einiger S^xt ücr^eifeung^ooHe Slnfänge emporfetmen.
23or allem ift ba ^nebricö ^Jüefefd^e nennen,
Slieftfd^c im ©runbe eine fünft(enf(^e, ja eine bid^terifd^e S^Zatur
war, jeigt nid^tö beffer aU ©prac^e unb ^n^ait feinet ^aupt*
werli^, bed „Sutat^v^** ; ed wirb baoon fp&ter, wenn W^fd^eS
SBeltanfc^auung befpred^en ift, nod^ genauer bie 9lebe fein.
3n feinen nid^t allju 5af)(reid;en ©ebid^ten aber tritt nod^ gc*
nauer feine 3i*9ß()örigfeit ju ben ibealiftifd^en ^fgd^ologcn, ja
Sfleurologen l^eroor. Sr neigt $um ä)2ufilaUfd^en, }ur ^n\m*
fimerung ber färben unb @erttd^e, )ur Umgefialtung in fUU*
fierte Sinien unb aud^ jur S^mbotif : er ifl einer ber fUm«
mung^ooUften unter ben StimmungSooUen:
Xa^ ttieineä 4^eben^I
3)te ©onne jtnft,
@c^on fte^t bie (platte
%lui üerßülbet.
äBarm atmet ber Jelö:
©erlief roo^l ju 3)?ttta(^
Xad ®m auf t^m feinen ^ittagdf^Iaf?
3n grünen Siebtem
Gpiett (&l&d noc^ bec btaune Sl^gvunb i)erau|.
meines Se^nd!
0en «6enb ge^t'd!
6c^on glü^t bein Kuge
$a(b{)e5ro(^en,
6d^on quißt beined Xav§
Xl^vanengetvfittfel,
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275
äßag ober 9^ie(jf(^e über bie blo^ StimmungSoottcn er*
t)ebt, baö ift fein tiefet etl^ifd^eS ^at{)0^ unb bie bei i^m
religiös unb oere^renb geftimmte £eibenf(|iaft ber- SBa^rj^afttg-
feit: unb biefe Smpfinbungen butd^fttömen aud^ bie ^el^rja^l
feiner ®ebid^te, nontentlid^ auiS f weiteten B^ten.
greilid^: ein eigeiitlid^ unb bem offen fid^ borbietenben
Sni^alte feiner (Sd^öpfungen nad^ ctE)ifd^ ober religiös geioanbter
2)id^ter toar 92ie^fd^e nod^ nid^t. 5Did^tungen einer religidd
unb pl^ilofop^ifdft gegenliänbtid^en Sprit treten ob für bie 3^t
d^ötafterifiifd^ erfl in ben neunziger Salären ouf. Iba fd^Iägt
j. ^. bie ^oefie oon ^Jaurice oon ©lern (geb. 18G0), einem
ber ja^treid^en Saiten, bie auS bem @ji( l^er l;eute bie beutfd^e
5lunfl äönUd^ befrud^ten, wie um bie Witte beö 19. 3abr*
lunberti^ bie @d^ledioi0'6ol{leiner bie beutfd^e äBiffenfd^aft
geförbert l^aben, oer^ältnidmägig frit^ fd^on atid fo^ialiflifd^en
^önen in religiöfe um; bie Sammlung „^}Jiattgolb" oom 3a^re
1893 bejeic^net bie SQ^anblung.
2)ad ift ein 3n)itf(^ern in ben atten Räumen!
3n %QU gebabet roac^t bie junge äQelt;
3m 2)orf bie äJiäbc^en pu^en ftc^ unb ttäumen,
Unb roftg ift baS Ätrc^enbac^ erhellt,
©c^on fräßen ^n^ne unb bie «t^unbe betten,
Unb auf ben (Raffen rnrmt ber ©pa^en Scfinc;
2)er Xot\ba(i) raufest in niorgenfro^en SUeUeit,
Unb in bad grü^rot gucct ein 2lau5enpaar.
Sbvt }Xf)x fc^Iägt H\n^f unb mit bem ^ü^elöuten
Srroac^t baä ^orf gu fe(igem Qkbti;
^öre ®ott im SWorgenroinbc fc^reiten
3n ftiUer, ftummer, ^eU'ger aRojefiöt.
Ski raff id^ mtc^ empor von meinem Seite,
Sßarm in bem ^erjen unb im Äopfe tüt)l, —
Xex @eift, befreit von bed @ebanfend Ivette,
@(^toeigt feierlich in enigem @efü^(.
Ift*
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276
• SBod tm ®tetn ^iet emid^t, bie tetigiöfe ©titmnund,
baö erfc^eint bann bei i^m wie bei anbeten batb in^ ^ofitiocre
oertieft: ba^ Sentimentale, ©rüblerifd^e, bie S^leigung gut reli*
giöfen 9^eftgnation als einer ^^orm mobenter Stöfefe föQt
oodenbi» a(: man bringt t>ot in bcA £anD ooKen, tu^igm
®ottoertraueiti^ tmb in bie Sor^oOen wenigftend nt^flifd^er
SBerjiicfuiig. ^luc^ ^ier finb einige 53a(ten von 33ebeutung, fo
ber greil)err oon ©rottl;ii6 (geb. 1865) roie aud^ ber 2)eutfci^«
rnffe üon 2lnbrejanoff (geb. 1857); am entfd^iebenften unb
frül^eften abet tritt biefe Slid^tung bod^ mo^i in ben S)i4tungeit
mt ^an| (Smi su Xage (geb. 1871; „^unbamente", 18d2;
„^ßfalmen", 1893):
Sit tm^m SUapurpur
Siegt fern ein 2^raumed(anb;
8(aubun!e( glü^n bie SBeUen,
Unb golben ifl bev Gtronb.
©Vpreffeurcalber njic^en
3m 2öinb i^r 5^iabel[au[),
Unb in ben Süften liefen
ä}2aiglüc{ unb @onnenftau6.
2)ie enigeit 9erg» fd^n
$in auf bie flolbneit (Sauiu
^aä ^lüd, baä ©lüdE umfc^mtegt und«
äßir fiiib öom ©d^merj befreit —
Unb unfre 6ee(e rotegt und
Qn biauc (^toigleit. . . .
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V.
1. ^ic furje ©qä^ünu] ber ©ntmicfhinc^ ber 2\)X\t, luie
fie foeben gegeben tDocben ift^ iä^i nod^ eine äBeU von (itterar«
Öiflorifd^en fragen offen, ^enn e« war IJier WneiSroegS bic
S(ufga6e, eine ßitteraturgefd^id^te ber ©egenmavt in ber ^u^
ju geben: nnr geroiffe $auptri(5tungen füllten gefennjeid^net,
nur ber S^fonimen^ong berfelbcn mit ber aüc^entcinen dnU
loicfdmg be§ (Seelenleben^ fottte nad^geroiefen werben, ^afe
babei an bem gejeid^neten ä3ilbe oon litterarljiftorifd^er (Seite
l^er me(ed }u önbem unb beffem fein mirb, unterlieot
feinem Sioeifel: aber ber ^a^toü9 einer engen unb allgemeinen
35erbinbung unfcrer ntoberncn Sprif mit bem lüeitcn 33ereid&
ber nationalen ^^U^nntafietl&ötipifcit unb ber Bewegung ber
nationalen $(94e toirb baburd) nidjt aufgel^oben »eiben,
fonbem nur nod^ oerflärft §um Ittudbrud gelangen.
®e^n mir fe^t baran, und bie Qntmiälung ber Aimfi*
eri^äl)[ung in ben jüngften 3^t«t wrgegenwdrttgen, fo gelten
ba Diefelben ©efxdjtc^punfte: nur bafe fid^ bie Überfid^t bei ber
geringeren 33ebeutung ber ©rjäljlung für bie Entfaltung ber
$l)antaftet^ätig{eit nod^ oer^ältnidmägig für^er mirb faffen
(äffen.
Unter ben Sßerfen ber ftunfter^äl^lung mirb man ^unö<|ft
jiüei grofee ©ruppen ju bilben hahtn: eine Ijöljerer 3ibealifievuiig
unb gebunbener 9Jebe, unb eine mel^r unmittelbarer 2Bieber=
gäbe ber äBir!lid[)!eit unb ber ©prad^e ber ^^rofa. ber
©nippe ber ^rofaergä^lungen aber fann man mieber mit ben
Srfibem $art (ftritifd^e SSBaffengänge 6, 53) am befien brei
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278
Dichtung.
©attungeu unb gormcn unterjc^eibcn. „^ie crfte Gattung
bilbet bie einfädle ^fdj^id^te, beten i&t^Ux in ber SBirfUd^^
feit timl^erioanbett, um l^ier ein Stüd aufjutefen unb bort ein
©tfld, unb ixoat in ber 5lbfid^t, einfad^ ju fabulieren, roaS unb
luic intercjjaiit erfdjeint, ober jebod;, um ju moralifieren
uub Belege ju {d^mteben. ^ie jtDeite (Gattung ift bie '^ioroeUe,
bie fid^ in ben einzelnen intereifanten SaQ vertieft, um bad
feeiifd^ ober fonft meld^ed Problem }u ergrünben, ha» in bem
galle oerbotgen ließt, ^e btitte ©attung bittet ber 9ioman,
roeld^er fid^ nidjt begnügt, einjelue Stücfe ber ^Urflic^feit
bid;terifd^ jufammeiisiifdjiueifeen, fonbern bie SBirflidjfeit jelbft,
mie fie ber Qnt be^ @rjäl)ler^, biefer 3^^*/ beiS ©rjäJ^lerd
älugen aQein burd^forfd^en fönnen, §u @ntnbe liegt, in ifycm
@efamtd^aro!tet ouffagt unb mibetfpiegelt."
£>icfeii brci OJnttungen ber ^rofaer,^ä^Iung entfvred^eii
bann brci ibcaH)d)e (Gattungen ber ©rj^ä^hing in ge{)obener
Sprache: ba^ (^poä, bie SJooeße in 3?er)en unb bie Sottobe.
gür unferen 3^itv<<um ifl ^ pm d^arafteriftifd^, hai biefe
ibealifd^en formen, namentlid^ im Beginn, oiel weniger aud*
gebittet finb. ^ie Slot^eDe in t^erfen bleibt il^rer t^otföd^lid^en
!Durd)füt)rung nod; burd)an<3 eine 9iebengattung , bie ^attobe
wirb fel^r lioufig in^ :^i;ri)d)e ober in§ S)rQniQtif^e gebogen
unb ift aud^ in biefer i£)urd()bi(bun9 menig beliebt; bctö
enblid^ gel^t in ben wenigen SDid^tungen, bie il^m s^suted^nen
mären, melfad^ in« ^l)i(ofopl)ifd6e unb ßprifd^e über.
2lm bejeidjnenbften aber ift, bafe fid^ ber C^^ang ber ®nt=
midfhing al^ ©anjeg nur an ber ^^Uofagruppe oerfolgen läfet.
fotl nun im folgenben gefd;eljen.
S^e aber ber «^aben ber @rsä^lung oufgenommen mitb,
bebatf ei^ einer lursen SluiSeinanberfe^ung fiber bad befonbeie
äBefen ber profaifd[)en Äunftcr^äbtung unb bie in il^r oer»
borgenen 5^oniponenten. ©ine )old)e Erörterung ift infofern
nid^t leidet, ai& e^ im ganjen 19. ^a^r^unbert feine allgemeiner
angenommene unb gat^ felbfiänbig burd^gebilbete SE^eorie ber
^auptlunftform, bed Sftomand, gegeben l^at: benn 6|iiet^ageniS
l^ierl^er einfd^lagenbe Arbeiten, an bie man ^unäd^ft ju benfen
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Dtc^titng.
279
geneigt fein lönnte. Bieten bod^ loefentUd^ ^ ^ fubieftioe
Tüo{)l müffen TOeiügflen^ einige äludfü^rungen gewagt werben,
©ie ^d)en oom 3^omon au^.
^er ^^oman fott ein äBeltbilb geben, jebenfaUS ein in fid^
gefd^loffened Sannes, iDomdglid^ eine ooDe fiberfd^au ikbec ben
3n^)ctlt einer je umfoffenber unb je tiefer, um fo beffer. Sft
ba^ mm überijoupt tnöglidi? Qu rool^l aufgebauter unb feft
jentraüfierter ©rjablutig offenbar nur für S^it^"
fad^en feelifd)en S^iföninien^angg , alfo am beflen etroo für
9iontane, bie in äKittelaltem ober in Uraeiten fpielen. ®m%i
aber ni<!^t in biefer 9ltt für ben 3^itroman, ben 9ioman ber
C^egeniDart, bie üorne^mfte unb in ber legten Qdt üorneJjmlid^
gepflegte gorm. Xa^n ift uiifere Seit pfi;c{;i)d; unb fojial md
lu fel^r bifferengiert unb aud) gerabe ben ^^i^Ö^^offen vkl ju
wenig überfid^tlid^. & bleibt alfo nur bie Sidglid^teit eines
loderen SaueS übrig: bad, n>aS @u|foiD ben Stomon bed
S^ZebeneinanberS genannt l^at: große ©rjäJilungggnippen werben
aneinanber gereif)t unb unter Wd) (ofe uerbunben. ®iefe
2trt be^ Saue^ fannte man nun fd)on im 17. 3al;r^unbert;
ber „^on dui^ote" bietet baftir ein ^eifpiel. 3n unferen
Xagen l^at bann ber Umfang bed seitgendffLfd^en £ebend ba^u
gefül)rt, bie einsefnen @ruppen gerabeju in befonberen
• 9iomanen, bie aber einen ^i;flu^ bilben, aneinanber gu
reiben; baö mar f(^on ber gall in S3algacg „Comödie de
la vie humaine'', ba freilid^ nod^ fcl^r unt)ott!ommen; ooll»
enbet l^at bie ^omt }ueril j^ola in feinen „Rougon-Macqoart''
gel^anbl^abt.
SBeld^eg ift aber nun ber S3au beg ©ingelromanl ober beS
einzelnen Xeil^ eines qfüfd^en ^J^omanS? — ©r fefet fid^
im ganzen jufammen auS Sf^efle^ionen be^ 2lutorg unb Sfijgen
ber vorgefiellten, fei eS pi^pfifd^en, fei ed pf^ci^ifd^en @r«
fd^einungtoelt. ttnb ba ift eS nun ffir bie und l^ier Be'
fd^äftigenbe ^eriobe roefentlid^, ba| bie SReflejion, baS fubjeftioe
©(ement ai^ auögefprod^ene Komponente feljlt ober bod^ im
ganzen nur nod^ oerborgen unter ber ^om ber ^fi^ae oor«
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Dichtung*
tommt: unb bie nitb bamit formell fafi ^ut adeitiigen
Komponente bed 9lman(^, ifl gtetd^fom feine S^^^-
@ilt tum bad &kx^t oon ber ä^ooelle? ©emig, aud^ fie
fe^t fidj^ aud Sfig^en |ufammen, nur ba§ bie ^fi^gen — unb,
menn fte oorlommen foQten, bie 3tef{e|ionen — nid^t fo (oder
ttnetnanber (jeret^t werben rote int 9^omone. Sielme^r erlaubt
()ier bie 5iürge einer ©r^aljUnu-i , bio ni($t eine ganje 3«-'it
fd^ilbcrn, fonbern nur irgenb eine (S'reiijni^firuppe, roeld&e ein
fpannenber ^nl^alt Derbtnbet, barfteUen loiE, eine gefi'tr^te unb
gefd^ürnte, gleid^fam bramatiflerte Oel^anbiung ber Bti^ unb i
bomit beren Stiliftening. Unb biefe Umbitbung ber 6fiss^ ifl
n\d)i b(o6 geftattet, fie tüirb bei entf(f)iebener Snwenbung ber
Äunfiprinjipien ber ^omUe fogar geforbert.
Jtonnte bamad^ eine Qfit bed SlaturalidmuS ber SlooeOen«
form günftig fein? 9liemate, benn (te wünfd^te ja fibecatt
eben jene naturaüftifc^e ^Be^anblung ber Sfijje, roeiä)e bie
:)iopeUe \nd)t guläfet. I
So blieb benn für bie itunfier}ä^(ung, foweit fie nid^t
ben Snl^ott einer 3rit im großen ergreifen unb grunbfä((id|
erfdjöpfeu wollte, nur bie einfod^e ©efd^id^te tibrig, ober roie
man e^ vom 8tanbpnntte ber -Jiooelliften ber fünfziger h'bi
liebjiger ^a[)xc auöbrücfen fonnte: bie 3)Jobernen fc^rieben nur
nod^ „nooediftifd^ ange^aud^te @fi5$en''; bie eigentlid^e @abe
bed tünßlerifd^en ©efiaUend in ber ftompofition trat mel
fd^iüäd^er ju ^^age atö bie ^abuKerungSfunfi. übrigen
uerbUcb e§ natürlid; nidjt blo6 bei ben reinen ^unftformen
Dcö großen 9ionian§ unb ber furjen @efd;id^te; oiehne^r be^
ftanben fd)on dou früher f)it unb bilbeten {id^ von neuem nod^
mand^e 3n>if4^nformen. ®emeinfam aber mar il^nen atten bie
me^r ober minber formtofe Sufammenflettung au9 ber SH^je.
Slber bie Sfij^e felbft: ift fie in ber neuen Qtit bie alte
geblieben? jleinedmegi^. (Aerobe in il^rem ^fen traten pi'
näd^fl fiarb Serfinberungen ein, — unb burd( biefe l^inburd^
mürben bann aud^ ^anblungen ber aud i^r ^ufammengefe^ten
5lunftformen ueranlafet — abgefe&en oon ben äinberungeu.
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mtd^ biefe an ftci^, oud SRoHoen i^ttr QtBOikiDeguug ^eraud,
erlitten.
Sd^on bie @fi$$e ber btetgiget bid fteb3i()6r S^^te, baS
(^rnnbelement bciä 'Jioinan^ biefer Qtii roie ber bantol^ foft
noc^ me()r b(ül}enben 'jiooelle, mar ftarf burd^ ben 3ournaH§mu^
befilmmt niorben. Unb 2lournaUSnin^ ^ieg bod^ auä) bamol^
bereitö mel^r ober ntinber audgefproii^en Reportage. 9teportet
in biefer ober jener ^orm — ni^t immer in ber l^eute berufd«
mälig nnb ted^nifd^ au«gefprod^enen — flnb hoä) fd^on bie
mciftcii ^JJoiuanjdjrciber be^ \nnc\m !Dciitfd)(aiibö ju irgenb
einer S^xt i^reö l'ebenö gcinofen. ^ilber i^re ■)iapporte, i^re
Sfi^gen waren nod^ breit angelegt, liegen bie ^erfönlid^feit
bed dieporteri^ burd^fd^auen, moren refCesiondreid^ unb «erliefen
bementfpred^enb in iangt^e^ogener ^rfieOung.
äRit bem Untergang bed 9iomand bed jungen fDeutfd^Umbd,
feit ben fftn^iger doloren, mürbe bal^ onberd. 3e|t tum und,
fd^liefelid^ erft nad^ franjöftfd^em SSorbilb ganj burd^gebitbet
unb in ben fed^jiger unb fiebriger S^^^ren blü()enb, bie 8fij5e
ber ^aul Einbau unb ©enofien, ber ^Jiapport be^ ^veuiUeton*
ftiU, bie prejiöfe, geiftreid^elnbe, roi^elnbe S)arftellung ab*
gerunbeter fteiner äBirflid^feitdftoffe. S)ad ift bie Slrt, gegen
bie bann bie Orflber f^att in i^ren „itritifd^en ffiaffengängen"
fo unfanft lo^jogen: mit bem Seginn ber neuen (itterarifc^en
S3emegung ber ad^jtjiger ^al^re war i^re Qdi ba^in. Unb nun
entfaUete fid^ langfam bie Sieportage ber @egenn}art. 3^^^
mar man no4 ni^it aldbalb fo roeit, bie Siograp^ie burd^ ein
Snteroiem, bie bramaturgif d^e itritil burd^ einen blogen Sft^nen«
berid^t — mad l^aben %x^tet, @d^aufpieler, geroolin^ettdmftgige
$remierenbe)ud()cr gefagt? — ju erfefeen. Slber man ging
bod^ früt) in biefer ^Jti^tung üonoärtö. Äürje, Äonjentration,
SSerbic^tung, S^itcrfparni^ im ©d^reiben unb i^efen, ba^ würbe
bie £of ung. 9l(fo: 9lomentaufnal^, Selegrapl^enfUi, fein
SBi| me^r, nur nod^ Seobad^Uing, lein @ei{it, aber fd^arfe
3lugen, finbige 2öitterung, fhfamttie« 3"9rtnfen unb nor attem
flinfe Seine: ba^ war, wad man wollte. ba^ junäd^ft für
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bie gJrofa f o färbte bod^ bie ioumalifUf Slepottage aÜMb
tmb toie von alters l^er auf bie Iitterarif$e Sf^^e ah. STud^
l)icr fiiefe üor allein: ©egenftänblid^feit, ^ürje, %om^
üerbidjtung; unb ber 9ioman xoxä) teitroeife ber ©rsä^liing
unb bie ^DeQe bein, loaiS bie Sltnerifaner, in biefem gaUe bie
wetfien am ^Ui^e''^ short story getauft ^aben.
®ntwid(ung^()ef($id)t(i($ war eiS bie flberfü^ning ber
Sfi^ge 5unäd;ft in ben p^pfiologifd^en 3nipre(fioni^?inu^5. Unb
au^ bem p]^t)ftolo(]ifd)en ift fie bann in ben p[t)d)oIogifd)eii
unb ben nenrologij'djen 3«^preffionißnuig übergegongen unb
aud biefem l^eroud fd^Uej^lid^ toeid^ unb — fomeit ed bie Autfe
}ulie| — muftlaHfd^ geworben: ^at fte mit einem Sorte bie
«n« fd^on befanntc (Stufenleiter pfijd^ifd^er ©inbrfldfe aud^ i^rer*
feit« burdjiaiifen. Unb mic follte fic nid^t, nac^/bem fie einmal
auf ben (Sinbrud geftellt xmi?
S)em 8d)idfale ber aber folgte, roenn aud^ mit
mand^en befonberen SBenbungen, baiS @d^idffat ber aud i^r er«
bauten OrganiiSmen. SBir ge^en ^ur Sntmidffung bed StomoniS
unb ber funftooE er^ä^lenben ^efc^id;te über.
2. $ier mar junöd^ft Uar, ba| ber neue Stoman ftdft ba
in feinen flnfangen am frfi^eften einfieOen mu§te, mo bie
Übergänge oon ber feuiffctoniftifd^en jur noturaliftifd^en Sfijje
am ef)eflen ftottfanben, unb wo biefer Slofee Übergang fd)on
genügte, um bem 3ioman neue, naturaliftif^ere Stoffe ju*
jufübren. 2)eutfd^(anb war bod in Berlin ber gaU, unb
biefer 3ufammenl^ang erl^ob Serlin in ben erfien ber
neuen Sitteratur menigftenS auf bem @ebiete ber Jhtnflerjä^lung
teilrocife gur fül)renbcn ©tabt: ba2, roai entrotdlung«gefd^ii$t'
lidft 5unäd)ft entftniib, roar ber berliner S^oman ber ad^tjiger
ga^re. ^>ill man i^n oerfiel^en, fo bebarf e« eined furzen
©inbtidd in bie befonberen Anregungen, meldte ein grob*
ftäbtifd^ed Seben ber Sitteratur barbieten lann. 3n bem um
^ $01. ^(^t)x, äRoberne 6. 12.
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enbU<!^ reid^en unb wanblungdvoOen S)Qfeind!reid her größeren
Stabt öefc^ieljt §inmd}ft fo mel an fid) faiim (SmaxUM, giebt
fo v\d 5iir ämrflidjfeit roerbenbe .Uonibinationen imum^r*
fd^eiii lieber ^inge unb (^reigniHe, bag fd^on beten bloge hiebet«*
er^ä^lung oft geeignet etfd[f einen tann, in ^ol^em @rabe fponnen.
3)ad l^otte £ugen 6ne beteltd in $atü^ erprobt unb batauf
feine feffelnbcn S^omone ber mcrjiger ^äf)xt oufgebout. SDobei
ift benn fniim no^ nötig, ^arftelliingen bloßer 9ieportage
ber gemeinen äßirflid;feit burd) ©rljöljiing ber ^id^ter ber ß-r*
läl^tung in ()eben. ^q&, wad gefd^ie^t, ift eben an ft<i^ ibunber»
bot unb einbruddooS genug. tmmt nur barauf an, eis
hirj, fd^lagenb, ber SBirlHd^feit gemo^, ntit SBeglaffung be«
UnroefentUi^en tüieberjugeben. ©o tann Ijict bie fo^ufacien
abfolute unb reine naturaliftifd^e ©figje befonberg (eic^t auf^
fommen: unb i^re ©ntwidlung bebeutete in ben ad^t^iger
Salären on ftd^ fd^on einen wefentli^en gortfci^ritt.
Sel^r l^öuftg ober tritt in ber ©roßftabt ju biefem Clement
nod^ ein weitere^. 5Dag ©rjolilte bilbet einen ^eil jene^ ge*
feUfd^oftHd^en SBerbenS, betn bie nieiften fiefer angebören. ©ie
lefen baljer nid^t bloß mit abftrQft^äftl)etifd^em, fonbern oud;
mit praftifd^ fittlidSiem Snteil. Unb bod iwingt ben ©d^rift«
fleOer, wenn er |d^er fielet, oud^ in biefer {HttRd^t f^arbe |tt
befennen. @r urteilt jugleid^. Unb ba gemäß ben roed^fclnben
©reigniffen botb biefe, balb jene ganj fpegieHe ©eite beg
fittlid^en ober gefellfd^aftiid;en 3uft^nbe^ an ha&
ge)ogen wirb unb bemgemd^ für fid^ beleud^tet werben vmi, fo
urteilt er nid^t oud aDgenteinen ^rin^ipien l^eroud, bie er
inmter wieber leroor^olen unb ausbreiten müBte, fonbern er
urteilt über ben J^^att ober bie gälle nur innerl)alb il;re!g
^orijontö, alfo einfeitig unb barum opobiftifd^, in ber gönn
einer S^l^efe. Sluf biefe äBeife merben alle mid^tigeren Sßor*
gönge bed fosialen wie bed potitifd^en unb fd^lie|Ud^ audj» beS
äftl)etifd^en, ja fogar beiS wiffenfd^aftHd^en Sebent auf ^l^efen
jugefpi^t, um bereu gormein laut im gür unb SBiber gefämpft
loirb. ^ie golge von aHebem ift, bafe bie ^ritif in aüen
^eroorragenberen gäUen in bie ©%e eingeigt, unb ba| ein
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X)id}titnd.
Stomon entfielt, bet 9on bev ffiiebecgabe blo^ Cütbtüde
lebt bie gleid^iDot)! Wontente feften Urtdtt Meten fotten.
3)er eigenartige ©rofeftabtroman, ber auf biefe SBeife ent*
fte^t unb ben man rool)! X()efenvoman nennen fönnte, ift ju*
erfi, fd^on feit ben fünfziger in I^Paci^ entmidelt worben;
et war l^ier eine parallele (Srfd^einung sunt ^^efeitbrama ber
^umad fils unb Öenoffen. 3n Serlin ergaben ftd^ feit ben
Tiebjiger ^a^reu langfam natürltd^e ^Bac^ötumöbebingungen
eineg Derroanbten D^omanes; boc^ begreift eö fid^, bafe bie neue
Jyorni nun nid^t ol^nc ftarfe ^arifer @in|lüffe gum ^urd^brud^
gelangte. 3^r ^auptoertreter war neben S|eo)>l^ii S^^^H
(„fttatf dft" 1888, „^au ^inne'' 1889) unb bem weit bä>eutenberen
J?ri| 3Raut^ner (9^omanct)f(uS „SBerlin W" : „$Da« Ouortett^
„^Der ^iaeiiljof", .^Die ^anfare" 1889 ff.) ^aul ßinbau (geb.
1839). 3.^on fiinbauö 'Jtomanen fommt l^ier namentlid^ ber (Ex)Uu^
„Serlin" in öetrad^t, bem „^er Sm 3Be|len" (1886),
,Mmt atäbd^en'' (1887) unb „epi^m" (1888) angel^aren.
f^reili^ fommt in biefem nid^t ganj burd^gefü^rten S^ffud MneS«
roeg^ baö ganje berliner fieben gu 5H>orte; ein ^ergleid^ etwa
mit ben „Rougon-Macquart" 3^^^^ ift üöHig ouggcfd^lof[en.
3m ganzen bleibt Einbau t>ielmel)r in bem uralten S^^ema bed
@alonromand fieden; fafi nur hai äSer^ältnid Don Wann wib
9Beib ifl bel^anbelt. Unb in ber 9lid^tung biefe^ Xf^ma^ fpi^en
fid^ barum aud^ bie ^^efen gu, fall^ fold^e offen oerfod^ten rceibeii.
^od^ roäre e§ ungered^t, nid^t aud^ anjuecfennen, roeld^e Jütte
feiner ^eobad^tungen groBftäbtifd^en Kulturleben^ gteid^roo^l iii
biefen äiomanen iied t; £inbau ift ein SRann mit fd^arfen ^ugen;
unb ma9 er gefeiten l^at, bad mei^ er gnmr nid^t immer poettf4,
geraife aber oielfad^ fünftlcrifc^ bar^ufteHen. Sfuf ba^ eigentlid^e
©ebiet ber neuen fiitteratur freilid^ füljrten biefe berliner
@roSftabtromane £inbauS nod^ nic^t ; tro^ mancher ^^uerungen
bemegten fie itd^ nod^ in ber ^ed^nif bed fran^öflfd^en SioinaniS
ber fftn^iger unb fedü^iger ^l^re unb auf ber iQb^ bed SBirl«
lid^leitsfinned, ber biefem t|u (^runbe liegt. Slobemer in biefer
$infid^t ift ber im übrigen fd^roäd^ere 3o^J^i»n* ^^^^^^ ^^^^ ^'^i
t^m taun tro|^ mand^er ^nlei^e bei bem $ari{er ^J^omaa
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fp&terer Bett oon eigentUd^em SminreffumidimtiS no^ nic^t ge«
fprod^en nerben.
(Sntfeffctt TOurbe ber gmpreffioni^muS ber ^unfierjäljlung
in 3)cutfd^lanb erft burdi bie (Sinrcirfungen ^ola§> auf jüngere,
von ber früt;eren fronjöfifd^en Sitterotur roeniger berührte
©etiler. fätUxaxi\^ befannt würbe babei Qoia in S)eutf4lanb
erfl feit bem „Xffommoir" (1877), um etwa 1885 mit «eerminal"
ben $ö6epunft feine» (Stnftuffeö ju erretd^en. Unb biefer rein
litteiüri)d)e ©influfe \)ai üornel)mU(^ hod) nur in SÖertin gerairft.
3)urd^ perfönlid^e Schiebungen bagegcn unb barum oiel
fräftiger, freilidji aud^ in t)iel ftärferer Umformung, mürbe
Qoia» (Einfluß nad^ 6übbeutfd^lmib^ unb l^ier mieber oor«
nej^mli^ nad^ 9Ründ^en, »ermittelt, ^er Präger ber gegen«
feitigen S3e3ie^ungen war l)kr, wk fd^on einmal furj bemerft,
©eorg SKid^ael ß^onrat) (geb. 1846), ein baprifd^er Ji^anfe, ber
Anfang ber ad^t5iger ^^l^re aud $aris m6) Wiünc^m tarn unb
l^ier mtt ftird^bad^ wie aud^ ©reif ben £em jener neuen Utte*
tarlfd^en Seflrebungen l^eraudbitbete, bie ftd^ gegen bie „(Spi«
gonen" ber fünfziger 3a!)re unb wr affem gegen fiet)fe monbten.
ober, ma^ ßonrab oon g^oia übernaljin, mar uorneljmlid^
nur ber unbebingte 3Birflid)feit^finn unb ber ganatij^mu^ ber
2Bal^rboftigfeit; im übrigen war er feurig, jufafienb, ja ju*
fol^renb, unb borum fd^mi burd^ fein £em|>erament t>on j^Ul
um ffietten gefd^ieben.
©onrab ^at mit feinem Vornan „2öqö bie 3far raufd^f
(1887; ^rceiter ^eil „^ie fhigen Qungfraiun' 1889) in Süb'-
beutfc^lanb ben erften ^^erfud^ eiue^ impreffioniftifd^en Jemand
gemad^t & ifi ein diman bed „92ebeneinanber" im Sinne
iS^uifimiA. Sßer nid^t ein Sottbilb ber SBett mirb gegeben,
fonbem nur ein Stabtbilb belS Slünd^ener Sebent, unb mtd^ in
biefem engeren 3ial;men tritt eigentlid^ nur bie Sier* unb
Äunftftobt l^eruor. ^oju roeld^ biffufer ß^arafter ber ein--
jelnen Xeilel 'ifli^t eigentlid^ von einem @emätt)e, nur oon
einer 93i(ber« ober rid^tiger Sfi^galerie lann man reben,
beren einzelne Xeite (ofe burd^ bai^ ^otio bed Sioufd^end ber
3far, ba& faft in jebe ©d^ilberung l^ineint()nt, äufammen«
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gel^alten verben. 3m einteilten frellU^, im Sereid^ {ebet
befonberen @ftsse ftnb bie Snforbeningen eined pl^pftologifd^en
Smpreji'ionii^mu^ roeitljiu unb Dielfac^ mcifterl)aft t)ertt)ir!lid^t.
^Die 3iiftonb^' "»^ 2)afein^fd;ilbenm(^, bie burd&aug überraiegt,
ift fräftig, fie flrofet ntd&t feiten Don £eben, bie ^etailmalerci
ifl ebenf 0 emftg aü anf d^ulicb : unb wenn man in ber Xed^nit
md)i fd^on ben ooDenbeten ^n^pi^^ffu^nilSmuiS }u feigen vermag,
ba oielfad^ no6) alte (Elemente ftören, fo ift bod^ ber Übergang
i^m bewußt unb ener^tfcb angebaljnt.
g^aft gleicbäeitig mit ßonrabsS 3Jlünc^ener S^ioman erfd^ienen
aud^ in Seclin 1887 bie erflen iteimlinge bed neuen Smpceffto«
nüma. Xn evfler Stelle ift ba mo^l Sleibtteud (geb. 1859)
SRoman „©röfeenroal^n" ju nennen; an jroeiter fäme etwa
SBoljogen« Slonbe" in 33ctrad^t.
2|n beibeu e^ällen oerfu^ien bie SDid^ter, genau toie Soncob,
bie neue SluffaffungiStDeife unmittelbar inner^lb bet grofien
ftunflfotm bed alten Stomani» bed 91ebeneinanbeti^ anjumenben:
fteilid^, mie e6enfa1I^5 f d)on (Eonrab , nid^t in bet 9udbel^nung
auf ba^ c]c]amte S^itbilb ber ©egeniuart, fonbern nur auf
einen grööcien 5hh?fd)nitt be^felben. Unb inner()alb biefeiS
engeren 53creic^!i bilbet bann raieber 2Bol§ogeng S^oman bad
eigentUd^e @egen{itü(f §u bem (S;onrabd: mie biefer ^nd^
fo mitt et Skttin fd^itbetn. 9lut bag bet Setfud| in biefem
gaHe noc^ roeit weniger gelingt. Smmer unb immer mieber
jeigt fic^'iS im 5ßerlauf ber ^arftellung, ba6 ber Stoff für bie
erftrebte impreffioniftifd^c S^ed^nif oiel su umfangreid^ ift. 3)a
abet ber ^id^ter an biefer ind Heine eingel^enben Xed^nif ttot«
bem nad^ 5ltdften feft^ält, fo mui et fd^Iie^Ud^ bie SSotfül^tunii
bet einzelnen Stoffmaffen, fiatt in bie 8teite ^u er^ä^len, auf
bie an fid^ bann genauere Sd)ilberung üon bloßen @in^el*
monienten befd^ränfen: mon erfenut baf)er bie ^inge gleid^fam
nur auf einen ^ufd), wie eine £anb(c^aft, auf bie uni^ ein
imifd^en Tunneln butd^faufenbet SUjug 9on ^eit )u 3eit einen
flüd^tigen ^uibM gefiattet: unb fo mitb man fibetanflrengt
unb enttäufd^t jugleid^, unb ba« (Snbergebnig ift Unfriebe unb
Unluft. ^twad anber^ greift ^leiUreu ba:^ 4^robUm an.
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dli^t UM tttib rftumltd^ , fonbetn pf^d^ologifd^ unb motaUfd^
grenzt er ben Slbfd^nitt bcä 3ßitbilbc^ ein, beffen (l\)axaftex
fein $Womau erretten foll: bie oerfd^iebeneti 3lrten be§ ©rögeu*
TOol^n^ follen jur ^arftellung gelangen. ®eroi§ ein ^^orrourf,
ber an {t<$ groge Slu^fid^ten eröffnet; ^atte nid^t ©ebaftiait
Stttttt bad %^ma not So^rl^unberten in no4 otet größerer
SCu9bel^nung mit ougerorbenttid^em ©rfolge bel^anbett, — wenn
audi) freilid) fatirifc^ unb im 2lnf(^(u6 an alte Xrabitionen
ber (Stammeefatire? Unb 33leibtreu brad^te glänjenbe ©igen»
fd^af ten nüt fiic eine moberne ^urc^fü^rung ; im einzelnen finb
feine 6<i^iibenmden oon padenbem 3mf)reffioniiSmui&. ®(eid^«
tüof^i f(|eiterte ber Serfud^ — unb nic^t btog baron, ba^ wir
jtüif d^en bem etgentlidjen Stomone enblofe Älatfd^ereien ju bem
unerqiiicflid^en 2^^ema ber litterari)d[)en ^ritif mit in ben j^anf
nel)men müffen, — er fd^eiterte üor allem bod^ an ber inneren
UnntögUd^fett, mit ben ^Utteln ber neuen ^d^ni! al^balb einen
fo gewattigen @toff untfaffenb §u meifiern.
^<A, wajS biefen unb wol^t aud^ anberen Derwanbten
®crfen ber ^txi feljlt, ift bie laußfam au§ ber imprejiio=
mftifd;en Sügse al^ S^IU Ijeran^gebilbete gorm einer neuen
älrt ber ätomaiifompofition, bie imfianbe gen^efen xoäx^, bie
Summe ber im^ref ftonifiif d^en Sß^aen wirflid^ einem Sonden
Sufammen)ufaffen. 9Kan war p ungebulbig; man wollte
bad fyitm vor ben Reifen. 5lonnte aber oon einem
ilunftroerfe beg großen ^Womon^ bie ^ebe fein, roenn baS
D^ebeneinanber ber ©ftj^en fd}lie6lic^ ein mccbanifd^eg blieb?
©0 l^atten bie ^ieifter be^ franjöfifd^en Smpreffioni^mug,
fo ^otte vor allem j^ola ^ nid^t gemeint. 3n 3ol<tö SBerfen
ftnbet ftd^ im allgemeinen eine bid ind einjelnfie gel^enbe i^tein«
materei ganj burd^gefül)rt nur in ben erften ^Jlbfdjnitten nnb
Äapitetn; bann wirb bnrd^ ^eruorlieben nur einzelner ^üQt
gezeigt, vok aus bem urfprünglid^en „'^liiim" burc^ langfame
unb ununterbrod^e Umfetung feiner ,,^aleurS" ein anbereS,
junadftß i^m nod( oerwanbteiS entßel^t bi» fd^liebiid^ im äSerlauf
weiterer Umfetungen ber innere @efamt$ufianb oon bem ur*
fprünglid^en )o oerfd^ieben erfd^eint, bag bie alten äußeren ^8i'
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288
Dichtung.
jie^ungen ber ^erfonen eiitonber gönjUd^ tmertragltd^ loerbeii
«nb bie c<^ataftropt)e Ijercinbrid^t. SDa ift olfo ein innerer 3"'
fammcnl)Qnß oortionben ober roenic^ften^ in ^o^em ©rabe an*
gcjhcbt; unb jene bfere gorm ber Kompofition ift überrcunben,
bie nid^td t^ut, atö &h^t neben 6%e, ^ne neben ^ene,
8itb neben Silb fteOen. 2)eutfd^tonb bagegen oecl^rrte
man nod) lange bei ber med^anifd^en 5lrt ber Bufan^nicnfügnng
be!^ ©anjen: war, al§ ob man bem S^ionian jenen 8c^au*
bübnend^arafter geben rooUte, ben man ber 6eele bed 3^
bioibuumd lufcbrieb: fo voit ftd^ in biefer, vak auf einem
eigeniS bagu ^gerid^teten $obiunt, bie ^nbrflde gCeid^ jam nur
med^anifd^ trafen unb folgten, fo fotite ber Sloman nur ein
©tellbid;ein , ein leeret @eJ)äufe fein für etroa burd^ dianm
unb S^it unb beren oagefte Untertategorien jufammenget^aUene
6ü^en.
SHe gfolge loar natttrlid^ ^ unb tM ifi bad eigentlid^
S^eid^nenbe ber ndd^fien geit — , bag bie ^bning ber inneren
6nttt)irf(ung ganj an ben Slnöban ber Sfijj^e überging.
S)a tritt un^ nun an erfter «Stelle raieberum ber dlamt
S3(eibtreu8 entgegen: fd^on längft oor bem C^i'periment feiued
foeben bebonbelten S^tomoni^ b^^tte er bie Xed^nil ber im«
prefflonifiifd^en €ti}|e Aunft )u entfalten begonnen.
oor aOem in einer bis babin unerretd^ten 9Reiflerfd)aft
unb Xreue jugleid) ber 8d)lud)teujd;ilberung: rote unter»
fcbeibet fid^ ba j. ^. fein „Dies irae" (1882), eine gewaltige
S)arfiettung ber ©dSilad^t oon Seban in ^om ber @r«
innerungen eined fran^öfifd^en Offtjieri», oon ffiilbenbrucbd
bowbaftifd^en «oelbenliebern „Siondtte" (1874) unb „©cban*
(1875)! 3n anberen 6toffen freiließ erreid)te 58leibtreu
biefe .^öl;e nid)t; nid^t feiten ftören oor allem romantijc^e
unb fentimentale Steigungen.
äluf feinem gUnsenbfien (äkbiete aber fanb Sieibtreu einen
ebenbflrtigen, wenn nidftt überlegenen SBettfämpfer in SiKencron.
Unb eben fiiliencron jeigt om btften, wie bie neue Äunfl einfi»
roeilen ganj auf bie Sfijje bef darauf t ift. ^enn in längeren
(Sr^äblungen ift er gern gan^ aItmobifc() unb roei| fidj) felbft
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Dit^tung. 289
mit ben (^injelliciten ber neuen ©fijje fd^raer bcfielfen: ganj
imiirefftomfHfdft bagegen ift feine ibinfi in ben fleinen, ttn«
tecj^tennelfe 9lot>e0en genannten ftriegSffijsen. f!)enn l^iet wirb
ba§ ^öd^fle Qki einer auf ba§ SiiSere ge^enben imprcffio^
niftifd6en Äunfl erreid^t: man erl;äU ben fo fd^tuer fünftlcrifd^
roicbetjugebenben (Sinbrudt bc^ Unoermittelten §n)if4fen ben
dHnjelereignifyen einer B(l^{a6)i, unb biefe (^eigniffe felbft
i&ttett im tafd^en SBed^fel bei» Xempod balb, batb ^ufd^en fte
mt DOtfiber; eitenbn, unb bod^ völlig Hote Silber l^interlaffenb,
fon>ie greifbar nal^e in i^rem detail {d^reitet bie ©rjäl^lung
üorroärtg.
Unb £iUencron ftanb mit biefer neuen ilunft balb nid^t
me^r allein. 9lud fB^m, bad ftd^ im aEgemeinen erfl etnmiS
fpäter an ber neuen litterarifd^en Oemegung beteiligte, melbete
fid^ bod^ fd^on feit bem Sluggong ber ad^tjigcr g^^re Äorl
von ^orrcfani mit l^öd^ft flott gejeic^neten Jreilid^tbilbern
(„2)ie Swcfercomteffe" 1890 u. a. m.), unb 33er(in rourbe oon
S^iubolf (Stra^ mit rafd^em 3n9teifen gcjeidjnet („Unter ben
Sinben" 1894 u. f. to.). 9^0^ ftü^er aber warb ein echter
berliner, ^ugo Sanb (Sanbdberger, geb. 1S61), oietleid^t ^um
d^arafteriftifd()ften Sßeitreter biefer ©fijjenart („^ie am 2Bege
fterben" 1889). ^enn ßanb fennt faum fd^on eine (Sdjilberung
ber fpejieCi pfi)d)iid)en $8orgänge; er giebt faft nur ftnnlid^*
p^pftologifd^ ©rfennbared, ja beinal^ nur älugenfäUiged wieber:
bied aber mit ber fd^lagenbften Seobad^tung, unb jtoar nid^t
fliid^tig, fonbem in einer ou^gebe^nten SarfieSung, bie jebem
©injeteinbriicf gercd;t loiib.
^a ift e^ nun anjie^enb, ju fel)en, ma^ Sanb erreid;t,
wenn er einen dioman fc^reibt. (Sollte ^ier nid^t bie ooUenbete
ftunfi im einzelnen bod^ fd^on eine neue Aompofition aud^ bed
Sonden enndglid^t fyAtn? S)er fo^iale Stoman fianbd „S)er
neue ®ott", ber 1890 erfd^ien, follte bie Jrogc, womöglid^
beja{)enb, beantiuorten. SIber wie fe()r enttäufd^t er: nid;t0 ift
erreid^t aU ©injelbilber, unb biefe rcieber (;abcn unter bem 5^cr=
fud^c gelitten, fie ju einem ©anjen aud^ nur lofe gufammen*
Surei^en. I^od^ einmal mar ed anfd^aulid^ gemad^t, baft ber
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290
bfnfee pf)i)riolo9ifd^e SmprcffioniÄmu« %vm funftreid^e 8fi'jjen
eniiöi^lid^te, eine (\xo{]e .^timftform be§ 5)^omang aber, tüenicjfteii^
ouf beutfd^em ^oben, nid^t 311 erringen i)ermod)te.
SnjtDtfc^en ober I;atte [id^ anä) fd^on ergeben, tuie tüentg bet
p^i^rtotogifd^e 3m|)refftomdmui$ bei gait) fotgetid^tiget 2)tird('
fül^rung beiS tl^m ®tunbe Hegenben ^rin5tpd iniflanbe nmr,
n)Ql)r{)Qft bid^terif(^ 311 Tnir!en. S)en Diadjroei^ erbradjte bcrfelbe
2lrno $o(j, ber, rcic tt)ir miffen, burd; feine l^el)re einer neuen idi)xit
aucb fd^oii baö 2)Qfein!ärec^t ber rein noturaliftifdien 2r)nt
itntetgraben l^atte. & gefd^a^ fd^on 1889 in bem gemeinfam
mit Sol^nned 6d^Iaf t>erfagten Sud^e „$apa i&amlet", ha»
unter bem ^feubonpm oon S3iQme ?p. fiolmfcn erfd^ien. 2)a§
S3nd^ umfaßt brei ©r^ätjlungen, beren erfte bem ©anjcn ben
9iamen gegeben \)at Unb biefe ßrjö^lungen beroegcn fid& nun
in ber pebontifd^ genaueften ©dj^ilberung jeglicher ^injelf^eit
ber Sorgänge, bie jte barfteOlen; mit Siedet finnd^t Don Sanftem
von i|tem „Sefunbenftil, infofem Selunbe für Sefunbe 3«i4
unb Staunt gefdjilbert werben" . ^raud^en bod^ bie ^^eifaffcr
in einer ber @r5Qf)(ungen , bie ben ^ob eine§ Stubenten jum
©egenftttnbe l)ai, ad; tunbjinangig ©eiten, um ju fd^itbern, n)ie
ber Senounbete ftirbt! Unb ha» $ebantifd^e bed etiU färbt
fogor mif bie tppograp^ifd^e 9(udfiattung ab: (ier oomei^m(i<j^
Hegen bie Slnfängc jener ©i^ftemott! melji^afitiger ^wnfte unb
@ebanfenftrid)e, bie bann in gewiffen 2)ic^tungeu ber neunziger
3a§re üppig in^ ilrout gejdjofjcn ift.
eigentUd^ €()ara!teriftifd^e aber an ber ^^re ^ol^end
unb ©d^lafd ifi, bajs fte im @runbe aDe Sufianbdfd^ilberting
aufgebt: e9 giebt nad^ il^r in ber Jlunfteraä^tung n^ie im
fieben nur ein äBerben aud) ber fleinften 6d;attiei:ungcn unb
9Juancen. ^enn war bieS etroa eine g^^nbamentalauffaffung
ber biSljerigen ^unfterjä^lung gen»efen? iletne^roegS ; unb
namentlid^ ber ätrnnon l^atte bi^b^ }um großen oon ber
@d^ilberung rubenb gebac^ter Buf^nbe get^t« (Kn bun^*
greifenbeg ^rinjip ber bi^^erigcn fünftlerifd^en ©rjäl^lung, loie
e» im 19. 3a()i1)unbert gegolten l}attc, mar alfo ^ier ucd
neint; unb gruubfö^lid^ blieb bamit, nad^ ber bi^b^^d^*^
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291
2^ei'mtno(otiie ber ^iticie, eigentlicf) nur bo^ ^vama übrig. Xa^
ift ber 3iMöiii»i^'n^ö"9/ '^^^ bcgreiflid) mod^t, bafe einer ber
6ebeiitenbften ^mmatifer ber neuen ^ittemtur gerabe von ^o\%
tinb @d^Iaf lernen fonnte: @er^art ^uptntann ^at fein erfied
Urania bent pfeuboni^men ^otmfen zugeeignet Jn freubiger 9ln«
erfennung ber burd; fein ^ud^ empfangenen entfd^eibenben 2ln»
regung" (8onimet 1889).
^uf bcm Gebiete ber ^unfter^äl^tung felbft aber tourbe
eine anbere Seite ber £el^re Qol^m^, bte gorberung flrengflet
Dbjeftimtät, ioeni()e 3<x(te fpäter am befien^ weil tl^atföd^lid^
ad absurdum geführt butd^ ben eigenen ^totbeiter an „$apa
Ramtel", burd^ ^o^anneS 6d;laf. ^\\\ 3al)re 1892 erfd)ienen
©d^Iaf^ <2fi55cn „3n ^ing^bo". @S finb 2)arftellungen aug
bem fieben eine^ f leinen Drte^, ganj im ©efunbenftit , ganj
pl^pftoloQifd^nmpreffioniftifd^. ^bec bennod^ ]^xMdi burd^ biefe
®{i}§en fiberaO etwod Öefonbered butd^, bad fle sufammenl^öit
unb für ^Biele geroi^ oud^ erft geniefebar gentad^t l^at: bie
trQumerifd;e, roeid;e $erfön(id^feit be§ 83erfaffer§. Unb fo
finb TOtr ^icr im ©runbe nid^t me^r auf noturaliftifd^em ^oben:
bie Stimmung f dalägt b^root, unb in ä&abd^eit ecfd^eint fd^on
ein ptintititiec 3bealidmu9.
®S ifl bet SQSeg, in ben aDmftbtid) alle $fabe bed p^ppo«
lagtfd^en Srnpreffionic^nu^ gemünbet finb.
(Scf)r fatfd; aber märe bie 2lnfid)t, bafe mit bem 33er*
fd^toinben be^ impreffioniftifd^en ^iaturali^mud al& ^iuuftform
nun aud^ bie SBirfungen aufgehoben loorben feien, bie int ein«
seinen t»on il^m ausgingen, ©egenteil, ^e (Ortungen«
fd^aftcn unb SIntegungen, bie au« biefer ©emegung ber
fommenben Äunft oennittelt mürben, rcoren ebenfo äa!)lreid^
toie mertooll. S3efeitigt mar jefet oor allem bie oft fo oer*
logene unb namentlid^ oon falfd^er Sentimentalität burd^feud^te
gomt bec alten ilunftei^ä^lung. Slkrfd^wunben n>ar »eiter^in
bod gefd^moKene $apierbeutfd^ unb flatt beffen bad gefprod^ene
(ebenbige SBort eingefü()rt; Slnafolutl^e waten bei längeren
^erioben tiäufiger gemorben unb erhielten nidjt feiten ge=
nmltige äBirtungen^ gana allgemein Derlief bie ^rjä^lung in
19*
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292
einem rl^pt^mif^en äBed^fel tüx^em unb längerer ©äfte: itnb
gerabe in biefem loanblungdtei^en Sau »urbe eine neue Stun^
ber &r)niaTc entfaltet. ^eS weiteten war ber Spraci^fd^a^
bcrei^ert luorben; qu^ ber llmgangig^ unb gamilienfprad^e,
ou^ ben 3Jiunbarten, au^ beut ^ereid;e ber ©d^all=^ unb £aut-
nad^al^mung waren ganje 6d^aren neuer äBörter in bie :6itte«
tatur gebrungen unb i^offöl^ig geworben. Utib aud^ bie eigent»
li(^e ^ed^nif ber ©rgälilung ^atte an feinerer XuiSgefiattung
gewonnen. Xrofe ber Slbfic^t, nur einen reinen 2lbflatfd^ be§
i^eben^ 5U geben, war e^ bennoc^ barauf angefoinnien, ju fpannen,
unb tQufenb neue ©teigerungSformen ber ^^omentwirfuitg
würben biefem 3i^^^ geredet. 9iötig war ed femer geworben,
(eifeße ftbergange bennod^ greifbar Dor^ufütjren, unb bie ein*
gel^enbfte 2^ed^uif ber fprad^lid^en ©d^ottierung warb barum
enttoidtelt. 2)a^ alle^ waren nicf)t wieber üerfd^tDinbenbe @r=
gebniffe be^ 33erfuc^e^, in bie pl^vfiologifc^ erreichbare Umroelt
litterarifd^ bid )u einer früher niematö errungenen ©enauigfeit
einzubringen, wenn aud^ in biefer Umwelt gunftd^fi ein 6e«
fUmmtei^ Stoffgebiet, bad bed ^ägUd^en, Gemeinen, ja ^b«
fto^enben unb SBibenuärtigen, aU befonber^ (eid;t ju erobern
beüorjugt luorben war. Unb fd;on frül; fiUjrte biefer ^erfuc^
über ben rein p^pfiologifdjen unb öu^erlid^en 33ereid^ l^inauÄ
in bie @ebiete beiS ©eelenlebend, unb ein pfpd^ologifd^er 3m*
prefftoniiSmud war im Sln^ug. @Ije inbed feine ^tfattung ner»
folgt ttjirb, gilt e^ nod^ einige fe^r merfioürbige ©rfd^einungen
be^ Übergang^ von alter ju neuer Hunft ind ^uge faffen.
*
3. Stellt man von einigen ©tüdPen Siliencronä unb oiel^
leidet and) S^^lcibtreu^ ab, fo ^at ber auegefprod^cne p^i;fio=
logi{4)e 2lmprei)'ioniSmu^ fd^n)erlid^ ;^ei[tungen aufjuweifeu,
benen man längere ^ebenSbauer in ber ®un|l aud^ nur bei^
lebenben titterarifd^en ^ublifumd wirb §ufd^reiben woOen.
Seber StaturatiSmuiS l|at etwad t»on ber Xrt bed ^urtiuiS, ber
fid; in ben 'ilbgruub ftür^te: er opfert fid^ einem al^ uotioenbig
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Dichtung.
293
erfanntcn ?^ortfdjritt, unb feine ^fperimentatoreii finb auf
bem ©ebicte ber ilimft fettett jugleid^ große SJleifter. Sßie
foUte au4 anbetd fein? 3ft bod ftunfUeben mixtum nur
bie l^öl^ere Sludbilbung einer !Rrt bed Spiettriebed ur^eitticber
^luttnreti, rote nad& neueren J^orfd^ungen faum ju Oegrocifeln, fo
Hegt eben in ber hioim ^UjaiitafietfjätiQfeit aU fotdjer t)on
üornl^erein fein unoerlierbarer ^ern, unb ba^ Problem, in
roetdfjer Spornt unb ^urd^bitbung [\d) biefer ©piel* unb 5lunft*
trieb ieroeUi^ äußert, ifi für bie ^unftbetl^tigung an fid^ eine
Si^ebenfrage, fo central eÄ aud^ für bieÄunftgefd^id^te erfd^einen
mag. S?on biefeni Stanbpunfte quö muß eö ber Äunft*
6et(jätic]ung alio fold^er ftet^ lieb fein, raenn bie Jorm nid^t
TOedjfelt, benn jcber 5öed^fel bebeutet für fie Unruhe unb
Störung ungetrübten ^udtoirbni^. Sft e& he&f^alb nötig, mit
fteigenber 8el^errfd^ung unb (Srienntnid ber SBelt burd^ bie
9Serfianbe»fräfte gleid;wol)( eine neue, ber beftel^enben on SBirf*
lid;feitc^ael)art überlccjene gürnieiuuett ju entwideln, fo wirb
bie ^^unftbet^ätigung gegenüber biefem i^r l)alb aufgebrungenen
„9iaturalidmud" an fid^ bod^ immer prüd^alten unb glüdlid)
fein, wenn ber $roseß ber Umbilbung n>ieber einmal ab«
gefd^Ioffen ifl: fo baß fle oon neuem mit ^ormentoerten su
roirtfd^aften vermag, beren S)urdjbilbun9 5um (Sinfad^en unb
baruni ©rofeen üoüenbet ift.
®iefe 3ufttinmenl)änge madjen e^ begrciflid^, baß in Seiten
naturalifttfd^er gortfd^ritte fo gern ttbergang^rid^tungen auf*
taud^en, bie von bem ^Iten beioabren möd^ten, mü nod^ nid^t
Derattet ift, unb oon bem 9tmm annel^men, mad fd^on erprobt
fd^eint: finge ^ünftter, fonferuatioe DMturen, fdjaffcn^fräftige
©reife lucrben fid^ ba (eidjt ©nippen fo(d)er 9iidjtungen
jufammenfinben. ©o lief benn aud^ neben ber ©ntwidlung beg
p^pfioiogifd^en Smpreffioni^mud eine ÜbergangiSflrömung l^er,
bie fid^ nament(i<| ber großen itunfierj&l^lung annal^m, ba
biefe mit rein naturaliftif d^en Mitteln anfdfteinenb gar ntd^t
ober wenigften^ nod) nid;t ju t)ern)irf(id;en war: ein Über*
gange^ ein ^ermittlunggroman taudjte auf.
(^^arafteriftifd^ für biefen S^man ifi ^undd^ft, baß er, ben
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294 Dtd^tung.
t ' ' . I.. -
gorberuHöen bei* neuen 5lunft entfprec^eub, faft burd^aus S^xt"
roman voax. ^er ^i)"türifd)e ^iomon hxaä) ab, wmn aud) noä)
@ünt()er (geb. 1856; „Dctaoia" 1885, „SDer ©la«
biatot'' 18S8 u. a. m.) unb einige anbere ben ä$erfu4 machten,
i^it naturaKfUfdft utnpbilben. & toor ein nedatioer SSoTgaui].
aber im ©runbe bo^ ber erfte ftarfe ©rfolg beg Sttiprefilo-'
ni^mu^ auf bem ©ebiete ber ßrofeeu 5lunfter5ä()[ung. Unb er
rourbe üerftärft burd^ bte ©rfd^einung, bafe fd;o!i länger t^ätige
^id^ter ber älteren ^unft, bei aUer ^ufred^ter^altung bet ^er*
UmmKd^en gform im gangen, bod^ im einzelnen bem gmprefftO'
nidmud innerhalb bed ©egenmartromand immer {Idrfere S^'-
geftanbniffe madjten. ^qs galt 5. ^. in l)o(jem ©rabe von
@piell)agen , baneboii aber felbft üon 5)ieiftern wie 2Bi(branbt
unb ^epfe. £ag e0 ba nid;t na(je, bafe biejer unb jener oon ben
9Uten gerabeau einen Übergongi^ftil entwicfeite, oieUeidj^t fogar
mit aBmö^Hd^ übenoiegenbet Betonung bed bleuen?
SDiefen SBeg ift vor attem ^^eobor Fontane (1819—1899)
gegangen, gontane luar, feit feiner ftarfen 8d)ulung burd; ben
englifdiien 9ieali^mu^, wu fie namentUd^ bte ^aUaben oon 1 8t>u
aufioeifen, von vornherein fär einen neuen beutfd^en Natura»
(idmud befonbetd günfiig vorbereitet, ^eittd^ (am biefe Sbiih
pofttion in bie ad;tgtger Saläre hinein mefentKd^ nur ben
prädjtigen Sd)ilberungen feiner „SBanberungen burd^ bie iDlaxt
33ranbenburg" ju gute. 2)ann aber, feit 1882, roanbte er fic^
bem mobernen $Roman ^, juerft in „:8'abu(tera" nod^ oor»
nel^mlid^ in alten formen ober menigfiend ate ein äRann aber^
auii vorfid^tigen flbergangeS, barauf, immer beutlid^r neuen
©cift nnb 6til oerratenb, in „(Secile" (1886—87) unb
„Srrungen SlUrrungen" (1888). ©päter folgten bann noc^
„©tine" (1890), „Unroieberbringlid;" (1891—92), „Jrauaennp
treibet" (1892/93), „&\fi »rier (1895), ^oggenpul^te"
(1896) unb „S)er Sted^lin" (1898). Fontane fianb im Seginn
biefe^ neuen 3Ibfd&nitteg fcineS ©d^affcn^ in ber SKitte ber
©edj^iger; unb fo trat er bem eingebenben 8c^ilberungc>-
beftreben be^ Qnipreifioniöntu^ oon oorn^erein mit ber ^e^ag^
Ud^feit ber ©raä^lungdmeife bed älUeri^ nal^e: er malte mit
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Dichtung.
295
immer breiterem ^^^infel. B^'ß^^i^ öber Hefe \\)n feine Utte*
ranfd)e ©rfa^tung bie flippe üerttieiben , an ber bie jungen
ittiprefftoniftifd^en Uferet bei ber ^urd^bUbung bet groflett Aunft«
etsö^tung fo (eid^t fd^eiterten. @eine diomant mVen nid^t bie
gan^c 3eit umfaffen; er begrenzt fie auf fleinere ^^emata, bic
auä) mit 3)Utte(n intenfiüierter ^arfteüung nodj erfdjöpfcn
finb. Unb aud^ innerhalb biefeS ^ereid)e^ erfc^eint er nid^t
ol^ obfoluter, am tuenigften a(d blofe pE^tifiorogifd^cr ^m*
prefftonift. ^a^u feffelt i^n bie eigentlid^ feetifd^e @eite beiS
Sebeni^ t»te( fel^r. Unb fo baut er im ©runbe mel^r bie
^f^d^ologie impreffioniftifd) au^ unb erfdjeiut üoii biefer Seite
^er Qud^ q(ö ein ^l'criuittler äiuifdjcii bem urfprünglid^ me^r
bem äugerlidjen ^ugemanbten unb bem fpäteren, oorne^mlid^
pf^d^ologifd^en ^inpreffioniiSmud.
Son ben s<tl^(reid^en Ratten, bie nomenttid^ feit ben
fed^jtger Spören mif bem Gebiete ber Äunfter^äl^lung tJiättg
luaren, teil^ ben alten SBeruf beö SBeibe^ aU 3)Mrd;ener5äl;(erin
erroeiternb unb fortfe^enb, teil^ von ganj mobernen, emanji^
patorifd^cn ©ebanfen getrieben, roäre in biefem Sufammenl^ano
lool^t am e^efien Dfftp ©d^ubin (Sola ^irfd^ner) nu nennen.
Sola jtirfd^ner fie^t feit 1884 in unermfiblid|er (itterarifd^er
^^ätigfeit, unb fd^on i\)X erfter D^ioman „^i)xc" jeigte it;re gan^e
3Irt: ben finnlid)eii 3^9 bie Begabung, burd; gefdjidt ()erauö=
flcriffene ©in^cü^eiten, bie impreffioniftifc^ gegeben raeiben, ftarf
auf ^inbilbung unb älnfd^auung ju toirfen. 3m großen freUid^
(aU bie ^id^terin gan^ an ber alten 9tomanform feft; fe^r
toeit ift fie booon entfernt, eine fonfequente 9leuerin ju fein.
SDie merfrcürbigften ^erfönlid^feiteu unter ben Übergang^*
erjä^lern aber finb rcol^l ^refeer unb 8uberuiaiui. ^IBa§ fie
miteinanber gemeinfam . i^aben , ift freilid^ nur bie Xbatfad^e,
bajs fte^ iüngere Männer . (Ureter ift 1854 geboren, ^ubermann
1857), imprefftonifUfd^en g^ortfd^ritten von tooml^erein nid^t
fremb gegenüberftanben, fonbem in unb mit i^nen groj würben,
©ie nat)men baljer baS naturalttti)d;e (^Tgebni^ uic^t nad)träg-
lid^ in fid& auf, fonbem begannen oon t)ornl;erein mit \f)m
|u fd^affen unb liegen in fid^i je länger je me^r tuirfen.
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206
Sei jlrefeer gefd^alj baö im ganjen tttei)r nad^ ber ftoff(irf)cn
6eite ^in, — er ift ber erfte grofee Strineleutetnater ber DJoinaii^
litteratur; ©ubermann bagegen verarbeitete bie ©rgebiiiffc bed
Smprefftontömud me^r innerlich, in ber Sormgebuiig.
ftre^er ifl vom SIrbeitev }um Sd^riftfüeSer geworben; fein
'ÄUm^er ba()er, roenn er bcn oierten ©tanb erftaunlid^ gut
feimt unb i()u aud^ üor aßem barfteüt. ©o in feinen frü()eren
^iüinanen „^ie beibeu @enof)en" (1880), „SDie Q3etro9enen"
(1882), ,,SDie äkrfommenen^' (1883) unb in „a»ei[ier Ximpe'
(1888), sweifeföol^ne bem igöl^epunlt bed naturaliftiftien
@d;affend ht9 ^id^teriS. ^abei fpielt oon biefen ©r^äl^Iungen
bie erfte nod) md)t in Berlin, fonbern in einer fleinen ©tabt,
bo^ ift ber ^elb ein berliner fogialbeniofratifd^er Slgitator; bic
fpäteren SRomane bagegen \)aUn üorneljmtid^ S3erlin |um Sd^au«
plQ^e unb bilben eine älrt proletarifd^er ^ortfetung bed ^eitUd^
^umeijl frü(}er liegenben bourgeoifen SerUner SRomaned ber
Sinbau unb Öenoffen. 2)eutlid;e (Simüirfungen be§ neuen
@toffe§ auf bie gorm im imprcffioniftifd^en (Sinne geigen
guerft „3)ie ^^erfommenen": roir ertjaUen ^ier eine feljr genaue
^(einmalerei befiimmter berliner (^lenbdoierteL S)od^ giebt
ber Z)td^ter babei leinedwegl^ btoB »menfd^Iid^e S)o(umente " ;
ftarfer ^bealift, ift er ftet^ mit bem fersen, nid^t btofe mit
ben 91erüen bei ber ©ad^e. Qm übrigen ift in biefem ^j^oinan
bie allgemeine Kuufiform nod^ uralt, etwa bie bed iungbeutfdj^en
9loinan^, njenn man überl;aupt fd^on t)on einer ^unfifonti
reben raitt. ^in eine fiarte bi(|terif<$e Seanlagung tritt
jwar fräftig ju ^Tage, aber fie ift erfl l^alb litterarifd^ crjogeii:
e!^ fel;lt ber HünfKer, ja e^ feljlt fogar nod^ ein raenig ber
Öebilbete: bie ©d;i(beritng ift jraar gegenftänblic^, aber platt;
bie ©prad;e Ijat nod) etwag ißinfifd^e)^, ber <Stil ift fd^leppenb,
unb tieine Unreinlid^feiten bei^ Z)enteni^ nmd^en bie SeMie
faft unerträglid^.
2Bie üiel l}öt)er ftel^t ba, in geroiffem ©inne ein ^kiim-'
werf, ,,^Dieiiter ^impe" ! 3^^^^^^ ^f^ ^^wd; l^ier bie gro6e, auf M
(^an^e gei^enbe Formgebung no4 altDäterifd) , unb auc^ im
einzelnen erinnert ^ieUd an t>ergongene j^iitn: bie gUldiid^c»
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Dichtung.
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mife feitaten !Ratui|cr)i(bemit$en verraten gröbliche Unfeimtn!«
and) einfädlet fieben§erfd)eiiunu]cii ber 5)jQtur, bcr Dialog ber
befferen (MefeÜfd;aft^fd^id^ten ift ganj imroa^rfd^einlid) gefüf)rt,
gcrftreute unb unftjftematifdjc ^l^erfudje, SJiunbarten einjufütircn,
gelingen nid^t re^t, unb bie 6<i^ilbetung bed ©eftenfpietö er»
innert an bie SRanieren ingenbiid^'unbel^olfener jünger ber
S3ü^nenfunft. 3l6cr fobalb ft^ ber 3)i(i&tcr er(l einmal orbent«
iid) eingcfd^rieben I)Qt unb auf bo^ ßauptt^ema, bie ©d^ilberung
beö langfamen feelifd^en SSerfallö be^ ^iteUjelben lommt, treten
aU biefe Elemente jurüdf unb werben vox ber gewaltigen in
ben wirUid^ mistigen S)in9en ftdft offenbarenben ftraft bed
S)id^terd Dergeffen; unb aud^ 92ebenfd^ilberungen rufen bie
ftärffte 3IIufion l^eroor burd^ bie unerljörte SBal^rl^aftigfeit ber
^arftetlung, fo 5. 33. bie 8cencn am Stammtifc^ ber 3Bet^=
bierfneipe ^eifter 3<imrat^^. Unb in ber ^auptl)anblung
loäd^ft aud bem uroäterlid^en gormenwefen f(i^lie6li<| in
trauriger @d(5nl^eit ein nid^t mel^r b(o6 pl^pfiologifd^er, fonbem
fd^on pf^d^ologifd^ fd^Ubember S^iprefRoni^ntu« ^eroor: ja
in ben geroaltigfteu Ü}iomenten fd^eincn bereite jijmOolifd^e
3)iotioe burd^.
So ift bie ^ntiuidlung be^ ^id^ter^ ing Sijmboliftifd)e
fd^on angebeutet, n>ie fte fpäter „^<a (Skfid^t (S^rifti" (fünfte
äluflage 1899) befiegett ^at.
3m ganjcn aber wirb man bie ^Romane ber frühen ^eriobe
^refeerg junädjft nur bem Stoffgebiet, bann and) fteigenb
ber gorm nad^ bem 9kturali^mu^ jugeroanbt bejeid^nen fönnen,
ol^ne bag bod^ in i^nen jematö ein (onfequenter Smprefftonidtnud
erreid^t wfirbe.
Serwidfetter aU bei Streuer tiegen bie 2){nge bei Guber«
mann. 3i^"öd;ft ift fein S^^^^ift'^/ ^^^6 (Subermann aU i^ünftler
meit l^öl^er fteljt a(3 flreber. ^ic ??rage nad^ bem Qnipreffio^
ni^mud fann bal;er bei iljm nid^t in gleid^em ©rabe blog auf
bie (^inselbeiten ber 6d^i(berung bin gefieHt werben, in benen
bie gan^e Sntwidtung bei» mobemen XBirttid^Ieitdflnnei» ben
^id^ter ber ©cgenwart ol^nel^in leidet auf imprcffionifti)d^c
^{otioe ueriueifen wirb, ^ielme^r ergebt fic^ l;ier alebalb ba^
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^xohUm ber iiti)>te{ftomfHf4eit Umgeftattung ber gco|en ^orm,
ber ©efointbiSpofition bed 9lontan9: wie wdt ifl fte ein*
getreten, wie loeit geroottt, mk weit ücrmicben? 3"be§ ^ie^e
groge fomplijiert fid) nun für Subennann mä) einmal burcft >
ben Umftanb, bag ber ADid^tcr nidj^t hlo^, ja nid^t einmal an
erfler Stelle unb feinet ©runbanlage nad^ ^i^ö^let ift, fonbetn
^ramattfet. S)enn gen)t§ ^at er, ber 9{eil^enfolqe feiner tiet« i
öffentli(^ten 29erfe nad;, al^ GviäEjler begonnen; bem f (einen |
^^änbd;en fd)lüpfriöcr Öefd&id;ten „3m S^oielid^t" ooni Sa^ic
1887 folgten gunäd^ft ber grofte Vornan „grau (Sorge " (1887),
bann bie „©ef^wifter" (1888), „SDer ftajenft^" (1889), j
„Solantl^ed ^od^aeir (1892) unb enWU^ war" (1894), - |
wogegen bie S)ramen erfl mit ber „e^re" (1890) einfetten,
um bann frcilid) in rafd;er golge, uor allem feit 189G, bie er-
jä^lenben $li>erfe ju überljolen. 2lUein biefem äußeren Slnfc^ein
entfprid)t nid^t ber roirflid^e €ntjpid(nng^gang bei^ S)id^terd.
^^atfäc^lid^ l^at er mit brainatif d^en Sirbeiten begonnen, bie
nur nid^t an bie £)ffentUd^!eit gelangten, unb i|l bann immer
nicljr lüiebcr }^nn\ ^rama jurücf geteert, fobalb er Xräger eine^
befannten ^iamens geworben war.
^em ©ntioidlungggange entfpric^t auc^ Die innere SInlage
Subermannd. SoQ {te mit einem ^orte bejeid^net werben, fo
bietet fid^ im ®runbe bod^ nur ber XuiSbrudt bramatifd^ bar.
Unb gwar bramatifdj mefentlid^ im Sinne eine« ptpriologifd^en
Snipreffioniemug. SDenn wie SiBilbenbrud^ ift (Subeintann im
(^runbe ein mä&iger ^ft)(j^ologe; er fielet mel^r in bie breite
aU in bie Xiefe. dagegen ift er, um ^ilbenbrud^ nod^matt
l^eran)u)iel^en, biefem nod^ bei weitem überlegen in bem fd^arfen
SlidC für baiS ^ugere, baS ^l^pftologifd^e ht» Sorgangd: eben
i)min liccjt ftinc 6täife. 3}Ut rocld^en 3lugenblirf^aufnal^men
be^ 3)Jomente§ weife er nid^t oft gu überrafd^en; roie er(;a|c^t
er nidjt in (ödS^ilberungen ber 3]eränberungen be^ ©efic^t^»
audbrudfd wie aud^ ber atmofpbärifd^en äü^d^fel ber Sonb*
fd^aft bad faum Semerfbare, im 9tu SBorüberl^ufd^enbe, gflfid^*
tigfte ber Sefunbe! ®r ftcljt in biefcr ^infic^t an 9t%ahmq
etiua jwifdien ©pielljagen unb Qoia, no^ uid^t fo ganj Qm* \
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prefftontfi wie biefer, bod^ jenem an Sntenfttät ber Seobad^tung
me^r aU ebenbürtig.
Wiifete mm biefe ©eite ber 33eanla9ung be^ ©icljterö
tetc^t jur impreffu)niftifd^en Itimfterjä^lung brängen, fo füljrte
anbererfeitd bie bromatifd^e Slber )uni äluffud^en ber tmfi*
(enfd^ett ^idpofUion einet bei weitem feiler gefd^tirgten ^anb«
(uHQ, al§ fie im imprcffioniftifd^en ^Roman fonft gefunben
morbeti tuar. Unb fo {)ätte Subermann xooiji am el^eften bie
)^öfung beS (d^toeren ^ätfeld einer impreffioniftifc^en ^idpo«
fttion ber großen ^unfter^ä^lung gelingen (önnen. SGßenn er
biefe 9lufgabe gleid^wol^i ni^t Ibftt, wenn er Dielme^r in feinen
^id^tttngen bad bramattfci^e SebflrfniiS nad^ einer feft um«
^d)riebenen ^anblung in ber ^erfömmUd^eu gormgebimg be^
9iomanö befriebigte, i'o |d)eint, abgefeE)en von ben (Schwierig'
leiten^ bie in ber @a(i^e liegen, bafür mä) eine anbere Seite
feiner Begabung von wefentlid^em @influ| gewefen }u fein:
feine Äfugbeit, ftberlegtfjeit, ??ät)igfeit einer oft überfd^arf*
finnigen {alten ^ered^nnng. ^enn biefe roie^ i^n na^ ber
Stimmung be^? Utterarifcljen ^^'ublifum^ von 1890 gunäd^ft nur
auf ein Kompromiß ^iu, auf bie ^erbinbung alter gorm bed
®angen mit (angfamen, bem (Sefamtdjiarafter eben nod^ an«
gemeffenen Bugeftanbniffen an bie neue ftunfl im einzelnen.
^ie Stomane <Subermanni$ f!nb meitl^in befannt, unb ber
ii^efer n)irb fid^, rcenn er feine ©riimerungen burdjge^t, leidet
ein ^itb bauon madjen fönnen, imüiefern biefe allgemeinen ^e--
obad^tungeu für ben Verlauf ber S^tomanfd^öpfungen be^ ^id^terd
im einzelnen nutreffen. 3m gangen ge^drt in ben frü^efien
@r§ät)lungen namenttid^ bie @ipofttion gern t>9Qig ber alten
^ec^nif on. 3m glufe ber ^arfteöung bagegen finben
fid) bann fd;on frü^ Umrifje be^ 3"U^i^ßfUoni^^»i^^ über
bie 6d}ilberung \)inau& unb l^inein in bie Slu^geftaltung ber
attgemeinen ^unftform; unb unterbrod^en werben fie fd^lieblid^
entfd^eibenb eigentüd^ nur nodft burd^ bie 9leigung ju €ffe(t«
fccnen, foroie bie Äonfequenjen eine« flarfen SuQt^ jum Senti*
mentalen unb gelegentlid; aud; l^üfternen, lüie eg jebem 9^atu*
xaliSmu^ an fid^ fern fielet: bi^ fic^ ber ^id^ter auc^ in biefer
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300 Dichtung.
^infid^t me^r §u 6ef)errfd^cn toeiB- SWit oHebem tritt bann
bod^ ein gcmdfnoter Srnpreffioni^mug immer cutid)eibcnber ber--
üor: TOtc in feinen ^Dramen fo gel^t ber ^id^ter auä) in feinen
^Komanen lanflfam mit ber ^eit, unb foiocit boi^ litterarifd^c
^ublitum impteffionifUfd^e äinfd^auungen ftiteten ^ebanten»
affo^iationen einfügt, ifl au$ et bereit, fte aufzunehmen, ja ber
ottgettieinen ©ntroirflung oieUeid^t fogar um einige ^djxiüe
üorau$5uei(en. olleg tritt aber bod) nid^t fo entfdjeibenb
^eroor, bag feiner ^rt er^äl^ieti baburd^ ber ^^arafter bed
Übergang^ftiled genommen würbe.
4. Qnjroifd^en aber mar, nm etma 1890, bic 3eit be§
reinen pl)i)fioIogifd)en ^mpreffionienui^ il;rem ©nbe na{)e.
3eigte ba0 bie fdjon einnml erroa^nte Umfrage uon Iturt
©rotteiDit in nadter iDeutUd^feit, fo loiefen aud^ aQerlei
SUebenerfd^einungen fdjon länger anf ben gleid^en 3lui5gang ^in.
gn ber neuen 5?orm Ijatte fid; fd^UefeUd^ ein entfeffelter ftoff^
(id;er ^^iaturalic^imi>5 unberlic^ eingeniftet; eine grojie ^In^al)!
angeblid^ litterarifc^er (^r5eugniffe ftro^tcn t)on Brutalität unb
@emeinl^eit Unb bem franf^aften Senfualidmui^ mad^ten fogar
Staturen wie ffiilbenbrud^ („SCftronom", 1887) unb ftreter
(„^rci SBeiber", 1886) Bugeflänbniffe. ^i^t minber gingen
bie litterarifd)en ^Öflid)feit^>formen in einer mel^r aU berben
(Sntroidlung be^ fatirifd^cn unb polemifd^en $umor^ roie in
einfad^ fd^impfenber (^robl^eit, unb bied nid^t blog auf bem
engeren @ebiete ber fd^önen Sitteratur, verloren.
^ad bebeutete ben SerfaU, unb ba nmren benn junäc^fl
^araöclcrfdjoinungen mie bie be^ foeben befprod^enen Über^
gangi^roman^ fetjr begreiflid;; §ug(eid; aber brängte bie CSiit-
tDidfdmg meiter Dortoärtd, hinein in einen bi^ ba^tn unerhörten
pfpd^ologifd^en, ia neurologifd^en Smpreffu^nii^mud.
^bei mar biefe Sntmidtung, mie ftd^ ber trefflid^en
Sitteraturgefdjidjtc be^ 19. Sö()rf)unbert^5 oon dl 3)h 3}?eper
5um erften 3)lale ööllig beutlid; entneljmen läj3t, feineiä^mcg^
unoorbereitet: ed waren fcbon Sd^riftfteUer oor^anbeiw bie.
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301
eifrige ^ftjd^ofogen, boc^ im übrigen no6) ganj im alten 8ti(e
f<j^ufen, ja bie felbft nod^ berart cx^ä\)lUn, bafe ber fiefer jroifd^en
fid^ nnb ber ^arfteHunö innner nod^ ben oermittelnben, um*
Heftaltenben, t^erbeutUd^ent^en älutor ber breigiger bid fünfziger
Sa^re mfyma^nu ^ne ber vomel^miien Grfdfteitmngen auf
biefem @eikU xowc wof^l ^orgareti^e von Sflion), 1860 ge*
boren/ 1885 im :)iumme(§bur9er 8cc ertrunfen bei bem Sßer*
fu$e, einen im ©ife einnebrod^enen it)r fremben Knaben ju
retten, ^argaretl^e oon 23ü(on) l)atte jenen „SBolfg^funger"
bei» 18. Sal^r^unbertd „m^ ä^lenfd^eii'' ; Wltgtt citiert oon il^r
bie aBorte: „3$ mdd^te fte man^mal auf ber ©trafie anfallen
unb fte jroingen, bat fie mir mittelen, n>ad f!e benfen unb
empfinben." 3f)r c\xö^k^% 2ßerf, .3ona§ SBrtccinä" (1886), ift
ganj ein pfi)d;obgi|d[)er ^Homan, raenn aud) nod^ in aUer
Xed^nü. (Sin feiner pfi)d;o(ogifd^er @rüb(er unb Seleud^ter
i^abgelegener (Gebiete bed 6ee(enle6eni»'' war femer ber pofitio
c^rifllid^e ^ermann Defer (geb. 1849; ,,Som ^age^ 1888,
„(Stille Seute" 1890 n. a. m.): wie benn grauen unb gute
Gtiriflen fid; neben ben eit]cnt(id)en, ^umeift neruöjen ^^fnb*
fint>ern gern burc^ ein feinet pf^c^ologifd^^praftifd^ed ^erftänb«
nid aui^jeid^nen.
3m gan§en aber geigte fid^ bodft, bag auci^ ein ooKer pfpd^o«
logifd^er Smprefftonidmud junöd^ft nur auf bem SBege ber
Sfi^je unb ber ou^ ii)x crraad^fcnben furjen @ef(^id;te ju er*
reid^en war. ©eraife Jjat ja ber pfi)d;oIogifd^e DIoman für bie
S^ed^nif ber großen Hunfteiääljlung ben Vorteil, bafe er auf bie
genaue iDarftellung ber (Sntwidlung einei» ober i^ö^ifteu^ einiger
Snbioibuen unb bamit auf eine nafürlid^ gegebene enge @inbeit
l^inauMauft, bie bann fe^r mol^l in genauem impieffto«
ni!ti)d;em @ingcf)en auf (Sinjelbeiten erieidjt werben tann:
bennod^ (^eljörten aud^ ^ier bie erften mel^r burd^fd^lagenben
SSerfuc^e ber Btiat an.
3n biefem gufammenl^nge würbe §uerfl bie Utterarifd|^e
X^fttigteit @erl^art l^ptmannd oon Oebeutung. 9lad^ SBag«
niffen (um 1885), ein ^o» über 3efu§ von S^la^aret^ ober aud^
ein Hagebudj) beg Qubag 3fc§ariot^ ju fd^veiben, äBerfc, bie nur
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302 X^i^taftg.
pl'i;c^üloi;i]d) l)ätten au^jüUen toimeii, oeröffentüd^te Hauptmann
1887 bell „^al)nmäxiex ^^iel", feinen elften 5ßerfud^, einen
beftimmten df^attäUt rairftul^ aUfeitig i^oudjuiouleln'^ wie num
im 18. Sci^tl^unbett gefagt l^a6en lofitbe. ®en)i§ ifl babei
no6) ber @influ6 bc« Solöi^mu^, namentUd^ in einem jcr*
ftreuten, ben einzelnen ^ßorfällcu gleid^fam nur riidfroeife an-
gefügten (S^mboli^muiS erkennbar, unb bie naturaliftifd^e ^ed^ni!
ßei^t nod^ nid^t auf bet £öbe; vor aDem bie (Sspofttion ift ber od«
gemeinen $otm nadü nod^ ungebnf, ia fogat fUlifHfd^ ungefd^idt. .
Xbet ber SHd^tet txnr oDem mitt: pf^d^ologifd^ fd^ilbem,
bag Gelingt fd^on. 5?einer nod^ ift bie <Stubie „!3)er 2Ipofter
oom Saläre 1890. Hauptmann jerfafert Ijier öen Xr)p be^
religiöfen ©döroarmerg unb jeigt, inbem er bad ^ilb bei \
mad^fenben $f9d^ofe fd^ilbevt^ mie eine SüOe wnt 9Ui>m*
fiimmungen bem tetigidfen 9Ba|nftmt oon l^eute feinen Be*
fonberen ^eM)avatttx aufbrüdPt.
SBä^renb biefer Slnfänge eine^ unmittelbaren pfpd^o*
logifc^eu ^mpref fionidmud , n)ie er gan^ entfd^ieben roo^l am
ftü^eften in ßauptmann^ ©fisjen ^eroorttitt, geftaltete fid^
aUt aud^ bet pl^^fiologifd^e Smptefflonidmttö von fid^ in
leifen Übergängen in» ^^pf^d^otogifd^e, ja Slleurologifd^e um,
inbem er jum „©alonnaturaliiSmuS'' tüiirbe, fid; üon ber
©d^ilberung ber unteren Sd^id^ten berjenigen l)öf)erer jlreife
juraanbte unb l^ier auf oenoidteltere feelifd^e ^rf^einuttgen
ftie6/ an beten ^tfieUung ec nid^t ootbeitam: mobei beim bie
Misker geübte Xed^nil bie entfpre^enben SIbänbentngen %m <Sr*
faffung be« ^f^d^ologif d^en erleiben mußte, fiauptoertreter
biefer ^^>anb(ung auf beutfd^em ^3oben ift ^eins Xoüote (geb.
1804; „3m £iebegraufd^" 1889, unb anbere 3^omane, baju
eine @ß}senfammtung „3«^, 9len>dfe ^ooeQen" 1892). ^ooote
l^at oon ^Roupaffant oiel gelernt, loie auffällig namentlid^ feine
S%en geigen; er ift ein felir flotter 6rjät)ler, warm unb an*
fdjuulid), freilid^ oon jener Sebl)aftigfcit, bie ^iefe auefd) ließt.
Selber finb feine ©rjäljluiigen babei bem (53egenftanbe nac^ meift
fc^lüpfrig^ unb bie &e\a^x ^ai i^m gebro^t, in ber ^icuen-
noüeÖe )u Derftnfen.
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303
3n ber ©ntiüidlunö be^ eigeiitlid)en pfi; c^olot^if d^en ^wu
prefftom^mu« aber, foroeit er auf Snbbibimlpjpc&ologie au^*
f)ing, DoS^og fid^ fd^on frü^ eine äBenbung, bie mr aud bet
®ef(l^id^te ber ßptif fd^on fennen: bie auf ben @egenflanb ge«
richtete feelifd^e SSerfcnfutig fd^lug auf ben ^idjtcr 5urürf; bie
©rjä^Iung frembcr pfpd^ifd^cr S^ftfinbe rourbe mit ber Himb^
flebung ber eigenen ücnuifd;!: imb bie Stimmung trat I)eroor
al^ erfte^ 3JJomcnt eine^ primitioen 3^«öli^muS. Unb ha&
gefd^al^ mit folget &mait, hai fogar bie fpötefien (^fd^einungen
nod^ beS p^pftologifd^en Snq^tefüonidmud mit Stimmung^«
elementen burd^fe^t iDurben.
3luf vfi;dj)ologifd^em ©cbiete aber mar aud& biefe (Sr*
fd^einung nid^t o^ne 5ßorläufer, um bereu 9Jad)n)eig fid; mieberum
dl* 'Sil. ^kt)er befonbere ^erbieufte ermorben ^at. ($ine
Timtantifd^e Stimmung, Ue leidet in sarten @9mbolidmud um«
fd^Iug, mar in neuen formen fd^on gegen Snbe ber fiebriger
3al&re aufgetreten, litterarifd^ nur fd^einbar im 3ufttmmen^ange
mit bem ^umor etwa eineö dlaahe, in 2ßirflid;feit tei(§ in luu
mittelbarer 3lnfnüpfung an bie alte ^iomantif, fo an 2kd,
ober in leifem ©ud^en nad^ neuen 3}Uttelu ibealiftifd^eu 2lug»
brudi». aiuf biefe SSBeife ^at ber ^armfiabter 9)^a£ 9iieger feit
aiu^gang ber pebjiger Sa^re gebid;tet unb fpftter eine Sammlung
von ^loüeffen in ber 2lrt ^iedö Ijerau^gegeben („^er neue
^sl)antafug" 1887), unb nid^t anber^ ift ©teinl)aufen immer
romantifd^ unb fronmi unb j^umoruoll unb gelegentlid; aud)
fd^on f^mbolifHfd^ tl^atig gemefen („^rmela'' 1880, „mxtu^
SeiSleini» großer S;ag" 1883). Unb beibe geirrten in il^rer
Seit (einegwegg ju ben 3""^^"/ Wbe reidjten mit i^ren Äinber*
\a\)xm öielmel)r e^er in bie aüerle^ten ^ixUn ber 9f|omantif jurüd;
SRieger ift 1828, (Steinhaufen 183G geboren. S^i biefeu beibcn
trat bann ber pljilofop^ifc^e Sluguft 'Jiiemami (geb. 1839;
.»^d^en unb S^prfodträger'' 1882), ein (Erneuerer bei» alten
Kefle^onSromand ber SlomantU unb aud^ fonfl 9on romantifd^en
©ebärben, mmn aud^ in ber ©injetbarftettung realiflifd^, Unb
aud^ 3lbalbert 3)?einl)aibt OJJiarie ^lirfd), geb. 1848) gel)ört
neben maud^em auberen mit i^ren „^eifeuoueiien" (1885; biefer
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304 Z^ic^tttttd.
diid^tung an; fte ifl etegifd^, fie motalifiert, unb {te liebt bai»
aRdtrd^^afte.
3m gongen ftnb ttlle biefe ©d^riftpcller erft in fpäteren ^a^^xm
5ur ^robuftion ober roenigfteng gut SSeröffentltd^nng il^rer 3Ber!e
gefornmen; man fönnte rool^l üerfud^t fein, fie aU 5lu^läufet
ber S^omantif jn bejeid^nen, al^ bie ©ruppe einer legten (Spigonie
nad^ ber flaffi^tflifd^en Spigotiie ber fünfziger unb aud^ nod^
fed^jißet gal^re. 3nbed bem wiberfpri^t bod^ ber iSfyxtoStet bed
fräftig ©efanuitcltcn, wenn oud^ gnc^teid^ etn)o^ S^efignierten in
iE)ren Herfen: roeit mel)r erfd^eineii fie ai^ $Bortrab eine§ fünftiijen
f^mboliftifd^^romantifd^en Sbeali^mu^. greilic^ Don benSüngften
ftnb {te boc^ aud^ lieber oielfad^ getrennt, benn fte gelSlören bec
(Seneration mt, bie nad( bem B^talter ber großen alten Wimm
unter ftoifer ^it^elm 1. eigcntlid^ mit Äaifer griebrid^ ^Stte
511 2Borte gelangen follen, ber ober biefeS 2Bort roie fofl gonj
im ©taate fo Qud^ üielfad^ im allgemeinen ^unftleben burd^
ben ftülien a;ob bciS ÄaiferS abgefd^nittcn worben ift. ©0
fiel^en fte ein U)enig oereinaett ba; an ^Üt& anlnikpfenb unb
bod^ fd^on Sll^ner bed 9leuen, ftnb fte (^eftalten mie bie ^age«
born ober ßaHer ober aud^ ©eßert beg 18. 3o'E)r^)nnbert§.
^m ganzen fam barum ba^ ftimmung^ooH dltm rciebcrum,
wie fd)on baö plipfiologifd^ unb pf^id^ologifd^ 3ttH>wffw"iftifc^ß/
nid^t in Xnfntipfung an bie grö|eren ilunftformen ber Uber«
lieferung unb bie DorBereitenben SBerle bed Übergangi^ mpot,
fonbern wud^iS gan^ Don aus; unb bemgemäjs n>urbe ei»,
fiebt man oou (5ingelerfd;einungen, wie Ba\)x^ gong onf fronjö-
fifd^em (Sinfluffe berubenbem S^omon „®ute ©d^ule" (1890) ah,
gunöd^fl ebenfalls nur in fleinen @efd^id^ten unb @fi)}en
iebenbig. Unb ba geigte htm aidbalb, wie bie entfpred^enbe
2x)x\t, einen t)omel^mlid^ muftfotifd^en, milbtdnenben, meid^
ßljorafter. ift eine CSrfd^einung, bie mir im SDromo roiebcr*
pnben merbeu; logen bem pl)t)fiologifd;eu QmpreffioniSmuS ber
S)id^tung gong oQgemein bie ^e^iel^ungen gur ^klerei befonber^
nal^e, fo bem pfpd^oiogifdften unb nod^ me^r bem neurologifd^
ni^t minber aOgemein bie 9esiel^ungen }ur SRuftl.
Sielleid^t fomt man ed auf biefen ttmflanb sttrüdfa^ren,
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805
loenn in biefer ^njl Ofieneid^, unb bod ^ieg äBien, |unt Seil
bie ^ül^ntng ü6ema^m. Unb {id^erK$ toov ed loienerifd^, loenn
in btefetn Sufö^^^^'^önge bie SSerquicfung von ©entimentalität
unb Jnöotttät als ein längere 3^^^ "^it befonberer Siebe ge*
pfCcgteg 3)ioment emporfam. ^er ^auptoertreter biefer
Sd^attiening xoat bet äOäienec älttl^ur ©d^ni^ler (geb. 1862;
„^aioV 1893 u. a. nu); mit me^r SReifierfd^aft afö anbete
^ttt er ©eelenjuftänbe in ben weichen, jerflie^mben ^formen
furger Sfi^jen roiebergegeben. Sl)araftcriftifd) raar babei für öiefe
befonbcre 3Ric[;tung bie 5Bor liebe für bie bialogifierte ^ioüeüette:
red^t eigentUd^ ein 5lunftroerf be§ fo fel^r jum „^laufd^en"
neigenben äBiend unb feiner (Safdd unb @a(ond, wie benn aud^
bie (ibner^iSfd^enBad^ bie %om ber bromotifterten S^ooeQe ge«
legentUd^ mit groger ^unf^ gefianbl^abt ^at.
9lber aud^ im 9^eid)e rcurbe bie pft)d^ologifd^=impreffio=
niftifd^e Sfijje unb ©efcftic^te in ben neunziger Qa^ren eine
immer beliebtere ^rjötilungdform; fte untenuarf ftd^ babei teil«
loeid bet Neigung ber 3^ }um SRärd^en, bie wir in ber Se*
fd^id^te bed S)r(mtad nod^ genauer^fennen lernen werben, unb
führte, ibealiftifd^ geroenbet, einerfeitS §u gänglid^er ©rioeid^ung
. in blofee, faft rein Iprifi^e Stimmung-^bilDer, anbererfeit^ 5U
einem pl)antaftifd^en Spmboli^mu^. @d finb Übergänge, in
benen ftc|i erfi leife, bann immer fefler umriffen (linter bet ge»
fd^ilbetten Stfd^einunglwelt eine anbete feelifd^e ffielt empor«
bilbete, bie bann burd^ bie (^d^etnungdwelt aliS bie 6umme
unb ba^ ^anje i^rer ^^mbole ge^eimniSooU l^inburd^^uglän^en
begann.
Snbem ober biefe fpmboliftif dben ^orftellungen immer mel^r
entfaltet würben, trat an ©tele ber fui^en ©efd^id^te, bie
ber i»erwidfelterett ©eboppeltl^eit ber fpmboliftifd^en (St^lmq
nur fd^roer geredet werben fann, mieber met)r bie längere @e=
fd^id^te, ber 3^omQn. Unb jugleid^ luurbe an ©teile beiS pfi)d;o^
logifd^en Smpreffionismuö, ber fid; gegenüber ben fgmboliftijc^eu
Steigungen leidet su taged^d unb al^ gu reinlid^ unb ^u feft
fonfiruiert erwied, bie bumpfere, unbefümmtere, al^nungdreid^
neutologifd^e Simpreffion gefetzt, ^et gän^lid^ unQemo^nte
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(Sinbrud, ben biefe neue Äuuft bei i^rem @rfd)eineu mad^tc, tP
üon Salir, n)of)l bcm größten 2(nempfinber ber litterarifc^en
Vorgänge in Sronfreid^ unb IDeutfd^lanb toatitenb ber ad^tjiger
tmb neunziger ^al)xt, befonbetö ftnnföHig befd^rieben tootbeit^
Sßoii bem ^J^ontone ©eorg^ Don Dmptebo „^roljnen* (1893)
fa(^t er: „J^eine ^anbhing unb gar feine ^fi;d;ologie unb mc|t
einmal bad gemeine Vermögen ber 9ktucaliften, ba& tägliche
£eben |u tnaten: biefe vielen S)inge fe^en rair foum. Slbet l
wir füllen fie, toir }uden Don i^nen, Be riefeln in und. 3)et
netDöfe ©el^alt xoxxh von i^nt auiS ben fingen gejogen unb in
ben Sefer gebracht. ^>(aftifd^eg UW? ofine Umroeg
unmittelbar gteid^ an bie 3^emn. 2luö 3}knfd)en unb 3)in9en
weil ber ^erfaffer nur ben eigenen ^m\t, ber um fie fd^webt,
wei^ er nur i^re 92uft{ p Idolen. 91m fd^önfien ifi bod an
ber ,®räftn ^nti' in feinet legten Sammlung ^Unter uitf
Sunggefellen' (1894) gelungen. 9ürgenb8 wirb feine SBeife
beutüd^er al§ in biefer gelaffenen, fdf)lid)ten unb bod^ fo um
gemeinen ^r^ä^lung, bie ein äßunber an Harmonie oon @efü^l
unb gorm iß. 92i4tö gel^t vox, ald bag ein iunger 3Rann
eine junge S)ame fennen lernt. Sßon bem jungen 9)iann erfal^ren
roir gar nid^t^, unb fo mag fid^ jeber felber an feine (Stelle
benfen. ^^on ber jungen ^ame erfal^ren wir nid^tS aU ben
®erud^ il^rer 2Bortc, rcir l)ören bie liebe garbe i^rer (Stimme,
unb fo mag ftd^ jeber für fie bie befien formen benleit.
bie Welobie t5nt, mie bie jtoei jungen Seute ftd^ mit leifen
gäben ^iel^n. ©a8 giebt einen unfäglid^en Sf^eij, weil im
©runbe gar feine ©eftalten, fonbern un^ in bie (Stimmung
bringt, felber ju geftalten. mirft raie ein ftiüc^ Sieb, wie
leife^ glüftern auf ber @eige unb läfst und m& äBeite träumen.
Sd^ l^abe nie eine fo nid^td aü mufttalifc^e $rofa ge»
lefen." Unb gleid^ borouf bemerlt 8a^r non bem 9toman ber
S^licarba fiudj „Erinnerungen üon l^ubolf Ur^leu bem Qü^Ö*-'^""
(1893): „©ie erjäljlt bie älUrrungen, bie eine ungeftüme unb
fttnbige £iebe über eine Hamburger gamilie bringt unb ber
1 tRenaiffance, neue 6tubien }ttv Mttf ber Stobente 6. 67 ff., 1897.
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Dichtung.
307
Xob er^ IdfL @e(tfam i{l nun, nie ber Sefet ol^ne gtofie
iQanblungen, ja oftne große 5öorte, inbcm bic (Sprad)e gefaßt
iinb tiniiior epifc^ bleibt, unbefdjretblid^ aufgeregt, burrf; i)rngft,
3orn unb Sd^merj getrieben, im Qnuerften beroegt toicb. S)urcö
bad ^^ema? ift alt, unb ba ed fel^r langfam unb um«
{IdnbUd^ in ®and gebrad^t wirb, ^^fUn& fUSet Settad^tungen
föl)ig. S)UTd^ Me ^otm? @d lie^e ft# leidet eine g(ü(f(i(i^ere
SBel)anblung benfen, unb ber breite, gefliffentlid^ pebantifdEie, oft
gcroaltfam goet^eifterenbe ©til müßte el^er berul)igen unb
bämpfen. ^Ifo n)ie? ^an !ann e& nx(S)t fagen. @d iftn>ieber
gan) bie äBittung ber ^Rufxt, mo man aud^ nidftt »etg, montm fte
benn traurig ober l^eiter x% aU weit {te eben unerlUrlid^ traurig
ober l^eiter ntad^t. 3)ian wirb von 5lccorben unauf^altfam in
Stimmungen gebogen." "üKufifalifd^e ^Öirfung ift 9Birfung
auf bie ^Jeroen: bad, wa^ bie ßud^ wie von Dmpteba bringen
unb unter älnwenbung nid^t bioi ber oon )6al^r gefd^ilberten/
fonbem nod^ einer gangen ätngal^t anberer itunffanittel
augüben, ift bie ^crrfd^aft über bie neurotogifd^en @inbrüd^e.
5E)aß aber eine neurologif($e ^ed^nif ben (S^mboli^mu^ in
^ol^em ©robe begünftigt, ja für il^n in feiner mobernen SluiS*
geflattung ^orauSfe^ung ifl, geigt wteberum bie ^u|U mit ben
ftocfen f^mboUfd^en Sßirtungen bed SluftlbromoiS unb nodft mel^r
ber fpmp^oniWen ^d^tung.
S)iefer ©t)mboU^nub^ ift, in ^Deutfd^lanb loenigften^, feiner
wetteren ©ntraicflung nad; eine .^unft rorne^mlid) impreffioen,
meiblidjen ^^arafterg. ilein äBunber ba^er, luenn Jyrauen feine
oome^mfien Vertreterinnen finb. @en>ij} l^aben oud^ einige
Sutoren, wie fd^on ber ©d^weijer SBalter Siegfrieb (geb. 1858)
in feinem S^^omane ,,^ino 3}loralt" (1890), bem 2)rama be^
$8erfall§ fiinftlerifd^er ©djaffen^fraft, einige 9ieigung in biefer
S^id^tung gegeigt, unb fetbft ber männli4)e gontane \)at ge*
legenttid^ (in ^rieft% 1895) ba^ ^efd^autid^e ind ©pm«
botifd^e gefieigert unb fid^ bamit aud^ neurologifd^er ^ed^nil
genähert. 3m fBorbergrunbe aber ftel^ien bad^ grauen: 3folbe
üurg, Slnfelm (©elma) .^eine, Helene ^öl^lau, ^Jlicarba $ud^.
Von ber fpmboliftifd^en Xed^nif wirb nod^ gelegentlich
20*
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308
Dichtung.
ber 2)ramcn 3)keterlintfg genauer ju reben fein; bie SO^ögUd^*
{eiten tl^rer S)ur(i()bilbun9 in bet ^nfkcüäljlung fpiegelt loo^l
bie 6ntiDi<f(un9 ^(ene 85^(aud am tnanmgfatttgften loicbec
Helene Söl^lau, 1859 §tt Sßeimar geboren, l^at \iä) in wettete
litterarifd^e Greife guerft mit ben prddjtigen, bumoiöiuc^iuirften
„S'lat^mäbelgefdjidjten" eingefüljrt. Klar, aber nod^ mafeüott
3u Xage getreten ober war itjr ©x;mboligmug bereite in bem
„ed^dnen Valentin" (1886): benn fd^on auf biefed äBed pagt
in prägnantem Sinne bie Segriff^beftimmung, bie fie oon ber
2;:!id)tun9 gegeben f)at : „^oefle ift ein Jöeifeitcfd^ieben be^ geroof)n»
l^eitömäBigen Bdjaum^, burdj lueldje^ man mit ^emufetfein unb
Äraft eine uns oertraute ©rfd^einung jum erften 3}iale ooll
geniest'' @pätec abet ift fie in bet fi|mboliftifcben Umbeutmig
lebendoollev SßirlHd^Ieit toeiter gegangen; im „SlangieiAa^m
^f" (1896) wirft bereit« atte« ©reif bare, jebe fonfrete (^v
fd^einung nur aU ©tattljcüter noä) üon Korrelaten einer
Pieren, tieferen unb reineren äBelt, bie hinter ben SDingen
wogt unb waltet. Unb in ,,^bam unb Qm" ober „^atbtier"
(1899) voO^iel^t bie ^ici^terin bann ben tlbecgang vom Spm*
botifd^en in^ faft allein SlUegorifd^e; unb bie igelbin beiS 9{oman8
erfdjcint \l)x „alg ber 33egnff be§ eroig bebrüdten 2Beibe§, be^
geifte^beraubten, unentjuidelten @efd)öpfe§, bem aHe^ geboten
werben barf, ba^ attcÄ i^innimmt". Siotürltd^ ocrfd^winbel,
je mel^t bie Slttegorie eintritt, um fo mel^r iebe (SfyxcatUX'
jeid^nung, unb bie ^erfonen werben 6d|emen, (^efleOte mit
bnriiber brnpierten ^Begriffen. S^Ö^cid^ finft bie Kraft ber
realiftiidjcn ©d)i(beruug, unb an i^re ©teile tritt eine „grofe^
artig ftilifierte Äunftprofa ooU prächtiger ©injelbeiten" (^teper).
^it bet voKen (Entfaltung ber pfpd^oiogifd^« ober gor
neurologifd^^f^mboHflif^en unb f^Iießtid^ aHegorifterenben (Sf
5äl)lung ift einer ber ^o(e mobemer pfp^ologifd^er ©rjäblung^*
fünft erreid^t. ^xntcx ber (iiääljlung tritt J)ier fd^tieBtid; ber
©rjä^ler immer mel)r mit feinen Stimmungen unb feinen
Hoffnungen, feinem (Stauben unb feinem S^tx^ü l^eroor: nid^t
^ufäSig finb bie leiten unb äugerften (Si^ugniffe biefer Stid^tung
faft nur nod^ fubjeftioe ^bmttniffe ber S)id^ter unb nod^
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309
l^duftger S)id^terinnen: ed ftnb inbioibuaCpfpc^ifdfte 9lud(äufer
ber @ntiDid(ung int venoegenfieit @inne bei^ Sßorted.
96er baneben fte^t unb erwöd^fi c^erabe in ben legten
Solaren fiegrei^er 5(u^breitunß ein ixvexUx, fojintpf^c^ifdjer,
foCleftiDiftiid^er ©ntioicf lung^jiüeiö : bie ©r^ä^hing, bie auf
cinqc^enber SBiebergabe ber feelifd^en ©rfd^einungen be§ gc*
fettfc^aftUd^ Sebent (enildt Unb ou^ er l^at fid^ langfam
aud bent alten pftid^ologtfd^en 9ionian entfaltet unb ifi in leifen
Übergängen impreffioniftifd^er Xt^nil mobern geroorben.
^Die alte pfrjd^ologifd^e ©r,^nl)(ungöfiinft f)atte im ©runbe
mir mit ber gnbioibualpfpd^oloöie Ü)\m gcftabt: fie l^attc
bie ^ef^i^te eined, feUen ntel^rerer „bebeuteuber'' ^nfd^en
geben wollen. 3n biefem Sinne ^at no(| 1893 @ptet^agen
in feinem „SonntagSKnb" ben alten pfijd^ologifd^cn 9^oman in
beutüd^ auggefprod;ener 5lbfid^t bem S^oman be^ fojialen ^ilieu^5
gegenübergeftedt bei allen 3ude|~täubnif)en, bie er injwijc^en ber
iminrefltonifiifd^en XedS^ni! int einzelnen gemalt f)atte.
SlDein neben biefe 9(uffaffung trat nun bod^ eine fosiat«
pfp($if(5e. Unter einem „bebeutenben* 3Renfd^en ^atte bie
alte Eunftübung ber Siegel nad) einen über bem ^Durd^fd^nitt
ftc^enben (E^arafter ücrftanben: etma^^ non bem alten gabuHeren
be^ @pog, roenn aud^ nid^t meljr gerade in^> ^ran0cenbent=
SSBunberbare, fo bo4 ind 9bt^erorbent(i(i^e hinein, ^tte il^r
angel^aftet. S)a9 würbe nun abgefheift. @erabe bie
S)urd&fc^nitt^^araftere in i^rer ©ntmidUmg begreifen unb
5u malen, erjdjien je^t, anfangso tuenii]fien^^ , al^ eigentlid)e
Slufgabe. Unb infofern biefe ß^araftere bie fojialen 3}ier!male
ber S^it wiebergaben, (ag bamit für ben fo^ialpf^d^ifd^en S^oman
bie unDermerfte (Sntwicfiung aud ben ntel^r pl^pftologifd^«
intpreffioni(iifd)en, naturgemäß me^r ben 3«ftönben ^ugemanbten
gormen naf)e. «So erflärt c§ fid^ benn, menn fid^ fc^on bei
ärefeer beutlic^e Übergänge gum fo^ialpiiid^ologifd^en 9loman
aufpnben laffen. Unb ber erfte grofee 3JJeifter biefeö ^ioman^
war bereite Fontane, ^tariere Steigungen sum @0}ia(pf9d^if(^en
treten bei i^m fd^on in „%tan Sennp Sreibel" (1893) ^eroor,
biefer föftli(^en Xi;pifierung ber feineren Serliner Sourgeoipe
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310
Did^tnng.
obetl^ali ber ^au SBUbelmine Sud^^ol^ ^aft gan$ ge^en
bttim aber f?ontane« letzte 2Berfc in ber feeltfc^en ©d^ilberung
jovialer Xx)Tßen auf: bie „^oggenpuljl^" (1896) brinc^en bie
S^aturgefd^id^te ber armen abiigen Dffisierfamilie, „^er ©ted^tin"
(1898) bie (^l(|ara!ter}etd^nung bed preugifd^en ^^nfetd. ®tm
0lei(i^}eltig aber mit Fontane finb oud^ fonfl einige bebtet,
beten Sebeutung fonft mel^r frill^eren entwitflnngSgefd^id^tHd^en
^erioben ber nationalen ^^iljaiitafietljätigfeit angeljört, in äfti)eti)c^
tieüeidjt befonberö l^od^fte^enben äßerfen jum fogialpfpd^o*
(ogifd^en Spontan übergegangen. 6o vov aQem ^bolf äBilbcanbt
(geb. 1837) in feinem „^nnann Sftngec" (1892), übrigens unter
(röftiger ^bfage gegen einen übertriebenen 8>laturatidnmd. Unb
aud) 2Bilbenbrud^ , ber hx^ ba{)in 3}kifterfc^aft eigentUd) nur
in ber ^fi)d^o(ogie be^ 5linbeö beiuä()rt liatte, feierte mit ber
„ec^mefterfeele'^ (1894) in ber ^eimat ber »älUtäglid^feitd«
pfpd^ologie" ein.
3m ganzen aber imirbe ber mobeme fo9ialpf9<bo(ogifd^
S^loman bod^ von jungen Äräften getrogen, bie nun in innner
größerer Qai:)[ auftaud^ten. Unb al§ frütjefte giUjrer biefe^
ßl)oreS traten ©eorg grei^err oon Dmpteba (geb. 18(33) unb
äBill^elm von $olen$ (geb. 1861) l^ert)or. ^on i^nen ifi
dolens ni<bt fo fein unb ted^nifd^ nid^t in bem ®rabe mobem
wie Dntpteba. 9(ber bie fojialen UmtDetten namentUd^ be8
platten Sanbeö feiner oberfädjififd^en ßeimat giebt er bodö mit
au^gefproc^enem ©efd^idf mieber („Pfarrer mn SBreitenborf",
1893 u. a. m.). Ompteba, ein 9iieberfad^fe, ift tmd^ anfängt
lid^em @d^n»anfen mit „©^loefier von ©eper" (1897) fd^arf
unb ftd^er in bie fojiaIpft)d^o(ogifd^e ^a^n eingelenit: ber @e*
fd)i(^te eine^ armen abiigen DfftjierS üon feiner ©eburt biÄ
^u feinem frühen ^obe, eine^ Dffisierö nur be^ 3)iitte(ma6e^.
^o^en ^uffd^mung aber na^m biefe 9tid^tung, aii fte
mit einer breiteren, ibr naturgemft| paraUei (aufenben @trdmung
mfd^mol^: mit ber Stid^tung ouf ^eimatdfunft.
$)ie foaiaIpfi)d)oIogifd)e Setrad^tung^roeife wirb immer
gern am ^obeii l^aften: benn nur in ber boftänbigen ^eriUjrmij]
mit beu nä^renben unb fd^affenoen ^äd^ten ber ^rbe unb
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Hüglig.
311
eben bamit fd^on fern jebem überid^tüdnglid^en SubjeftwiStnuS
pnbet ile roa^reS ©ebeil^cn. Unb fo finb bcnn bie ^ßorftufcn
il^rer tnobemen Slu^bKbung tl^atfäd^lid^ in ben l^eimatlid^en
Ktc^tungen ber S)id^tun0 ber näd^fioergangeiien Generationen
SU fud^en: bie Sauetnhinfl ber oierji^er nnb fünfziger 3a^re ift
i^r Urfpnittgggcbiet, unb Qeremiaö (iJott^elf mit feinen ©d^wei^er*
gefd^id^ten, Dtto Subroig mit feinen ^{)üringer ©rjä^Iungen
finb i^te oome^mften ^'aten. ^ßon biefen Slnföngen ab ^at
boim, wenn aud^ ^eitiDeid butd^ ben gcoifiabtifd^en 3nq><^P^*
ntdmud fiberfd^attet, bie gan^e Sewegnno bod^ nie wiebet nad^«
gelaffen ober gar aufgel^ört: S^üqz bafür ifl n. o. ein fo florteiS
Talent roie ber ^>alte X^eobor ^ermann ^anteniu^ (geb. 1843),
ber fonferoatio^ort^oboje ^Romancier ber DflfeeproDinjen (,,^ie
Don Äciler" 1885), — nod^ größerer ©cftalten, wie namentlicjj
ber £){ierreid^er Xn^engniber unb äiofegger, in gewiffem ©inne
aud^ ber @bner«@f^enbad^, nid^t gebenfen.
2Bie mächtig aber biefe «Strömung fd^Hefelic^ au^ ben
SSorbebingungcn ber mobemen Sitteratur unb jugleid^ be^
nationalen S)afeinS ber ©egenwart ^eroorquoE, bafür ^eugt
bie (^fd^einung, ba| fd^liegUd^ aud^ bie aUgemetne £itteratur
lonbfd^aftlidte ptbung erl^ielt — wie fe^r ifi bod^ ©ubermann
$reuge, ^uptmann Sd^Iefter! — , unb nod^ mel^ nielteid^t
bie ^{)at)ad^e, bofe eine neue lanbfd&aftlidtie ^id^tung i^r
^aupt alöbalb aud^ in bem TOiebergeroonneiicu ©Ifafe, freilid^
einer uralten unb flaffifd^en ©eburt^ftätte beutfi^er ^id^tung,
erl^ob: 1891 erfd^ienen bie äUf alieber (^^riftian ©d^mibtö, 1895
bie „Sieber eines Slföfferd" non Sri| Sienl^orb, ber feit^er
möd^tig in bie ^einuitöbewegung eingegriffen ^at, unb 1899
fam eö in ©troPurg fogar f^ou jur ©rünbung eine^ be=
fonberen ßlfäjfer Xf^eatex^, für baö elfäjfifc^e unb anbere
beutfd^e S)id^ter im Reifte be^ alten ^rnolbfd^en „$fingft«
montc^d" rftfUg fd^ufen unb fd^affen.
(Sine gang befonbere 9ebeutung aber erhielt biefe @Mmung
jur fieimatfunft feit etwa bem ^ai)x^ 1897, bi^ mol^in bie
frü^cften ©puren i^rer auggefprocfjenen ^^^flege Dor allem in
fifierreid^ lunidgeij^en: unb jwar ebeujaU)^ au& einem oU«
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312
geineiucn .'^ufammenljanöe Ijerau^. Seit biefer Qeit etwa bc»
gami nänilic^ ber ibealiftifd^e ^uq, ber im Stimmimö^roman
aud^ bie ^unftet}ä|»(un9 ergriffen l^atte^ §u bem SSiebürfiiti»
nad^ loeit obfeftioeren ibealiftifd^en (Skmenten }u ermeitem:
unb ^ier, auf bem S3oben bcö Ä'ultuö ber n^öftten objeftinen
ibealen ©femente biefer Si&tlt, beö ^|iatrioti^3nniv luiö üor allem
ber ^eimatliebe, begegnete er fid^ nun mit ber Unterftrömung
ber ^eimatfunft unb erl^ob biefe ju einer loal^rl^aft loid^tigeit
Srfdfteinung bed nationalen @efantt(e6end.
9Ba8 biefe ©rfd^einung für bie !Ration unb bie Aunfl unb
bie 3iifi^iift ^ei^er 511 bcbeiUcii (jaben tüirb, ba^ läfet fic^ t)eute
nod& nid&t üoU ab) c^ät^en. Slbcr ein^ ift fieser: bie Öeroegung ift
mäd^tig unb allgemein; überall roeift namenttid^ bie B,miU
eraa^btng fd^on Srjeugniffe ftarter territorialer (Eigenart auf
unb fräftige S^alente, bie pe pflegen; bann folgt bie 8prif,
unb, TOte bag S3eifpiel be^ ©IfaffeS J^igt, aud) bramatifc^e
^Berfiid^e finb nid)t au^gefd; (offen, ^ie für ba;^ beutfd^e fiebcn
unenblic^ roi^tige X^atfa^e, bag bie engen ^eimatlid^en
Sitbungen in befonberer territorialer S$erfaf[ung, lanbfd^aftiid^er
Sitte unb fiamntedl^aftem ®eifiedleben, bie ben nationalen
@in()eit!c3ug beö 19. Qa^rl^unbert^ fieareid^ überlebt ^aben, nun
aud^ gegen ben niuellierenben ©influ^ allgeniein europäifcfter
litterarijc^er ^enbenjen, \a gegen bie fd^on fpürbaren ©in*
loirfungen einer äBeltlitteratur für il^r @onberbafein nid^t fo
fel^r in bßnber Xhoel^r loie in trdf tigern Sonberfd^affen mad^t«
oott eintreten, »erbürgt un« mö) femerl^in bie ©igenl^eit unferer
jlultur: jene^ rceit oerftreute, überall gleidj ftarfc, nirgcnbe
übermäßig fonjentrierte unb barum nirgenb^ einjcitige geiflige
Sd^affen, ha^ unfer ^efen fo fel^r oon bem anberer Stationen
ber europftifd^en Sötterfamilie abgebt. Unb bie £(iatfad^e, baft
in ber ^eimatfunft ^ugleid^ jene unil fd^on aud ber Sprif
befaunte ©ntnncfhing^tenbenj be^ p|i)djo(ogifd^en ^mpreffio«
niämuö auf einen 3^ßt^li^i"i^^^ "^4* ^löB ber fubjeftioen
©timmung, fonbern objeftioer äikrte l)'u\ eine fidlere ©ruuMac^e
gefunben l^at, erfd^eint oon guter SSorbebeutung für bie i&nU
faltung einer ibealifHfd^en Sraäl^lungdfunfi übetfympt Sie
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313
fommt aber oud^ bem ^rama ju ftatten: bemi biefe^ bebarf,
um i)öd)]k ^ö^en ju erreichen, ber allgenieineii Slneilennung
objeftioer ^erte bei^ l^öl^emt fUtlid^en ^Uoeaud, bet etl^ifd^en
greube a(fo an ^amitie, Heimat, SBatevIanb, unb be^ ftttlid^eit
^erioQd^fenfeind mit gewiffen elementaren reliniöfcn 95or*
ftetlimgen, bie von jebermann, wenn aud) nidjt im t]eii)öl)nlid)en
(Bilme be^ äBortes (geglaubt, fo bod) als- luoljltbuenb uub
lebeii^uotioeubig unmittelbar empfunben werben niüjfen.
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VI.
1. (Snimiihm^ bed neuen Stamad ifl in ^eutfd^(anb
oome^mlid^ burd^ Hebbel, Submig unb ^[n^engruber oorbetettet
Würben. Unb fd)on ()Qtten bicfe ba, wo fic im ©inne bcS
Sniprejfioni^mug tiefer in ben änßerüd^en roie ben pf^d^o«
(ogifd;en ^rojefe einbrangen, auc^ anbere ©egenftänbe bel^anbelt
old bad alte S)rmna: ^ebbeU „^aria ^agbalena'', £ubtoigd
„ßrbfdrrtet", an^engtubet^ Sauernbramen fud^en bie fbffti^e
Sirliid^fctt ber nieberen J^laffen ouf. Unb Xn^engruber, ben
aui^gefprod^enften ^I^orlänfer ber neuen ^eriobe, fe^en wir in
fetner ^unft im allgemeinen no($ fd^eitern, fobatb er i^r bie
n)ir{lid^feitögetreue ^arfteUung aud^ nur befferer bürgerlid^
ftreife §umutet
IRad^ 9Cn§engruber aber enoud^i» ber neuen bramatifd^en
£unft nodj uon einer gonj anberen ©eite ^er, man fann nid^t
fagen eine unmittelbare ^Vorbereitung, mof)( aber ein ^eiftanb,
ber ben Übergang [tarf erletd^terte. Uub bad gefc^a^, »ä^renb
9ln$engruber ein ä^ioftblutöfteneid^er war — nenn er aud^ in
IJlorbbeutfd^tanb fd^on frül^ gefd^a|t würbe in Serlin. CS
fommt ba ein wenn au4 innerlid^ vielfad^ abmeid^enbeS, fo
bod^ üu6erlid; ä()nltd^e§ 3)?oment in Setrad^t, wie mir fd^on
in ber Entfaltung be^ berliner 9iomanÄ fennen gelernt ^oben:
bie befonberen S3erliner Sßerl^ältniffe begünfttgten e^, ba| ftd^
l^er ein £>id^ter enüoidelte, ber, bei vollem ^Malten an bem
alten l^iftorifterenben Slbeatidmud, bod^ vor aOem nerodiS loor
unb bie äußere, ptjrifiotogifdje ©eite bej§ ©efd^e^eng ftarf be»
tonte: D. ^ÄHlbenbrud^.
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815
2)te 5luffü^run0 ber „Äorolingcr" SöilbenbrudJ)^ in »erlin
im 3al^ 1882 mx )iDeif etöo^ne ein n>idlicl^ei^ €reigni», »enn*
qUx^ ber 9^ttx fd^on votf^tx, fibtigend nad^ enblofem fionen,
ouf ber beutfd^en »ti^ne au6erf)alb ber 9ieid^^{)auptftabt 5^6 §u
foffen begonnen i)ütU. Qwax eifaimte Die l;auptftäbtifrf)e 5intif
fc^on frül) bie pft^d^ologifd^e iJecre beö ^id^ter^: e^ fdjien, aU
^nbelten (Bä)aitm, romn aud^ t)on ^iefengröge : aber bad eben
war be^dd^nenb, ba| äBilbenbrud^ troftbem burd^brang. ^enn
mai^ man oor aSem ju gentegen gefomnten toar, bad war ber
bunte ^ßerlauf be^ ;^ebenv, ber bramatifd^e ^omp, bie luudjtigen
Scenen. Unb me^r; bie^ $l)t)fiologi|d)e erf d^ten neroö^ ge=
fttfet: in iagenber ^aft folgte ß^nblung auf ^anblung; bie
groge bromatifd^e Anlage im äußeren älufbau unb bad be«
fonbere ®e\^iä, bie mobeme 9iei§fam{eit au^uftad^ebt, waren
unoerfennbar. Unb fo warb Sßilbenbrud^ auf einige 3eit —
etwa ein S^^ijrfiiiift — ber fielb beö lageg; erfl bann bei^ann
er üon neueren, jüngeren 2)id^tern überholt ju werben, bie nun
beni fd^weren Problem bed mobenien ^ramad mit gan} anberem
emii unb 9Ui^§eug auf ben Mb viUdten.
%vdixä) : }u einem großen beutfd^en ^ma führten aud^
bicfe fpäteren 33erfud^e lange Qtxt nid^t. (^g rairb einmal be=
fonberö (el)rreid^ fein, fann aber feier nid^t unteruoninien
werben^ bie fe^r Derfc^iebenartigen ^^nläufe ju einem neuen
SMrama in fpeaififdji Utterargefd^id^tUd^ S<>rfd^ung genauer }u
unterfud^en, wie fU etwa in ben fiol^enflaufenbramen Martin
©reif« (1886 f.) unb im „«rifefe unb ^atermo" von ßilien^
cron^, aud; einem $ol;enftaufcnbrama au^ bem 3al)re 188(),
ferner im „Hönigafo^n unb 5HebelI" oon gelij: ©djulj (1887),
in bem ^Siap^t^ali" dou ^ri^ :Oienl;arb (1888), in bem „gefl
auf ber SaftiOe" oon ^ans ^er^felb (1889) u. a. m. oorliegen:
bid im „^ftm" oon SuHuiS 8tanb (^iOebranb) 18d0 ber beut*
lid^e SSerfud^ auftritt, bag ^rama, nad^ Slnalogie ber t5nt^
TOidlung ber l£unfterjäl)hing, einftroeilen einmal nur auiä einer
^Sammlung oon !Sccnenf!i55en mobernen (El;arafterä aufzubauen,
^abei mifd^en fid^ freiließ bei »ranb in bie^ abfolut impreffio«
nißifd^e ^faljiren fd^on romantifd^e unb fpmboliftifd^e «Elemente.
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316 Dtc^tuiis.
3m ganjen ober mirb fid^ bod^ fogen lafjcn, ba6 attc biefe
9kt\u^, foweit fie bie ^^orm iDeiterbilbeten, }ioif(|en )ioei ^«
ttemen verlief en^ bem einen^ bod bie Butunf t beS SDramad hut^
fiärffte Stnl^äufung oon ^anblungiSntomenten kf^mSreit tooSte,
unb bem onbcren, bag üielmeljr auf eine Si^ft^n^^f^^i^^^nmg
nad^ 3lrt bcä „6efuubenftiU" ber Äuufterjä^lung ausging:
fo bafe man {)ier wnfd^roer biefelben ©egcnföfee toicbererfcimt,
bie üd^ fd^on in ber S^rif swifd^en rl^pt^mifd^er itttr)e unb
breitem Einlagern ber ©efü^le nad^roeifen ließen, unb bie fid5
guerft auf bem (Gebiete ber bilbenben Küiifte in beut Hontrafl
ju)iid;en ornauieutierter unb öerb(afener?yrei(uftmarerei auftraten.
Unb wenn fid) babei no6) weiter l^eraugjlellt, bafe bereite biefer
erfle groge @egenfat in ber (Sntnndbtng bed mobemen SMramod
f!d^ nid^t mel^r auf naturalifttfd^em, fonbem fd^on ibealifHfdM^
©ebiete abfpiett — benn aüe f)erangc§ogenen 33ergleic^^*
momente, r^r)t^mtfd)e ^ürge unb Driianieutif luie ftimmung^*
ooUe breite unb 6pmpl^onien oerblafener färben ^aben bos
gemein, hai fie ben SmprefftoniiSmud fd^on ibealifteren fo
eröffnet bad befonbere Xudfid^ten auf baS äBefen mobemen
^ramaiS, ja DteUeid^t bed ^rama^ überl^aupt, bie fpäter nod^
genauer gu uerfolgen fein luerben^
51 ^ic^ter eineö mögtid^ft ftarfen ^anblungäftild trat in
ber ^eit ber Anfänge n)o^l ^leibtreu am meiften l^n>or.
SIeibtreu fud^te a(d bramatifd^e Unterlage gern auiSgebe^nte
gefd^id)tnd^e ^twidffungSreiljen auf, unb biefe fd^ob er bann
fo Tüudjtig in ben ^orbergrunb, ba§ bie ^erfoncn faft uer^
fd^roanben, fie wären benn au^naljuisweife bie »erförperten
Präger be^ furd)tbar unb im ©runbe unperfönlid^ ba^im
fd^reitenben 6d^idtfald. SBaren nun aber bie $erfonen Binb'
treud im allgemeinen Sd^emen, fo genügte e^, fie mit
ben 3)iitte(n einer primitioen Äunft jum ^anbetn ju bringen.
Unb baran Ijat fid^ benn ber ®idf)ter in ber ^l;at junieift
genügen lajfeiu SUatürlid^ geriet er bamit fojufagen auf^
Ornamentale unb ind ^unft^anbwert; unb barum (at
* ©. unten 2ilbid;uitt 6 ©. 363 ff.
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317
bief e 5Ri($tung entfd^iebene folgen unb groge äi^irbingen nirgenbd
beseitigt.
^oS anbete (^ttem ber Setfud^e wirb am beflen bttr$
btc „gomilie Reliefe" ^oljcn^ unb (Sd&laf^, ber ung f(5on be=
fannten ^id^ter gefamter §Qnb, qefeniijeid^iiet (1890). @0
ift ber Slnonpmu^ ^olmfen iu§ ^ramatifd^e übertragen: loie
benn bet ,,@ehinbenftU" bec ^unftet^l^(ung eigentUc^ oon
felibfl ins S)tantat{fd^e fibetging. ^retti^, in m& fttr ein
^tatnatif ÄcS ! 3n bo0 be« b(o6cn SltttagS, ber unroeinerlid^
auffteigenben Sangenroeile. Unb barum ift biefer ^lic^tung,
wie fie j. Sö. nod^ in Sd^laf^ „9}?eifter Delje", einem reinen
M3^{i<^^^^^^^<i'' 1^^^' auftrat, fcffon bie äugete^n«
ettennung bed ^fi^nenerfolged ebenfalls oecfagt geblieben. Son
tieferen ^noäqungen aud aber war ed erflted^t Har: berbloge
5lbf(atfd; ber ^MrfHcfefcit t{;at e§ im ^rama nod& bei n3eitoni
weniger aU in anberen (Gattungen ber ^ic^tung; eg galt öor
attem, irgenb eine <Sd)idfateibee anjuerfennen, beten SBalten bie
®e{la(tttng bed ©toffed aud^ tünft^etifd^ aintetfteSt loetben
ntufite. Segtügte gleid^mo^t ein fo einfid^tiger ftennet bet
Utterarif d;en Strömungen wie ?^ontane bie „^Vamilie Selicfc"
atS roirflid^e^ ^Icnlanb, fo erinnert ba^s gegenüber ber über*
mägig abfc^ä^igen ^Beurteilung beS naturaliftifd()en gniprefftonis«
ntuiS in bet Segemoatt fel^t }ut ä^xt batm, roxt fe^t bod^ oud^
bie l^eutigen ibealiflifd^en SSetfud^e bem natutatifUfd^en Sefheben
beg f?rti5inipreffioni8mu8 eine auSerorbentUd^ oertiefte @r*
fenntni^ unb 2luffaffung ber 2BirflidjFeit ju banfen l)aben.
3m übrigen aber rcar fd^on längft ber ^ramatifer roir!»
{am, bet eine neue ilunß naturaliftifd^ unb ibealiftifd^
gteid^, wie in mobetner Xed^nit fo unter bem GinbrudC einer
mobetnen 6d^idfatöibee entfaltete; unb fd^on batte er aud^,
ein grcmbgeborener, einen entfd^eibenben ©influfe auf bie ^ort=«
bilbung ber beutfd;en ^unft erlangt. raar ^icnbrif Qbfen.
2)ic neuen ^^nforberungen beä ^mpreffionieuiuö an bie
bramatifd^e ftunft, eine ilunfi, bie, oon SBittUd^teitdftnn unb
SGBeltanfd^auung, von tea(i|Hfd^en unb ibealiftifd^en SKomenten
iugleid^ ab^ängenb, ftd^ ba nur fd^roer umtuanbelt, wo [ie fd^on
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318
eine längere ^ercjangcu^eit bcfi|t, bradjten mit fid^, bafe ba^
neue Urania oiel e^er bei \)a{h trabition^lofen 3]ölfern er--
blül^te ald bei ben ^öifan einer gro|en Utterarifd;en Über^
Uefetung, bei Stalienern unb ©paniem ettoa ober bei gron^
}ofen, (EngUnbem unb S)eutf<|en. Sie bromatif<$ ^al6
trabitioni^lofen SdKer aber waren bie 9lationen bed öugerflen
europäifd^en 'Jiorben^ unb Dften^: bie iRoloniabölfer gleirfifam
be§ alten centraleuropäifd^en ^ilbungsbereid^ö , bie biet bie
@unft aller ilolonien genoffen, neue @rrun9enfd)aften ^öc^ftcr
9ilbung auf iungfröulid^em 9)oben befonberi» leidet unb tUxc
entwidPeln ^ii fdnnen: bie Sfanbinamer unb 9tuffen. Set
i^nen finb borum bie SMnfänge beö inipreffioniftifd^en 2)ramQ^
— Tine übeiljQiipt ber mobernen SDidjtung: e^ ift baüon fd^ou
bie ^ebe geroefen — am frü^eften unb unge^inbertfteii empor*
()eblü^t. Son biefem S)rama aber l^at nun in Deutfd^ionb,
bei oQer Sebeutung ber Stuffen S)of)oiemdfi unb Xolftin, bod^
mieber baS norbgermanif d^e , ftammoerroanbte om meiften ein»
geroirft unb innerljalb feines öereidje^ iincberum ba^ nor*
wegifd^e. 5Der n)id^tigfte Schöpfer aber bed mobernen nor«
n^egifd^en ^Dramas roar 3bfen.
Sbfen (geb. 1828) seid^ete fid^ f d^on in feinen S)ramen
ber fünfziger unb fed^jiger J^alire, bie ber fünfllerifd^en f^orm
nad; im roefentHdjen nod; bcm bama(§ blül)enben ^iftori^mu^
angeljören, bur^ bie ©nttoidlung einer befonberen 2BeÜ fittli(^er
Sbeen auS. @g ift eine ^eriobe, bie mit „£aifer unb ©aliläer"
(1878) abfd^iog. 3nsn»ifd^en aber l^atte er, etma feit 1864,
feit er int kudlanbe weilte, boü frfil^er fd^on gefireifte reine
©itteu'^ unb ©efeUfd^aftSbramo roieber aufgenommen, inbem er
gegenüber ben ^onüenienjen uiib ^ügen ber befteljenben
fellfd^aft inuner ftärfer bie Diotmenbigleit abfohiter SBa^t*
^aftigfeit unb im 3ufammen^ang bamit ha& 9ied^t einer
l^ö^eren ^rei^eit, fowie bie !ß{lid^t ^ur @in|altung eineiS feineren
SÜtengefefee^ fftr ba« SnWnibuunt betonte. Unb im SBcrfofg
biefer STenbenjen möbelte er bann ^ugleid^, oon einem un*
beftec^lidjen äBaljr^eit^finn anö) in ber Formgebung weitet»
getridben, bie ^ed^nit bed l^ertömmUd^en S)ramad f o lange it»,
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Dirf^tttng. 319
6{§ fein impreffioniftifd^er (S()Qraftcr cnttt>icfelt war. tiefer
"^livojeß, in roeld^em fid^ alfo neue Sd^irfjalöibec unb neue
Xi^nii auf @nmb mobetnen SS^irdi^iteitö' unb SBo^ctieitd*
ftnned bie ^nb reid^ten, begann mit bem ,,9unb ber Siugenb"
(1869), fe^te fid) fort über Me „©tü^en ber ©efeüfc^aft"
(1877), ging feineiu 5(bfc^lu6 entgegen in ,/3iora" {\H7\\) unö
in ben „©efpenftern" (1881) unb erfd;ien ooUcnbet in ber
„2Bilbcnte" (1884), in „^ioömer^^olm" (188ti) unb in ber
„grrau vom Speere'' (1888). äugten fid^ in biefen (enteren
@tfidfen feit etwa 92itte ber ad^t^tger Saläre fd^on Steigungen
5u ftärferer 8t)mbolif, grüblerifcfier $fijrf)oJogie unb einem
rein et^ifdjen Qbealiömu^, bie eine weitere (?ntuncflung ein*
leiteten. Unb biefe trat bann, na4ibem ber Xxd)iex 1891 in
feine Heimat jurüdf gefeiert mar, gan} beutlid[) ^eroor in ben
fpftteren Sramen feit „fiebba ®aiUt" (1890).
^a^, tunöd^fl ben formalen Smprefftonidmui? S^f^d
fennjeid^net, ift bie bis^ in^ eingetfle buvd)i]efiU)rte 2)arfte[Iung
ber äußeren, pljt)fiologiidjen SBirfungen pfijdjijc^er ä^orgänge.
2tbfen beobad^tet wie ein ^Jlerücnarjt, ift ber genauefte Kenner
ber pl^pftologifd^en 6eite bei^ ©eeienlebend. Unb er gtebt biefe
Seite in ben feinfien Slugenblidteregungen mieber, mie fte ftd^
im ©pred^en nnb im ©d^roeigen, im JRcbenwotten unb ©todfen
unb ^erftummen, ja oft nur in einer @cfte ober einer 95?enbuiig
bed ^örper^ äugern. ift eine junäc^ft fo^ufagen natur^
iDiffenfd^aftlid^e ^uffaffung, eine ^uffaffung von ou^en ^er,
ein rein pl^^fiologifd^er gmpreffionidmuiK. Unb mie ber ißatur»
forfd^er niematt mit feiner Seele in bie ©egenftanbe feiner
gorfd)ung eingc()en fann, ba biefe menfd()lid)e Seele nid)t
befi^en, wie er mit(}in feinem ©toffe aud^ niemals geifiig
coorbiniert ift, fonbern i^n immer al^ ju fid^ fuborbiniert
oorfiettt, fo oerfä^rt gbfen in ber 8eobad^tung bed ©eelenlebeni^
feiner ©ejlaften: ftd^ biefen att ^eifd^ unb S(ut oon feinem
f^Ceifd^ unb ^(ut gteid^^uorbnen, in fie l^affenb unb (iebenb
aufjugeljen, liegt ifyn fern. S)ie 2i>elt, bie er fd)tlbert, unter*
fte^t oielme^r bem C^iefe^e einer ab foluten ilaufalität iljrer
eigenen Silbung, bie leinen (Eingriff, ja felbft leine eigentUd^e
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320
Sl^ärme ber ^arfteflung geftottet, bie eben nur gefc^ilbert fein
Witt; fie ijl ein für allemal für fid^ unb in fid^ moniftifc^«
imtnonent organifiect, unb ber ^id^tev seigt und i^re ^ö^ii*
fole na4 ihxen ®efeteti gan^ objeftit), wie boS ©d^aufpiel
einer Sßioifeftion. ^h^tn fennt alfo abfolut fein ©d^idfot von
irgenbwelcöer 5::rQnScenben5, ba^ etwa gar aftbetifcfien 'Jiücf=
ji^ten in ber Slbrunbung von ^^enfd^cnfd^icffalen jugänglic^
gebadet werben fdnnte, unb feine S)camen fietten^ von biefet
Seite l^er bttxa^ttt, (ein „gefd^loffened jtunffaoecf" im Sinne
ber Äwnftlel^re früherer 3^ten bar, fonbern einfad^ ein ©tü(f
ScBen, tüie c§ nod^ ben ©efefeen feiner eigenen £au jalität
fclbftmäc^ttg abläuft.
Brögbern fommt t& bei i^m ju einer gewiffcn ©efd^loffen»
l^eit bed Itunfiwerld. 9lut hai biefe nid^t bem in^altlid^en
SufamntenfHmmen ber ^tiblnngen, fonbern erft ber formal*
fünftlerifd^en S8el)anbhin(^ be^ gegebenen ^anblung^uerlaufe^
üerbanft wirb. Unb ba befielet nun bie ilunft be^ ^id^terö
jumeift barin, ba§ er bem 3"f<^öuer unmittelbar nur bie
ftatafiropl^e vorführt, wä^renb bie (^jäl^lung ber SSeidMlpfung
ber Sreigniffe, bie §ur Jtatafiropl^e brängen, mtr burd^ bie
3Kitteilungen ungezwungener Erinnerungen ber 33eteiligten
wäl^renb ber 5lataftrop^e felbft erfolgt, ^ei biefer gorm=
gebung roirb bann S^it gewonnen, bie ilataftrop^e felbft in
ooSfler äUti^fül^rlid^teit unb in ber gati|eit ittufioniftifd^en breite
bei» SlDtagdlebeni» oor^ufül^en: unb eben in bem @egtnfa|
gwifd^en bem einförmig-rul^igen ©id^l^infd^ieben ber (S5en)ol)n«
Reiten unb beut furd&tbaren, in fte eingefprengten, fid^ jn)ifd)en
i^nen üoUjie^enben Qn^alt ber Äataftropl)e liegt jum grofeen
Xeile bie ^ouberifd^e äln^ie^ungdfraft bed ^l^fenfd^en ^l^eaterd.
9Ba8 aber entwidnungiSgefd|id|tUd^ wid^tig ift: erfi biefe
orbnung ber gäbet l(i%t überfiaupt auf ber S3ü6ne bie trotte (BnU
faltung beg 3}^enldjenlebeng im impreffioniftifd^en 8inne §u.
Unfer S)rama ift ber ©efd^id^te feinet inneren 3lufbau^
nad^ befanntlid^ aud ber ©r^öl^Iung erwad^fen. ^ie ^{^fierien
beS SDHUelalterd wollten ben ^auptgang ber d^ri{tlid^ ^{&*
t^aUn lebenbig eraö^len. ^ie 8fl|ne ^an» Sod^fend ifi ber
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321
©d^Qupla^ üon ^erfonen, bie, gigiiren einer beftimmten ßanb*
lung, biefe fianblung nod^ jum großen Xeile felbft erjä^len;
e& qiebt Stoffe, bie Qan^ Sad^S fotuol^l in ber ^orm ber (Bv^
iftl^Itmg iDie in ber bed 6c^aufpield bel^anbett fiat, unb ber
Unterfd^ieb ^iDifc^en 6eiben Sitten ber Oe^anbTung etneif^ ft^
babei nod^ nid)t aU olläugroö. 5Iud& bo^ ^roma (Sf)afefpcare3
tröflt ben 3"fö'^"^i^"'^Qi^fi ^"^^ ^^^^ ßrjafilung nod^ beutlid^ an
bec Stirn gef daneben; unb auä) bie 8ü^ne bed @(obet^eaterd
mr nod^ nid^td ate ein Sd^anploft für $etfonen, bie in einer
befUnnnten ftombination eine ®t\^x^U oon fid^ ei^öl^tten. SIber
felbfl ha& beiitfd^e ^oma bei^ Jltafft^idmiid, oon bem ber
9toinantif nid^t ju reben, f)Qtte nod) nid^t bie üoße Qöufion
ber SQßirflid)feit jum S^de, wie toir fie Ijmte begreifen: benn
nod^ waten fiarfe tiefte bed alten ^rjä^lung^diarafter^ übrig
geblieben: bie ein^elperfonen festen vor ben ä^Ht^anbelnben
Snm 9hiten eined letd^teren S3erf!änbniffed ber B^fd^auer bad
SBefen il^rer (El)araftere ou^einanber; fie teilten in 9)?onoIogen ®e*
l)eimniffe i^rer ©eele mit, beren liefen fie in ber 2Birfltd;feit
foßar im ©elbftgefpräd^ nienml-^ erfd&Ioffen ^aben würben; fie
ntad^ten if^xm @efi^len in beifeite gefproc^enen SBorten Suft,
beren (Sebroud^ fte im CmfIfaU weidlid^ unterlaffen b^ben lofirben:
hixi, fte geigten eine ben ©rjä^ler d^arafterifterenbe, eine epifd^e
9lebfe(igfeit, bie in fdjieienbem 2Biberf prnd) ftanb mit ber feetifd^en
^i^pofition, bie für fie in geiüiffen 3)iomenten an3unel)men
war. Unb nid)t anber^ benal)men fid^ bie ^^erfonen im 3)iaIog.
Sie ei^äblten ftd^ ©unften bed jubörenben g^ublihimd 2)inge,
bie fie unter fl$ löngfi fonnten unb fennen nni^ten; fte ntad^ten
il^ren ©mpfinbungen aufg entfc^iebenfle ßuft gegenüber ber ^»
roäl^nung tjon Sßorfommniffen, bie fie, roenn fie ber SBirflid^feit
angel^ört l^ättcn, bei i^rer längft fc^on üorljanbenen genauen
Sebmntfd^aft mit benfelben falt gelaffen l)aben würben. 3n
Summa: im SRonolog mie im 2)ialog fprad^en bie ^erfonen
|ttm guten ^eil no^ aum ^ubtUum: er5ä()(ten.
liefen jäl)en unb tief auf bie '}^ovm beä ^rama^ ein«
roirfenben dk]t ber alten (Srgäl)Iiiiu]^^ied)nif liatteii aiid^ bie
erften impreffioniftiid;en ^J^euerer auf beutfc^em ^süoben uocb
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322
Mm^m(\^ entfdjieben befeitigt. S^^^or ^at fid^ bereite Hebbel
roieberljoU gegen Selbfic^arafterifttfen ber ^erfouen öeö Dramas
unb ^^enoanbte^ auSgefproc^en, ober £ubtx)ig |. S9. fd^ioot
f dfUelUd^ felbfi in ea(i^en Heinfier ftunfignffe bramatif^er »e<
feelung nod^ auf S^afefpeore.
®rft 3b]en Ijat Ijier ba^ @anje einer neuen ^ed^nif ge-
jc^affen, baö beni Seelenleben ber gleiten Hälfte beö 19. ^a\)x
^unbert^ entfprai^, baö für baS 2)rama ba^ ift, wa^ bie Jrei*
tuftted^ni! für bie bübenben fünfte. Bo fe^r er ben ^ortfc^ritt
ber Sanblung, l^ierin ben ^ran^ofen folgenb^ in ben IDialog
t)erlegte unb nidjt me^r in bunte S3ilber unb gröblid^ äußere
^anblungen, fo unterbrücfte er bod^ jugleid^ ben 'Dtonotog, bas
^eifeite unb bie <Selbftd)ara!teriftif unb ©etmieb bie erjä^lenbe
(Sspafttion unb äSenoanbted; unb inbem er ben Dialog bid
auf bie Heinde (SinseG^eit nad^ beut Seben in lüdeniod fidlerer
golgerid^tigfett aufbaute, gab er i^m oud^ ben soffen (Schein
biefeg :^ebeng. ^abei füljvte er il)n fo, bafe bie 3}iomente, auö
benen bie bargefteUte Kataftrop^e l^eroorbrdngt, gteid^ioo^i^
oft nur in ganj furjen ^nbeutungen, bennoc^ ober ooUftonbig,
)um Seniugtfein bed ^rerd tarnen. Unb fo erreidftte er eine
Sebenl^wa^rl^eit, bie, bem (St^äl^lungdbrama älterer Briten
grunbfäßtid^ fern, bem SBirÜid^feitSüerftanbnig ber S8orgänge
berart nal)e fommt, bafe eine üolle ^tti^fio" erreid^t roirb: bafe
bie )öü^ne als Dkljinen he^ 2ehm^ erfd^eint, nid^t ald $obium
einer burd^ bie $erfonen ber ^onblung vorgetragenen 9t*
aä^Iung.
*
2. Sin ^eutf4)lanb roar, n)ä]^renb fid^ eigenftänbige Sin«
fange eineiS neuen SDramaiS aeigten unb bie Dramen ber ^weiten
Sßeriobe Sbfend auftaud^ten, ja eigentHd^ fd^on oorl^er gefüllt
roorben, ba§ man, wenn ntd^t auf bem ©ebiete bc^ 2)ramav5
felbft, fo bod^ auf bem ber ^üljnenbarfteEung uorroartS ge^en
müffe; üom X^eater l;er alfo rourbe juerft ber ftärfere 3lIufionig^
nutö bed mobemen äOl^irlUd^Ieit^finned geforbert. ©el^r natu^
lid^ : nmr er bod^ l^ier oerl^ltnidmägig leidster, unb ol^ tna
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Dic^tnitg.
323
9Citftau($m ^tfer 9{eueter ber bramatifd^m Si^titng oB«
juioartcn, 511 befriebigen.
(Bd)on in ben fiebriger 3a(}ren l^atten barum l^ierbcr
geprige ^fud^e begonnen; in ben S^eformen ber ^einingec
9ä|^ne fomett Re ^utmc^fi nod^ bem (liftotifd^eit S>i:ama unb
bem S)Tama ber Hafftfd^en Sltteraturpetiobe gute. I^ttbed
balb übertrug bie SBirfung bod^ aud^ auf bie 2lugftattung
be§ ©egenwartbramaS unb üerroanbelte ftd^ bamit einer
unmittelbaren Sonoirfung bed attögefprod^eneti ämpreffiO'
3m ^l)eatenoefen feßfl aber ging man nod( weiter. Um
ben Sd^tenbrian ber beptel^enben $ra^« §u bred^en, erfd^ien
bie Segrünbung einer 9}iufterbü^ne notroenbig; 1883 tarn e^
nad^ bem freiließ nid^t erreid^ten ^J)Jufter ber Com^die fran^aiae
|itr ^egrünbung bed 2)eutfd^en ^l^eateriS in Berlin.
Unb ein iHUtr Saläre barauf n^urbe bamt 36fen in 8erlin
auf bie Sül^ne gebrad^t: burd^ ein Sorfiabttl^eater funftd^fi,
baÄ ^teftbenjtl^eater, an bem 2lnno eine trefftidje Sd^aufpiel*
truppe fpejieU jur 2)arfte(lung bed mobernen ^ramad burd^*
bilbete.
S)a aber Sbfen bod^ nur fe^r fpärUd^ gegeben mürbe unb
bie neuen nationalen SMnmtatifer auf ber SMI^ne fo gut mie
gar nid^t §u Sßorte gelangten, fo fud^te bie Ungebulb beg
6turmeg unb ^range^ ber ad^tjiger Sa^re nod^ naä) einer anberen
^öglid^f eit, baS neue S)rama jur Sluffü^jrung ju bringen.
@ie fanb fid^ in ben fogenaroiten grcien 9ft|nen, SefeUfd^aftd«
untemel^mungim §unad^{l nur ber itreife, bie ftd^ fftv bie neue
ftunfl begeifterten. ^ie 3bee ging, nid^t ol^ne (Einfluß beS
^orifer Th^atre libre 2lntoine^ — baS aber ein ©efd^äftg*
unternel^men loar unb ift in Berlin junäd^ft oon X^eobor
^olff unb ^JJk^milian färben au^; an bie @pige ber erfien
8fveien SMI^ fdftmang ftd^ bann Leiter Otto Sral^m. Unb
Mefe Sül^ne mürbe nun gan^ in ben Z)ienfi ber jungen Se«
lüegung geftellt; im erften (Spieljal^r (1889— 90) lüurben neben
2)ramen oon ^Björnfon, ©trinbberg, ^olftoj unb ben ©oncourtä
@tüdEe oon Slnaengruber, gitger, Hauptmann, Qol^ unb
21*
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324
Dtd^tttng.
©c^laf ®et)ör gebrad^t. Später ift bann m Söerltn no^
eine „^eutfc^e Sü^ne" unb eine „grcte ^olf^bü^ne" für bie
SItbeitermaffett entflanben^ unb „Stete ^ül^nett'' mit Denomibten
SCufgabett unb il^nen mel^r ober rnmhn entfpred^enbe (Ein»
rid^tunc^en finb auä) in Seipjig, ^ünd^en, Hamburg unb
onber^wo eniporc]eb(ül)t.
(Bc^on biefe golge oon teilroeid freilid^ rafd^ vorüber«
gel^enben ©tünbungen bqjeugt, toie energif^ jeftt bie neue
ftunfi bev Sfil^ne subTdngte. Unb fo blieb ed bemi nülbt bei
ptiDOten Cetonftaltungen. @<!bon oon 1890 ab ging @uber*
mann!? „@^re", freitid^ nod^ ein ilomproinifeftüdf, über bie
öffentlichen S3ül)nen ^eutfd^lanbg unb balb aud^ be§ 2luglanb^.
S)ann eroberten fid^ ©auptmonng Dramen „2)a^ ^^riebengfefi"
unb „^infame SRenfd^en" anfangiS bet neunziger Soi^ve rafd^ hai
^eutf<l^e 2^eatet in Serlin unb bie ^ofburg in 9Bien; unb
„^annele" erf^ien in S3erlin juerft im 5lömgtidj)eu «Sd^aufpiel*
l^aufe (14. 9büember 1893). 3!)en üollen ^riump^ ber neuen
Äunft aber bejeid^nete bie Sluffü^rung von ^auptmann^
„S$ebent". ißod^ 1892 f^oti^eiliil oecboten, ftnb fte feit @ep<
tember 1894 auf bem SetHner S)eutf(ben ^^eater binnen breier
Saläre mel^r al« groeiJiunbcrtntal gegeben TOorben.
S3e9lciterfd[^einungen biefeS Sluffd^roungö roaren bie je^t
DoU gu Xac^e tretenbe ^uSbilbung einer neuen 6d^aufpieUunji,
in bet äfteid^et mel^t bad imptefftoniftifd^e, Siami me^r bad
netoöfe Clement Detttat, fowie gewiffe Setanbetungen Ut bem
t)ergebrad^ten Stepertoire bet großen ^oten. ^a toud^te 9RoIi^
roieber ftärfer auf, burd^ ^ulbaö luifeig^elegante Überfe^ung
gur Sluffül^rung boppelt empfohlen , unb von ©oetl^e erlebten
bi^ „ä^ftönb^* unb ©eelenbramen" „^affo" unb „Sp^igenie"
unb namentlid^ n>o^( »i^affo" etmad böuftget bie iUtffa^tung.
SBad aber mid^tiget war: im S3eginn bet grö^eten Anfielen
gortfdfiritte fanb fid^ über ^e^ ^iormeger ^b\en ^inauS auc^
ein beutfrfjcr ^id;ter, ber bem t)oru)ärtebrängenben bramatif d^eu
£eben (ange Qexi ^inburd^ beinal) regelmäßig einen repräien--
tatioen SUidbtud ^u geben mufite: @et^att ^uptmmm (geb.
1862). Hauptmann ifl einet Sugenb, bie fe^t mannig«
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Dichtung.
325
fad^en SSerfud^cn geiftiger 33et^ätiflung geroibmet war, tlax im
Staate 1886 in ^ie mobente Seioeduttg eingetteteti; feit biefer
Seit ^aiU et Sesie^ungen p getoiffen litterarifd^eit Ateifen
Berlins. S3ott cntbunbcn ober tourbc feine titterorifd^e Äraft
bod^ erft 1889 im ^Nerfeljr mit 51rno §ot§. ^I)iefer trieb i^)n
in einen Qmpreffioniömu^, ben auä) ber „^al^nroärter X^iel"
nod^ nic^t oufgeioiefen ^atte; unb pgleid^ erfd^log ftd^ bem
^id^tet bie bvamatif<l^e %dm att bie feinet Segobung gb*
mögefte^: ed entflonb ,,S3ot Sonnenaufgang".
3)ag 2^iama fü{)rt in bie ftttlic^ üöUig ücrborSene SBelt
eineä fdf)Iefi)d^en 2)orfe^, beffen 33Quern burd^ Sluffinbuntj von
Ro^Un unter il^rem @runb unb ^oben ju reid^en gaulenjern
getootben ftnb. 3n einet ^oniiUe^ beten Untetgang butd^ etb«
lid^e ^tunffud^t unabmenbbot ift, fd^eint ftd^ einem nod^ tein
gebliebenen "üiabd^en bie @elegen()eit ju eröffnen, burd^ iöer*
{)eiratung mit einem Jremben ben entfe^Udjcn B^iftönben, in
benen fie lebt, ju entrinnen: biefe Sluefidjt oerjd&roinbet, unb
Re giebt fi(^ ben £ob. ^ad S)tama, bai^ wie anbete 2)tamen
^auptmanniS jur Sl^arattetißil bei^ allgemeinen Setlaufed bet
btamatifd^en (SnhoidPtung \)xex etmai genauer bef^nrod^en werben
joü, bietet nod^ eine 3Jiifd^ung feJir oerfd;iebener Stitarten: ber
Snipreffioni^mu^ ift rool^l angeftrebt, aber nid)t einmal in ber
Sül^tung ber ©cenen unb bed ^ialogd gleidj^mä|ig etteid^t, wie
benn überl^aupt bie Xed^nit im engeten Sinne nodft etmoiS ttt'
iDüd^HgeS ^at; unb neben bem S^^9>^ 5^^^ Entfaltung eined
originären beutfd;en 3Ratnraliömug ftel;en nodf) ©iniüirfnngen
ber 2Berfe ^olftoj^ unb namentlid^ 3bfen3. St^mxUi 3nner»
Uc^ere^ ift bagegen fd)on mit fidlerem 3nftiu(te getroffen: bie
§olgeti(btigteit beiS SSetlaufed bet i^nblung imb bie äatud*
ffi^tung biefer $anblung auf bie einfac^fte §otm. Unb bomit
ifi benn aud) fd^on bie 3)Jöglid)feit eröffnet, tl^unltd^fl auf b(o6
formalem äBege^ o^ne [tarier ^erpor^eben einer be)onberen
^ @o oiel toirb ftc^ an ben Stuäfüi^rungen ©(^tent^erS^ Hauptmann *
8. 12, gegenübet älterer, ^eutfd^ Sitteratur im 19. ^a^t^unbevt ^
@. 831 f., aufrecht erhalten (äffen.
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826
Dichtung.
Sd^idfaUibee, }u einer feften @eftalt be^ ^ramai^ im großen ,
SU getoitgeti: jetied Seftoeben, bad iebem 92aturaltönittd —
bem tnobemeit fpejieK unter bet SorauiSfefeuns ber ftaufali-
tftt — befonbctÄ nal^etiegen wirb. Unb oud^ bic SBercinfad^ung
brängt einer fold^en ©eflalt l^in. ©o befte^t in „^8ov
Sonnenaufgang'' fd^on nal^eju bie ©in^eit ber Qeit unb bc^
Drte^ nad^ ben {Itengften Slnforberungen. ^u6) bie fpäleten
Stüde ^ouptmannl» s^d^nen ^d^ buvd^ fo feßen B^tui mid,
ont tneiften otetteid^t gerabe bie ^rautnbic^tung „^atmete":
benn je iiieljr ein Bind an QUufionSfraft oerlangt, um fo
mel^r mufe al§> erfte Slnforberung ber S^ufion gerabe ber ftraffe
@d^lu6 ber ^anblung betont werben.
9lud( ha^ M^riebendfeft'' unb ;,(Sinfame Wenfd^en", QaupU
mmm^ Dramen ber 3al)re 1890 unb 1891, fteJien nod^ — ja
in gerciffem Sinne no6) me^r — unter bem ©influffe ^bfen^;
ba§ eine erinnert an bie „föefpenfter", ba^ anbere an
,,9^lodmetd^otm'' unb ^^ebbo Nablet". ä3eibed ftnb ^mitten*
brauten. 3n (eiben l^anbelt ed ftd^ barunt, baft eigenartig Se«
anlegte unb entwidfelte Snbitrtbuen an ben engen ©d^ranfen
von gamilie unb ß^e §u ©runbe gelten; im „gricben^feft" bie
Angehörigen jroeier (Generationen einer ungliidlid^en, in ben
,,@infamen SRenfc^en" ber ^ann einer n)emgftenS nid^t glüd«
(id^en, nad^ j^u frü|er Verlobung (eid^tl^in gefd^Ioffenen S^.
Seibe StfidFe geigen aud^ fd^on int einzelnen eine nteifierl^afte
gül^rung beg 2)ia(o90; Ijier \)ai Hauptmann ba^ 33orbiIb
Sbfen erreid^t; unb ber allgemeine SttuponSge^alt ift bement--
fpred^enb augerorbentlid^. ^abei ift bad äRotio be^ SbeoB
einer ||dl^eren, innerlid^eren äRoral, bal^ au erreid^en bie pro«
granmtatifd^e Aufgabe ber j^Iben ^h]m& Utbet, in ben „Cin^
famen 3JJenfd^en" jraar angef dalagen, aber nid^t mit bem ge^
beimniSoollen, pl^o^p^oreSjierenben ©lange ber Dramen bes
SlorroegerÄ burd^gefüljrt. SSoH erreid;t bagegen erfd^eint in ben
„(Sinfanten SRenfd^en'' fd^on bie ©d^ilberung ber Silbun^^
nflancen fein organifterter moberner Seelen; unb bie Xtagit
bed Stüdes ift nid^t bie ber Übertretung ^anbfefter rtttlid^er
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Dtf^tttfi^ 327
Gebote, fonbem oiebne^t sortefter gegenfeitiger S)afeini$«
bebingungen einet l^od^ftel^enben freien SRenf^Ud^feit
35on nun ab ober beginnt Hauptmann oiel mel)r eigene
Sßegc ju ge^en. Unb biefe führen iljn in boppelter ^JUd)tung:
lat ünpreffioniftifd^4nbit)ibua(pfr)ci^oIo9i)d^en iiomöbie unb ^unt
impteffioniftif(j^*fo|ia(pf9(l^if(i^en SRaffenbtamo.
itt itomdbie gel^Bren „(College Stampton" (1892) unb
her „«ibcrpelj" (1893) m. «on il^en ift ba« erjle @tä(f,
ba§ burd^ eine 2luffü^rung von 3}ioliere§ „®eijigem" angeregt
tourbe, im ©runbe nur bie bi^ ing f[einfte aufgeführte
(S()ara!terftubie einej^ trunffüd^tigen ^rofefford einer fd^lefifd^en
äl^ateratabemie, bei ber bem ^id^ter (Erinnerungen an einen
alabemifd^en :Sugenbaufentl^(t in Sredlou ju ^ilfe gefommen
fein werben; bie bürgerlidj'fauftnännifd^cn Greife, bie bem
„ß^oÜegen ßrampton" gegenübergeftettt erfd;einen, finb, wenn
aud^ mit be^eid^nenben ^trid^en, bod^ nur anbeutenb gemalt
unb n)eniger gelungen. S)ad äBefen ber ^möbie eri^alt bad
)um Xeit burd^ bie genial^umorooOen 3üg^ bed j^elben
unb bie ©cgenpgur feine« ^ftotuni9, eine* forgfam*bieberen
3!)ienftmanne^, — vox allem aber burdft feinen fveiUc^ etroaf
unorganifd^en unb äufeertich getjattenen Slu^gang, inbem unf
bie 3J2öglid^{eit einer Sefferung bed traurigen 3uftanbef bei^
gelben, wenn oud^ nur von ferne, geieigt wirb. 3n oiei um»
faffenberem Sinne ifl ber r^Siberpel^" eine ftmndbie, bie
Äomöbie beö bummen Strebertums : freilid^ eine ©atire ju*
gleid^ unb infofern ein roeiterer 6d^ritt auf bem 3Bege, ben
Äteift mit bem „gerbrod&enen ^rug", Hebbel mit bem „Xrauer*
fpie( in Sicilien'' befd^ritten ^atte.
Snbed nod^ bevor ber ,,9iberpe(§'' auf ber Sül^ne erfd^ten,
war Hauptmann in oöHig neue Salinen eingetenft. Siegt ber
gefd^id^tlid^en Setrad^tung bei ber ^ragif omöbie , wie foeben
bemerft, eine Slnfnüpfung an Hebbel unb ^(eift m\)e, unb lä§t
[xä) gelcgentlid^ ber ^amilienftüdfe beg ^id)terf oergleid^^raeife
rfidmörtdgreifen minbeftend bid auf Subwigd „@rbförfter"
unb ^ebbett ,,9laria SRagbotena"^ fo oerfagen für bie fo^ial«
pf9chifd^en 3)kf[enbramen, für bie „SBeber" (1892) unb ..glorian
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328
Se^et" (1890), efgentlid^ oOe ^iflotiffj^ uecgletc^enben 9t*
trodf)tungcn, man wfißte beim an ben bei Derroanbten SlbRd^teu
fünftlerifd^ ganj onber^ gearteten „Xell" edjillerd anfnüpfen.
„2)ie 2Beber", roeldje bie Slufftanbj&gciten ber von junger ^
iyp^u^ SU ^ungertpp^ud getriebenen äBebei: bed S^iefengebirged
in ben oiecgiger 3<t(|Ten bed 19. Sa^rl^unberti^ ^um Segenftonb
^aben, ftnb baiS etfte ^xama ber beutfc^en, wenn nic^t ber
2[i>eltlitteratur, bOiS eine gan§e fo^iale 3)ia||e, eine fo^ialpjtjdjijdje
(5c^id)t besg '4.>olfeö alö ben eigentUdjen gelben greifbar auf
bie ^ü^ne bringt. Unb biefeni fojialen Reiben ergebt eS nne
ben inbioibueUen gelben beiS mobernen S)ramad: in unleibii^e
Bufi&nbe ^ineinoerfe|t in aSer^öltniffe, bie i^m bie Sebendtu^,
ja bie 25afein^möglid)feit rauben, fämpft er gegen eine über
legene (Sd)irffaUmaci^t, um fid; an il)rer ©eroalt üerbluten.
^er Aufbau bed 6tüdteS ift in ^o^em (^rabe !Iar. ^etuig
f^itt fein Stn^alt in ben Überliefecungen bet fieimot unb
ff»^ieS oud^ nod^ bet f^amilie ^ouptmanniS ^^on 8fi%e um«
gefiattenbet Söge angenommen: ein Sorgang, ber bie ^er
btdjtung be^ (Stoffe^ feljr erleid)tern mufete. ®leidjii)ol)l galt
i& ein Si^agnii^, baö o^ne ^orbilb roar: roie in ben gamilien^*
bramen bie e^centrifd^e £age eine^ ÜJ^itg lieber, burdt^ befonbere
^eigniffe in eben biefem intern äBefen ftotgelegt, )um Sr>
mad^en beiS ^roidmuiS biefeS ^Utg liebes unb ^u feinem %M }u
fül)ren pflegte, fo mußte ^ier ein üerroanbted 8djicf|al für eijie
ganje fojiale ©c^id&t anfd^aulid^ gemad)t roerben.
^er erfte 2lft be^ ©tüdfe^ jeigt un^ ben ^sorgang ber SBaren^
abnähme bet Sä^eber im ^ufe bed gabrifanten: b<a gan)e @(enb
einer M pxt SSer^meiftung an bet Sutunft fortgefd^rittenen 9t*
Dölferung ber fiauginbuftric roirb un« vor Döingen geführt. 5luiS
bem ärmlidjen üerf)ungerten 3.solfe tritt babei ber förperlicb
befonberö bcuorjugte unb barum roiberftanb^fä^iger gebliebene
SSSebet fßädtt ^etoot: einet ber fünftigen p^tet bed ^fftanbd.
S)et sweite Sft ffil^tt in bie gntimitöt bet Stmut; mit htß
gleiten ben ölten SBebet Saumett in feine Derroal^rlofle fiütte
unb lernen feine grau, feine Xüd)ter, feinen @o^n, einen
Igbioten, unb feinen (Snfelfo^n, bo^ unel^elid^e £inb ber einen
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829
X0d)Ux, fetmen. ttnb in Wefc SBeft tritt dn jmeitcr güf)rer
bcr brol)eiibcn (5r^ebung, aud) er p(ir)Ut<$ fräftig, ber foeben
aug bem iliilitärDieiift ^eimfe^renbe äBebergefelle Säger: ber
S'ienonimift, ber in bem oßgemeinen Urnftutj bod^ fräftigem
^anbettt gelangt neben bem mit angÄotenet ilü^n^eit^ ia
^red^l^eit au^geflotteten Sfidfet. ^n britter Sift fpiett in einer
ber ©aftfhiben ber SBeberbörfer. 2Iuf biefem ^oben, nic^t o^ne
©infdiH be^ 5lIfol)o(^, ber biefe ou^gemernelten ©eftalten erft
auf ben oerantiDortungereid^en ^eg §ur ^^at toeifen tann, ti»
fie^t, aum Xeil aud^ burd^ Reibung an bem fo^ialen ®egenfa|e
SU bell in ber @afifiube vertretenen iSefeOfd^ftdfd^i^ten bed
j^btoerfö« unb ItanfmanndftanbeS, ber bUnbe Smputt be9
Sßiberftanbö. Unb nnn roäljt fid^ bie in gonati^mu^ geratenbe
SJlenge gegen bo^ ^quö beö gabrifanten ; ber oierte 2Ift fpielt
in biefem ^aufe; er jeigt bie Stimmungen , ©cfü^le, @nt*
fc^Iüffe ber oberen Sdt^id^ten, ben beruf streuen Schritt be0
^farrerd, ber in unerfd^fitterlid^em Siertrauen auf \M IBibel'
roort ber ftürmenben 3Jicnge entgegentritt, unb bie %\\\^\ beg
Jsabrinjerrn. 3)cr fünfte 9Ift enblidb ift ber be^ blinb rcütcnben
Schief faU; ein Sturmangriff bed 3}UHtärg, baä jur Unter=
btfichtng bed ^uffianbed b^^^dgerufen ift, fül^rt ben ^ob eined
SBeberd l^erbet, ber, feft mui^elnb in ntUitärtf<l^«tNtterIanbifdften
unb bibelgläublgen Erinnerungen, fid^ ber Xeifnal^e am 9luf«
ftnnb oerfagt ^at: ber Unfdjutbige leibet mit bem Sd^ulbigeu:
nlcid^niäBig ()in über alle fd)reitet bie Diemefiö.
2öer bie 2luffül)rung bed SDromaS mit erlebt l^at, ber wirb
nid^t imeifeln: bie @eele ganger äSottdmaffen in i^ren taufenb
Stimmungen, i^ren ^reuben unb Hoffnungen, x^xtn SoD^etten
unb fieiben ouf bie 33ü^ne ju bringen, bag ift bem ^id&ter gc*
lungen. 9üd^t al^ ob mir nic^t aud^ fd^on frütier ©efomt'
einbrüde oermanbter älrt gelegentUd^ oon ber ^ü^ne er()Qlten
^tten. SlIKein fie maren meber in bem S)rama, bem fte an«
gel^örten, ffil^renb, nod^ mirften fte mit ber gleid^n ftraft ber
Stiufton, meit fie nid^t gleid^ überjeugenb inbioibueO in Slaum
unb ^dX gefaßt nuiren. 3o finb bie Sßolf-^fcenen in ben
@tüdten Sl^afefpeareio fulturgefdj^id^tlid^ jeitlod ober maren
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330
Z>id}tung.
iDetiigftend für ba^S ^ublüurn S^afefpeared: für und gel^öreii
Ite il^tem fottalpfpd^ifd^eti (Bel^lte imd^, fotoeit biefer vm
SHd^ter utiBetou^t inbioibualifiert tocthm ift, eben boc^ tnit
bcr 3cit 6J)afcfpeare^ an. Unb roer roirb f)eute ferSft in ben
6d^it)ei§crn bed „Xett" c^erabe bie ©d^roeijer be^ 13. ober 14.
3al^r^unbertg flar erfennen müm, roer in ben Siicberlänbeni
bed „^mont'' bie SliebetUmber gerabe bev fioeiten QäifU beö
16. Sal^rl^bertd? 9htr in ^SBaOenfteiniS Säger" fügten mit
mit Sid^erl^t ben voDen ^au6) be9 UMreigigjä^rigen ftticgeS.
SSBenn ober ©d^iller bie fojiale $ft)^e biefer fc^iroeren
3ctt niebr aU anbere 3)id)ter ben fojiatpfpd^ifd^eu Q,t)avattex
anberer $erioben §u neuem £eben enoedt l^at, fo erflört fic^
bdi^ )u nid^t geringem ^eite boroui^, bajs er bie @prad^ ber
^erfonen be9 2ac^ev9 mel^r ate fon^ üUid^ ber Spraye bed
17. 3al)r^unbert^ angenäl^ert ^at. ^enn worin fonjentriert
fid^ ber feine ^uft be§ fojialen Seelenleben^ einbringlid^cr unb
glci^fam förperlid^er ald in ber ©prad^e? 5Die Äunjt, bie
^prad^ einer fo^ialen äBeCt )u be^errf^en, mu| l^te ald
Sorbebingung für beren Ifinßterifii^ SBiebergabe betrautet
merben. @g entfprid^t barum ber elementarften J^orberung
eine^ naturaüftifd^en 3mpreffiont§muS , wenn „bc SBaber"
^auptmannd ben fd^lefifd^en S)iale{t in aU feinen S^efonber»
l^eiten fpre(i^en.
SBemt aber bie Sprad^e bas greifbare Seben gleid^fom ber
®efamtfeele einer menfd)Udjen ®efeQfd^aft boriieOt unb bie
inenfd^Ud^en ©efellfd^aften in i{)ren gröfsten unb roeiteften ^r=
fd)einungen bod) nid;t blofe al^ gleidj(]ültig nebeneinanber be*
ftel)enbe Xeügruppen eined grofeen, ju einer bcftimmten
beftel^nben nationalen ober aud^ internationalen Jtdrperd bt-
griffen werben lünnen , f onbem inetmel^r ab bie @ef eHf d^af ten
oerfd^iebener, feelifd^ weit »oneinanber obroeid^enber S^itölter,
ergeben fid^ bann nidjt gän^Ud^ neue 2lufgaben unb ©runb^
lagen für jebed ^iftorifd^e S)rama? SO^ufe bann nid^t ba^
^erfömmiid^e ^rama ber gefd^id^tlid^en ^egebenl^eit , ha» ber
^auptfadfte nad^ nur baburd^ ald l^ifiorifd^ d^aratterifiert lu
werben pflegt, bag unS au8 unferer Sernjeit ^er belanitt
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ifl, töte feine ^^erfonen biefcm ober jenem $^a{)r{)unbert an*
gel^ören: — muß nid)i boburd^ erft loirflic^ xt^t l^iftorifd^
unterbaut n)erben, bag fein gefeUfd^aftUd^ed Milieu oomel^mUd^
au^ bitrd^ bie @pcad|^e beutltd^ bal^n d^atteriflert nritb^ hoi
e9 einer (efUmmten SSergangen^eit angel^ötre? Unb ergiebt ftc^
nic^t roeiter^in am biefem 3uiainmenl)an9 nod^ ein gonj anbere^
^iPorifd^eö Urania, alö bas biöl)er gepflegte, nämlid^ ba^ fojial*
pft)dbifd^e ober ba^ Urania bed ^iftorifc^en 3ufknbed, n)ieman
ft^ früher midgebtüdt ^aben lofirbe: ein S)tanta, ha& und
Me Seiben, @d^i<ffa(e, Itatafhop^enber gefeDfd^aftltd^en Sd^id^ten,
ber SßolU^teU von e^ebem in ber ©prad^e tjon e^cbcm olS bem
einjig unb allein d^arafteriftifc^en fojialp)i)d)i)d()en ©etoanbe
geigt? — Anfänge eined fold^en ^ramad, bie fic^ an ©d^idetd,
an ®xabb^ Spornen fnüpfen, l^at Hauptmann in feinem «rSIotion
©epec" )u einer ber älbfid^t bei» ^Did^terd nad^ ftoren, neuen
9x1 bed bramatifd^en IhinfhoerfS anzubauen perfud^t.
„gtorian @eper", benannt nad) euiein ber fiauptfü^rer
bes S3auernfriege^ oon 1525, fül^rt in bie ^ieformation^^eit.
@S ift, im toeiteften genommen, ba^ ^löagniÄ, bie beutfd^e
Solföfeeie biefer 3^t auf ber Sül^ne aufleben )u loffen. Unb
bied SvA n»irb {unad^fi burd^ Sel^anblung ber S^nxid^e erffarebt.
Hlle ^erfonen reben, unter ben für bo« SSerftänbniJ ber ©egen«
mart unerlöglid^en ©infd^ränfungen, bie ©prad^e beS 16. 3a()r«
^unbertä, unb jioar ebenfo bem 2Bortfd^a6 toie bem ©a^bau
nad^. Slber no^ über bie 6prad^e l^inaug loirb ber fultur*
gefd^i^tli^^ @ee(en|u{ianb bed 16. Sal^rl^unbertd in iebem Sinne
oufgcfud^t: bie na4 unferem begrifflidb oiel nfianderteren unb
fittlid^ Diel jerfefeteren ©mppnben rot)e unb gett>a(ttbätige
©eele beö If). Safir^unbert» tritt aud^ in §aUung unb ^anb-
lung^roeife ber ^^ierfonen ftänbig in ©rfd^einung. Unb erft inner*
^alb biefed gro^n geitfifpd^ifdften S)iapaiond bilbet itd^ bie be«
fonbere brantatifd^e J^^^nblung.
^tef e ^anblung aber ifl bann vAiAmm unb nod^ einmal im
engeren Sinne fojialp)i}d)ii(^, benn ber gelb berfelben ift eine
Älaffe be« 33olfeg, finb bie 33anern: \\)x unglücfUd^er 2lufftanb
gegen bie weltlichen unb geifilic^en (^runbl^erren, gegen älbel unb
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332
dürften, ii)x jumeift rec^t nnüax c^cartete^ ©treben mä) einer
anberen ^faffung be^ bie i^ren Sebürfniffen beffer
geredet würbe, ifl ber befonbere Sonourf bed ^tomod. Unb
bie Se^anbhtnn im einzelnen ifi bann ä^nli^ ber Se»
TOölttgung be^ Stoffel in ben „^'ebern". 2öie bort fo er*
fc^eiuen i)ier über ber großen 3)iafte al^ bem ©efamtE)elbeu
befonbere ^ü^rer; einige dauern unb oor allem ber 511 ben
Säuern übergegangene, il^re ä^eale teilenbe 9iitter gfloriait
©e^er. Unb bie i^atafhopl^e tritt l^ier n>te bort tn nerwanbtet
SBeife ein: bie politif d^en ©eiimlten überroinben bie fojialc
9ieüolution, unb in bem Kampfe faÜen ©ered^te roie l\n=
geredete; bie gefcbic^tUcbe 'Jiotioenbigfeit fä^rt unerbittlid^ ba^er,
bie bef onberen äBünf (i^e bei^ bouerUd^en ftottettiolielben, an fi^
tHeUeid^ ibeoled Siedet, werben ind ttnred^t gefefet burd( bie
brutale 9Kad^t ber ollgemeinen Sntereffen. ®5 ijl ein Äampf
umg ©ofein unb eine 9Ueber(age im grofeen; oon fittlid^en Öe*
jeljen, oom I^riump^e beä ©uten ift nicbt bie 9iebe.
3n ber @d^t(ffal^ibee, mit man fte ^x&c au^gefprod^en
ftnben fann, fd^eint bie innere 9lotwenbig(eit befd^toffen §u
liegen, fojiate ^affenbranten l^iftorifd^ ju faffen. ^Denn njer
würbe fic^ fo leidet bei bem ©ebanfen beruhigen fönncn, ju
fe^en, roie ganje 33olf^)cbid;ten in einer nur gebac^ten ilrifi^
allgemeinen fojialpfpd^ifc^en Sebent felbft aud^ nur fc^einbar
ungeredjit su ^runbe gefien? ^flnv bie «i^^atfad^e, ba| foU^
Aataflropl^en wirHid^ norgefommen in fein fd^einen, bered^tigt
bod) lüobt nad^ bem übermiegenben Urteil ber 3«itgenof)en ju
i(;rer bratnatifd)cn Bearbeitung. 2lud& bie „SBeber" finb im
©runbe ein ^iftorifc^e^ S^rama. —
Sßie bem aud^ {ei, Hauptmann ^at in „e^lorian ©eper"
ben 9Beg gemaffit, in ber allgemeinen feelif d^en SBett ber
Deformation c seit ben 8auemflanb aü Reiben fämpfen, furje
Seit fiegen unb bann untergeben ju laffen. (Bin oom <3tanb-
punfte beö §iftorifer0 uni) and) too^I be§ allgemeinen ge)d;id)t^
lidjen ^erftänbniffeS ber ©egeuioart au^ ungel^eureS ^agnidl
Ungel^euer an fid^, boppelt ungel^euer für eine ^xt, beren
SoKdfeele an er^er Stelle unb im aOgemeinflen Sinne bod^
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3)id?tun0. 333
u\d)t biird^ bie fo^iolagrarifc^e, fonbern burd) bte (^ang onbei^
geartete reformatorifc^e ^etpegung erfüKt war. 2ieb fi^ ba
bie teligiöfe Seioeguttg mrUid^ vm ber erften ©teile loeg unb
^ur Seite f d^iebeti ? Smtnet unb immer miebet brfingt fte ftd^
{)ert)or: neben bie ^ßertreter be^ böuerlid^^gut^l^errlid^en 3TOifte^
treten ^umoniften, Sf^eformatoren, ^apiften. ©eiuife tüirb baburd^
hü& Silb reid^er, unb mit großer ^unft ifl für feine Entfaltung
bUT^ bie fünf ^te bed ^ramad unb bad pra^tige RSorfpiel l^in«
oenoirten bie {^fiben^ itnb m
bad nid^t ber x^, metben fle nur mit Slnflrengung unb
barum aufeerlid^ augeinanber= unb 5119 leid^ gufQmmengel}Qlten.
darüber fommen benn bie $er fönen, bie inbioibueHen begeben ^
lieiten, ba^ @erüft b^r ^anblung $u !urj. Unb anä) ber
„Souent^elb" aü <g;olIectiottm nerfd^winbet unter bem S)ru<t
nenoorrener ©egenfö^e; erfl im legten SHt befommenmir mirt«
lid^e dauern beutUd^er ju fe^en, unb biefe nur im fläglid^ften
3uftanb, im 5(ugenb(idf jäJjen 9^iebergang§ il)rer ©ad^e.
Snbed l^ier foll nid^t fritifiert werben; SBerturteile, ja
oud^ nur bad Slufbeden ber Aonfequen^en beftimmter äln«
fd^ouunaen, foweit ed in Urteil umfd^lägt, Hegen ber 9[bft(j^t
biefeg 33uä)e^ gänglid^ fern. 5Rur bie ungel^euren ©d^mierig*
feiten be^ fulturgefdljidjtlid&en ^rama^ im üorliegenben gaUe,
bei bem einmal geraäfjlten ©toffe galt e^ gu betonen.
Unb auc^ bie attgemeinen ©d^mierigieiten, bie fid^ bei m'
loonbten Serfud^en fletiS n»ieber einflnben werben, ftnb oufier'
orbentlid^. S)ie Sotf«feele einer befümmten 3eit foH menigften«
in i^rem wid^tigften Drgane, ber 6prad^e ber Qext, barüber
l^inau^ aber auc^ an fid^ im jeweils befonberen ßl)arafter ber
triebe unb fianblungen, jum ^öncn, gum 2^hm gebrad^t
werben. äBeld^e 6tubien, weld^e Straft unb S)reffur ber 6in«
MlbungStraft flnb ba t»on ndten! Unb auf biefer algemeinen
®runbloge fott pd^ bie ^^]ii}d)e eines beftimmten Staubet, ht^
ftimmter fo^ioler 5lreife roieber üon bem ^Illgenteinen ablieben,
unb auf biefer begrenzten ©runblage bonn noc^mald bie Seele
unb ber (S^l^arafter beftimmter Snbioibuenl
(Sleid^wo^t liegt nad^ biefer Siid^tung un^weifell^aft eine
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ber großen bramatifd^ Aufgaben ber Sufunft, auf bie dm
gemaltige, Hate unb ed^te Suite bet iSntiDictluitg bereite im
®oet^6d „®bi" unb S^iOer^ „XeU" l^er ^iniDetfl. ®ofl[eti auf
ber Sü^ne luiebcr bie groSen Hngelegenl^eiten ber 3)?enf(^^eit,
nic^t blo6 bie fragen ber me^r prioateu unb intimen Greife
bed Sebent ocr^anbelt merben, fo mufe ber Bcl^titt §u beut
groleit biltut^iftorifd^ ^rama unb im befonbemt audft pm
fosialen S)tama bet Sergangenl^eit getrau werben.
©er^art Hauptmann l^atbem naturaliftifd^^impreffioniftifc^en
^roma in ^eutfd^Ianb aU beutfd^er ^id^ter bie oorneE^mlicfifte .
Sal)ii gebrod^en. hieben i^m aber fielet nod^ eine ganje dieii)t
oon teiiweid nid^t unbebeutenben S)i(l^tern, bie man bod^ nic^t
nut ab feine Stillet, ia nU^t einmal blo% aU feine ttm^ I
gebung ober al^ feine 92Qd^f olger bejetd^nen (amt: mm benfelben *
oügemeinen Xenbenjen ber (SntTOidtung erreid^t unb gel^oben,
^oben fie jum großen 2:eil felbftänbig il^ren 2Beg gemad^t, —
foweit benn überl^aupt einem gnbioibuum innerhalb ber '
treibenben fo^ialpfi^d^ifd^en ilrafte feiner 3^t @elbfianbigleit |u |
majoren oergönnt i^. SBerben fte l^ier (ttt^er bel^anbelt, fo liegt '
ba^ in ber ^onfequenj eine^ ^erfa^reng, beffen 3lbfid[)t oor allem
auf gebrungene ^arftellung ge^t, unb bem e§ beS^alb oon
äBert »ar, einen ^id^ter, unb natürlid^ ben luic^tig^, ald
far eine gan^e Süd^tung repräfentatio l^eraudiugreifen.
Son biefen Sid^tem mare an erfler Stelle mo^t 9Ra^
ipalbe (geb. 1865) ju erroäl^nen mit feinen S)ramen „©ig--
gong" (1892), „Sugenb" (1893), „^hitter ßrbe" (1898) unb
„2)ie ^eimatlofcn" (1899). ^albe ift x>ox aEem 33irtuoÄ ber
Sufianbdfd^ilberung, bleibt aber aud^ gern in biefer ßeden.
S)a, mo eS i^m gelungen ift, bie bel^aglid^e Sreite eines
bramatif#en Si^preffioniÄmuiJ mit ben Äataftrop^engefefeen
bc« alten 5Droma^ innig 511 burd[)briugen, l^at er am meiften
ben ©inn beg großen ^ublifuni^ ber neunziger Qa^re getroffen:
batum TOar bamalg bie „Sugenb" fein erfolgreid^fte^ 2)rama.
ä^tod^ feiner unb fidlerer in ber imprefftonifiifd^en %€^mt atö
^Ibe ifi oielMc^t ®eorg ^irfd^fetb (geb. 1873), unb in bet
©d^ärfe ber Seobad&tung übertrifft er felbft «Hauptmann, —
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toenigflend (a^t fid^ bad auf ®cunb feiited erflen St&di», beS
«inafter« ,,3ii ^oufc" (1893), fagcn. .Mt aKütter" (1895)
.^etflten bann freilief) ein :9iQd;laf[en ber intprcffioniftifd^cn Rva^i,
minbefteng in ber Belebung ber 5Rcbenfißuren. 2Ba^ ober bei
;©in'd)felb befielen blieb unb ft^ fpäterl^in nod^ cnoeitert l^at,
Imd ifi bod haftenbleiben am 6Hssenl^ften, an ber äBiebet^
c^äbt etned blogen, oft red^t Reinen unb unbebeutenben Stfided
ßeben, — eiS \% al§ lefe man eine inS SDramotifd^e erhobene
(Sfijje ober oud^ eine Sfigjenfammlung ber Äunfterjnblung :
baS ^toblern ber Kombination impreffioniftifd^er Kleinmalerei
ttnb btomatif^ec ©d^üi^ung, bie fd^toierigfte freilid^ aller ^uf«
igaben f&r ben naturaIifHfdi4ni|>refftonifHf4en 3)nmiatifer, ifl
nid^t ßclöfl, üielfad^ nid^t einmal red^t ergriffen.
©rroölinen wir im übrigen nur furj nod^ Karl J^auptmann
(geb. 1858), ben nid^t unbebeutenben Sruber @erl)art^5, itnb
oon Öfterrcid^em Slrt^ur ©d^niftler mit feinen bramatifd}en
.Sugenbarbetten, fomie $bili|^9 Sangmann (geb. 1862), unb be«
metbn mir enblid^ nod^, bai ber naturalifUfd^ SntpteffUmid*
mud aud^ fd^on frfil^ in bie ftomöbte unb baS fattrifd^e ©d^au'
fpiet gcbrungen raar, roie er benn oon einem inncrlid^en 3"9ß
jum ^ragifomifc^en naturgemäfe be^errfd^t roirb; ßrnft
Don ^oljogeniS „i8umpenge(tnbel'' unb Otto @rid^ ^rtlebend
JSxi^kk" m&ren l^ier fd^on aud bem Slnfang ber neunziger
Saläre ju nennen.
3m übrigen erroie^ fic^ bie gange $Rid^tung in il^rer 9iein^eit
nid^t eben fel^r frud&tbar, tuie benn aud^ ©erbart Hauptmann
felbft fd^on um bie ^MitU bei neunziger ^a\)it über fie ^inau^^
gemad^fen mar, @ie verrohte vielmehr in ber §n)eiten Hälfte
biefed Sal^i^nted, entmeber in ber Südfttung, ba| bad ^tu^rfie
an bTogem, mo möglid^ rein p^tjpologifd^em 3mpreff!oni«mu«,
roenn aud& mit ßrnft unb e^rlid^em ^eftreben, geboten rourbe,
ober fo, baß bei entfd^iebener Begabung für ba^ ©ramatif^e
jiDar ber S^npreffioni^mu^ beffer ber allgemeinen bramatifd^en
3bee angepaßt, sugleid^ aber aud^ aUe Slnmut verloren unb
berbe 6d^Iager beliebt mürben.
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336 Z^ic^tiin^
3. ffdetn loor benn <nid^ nut M in Me erfien neunjiger
Saljre binein ein pf)i)fioloi]ifd)er ^mpreffioni^mu^ roirfUd^ bcr
Slliein^errfd^er geblieben? ba^5 ^rama nid)t eine 2)ic^tunö^^
form, bie, ootnel^mliii^ gerabe tuegen ber ftarf betonten Suger*
Ud^leiten, um fo tnel^r au^ bad Smietlid^e loibet^ufpiegeln 1^?
3fl eis bolzet ol^ne eittgel^enbe $ft)(^oIogte übvcfyitxpt benffror?
S^ie bcfte 2lntirort auf biefc ?^ragen Hegt in ber ^^atfad^e,
bafe Daö Urania entiüicf(nngege)d)id^tlic^ überhaupt immer erft in
Reiten böljer entfalteten — unb ba^ ()ei6t berou&t unb fpontan
audbruddfä^ig geiootbenen — Seelenlebend auftritt @o ifl
benn oud^ baiS p^ftotogifd^^intpreffionifHfd^e S)rama fietd §u«
gleich Don pfrjc^ologifd^en 5Wotit)en erfüllt gen)c)cn, wmn biefe
^Jiotioe aud^ jumeift me()r fojial^ ol^ inbimbual=pf9d;o(oc)ifd;en
©^arafterg waren, unb ift biefed Siefen aud^ in ber bii^^er
gegebenen ^arfteQung in eittem geroiffen Sd^roanlen ber ^fynat*
tenfHI swifd^en pl^ftologifd^ unb pfpdftologifd^ }um entfpred^
ben tludbrucf gelangt, gan^^en aber lieg fid^ natfirltd^ unter
Mefen Umftänben leidjt, in faum merfüd^en (Sd^ritten ein Über^
gang ^u immer ftärferer 33etonung beS ^fpc^ifd^en üolljiel^en:
unb fd)(ieg(id^ muf)te ein in ber ^auptfad^e pfpc^ologijc^ ^ataU
terifierted intprefftoniftifd^ed S)rama bad Srgebnid fein.
3unöd^fl aber trat bo4 eine etiDad anberd geartete (Ent«
n)id(ung in ben ^i^orbergrunb. 6^ tjerf^eljt fic^ nad^ bem @c=
fagten leidet, bafe nirgenbö faft energifd^er unb beuttid^er alö auf
bem (i^ebiete be^ 2)rama§ feit 2lnfang ber neunziger 3a^rc
®emüt unb (Sinbilbungdlraf 1 1& gegenüber bem me^r oom Skr*
fianbe getragenen bi<3^terifd^en Setrieb etned fiulerli^en Sm«
preffionidmud ©egenwirfungen braii^ten: man fud^te bad bem
bergen ©ntfpredjenbe, ja ba^ ^U^ontaftifd^e. Unb baö fanb fi(ft
nun ^unäd^ft nid^t fo fe^r im rein pfpc^ologifc^en als oielmebr
im SRörd^en^» unb ^raumbrama, bie ja beibe im ©ntnbe nur
baburd^ oerf (bieben jtnb, hai im ^örd^en eine p^anta^fd^
l^anbtung aldbalb einfe|t, toäb^b im Xraumbrama erft
innerE)al6 beS ©tücfeS felbft bie gabel ron einem realen
Untergrunbe in pljantaftifdie ^anblungen übergeführt mirb.
£ed^nifd^ nahegelegt ober »urbe biefe entf4liebene ä^eattion
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Z)id?tttng.
337
no^ Qugerbem omt bem XugenMid an, ba bie pfiijrtologifd^«
impreffioniftifcf)e .tiinft bi^ einer fold^en Ä\raft ber 3(Iiifion3*
fäl^io^^^t öcfteic-|ert tuar, bo^ man i^r ba^ ^enninjeii äutraucii
loniite, felbft boÄ ajiärd&en» unb ^raum^afteftc ouf ber Söül^nc
loal^rfd^einUd^ 3u mad^en. Mit beut Xraum« unb äRärd^eit«
btama afiet mbanben ftd^ atöbalb, batb laut balb (elfe, f\)m«
boUftifd^e ©(emente. ^)a§ ^lärd^en unb ber fünft(erif($e
^raum , bie feljerifd^e ^id^tung, finb Jf'rnten ur.^eitüd^er
^J^antafict^ätigfcit: in früfien Sutten treten fie infiinftiü unb
fpieletifcli auf, o^ne tiefen än^olt ober loenioflend fo, bag i^re
ix&qet biefei» Sn^oltd, wenn er ba ifi, ni^t voU htmit
merben. ®m\^ roirb nun namenttid^ ba9 ^dx^m au^ ()eute
noä) ]o fortc^ebilbet, ouö bloßer £uft am ^^abulieren; aber eS
bilbet atö fold)eö nic^t eine entroicflung^gefd^i^tlic^ bebeutungö^
Dotte 5orm unferer 3)i(^tung. 2Bo ^raum unb ^iärd^cn ftd^ ^eute
ber ij^ol^en $oefie näl^em^ ba gefii^ie^t bai( vielmehr nid^t trieb«
ntdgig, fonbem betDugt, unb barum fie^t l^inter biefen fVormen
je^t ftctg ein l^öf)erer Öel)a(t: unb bie äuficren ^Borgänge
erfd^cinen fpmbolifd^. Sä>ir feljen in fotd^em ^aüe ba« bunte
Spiel ber ^I^orgönge, bei bem mit un^ nid)t berul^tgen, gleid^«
{am ate einen äSor^ong an, ben ed surüd|uf dalagen gilt, um
Eintet il^m bad eigentlid^e (Sreignid tu erblidkn.
(5r)mboUÄmu§ in biefem ©inne ifl otfo üon bem mobcmcn
^J)Järd;enbrama un^ertrennlid;, e§ fei benn, bafe biefe^ mufifalifd^
abgeroanbelt mirb in ber ^rt, ba6 ed burdj) bie ^^ufif |unä(^ft
nur, ber ui^itlid^en ä&irfung gleid^, auf bie 9leroen unb oon
biefen erfl auf bie Cmpfinbungen unb ®effilj|le gelten wiO.
3)arum |a6en fd^on bie Slomantifer bad 9^ärd^en ft)tnboUrtert.
Unb ein ©leid^e^ wie üom 9}tärd;en gilt oon ber ßelbenfage,
infofern fie im mobernen ^roma aufleben foH. S3ereit^ in $ebbe(ö
Nibelungen" berufen bie ^bweid^ungen von ber @eftaltung
ber 6age im alten iSpoi oome|mlid^ auf ber ^infü^rung fi^m«
boUfd^er SüQt; unb bie !ßerfonen ftnb fafi nur nod^ Kröger
»on 3been. ä{)nlid^ ftel)t e§ befanntlidj nudj fdjoii mit ben
in biefem 3"föinnienl)ang in 33etrad^t fonuneiiDen ilhifif^
brainen SQBagneriS. Unb fd^reitet ber ^ic^ter ^eute ^ur (&in^
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fül^rung aud^ nur rounbcrbarer ^üqe im ^ramo fort, fo fann
felbfi bad nur gefd^el^en in ber älbftci^t, ft)mboIifd^ ju toirten^
ober in ber unbeiottlteit Smoetibung tme& ^nfhnittete, bod au^
gegen bie 9[6f!(i(ten bciS ^i^tex^ fpmbolifd^ loitfen witb.
9luS ollebem ergiebt ftd^, bafe baö p^antoftifd^e SteafttonS»
gefüJ)! gegen ben p^pfiotogifd^en QniprcfftoniiSnui^ notroenbig
f^mboliftifd^e 3"9e amüjrmn mufete. 2Burbe aber baS ^ärd^en
einige Saitt l^nburd^ gerobe^u lur branmtifd^en SiebUngSf onn
ber Seit, fo mag nod^ ein anbereS SRotto mttge|pie(t l^aben. ttbet
aH bent eingel^enben @tubium beS Süßeren l^atte man wirfCid^ bie
bromatifd^e ^ft)d^oIogie als befonbere 5!unft gleid^fam f)aih oer=
lernt, ^t^t bel^errfd^tc man ben 3lpparat öufeerer SHufionen unb
fd^ritt umoiHffttlid^ weiter auf bie tieferen ^»fpd^ologifd^ ^ßto*
blemeiu« Sotmb wieoBer lonntemonba am leid^teßen lenieti,
ol^ne bod^ ben Gd^fiter geigen? &mi% im unb am SR&rd^en«
brama. 2Bie ber primitioe p^gfiolofiifdje 3mpreffioni§mu§ bie
Slrmeleuteroelt aufgcfud^t l^atte, fo betoegtc ftd^ ba^er ber
primitioe pfpd^ologifd^e 3mpreffioni§mu§ in ber ^raum« itttb
SRärd^emoett, unb üfterd, loie ^ 8. in ^uptmannd HQoxineW,
(oben belbe SBetten fid^ in einem j^unflioert §ufammengefunben.
©rfd^einen beS fpmboliftifd^en 2)ramag rourbe an*
gefimbigt burd^ 2Bilbenbrud^§ „^eilige^ ßad&en" (gebruar 1892),
ein 2^enbenjftüd gegen ben oom 5laifer oerbammten politifd^en
$efftmü$mud, ÜlnfUerifd^ betrad^tet eine grobe fpmbolifHfijbe
Sirnmermanndorbeit 9>enn SBtlbenbrud^ l^atte oon bem neuen
^rinjip nur baS Sufeerlid^fte erfaßt: ©mblem unb 2lttegoric
SRid&t oiet weiter gelangte er aber oud^ im „SßiHe^ahn" (1897).
®ie oiel reid^er unb feiner ^atte ba injroif d^en fd^on ber äßiencr
9»ufifer 9lba(bert oon ®o(bfd^ntibt (geb. 1848) bie autegode
bem @9mbo(idnutö in feinem SRelobroma »Ooea'' bienfibar
gemad^t, einem ^fterium ber menfd^lid^en (^ntmidHungdgefd^id^te
nod^ mobemer Sluffaffung ! Unb fofl nod) lebenbiger war bann
bie 2lttegorie gebrandet, ja faft fd&on lieber ju ooHer SBirf-
lid^feit oerilärt worben in ber bubb^iftifd^en ^rilogie ^oniS
oon eumppenbergiS „ma unb SHd^td'' (18d4). » ifi bem
Stoffe nad^ mie ein menfd^lid^ereiS ©egenftüdf ju Solbfdftmibtd
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889
„(Sauk": bie gegenfft|lid^e (^tioiillutig bed ^taliftm, ber fUi
mit aOen febim S>ieiSfeitjSmünf(|m in bie SBelt eitmifiel, tmb
beiS entfagenben SbeaUfien wirb gefd^ilbert; unb bie Stxont
irirflic^en ©lücfcg faßt bem gbcoUften ju. Qm ganjen aber
ergab ftd^ als bie ^orm beS 6pmbolii^tmid, bie oolfiStüntlid^
würbe, bo^ burd^oud bod bräunt« uitb no$ früher ba^
SR&rd^brama; unb num mag bei foo Ahnung btefer
fad^e 190^1 ber SRftrc^bramen Koinmnbd rttAoftrtö gebenlen,
bie bi^ Ijeute ber beutfd^en 33ü]^ne nid^t oerloren geganöcn fmb
unb eben in ben ^a^ren beS neuen ^ärd^enfpield |um £eU
etiood wie eine ^2luferfte^ung gefeiert ^abeiu
3m ilbrigen tonnten bie Stoffe §tt ben neuen XHntmen am
Befien ftemben Sittetuturen entnommen wetbeu/ nmnentlid^ ben
p^antaftifc^en beS Oriente. Unb bamit war bann bie TIöq*
lid^feit eines entfd)eibenben SBurfeS für einen ^id^ter gegeben,
ber oome^mlic^ formbegabt, aneignungdfä^ig unb litterar»
^i^f imprägniert war. SHefec S)id^ter war £ubwig gulba
(geb. 1862). gm 3a|re 1892 gelangte ^(baS ^i;alidman''
auf bie ^l^ne. ^r augerorbentlid^e Erfolg biefeS ^tüdti
würbe geroiß teilroeiS mit bem Stoffe perbanft; ein junger
£önig ange^enben ^aefarenwa^nS wirb wn bem !(ugen Omar
babur^ geseilt, ba§ il^m ein gmt) augenfd^einlid^er Irrtum,
in ben er fid^ unb feinen 6of unb fein Solf oerfiricft l^at,
oon einem fleinen 9<l6bd^en nad^gewiefen wirb: worauf et Be»
fd^liefet, fünftig mit 3iat feines SBolfeS regieren, um cor
böfen Sßerfe{)en gegenüber ber SBirflic^feit ber X^at|ad;en be=
wa^rt ^u fein. Allein baneben mar eS bodf) nid^t minber ber
leidste, fro^e Son M onentalifd^en Wix^f^tn», ber anjog unb
entjüAe. ^reilid^ in biefer einfad^en ^orm nur hir^e 3^
SBenige Sa^rc fpäter ^at Julba bem „^atiSman" ein jroeiteg
^Körd^enbroma folgen laffen, ben „6o^n beS Äalifen", — ol^ne
&iüd: bie reine ^^örc^enftimmung mar fd^on oorüber. 3u
gute tarn fie bagegen no4 einem Stüde, bod faft gleid^^dtig
mit gfuIbaiS «.Xalidman" auftankte, ber Bearbeitung he»
inbifd^en IDromoi^ Mritschhakatikä, bie iSmil $o^I, ein
älterer ^id^ter, in jd^ön gebauten ^er)en unter bem Flamen
22*
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840
„S3afantafena" auf bie Sü^ue brachte. 58oIIe ^öerii^rung mit
bei: naturaiiftifd^nmpreffioniftifd^en Diid^tunc; unb bamit oofle
(Hnorbnung in ben aÖgemeinett litterarifd^en iBerlauf geioaim
baiB neue f^mbolifüfd^e SDmma aber ecfl hux^ ®et^(tct ^oaipt'
tnottn« gfieberttdum^d „^amtele''.
Hauptmann ^ot im ganjen brei fpinbonftifd^c SDranien
gefd^affen, „^annclc" (1893), bie ,S3ertunfene ©lodfe" (1898)
unb „B^lud unb Sau" (1899). SlJon i^nen m^ält ft^
,,@<i^ru(I unb 3qu" üu ben beiben anbeten StAdkn etwa fo
loie bet „W)txpelf ober ,,6oO[ege (Stontpton'' |u ben natura«
Uftifd6eu gamiltenbramen : ift, roie Hauptmann QUöbrilcf t,
ein 6piel gu ©d^crg unb ©d^impf, eine 2lrt ^ragifomöbie, eine
fd^erjl^afte, 5lumonftifd;e Sluflöfung gleid^fam ber fpmboliftifd^en
^nftform. S)en @ipfe(|>un!t aber ber fpmboUfiifd^en ^nfi
Hauptmanns bejeid^net bie „SSerfunfene @(ode^, wie „^nnele"
ben 3lnf ang. „Manuele", im ©runbe eine einzige grofee (Bccm,
fteHt bie gieberträume etnc§ unglüdflid^en jungen 3J?äbd&en^
bar, bad, ein ^aftarbfinb, von feinem ©tiefoater, einem xo^en
aßaurer, aufd fd^änblid^fte befianbelt, gemartert^ gefd^lagen unb
f c^tiefilid^ in bie buntie 9lad^t ^inaudgeflojm^ in l^alber religiOfer
^fiafe ben Xoh int S)orftei(i^e gefud^t l^at, aud bem ed einen
3uruf ber il^m im ^obe vorangegangenen 3Jiutter ju ^ören
geglaubt, ba§ aber noc^ lebenb au^ bem 2Baffer gejogen roorbcu
ift. 3m ilrmen^aufe oon ber milben ^anb bed Sd^utmei^
gebettet, 9on bem treuen Sbige einer ^iafoniffui benKi^t, er«
fd^aitt nun ^annete in Siftonen, bie bem B^fd^auer in iwOer
©egenroärtigfeit üorgefüijrt werben, ibr Ic^teS 6tünblein, i^ren
^ob unb bie ^Vorbereitungen gu itjrer ^a^rt in ben Gimmel:
^egebenl^eiten , in benen fid^ bie perfönlidben 9ln)d|)auungen
einelB brauen äRenf^enl^erjend, biblifcfie ^nb oolätfim«
lid^e tlberlieferungen, SnbimbueQed unb SlUgemeined, Ser*
quicfungen einer jungfräulid^ fid^ regenben 9ieigung ju bem Der=
ehrten 6d)ul)neifter mit gunfen ^immlifc^er ^iebe ju einem er-
greif enben (^anjen m if d)en.
^ßom formalen ^tanbpuntte oud betrad^tet i|l „^nnele"
ein überaui» fd^roieriger Serfud^ fpmboHflifd^er S)ramatit S)er
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Dichtung.
341
^(^tct trmit ftdö eine f otd^e ®ei9alt ber Sttufton ^u, bofe er rca-
lifltfdic ^ceneit von ntöfeter ©ntfd)iebenJ)eit unmittelbar neben bie
feinften ©eroebe fupranaturaliftifd^er Sliorgänge ftellt. Sft nun
biefe jlraftprobe ber imprefftomfhfd^en Xed^nif foioo^l in ben
biej^feitigen n>ie in ben jenf eiligen Scenen gelungen? 9lad(
bem ^^urd^fd^nitt ber STtifnal^me, bie hai Shrmna bei ben
fd)aiiern gefunbcn bat, foötc man glauben: ja*. T>odö fcbeint
bie berjeuigen, roeld^e ber iä\)e SBec^fel oon Gimmel unb
@rbe gleid^TOol^t aus ber ^I^ufton geriffen ^at, nid^t qanff gering
%n fein; unb jebenfaUd l^at ber SHd^ter felbfl in feinem f^mbo«
Uftifd)en ^anptroerf, ber ,,Sierfun!enen ®toÄe*, ben ©egenfa^
c^eiuilöert. Sffioburdb, fann erft nad^ einer furjen ftberfid^t über
ben S^^^olt biefe^5 ^rama^ oerbeutfid&t werben.
^Die „Sßerfunfene &\odc" ift im ©runbe bie 3Jiär von ber
Uttmöglidftfeit bei» fd^dpferif d^en Xriebed bed $ant^ntui», falte
er ade SBeiten feiner ffiettanfd^auung audnteffen will. 9Bir
toerben in eine liiärd^enumgebung oerfefet, in ber ^lüei ^Betten
fid^tbar üorgefübrt werben, auftcrbem aber ^tuei Sßelten finnlid^
anflingen. Tie beiben erften SäJelten Rnb bie ber 3J?enfd)en
unb bie einer ^fiatm, beren Aräfte^ toenn aud^ untermenfd^Udft,
fo bod^ pf^dgifd^ Belebt gebadet werben unb in ®efialten
beutfd)=üolf^tümIid&er ^l^antafte oerforpert finb: bem TddeU
ntann, bem 2Balb)d;ratt, ben (SIfen, ben ^otjmännerd&en unb
^olsmeiberd^en. B^Ud^^n beiben 3.I>eUen oermittetn bie alte
äBittid^en^ ein äBalbtoeib im ^ebirg, bod oon ben äJienf d^en
brunten im %f^al fflr eine^e gelten wirb: eine menfdftlid^e
©efiatt, ber bie Sflaturgeroalten familiär finb, unb 9^autenbe(ein^
eine ßrtraftgeftalt gleidjfam ber Gräfte ber 9^atur, bie fid6 bin*
fc^int in bie pl^er befeelte 3öelt ber ^Jlenfdjen. S)ie beiben
nur anlHngenben SBelten finb bie ht^ (Sl^riflentumd mit feinem
©effil^l ber @finbe unb feinem ®ebot ber Steue, mit feiner
Überzeugung, ha% ber 9Wenfd& mi« eigenen Jhöften nid^t« t)er-
möge unb gut {ein Cöune nur aui^ ber Ma^t bed @()riftengotte^.
1 Snifteffont finh bie OemetVungen B^Uni^tt9, 4)auptmann*
6. 181 üUt bie 6ii^tDietififeiien bev f<|aufpieteHf((en Seioattigung.
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342
Didjtnna.
unb bie ffiett bed getmanifd^en ^ijt^oiS, beffen @dtter im 8e«
toufetfein i^rcr SCergänglid^feit bod; uott fro{)en ^elbentum^
bQ^tnlebcn, S3orbiIber eineö menfd^Ud^en ^eroi^mud, ber na^
allem greift, felbft nac^ ben ©ternen.
3n bie äBelt ber SKenfc^en l^ineingeboten ifi ber ilünfilct,
ber (SHoctetidießet j^einti^. ttnb ixt^ eindS unbemult in i^nt
waltenben ©treben^ nad^ SSoIIgctoalt im Sercid^ unb mit ben
SDlitteln be§ gangen großen belebten fielet er fid^ in biefer
Sßelt, bie gugleid^ bie Söelt be^ (^^riftentumä ift, feftgel) alten
burd^ fein SQ^eib, bod i^n ni^t Detfie^t, burd^ {eine l^inber,
butd^ bie (Bemetnbe, fttt bie er ol^ne innere 8efriebigttttd bie
©fotfe dne« l^od^ om Sergegobl^ang gelegenen SM^Mn^ f <^afft.
S)a ftürjen bie SBefen ber graeiten SBelt, ber SBelt ber 3^atur*
getpalten, bie ©lode roä^renb htd Xxan^poxtt^ jur ^öl^e ind
%^al, l)inab in bie bunflen feinten eines ^ergjeeS: fte oer«
eitebt bie (Ent^eiligimg i^ Siegionen burd^ bie ittrd^e. 5S>tm
JtünfUer aber bebeutet biefe l^ataflropl^e fd^lieglid^ nad^ Rettern
&^mix^ einen glücfbringenben Umfd^roung: felbft mit in ben
©turj — „Toar'^ rcillig? roiberroittig ?" — oerroidelt, gelant^t
er burd^ bie alte äBittid^en unb älautenbelein in ^erfe^r mit
Jener anberen, ben SD^enfd^en unb bem (^^riftengott obgen^onbten
Sßelt, mit ber SBelt einei» pant^eifiif d^en Staubend. Unb felbfl
im tiefften fierjen ^ant^eift, fud^t er fie al^balb fd^öpferifd)
gu beroattigen. (Sr jie^t l^inauf in bie 33erge; er will ein
Qilodenfpiel von unerhörter Gewalt fc^affen, ha^, in einem
Sonnentempel aufgehängt, bie Harmonie ber @pl^äreit tdnen f ott:
tnii roettcrnber ^^ofaunen Saut
fOlad)' es üerftummen allei- Kirchen ©fodfen
Unb fünbc, im S^i^fijjen überfcfjtagenb,
2)ie S^eugeburt beö iic^tcä in ber äBelt, — :
unb er swingt SHtrd^fül^rung biefed Sßlaned bie 9latm>
gemalten mit ber Sermeffenl^eit menfd^lid^er ttngebulb in
feine ^ienfte.
Unb mm erlebt er, bafe er bod^ felbfl nur ^eil ift biefer
großen ^elt he& nidj)! i^r ^egn^inger unb ^ef^errfd^er.
a)ie SRaturgemalten empören fid^, bie äRenfd^en [türmen gegen
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Dt<^tnng.
i^tt an — er befiegt pe anfd^einenb: ba treffen i()n bie tieffteu
S^armmdm, bie @nmbtöne ^nfilid^'tnenfd^lid^er SebeniS^
auffaff ung : et erföl^rt, bag fein SBeib bod Opfer feinei[( über*
meufc^lid^en (Strebend gercorben ift; feine 5^inber erfdjeinen
vor mit bem bändigen itrüglein, in bo§ fie bie 2^^ränen
ber 33tutter gefammelt; von bem ©dienten ber WlntUt, bie ]i6)
in ben ^ergfee geftür^t ^aiU, berührt, tönt bie oerfunfene
€>Iodte in immer ficirteen $ulfen l^inauf in feine anbere äBelt
2)Q wirb er ^^roa^: er verl&^t ben Ort feiner neuen SBirl«
famfeit, Derlä^t 9kutenbe(ein , brid^t mit ^atux unb 3iatur*
geroalten. Slber bie ©d;roäd^e xää)t fid; an i^m; er ift feinem
3nnerften untreu geworben , unb fo bleibt ibm nid^ti^ übrig
aU ber Xob, ber il^n mitleibig auffud^t.
Wlan fielet: aa6) l^ier ifi bad Sd^ema bed natitralifUf^'
impreffionifHfd^en 3)rama^ ber früheren Seit be^ 2)id^terg nod^
nic^t ober roenigften^ nod^ nic^t oöflig oerlafj'en: bie Einlage
)u einem ^ufgel^en unb (5d^eitern in fc^öpferifd^^brangfamem
^antl^eidmud liegt bei ^nrid^ vor; au^gelöft roirb fte burd^
feine Sefdnntfd^aft mit ber ^weiten äBelt. ^flnx ba^ biefe
SBelt Ttd^ weniger in bie feine einbringt, ab ba^ er fle auf«
fudjt. ^aburd) lüirb ber $elb beS 3)ramag aftio; er leibet
nid^t nur, er oerteibigt fid^ nid^t blofe, er fämpft, er ^at bie
Äraft oorroärt^ roeifenben SßoffenS. ©o fommt mel^r ^onblung
in bad ©tüd; t& ift nid^t nur in ber älrt ber naturatifüf d^en
Stüde ftotafiropl^e; bem @d^idfal tritt nid^t iUi ein mit bem
gegebenen Milieu unüertraglid^er, fonbem ein für eine anbere
2Belt gefd^affener unb biefer guftrebenber ^Jenfd) entgegen: unb
fo jermalmt e^ jroar, roie frül^er, aber erft nad^ langem unb
roe^felüollem äßiberftanb. Unb in biefem Kampfe l^anbelt e«
Ttd^ nid^t mel^r um bie bloge ^alb p^fiologifd^e ^rage bei$
tDafein^, fonbem um bie ^öd^pen g^robteme ber Wenfd^l^eit
©en)i& ift ^einrid; ein ßßittppug; er ift in geroiffem ©innc
ber 9lie6fd^efd;e Übermenfd^ unb er oerförpert ba^ tünftlerifd^c
©d^affenSibeal, ba^ wenige ^a\)xe oor bem (Srfd^ieinen ber „S8er*
funfenen ®U>dz" in ^ongbel^nd $ud^e „^iembranbt ai& (St*
Siel^er" ab bad ]^5d^{le menfdj^lic^e Qbeal überfiaupt be^eid^net
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844
Dtc^tttttg.
roorben mar, entfprechcub ber uorneljmlicfj fünftlerifd^en IBor--
lüärteentiüicflang t)ev ::}iQtion feit ben fünfziger Qnljrcn. 2(ber
ba« 2)rQniQ ge^t boc^ über aU ba^ uod^ l^inaug. ^aä ^^cmo
bed g^ant^eidmud mit feinen §a|iltei<i^en Sartationen ift baS
gro^e ^ßroMent ber europäif d^en SBett feit ben Stögen ®iorbani) •
S3nino§; bie 5Reujeit (ebtunb tüebt tntl^m; über Qötj^^Ijiniberte
erftrccfcn fic^ bie ßöfung^oeriuci&c ber ^xa^tn, wel^e bie „fßex^
funleue @lode" anregt.
So tfl oud^ bie gorm ntd^t inel^r bie ht& naturaUjHfd^en
SmprefitonidmuiS. @ie ifi fo^ufagen bauerl^after empfunben
ate Uo§ mobern, unb fte nimmt borum mond^e^ tiom alten
^ronta auf. ^er 3n()alt beg ©an^en tP sroor etnfad^ unb
läfet ber ^d^ilberung S^lourn; bennod^ ergiebt fid^ gegenüber
bem reinen iRataftrop^enbrama ein ^el)r Don ^anbUing, unb
SU beren Sdfung werben einige Senoidlungen nid^t gefd^t
fernab Reihen mir bem Sntriguenbrama^ aber aud^ bie ®ren|e
beö S^ftanböbrama^ ift überfdjritten. ©ine neue ^luffaffuiu]
beS (Bd)\d^aU, bem gegenüber bie Selbftänbigfeit be^ 4^clbon
größer erfd^eint aiä h\^i)ex, {d^afft eine neue braniatifdje Jvonn.
Unb aud^ im Sinjelnen ber ^ed^nU oollsiel^t ftd^ ein älud«
gleid^ ^lotfd^en att unb neu. S)ad SRärd^enbrama fd^eint ben
$ßerg in rerlongcn : er tritt auf, unb jtDar in einzelnen Göttien
in grofier 6d;önf)eit unb $8olIenbung. 5Iber gleid)iüotjt bleiben
bie wejentUd^en (^niuigcnfdiaften be^ naturaliftifd^en Sm*
prefftoni^mui^. ^ie (^^aratteriftif ift fd^arf unb fd^eut feine
igdrten. %üt ben Sau ber @prad§e unb bed Serfed ift
be5eid)nenb, bog mitten unter ^od^beutfd^ rebenben ^serfonen
bie alte ^^nttidjen fid) i\)xe^ ebenfalls in ^Iserfe gebrad^ten
grünöUd^ biQlc!tifd;en Sdjlefifd; bebienen fonn, o\)\u bofe bo§
in (Sprad;e wie ^t^^t^muö anfföllt. 3a gcrabe ber S]er^ rairtt
J^ier oerfö^nenb. S)ad (raffe älebeneinanber von SBirfUdj^teitd'
unb $]()antanefcenen in ,,$annelei$ Himmelfahrt" mirb babuni
oermiebeii; bie pi)ere %oxm tnilbert, ja oerbinbet bie ©egcnfäte.
S^od) ber „^lUn jiintenen ©lode" ift igauptmann neuerbingd
nod; eiuuuü in „©d;lud unb ^au" (1899) ^alb unb Ijalb Quf
bie gorm bed ^^ärcf^enbramad surüdgetommen. B^lui unb
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d45
3au finh ^toei atme Xeufet ttnb ^rutifenftotbe, We an heti
^{)oren einc§ nuird)ent)aften giirftenfdjloffeö auföeßviffen tDerben
unb burd; entfpredjenbe ©imulationen be^ ^ofperfoiiQl^^ unter
^eilnQl)me beg tüirflid^en dürften ba^ii gebrad^t roerben foUcn,
ftd^ fetbft ffir ^ürfi unb ^ttrfttn su Ratten: ein @£pmment
böiJ bei €(^Iu(f gum ©rfd^redfen gut, bei Sau, \)kx aud^ md;t
in feinem ganzen möglidjen Umfang unternommen, roeniger
gelingt. ^er «Stoff ift alt, bie ^eljanblung fc^iüerfällig.
3n)ar fü()ren bie beraubten 2lnlef)nungen an Sljafefpeare fon)of)l
in ber @pi:a<i^e wie in bet Q/A^nun^ bec beiben diüpd, ber
l^eitete SKfttd^enton, ber namentßd^ bei Snoäl^nung ber jatteii
Siebe be^ ^örften ^ur 6tbfelitt ongefd^Iagen wirb, unb nid^t
minber aud) bie ffi^jierenbe 2lrt ber ßEjarafterjeid^nung in ber
©d^ilberung be^ ^ofeg unb ^ofgefinbeS ol^ne gä^irlid^feit in
bad romantifd^e £anb, ha& l^ier unb ba ettua atö bad i^anb bec
ftan)ö{tfd^n SiebelBl^dfe angebeutet »irb. Sbet man Rel^t: ma»
ben S)i$ter eigenttid^ feffelt , ift bod& nid^t bie bunte Seifen«
blafe eineg rermorrenen @efd^ef)en§, fonbern bie Gljarafteriftif
ber feelifd^en Biegungen im ©runbe nur einer ^erfon, be^
armen ^lufe^gürften Bii)iud. 3lud^ infofern ftettt fid^ „6df)ludf
unb Sau" neben „AoUege (S^rampton''. 3n beiben ©tüden
Hegen ^unöd^fl unb eigentHd^ 6:^arafterfiubien vor.
Unb begann nid^t and) fdjon in ber ,,33erfunfenen ©lodfe"
im ©runbe ba^ pft)d^ologifdöc Sntereffe gn übermiegen? 5lug
bem ©pmboliönm^ ^lerau^ fc^reitet ber S)i4lter einer neuen ^i\U
toidlungdpenobe, ber einei^ audgefprod^enen ^fpd^ologidmud, }u.
Snbed todtx bie $eciobe bei$ Xraunt« unb Wftrd^enbramad
mit ben SBetfen fiauptntanniJ feine«n)eg8 erfd^öpft unb ab»
gefd^loffen. (Bo hxa6)te j. 33. and^ ©ruft -üioemer ((SIfa iüernfteiu)
nad^ Xramen eine^ naturaliftifd^en 3t"P»^cifioniömu^, ber au«
bem 5p^9fiolo0ifd^en fdfton jlorf ins ^fpd^otogifd^e übergriff,
in ben „Jtdnigdtinbem" non 1895 ein 9)>}är4enbrama. ^ber
entmidnungdgefd^id^tHd^ gelangte bie S)id^tetin bod^ nid^t fiber
ben fd^arfen ^ualiömuS üon 31aturati§mn« unb ^^^(janta^ma
t)inaug, ber „^annete" fenn^eidjnet, wenn fie aiidj gur ^er=
{i^bnung bed ©egenfa^c« ein neued iD}oment^ näuiUd^ bie ^er«
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346
w«nbung von Muixt, einfül^rte. Unter ben jpäteren 3Jlärd)en*
bramen aber tDären vor allem n)ol^l ©übermannt „^rei 9iei^«
febem" )u eno&l^iteii, eine in l^uttiden Setfen hxamatifUtit,
int ©ntnbe aber epifd^c ©efd^ic^tc von einem ^rinje«, ber
pergcbeng nod^ einem Sbeole fud^t, beffen S3efi^ i^m fd^on in '
feinem ^eibe gefd^enlt ifi, unb barüber bie^ ^beal oerliert.
4. über an$ mit bem Wtt^tn* unb Xraumbrama waren bte
Sßerfud^e, auf mittelbarem SBege gleid^fam jiim pf^d^ologifc^en
^rama gelangen, no^ feine^roeg^ abgefdjtoffcn. ^oriit bie
eigentUd^e ©c^raierigfeit iaq, birelt Dormärt^ bringen, in-
miefem namenUid^ bie llonfun^ t)on l^od^^el^ber ^f^d^olo^ie
unb Korer, auf fidlerer SBeltanfd^auung begtünbeter Sd^idtfatö*
ibee erfl ein roirf lid^ einbettlid^eg S)rama ber ©egenmart eräugen
fann, unb inraieroeit bei biefem notroenbigen 3wfQmmenrairfen '
ber gaftor ber @d^idfaUibee bi^^er no^ oerfagte, baoon wirb |
er{l fpäter eingel^enb bie S^ebe fein fönnen.
Sid^er ifl, ba^ man ftd^ um bie 9)^tte ber neuniiger |
Saläre in ^eutfd^tanb einfhoeilen mit einem fd^road^en @rfat>
mittel ber 2Beltanfd^auung bel)alf, ber Stimmung — jener
perfönlid;en ©timnuing be^ ^id|jterg, bie wir, wie bereite
öfter betont, fd^on in ber 2x)xxt unb in ber fünfter jäl^lung
wie nid^t minber auf bem f^ebiete ber bilbenben AlAnfie aU
erited ftbergang^tmmtent |u ibeatifterenber itunfHlbung fenneit
gelernt ^aben. @g trat alfo ein, xoa^ man raolil bie Iprifd&e
(Srroeid^ung beS ^rama^ genannt l^at: eine fd^on oertiefte
$f9d^ologie ^unäd^ft bed eigenen ^ä)^ füljirte jur '^erfnüpfung
ber obieftioen pfi^d^otogifd^ @rfal^rungen mit fubjeftioeii
üRomenten ber Stimmung.
@r{le ©puren biefer i^twidflung laffen fid^ nun bereits
frül^ roabme^men ; entfpred&enb bem ftärferen pf^d^ologifdjen
@el^alt beS ^rania^ fd^on in ben formen beS p^pfiologifdjien
Snqireffionidmu^ würben |te bereite bei beffen fortgefd^rittenßen j
Sertretem bemerkbar. @o l^at ^iirfd^felb bereite feit minbeftaS |
^itte ber neunziger ^^a^re elegifd^e äRomente unb C^arobeie,
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Dtd^tung.
847
beten Umriffe qreid^fom buftiQ foniponiert finb roie bie Konturen
in geioiffen @emä(ben ber Rut^ ber ^aYbenfpntp^omfer; äl^nlid^
^d^net 6d^nit(er in feinen frü^efien Sid^ütngen; no($ weitet
enblid; gel^t ©rnft ^io^mer, eine 2)id^tcnn, für bercn oon Slnf ang
an gerftotternbe unb ftinimunggüoHere ^^robuftton ber S^atne
be3 ^rantQ^ „^Dämmerung" oom ^a\)xt 1893 ^araftcriftifd^
ifL ©(eid^iettig abet mit il^t, ja tHeUeid^t no4 ftül^et ftnben
ftd^ Sputen Ii^tif^et (Snoeii^ung f<$im in ben SMranten
jQotttebeng, be§ l^eimli$ fentimentaten, offen ironifd^en ^id^terg,
fo in ber „Slngele" öon 1891, in „^ama Sogert" von
1893 u. a. nu
Slld bann neben bem naturaliflifd^en i)rama bie !0{&t(i^en«
unb ^tauntbid^tung mit aE ibten f9mbo(iilifdjien ^iementen
etbtüf)te, ba tog eiS in bet !Ratut au4 biefet ^tmidlunq,
ba§ jugleid^ ber btantatifd&e l^t)ri^ntug flieg: benn ©ijmbole
Tüirfen immer auf bie lang f am aufquellenbe, (^rifd^ d^arafte*
tijierte ©mpfinbung. S)cr 3"fommenfian(i jeigt fxd^ fd^on
batin, bag biefe ^amen miebet bad muftialifti^e Clement, ben
Setd begünfUgen ; unmittetbat )u 5tage ttitt et in Hauptmanns
,,Serfunfener ©todfe".
3um befonberen ^unftroerf ift ba^S ^rama ber Iprifd^en
^noeid^ung bann burd^ bie namentlich neurologifd^en @^eri'
menten nad^ge^enbe &xuppt um ®eotge unb ^ofmanm^tl^al,
oot aDem butd^ 6ofmanni$t|aI felbft entmidelt motben; oon
i^m IJaben mit bie Shwnen „©eflcm" (1892), „^et Xoh
^ijianS" (1892), „5Der X\)OX unb ber ^ob" (1894), „^ie
fiod^jeit ber ©obeibe" (1899) unb „5Dcr Slbenteurer" (1899).
3n fteinen ^cenen finben mit f)ut bie gtoge formale 5lunft
biefet @tuppe unb oot aDem 6ofmanni^t|afö felbfl miebet:
bie Setfe fd^meid^etn ftd^ mieSRufi! indDl^r; unb nid^t fetten
werben ^öne ^ol^er elegifd^er 2Beid^l)cit angefd^logen. 5(ber ba§
©rgebniiä be^ 2lnf)ören§ meljrerer von biefen (Etücfcn ift bennod;
bie ^intönigfeit, wenn aud^ bie ^intönigteit ber ^nmut.
^ann ed gelingen, baiS S>tama, bie objeltioiie aSet
ZMd^tungiSfotmen, mit petf5nlid^en Stimmungi^bmenten fo
burdjtränfcn, bafe wir jeben Slugenblidf ben ^idjter oerr-^Jurd^
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348
ol^ne ba^ bte ©atttmo (eibet? ©d^toerlid^: bie tbealifi$ai
(Simmte bed (\xo%m ^ama^ mfiffeit anhex^wo^et fonttnai:
mi« einem ©(aulcn, ber 3Iutor unb ^ublifum ^uc\lei(3^ unb
gtcldjinafeic; er)d)üttert. roefcntlirf; neuro fociiifd^e 2^ranm
aber ift ein jiinb neroöfer @infam!eit unb ariftofratifd^ gurüd*
g^ogenet @nipfittbun9. €o nritb eiS^ fetbfik im ^aOe gfitifitgficr
pfijd^oIoGifd^er ^erantac^ung feiner S)td)tet, bod^ nur ein ffleim'
\6)ob bleiben am Raunte ber ^id^tung aud^ ber ©eqenroart.
^ft aber biefc pfrid^ologifdjc ^Begabung felbft bei ^ofmami^^
i^al, um oon ben kleineren fd^ioeigen, in jenem ^ol^en WiQBf
Dorl^anben, ha^ für ha» mobeme !3>rttma unerlägUd^ iß? ^
feinem „%^ot unb ^ob" I&|t ^ofmanndtl^al ^(aubio fa^en:
Sßao meif; id) benn üom aJienfc^eiücbcn?
Sitn freiließ fd^einbar brin gcftanben,
9l6ev ic^ ^ab' e§ l^ötöftenö oerftanben,
Aionnte mid^ nie barein oerroeben,
^ab' mid) niemalä bran oertoren«
(Sl^ fdnnten ^^erfe eine8 @e(bfl6efenntniffe§ fein, fo fel^r ent»
fprid)t ibrem 3n()a(t ber (Sbarofter be§ ^id^ter^. Unb nid)t bfofe
ber be^ ^idjter-s allein, fonbern fogor ber ber ganjen ©ruppe,
ßofmanndt^al unb Denxmnbte Naturen ftnb oiet }u fel^r rei^fouie
9leuro(ogen, um Sramatiler su fein. Sie l^aben bie 9S3eIt
ber eigenen iraieren ©rfal^rung obgetaflet unb obgetaufd^t h\i
auf bie 3ierüen: bafjor bie rcunterbare gülle il^rer ©timmuni^en.
2lber bie äußere äBelt fenneu fie glcid^fam nur üerftanbee*
mabxQ, benn bie ^Rertenbeobad^tung bitbet nur ben @inn für
mflanbedm&jsige S^gfX^tm^ ani. Unb fie lernten bie 9Be(t
ou^ nur oberffäd^lid^, benn fie {inb oie( xnel nur mit fld^ Be*
fdjQttigt. SiMe follten fie ba ^ramatifer fein? ^Der ^ramatifcr
roenbe feine Singen oor allem von fidi wec^: 5lenntniS ber
©rfc^einungg* unb ber SWenfd^cnfülIe aufeer i^m fei feine crfle
Slufgabe. (hfi an ^weiter SteUe beobachte er bann f ^arf fein
inneres, um fein grunbfäglid^fied Streben burd^ 6etb{ler(enntm«
ergänj^enb ju oertiefen.
©eroife war nidjtöbcflomenic^er entnudlung§(^efd&iditli(6
gleid^fam nötig, bad i^rama b\& in ba^ ^strem ber Ipdfc^eu (^r*
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3)iff>tung.
349
meid^ung §u ttetBen; neue; tmoctlietbdte (Weiterungen bevimima'
tiid;en Kauft finb and) auf biefem 2Befle geroonnen irorben. 3lber
eine neue 05ruublage für ba^ ©ange eiue^ brauiati)c^eu 2Iuf=
baued iDurbe babei nid^t erreid^t, — fonnte uid^t ecteidSit iDerben.
(SA ifi wa Urteil, bod man aud^ Ober einen anberen SSer*
fitdt eined goi^ befimberd neurologifd^en ©timmungdbromaiS
n>irb faden ntüffen, ber oom 9$(am(anb audgiug, ober^ wie
bie olamifc^e Muuft beiJ 19. 3o^r^)uubertö überhaupt, lüd^t
o^ne aßirfung im innereu ^eutfd^laub geblieben ift. ^eun
ber Slame, ber biefen ^erfud^ unternahm, ^Diaeterlind, fte^t
Sioat 0(ei4 ben ulomifd^en WHaUm bed dmprefftonidmui^ unb
ber Sarbenf^mp^onie unb gleid^ ben SReiflem ber belgifd^en
$(afHf te<i^mfd^ im engflen Bufantmen^onge mit ber fran^d«
fifd^eu Äuuft, im ©runbe aber ift er bod^, wie biefe 3)ialer, ger*
monifd^; unb iu ber befonber^ energifd^eu ^ilrt, mit ber er in
ber ^ft liegenbe Probleme erfaßt unb ber ^fung jufü^rt,
enoeiit er ft^ f ogar atö l^eroorragenber S^rdger einer fi^iftf (Iben
germonifd) olomifd^en Stommedeigenfd^aft, jener berb zugreifen«
ben M^nt)eit, n)eld^e bic Flamen fd^on he& ^littelalter^ auS»
gejcic^net bot.
ä)^aeteriind oeröffentlic^te ^uerft eine G^ebid^tfammlung
«Serres chaades**; befannter umrbe er aber erfl burd^ feine
S>ramen, berenfrü^eße, „LaprinceBseMaleine^, „Lesaveugles*
unb „L'intruse*, too^t aud^ bie für feine neurotogifd^e ^ed^nif,
infofern bieje Diac^aliuier gefuubeu l^at, bejeidineuDfieu fiub.
2)ag, roa^ ^J}taeterlincf iu biefen S^ramen erjä^lt, finb jeitlofe
(Sefd^ic^ten ober oucb nur raumlofe 3uftänbe — fo ift bad 6tüd
«Les ayeugles" eigenttid^ nur ein enbtofer, pi titttneimd|iger
9larfofe auiSgebe^nter Ittagegefaug über bie ^i(f(oftg!eit ber
Sliuben — : pc^fteuö baü burd^ bic Sc^ilberuug beö flimQtijd)eu
unb räumlicf)eu (Eljarafter;? ber 2x)p ber ^iieberloube leife l)in-
burd^fc^aut. ^ber biefer %x)p ift bann al^ ber einer längft
mgeRhien, mörd^ml^f ten 3^t genommen. Unb auc^ f onft aeigt
bic {^anblung burd^oud bad SBefen M 9RSrc§en(af ten; tetne
Bpm wn mirflid^en S^enfd^ mit f^leifd^ unb ^(ut —
^keteiliad fc^reU)t oor, ba^ bie liHoUen {einei: 8tüde burd^
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350
Dichtung.
9J?arionetten qe^thm werben f ollen — ; feine ^Injeid^en innet'
Ud^em SRotimenittg, feine folgen<j^ti0e(^{c^to{fen^eit ; im ^egen*
teil: SBimber auf SBunbec unb SpiriMtmtd mt oOlen (Snben.
©oroeit babei oon einer ^ftjd^ologie bie S^ebe ift, iflt c5 bie
ber llrjeit unb ba§ l^eifit eben beö SJiärd^en^: inipulfioe QnU
fc^Iüffe, bie ftetö unmittelbar ou^gefprod^en werben ; etoige 2lna*
logiefd^Ülffe an Stelle taufalen S)enfend; &imbt an
unb Sorbebeutungen ; B^Iaffung ber Statur al& einer mit i^rat
ÜlBirfungen ftänbig in baS menfd^KdJe fiebcn eingreifenben pleid^«
krcc^tinten Wlaä)t, einer Äomerabin gleid)fQm ber menfd^Iidien
©efellfd^oft. Unb in biefen ©renken eincÄ ur^jeitlidjen ^enten^
l^errfd^t aud^ ui^tUd^e (^pftnbung: aled föUt auf bie 9leam
aOein, unb mt il^nen au9 reagieren unmittetbar aQe ©eflalten.
Uber frelli#: btefer ganje geiftige 3wftanb wirb nid^t natö
roirffam in bem 8inne, bafe ber Slutor in i^m inftinftio unb
Iriebmäfeig lebte, gefd^roeige beim, ba| bie ^örer ba^u ein*
gelaben würben, bied )u t^un, fonbem er wirb bemüht tmb
raffiniert burd^gefill^t mit ben clu|erflen SRittebt eined mobemen
neurologifd^en 3"ipreffioni»muÄ.
(5rgebni§ ift natürlidö, baß alleS feltfam unb fonber»
bor erfdjieint — feltfam unb fonberbar finb 3Jltteterlindf§ ßieb*
ling^worte — , bog bie @eftalten ber Süline mie nod^ me^
bie 3ttfd^<tuer von einer iVleroenerregung in bie onbere foDcn;^
ba§ fte oercingfHgt unb erfd^rodPen werben in bem (grobe etma,
raie ber 3Wcnfd) unoorbenfUd^er ^extm einmal ooH ©rauenS
unbegreiflid^en 9?aturgen)alten gegenübergeftanben ^aben mag.
Unb biefer ß^arnfter ber 2)id^tung wirb nod^ gcfteigert burd^ eine
abßd^ttid^ unbel^olfene ^ma^Aun^ unb gelegentUd^ Spon^
nungen ber UtmerfifinbKd^teit — Stuffd^iebungen nötiger
flärungen, Dorfrül^e ^infü^runc^ Don 3J?omenten unb ©eftalten,
bie eigentlid^ erft oiel fpäter gebrandet werben, u. bergl. me^r.
©aiS ift nun bie ^IBirfung biefer fonberbaren 2)id^tung?
3n «Princeese MtUeine" erfCftrt ber Ittoig einmal: «.lieber,
ber l^terl^er (ommt, wirb tranl." S)ad ifi eik SHefe ^oefle
faßt auf bie D^eroen; fein B»foll, baft eine^ Sinnet beraubte,
SKnbe, 2:aube, ba^ 2»rrfinnige öfters^ in ^J}iaeterUncfj$ Dramen
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351
norfomnten. 2)ic 2Btrfung xft fafl birc!t itnb U\mf\ avti^
f ^He^li^ pj^t^fblogif : bet Jtteid bec mobemen poetifd^ett Snt«
toidtuitg ^eigt ftd^ in geiuiffem @titne ooDenbet: wn bet 2)at'
ftellimc^ bcr pl)pfiologifd§en (Srfdjeinungcn ginc^ fie au^ unb
rebujierte beten SBirfungen auf S^emneinbrüde ; je^t fi^Uefet
fie mit einem Apparat äugerer bramatifd^ec @rfd^einimgen,
beten aui^efptod^ Sibjtd^t ifl, fafl nur tto$ netodfe
vegunf) ^etüoi^urufeti.
greitid^: ebenfo richtig ift ?iu fagen, bafe biefe Erregung
6ci anberen nid^t eintreten würbe, roäre fie nid^t in ber
unterfien Stufe gleid^fam bed Seelenleben^ , in bem dlexveti'
taum bed S)i<i^terd ootl^anbett gemefen, itnb l^ötte er nid^t filr
fie in feilten S)tanten ben für i|r Sitten auf bie mobeme
Seele eben notroenbigen unb entfpred^enben fSuShmd ge*
funben. SSon biefem ©efid^t^punft au§ betrautet l^anbelt eS
fL<3^ bei ben S)ranien 3JlaeterUn(fg um neurologifd^e Stimmung«*
bratnen ou^gefprod^enften (S^axatiexi, ja um eigentUd^ mel^r
ate rein fubjeftioe ^tintmungi^btnunen: benn ba bad in il^nen
mettretene tttt)tl)ifd^e unb 9Rätd^eneIement wenii^fleniS für bod
feelifdjc ©mpfinben unb Sluff äffen raeit ^urüdliegenber Briten
ber objeftiocn SBirflid^fcit angeljörte, fo rcirb ifinen aud^ für
baö ©mpfinben ber ©egenroart nod^ etroo« von jener SBirf*
iic^Ieit, ate ein pf^d^ifd^ei^ @ebiment gteid^fam aQer Urzeiten
unb SNüttelalter, ^u teil: fie loirfen wie ^efpenflerfcenen auf
nod^ i^atb unb im ftillficn Stillen gefpenftergläubige ©emüter.
J^ft eg bei biefem 3itfömmen{)onge üerrciniDerlid^, baß
3KaeterIind perfönlid^ fel^r balb ftärffte, burd^auö mittelalterlid^e,
ia ui^eitlid^ Spuren religidfer ©ebunbenl^eit oerriet, baH er,
Spiritifl f($on bei Xbfdffuni) ber „Pnncesse Maleine**, fpftter
3Wt)flifer warb unb Sudler eine« urjeitlidj gebunbenen ©otte«*
begriff« auf eigene gauft? ^a« merfroürbige 23ud[; „Le Tresor
des Humbles" (1896) geigt biefe ©ntroidlung öolljogen.
3n ^eutfd^Ianb l^at SDiaeterlind^ anfang« wenige unmittel«
bare 99ad^al^ttter gewonnen, wenngleid^ feine erflaunlid^e ted^'
nifd^e ftunft frül^ Semunberer fonb; neuerbingd bagegen fd^eint
fein Hinflug ein wenig im SBac^fen fein: ^rnft ^io^mer
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352
i, SB. öc^t in einer jüngeren ©diöpfung, „3}Jutter -iDiaria", ent*
fdftieben {einer £unft neurologifd^er äBirfungett nodf).
(StitiDi(f(undd9efd^t<i^tKd^ ober wirb man SRoeterlind mit
ben beutfd;en ^timntuttgiSbrQmatttem ^ufammenfiellen tnüffett.
So ücrfdjieben bie ^e($nif auf beiben Seiten ift, fo ücr*
loonbt ift ba^ 5lu^gcl)en von ber ^kiDengnuiblatje uiib bae
drängen in bie Stimmung : nur bag biefe <5timmung bei ben
S)eutfd^en me^r fubjettio gefaxt unb banim mel^r von ber
$erfon beS ^i<|teriK ^er bem 3ui^i^tet oorgetragen mhb,
toft^renb ber SSIame, roie gefagt, mit obieftiuen 3)lomenten j
oergangener ^exkn arbeitet, bie ber ©egenroart nur no($ als i
Stimniungi^iDerte gegenwärtig finb, unb ba^er imftaube ifi,
biefe S^iomente me^r oud ben gegenfiänbUd^en ^rfd^einungen
beiS SramaiS felbfl l^eraud im gu^rer mad^jurufen. Sägt ft4
öber banim ?Wöeterlintf fd^on al« „obieftioiftifd^er ^beölifl*
be3eid)ncn? ©rfei^t ()ölb objcftioc ©timmung^gruiiblagc
bem mobernen 9}knfd;en TOirftid^ eine äBeltanfd}auung? ^eine^^
wegg, i)ielmel;r rairb biefeni ber aßeg, ben -iDJaeterlind ein*
gefd^lagen ^at, bei flarer Überlegung um fo meniget pm 3ieie
p führen fd^etnen, je voai)xf)a^t mobetnev er felbft im ®runbe
feines ^er^enS fü()(t, — unb baö, rcaS bat;er an 3Kaeterlincf
an^iel^enb bleiben rairb, wirb fd^liefelic^ bo(J nur bie rein neuro-
logifd^e @runblage fein.
Unb fo toeifl bemt au^ ber @ntn)id^(ungi^gang bed neu»
rologifd^ S)ramaiS mieber barauf l^in, ba| ed mit rein imprefftO"
niftifd^en ©yp^nwenten, felbft unter 3)reinga(e irgenbroeldjer
Stimmung, auf betn (^)ebtete beS ^3)ramaö nid)t getljon ift: bafe
oielme^r feftere Elemente einer objeftiuen SBeltanf d^auung ber
(^egenn)art l^insutommen müjfen, foQ eine groge bramatifdj^e
Rmfi entfielen. Elemente einer fold^en äBeltanfd^auung ober
ftnb nielfad^ fonferoatiue (Elemente: unb fo begreift eö ^lä),
bafe man, inbem man baS SBebürfnt« bunfel fül)lte, ben ölicf
rüdnnirt^ roanbte in bie ^ßergangenljeit: Sßerfud^e ber S8er*
quidung Don alt unb neu, ÜbergangSftufen jmifd^en bem ^rama
oon lieute unb geftem l^aben fd^UegUd^ mn meißen bad 8e*
bürfnid eined 9>ramad groger SBeltanf d^uung gef 5rbert. ^Ii4
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858
ift bamit ntdjt etroa fd^on unmittelbar unb an eine neue
SBeltanfd^auung entroidfelt unb bromatifd^ nnr!fam geworben:
neue fittUd^e unb metapl^^fifd^e ^h^ak fönnen nur an^ bert
tief {teil Xetibenaen bed 4Sefamtoer(cmfd bet ^Iturerf^eimitigett
^eroorgel^en. SBol^l aber i|l biefe SBenbung inbitelt einem
ibealiftifd^en SDrania ber 3wfu"ft 8« QUte gefommen. ^enn fie
fül^rte, inbem man an ba^ pjijc^ologifd^e ^rama ber ^er*
gangeni^eit aufnüpfte unb beffen ^nforberungen unb (^rgebniffe
nur immer mel^r su uectiefen befirebt toar, bem
Straftet bed mobernen 3mt>teff{onijSmitd mögtid^fl entfpred^en«
ben tittb bonmt ben 9itforbenm(|en ber 3^^^ gemäg e^aften
braiuatifd^en ^ftjd^ologi^mug: biefer ober, bie üoHe ©rfaffumj
ber ßl)araftere be^ ©tüde^ in i^rer \)eutt erreid^ baren fcelifd^en
(S(an§l^eit, begann eril bie tuid^ttgfte unb unerlägli^fte ^or^
bebingitng fd^affen für ein S)tama^ bad eben biefe ^od»
^eftatten einer Sd^idfateibee §u unterfleflfen beflrebt ift
» *
5. 3n ber ^^at l^atte \iä) ^nm(i)\i, biefen 3ufammen«
Röttgen oororbeitenb, fd^on löngffc ein S)rama ber Abergangd«
fomten von alt §tt neu enhoitfelt
l^atten ftd^ ba äl^nlid^e ^inge abgefpiett wie in ber
©cfd^td^te ber Kunfterjä!)lung : in ftarfen 9}kffeti l)atte fid^
neben bem dUmn junädjft baö 2lÜe gehalten, imb fd^on biefe
^l^atfad^e ^atte bie ©ntroicflung eine^ S)ratna$ bed Übergang^
begünftigt Son biefem ällten nun, fo treffUd^ aud^ teiinieid
no<| war, ifl ^ier nad^ ber ganzen 9(n(age biefed 9n^e» nid^t
ju fpred^en. äi^olil aber von ben 3J?ännem be^ Übcrijangg. Tlit
roenig SBorten fann ba suimdjft über 3^id^arb ^ofe (geb. 1851)
berid^tet werben, ©eine 2)ramen „Sllejanbra" (1886), „^m"
(1889) lt. a. finb älui^läufer ber fran^öfifd^en Gom^die des
moBurs mit einigen SugefUinbniffen an bie imprefftonifUfd^e
^ed^nÜ: eben biefer 5!ompromi6form falber würben fie feiner
3eit Diel gegeben unb gern gefe^en.
2)er flaffifd)e 5Did;ter aber beä Übergang^bramaö, roie ja
oud^ ber UbergangSerjä^Iung ift 6ubermann. @d^on bad ift
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für i^u in biefcr ^infid^t d^arafteriftifd^, boB er feine Schüfe
gcbilbet inib feinen 5lnl)an£^ gefnnben l^at. ©elbftuerftänblid^
fott babei mit bem Sßorte „Übergang^brama" fein äöerlurteil,
etsoa gar in tobelnbem ©inne, au^3gefprod^en werben, ^er loeijs
betin f d^Ue^id^, ob aud ber äSeteitiigitng mx aU unb neu, hk
Subermann ittimet loieber in fietö neuen ©d^attierungen fd^fft,
nid^t om (Snbe hoä) iDcnigften^ 511 einem ^eile bie ^unfiform
ber 3"^»"ft fietüorgel^en wirb? Qat md)t ber ^(afftji^mu*
be^ 18. 3ö^)^^ii»^ß^t^ ^Bereinigung ber Sl'leuerungen ber
(^mpfinbfam&it unb bei^ Sturmi» unb S)ran9d mit ^rül^etem,
fteUid^ unter ftotfem (Sinfd^ug bet Sntite unb eigener fetiN
ftänbiger @igcnfd^aften gebrad^t?
Qm c\a]\itn barf man roo^l betonen, bafe Subermann fid; beni
nnturaliftifd)en S^^P^^^ffioni^mu^ oon oorntjerein aud) beö^alb
nid^t DoE Eingab, n)eil il^n fd^on fe^r frü^ et^ifd^e Probleme
tiefer befdj^äftigten ate anbere gleid^s^tige ^amatiler. &t ifi
felbfl im Snnerflen tief (eibenfd^aftUd^ unb rötimt barum ber
großen, auf bem 9kturboben and) ber ©egenioart geraad^fenen
Seibenfd^aft mit iljrent (BiljO^ unb ^at^o§ in allen feinen
©tüdfen, felbft ba, m xok in bem ftarf mobcmen „Sio^anne&",
l^alb pervers auftritt/ eine entfd)eibenbe Stelle ein, — nenn er
^e aud^ nie ol^ne allerlei SBorbel^lt au&ioUn l&it So miitett
er g(ei(5^fam ein neue« fittlid^es Qbeal, o^ne e« ganj ju errcid^en.
^iefe 3^^^itterftellung giebt i^m einerfeit^ immer mieber
ben 3(nftof^, ^^]erföiilid)feiten oon einer grei^eit unb ®rö§e be^?
SBud^fei^ ju fd^ilbern, toie fxe roenigften» ber p^pfiologifd^
Smpreffionidmud nid^t leidet oerträgt, unb anbererfettd bo4
aud^ wieber bie imprefftonifHfd^e Xed^nil immer fUlrfer unb
mit ftcigenber üHeifterfd^oft ju pflegen. Unb babei ift unoer*
fennbar, bafe fidj jmifd^en ben ^loiefpältigen DUd^tungen feinet
Sc^affen^ immer mebr ein 5lu^gleid^ oott^iel)! in bem Sinne,
bag eine t)o(I imprefftoniftifd^e Stec^nif in fletiger e^ortbitbung
fd^tteglid^ bod^ einer (eifen Stilifierung bienen lernt unter bem
Einfluß allgemeiner, auf eine befonbere Sd^id^fa[^ibee ^inaud^
laufenber Süenbenjen.
SBon Subermann l^aben wir bie „ß^ce" (i6\)0), „Sobom*
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@tibe'' (1801), bie .ßeimot" (1893), ©d^metterHng«*
\d)la(i)t" (1895), „Morituri" (brei (Sinafter : „Xt}a", ,,5ri^d)en",
„S)a§ Qxü\Q'mnnM)e\ ISOii), „^a§> mM im Sßinfel"
(1896), „3o^anncS" (1898) unb „3ol)anniöfeucr" (1900).
S^d^nenb für ben 2)id^ter ift {d^on^ ba| gerabe fein
etfied groged t3)rama, bie „(S^xt", obwol^t etH bem Sa^te 1890
ongel^öriö, nid^t eigentUd^ oli^ noturaliftifd^ begeid&net werben
tauu. ift nod) ein ^f)e)enuücf im ©inne ber Comedie
des moeurs, t)on ber ©ubermann überl^aupt ungemein, nament-
ix^ für bie fünftlid^ oerfd^ränfte ©cenenfübrung, gelernt ^at.
Unb aud^ bie eigentßd^ Xed^nt!^ bie äußere ^orm, ift feinei^
megd imprejjtoniftifd^. @ie trägt oielmel^r ebenfalls ben
©tempet beö fortgefdjrittcnften fronjöfifci^en D^ealiömu^ ber
^uma§ tils, 2lugier unb Sarbou. 'Dcög[i(J bo^ biefer 3ii=
{ommen^ang baburd) noc^ ftärler geworben ift, bafe ©ubenuann
bod @tüd unter S3eirat Stument^ote einer Ißearbeitung unter«
sogen l^at. 3m Stüde fetbfl with bie ^^efe, ganj nad( ber be«
fonberd von ^umad fils geübten ^rt, burd^ eine oudbrüdPlid^ afö
e^oruS eingeführte ^crfon, beii @rafen ^raft, tjcrtreten. ©ie
lautet im Dberfofe: ,,3Jlein ßerj pflegt ftet^ in bem ^afte 3u
fd^iogen, meldten bie Sitte bed Slanht& oerlangt, beffen @aft*
freunbfd^aft id^ genieße. S)enn id^ ntad^e mid^ gern }um
SHanen bed 9litieui$." ^ieraud wirb bann al^geteitet, bag
eg fei)r üerfd^iebene @f)rbegriffe gebe, nnb ouS bem 5lonflift
biefer oerfc^iebencn Segriffe, fo roie fie in 2)eutfd^(anb nad;
ber 2lbftufung ber bürgerlid^en ©ntroidlung bifferenjiert er*
f feinen, enoäd^fi bai^ ^rama. übrigen, innerhalb ber
iNimit gegebenen Sbee unb ber ^d^nil bed fron^öfifd^en ä^teali^
mud, ben)egt fid^ ber 9(utor fofort ats ein überouiS begabter
^hramotifer, ber ftreng ard)iteftonifd^ §u nlitbeni luciß, ber mit
großer Sidjcrl)eit §öljcii unb liefen ber ^anblung fd^nfft, unb
ber ^öd^ften^ burd; bie übergroße ?^ein(jeit in bem Qneinanber-
Kedl^ten ber SKotioe, burd^ bie raffiniert unb anfd^einenb faft
pi^ntafiefos lal&ilierte äSerltammerung ber ^anblung kid^t
etwa« wie Äälte berüormft.
2)cr äußere ©rfolg be^ ©tüde^ war aufeerorbentlid^j (e^r
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frii^ f)at t% ftd^ aud^ bie S^mpatl^ie 9CuiSlanbe9 ttnb Be*
greif (id)cnüeife junöd^ft bcr romanifd^en Stationen erobert.
^ie „^timat" t)ai nod^ mand&erlei S()nUc^feit mit her
„ß^re". Söor allem ber Umftanb, baS ein fieimfe^renber nid^t
mel^r in bie einfüge alte Ummelt pabt unb baraui^ ber Honflüt
enoäd^fi, näl^ert beibe SMnmten auBevotbentlid^. Unb auö^ batin
gel^5ren fte, nont ^tonbpunfte ber (^twidlnng oud betrad^tet,
gufammen, ba§ bie „^eintat" rcie bie „@^re" nod^ fein eigent^
lic^ imprefftoniftifd^e^ ^rama ift. @en)i§: bei il;rer erften
^uffül^rung TDurben beibe Dramen als unerhört naturoUftifd^
empfunben; |eute aber erlennen wir {te bod^ ber öugeren ^orm
nad| no<| afö Übergang^fiüdfe ; unb nor attem leiben fte nod^
oiel an ©d^aumfd^läi^erei unb ^Ujctorü.
5lm meiften näl)ert fic^ ©ubermann bann bem rein natura^
liftifc^en 2)rama beg 3)iitieuö in „SobomS ^nbe" unb in ber
«(Sd^metterUngdfd^UK^t". 3n beiden ifi bie Umn)elt bed ge«
wai^nli^en frfl^'inqnieffumilUfdften S)ramai^ oufgefud^t: bie
©ro^ftobt in il^ ^tt(i<i^ s^rfe^ten, melfad^ aud^ pi^t)fifd^ oer«
roüfteten Greifen. 3" beiben, oornel^mlid^ freiließ in „<Sobom^
©nbe", befielet bie ^anblung eigentlid^ nur auS einer 3"'
fammenrei^ung Don ^tiff^m, bie mtxt me^r atö {onß bei
©ubermonn ind 5l(eine audgefftl^ ftnb. @o fönnte man fafl
bonon xAm, bag ber S)id^ter l^ier ndDig im ^ntpreffumii^ui»
unter(^egan(^en fei; e§ war ju ber ^eit, ba fic^ aud^ SBitben*
brud), SBilbranbt, gulba u. a. iniprefjioniftifd^er Äunft be*
fonberö Eingaben.
S)a brad^te bod 2lal^r 1896 einen tttnfd^nmng. Suber»
mann ging oon jefet ab, unter aOem g^efil^alten an bem 3m*
preffioniÄmuÄ ber äußeren gorm, ber 8. gerabe in feinem
jüngften 2öerfe, bem „So^anniSfeuer", ftarf l;erüortritt, bod^
Dor attem ben äöeg ber ©eelenmalerei, f)oh bamit einzelne ®e*
ftalten l^erpor, ücrfudjte, wenn aud; mit pfpd^ologifd^nmpreffio»
nifüf d^er Xed^nil, immer mel^r gra^ unb leibenfd^aftlidde ^er*
fdnlid^feiten ju fd^affen unb näherte fld^ auf biefe SSeife bem
®rama beö ftarfen, von irgenb einer 6d;i(ffalSibee bel^errfd^tcn
Aonßifted. e^ fc^ien gerabe im ^a^xe 1896 einen ^ugen*
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357
Uxd, atö loottte er boS fernfte bie ^errfc^aft eine^ ibea»
(ißifd^en, oon einer befkimmten äBeltonf^auung tegierten ii)ramQd
auf einitiol emid^en. Damato erfd^ienen von il^ni unter bem
gemeinfanten ^itel „Moritari* btei ©inafter: ein gcfd&id^tlid^eg
Qiüd, „^eja", in ber ge^altooHen ^^rofa be^ ärteren ^iftorieii*
ftiU, ein (Bind qu^ ber ©egenroart, „gnfed;en", unter oollenbeter
2(nroenbung be^ Snipreffioni^ntu«, unb ein SÖMrd^enfpiel, „2)ad
^ig«9)Mnn(i(^e", in präd^tig bunten, oft pridelnben Serfen:
UrBeiten a(fo ted^t oerfc^iebener fiu^eret Formgebung. Uber fte
trafen ficf) in berfelben Qbee. Qn öden brei gätlen ()QnbeIt e§
ftd^ unt§ ©terbenmüffen, um baö g^atum be^ STobeö, ba^ alle
gleid^mögig antritt unb hoö) fo ungleichartig, inbeni eS ben
befonberen Umfianben ber Sebendfübrung aud^ einen bef onberen
Cbarcdter entnimmt. 9[ber bat nun ber S)id^ter biefe 3bee
irgenbwie vertieft? Qat er einen augenfd^einHd^en inneren
3ufanimen^ant3 jraifd^en ben brei obtueidjenben 5lrten beö
töblid^en ©efd^icfe^ in ben brei (Stücfen ^ergefiettt? 2ä^i ficb
bem breigeteittcn ©anjen etwa gar eine Döllig ffare, fie oer*
binbenbe b^b^ ^uff^^ffung, ber SUtn einer äBeltanfd^ung
entnebmen? ^d^werlid^. fd^eint ein migtungener Serfud^
fein; ifi eine nur äufeerÜd^e 3"fönunenfaffung.
2)agegeu ift üom „(53lüd im 2Binfer' an, ba^ auc^ im
Sabre 1896 erfcbien, fein 3i^^if^^ ^^^^ barüber, bag (tcb
Subermann loenigliend immer me^r ber ^^arafterfd^ilberung
}umenbet, unb jmar in )unebmenb flarterer gnteafioierung
gegenüber bem, mad unfere bromatifd^e ^unfl oor ber 3^t
be« 3mprc)fioni^mu0 (eiftete. ©d;on bie ^auptperfonen be§
„(^iüd^ im Sffiinfel" erbringen ben ^etuei^, noc^ me()r ber
Xitelbelb unb bie brei ^J^erfonen ber ^erobe^familie im
»Sobonnei^''. ^reiUd^ ifl babei bie @prad^e loenigfleni^ im
oSobannei»'' nod^ unbebolfen; unb oft finb Subenbe gegen«
feitiger Schiebungen ber ßanbelnben in fo wenige Sßorte
^ineingeflügelt, Dafe e^ überaus \ö)wcx, menn nid;t unmöglid)
rcirb, aUen 3lbfid^ten be^ ^id^ter^ in ber hii^en grift ^u
folgen, bie mäbrenb be^ ^erlaufe^ ber ^anblung auf ber
Bübne gegeben ifi. 3)ai^ 3uf<iinmenbrängen unb ^ermideln.
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}u bem ©ubermonn oon jelf)er neigte, öat ^ier einen @rab er*
reid^t, bec aus ber aUgenteinen iünfUenf(i^en ^enbeni ber Ufeten
Sa^tjel^nte auf Aongentration wol^t nod^ Slal^rung empfangen
l^at, hie Sßitfung bed StüdPed a(et entfd^ieben fd^äbigt.
2)q^ le^te Urania ©übermannt bagegen, boä ,,3o{)anni»'
feuer", ift oon biefem %q^)Ux faft frei unb anä) fonft flarer, ba
nid^t fo überaus oerfdj^iebene Helten, rok bie beS (^uan*
geliumd mit ber oon 9lom s^id^teten^ im jd^en ^tfaU be«
gtiffenen iübifd^en ^lationatfttltut fonttaßiert, fonbem otelmel^t
®efia(ten mifroeift, bie ftd& m\)cx fteben «nb beiSl^atb in flärferer
Selbftänbigfeit nebencinanber nnb gcgeneinanber (eben fönnen.
3m übrigen ift and) bas „3ot)anni^5feuer" burd^auö pfi;c^oIogifc^;
unb fo nnterliegt e^ n)ol)l feinem ^mn^ei me^r, bafe fic^ Suber«
mann feit ber sioeiten ^If te ber neunziger Sa^re au& bem S>ramo
bed Übergang^ilild l^eraud in ber 9iid^tung eineiS Promos bed
einfodjen pft)d^ologifd)cn ^mpreffioni^^mu^ entroicfelt l)at, boÄ
al^ befte 3.>orftufe für ein Xxania ber großen äBeltanfc^auuiig
gelten niufe.
Unb ifl nun feinedtoegd ein oereinjelter Vorgang. SHe
SBenbung entfprid^t oietmel^r einer oOgemeinen, aud| fonfl toafyc»
ne^mbaren unb in ber allgemeinen ©trdmung ber @ntmi(f(un()
ber $()antQfietl)ätigteit uerlaiitenbcii 5:enbenj: ber pJi^fiototjifc^e
Snipreffioni^mu^ mad)t, unter mandjerlei nod^ immer nic^t ab*
gefd^ioffenen f^mboliftifd^en unb ronmntifd^en gntermeijo!^^ einem
rein realifiifd^en^ burd^ feiuerlei @9mboIidmud gebunbeticn
pfi)d^o(ogifd^en Sntptefftonidmud $[a^ ; unb neben Subermotm
ift oor aflem aud) ^»Quptmann biefe^ 2i^ege^ gebogen.
Hauptmann l)atte in feinen Slnfangöbramen bie ©eelcn*
jeid^nung be^ naturalifttjc^en QnipreffioniÄmu^ geübt: Ergreifen
bed ©ostalpfpd^ifd^en namentlid^ enger menfd^Ud^er @emetn<
fd^aften unb biei^ mieber namentlid^ in feiner äu^n, gteid^fam
p^^riologifd^en, 6(06 fprad^Ud^en erfd)eimin9; unb oudj in ber
6d)ilbcrimg ber einzelnen Gt^oraftere oornebniHd^ 3)jQ(en unb
^T^arftcßen bc^^ ^eftänbigen, inbioibucU SiMtäublidjen, 5Dauern-
ben, ba^ $u '^^Iftion nnb ^teahion nur gebrad^t werben fann
burd^ einen äußeren älnfiol, bad (Srfdfteinen einer fremben
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359
^erfon in bem gefd^Kberten Greife u. bergl. me^r. ^Ueinf^on
frü^ lä^t {td^ bo4 Bei i^m j^ietfibev l^itoud ein 6efonbem Sinn
ffir bie ^ntwidPIung bet Qfyxaätm nml^tmel^nten. Ober befter:
Die 2lu^Tt)idIung ber (S^araftcre, ben ^rojefe, in bem ftd; ge*
roiffe Q.l)axdtexe von Hat unb abgefd^lofTen gegebenen ^oten^en
l&cr unter geroiffen Umftänben ju beren oollet Entfaltung fort*
bewegen, ^arum liegt i^m in feinen Dramen von ooml^erein
bie Cj^arattetfiubie na^e; So etat in ben „^infamen ^Renfd^en",
Sollege (Exampton, bie SBoIffen im „S3i6erpel5" finb fotd^e
©l^oraftere, bie er befonber^ eingc{)enb ftubiert l)at, oline fie
freilid^ im S^ftanböbranio anberö in i^rer jeweiligen 2ehm^^
breite, (^leid^fam im iQuerburd^fd^nitt ju erfaffen. W^ax ed
ober bentbar, ba| einer auiSgefprod^enen Segabung fold^e (^£peri«
mente genügten? Sd^n 9or allen 2)tamen, bie l^eute bdmnt
finb, \)ai Hauptmann in feinen ©fijjen ba^ Problem tiefer ju
faffen gefud^t. Sinb nun biefe Sfigjen ber 36i<^nung beg
Abnormen gen)ibmet unb infofent befonberd geeignet, nid^t
über ben 6^ara{ter ber ^tubie l^inaud ju n)ad^fen, fo lägt fid^
in ben neunziger Salären bad n»ad^f enbe pf^d^ologif Stntereffe
bed S)id^tet9 in ben S)ramen verfolgen. So t)ot ädern
in ber .Jöerfnnfenen ©lode": e^ ift boS crfte ©tüdf, in bem
Hauptmann ben SSerfnd; einer 5tu^TOirf(ung be^ ßljarafterö
feinet gelben mac^t unb )tc^ bamit bem eigentlid^en pit)c^o«
(ogifd^en ^rama näl^ert. Slber nod^ wox biefer ^erfud^ nur
ein tafienber^ unb ber 9Rdrd^enton fdfrlol oon ooml^erein eine
natutttliftifd^ feiner cifelierte (Sl^arafterfd^itberung au«. Sollte
ein üoHe^ (Seelenleben in feiner ©ntroidlung ^arfteUung
gelangen, fo war auf baö reine S)ramQ giirücf^ugreifen.
3m Qal^re 1899 erfd&ien ^auptmann^ „gwl^w^ß""
£enfd^el\ S)ad äRUieu ift bad alte fd^lefifd^, aud^ bie Xedftnit
im einzelnen ift bie alte. ®S wirb ). 8. fd^leftfd^ gefptod^en^
unb bie $erfonen finb fd^on in ben Sd^attierungen ber ©pradfte
d^araf terifiert , unb jroar fo fein wie im „^iberpelj" ; ber
Älettner ©eorge aug 3}Jei6en, in ©d;lcfien Ü)äti(i, fpridjt fäd^fifd^
mit fd^lefifdjem Slnflang, wie bie äBolffen im „53iberpelj" auf
fd^lefifd^ berlinert. ^fUu aber ift ber (^(laratter ber ^abel.
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360 Pit^tnng.
^enf($el, felbftänbiger 5"?)n"öim in bem fiotet eiiie^ frf)(efifd)en
S3abe^, ein ^erfulifd^ gebauter, gutmütiger, gernber, aber ni^t |
toettHuger ^ann, \)at im ^aud^alt mei^rfad^ Unglücf gehabt
unb ifi im Oegriff, feine ^au }u oerKeten. S)iefe etfd^liegt,
l^itfM oniK 8ett gefeffelt, aud Keinen 3i^d^n gutmütigen <lnt« <
gcgcnfommen^ i{)re^ 3)lanneg gegenüber ber ^icnftmagb §anne
eine Steigung ju berjelbeu; eiforfücbtig läjjt fie fidj üon ^enjdjel
oerfpred^en, bag er nad^ i^rem Stöbe Joanne nid^t ()eiraten
werbe, ^enf^el giebt bod S3erfpred^en, ol^ne i^m grogen 3Bert
bei)ulegen, ba er ft(| rein f^lt (erfier äUt). ^ie ^au fürbt.
^enfd^el entfd^Hefet fidj auf S^ix^m be« igotelioirtiS , §anm
0(dd^iuof)( ^u Ijeivaten, ba er t)on bereu hartem, ja gninb- ^
böfem ßbarafter trofe lauger 3J^ög(i(^feit ber ^eobad^tung feine
älfinung f^ai Uioeiter ^ft). ^anne, nun grau ^enfd^el, i|i
il^rem Slann untreu ; ein Ainb aud ber erfien bod fte |u
pflegen l^atte, fitrbt. ^enfd^el leibet unter ber &^t; in feiner
®rabl)eit glaubt er, fro^e^ Seben in fein ^eim bringen ju
föunen, iubem er ein uuebelid^e^ 5liub feiner grau, beffen ^afein
i{)u nid^t oon ber Beirat abget)alteu J)atte, biefer ol^ne i^t
Sßiffen ^ufü^rt f£)er @inbnici bei ber grau ifi ber entgegen*
gefegte bed erwarteten (britter Xft). Slnbere Seute fennen bie
^ttu beffer. fieuf d^el wirb an öffentlichem Orte , im SBirt«*
baufe, üou ber Untreue feiner ^rau unterrid^tet, uac^bem er
)d;on lange unter ber ftilleu ^ii^iict^^t^^uug früljerer 5^eunbc
gelitten (üierter 2lft). @r brid^t unter ber äBa^uDorftettung,
bafe fein Unglüd ^olge bed Stoud^ei^ bed fBerfpre^end an
feine erfle $rau fei, jufammen unb giebt ftd^ felbfl ben Sob
(fünfter ^(t).
3JJan fiebt auf ben erften ^lidt, bafe e^ fidb ^)iev uic^t
blo^ um eine ber impreffioniftifd^ l^erfömmlid^en Äataftropben
^anbelt; nid^t bie sufäUige Störung eined labilen ®(eid^geniid^tiS
einengt plö^Ud^ed Serberben, fonbem bad Ungere 92ebeneinanber
aroeier (£boraftcre reift aHmä^tid^ baS Ungtüd. (S^oraftcriftifd^
bierfür ift fd)ou, bafe in bem Stücf lüobl bie ©iuljeit be6 Drte^
geiuabrt ift, nic^t aber mel;r bie ber 3^it- SDabei ift einer
biefer (Sfyivalttxt üefel^art unb im gangen barum unoeränbei^
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861
lid^. ^Der anbete batici^cu ift wcid), unb banim unterliegt er.
S)ie einjelnen ^M)afen biefeg langfamen Unterliegend fd&ilbert
bad 6tüd. 9iic^t ald ob in beffen S^erlauf eine ilnberung bed
(S^orotteiid ^enf^ete erfolgte. S)er tiefere ^runb feined SBefend
blettt Slipon im etfien SOt tfl et ein f orgtofer tmb boc( loieber
in belifoten fragen übergeroijfen^ofter, etiüo« i)T)pod^onbrifd^
angetegter 3)?ann, ber fd^on nad^ fleinen SdjicffaUfd^lägen ge=
leqentlid) an ben Strid benft. 2lber road fid^ änbert, bad ift
bie ÄonfteOation ber ©runbeigen fd^aften feinet äBefenS; lang»
fmn oerfd^winben bie froren, (ebenfpenbenben, unb bie oer^ng«
nidvoDen, t»etberbHd|en treten l^eroor. & x% wie wenn ber
Gimmel fic^ überfiel)!, erft leife, bann bro^enb, um ftdf) fd^lic6=
lid^ im ^litjf^Iag ^u entlaben. Unb biefen ^i.^rojc^ {)at ber
S)idjter mit oüer 5tun[t bromatifc^^mpreffioniftijc^er Sdj^ilberung
9orgefü^rt S)abei ifl bod^ anbrerfeitd bie ©d^ilberung bed
3nfianbU<(en, bed SKUeud ber ^u^rmanndmol^ung^ bei» ^otel*
(ebend, bed 5tneipiDirtdbafein8 unb ber ©aflflube ti6Ktg feft^
gel^alten, unb weitere ^llicfe fallen börüber l^inauö aud) auf ba§
^anbroerflidje ^afein eine«S fleinen Sabeorted. ^J^fpd^ologifd^ed
unb S^iftanböbrama ^u^ki^, fo (önnte man »^ul^rmann
^nfd^eC' nennem
fBirb biefe SSerbinbung bei ^ptmann fortbauem? SBirb
Re bem rein pfpd&ologifd^en S)rama weid^en?
3)a^ neuefte ^rama gauptmannd, „^J)iic^ael5!ramer" (1900),
erteilt hierauf einftroeilen allein bie 2lntroort. ©ein Sn^alt
ift mit groci Süßorten erjäl^U; ein ^aler, £e^rer an ber ^un|l=
f^ute einer $romnsial^auptfiabt — beutUd^ ifi im etäd
SteSfam gefenn^id^net — , l^at einen ungeratenen @ol^n, unb
biefer gel)t gu ©nmbe. 2Bad bad 6tüdf und giebt, ift gunäd^ft
bie (Sd^ilberung geroiffer !DU(ieud: ber gamilie roie ber
6d^ü(erf4)aft bed ^^alerd^ leitetet DergegentDörtigt burd^ feine
Xoä)ttx unb einen begeiflerten mönnüd^en @d^ü(er oon auger«
l^alb, ber mit feinet ^rau s^gleid^ ba0 allgemeine äRüieu
mobemen 9Ra(eretenbd repräfentiert, enblid^ bed fineipmißeuiS,
in bem ber ©ot)n üerfelirt. 2lber alle biefe 9JHlieud pnb bod)
nur ^Uttel ^u einem einzigen ^mdi gur ^ontraftierung oou
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362 Did^tun^.
Bo^)n unb SBotcr. Unb biefe iiontraftierung tjt nun auf bcr
©runöfage erblidjier Seloftung be§ (Sot)ne^ üoin ^^ater l)er mit
groger {^eiiiljeit burd^gefü^rt. äBod wir t>or und i^aben, ift ein
Unb fd^on finb S![nsei<i(en in genfigenber ^n%a^l not*
l^anbnt, bag bie Sßenbutig einem e^otten pf^d^ologifd^
Qtnpreffioni^mu^ Qlli]cinein roerben wirb, dlidjt^ ift hierfür
oielleidjt bc^eicftnenber, a[§> ba6 bieje ^^eigung fid; aud), ja oor
allem bei ben (lemorragenbften 2)ramatifern Öfter reid^ö mo^r^
nel^menl&^t (^d fönnten ba junäd^fi enoö^ntmetben: ^rmonn
83al^r, bec feit bem „^fd^apcrl" (1897) ganj augenfd&einli^
in bie 33at)n pfijd^ologifd^cr Äimft eingclenft ift, unb diuhol]
2ot\)ax (geb. 1805), bcffen „^Witter, ^ob unb Teufel" fd^on
im Qa^re 1896 ba^ ^Dtufter eine« pft)d)oIogifd^ tief funbamen^
tierten ©inatterd barbot. @d()Uegli4) aber taud^t in biefem
Sufammenl^ang aud^ mieber bet 9lame ©dftnitletd auf. @d^nitler
^at rtd^ si^näd^ft 1895 in bem ©d^aufpiet ,,Sie6e(ei" bem Sm*
l^alte nad^ noä) in berfetben SBelt ber SBiener Lebemänner he-
roegt, ber fein „^mtoi" ongeljört; bod^ ift bie impreffioniftifd^e
Suftanbdfd^ilberimg l^icr fc^on mel)r ai& fonft in gleid^jeitigen
Städten fpe^ififd^ btamatifd^en @efe|en untenoarfen. (Svm
«»eiteren @d^ritt aui^ ben Stegetn bed früheren 3mprefftonidmuiS
l^erauiS unb l^in auf fictrfere bromatifd^e SBirfungen ^at
©d^niftter bann in bem ©d^oufpiel „greiiuilb" (1896) getljan.
Unb feitbem ift er nur noc^ mel)r in rein pf^i^ologifd^e S3o^nen
eingetenft. ©o ©or allem in ben brei ©inaftem „3)ie ©efäl^rtin",
„$arace(fud'% unb „S)er grflne ilafabu" (3. Shifl. 1900, tum
etwa 1898), oon benen „^e ©efö^rtin" bod feelifd^ am
tiefften erfaßte ift, n)ä()renb „^er grüne ^afobu" mit 9^ecf)t bie
Sejei^nung einer ©roteefe trägt unb „^i^avacelfii»" noc^ ^alb
bem 3}Mrd^en^aften angeljört. äBaS aber üielleid&t aU nod) d^araf-
teriftifd^er benn bie Xeilna^me £){lerreid^d erfd^eint, bad ift bie
Xl^atfad^e, bag in Öfterreic^ mit im Keid^e aud^ IbUittx ivmtta
9langed in ben $fpd^o(ogi0mu9 eintenfcn. $rei(i(^: liegt ba
nid^t bie ©efa(;r einer ^^erf(ad)ung nal;e? Unb ift benn mit
ber ^Beübung ^ur reinen ^f^d^ologie aud^ bei ben fü^renben
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^iiMmd. 368
^td^tom nun rcirflid^ ber B^gang pim großen ^rama fd^oit
*
6. Unfere 2)Qrfleffung ber tmimotif^d^en Stttwtdtting ift,
je mel^r fie fid^ ber unmittelborften @e(^enn)art näl^crtc, um fo
meE)r aud; in ben fünften, bie al^ djarafteriftifd; f)crQUg*
gegriffen würben, etngel^ciib gcftoltet roorben — einge^enber
ald früi^er bie ^d^ilbetung bet <Snttoidlung bet ä^iM unb ber
itunfiersäl|(ung. S)enn nur fo tonnte bem Sefer fd^bgenb ha»
melfad^ Unffare unb Swcifeltjafte ber l^eutigen Sage gerabc
auf beut @ebiete be§ ^ratnag jur 2ln)d^auung gebracht werben.
3ft benn fd^liefelid^ bi^^er etrooS erreid^t worben, bo^ längere
Sebendbauer verfpröd^e? ^rama bed pl^^fiologifd^en 2lm<
pref ftoniiSmud , foioeit biefer übttfymt rdn auftrat^ l^at oer«
fagt. 6ine SJJifd^ung pIipRologifd^« unb pfr)($otogifd&*imprefiio*
ntftifd^er ©lemente l^at eö atterbing^ 5u größeren (Erfolgen ge*
brad^t. ^ie primitioe Qbeatifieruiig be^ braniatifd^en Sm-
preffioiiidmud im ^järd^en« unb ZxauxW' wie aud) im
©timmungdbrama aber ift mieberum balb anrafc^er (Srfd^dpfung
ber mdgli^en Sonoilrfe unb an ber Unnereinbarfeit innerer
(^egenfä|e ^u ©runbe gegangen. 91 tebendfrfiftiger unb ou^*
fid^tereidjjer erwies fid^ foniit im allgemeinen nur ber reine
^|i}d)oIogiömiiö einer gemäfeigt imprejfioniftifc^cn ^nnft. 2lber
iß benn felbft auf biefem Soben bi^^er fc^on »abr^aft @ro^d
gebieten?
.... ^a§> Tvama lebt nid}t von möglid^ft naturaUftifi^er
äiiiebergabe beiS ®efd^e^en§ allein: fonft märe e^ nid^tss^ aU
eine befonberd perlebenbigte (^r^ä^lung. ^ilun ift ja ba^ SDrama
atterbingi^ oud ber (^fä^tung entfianben. 3ft ed aber eine
fold^ geblieben, unb foO tfi no4 l^eute eine fo(<i^^ fein? Aeined«
loegiS: in ben ipö^epunüen feiner ^ntwidlung warb ed mtU
mel^r unb wirb e^ immci luieber jum ^erfiinber von äl^elt-
onfd^auungen. ^ie ^anblung wirb ge}d;ürjt; hiü ift nid)t
iuögii(b ^^^^ äludiuabl bed ^ebeutenDeu in i^r; unb wad
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bebeutenb ift, tarn im legten Stunbe nur na^ betn äl^afifioSe
einer äBettanfd^auung bemeffen »erben.
60 mni bai» mobeme ^rama iDirUid^er Sollenbung eine
hoppelte %oxm aufrceifen: eine äufeere ber jeroeit^ ^öc^ft er-
reid&baren jo^ial^ unb inöioibuaUpfpi^^otonifdjen ^cd^tüf unD
eine innere ber ©d^id f olSibee , md) beien iBefeu bie (^eftaltcn
bed ©tüdted leiben unb l^anbebu S)er ^i^ter erlebt aunöd^ft
in feinem Snnem gewiffe ©eßalten ffü }u bem ®rabe^ bag er
ber ©ntbinbung ron i^nen bcborf, fott feine ©tnbilbunggfraft
nid^t an Überfüütfein (^runbe oeljen; er üoüjie^t biefe QnU
laftung, inbem er bie ©eftalten in eine beftimmte ^anblung
binein» unb bamit einem ©d^idfal unterfteQt, beffen Verlauf
toon bem, maiS er für ebel, gut unb groß ^t, b. ^. von feiner
SBettonfd^auung abl^ängig ifl.
S)ie äußere gorm ift für bag SDrama bn§ (^rfte; fie giebt
iljm aud^ in erfter fiinie 3^^it<^ö^öfter. Slber hamhen ftei^t
für jebe l^ö^er entfaltete bramatifd^e ilunfl eine innere ^otm,
bie gorm ber ffiettanfd^auung.
3fl nun biefe innere ^orm burd^auiS unb in {eber ^inftd^t
nur rein perfönlid^e^ ©iflcntum be^ einzelnen SDtdbter^? Dber
ift aud) i()re (Siitroidlung pon allgemeinen gefd;icf;tlid^en 2öanb*
lungen abl^ängig? ift bie grage, bie l^ier junä^ft auf«
taud^t, unb oon beten rid^tiger Seantmortung bie @id^er|^eit
abhängig }u fein fcbeint, mit ber man Aber (Begenmart unb
näd^fte 3v<^i("ft beS l)eutigen beutfd^ IDromad urteilen fonn.
Unb ba liegt nun gunäc^ft auf ber ^anb, bafe einzelne
fleine ©cf)attierungen ber SBeltanfd^auung jtüeifelöo^ne inbi*
oibuelle^ (Sigen ber einzelnen ^id^terperfönlid^feit finb — genau
fo, mie oud^ ein^lne Gigenbeiten ber äußeren gorm immer
bem befonberen (Sbaratter ber einzelnen fd^öpferifd^en ^erfdn«
lid^feit angel)ören werben. Slber barüber ^inaug finb, roieberum
tüie bei ber äußeren %oxm, bie allgemeinen 3^^^^ ber Sßelt-
onfc^auung bod^ 'H^omente unb ©rgebntffe ber generellen Kultur*
entmidflung — fd^on bedbalb, weil bie äBeltanfd^auung eineiS
8)ramod, foO biefei^ mirten, nid^t blo6 bem SDid^ter omn ^ec^en
lommen, fonbern audft bem ^ublitiim aum ^er^eu geben mug.
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Unb vmi fte biei^ finb, borunt ifl eine ^to^t, adgemetne, ^td^ter
unb ^ubUfum umfaffenbe, ein{)eitUd^e, ber ganjeii ^eii
angel^örige ^eltanfd^auung bie ^orau^jegung eined großen
S)rttmQg.
3ft nun biefe S3arattöfe(img füx bie ©egenmort erfiidt?
3)ie SBeltanfd^auungen ber lefeien bcei bid vier Sal^t«
l^unberte (äffen ftd^ in intern ^er^ältnis jum S)tama am befien
in tranfcenbente unb immanente fd^eiben.
^ie tüirffamftc aller tranfcenbenten äßeltanfd^auungen xoax
in biefer geit bie d^riftlid^e. 33öIIi9 unb flor auggeprägt aber ^at
fie mdl^tenb biefer $eriobe eigentli<i^ nur im fat^olifd^en S)rama
beflanben. Ibie^ oerlegt in feiner reinfien ©efiatt bad ^d^idfat
wod; in ben Gimmel, in bie Siebe unb @nabe eine^ über=
weliiifS), jenfeitig, perfönlid^ gefüllten ©otteö. Unb biefe
@nabe ift e^, bie ben fd^ulbigen gelben, ben ©ünber fd^Uefelid^
bennod^ erlöft. Unb aSe ©eftalten bed S>ramal^ finb gebunben in
biefe Siebe, l^iaben Beelen, beren gute ^igenfd^aften im ®runbe
at« ©nobengaben @otte^, beren fc^led^tc ofe 2Ber! bc8 Teufel«
crfd^einen. @g ift bog ®rama ß^alberonS, beS d^riftlid^ften
aUer grof^en S)ramatifer ber europäifd^en SSöKergemeinfd&aft.
^uf eoangelifd^etn ^oben bagegen, in ber ooQen £uft )u«
gteid^ fd^on ber pl^ilofopl^ifd^en Biegungen ber Stenarffance lommt
Me« d^riftUd&*tranfcenbente ©d^icffal eigentlid^ nur nod^ ab*
c^ebtafet üor, burd^fejt üon beni ÖJebanfen ber @ottegfinbfd)aft
beö Wlm^6)m, unter^öl}lt oon 33 orfteff uneben einer religio
naturalis, bie jid^ feit bem 16. Qal^r^unbert im Slnfd^lu^ an
ben Smmoneni prebigenben ©toicidmui^ ber fpätrdmifd^en 3^t
entvidetten: ed ifl bie SCtmofpl^dre, in beren allgemeinem Se«
reid^e <Sl^afefpeare atmet.
Unb mit bem ©mporfteigen eine§ neuen großen feelifd^en
3eitülter§ um 1750, mit ber ömpfinbfamfeit unb i^rem
gfreunbfd^aftdfuU unb ber junel^menb ftärferen ^ergefettfd^aftung
ber Snbioibuen feftte ^p^^dL in S)eutfd^(anb immer fefier
nun ein ^rieb immanenter 9Beltanfd^auungen ein, unb baS
(Sd^irffal erfd^ien gegeben in 3lbl^ängigfeit oon bem inneren
(i^axaUzx ber ^tii unb be^ Drte^, erfd^ien gefettet an ^eiU
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geifl utib Utnioelt. tS)a fattn benn biefei^ ^^icffat nid^t me^r
cileid^forn perfönlic^e ^eüebimg eines tmiiicenbenten (Bottex?
bleiben, fonbern roirb jur gejefelic^en Drbnung ber Sßelt unö, ba
e§ ftd^ im !Drania um bie feeUfd^e Sßelt l^anbelt, jur Drbnung
bed f eelifd^en ^odnwd: bem ber Summe ber f o^ialpf i^c^if d^en Gräfte
|u ®runbe Uegenbeti C^tmicHungSgmtg. S)arna<i^ ift bad 2)rama
be9 ooHenbeten 5l(afnatdmud basjenige, in bem ber Stampf bed
(Sin^etnen, bcS Reiben, ber §aupt(^cftdt be^ SDramaS (gegenüber
ber ^i6n(i)t ber uiugebenben KuUuraielt iinb ber 3bcen, bie fie be=
i^tin\<im, inm ^udbrud geUntgt. Unb babei brauchen bie ^^äc^ie
ber Ummelt (eineiSmegd immer obieltio }tt erfd^eiiten, fonbern
föimett oud^ fubjeftio auftreten, eingebettet in befHnnnte
^(joraftcre, al§> beren 2luffaffungen, DMgungen, Strebungen.
3n biefem J^alle Derf($n)inbet bie abqef ouberte, finiüidie, foufretc
^arftellung ber Umtoelt, uub entfielt ha& {lafftic^e iubioiDuaU
pfpd^ologifd^e S)rama.
(Sd ift l^ier nic^t burd^meg }tt mfotgen, in meldten ein*
feinen Vorgängen bem bramatif($en j^nftmert ber Hafftfc^en
^|)criobe bie in il)m errefii^tc 9(uSgeglid^en()eit von äußerer unb
innerer '^oxm üerloren gegangen ift ; genug, bafe bie ©prengunci
burdSf bie intenfioerc gottbilbung ber äußeren g^orm erfolgte,
mäl^renb fid^ tu ben neuen ^ui^geftaUungen biefer ^mn nod^
nidftt eine entf|>red^enbe innere $orm einfteSte.
^ie äußere gorm mürbe fortgcbitbet fd^on in ber B^it
be« fogenaiuiten S^ealiSmug, in ben So^^^S^^nten fiegenber
9kturtöi|'fenjc^aft feit 1880, unb bie gü^rung l^atte babei
granfreid^; bie beutfd^en ^ramatüer mürben <Sd^üter ©cribed
unb ber oon il^m audgel^enben Bewegung, — unb fie unter*
warfen ftd^ biefer gül^rung um fo el&er, ate ber (Sinpfuß fd^on
ber fran5öfifd)en Tragödie classique auf baS beutfd;e 2)rania
tro6 ßeffing niemals ganj befeitigt TOorben roor. S)ie gronjofen
aber in i^rem ^eftreben, über bie ^Ijantafien i^rer ^omantil
l^inaudpgelangen, gingen bamald oor aQem auf bie realiflifd^
XuiSgepaltung ber öujseren gorm ber ^anbbing aa»: biefe,
nid^t mel^r bie dfyxtattm^ beren 3^(0^^^ bod^ eigentlid^ bie
^anblung ift, trat in beu '^orber^runb be^ füuftlerifd^en ^nitt*
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effc8. (S^ tft bie ©eqenerfd^cinung jur ßntraicflung ber gleid^*
■zeitigen ^iilorien- unb Genremalerei; wie in ber 3)ialcrei bec
^egenftattb vor bem gatbenleben bead^tet toutbe, fo beoot^ugte
1^ ber Sramatilet bie %aM oot bem Seelenleben bet
ftatten. 3nbem man mm aber bei fefi^el^altencr Qinf)dt beg
^Draina^ möt]lid)ft (^rofeen S^ieid^tum ber ^anblunt^ erftrebte,
rourbe ber .Ranfa[iiej;u^ ju fd^arf betont, famen ©pannung^*
fünfte unb ^ffetti^afd^ereien auf, bie fd^IiegUd^ impotenten
Steigerungen namentti^ gegen ben Schlug bet Mit füfycUn
unb ben Sd^auff>ie(er ald Sirtuofen in ben SBorbergtunb
brängten: öertor man in ©umma bie 3nnerlid)feit ber ^anb*
lung unb bamit \\)xc 33erfnüpfung mit ber f)ö[)eren 3bee eine^
©d^icffaU. 5Dag ^rama rourbe bamit fd^ou oor ben Reiten
be§ mobernen S^eali^mug roieber ^u einer freitid^ äußerft
(unfkootten unb lebenbigen Qxi^^bmq, unb an Stelle ber
Sd^idfateibee fanb fid^ eine befUmmte ^enbcn§ bed ^iö^terd
ein, ber SBerfud^, irgenb einen gerabe umftrittenen ©q^ au^
bem ^ereid^ ber fittüd^eu ober n}o(;( aud^ ber metQpt)i)fifd)cn
??ragen ai^ \m\)x ober nid^t roai)x nad^juroeifen: im beften gatte
allertei äöeltDerbeflerungÄ* ober SBeltfd^mergibeen^ im fdljlimmercn
\M %^mWXd ber ^umod fils unb Slugier unb i^rer 9f{ad^«
al^mer in £)eutfd^(anb. S)ad mar, t>om Stanbpunfte ber
inneren g^orm au§ httxa^ki, ba§ ®rbe, roeld)e^^ bie begiuneube
moberne ^eiuegung in ben ad^tjiger Satiren iiberimljm.
2)a fonnte e^ nun faum jroeifelliaft fein, roie ftd^ ba^
S)rama loeitecentfalten würbe. @an$ ber ^urd^biibung ^u«
nA^fi ber fiujseren ^orm |u jener iUuftoniftifd^en Stdrfe §uo
gemonbt, bie wir l^eute beji^en, warf ber beutfd&e SmprefRo»
ni^mu^ mit tuenigeii 2Iuönaf)meu fo üiel a(§ möglid; and) iiod;
bie legten 9iefterfd;einungcu ber inneren gorm über 33orb : bQ§
^Ijefenftüd oerfd&roanb, Don ftarf beraubter (SJeftaltung ber
Sdi^idfateibee war feine 9%ebe me^r, bai^ 5Drama fottte nid^td
fein aü bie Sßiebergabe etned Stüded iil^pfblogifd^en, fo^iaU
pfpdjifd^en, inbioibuatpfijd^ifdf;en, neurologifd^en ßeben«.
2lber fonnte man fid[) mit atlcbcm begnügen, man immer
me^r ^ur PoUen ^errfd^aft über bie neue äugere gorm gelangte
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unb begriff, bafe e§ aud; auf biefem ©ebietc @renjen ber gort-
bilbung gäbe, toie fie in ber X\)at hnxä) bie allgemeine feelijd^e
^otcng ber 3«it geftetft finb unb jefet erreid^t fd^ienen ? ©c^ou
frü^, mit bem (Stritt me^r uibimbual)>fvd^ifd^et ^txad^tmq,
fa^ man ft^ naturgem&g auf bte tiefere SHtrc^btingung ber
©^aroftere gegenüber ber ^anblung unb gegenüber bev Umiüelt
Ijiiigeraicfcu unb fanb in biefem 2Bedjfel beg Sntereffe^ auc^
bie Slufforberung, roieber on jene 3)?omente ju benfen, welche
bie ^^araftere Derbinben. Unb bamit ergab ftd^ groar nod^
nid^t ber ©ebaitfe an bie äBeltanf d^auung old eine bad ^nbeln
ber ®eflalten bel^errfd^enbe unb fie jugleid^ Ibeatifterenbe
Tla(S)t — aber bod^ ein Sd^ritt in biefer 9flid^tung. $Da§
©timmung^brama fam auf: nid^t feine Söeltanfd^auung trug
ber S)id^ter in bie ßanblung feines S)ramaS hinein, roo^jl ober
ein me^r äu|erlid^ed feiner ißerfdnlid^teit, feine Stimmung.
S0 ifl ein 3u9 gteid^fam anfonglid^er/ primitiver 3bea(iftoing.
Slllein: fann eine fold^e Sbealifterung bloß burd^ eine per*
föuUd^e (Stiinnuuuj erreid^t werben? Iteine^roegS, benn — wie
fd^on einmal friit;er bemerft — baä 3Jlotit), haü ibealificrt,
mni in ber ^bffentUd^feit bed ^ublüumd wirfen^ mug objeltio,
mui bem SHd^ter unb ben 3ufdftauem gemeinfam fein. Vle^x
afö melteid^t fonft irgenbroo in ber ©id^tung brängt fid^ ^ier
eine 2(blel)nung rein fubjeftioen ©mpfinbenS auf: eine W^eit-
anfd^auung mufe eS fein unb, ba eS fid^ um menfd^lic^eS
^anbcln bre{)t, oor allem bie fittlid^e Seite einer Söeltanfd^auung,
bie tlärenb^ ibealifierenb in bie imprefftoniftifd^e S^ed^nit bed
S)ramad eingreift^ um fie in l^öl^erem ^tuge §u befähigen,
©tl^ifd^e aßeltonfd^auung, mit SWlrfftd^t auf bie bcfonberen
3(bfid}ten unb baS SBefen beö 2)ramaö flare ©d^idtfal^ibee —
ha& ift t^, xoa^ bem neueften ^rama nod^ mangelt
äBarum ift man nun nid^t atöbalb in biefer S^id^tung
meitergegangen? 3a . . . mirb man nid^t fagen bttrfen: weil
man Aber bie ©timmung IjinauiS im allgemeinen nad^ nid^tiS
3=cftereS ju geben batte? ift faum ju beftreiten: bie ge*
toünfd^te, bie notroenbif^e 2Beltanfd^auung nai nic^t oorljanben!
^Qein ttxoa^ befaft man bod^, gleid^fam einen Anfang 5u
ibr: bie naturaU{tifd^4mpref|ioniftifd^e ©trdmung l^atte aunädj^fi
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Dichtung,
3G9
bei bell ^lünftlern eine faft fanatifd^c Siebe gut Söirflid^feit
unb äBal^rl^eit erlogen, unb ettoad von biefec Siebe ^atte ftd^,
n>etti0fiet^ in Itunfifad^en, aud^ bem giublibtm mitgeteilt. Unb
oon l^ier oud, non einem aOgemeinen SBa^r^eit^ttiebe ^er
TDurben benn in ber ^l^at aSmö^Iid^ roenigfieniS ^nfäge
einer branmtifd)eii 2BeUanfd;Qumiö geiuounen.
Bunöd^ft brängte fd^ou bie äußere impreffioniftifd^e §orm
Ott weld^er Slrt fie im einzelnen aud^ xoax, wenn gon}
emfl unb mal^l^f tig genommen, auf geioiffe 9hibimente elned
imntonenten Segreifeni^ ber ffiett. SBirb ein einfai^ed Sebent«
bilb bramatifdj Ijiugeftellt , eine ^anbhing, wie fie jeben STag
gefd;el)en fein fönnte, fo mufe fie ber ^id^ter von Dornl;erein,
eben um fte für jeben ^ag wa^irfd^einlid^ ju mad^en, in bad
Sosialpfpd^ifdfte eintoud^, unb fo entfid^t unmittelbar ber
@egenfa( ^roifd^en Snbioibuum unb Umwelt. Unb biefer Segen«
fa^ tüirb nod; üerfd^ärft burd) bie ^b^tfad^e, bafe fid^ aud^ bie
einfädle ^anblung felbft bei peinlid^fter naturaliftifd^er S3e^anb*
lung nid^t in allen ibren ^^b^fen unb ©inbrud^niomenten auf
bie ^ül^ne bringen lä|t, baft immer unb unter allen Umfiänben
abgefttr^t werben mufi: woburd^, ba bied natürlid^ in d^aral*
terifterenbem @inne ^u gefd^e^en l^at, bie Elemente ber ©e*
Palten einerfeit^, bie ber Unmelt anbererfeit^ flärfer Ijnviov*
treten. Silben aber ©eftalten unb Umtoett bie natürlichen
Komponenten ber ^anblung gerabe ganj befonberiS im im«
t^reffioniflifd^en ^rama, fo ifi in bem ftonflitte beiber bai»
eigentlid^e Xl)ema ber iganblung gegeben, unb Med ^§ema ifl
ein fold&eg einer 2öeltaiifd;auung ber Qntnianenj.
3u ber ^bat fel)en rair nun bieö Xbema fd^on oon ben
Anfangen beS mobernen ^raniaiS l^er angefd^lageu. ^abei ift
bie Umwelt suerfl mit )^orliebe eng genommen: ber Kreid
namentlid^ ber gfamilie wirb aufgefud^t, mfyx bie ^fille
von ©l^e- unb ??amilienbramen, ba§ ^^ema beiS „5üerbältniffe§",
be^ ^auöljaltg 5u breien u. f. to. 3lber balb werben aud) weitere
Greife ber Umwelt ergriffen, bie (^renjeu ber fpejiell gefeH*
fd^aftlid^en g^ormen werben überfd^ritten, unb ha& @ebiet ber
gto^ fojialen itonflifte wirb erreid^t (^auptmannd „SBeber"
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370
Did?tuiiö!.
uitb „gflorlon ®eper"); nur bie loeitefien aOer Sirenen^ bie
nationale, ftaatUd^e, fo^mopolitif($e, finb md) meni(\ betreten
roorben. Unb alSbalb bilbet fid^, ^uerft bei JSbfen, bann, mit
gett)if[cn änbennif^en, and) bei Hauptmann, ©ubermann, ^albt,
^rtbbeit, (&m^ bödmet, @$mt(ec u. a. aud^ eine befonbeie
^orm ber ftonfliftöbel^onbbtnd unter bief en UmRftnben liercntd :
eine ©tiftfierung atfo ber fimtbtung unb bamtt ein beutlid^er
SSeroeiö für ba§ S8or{)anbenfein tücnigfteng ibealiftifc^er
mente. 2Bir werben junätf;ft in eine Umwelt eingeführt, bie
im ^erl^ättnid )u ben ^ftrebungen ber ^ur ^anblung be*
rufenen ®e{la(ten in labilem Sbid^gewid^t fielet; bann erfd^etnt
eine $erfon, wetd^e bied ®(et($gen)id^t ftört, inbem fte bem
gelben fein jum 5?anipfe gegen bie Uiuiüelt brängenbeö innere
erft oöUig erfc^lie&t unb frei mad;t, unb ber 5tonf[ift betitnnt.
©enügt in grofeen fojialen Dramen eine ^^erfon nid^t, fo
n>etben flatt beten mehrere aufgebrad^t, fo 8. in
^auptntamtd „ffiebent'' bet fiorfe ffiebet Sftdkr unb ber oM
ber ©ariiifon ^eimfe{)renbe ^^iu^berßefett Säger.
Wlan barf bei biefen ©eftaUen it)ol)l an etroo« wie einen
immanenten, bie ^anblung in ^kmegung fefcenben deus ex
machina benfen, menn ber äludbrudt erlaubt ift. ^ie Sereci^tigitttQ
l^ieriu etgiebt ^d^^ menn man ^igentümlid^teiten bed paraM
laufenben impreffioniftif^cn 9lomand l^eronjie^t. Diefer ifl bt*
lanntlid) in ben beften Jätlen fo gebaut, bafe ein fogiale^ Milieu
flefd^ilbert erfd^eint, baft bann beffen langfame Jlnberungen oor*
gcfül^tt werben, unb bafe enblid^ su Xagc tritt, wie geroiffe
^erfonen, bie fid^ in bem 3u^tib bcd etften 9)lilieud fel^r
mo^I fül)Iten, in bem 6d^(u6$nflanb nid^t me^t leben lönnen
unb in ©runbe gel;en, e§ fei benn, bafe fie firf) biefem 3"ftönb
anpaffcn. 2Bie mon fieljt, wirb alfo ber Äonflift im S^omane
burd; l^erfd^iebung bes ^}3iilieuS erzeugt unb biefeS (unb
bad l^eigt bie immanente ©efegmägidfeit) babutd^ atö ftber«
mäd^tig enoiefen. SHefer äBeg, ber langfame uxib einbriitg«
(id^e @ri^Ql)(ung t>oraui$fe|t, lamt im SDrama nid^t eingefd^logen
werben, ^'m iinrb bat)er ba^ Problem fo gefaxt, bag tlc^
ber ^elb ober bie ^elbin burd^ einen äußeren ^nlag, ^mei|t
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Dic^tnttg. 371
eine l^injubimnenbe $erfon, auf eiimial itnb unenoottet att
im Äonflift mit bem 3)U(ieu bepublid^ erfennt uub im llampfe
mit biefem 511 ©runbe i^cl^t.
tiefer 3iif<^ninten^ang jeigt, bag ber öugere ^nla^, bie
IHnsufommenbe $etfon, ein fe^r fiori^ aRoment einet StiU«
^ecung ber ^nblung ifl unb (eioetfi mithin nnebemm fftr ein
ibeoliftifc^cg, b. 1^. von dner beftimmten Söeltonf d&auung ab»
l^anntG^^ XraniQ. Unb in taufenb anberen f (einen 33e*
obad; tünchen, bie namentlid^ bie ftarfe ilNereinfad)ung ber ^anb*
lang betreffen würben, würbe fid^ aud^ fonfl nod^ ber 9iad&n)eid
erbringen (äffen, bog ed ftd^ fd^on in ben 2)romen bei^ natura'
liflifd^en S^prefftoniiSnuid, wem oud^ nod^ feinedwegd rnn eine
f(ar audgefprod^ene äßeltanfd^auung, [0 bod^ um (Elemente
einer folc^cn f)anbeU.
^ei(ic^ werben biefe für ein ^rama oon ^öd^jier ^t*
beutung au^reid^enb nod^ nid^t erad^tet werben fönnen. 0. ^an^
fiein berül^rt bod^ wo^l einen fpringenben $un(t, wem er
einmal non ^^u^rmann ^enfd^el behauptet, bad fei ein 9Renf<i(,
„ber niemals ali X^äUx feiner ^^aten füljlt, weit er
nur immer ben SBeg trottet, ben il)m bie Umftänbe anroeifen".
S)ie Umftänbe! SDa^ ift eg. @d fe^U ben ^anbelnben ^^3er«
fönen nod^ ber fiorfe flttlid^e 92ero; fie fuib )u fe^r Utilitarier
ober ftttli4 ratlos. S)antm futb au4 bie itonflifte nid^t flart,
unb gelegenttid^ wirb man am 6d^Iug eineiS S)ramad an ba9
ßornberijer (5d;ie&en erinnert.
5Iber aud^ l^ier jeigen fid^ bod^ fd^on Spuren weiterer
gntwidfunc]. (S^arofteriftifd^ fd)eint }u fein, bafe man äugen«
blid^lid^ oielfad^ geneigt ifi, 6ubermann ate S)ramati(er neben
Hauptmann fteOen, ja oor il6m ge^en au (offen, obmol^t
Hauptmann ber tiefere ^fgd^otog unb oud& wol^l bie ftärfere
bidjiterifd^e ^roft ift. 3Barum?
Hauptmann läfet feine ©injelperfonen ju fe^r im S^ftönb*
(id^en fiedfen. 3^1 feiner Begabung liegt etwad ^(aftifd^ei^,
loie er fld^ benn eine S^^^H sum SUbl^auer befHmmt ffl^lte.
S)arum fd^afft er gern 9)^enfd^en an [lä), and reiner ^reube
an i^rem ^afein, o^)\u in i^nen eine ^hee, etwa gar eine fitt«
24*
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372 Dichtung.
Ii<j^e 3bee oetOiipem. S)eiit entfpdd^t bemt au^ fein
pafftüeS ^öerl^alten unb feine roeid&e, foft loeiblid^e 3Irt, ju gonj
offeufid^tlid^en Äonfequeujen einer beftimmten äBeltanfd^auimg,
}u ftttlic^en Problemen ©teQung $u nefimen. erfd^eint
}unä<i^ß um fo eigentümli^er, ab in il^ oon gudenb auf
ein f^adtx religidfet 3^0 wol^nte^miar ijl, vmn Mefer 3^9
fi(^ aud^ woH niemols ju pofttioem (Sl^riftentum Derbid^tet ^at
Unb e§ roirb auf ben erften Slugenblidf nod^ üeriDunberlid^er, roenn
toir oon d. ^nftein, ber i^n in entfd^eibenben ^af^xtn (1885 ff.)
genau gefannt ^at, l^ören, er l^abe t>or adein einen fiarbn
fo)iat«etl^if<j^en 3^9 gel^abt. S^eilid^: ffftid^t i». ^n^n bann
loeiter oon (Sntfaßuno^peffiniij^ntuiS, fo i^ bie Svnftrung gegeben.
ifl eine, iDenn aud^ eble, fittUd^^ Wignation, bie Hauptmann
fenngeid^net. @eroi§ treten gelegentlid^ neben iljir leife opti»
miftifd^e ßid^tet auf, fo j. 33. in bem präd^tigen Sieb ber @ifcn*
bo^inväber ober auc^ in ben minber betonnten SBorten^ mit
benen ber SHd^ter „^<a bunte Sud^", eine Sebid^tfammlung
üom Sa^re 1885^ eröffnen rooüte (©d^lent^er, Hauptmann '
©. 173): „2ßie eine 2Binbeg^arfe fei beine (Seele, SDid^ter!
3)er leifefte ^aud^ beroege fie. Unb eroig müffen bie (Saiten
f (Owingen im Sitem bei» IKBeltme^d; benn bod WAtm^ ifl bie
Sßuriet ber &mmetefe|infud(t. aifo fielet beiner Sieber SBur^el
begrünbet im SBel^ ber ^be; bod^ i^ren Sd^eitel frönet
fiimmelölidjt." 3»beö foldje leifefte Hoffnungen einer fontmenben
S^iegeneration finb ooriiberge^enbe (Stimmungen^ unb feine^megd
ifl aud il^nen ein fröftiger Dptimü&mu^ l^erDorgemad^fen. S)emi
no$ neuerbingd^ in bem S)rama ,,9Rid^aet Jtramer" (1900),
legt ber SDid^ter bem ^itel||elben — id^ aroeifte nid^t, ate Slu«'
brudt eigenfter Übet^ugung — SBorte flagenber S^efignation
in ben ^Junb: „^Bo follen mir (anben, roo treiben roir l^in?
SBarum jaud^jen roir mand^mat ind Ungeroiffe? äBir kleinen,
im Unge^ren oerlaffen? Sä menn mir müjsten, mol^in e6
ge^t . . . Son irbif d^en heften ifl ei$ nid^tdl — S)er ^mmel
ber ^^faffen ift eg nid^t! ift e§ nid^t, unb jen'^J ift
e^ nid^t, aber roag (mit gen ^»immcl erljobenen ^änben)
ma& mirb ed mo^l fein am @nbe???" ^mib, ber ^ann, ber
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373
Der§TOeitIinu]öt)olI ober minbeftenS entfageiit) in biefe äBorte
auöbrid)t, ift ein Wiann \)ävte\ien eigenen $ffic^)tben)u6t|einä,
unb er xo\\l er^ie^lic^ iDirfen an feinem <So^ne im ^anne feiued
$flidiitbetou6tfeind, — aber bod^, moi^ ifyx am tieffien Um'
jeid^net, baS ift eine groge UnHor^t bed 5DenIend nnb bev
C^mpfinbung in ben Jjöd^ften S^^agen be^ ^afein^ unb bem*
qenmfe, ba er ein ernfter 3)Jann ift, eine gro^e ©ef)n|ud;t uad)
diiü)e im Glauben unb nad^ einer feften 3uoer)id^t, bie er
nod^ leinedwegiS fein eigen nennt
^ptmann mag im äBefen Aramerd bie tiefflen Se«
bürfniffe unferer S^xt roibergefpiegett unb Derförpert l^aben:
bcn 3Beg jum oollen tbealiftif^en ^rama (;at er biö^er, trotj
aUer ätnfä^e ju einer ^eUanfdfiauung in {einen Dramen,
no$ nid^t gefunben.
Siel n&^er fmn Misker Subermann biefem St^^le. 3a
batauf, ba|3 et oon vornherein ftttüd^ ftorer fionb, beruht, mie
bereite einmal angebeutet, eigentlid) fc^on fein (Sljarafter a(§
Übergang^bramatifer : er l)at fid^ an bcn 3mpreffioni^mu)ä nie-
mals verloren, xüoiji aber fii^ x\)m um fo mei^r (angfam ^in*
gegeben, je me^r biefer fid^ reinigen unb mit ibeattftifd^en
tSlementen mbtnben lieg. @ubermannd @laubeni$belenntnid
fte()t om beutlic^ftcn am 6d)[uffe beö ,,^afeenfteg^" üerjeid^net
unb Ijat fic^ feit biefer 9lufgeid)uung Tüot)l nur in ^Jkben«
punften üeränbert. 2Bir finben ba öoleälaro bei bcr i:!eid)e
äteginend, fo mie loir 9)Ud^ael ftromet foeben vor bet £eid£ie
feined Gol^ned l^aben p^ilofopl^ieten l^ören. ,,Unb mie er
badjte unb fann, roarb i^m ju ^Hute, al^ ob bie S^ebeC fid;
lid^teten, TOcld^e ben ^oben be^ menfd^lic^en (5ein^ t)om menfd;-
lid^en öeroufetfein trennen, unb er fä^e eine (Btrede liefer, al^
ber ^zn\^ fonft pflegt, in ben ^bgrunb bed Unbewußten
l^inein. S)ad, tood man bad @ute unb Söfe nennt, mogte
Mtloi^ in ben 9leMn bet Ober f(öd^e uml^er; brunten tul^te in
träumenber Jlraft ba^ — ^Jtatürlid)e. 3Ben bie ^Jiatur be»
gnabet l)at, fprac^ er ju fic^, ben läfet fie fidler in iljren
bunflen Xiefen rourjeln unb bulbet, ba6 er breift jum :^idit
em))otfttebe, o^ne baß bie Giebel bet äBeidbeit unb bei$ äBa^ned
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374
if^n l^emmen unb Deninnen." 2lber freiüd^, biefer 9ktur*
guftanb Q^ilt 8ubeniiaim aU luöijlid^ nur bei ßrofeen unb
freien ß^arafteren, wie 9kgine bereu einer öeraefen luar-
und geiod^nlid^e @ter6U<j^e mxh, „m» bie 9iatux von
Uta fotbett, ^ unb Sfinbe", — unb bod^ erfd^eint
und, „mta bie ^Renfd^enfa^ung wiD, fd^al unb ah
Qi)d)madi". tft (\\it, bofe in biefeui (E^ao^^ n)o gut unb
böfe, 9ted^t unb Unrec^^t, ©{)re unb Sd;mad; roirr burd^«
einanber taumeln unb n>o felbft ber alte @ott im Gimmel
ol^nmftd^tig bai^infd^ioinbet, ein fefkec und übrig bleibt ^
ben ftd^ alled aufd neue orbnen ntu^, ein e^eld, an ben nnc
©rtrinfenDcn unö ftninmern fönnen, unb an bem ed ju fc^eitem
felbft noc^ Sä^ottuft ift — ba^ 33aterlanb."
©0 fielet für (^ubermann fefl, bag in bem ^d^manfen
mobemet äBeltanfii^auung unb ©ittlid^teit eine neue Orb«
nung nur aud ber größten aller biedfeitigen gefeUfd^aftlid^en
Drbnungen, ber nationalen, l^eroorgelien fann, unb bafe fiä)
il^ren ©eboten jebermann fügen mufe, rcill er nid^t untergeben.
Slud^ jene Umaturen, barf man freiüd^ ftagen, bie mit
ben SBur^eln il^er ^raft bid in eine gUid^fam vor
aller nationalen Drbnung, unb bomit aud^ nor aOer AuUur
5ur(i(freid&en? Unb bie SCntwort fann nur louten: aud& Tie.
Unb bamit ift ein ^erb gro|er fittlid^er ^onflifte im ^rama
gefd^affen. i
j^at nun aber ber ^ramatüer (Subermann f d^on von biefer
(Sno&gung aud gefd^affen? SBie man aud^ feine 2)ramen be»
trad^te: bie fltörfften i^onflifte auf biefem Gebiete l^at er nodü
ni^t aufgefud;t, unb üon feinen legten Dramen im befonbereii
fü^rt „3ol;anne^" einen oon üornJ)erein fittli^ entrour/^clten,
meljr al^ mobernen ß^arafter oor, rodlirenb im „3o^annid*
feuer'' ber ftttlid^e Aonfiift, ber fldji in ber foeben umriffencn
^orm bid bid^t jur Jtatafiropl^e entn>id(elt, fd^lieglid^ bod^ no^
umgebogen wirb : unbebingt unb über alleS fiegt bie ©ittlidjfcit .
ber fojialen triebe, beS fiaufc^, ber ^eimat. '
3ft fo bie Stellung aud^ 6ubennannS im einzelnen nod^ |
sn)eifelbaft, wie ed in nod^ viel b^l^erem @rabe unb 9iet inner» i
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Dl(^tung. 375
lid^er aud) bie Hauptmann» ift, fo bleibt bod; bei allebem
Qeiüiß, bafe bie legten S)ramen beiber S)id^ter ölei^mäfeig bic
älbftd^t jeigett, bie bramatifd^en itonflitte fxitix^ su vertiefen:
fem f d^on fielen fie il^rer intieten gform nad^ bem tein pl^^ito»
logifd^cn ober* pft)d^ologtf(| * impreffioniftifd^en 2)rama, unb
aud) bie äußere Jorm, obioot)! fie grunbfä^lid) unb je^t
namentlich aud) bei ©ubermaiin rein impreffionii'tijcö ift,
^eigt bod^ fd^on flarfe Sputen bec Ummobelung nad^ ben
inneren 9ebftrfmf[en.
& tfl eine fBanbtunc^, mie mir fte aud^ in ber S^na^me
pl)ilofopl)ifcher, uicim aud; teihuei^ nod^ redjt iiujiu]d)er \i\)x\t
beobachten fonnten, wie fie nid^t minber in ber fteigenben
S)urd^fe6ung unferer Äunftersä^lung mit ct^ifd^en unb fogar
metop^llfifdien Problemen, fotoie in ber (intioictCung einer
{röftio n)achfenben ^eimatöfunft narßegt: fte fül)rt unmittelbar
hinein in bie jüngften kämpfe um eine neue 6ittlid^feit unb
um einen neuen ©tauben.
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lDeItanfd?auun0,
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I.
1. 3n bcn 3l0fd)mttcn über Mlbeiibe 5limft unb ^id^tiint)
ftnb bie (Sntioi(!lunget)orgänge einer neuen äftl^etifc^en Kultur
i^en allgemeinen (Strömungen nod^ gefd^iibett »otben. 3ft
bomit bie Slbfid^t eneid^t motben, in jeber l^inftd^t oKen ^«
fönH(i^feiten Qmä)i ju werben, bie innerhalb ber SDarftcttung
biefer Strömungen genannt roorben ftnb? ^eine^iueg^I 2lber
biefe älbfid^t max aud^ gar nid^t oor^anben.
& nfire ein Irrtum, an^unel^en, bajj bie ^injelperfonen,
beten Sirlen wi^ttg genug ifl, um im gefd^id^tUd^en @e«
bftd^tnid fefige^atten su metben, nun fo^ufagen mit $aut unb
©aor, mit Seib unb fiebcn in bie ©efd^id^tc übergingen, ^ie
gefd^id^tlid^e 5?unft d^arafterifiert nur im dlclki von einem he-
ftimmten, burd^ ben ilserlouf ber allgemeinen ^ic^tungen ge»
gebenen ©tanbpunfte aud; jie l^at nid^t bie Stufgabe^ $er{onen
in StunbplafHt bai^ufiellen, — nid^t einmal in ber ^iltotifd^en
Siograp^te ifl bad bie ^^flid^t. Unb niemanb ^at baiS fd^on
beffer geroufet al« ber 2Infänger unb 3)leifter aller ber Slbfid^t
nad^ roif}enf($aftHci^en ©efd^idötfd^rcibung, ^l^uf^bibeÄ: felbft
von ben größten gelben bet von i^m bel^anbelten 3^it^ von
$ettUed ). teilt er und nur bie Büge mit, bie ffir ben aS«
gemeinen Sertauf ber 5Dinge von unbeflreitbarer 99ebeutung
TOaren. @inc roiffenfd^aftlid^e ©cfd^id^te ift fein ©cmijc^ burd^*
einanber verwebter SSoflbilber von l'erfön(id;feiten.
Unb läfet fid^ benn überhaupt bie ^^erfönlid^feit al^ ©anjed
nnffenfd^aftUcI erfaffen? Mffenfd^af tüd^ beulen l^eigt ner*
gleiten, — unb \M Snbioibuum ift eben baburd^ gelenn^d^net,
ba§ fein Sergleid^Sobjeft ifl. So ftnb Snbioibuen überl^aupt
nur ©egenftänbe a^nenben 3[>erftänbni)jeg, nid^t wiffenfd^aft*
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lid^en Urteile. n)iffenfd;aft(id^e Urteil ge^t über ben
©injelnen (linroeg, \uä)i bag me()reren (Jinjetnen ©emeinfame,
faftt biefed in einen begriff, ftettt bod gegenfeittge äkr^attntö
bet 5a^(reid^en, auf biefe Sßeife gewonnenen Oegriffe 5u etnanber
feft imb fteigt auf biefem 'ii^cge oom Snbiüibuum auf jur Gr=
fenntni^ ber aUgemeinen, in ben Snbipibuen ocrlaufenben
(Strömungen.
^etlidft: laffen ftd^ biefe Strömungen, feK^ wenn fif
nidftt ftngtiUr ftnb, fonbem ftd^ intern tnnerflen SBefen mit
in ben Vorgängen paraHet (oufenber nationaler <^tn)itf(ungen
rciebcr{)olen, fo ba^ ba^ i^nen ©emeinfame al^ ©runbtenbens
unb tieffte Siegel oergleid^enb feftgefteöt roerbeu fann: — (äffen
fte fid^ genau barfteQen? & ift baSfelbe Problem, bad
nur in oie( einfa<i^eren Rottum, in ber äRed^anil ergiebt, loemi
ed barauf anfommt, ben SSertauf einer Bewegung in bem
gangen Gbarofter t(}re§ fontinuierlid^en Sufammenl^angcg ju
bcfdjreiben. ©cf;on baö ift befanntlid^ nid^t möglid^. 2ln Stelle
be^ iontinuierlid^en 3iii<itnni^n^<^nged gelingt e^ nur, bie ein^
seinen, wenn aud^ ntinimat ooneinanber entfernten SKonienle
ber flewegung ^u erfaffen unb Bef<$rei(en: bie Semegung
wirb in einzelne löel^arrunggjuftänbe jertegt unb beten gegen*
feitige^ ^erljältni^ einanber Dergletd^^roeife feftgcfteHt. Um
mk oiel fd^toerer ift eS ba, bad ^ontinuierlid^e eines großen
gefd^ic^ttid^en Verlaufes, 3. etwa ber ^öemegung bed SSm*
preffionü^ntuiS, boi^uftetten! SBin^ l^ier bleibt nid^td übrig, ott
ben ununterBrod^en ^[utenben Suf^ntmenl^ang in ®in|etnumi(nte
leifeften grabmä^igen Jortfdjieiten^ auf (Öfen unb fo 5U seigen,
luie bie ©ntroicflung von bent einen, an fidf) im 33erf)ältuu&
lux @efamtentn)id(ung aud^ blog grabueden, polaren ^egenfat,
8. von ben erfien gan^ naturaliftifd^en ätnfängen M
p^t)fto(ogifd^en Smprefflonidmitö, 3u bem anberen polaren
@nbc, 58. ju ben jüngflen ©rfd^einungen be« ibealifHfd^en
p(t)d^o(ogifrf)cn Qmpreifioniemu^, fortfd^reitet. 2Bie aber follen
bie unenblid^ feinen Übergänge, bie jmifd^en biefen polaren
@egenfä^en (iegen, nun fömtlic^ !(ar befd^rieben unb an--
fd^auUdft greifbar gemad^t werben? @d oerfuc^en l^ie|e bctf £eben
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tDfltottfc^iifnig.
881
felbft Tüieberl^iolen. Unb fd)on bie <Bvtaä)e oerfogt l)ier; fie ftellt
jene Unfumme üon Qlbfd^attierungen ber SBörtcr unb ber l^inter
bicfcn ftef)enben begriffe nx^t jur SSerfiigung, beten ed a(d
3flatmal& bebtttfen mürbe, um bie etn^elneti %tancen bed ®e«
mft(bed bet ffiirflid^feit entfpre(|enb lierau^jubrtngen. tlnb fie
üerfagt babei fogar fd^on für bie Sd)ilberung ber ©egenroart,
obrooJ)! bod^ gu beten 33eleuci^tung gerobe il^r l^eutigeö TlaUxxai
am ei^efien beitragen lönnte; unb fte oerfagt in nod^ oiel
^öl^erem @tabe ^ unb je loeiter tiJidm&t% um fo fiätlet —
ffir iene Sergangenl^iten, auf beten SBid^ergaBe ou^ nur im
gto6en ber gegenwärtige ^^orafter i^ted ^örperiS unb tl^red
53aueg nid^t mtl)x jugefc^nitten ift. 3lu§ biefem Sufotnmenl^ang
ergeben fid^ jene troftlofen 6tunben bejS ©efd^idfitfd^rciberÄ, ber
beflimmte ©cgenfä^e unb ©d^attierungen ber S3ergangenl)eit
beutUd^ f ftl^It, sugleic^ aber ftc§ ou|et fitanbe fielet, fte mit ben
tK»tl^anbenen ©prad^mitteln fd}Iagenb auszubrühen, ^on Idnnte
ba im etften Slugenblid mol)i an eine neue Terminologie jur
Sluöfii Illing ber 2Me benfen. 3lber eine fold^e STenninologie
TOürbe unenblid^ fein, ^ieje minbeflend bie SBieberbclebung atter
alten @prad^mittel, in benen vergangene^ Seelenleben ftd^ jematö
oecUrpert l^at! Unmdglid^ — nur um bie ^efilegung einiger
grober unb gröbfler ^ejiel^ungen ber allerroid^tigften Unterfd^iebe
oergangenen ©eetenleberu^ fonn eS fid^ tiunigftenS junäd^ft
l^anbeln, fo, rcie fie etwa bisljer in ber @inorbnung ber ©ntroicf*
lung menfd^lid^er (Bemeinfd^aften in gewiffe Y)f9(j^ifc^e ^erioben
vorliegt ^
Unb nun bai^ weitere ^obtem! 3n ben äf^al^men jener
feinen Übergang^nuancen ^raifdjen polaren ©egenfäfeen einer
gefd^i^tlic^en ©ntraicflung, bie fid^ eben nod^ aufftetten laffen,
finb jefet roieberum jene einzelnen ^erfönlid^feiten möglid^ft
inbitHbued eingu^eid^nen, bie oomel^mfie Präger bief er dluancen
gewefen finbl SHe einzelne e$attierutig in i^rem Serl^altnü»
ben üor unb nad^ i^r liegenben (Sdjattierungen gicbt ben
Stanbpunft ab, non bem auö bie 9iunbgefta(ten ber J^nbioibuen,
bie für fie d^arolteriftifd^ finb, giac^bilbern l^iftoriid^en
* ©. oben e. 69 ff.
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382 n^eltanf^aunng.
(S{)Qrafter^ umgearbeitet lüerben rnüffen! Siegen \)\ev md)t 9luf^
gaben öon unenblid^er gein^eit cor, bte jubem fd^liefelid) ouö
ber roiffenfc^aftUd^en Sluffaffung ^erau^ bod^ ing Äünftterifti^e
fügten, in benen bad logifd^e Urteil obgeldft mirb oom @effl^I|
oom Snflinite?
Wlan Dergegcnroärtige ftd^ biefcn ^Berlauf ber gefdjid^t»
üd^en 5lrbeit^n3eife, um fid^ mit ber Überzeugung ju erfüllen,
bafe bie fic^erften X^atfad^en auf gefd^ic^tlid^em (Gebiete nid^t
bie inbioibueQen ftnb, bie in i^rer unmittelbaren älnfd^ouUil^fdt
fo leidet ben ^inbrudf tm^erßörbaret OenHjsl^t l^onufci^
fonbem bte aDgemetnen: jene groben ^^atfad^en, beren tienier
Rem burd^ 33ergleid^ung, burd; ein roa^rl^aft roiffenfd^aftlic^
urteilenbe^ 'i^erfa^ren feftgeftellt roerben fann. Unb man ge^
roinne biefe Überzeugung unmittelbar anfc^aulic^, inbem man
ßatt ber bunten Vorgänge ber &tqmmt, bie unfere älufmerffam*
feit j|U i^ren @unften einfeltig von bem Serfolgen ber tieften
Strömungen ablenfen, melmel^r SBorgänge einer weiteren SBer-
gangen^eit beifpiel^roeife l^erangu^ie^en fud^e, in benen unfer
Singe neben ben oerroirrenben @rf Meinungen be^ SlUtag^ auc^
ber allgemeinen Sufammenl^änge leichter l^abl^aft mirb. äBa^ i^
ba ). S3. für unfer äRittelalter {teuerer: ba| eiS ein 8e|n^
mefen gegeben l^at, ober bog ein beflimmter Jtoifer einen
ftimmten dürften in einem beftimmten 3al^rc belel^nt f)at?
2)ie generelle Stljatfadie ift hnxä) taufenb 9?ad^ric^ten beleiht
unb oud^ baburc^i begriffUd^ fid^ergeftellt, bafe auc^ fonft oft
ba, mo fid^ in ber ©ntmidtlung ber SSdlfer S^aturalmirtfd^ft
finbet, ein Sel^ndmefen entfaltet fd^elnt: bie 9ergletdM>« tk*
trad^tung oon unenblid^ melen ^^ad^rid^ten aud ber eigenen
SSolf^entrcidlung roie bie üergleid^enbe Umfd^au auf bem ®t'
biete ber allgemeinen i8ölfergefd^id^te ergiebt fonad^i ba^felbe
'J^efultat : eS ift bad ftatiftif d^e @efeg ber großen 3a^t, M
fid^ l^ier in einer au|erorbentlid^en Sid^erl^eit ber l^{lotlf4en
Slnfd^auung audmirft. dagegen bie einzelne Selel^nung! 9Bie
wenige ()aben fie bcoha(i)tetl Unb wenn mir üon allen biefen
SBenigen genaue Slufjeid^nungen be^ ©reigniffeö Ijätten: —
iDürben fie fid^, bei il^rer oer^ältnüSmä^ig geringen j^^i, au4
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tDeftanfd^auung.
383
mir bi^ gu bcm @rabe becfen, bofe tt)ent(^flett§ bie ^joiipt^
momente be^ ©reigniffc^ über jcben ^toeifel erl)aben wären V
(^rfa^rungiSgemäl nid^t: fo flarf pflegen bie ^bioei^ungen
in bet ^ening felbft einei^ einfad^en ftnguUren ^gniffed
fein, anä) mm leinettei befonbete kbftd^t ober 92eigun()
ber ©ntftellung üorraaüet. Unb fo läfjt fid^ bel)aupteu, ba^
jebeä inbiüibueHe (Sreigniä fd;on aus ber 5Irt feiner Über=
Ueferung i^er leidster bef^ritten loerben unb felbft in feinem
Sttmom^im^ weniger ftd^ergefiellt loerben tom atö eine oSi*
gemeine Xenbenj, ein fogenonnter S^ffamb. fDiefe ottgemeinen
Sufammen^iänge finb e«, au^ bcnen e« ftd^ u. a. begreift, bog
dianfe boS reiffte äBerf feinet gefdjidjtlid^en ^J)enfen^, bie „'^MU
gefd^idjte", grimbfäfeUd^ nur nod^ auf ^^enbenjen erbaut ^at
unb nid^t auf ^erfönlid^feiten.
Unb biefe 3ufamnten^änge mdgen ^ aud^ rid^tig erfc^einen
(äffen, loenn l^ier, an biefev befd^eibenen Steffe, ate wid^tigM
©rgebniS ber bi§J)erigen ^arfteßung feine^raeg^ bie 2Birf)ainfeit
einjelner^ nod^ fo bebeutenber ^erfonen gebud^t wirb, fonbern
oielniel^r ber 3"fo"^^^^^"^öng ber großen, bie letzten 3o^r*
ael^nte unferer @efd^id^te butd^toaltenben feelifd^en Strömungen.
*
2. Unb ba ift eg benn d^orafteriftifd^, bog bie neue
^eriobe ber SRcijfamfeit fid^ t)or allem auf bem ©ebiete ber
^^antafiet^ätigfeit äufeert: ä^nlid^ wie einfl ba§ grofee fubjcfti*
oißifd^e B^taltec mit ben Sagten ber Smpfinbfamfeit a{& einer
^riobe mieber enoad^enber beutfdfter S)id^tung begann. Seife
fann man oerfolgen, mie feit ben derjiger ^al^ren fd^on in
einjetnen oerftreuten 3^^^^"/ mad^tooll bann unb allgemein mit
ben fiebjiger unb ad^tjiger Salären ein Seelenleben ber ^^iljantafie
bas^ alte, mel^r rationale, oome^fmiid^ roiffenfc^aftlid^e ^afein
obldil unb erfi bem ^ifUnpü^mud, unb bad Reifst ben ®eifteiS'
miffenfd^aften, fpöter aud^ ben Slatunoiffenfdjaften ben Jtrieg
erflärt unb im Streite mit i^nen ju fiegen fuc^t. ®ie erfte Stufe
ber ©ntraidlung ift babei bie, ba§ bie ^unft 5unäc^ft roenigften^
für i^r eigenfted Q^ebiet Befreiung oon ber ä3eoormunbung
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384
IPeltanfc^auung.
hux^ We SBifTenfd^aft oerlangt: bet ftampf gegen eine wi^m
fd^aftlid^ ^ pljilofopl;ifci^e Sft!)eti!. l^oben fd^on fiubroig
unb fiebbct aufgenommen, freilid; nodj be)d;eiben genug: fo
f)ot Hebbel md) 1848 vox ber pl^ilofop^^ifd^en Äft^eti! bie alte
i^o^a^Um%, möd^te aber bod^ für bie tünftlerifd^e ^ro^^
boneben bie Srfal^nmgen ber ftflnfUer l^5rm, unb befonberS
toid^tig erfd^einen il^m einge^enbe Sefenntniffe fiber bad ©t*
^eimni^ be^ eigentlid^ften fc^öpferifc^en ^.ßorgangg. S^^id^arb
äBagner ift bann fc^on nic^t mel^r fo jurüd^oltenb ; er fd^afft
feine äftl^etif au^ feinem SBerfe unb bulbct feine @ötter neben
ibm. SBie bann im iBoufe ber ad^t^iger 3<^^re bie legten
Slefte ber otten äflbetifc^en ffiiffenfd^aft um ben ftfinfltem ob«
gcfd^üttett TOurben, wie mit ber oollen Entfaltung ber neuen
Äunft junäd()ft bie fierrfd^aft besS ^iftori^uiu^ fiel — i)ai hod)
fd^on in biefer 3^ii ein grofeer Äünftler eine altägpptifd^e
Sanbfd^aft mit ^elegrap^enbrä^ten oerfel^en — bad ftnb be»
lannte Xl^atfad^en« S^^^^ enoeitem fid^ bie 9lnf)>rttd^
ber neuen ^l^antaftetl^ätigfeit auf Sel^errfd^ung bei^ -gefamten
©eelenlebeng. S3on aufeerorbentUd^er öebeutung wav \)kx, hai
bie moberne ^unft in ^öfjerem (^rabe aU bie Künfle früherer
3eitalter 'J}htt()ätig!eit im p^antafieooUen @enug uertangt, ba
ibre ^ed^nit auf ^eroorrufung von SpannungiSgefüblen beni^t^
bie oielfad^ x>on bem (Seniegenben getdß uierben mfiffen.
giebler, ber greunb von Tlaxez^ unb ^ödPHn unb ^ilbebranb,
^at baö jucrft gana erfannt unb baraufljin in ben fiebjij^cr
unb ad) tjiger 3at)ren feine fie^re Pom probuftioen Aiunftgenu^
ttitvoidüt äBenn aber bie ^iation sur Mitarbeit am $b<uitttfte>
(eben aufgeforbert unb bingeriffen mürbe, merni bementff>re(|enb
fo probuttlDe Senieger auftraten mie etma igermann 9af)v,
einer ber feinften S^ad^empfinber ber ^ät: l^iefe basS nid)t bie
Station langfam überljaupt auf fünftlerifd^en ^oben fteHen?
Unb bie 9?ation folgte biefem 3fiufe: bie begeifterte unb über«
rafd^enb fd^neOe ^(ufnabme bed ^ud^ed «.Stembranbt aU @r«
jie^cr bai» in biefe 9iegionen üdtt, mar um 1890 hierfür
ein überrafc^enbeö 3ßwgi"^-
ben neunziger 2la^ren ^at bann bie $l^auta|'iet^ätigfeit
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IPcItanfdjaunng.
385
aud^ nod^ ben ftäxtfUn Sßal, ber tl^ iSMmttng entgegen«
flanb^ p burd&bred^en ober roenigften* ju überfluten gefud)t:
ben naturmiffenfd^Qftlid^en ©inn. ^er noturaUftifd^e 3m*
preffioni^mujS p^pfiologifd^en rote pfpc^ologifd&en S^^arafterü^
l^atte %wax ben ^iftoridmud beifeite gefc^oben, bagegen loax er
ben 9totutn)if{enf<|aften nod| befceunbet geblieben, ja in ben
Selsten 3otad mie nod^ ntc^r in benen ber beiitfd^en
tretcr be^ grangofen war fogar bie ©ninbmeiiiung bie ge*
rocfen, bafe in biefem Diaturaliöniu^ eben eine ^Bereinigung oon
Äunft unb Sßiffenfd^Qft oorliegc wenn nic^t gar bie ^uuft in
äBiffenf d^f t übergeffi^rt fei, unb man ^atte bie impreffioniftif d^en
Seoba^tnngen im einnelnen oermeintlid^ nad^ bec ^et^bbe ber
SiJotitrroiffenfdJttften gemad^t. Über biefe Huffaffung ging nun
ber ibeoUftifi^e 3mpreffionigmug ber neunjiger Salute ftrarf^
^inrocg. ©eroi^ bewalirte er bie mit geroaltigen 3)?üljen er*
rungene l^d^ @enamgfeit ber imprefftonifHfd^en ^eobad^tung,
aber er untenoarf ftd^ i^ nid^t einfad^, fonbem nu^te fle aia
att ein SBerfjeug ju feinfter SBiebergabe )ubjeftio=perföntid^er
Stimmung. Unb fd^on geigen fid^ je^t l)ierüber (;inau^ bie 'än*
fänge eine^ objeftiuen QbeaH^muö fittlid^er unb metapljijfifd^er
üBeltanf d^auungen , bie fid^ crft red^t nid^t au^fd^liefelid^ ®e*
fefeen bidl^eriger natunoiffenfd^af tlid^er 89eobad^tting unterorbnen
n)erben. Unb mar benn felbfi fd^on im naturalifUfd^en 3m«
prefftoni^mu» nid^tg anbere<S von Sebeutung geroefen afe nur
bie ben 9taturn)iffenfd()aften nad)gebilbete ^J}iet^obe? 5^eine§*
toegi^. 3)ie 3Bif) enfd^af ten ge^en auf Söerallgemeinerung ber
Erfahrungen unb bringen bie (ginjeltliatfad^en unter ^Begriffe;
bie Itimfl ergreift bod i^ietne mit fdj^^ferifdj^ dkmait: bie
Siele ber ftunft unb ber SBiffenfd^aft ftnb oerfd^ieben. Xud^
eine Äunft, bie mit roiffenfd^aftlid^er ©enauigfeit beobad^tet,
wirb bod^ nad^ biefer S3eobad^tung il)re eigenen SBege ge()en
unb eben barin i^re 6elbftänbig{eit gegenüber ber äBiffenfc^aft
batb um fo {iärfer offenbaren. 3" ^ neunaiger Sauren
mtrbe in ber Jtunfl aud^ ber btte Steft nod^ einer ^errfii^aft
ber 9latum)i{fenfd^aften gebrod^en: frei flutete bie itultur
einer neuen ^l^antafietljätigfeit in eigenem Sette, erfüllte
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386
WeltanidjaümiQ.
bo8 2thzn, foroett fid) i^r näherte, big jur legten f (einen
®<j^öpfun0 bed ftunftl^anbioerfd unb gnff aud^ loeil^in ein in
bie Gebiete femer lie^enben geifHgen Sebeni», in ben ftreid fttt«
lid^er S^orfteHungen, in bie Xummelpläfte metop^pftfd^er Bpetu-
iQtion, ja felbft in bie abgelegenen gelber ber 2Bi)jenfd;aft ; e^
iDirb baoon nod^ bie Df^ebe fein. Unb bebarf e& nod^ roeiterer
äludfül^tung, bag biefe neue Kultur ber ^unfl aud^ fonß bad
Seben mit bem S)ufte i^ted S)afeind erfftUte? S)aft unter
il^rem €itiflu6 bie ©djälung ber f^roftifd^en 8erufe guna^
unb i^nen gugleidf) gern ein füniilerifi^eiö 3}Jotit) untergelegt
warb, ba^ bie (5r,^ief)ung rcieber äft^etifd^e äderte ju beoor^ugen
begann, bag ber £uUu^ unb bie Pflege bed menfd^lic^eu
Itdq^ im Sport ermud^d, bag bod Seben im ganzen f^dtt,
freubiger, milleni^fi&rfer marb, baft bie ftünbige peffimifKf^e
©runbnote be« fubjeftioiftifd&en S^italterS in« ßeifere ju oer«
\)a\lm begann? 3)kn oergegenraärtige fid^ bie neuen äBelten,
bie im ©rblü^en anberer fpegififd^ äft^etifc^er Kulturen er-
fianben finb, bie SBelt ber a^iitterjeit beg 12. gial^r^imbertö
ttm unb bie ber Kultur feit etma 1750, unb man )iei^ bie
Unfumme von Sergteid^en mit ber Segenmart, bie ftd^ aft«
balb aufbräiigen, um ben ganjen Umfd^roung gu emppnben.
2ßaä aber roar bie innerfte S3eu)egungc^urjad)e biefe^ Um=
fd^wunge? 5ln biefer Steße unferer Überfid^t fann e3 mit
einem SQ^orte audgebrüdft werben: bie S^ei^famfeit, bte in»
@d^5pferifd^e umgefefete Säl^igteit benmlter ißeiieption neuer,
6i9 bal^in mefentKd^ oorfleOung^Iog gebliebener innerer fUny
ergebniffe. Tiefe 9^eigergebnif|e liegen, genauer betradjtet,
jiüifdjien ber ooEen alten ^ßorftetlung unb ber blofeen neroöfen
äteijung; fie Ijaben von beiben ^xoafi, iebenfatti^ fe^lt niemaU
bai$ flnnlid^e (Clement, ^eroorgerufen werben fie burd^
Spannungen unb nomel^mttcl burd^ eine gan§e Stetige fold^er
l^intereinanber, eine 9lei^e, bie man mol^l am befien aii
(Sdnoebung bejeid&nen fann: burd^ Spannungen unb Sd^roe»
bungen alfo, bie o^ne ßöfung ober lüenigftenS ol)ne genügenöe
fiöfung bleiben, ^er Erfolg ift ber bed ^^nungdooUen, b«^
untlar Srmartenben, bed fe||nfud^tdPoilen ^rmiged in9 SQeuc;
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387
3)ämmernbe, Unl^cimlic^e, Ungetieure, ©^mbotifc^e, SJlpftifd^e, im
gaOe ßävterec (Snegtl^eit bie unbefümmte (^pftnbung ber ^tngfl,
ber %ut^t unb nenoonbtec @effil^te. GoEen nun bUfe 3u«
flönbc ber Unluft ouf()örcn — fall« fie nid^t ettoo peroerfcr
äBeife aU fiuft empfunben werben — fo bebarf e<8 i^rer felbft»
ttfätigeii ^u^löfung burd^ bie ^l^antafie beffen, ber i^nen
untenoorfen x% unb biefe ^udlöfung erfolgt in ber ^tt, bog
ft^ ber bioit, beinahe mn nerodfe ä^eijoorgang nun mit
gegenf^dnblul^em gn^te anfüdi
®ie§ ift ba^ eigentUd^ Gtjarafteriftijci^e, unb hieraus er*
flärt eg fid^, roenn bie moberne Äunft nid^t me^r md) il)rein
pofttioen, ftofflid^en ^orfieQung^ge^alte beftimmt roerben fanu,
fonbem mel^v nad^ intern pf9d^o(odifd^en unb neurologifd^en
SBefen, na4 einet a(fo fafl nur innerlid^en unb gteid^fam
formofon 8M»in9tl)eit: ba^er fein ©efül^l, fonbem Stimmung,
feine SBillen^äufeerung mit ^BittenSge^att, fonbem SSorgang beg
SBoüen^ an fidE), Trieb, (Streben; unb ebeiifo nid^t 2)enfinl^alt
junäd^ft, fonbem SDenfoorgang. 2Bie e^ ^a\)x einmal auggebrüdt
^at : „äSorbem begnfigte {td^ bie iBitteratur mit ben ^|atfad^en
ber @efül^te, beten SBBefen unb 9Beife 9oraudgefe|t mürben, unb
beten bemegenbe iltaft nur bie j^anbtung füllten unb bie
©^araftere beftimmen foUte. Slber ba^ ©cfüt;! felber lourbe
gor niemaU burc^forfd)t, unterfud^t, jergliebert, um i^m ben
$ti)^6 ^u mad^en unb feinen (5tedbrief au^unei^men. 3^(t ift
ed umgelegt. SBod jenen bie ^auptfad^e mar, bie Spannung
rafd^er, reid^er unb Bewegter l^bbtng unb bie Serfammlung
feltener unb bijatrer ©^ataftcre, bag ad^ten mir gering, ^aä
SBerfjeug pon einft jur ©eftaltung be§ ©egenftanbe^ ift felber
jefet ©cgenftanb geworben , ha^ ^Wittel jur Bewegung unb
ßeitung bed ajorrourfe^ felber SSormutf, unb eine neugietige,
unerbittiid^e, raftlof e (Snqu^te ift eröffnet morben über ade (Se*
fü^Ie in ber Srufl bed SReufd^en, mie fie finb, mie fte mad^fen
unb roed^feln, mie fie ocrloufen." ©o erflärt fid^ ber ß^arafter
ber neuen ^^antafietljätigfeit, raie loir biefe in 3}Jufif, bilbenber
^unft unb ^id^itung gefunben l)Qben. 5Die ^ufil mir!t burd^
ben ftbergong )um oormiegenb (S;||tomatifd(en unb ein
26*
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388
tOeitanfd^auung.
otiberet 9teuenm0eit in bem Se^eid^e il^m AimflmUtel ba^^tn,
ba| il^re ©prad^e feUfl fd^on, gan^ abgefel^m oon bem Sn^alt
beffen, toa^ fte au^\pn^t, eine ©prad^e ber Sd^webungen unb
SpanniingSgefül^te ift; in bcr bilbenben ^unjl tf^m bie unoer*
mtttelten garbengufontmenfefeungen bciS Srnprcfpomömug biefelbc
SBirfung; in ber ^id^tung wirb biefc cbenfo burd^ eine grunb*
fd|(id^ imptefftonifUfd^e wie buvd^ eine f9mboli{Hfd^ @pxa^
eneid^t Unb in ben Jtflnfien, bie einen unrnitteKomt 3»^
fantmcnl^ang ifireö Sd^affenö mit ber ^otur aufroeifen, inbem
fie beren Silbungen ober tüeniqften^ bie 2^^a^ogie^ biefer Sil*
bungen nad^fd^affen, in ber bilbenben ^unft vov aUem, aber aud^
in ber SHd^tung unb l^ier xoithtx oome^mtid^ im 5Dcmna, mttb
badfette CrgebniiS aud^ fd^on baburdft l^orgemfen, ba| bie
Statut nur eben in il^ intenftoflen (Sefialt miebergegeben nHcb:
benn biefe @inbrüdfe intennoftcr ©eftolt im 5(ufge^en ber ®e*
fidjtöeinbrüdPe in fjorbenmomente, ber öonblungi^roa^rnel^mungen
in ^anblung^momente finb fajlt nur r\o6) neroöfe 9^ei§oorgänge
o^ne einbeutigen SSorftelbtngdinbalt unb bemiden banim Spam
nungSgefül^le unb beten 6ummation^ bie Sd^mebung. Unb iitbem
fo alle ^DorftettungSmittel ber mobemen 5lunfi auf bie 9kroen,
unb auf bie Dierüen faft allein l)inTOcifen, führen fie jum erfteu
WlaU gnmbfäfelid^ unb au^gebebnt in bag ©ebiet ber ^^^antafie-
ü^&tigteit jene mer!n)ürbigen ©rfd^einungen ein, bie §uetft unter
bem 9tttmen bet audition color^ belannt mutben: bie gegen«
feitige S^etttetung ber fpejtflf d^en Ginnei^werf^euge, bad^debi
auf ber $aut beim Sln^ören oon ^önen, bie ^^onaffociation bei
2lufnal^me oon garben, fnrj bie ungeioö^nlic^e ©rregnng ber
@inne bei nid^t für fie fpe^ififd^en ©innedreijen. ift eine
jhtnii, bet bad Seelenleben nut aud ^(tualitdten )u befleben
fd^t: biefe, bie ol^ne ttntetlafi oufeinonbet folgenben Genfo«
tionen, bie ffiebungen, ^Ballungen, Spannungen, Sd^mebungen,
bie flcinfien nodj) eben erfermboren unb jefet crft oöHig auf^
gebcdten ^JJiomente ber pfpd^ologifdjcn Äontinnität finb baS
aJlaterial il)rer gormgebung. ^a()er bie äßiebetgabe ber (5r»
fd^eimingtoell im glimmet bet Smpteffionen, mag ed ftd^ um
eilbnetei obet Slaletei, um (^aäl^tungiSbtnft obetS)ramal^anbe{n.
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lPeItanf(^anitn0.
389
Unb feineiStoegd ber natutaliftifdfte 3mpteffu>ntömud bloi
hehknt flc^ biefet 9Httd ber 50atflelliind, titdge er nun bie p^fto*
loQi\6) ftd^tbate ober Me pfpd^ologtfcl^ onfd&aubQte SBeit bar*
ftellen. Slud^ ber ibeoliftifd^e Smpreffioni^mug in ber 6tim*
mimgSfunft töie in ben erften Slnfängen einer objeftioeren @nt*
roidtuna fte{)t genau auf berfelben ©runbloge. B^on baß oud^
bie äfhiftf in biefen ftreid getreten ifi, bie in Stobetraci^t ber ^or«
fteOungdmittel ibeaßfUf^fte oder ftfinfle, ifl ba Seioeifed genug.
mel^r aber ergiebt fi(5 ber impreffioniftifd^e, unb ba« l^ei^t
mobernc S^arafter aud^ unferer ibealiftifd^en Sinnet au^ ber X^at=
fad^e, bag bie ^^euerungen ja überhaupt gar nid^t baS Dbjett ber
i^unft betreffen, fonbem t)ie(me^r beren 9ludbru(fdmitte(: eine
ibealifUfd^ ihinfi aber beruht t>riniär auf verOnberten Dbjeften
ber JtunfUlbung. ^ag btefe neuen Dbjefte, in ber Segenwart
ba« immer flärfer auftaud^enbc perfönlid^e StimmungSmoment
unb bie erften ©puren neuer Schief fal^ibeen unb 2öe(tanfd^au=
ungen, bann aud^ auf bie 5Ui«brud«mitte( einroirfen unb biefe
umgefialten, iß riii^tig. Mm bad iß ein fefunbäred äRoment,
unb ed entfaltete ß$ in ber jüngflen Sergangenl^eit erß, ald bie
imprcfftoniflifd^en 3[uiJbrud8mitte( fd^on entroirfclt waren, l^at
alfo in feiner Entfaltung biefe jur roenigfteuiä jeitlid^ gegebenen
^orauSfegung.
SBenn aber fo bad ganje gro^e @ebiet ber ^l^antofte«
t^fttigfeit fl4 vm bem SHtft, ia von bem £ebendobem eineiS
neuen feelifd^en ^afeini^ erfüllt ^eigt, ^aben bann bie übrigen
©ebiete be« (Seelenleben« fid^ biefer neuen 3ltmofpf)äre fern*
galten fönnen? ©d^on ber Umftanb, bafe alle feelifd^en @r*
fd^einungen berfelben ^ni ftänbig ju einanber im ^^^crljältniÄ
fielen, ba« inbioibualpf^d^ifd^ toie foiialpfpd^ifd^ gettenbe ©efe^
ber pf^d^ifd^en 9te(ationen oerbietet bieS. S)ad neue ®ee(en«
(eben ifi aunäd^fl auf bem il^m innerltd^fi oermanbten @e6iete
ber ^f)antafie {)einüf(^ geworben, aber e« bringt weiter üor
unb l)at aud^ fd^on anbere Gebiete weithin erobert; jo Dor
ädern bo« ber fittlid[^en ^nfc^auungen.
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II.
§atte bog grofec ScitQlter be^ Subjcftiui^mug fd^on frü^,
bereitig im 18. ^aljrgunbert eine eigene bur^ifcbladenbe Sitten«
Uf^xt cntroidfclt? Keinegroegö!
^ erfie ^Ifte bed 19. gal^l^unbectd toied, tDenigec in
bet pl^ilofopl^ifd^en S9eür6eitung ber flttlid^en Probleme, bie l^er
nii^t attein in Setrad^t fommt, qIö in ben fittlid^en 2lufd)Qiuin9eu
beS praftifd^en ßeben^ eine güUe nebeneinanber oerlaufenber
etbifd^er Strömungen ouf. war cor attem nod^ bie d^riftlid^e
Floxal mit i^rem @e6ot bet Släd^flenliebe bid ^ur ^ufopfenitig
bei^ eigenen 3<lfti». S)a ivar weitet bie 6ittenle|te bet tmtfit«
Ud^en SReKgion be9 16. MiS 18. ^al^r^unbettiS mit il^tem 3bcttt
ber Humanität. S3eibes^ ©^fteme, bie üor ollem auf ba^ C^iaiije
ber meufd^lid^en ®e)ell|d;aft feigen uiib borum oon ber 2ln^
nal^me innetlid^er (^(eic^!)eit ber ^knfd^en au^ge^en. 5Da
moten fetnet oud bem S^Uex bed ooil entmidelten Snbt«
vibttQlidmttd Sinei S^fleme, bie lunftd^ft ben Cinjelnen fOt fl4
in« Sluge faxten: ber UtititariSmu« feit S3acon unb bie ©t^il
ber SelbftoeröoHfommnung feit Seibnij, ba^ eine wie ba^
anbete fel;r t)erfd)iebener $£ßenbungen fdtjig je m6) bem, xoai
man untet &Uxd ober ^oUfommen^ieit uerftanb. nmten
enblid^ (M bem 3^^^^^^ ^ Subjeftioidmitd Inte»
gorifd^er Smpetatio unb bie et^ifd^en (Bebonfen bet p^ilofo«
p^ifd^en Diomantif.
5lber feineiS biefer ©rifteme überroog eigentlid^, roenn nic^t
üm, aber me^r innerhalb ber unteren Ülaffen, ha& einer ini
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391
9J2QjUüe abgeroaubelten d^riftlidjcn (Stl)if; unb am roenißften Quu
flug l^attcn im ©runbe bie Sc^ren Rani^ nnb ber fpäteren
3)letap^t)ri{ec gewonnen. Stant& Smperatio wirb in ber (^e»
i^i^te het imtftif^en dhr^ebtmg »d^tenb ber gfreil^itdldege
utroergeffen bleiben; l^at er fl# ober fpftter loeite ftreife unter«
morfen? Unb gar bie @t^i! ^td^ted unb feiner ^lad^folger
blieb auf wenige Slnl^änt^er befd^ränft.
@ä ift au^ immer roieber gefüllt roorben, ba6 eine roirf*
lid^ allgemein burd^fd)Iagenbe dti^it gerabe be$ SubjeftitiiiSmud
nod^ nid^t entmidelt n»orben war; in taufenb SInbeutungen
unb SBfinf(i^en tönt biefed ©efül^I vor affem in unferen S)id^tem
roiber; unb nod^ ber unglücflid^e ßonrabi ^otte um 1887 vor,
in einer S^omantrilogie bie ©ntroidhmt^ eineö ^Dienfd^en von
einer eytrem inbit)ibualiftifd^*ä)löetifd^en ^^^eUonfd^auung burd^
eine fo^ial^etl^ifd^e l^inburdü §u einer l^öl^eren brüten unbetannten,
}tt einer Stiftif ber Bulunft iu fd^ilbern.
Unb biefe Unffarl^eit ber fittUd^en fiebeniS^altung unb
ber pttlidjen ^itU fiel in eine Seit, bie, loenigfteng feit ben
breifeiger 3al^ren beÄ 19. Sö^r^unbert^, fid& auf ben weiten @e=
bieten ber üRatur« wie ber ®ei{iedwiffenfd^aften immer mel^r
einem SerftanbeiSleben suioanbte, bie alfo am menigften im
ffainbe wat, bie befle^enbe Sfidte auiS^uffiOen, unb bie bennod^
gegen i^r (Snbe l^in ber 2'^atfad)e inne warb, ba^ jebe 2lrt
bed Stt^elleftuaU^mug bag J^erj^ unbefriebigt (äffen mufe.
ftonnte nun aug bem 2lbfd^lu6 wenigften^ biefer lang»
anbouemben wefentlid^ intefteftuoliftifd^en (Sntioidlung eine
neue Ctl^if ftarfer Serbreitungdffil^igteit ^eroorgel^n — eine
@tl^i! oon l^inreigenber Gewalt unboon unauf^altfamen Xrieben
unb von ©eboten, bie unerbittlid^ fid) oufbrängen?
^ie @efd^id^te ber eoolutioniftifdSien 6ittenlelj|re giebt auf
biefe J^agc bie Slntwort.
Wit bem Srfd^en von S)armind ^ud^ über bie i^nt«
flel^ung ber SIrten burd( natiltlid^e Slui^Iefe (1859) war nod^
mitten in bie brü{)enbe intetteftualiftifd^e S^xt, wenn aud^ me^r
gegen (Siibe ju, ein ©ärung^ftoff geworfen, ber berufen
fd^ien, bie fittlid^en ^orfteUungen oufd ftärlfte umaugeftalten.
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a92
Xmn roaö befagt bie fie^re ^^arroinö? 6ie lueift einmal nri" \
roiberleglid) mö), ba6 bie l)eiite lebenben gormcn tierifd^er uiib
pflQnjIid^er Organismen fid^ in ununterbrod;enet attntä^lid^er
^onblung attd frü^eten^ weit einfad^emt gönnen mtwiddt
fyAtn ; unb fte fud^t ^weitend bie SBirbinG ^emiffet med^anifd^er
^rinjipien, fo oor allem beS ber notürtid^en Hu^lefe, qU 5ur
©rflörung ber ftattgcljobten ^ßorgänge auSreid^enb er |
weifen. 9lun oerfiel^t fid^, roie ungeheuer ber ^}iücf)c^lag fc^on
ber 2e^xe von ber fontinuierlid^en ©nttoidlung ber ^ebe*
loefen an fid^ auf bie @t^it fein mugte. ^e Organismen
ni^t «te^ in il^rem fflefen ftctig — : vm blieb ba no$ flet?
@S mar eine bumpfe, erft ollmä^Ud; cmpfunbene SBirfung auf
bie (^eifter, ä^nl\6) jener ber Sel)re be§ iloppernifuS, bafe bie
(5rbe nid^t me{)r baS ©entrinn ber äiklt fei, roie man fo lange
geglaubt^ f onbem ein fUiner Körper, ber ftd^ in unb mit einer
^Se tm Sßelten bewege. Unb oor aOem bie fittlid^en 9e*
griffe traf 2)arn)inS S3e]^auptung. 3ene ^Begriffe, von benen
man biSl^er geglaubt Ijatte, ba^ fie broben fangen unDeräufeer*
ii^, bie clcmentarften fittlid&en 3ionnen, — waren beim au^
fte etmaS erfi Seworbeneg? unb alfo ^eränberlid^eS?
Unb n»eiter no^ : bef eitigte nid^t bad ^Nittel sur (SnimiUl*
lung ber SariaMHtöt, ber „llampf um« ^Dofein", oHe ct^ifd^en
^orftcüungen überl;aupt? Unb ergab nid^t bie ganje fie^re,
wie fie in bem Sud)e oon ber 5lbftammung beä 3)Zenf4)en
(1871) auf einen untermenfdjlid^en Urfprung unferer Gattung
]^inaud|ulaufen fd^ien, bie Unmogiid^feit jeber metapl^Rfd^
Seranferung fttttid^er Segriffe? (S» waren Sebenfen, bie fi^
üor allem in ber breiten 3)kffe jener ©ebilbeten geltenb mad^ten,
bie in bie tieferen ©rünbe ber Se^re 2)arminj8 nx^t weiter
einbrangen.
i^twod abgefd^wöd^t würbe bod Ungel^eure ber SBirtung
ber gefomten Seigre burd^ ben Umfianb, bag fd^on wt Sarwin
bie Sniwidflung ber Sitten oielf ad^ aliS eine überaus wal^rfc^eim
lid^e.§t)potl)efe, ja ^)alb erfannte ^l)atf ad^e gcal)nt unb uorgetragen
niorben mar, ja bafe man auS il}r unb aus ben ju i^rer (SX'
üärung aufgefteUten Vermutungen fogar fd^on einige neue
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n)eltanfd}anntid*
393
et()ifd^e '^floxmm abgeleitet ^atte. So ^at in ^eutfd^lanb
äßiü)e(m 3orban bereite in bem @po^ „SDemiurf^oS" (1854) ben
ilanipf uind ^afein al^ ba^ eigentlid^e ©e^eimniiS ber (&nU
widnung gesegnet unb ^wcaufi für bie ftttUd^en Wn\^mm%m
feinet gelben Folgerungen gebogen. Gpaterl^üt fyd bann
freitt$ gorban, nunmel^r mit ben fiel^ren Karmins tiertraut,
feine ^lieinunc] lueit beutUd;er formuliert unb eine Q:ti)\t gelehrt,
bie fid^ in ben Herfen grift StöQÜ& ^ufammenfaffen lägt:
8 oll oUeö, wa^ bu ^aft unb b\)t, oerberbcn?
33Ieibt nic^tö uon beinern 8ein unb ^c^ suvütf?
S3au über bic^ ^inauS unb la^ ben Grben
@e[unbt)eit, @t&v!e, ©elbfibe^errfc^ung, @Iü(f!
3nbeg äunäd;ft unb im oHgemeinen mar man bod; ratlos ;
unb ^anDin felbft ift toeit baoon entfernt geblieben, bie
fittlid^en {folgen feiner @ntn)idlung^lel)re gan^ empftnben.
3n ber war bie 9luf gäbe, eine (St^if beiS (^olutionidmuiS
%n entwidCetn, fd;arf ini^ 9(uge gefaxt, nid^t eben (eid^t. 9km
zweierlei @t()ifen fonnten bei genauerem ^ingeljen ouf bie
iiie^ren ht^ ^arroini^mu^ begrünbet werben.
Einmal ^atte 2)arrain für bie ©ntroidlung ber organifd^en
äBeU bie <^flärungdrei^e ber älnpaffung unb SSererbung (foweit
man biefe etna nodft l^eute gelten (äffen vM) unb ber Su^U
iiMil^t ober natfirttd^en SluiStefe, wonad; nur bie fräftigfien
Qnbioibuen überleben, gefunben. waren egciftifd^e ^^]rin*
jipien; übertrug man fie auf bie 3}knfd;enroelt unb bie roiH*
fürlid^e unb bad i^eigt fittlid^e ^tegelung ber (^ntwidlung ber-
felben, fo bim man su einer plji^ftologifii^en @ntioidlungiSet^ü
be9 ilgoidmuiS. ttnb ba ergab {1$ benn ate eine ber erften
unb grunbfä6li(^ften Jorberungen, baß alle ^itnbemiffe für bie
natürlid^e SluSlefe fatten muffen, fo oor allem ba3 (Srbredjt
unb jebe 33egünftigung be^ (^injelnen burd^ 3}iomente, bie
auger^alb feiner inbioibueUen Einlage liegen. Unb weiter ergab
{leb/ hai bie äludlefe geregelt merben muffe: alfo ^ratdoerbote
gegenüber ftranfen, ^efeitigung aHju Bdjwad^er ober Sd^mad^er
überhaupt u. f. w. ferner nui^te nad^ ben '^^rinjipien einer
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394
IPeltanMannttg.
p^pfioloi^iidjcit (SiitTDi(f(un(i^et()tf au^ ben großen i);bealcn ber
■tD^cnfd^^eit, wie fie n)emgften§ bie d^nftlicf)c Dbral unb bic
©ittentel^re bec Humanität ![ar befigen, bie ^bee ber @Ieid^^
aOier äHenfd^eit üor bem ©ittengefele audfd^eiben: (^tmuftutig
ber (Sattung vielmel^ |u einer l^dl^eren itt, |u einem vm
l^eutigen ^enfdien mä) pl^^itologifd^ oerfd^tebenen ftbennenfd^en:
ba^ rourbe bie $)|bec, iti ber alles gipfelte. 2l(fo nid^t baö
SBol^l aller galt me^r, fonbern baS ber I^üd^tigften , ber
SBenigften; nid^t griebe auf ©rben ^icfe eg, fonbern ©treit,
f^ai, ilompf untd S)afein: ia Kampf untö ^afein — 6id mo^in?
IBid §u bem fünfte, ba| bie ftbermenfd^en nad^ erreid^tem
tjöljeren ^üoeau bann boc^ roieber fortfämpfen um eine ^ö^ere
6tufe unb fo ©tufe auf ©tufe folgt: — unb am @nbe bie
^^ramibe fid& gipfelt unb @r übrig bleibt, ber fiöd^fle, Sefttt^
(Sinnige? .... ^ai^ ifi ber Ausgang, ber in ber Aonfequet^
beiS @9fiemiS liegt, — ed ifl bie Itonfeqnen} Stinteeft unb ber
8Cnard;iften.
SlnbererfeitS aber ^atte nun Harrain bod^ roieber ben
■J2ad6n)eiS geliefert, bafe neben bem egoiftifd^en ^rin^ip ber
3ud^tn)al)l innerE)alb ber organifd^en SBett }ugleid^ ein aiU
ruifiifd^ ^rinjip ber äRutterliebe unb nenoanbter triebe
mm SInbeginn bettelte. Unb er batte weiter gelehrt, ba|
biefeS altruiflifd^e ^rinjip fid^ bei ben ^erbehtieren unb
^ierftaatcn gum fo.^ialen enueitere, unb ba6 an^ bem fojialen
^rinjip ber ^ieriuelt baS moralifd^e ber 3)ienfd^^eit ^eroor»
gel^e. ^it anberen äBorten: neben ^orau^fegungen einep rein
egoifHfd^en (&tffit bot bie £e(ire S)anDinft bod^ oud^ SHmnenle
bar, bie auf eine foiiotogifd^e (SntmidKungiSet^U bed SHtntiftnntf
^inroiefen.
Unb fonnten nun biefe Elemente burd^ bie egoiftifdj^e (Sw*
lutioneet^if o^ne TOciterejS auSgeftofeen werben?
SUme&w^^l & ift ItcLX, hai bie 3ieU bed et^ifd^ p^^fto*
(ogifd^en Soolutionidmuft, bie Siegelung ber natftrlid^en Sui'
lefe, bie @rrtngung eineft tlbermenfc^entumft unb taufenb anbeie
Jyorberunßeu t^atjacl;lic^ gar nid^t aufgenonunen ober oenoirf»
Udi^t n)erben fönnen o^ne ftärffte ^inbung ber grei^eit be^ @in*
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IPeltanfi^auung.
395
^tlnen: benn n)ic foll bcnn 33. bag (Svhxed)t üerfd^roinbcn, ber
<9ef<j^Ui|tdoet!e^v foiitrottiert loetbeii fd^&cfßett @o)ialid«
imid ober j^omtimniditttid? ^ pl^^ftologifc^e (St^i! forbette
olfo il^rer 2)urd^fü^rung eben bie fogtologi) d^c Seite ber
bariDtniftifd^en ©tttenfe^re, imb au6) fic wieber in i^^rem
(&j^m, in einem öugerften ^ItruidmuS.
S)a jeigt ftd^ atfo flar: stellt man alle biologifd^ ^3^§i|nen
ber CntiDidbinodle^re in Setrad^t, fo nie fie S)anDin vortrug,
unb wirb man ni^t 6(ol von bem SebanVm ber enimidnungs«
mäßigen Unt^teti^l^eit ber ^lenfc^en unb bem ^^anta^ma einer
rafd^en ©mporläuterung ber pd&ftentmicfelten einer neuen
pl^pfiologifd^en ^afein^Pufc erfaßt, fo rairb burd^ ben ©oolutio*
n^mud ber alte ©egenfaft swif d^en @goü»mud imb 9l(tntidmttd,
Smifd^en perfönHd^en unb fi^ialöt Xrieben unb SInforberungen
\>t9 ^njelnen unb be§ ©an^n fetneiSroegS befettig t. 9hir bad
laßt fid; Qllenfall^ fogen, bafe er gegenüber bem ^ergebrad^tcn
eine gewiffe, sunäd^ft allerbingd nur t^oretifd^e ä^erfd^ärfung
erfahrt.
(hitiftiett mithin, fo oOfettig betrad^tet, bie SniwidUungd'
(e^re mirflid^ bie @ärungiS{bffe einer neuen iStffit? Jteined«
TOcgg: ba^ uralte Problem ber 5lbfinbung mit bem ©egenfafee
be^ Slllgemeinen imb Söefonberen blieb belieben; unb atte
@pfleme, bie eS auf (^runb ber @ntn)idf[ung^le^re für erlebigt
erftörten unb auf^ben wollten, fd^eiterten.
93on aKen Uefen Serfud^en aber bietet ein weiteres ge«
fd^id^tlid^e^ l^ntereffe im @runbe nur einer: ber oon ber
iSojialbemofratie gemad^te.
SSird^on) fiatte auf ber SDiünd^ener S^oturforfd^eroerfammtung
Tjom Satire 1877 bo^ SBort fallen laffen, bic S)arn)iufd^e
i;^eorie fäl^re )um ©o^ialidmud. SDidglid^erwelfe ifi bad ber
XnUtft gewefen, ba| ftd^ ber fosialbemolratifd^e p^rer Sebel
be8 SDorwiniiSmud §ur Segrünbung einer neuen @tl^if annal^m.
greilid^ unter ftarfen Si^^^i^t^Ji^ö^" ön :üeid^tgläubigfeit unb
ä5utf)erjigfeit. „^as S)arn)infd^e ©efefe beö Kampfes umS
S)afein", fo fü^rt er au$, „ha^ barin gipfelt, baft bad l^ö^er
organifterte unb ftarifore Sebewefen bad niebere oerbrängt
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I
396 IDdtonfc^attung.
unb oernid^tet, ftnbet in ber ^hn\ä)\)dt ben Slbfd^Iufe, ba6
fd^liegltc^ bte ^lenf^en al^ beiilenbe unb erfennenbe äBefen
i^te Sebeitdbebingungeit, atfo i^re f oktalen ^ftanhe unb i
aied, nmd bamit §ufammeiil^&ttot iielbeiougt beflätibtQ finbem,
oerbeffem unb t)ert)olI!ommnen, unb i^ioar in bem ®inne, i
bo6 fd^Ue^Ud^ für ade ^JDienfd^euroefen gleid^ Qünftige 2)0--
fcin^bebingungen üorl^anben finb." 3ft bann ber ^btaU >
juftanb erreid^t, fo toirft er ^Jd^liefelid^ bergeftalt auf bie
Slntedigen) itnb ^infld^t ein, ba| ber i^anfe an ^ectfc^t
über anbere gar feinen $Iat in einem @e^irn mel^r ftnbet".
3Jlan fielet: eine in^ Utopifd&e umgebogene p^pj'iologifd^e (&ni
widlung^et^if.
3BaS fi($ aber bei bem ^erfud^e ^ebe(^, bie &itmdbmgß'
(e^re für eine fojiatiftifd^e ißloxal in SUifprud^ |tt nel^men,
aeigt: bafi nämli<iEf ein faI4^ Sorl^aben nur bur^fü^rbar ifi
unter Beugung ber eoolutioniftif d^en Xl)at\a^m ober bed ge«
funben ^Jlenfd^enuerftonbe^, baö liefee fid^ ebenfo an bcn ^l^er*
fud^en inbiöibualiftijd^er (5tt)it nac^roeifen, bie auf 3)am)iftg
^nfd^auungen f)in ^emad^t loorben finb. äBa^rl^ oer«
tßü M eben bie ^^atfa^e ber SntwiilUtng ^ bem gro|ai
et^ifd^en Problem bei$ ®egenfa|ed s^Difd^en SKtruidnmd unb
©goi^mu^ inbifferent, ober melme^r fie umfdjliefet e-^: eben
im i^ertaufe ber ©ntioicflung n)irb biefer @egenfa| obgeroanbelt
unb oerebelt unb — fo gebietet oielleid^t eine frol^e Hoffnung —
enbli<i^ einmal in einer no$ nidit ooraud^ufe^enben ^fe
gelSfi nierben.
SCttiS biefen 3ufammenl)ängen ergiebt fid^, ba^ bie
eigentlid^e »^lufgabe einer @tt}if nod^ be^ intelleftualiftifcft*
n)iffenfdjaftüd)en ^^itatter^ md;t fo fe^r auf ein blofe m-
lutioniftifc^ed Softem l^inauiSlaufen tonnte, als oielme^r in
bem Serfud^e gipfebi mufite etnei» seitgemä|en Sudgleic^
inbioibuat' unb fo^iatet^ifc^er $nnjtpien auf mobem^wiffen'
f^aftlid;er, unb bag l^eigt oon metap^pfifd&er Slnfd^aming
(oSgelöfter C^Jrunblage , unter gleic^jeitiger ©infü^rung ber^
jenigen entwidlungSgefd^id^tlic^en Slomente, bie fid^ ber ein« i
ge^enbften n>if|enfd|iaftli<^en Prüfung a(d l^aUbar unb iMrunt
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XMtonfdKitiititg.
897
Sugteid^ att notwetibig erroiefen. 2)iefen SBeg l^at benn awd^
bie roiffenfcöaftlici^c ©ntroicflung auf et()if(^em ©ebiete im all=
gemeinen eingefd^lagen. Unb fie fonnte babei in gen)iflem (Sinne
{d^on oon Staut ausgeben.
2)enn 6eteitö Aant l^tte ber äuleren gfotm ber ^iitii^*
Wt, bie ba 6efte^(t: fo mugt bu l^anbetnl bie innere ^onn
ber 9WoraIität, bie ba forbert: fo fottft bu fein! entgegen*
gefefet unb bamit jebe^ äußere (5ittenge)eg, möge eS nun aU
ein fold^eg ber SRatur ober ber Offenbarung erfdjieuien, unb
l^iermit loieber im ©runbe jeben 3uf<intmenl^onQ |ioifd^en (&itß
unb SRetofi^flf oufgel^obeti. Sn ber £^at war beim
x\)m grunbfö^Ud^ nid^t mel^r irgenb eine non au|en l^enm*
tretenbe metap()t)fifd^e 3bee baö Jiti^bament ber @tf)if, fonbern
ber 9Kenfd^ erfd^ien al^ fein eigener moraüfd^er ©efe^geber —
als baS @efd^öpf, bad irrenb unb fünbigenb bad Sittengefet
felb^ }u fd^affen unb vor feiner Semunft att le|ter Snfitanii
)u nerontnorten l^abe.
9niein biefe le^te 3"ftanj ber 8?emunft, gipfetnb in ber
Slnnal^me einer tranfcenbenten greiJjcit unb eine^ tranfcen*
beuten ©eroiffenS, raar benn bei Äont bod& fd^liefelid^ roieber
ao^ übererfa§rungggemä6 gebadj^t unb wurzelte, fo fe^r fte
}ug(etd^ überinbioibuelK vm unb bamit ben jovialen ß^arotter
neuerer et^ifd^er ^eorien normegsunel^men fd^ien, in SBal^r*
^eit in einer bto^ intefltgibcln SEBclt. Unb fo gefd^al^ e« benn,
ba6 Äant§ ©t^if feJir leidet bod^ roieber metap^rififc^e Elemente
beigemifd^t würben: fo ift e^ j. nod^ bei fio^e gefc^el)en,
infofem beffen ^tl^Ü in ber Unabliängigfeit bed Snl^alts unb
ber SHUtigteit ber moralifd^en Sbeen von ber (^a^rung
ftontfd^e Elemente entl^dlt: bie ftttlid^ binbenbe Itraft biefer
gbeen roirb ba erflärlid^ gemad&t nur burd^ bie Slnna^me, baft
loit, inbem lüir biefe 3>been oerroirf Ud^en , an ber (^rreid^ung
htß SQBe(t}n)edfeS atö an ber ^erfteUung eined unbebingt wert«
ooSen 0uted mitarbeiten.
3nbe» eine fol^e Slbteitung bed oberfien etl^ifd^en Oebotei»
aui^ bod( no^ metapf)pfifd^en (ilementen, fo fel^r fte {id^
immer wieber oon jener ^^orberung ber grei^eit ^er ^ubrängt, bie
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398
£DeItanfd}auatt9-
imfer bemugted SBoOeti miffieHt, ifl bod^ im Serfaiufe ber ;
fpäteten TOiffenf^aftltd^^ititeBeftuolifHfd^en Seit be« 19. Sa^r» '
()imberts immer mel^r jurürffietreten. SKofegebenb tDar hierfür
oieUeid^t mit bie ©d^eibung jroifd^cn bcn Dbjeften ber WUia \
pf)r)[\t unb ber ^teligion, bie fid^ feit bem fubjeftiüiftifd^en
Seitaltet immer (laver ooDtooeit 1^ Umfajjte bid in»
18. Sab^l^unbert bineln bie 9ießgion, ab uralter Sbidbntif
jeglid^er metapl^pfifd^en ^l^ttofopl^ie, eigentUd^ jroei gro^ ©e*
biete, nämlid^ bas beS 33ebürfniffe!5 ber äßelterflärung unb ba^
beS ©trebeng nad) Heiligung ober nad^ bem öefifee eine^
l^öd^ften @uteS — ©ebiete, bie freUi<| burd^ melfac^ ^^Sl^^
(idftteiteti ber ^ebattfemierbinbtmg lufammenl^ftitgen — , f o tmt
feit Hont tl^oretifd^ unb bami aud^ immer beutlui^er in ber
^rafiS ber Unterfd^ieb ein, bafe bie ^i^oge nad^ ber ^inl^eit
ber Slßelt metapöpfifd^, bie S^age mä) ber ©rfenntni^ beä
Ijöd^ften ©uted unb ber ^iöglid^feit, bie ^irfung bedfelben }u \
erfahren, bagegen ab reiigidd betrad^tet lourbe. Sfl boroi
barüber linoud neuerbingi^ bie f^roge immer ßftrfer aufgemorfen
morben, inioiefem felbft noä) @tl)i( unb Religion unjertrennbor
jufammcnl)ängen ober nid^t, fo ergab fi^ boc^ juiiäd^fl bei ber
Trennung metap^pfifd^er unb retigiöfer ^etrad^tungen unb
teilwei^ aud& Überzeugungen ai^ fidler oor attem bie S^rennuug i
oon ®tbU unb SD^etopl^pftf; unb bie ^ieraui» folgenben ^«
fd^einungen bed S)enfend mürben ftd^tbar befonberd von ber
Seit jener gorfd^er an, bie nid^t me^r bem Sonnlrei^ ber
3bentität§pl^i(ofop^ie angel^örten. I
^er erfie gro^ ^^iiofopl^, ber l^ier in ^etrad^t fommt,
ift ^enefe gemefen. Sei tbm l^t bad Sefheben, bie i&tJ^
rein |)f9d^o(ogifd^ unb feineiSmegd mel^r metoptoftfd^ |u k* j
grünben, fd^on un^toeifell^aften Erfolg. iSt ba^ert bie ^fft
Qiif bie pfl^d^ifd^en SBertoerl^ältniffe. ^^]fi)c^iid^e 2Berte [ie^t
er babei fid^ nad^ ben Steigerungen unb ^erabftimmuni^en
unferei^ Seelenleben^ bilben, bie cutn)eber unmittelbar aui bec
(Smpftnbung ober oud beren 9ief>robuttion, unb l^ier borni
teib ate ^nbilbungSoorfiellungen/ teiU att Sege^ren, b^or* |
ge^en: (Steigerungen bebeutm @ri^0(ung, ^abfUmmungen
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tPeltanfd^attiing
399
©rniebricjung ber SBertfd^äfeung. ^Durd^ fold^e i^orgänge unfcrciJ
Oeelenlebcnd (ommen toir nod^ ber fieljre ^euefeS 511 einer
SiafHtfttttd ber mttt unb ftbel; unb biefe älb^ung ifi beim
nmmuileti 9^en[d^en fo bemeffen, bag bie l^öd^ften {UtKcben
@üter ben oberjlen ^la^ cinnet)men. )B\x finb in biefer
Dflid^tung von ber 9iatur im ©runbc uiijerer Seele mit einem
feinen ©efü^l au^geftattet ; quö ben gleid^artigen SluSlöfungen
biefed iSkfü^U ergeben fx^ bie fitttid^en begriffe, unb aud
biefeti ge^i f^IiefeUd^ auf bem SDege ber Silbung {tttUc^er
Urteile ein oDgemeined ©ittengefe^ ^eroor.
3)ian fte^t : biefe ©tl^if beruht junäd^ft auf rein inbiüibnat*
pfpd&ologifd^er ©runbiaqe. ^oc& ge()t Senefe pon biefer ©runb-
läge inimerl)in aud^ fd^on auf bie gragen ber menfc^lid^en ©e*
fettfd^ft ein. ^ittlid^ gut erfd^eint i^m babei nid^t bioi bad«
jenige, wo» ben l^dd^^fiel^enben SBertoerl^ättniffen ber feelifd^en
gunftionen be« ©injelncn entfprid^t, fonbem aud^ bo^, wa^
für bic ©efanit^eit, auf bie wir rairten, bag roertüoUfte ift.
iDod^ ftel^en bie inbimbualpf^d^ifd^en S3eobad^tungen md^ mU
fd^eU)enb im ^Borbergirunbe.
(ßs ift ein Stanbpunft, ben bie fpdtere 6t^i{ ber »iffen«
fd^aftlid^en ^eriobe gnmeift ©on bem SlugenMirf an verlaffen
fyit, ba aus ©rünben, bie t)orne^mIt^ in ber n)irtfdöaftli($en
unb gefetlfd^aftlid;en (Sntroidhmg ber ^Jiation bejt()loffen waren,
bie fojialpfpc^ifd^en Probleme me^r in ben ^öorbergruub traten.
& gefd^a^ bad ber ^auptfad^e nad^ in ben fiebriger unb
ad^t^iger Sauren. Unb nun erfolgte, auf ber (Brunblage
bed mittlerweile ooH entfalteten SDoluttoniSmud, ein ben Sin«
forberungcn ber Qeit gemä&er iHus^gleid^ inbioibual= unb fosial^^
et^ifc^er 3)Jomente. ^a^ erfte i^rofie au^ biefer ^onfteüation
l^erporgel^enbe Softem l^at l^ier, mä) mannigfadf^eu Bearbeitungen
einzelner @ebiete burd^ onbere, unter benen namentlid^ Sl^eringd
„Stoeä im Sted^t" l^orragt, SBunbt in feliter St^if (1886)
gefd^affen.
5a>unbtö etbif fufet auf ber 2:(}atfad^e, bafe ber 'Men\^
iiä) im ^öerlauf ber QtxUn allerbing^ au^ einem äiift'^i^^^
fi^ialer 3nbifferen| ^raud inbioibualifiere, aber nid^t, „um fid^
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400
IPeltanfc^iiniis.
blelbenb iNin ber ®emeiii(d^ft töfen, aud bet er j^erootging,
fonbem um il&r mit wid^cr entioi<f^ften Äräftcn }iiTfi<!«
luqehm". ^enientfpred^enl) verläuft md) Söunbt bie etl^ifd^e
©ntroidlung fo, boß ba^ „^Ittgemeine, bie S'iücffid^t auf ba^
umfaffenbftc Seben^gebiet , immer meljr jur Sflid^tfd^nur be^
^onbeiitd loitb". SHefec @ntn>icf(undd§ang fo^ialifiett aber bie
SRenfd^en nid^t im 5(oinmumi^mui^, fonbem in einer mminig^
faltigen, in immer rei($eren ©lieberungeu abgeftuften ©efell*
fd^aft. Unb er bringt in biefem Verlauf immer größere
„objiehiDe geiftige 2Bertc" ^erüor, bie i^rerfeitö bie ©efeßfd^aft
bonn loieber bal^in befrud^ten, bag „aa^ ber f d^ö|)ferifdjfen Üxo^
inbiirtbueDen 0eifieSlebend" immer weitere „timt objettiDe ffierte
»on nod^ rcid^ercm Qnl^atte entfle^ien".
Offenbar ift in biefem ©pftem 2öunbtg in ber ^^at eine
bem ©ntroidlungSgebanfen unterfteHte große uniöerfaliftijc^e
@tf)if gef (Raffen; neben bem Snbioibuellen fielet ba§ ©ojiale,
ttnb bie legten ^rogen S^fiteme bed inbivibuatifiifd^en 3citci(teriS^
Gelbfhyemollfommnung^tl^il nie UtilitariSmud, erfd^etnen über
TDunben. 9Iber erfc^eint ba^ ©t)ftem nid^t leidet md)x aU eine
tiefburd^badjte ©ntroidluiig^gefd^id^te ber ©ittlid^feit benn aU
eine Sittenlehre im l^erlömmlic^en ©inne bed äßorte^? begnügt
e& {id^ nid^t mit einet umfaffenben S^legifirierung bed beflel^enben
BuftonbeiS? ©emig fteOt Stormen auf im Sinne einer
fd^arfftnnigen unb erfd^opfenben 5^obifiIation beS l^öd^flen fttt«
lid^en ©mpfinben^ ber ©egenmart. 5J[ber mit l^öd^ft cnergifc^en
©eboten über biefe l^inau^, oormärt^ in eine neue S^^i^iUt
löieS e^ bie B^i^ÖC^ofT^i^ ^^^^^ übermiegenben äReinung nad^
nid^t. & ift sunäd^ft unb nad^ feiner ©telbmg oom Stmib«
punfte ber Segemoart aulS nod^ ein (^rjeugniiS ber großen
roiffcnfd^aftlid^en Äultutpcriobe ber breißiger biä ad^tjiger
3ttl^re beS 19. 3a]^rl)unbert§.
Sieben biefer großen fpftematifd^en S)arftellung begannen
aber um biefelbe ^^ii etwa Qk^Ut (geb. 1840) unb Sobl
(geb. 1848) bie fo^ialpf^d^ologifd^'et^ifd^ Setrad^tung im be«
fonberen aud^ für bie ^äbagogif unb bie 9lationaI5fonmnle mt)*
bar ^u machen, ^abei faßte BkqUx ba^ ^itüicl^e ein
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tDeltaitfdjauun^
401
^[hn>buft ber aBed^fetnrfdmtd bet ntenfd^lid^m ütiebe tmb
nünftiqer ftberlequng bed @inse(nen unb bet ®attun() o^ne üSep*
notürti(5cn Urfprung unb unterftellte ganj bem SBanbel bcr
gefd^id^tUd^en ©ntroirffung, toobei benn ba^ ©ute ber ^aupU
fad^e nad^ ba^ oon ber ©efeUfd^aft in immer l^ö^erem
(Brabe ald nfttUd^ ^rfomite sur (^d^einung gelangte. (Sd
mnven ftl^nHd^e SCnfö^auungen, mie biejenigen ^oh% ber Suf«
c^abe unb 3^^^ ©injelnen in bem öefkeben fanb, fein
©elbft jum (Selbft ber SHenfc^l^eit ju erroeitem.
9^un üerftonb fic^, bag unter biefen Umfiänben bie Steligion
mit ber 6itttidiifeit gor nid^t mel^r ober nur nod^ (ofe ^n*
fammengul^angen (rmtd^te, omrauSgefett bog ber Knsebie fld(
jur SSermirflid^unt^ be8 oufgeftelltcn Sbeol« in fic§ affein florf
genug erfd^ien unb ifyx bo^ leibenfi^aftli^e @efül)( feiner Dl^n*
mad^t in biefer ^infid^t nid^t oielmel^r gerabe bem praftifd^en
0Iau6en an eine göttHd^e ^ad^t entgegentrieb. Uttb tl^at«
f Ad^lid^ fft^lte ein ^ei( ber @ebitbeten beS ouSge^nben 19. 9al^v
Wnbett9 Mefe Stdrle fttttid^er Setbfll^errUd^feit. ^efem (Se«
füEjl r)orneI)mIid) üerbanfte bic fogenannte et^ifd^e SBeroegung
il^ren Urfprung, bie im Qal^re 1875 in ben norbamerifonif d^en
Societies £or etüical culture il^ren Urfprung mi)m unb 1892
auf äinregung bed ^rofeffori» ber Slftronomie %6xfiw in Berlin
unb bei» $l^iIofop^en o. Si^^dfi (1851—1895) jur Segrttnbung
ber 35eutfd^en ©efeUfd^oft für et{)ifd^e Jlultur gefül^rt l^ot.
3n il)r foll, ol^ne bie J^orberung beg @(auben§ an einen per»
fönlicgen @ott, ein Suftanb ber @ered^tig{eit, äBa]^rl[iaftig!eit,
9Renfd^Ud^(eit gepflegt werben.
9C6er looren btefe prafttfö^en StuiSlftufer ber Stl^il einer
|unäd^(l intelTeftualifiifd^en ^erlabe nod^ bad, wa9 bie oor«
wärtSflürmenöe junge Qät ber ad^tgigcr ^a\)xe aU S^ei unb
Sorm einer großen fittlid^en S3en)egung erfelinte? ©anj onbere
Sorberungen ald bie einer angeblid^ p()iliftröfen ü)loral glaubte
man je^t an bie etl^if d^en 3bea(e ber 3ufunf t fteOen )u müffen :
Sotberungen eined et()ifd^^äft()etifd^en Kustebend bed ^in^eN
wenfd^en, ja einftroeilen nid^t einmal eigentlid^ 5vorberungen,
fonbern nur va(\e ©nuartungen unb ^x^ffnungen eine^ ^(i^eren
dam preist, S^eutjc^e ttejc^id^te. (trflec (Srgäniunadbanb. 26
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402
U^eltanfd^auung.
3Renf4ctttiiiiii(^ eitteiS B^taltecd geremigter, 91m oHett @d^la(fen
bfefer Ctbe twrdM^ bester etttlid^Ieit. Kid^t fo fel^t Qk*
banfen roie f^aVb mpftifd^e $rop{)ejetungcn einer flttltd^en
Dflegeneration, eineö neuen Überineufd^entumä tauiS)tm empor.
63 ifl bie SBanblung, bie fid^ mit bem Eintritt beg neuen
3eitalterg fünftlerifd^en SDafeini^ o^ne nieitered unb fi^ufagen
orgonifd^ ergab.
Unb nid^t mel^ etwa auf bent ffiege ru()iger Unterfud^ung
wollte man nun eint^el^n in bie $ßorE)öfe beg neuen fittlic^en
gül^tenS, um yel)nfud)tepo[l nod^ bem nod) uer^üHten 2111er»
l^eiUgften einer neuen et^ifdjen £uUur ju fpci^en, — nein : mit
Soud^ tmb] (Sntli^uftaiHmid unb, loenn nötig, unter ber fro^
Tinluft ber Sttfefe, in ftarfer Erregung ber @eftt(le fi^erli^
unb me^ nod^ ber 9lmtn war man bem erfel^nten S^lt
gerabe^ SBeg^ entgegcnjueilen bereit. Tlit bem 2luffommen ber
neuen, fünftlerifd()en Äiultur bemäd^tigten fid^ ^Did^ter unb
SRufifer, ^aUx unb ^l^ilofoptien pl^antantafiecoller (Smpfängni^
ber etl^fd^n ^agen unb tröumteit unb fct^ufen fct^lieftlti^
trftumenb ein neuei» neid^ Ttttlid^er ffiiebergeburt
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in.
1. @$on Otto Subioig iat, imb bereits @nbe bet breifiiget
Solare, in erflem bunfletn Sll^nen ben €kbanfen einet ftttK^
^Regeneration bur^ fünftlerifd^e 3JUtte( berüt)rt: in Seiten, ba
Itd^ erft in ben allerleifeften (Spuren aH bic ^JJiäd^te n)irtfd;aft*
lid^er, fogialer, gciftiger 9ktur geltenb mad^ten, bie fpäter bie
$etiobe bet 9%eisfam{eit ^eroufgefü^rt kaUn. „Vin\m gante
^r^ie^iung burd^ Sd^ule, Aunfl unb @efellfd^aft/' fagt SubnHg
1839, . arbeitet nur ba^in, unS ju jerftücfeln; uon ©lüdf ^at ber
5U fagen, beffen ©ein \iä) lieber aufbaut au§ ben Krümmern,
in bie man eg fc^lug. ©ollte nidjt ber ^mä ber ^unft etroa
nur ber fein, ben jerftüdfelten ^})knfdgen mieber ju bi(ben?
S)ie aRenfd^enganal^elt mug mein Sbeat fein Don nun an im
Seben unb in ber itunfl. Serfö()nung bed Wenfd^en mit bem
2eUr\, — barutu ein anbere^ Seben!" propt)etif(^em Sll^ncn
fteigen ^ier bie Linien einer anberen Qdt auf — einer Qeit, ba
bie ^unft erjie^lid^ rairfen wirb, i^eben^obem fein roirb einer
äRenfd^^eit, bie fid^ ein neued, in fic^ l^armonifd^ed :6e6en aufbaut.
Son äl^nli^en Gmpfinbungen ift aud^ Hebbel befeelt ge»
mefen. ©eroiß : fiebbel ^atte bie peffimiftifd^e 9^ote feiner ^exi ;
„Meg Seben ift diauh be0 einen am anberen" ()at er fdf)on
in ben oieräiger 3ö^)Ten gefagt unb bannt in feiner äBeife ben
^arrotniÄmuÄ uorioeggenommen: unb roelc^ furd^tbareS UrteU
über £eben unb (S^efd^id^te entl^tten nid^t, bei ber befonberen
etellung bei» Sbi^Uxi pxt ftird^e, bie SfBorte: „Ser @fe( ber
SWcnfd^^eit t>or fid^ felbft war bie SBurjet be§ ei^riftentumS."
S^ennod6 ift Hebbel niemals im "ipeffimi^mug üerjroeifeU ge=
wefen ober auc^ nur troftlo^; auf buftigen ©d^wingen trug
26*
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404
IPeltanfc^auun^'
tl^n fein bid&tertfd^er S^wliSmiiS ttnmer lieber bec leijcn
Sl^nun0 einet filnfttgen ftttl^en äBiebecgebutt entgegen;
«Den län(^ften ^raum begleitet
Gin l^eimlic^cä ©cfü^I,
Xa^ aüei nid^tS gebeutet,
Unb ffiär* un§ nod^ fo fc^roüU
2)a friert in unfcr 2ßeinen
(Sin Säd^eln ba[b hinein:
Qd^ aber möchte meinen,
Bo foUt* ed immer fein.
S^Bcit flarer tritt bann ber SBieberßeburt^ii^^^'^^^
©iifefon) auf. ^ie ^rofee gönn bc5 ©egenroartromang , bed
älomond bed iRebeneinonbetd, bie er in ben fündiger Sagten
in ben „Stittem tiom Seifle" unb im „3<nt6ecer von S^om" f (^uf,
war il^m feinc§Tt)cc|§ b(o6 eine ^unftfortit. @r glaubte in
il^r unb ifirer wnrbigen 9lnnienbnng im 3)ienfte ber Seit ju»
gleid^ ein 2lEt)cilmittet ber fittlid&en Schöben gcfunben
l^aben. S3ot oSem in ben ,,9iittent oom Seiße'' (1850—51) legt
et bod onfd^outi^ bar. (Sd fei nötig, fül^rt er aa9, bie SRenf^«
]|€it auf eine neue polittfti^e, iittlid^e, fectifd^e Drbnung ber
2)in9e oorjubereiten. ^ie ^Jiitter t)om ©eift feien baju bestimmt,
ben Übergang gu biefer Drbnung l^erbeijufü^rcn : alle bie, bie
ft4 bem im S'iomane felbfl Dorgetragenen ©ebanlen ber '^IBieber«
geburt ^umenben, feien fo(<j^ Stitter, unb otte, alle Übt ber
^t^ter ein, e$ ^u merben. 9ße((^er 9rt ift aber ber ©ebanfe |
be^ ,,neuen 33unbe^ be§ allgcnteinen 3)2enfd^engeifteö" ? Gin fe^r
einfacher! giebt nad& ©ufcfoio eine f leine „ßeiter von ^e*
griffen, btc fo einfad^, fo tief in ber 3)^enfd&enbruft begrünbet
finb, bog fte bie einfad^fie intelligent ertUmmen fann. Shif
biefe S3egriffe reid^e fid^ bie SRenfd^^eit bie ^nb, befd^m5re '
fie unb erfläre feierli^, auf biefen (Sd^rour ^in nur nodi
leben unb fterben roollen. ©in fold^er 5^unb beä ©eiftc«
nur nod^ fünfzig 3at)re in aS^irffamfeit, unb bie (Streitfragen
merben oereinfad^t, bie alten^ mie ©d^Unggemäd^d mud^emben |
Unbilben merben wn felb|l oerbmrrt unb sufommengefaden fein.' {
iSiel^t man ndl^er in, fo finbet man^ tpie bei G^ugfon ,
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lücltanffbaittinö!.
405
nod^ 3beala bet ftttUd^eii SBiebergeburt unb fo^iatirtifd^e, ja
Dielleic^t fommuniftifd^e bid^t bei einanber beftel)cu; ift
ein bemofrotifcfec^ @cfü^l, ba^ feine menfd;l)eitli^en ©rjieJiungS*
plane burd^roe^t, fel^r fem bem ©mpfinben etroa, bao @oetl)c
bm ©rsietiungdgebonleit ber ariflofratifd^en ^l^eimgefeilfci^aft
feined „mt^lm Steifier'' eingab. Unb n»ie (ei^t badete fid(
@u|foto bie JßerroirfUc^ung feiner ^(äne! ^ie ganje (ieben^^
TOürbiße Unbe()o(fen^eit be§ bürgerlid^en ^enfenB über öffent=
lid^c 2)inge nod^ um bie 3)iitte be!^ 19. Sa^r^uubert« burd^*
fd^eint feine SSovte mit fd^wad^ g}l^odp^oreiScen|.
S)a war Kid^orb SBagner mit feinen S^egenerationdibeen,
bie wir fd^on fennen, BercttiS t>ie( praftifd^er unb jebenfafl«
flarer, obn)ol)l au6) er fd^on in ben üierjiger 3a()ren ben @e*
banfen bet äOSiebergeburt fajste, unb obtDOl^l oud^ i^n bad
bunfle Sinnen einer ^ö^eren ftttUd^^religiöfen S^^unft im
@runbe nod^ auf bie S)redbener äleoolittiondbarrüaben fftl^ren
lonnte, i^n, ben ftrammen Vertreter bed Sa^ed, bag einer $err
fein tnüffc unb Äönig! ©päter Ijat hann 2öagner ben
SBiebergeburt^gebanfen in immer engere ^^erbinbung mit feiner
Äunft gebrad^t, nid^t o^ne ©infliegen ©d^openjauerfd^er @e«
banfen unb nid^t ol^ne bemofratifd^e £enben}: h\& i^m bie
volle Überzeugung enoud^d, bag ed möglid^ fei, burd^ ein DoQed
©rieben unb Entfalten be^ ilunftroerfe^ ber 3"'^"'^ft ci"^
religiöfe ^Heinigung unb ©rl;öl)ung ber 3Jlenfd[)^eit unb bamit
ein golbened S^^^^ ibealiflerten ^enfc^entumd |)erbei«
^ufül^ren.
SBagnet« ®ebanlen f.nb fpäter von igeinrid^ von &tin,
bem grül)oolIenbeten (1857—1887), in bie allgemeinere gorm
gebrad^t iDorben, bafe äftljetifd^e ^^ätigfeit überl)aupt al^^
intenfiüereS, intenfiüfte^ :!tieben eine Erweiterung ber jeit*
genöffifd^en Seele oerbürge unb l^inauffü^ren mü|fe oud^ in
eine unge{annte fittlid^e Sutunft Stein !am oon bem opti'
miftifd^en 3)?ateriali^mu§ 2)ül)ringS l^er unb geriet aU $mi8«
lel;rer Siegfrieb SBagnerS in bie geiftige Sltmofp^äre be8
S5ater5. @§ ift tlar, ba6 mit feinen SÄnfd^auungeu im ©runöe
ber mit Dtto £ubn>ig begonnene $ro}eg obfd^Iie^t; lood Submig
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406 XPeltati(dKitiiiit9.
buttlel geal^nt f^ai, fprid^t Stein offen ouiS: §tt einer ^dt —
Stein» Sud^ .Reiben unb ffielt" erfd^ien 1883 — , bo bic
Erfüllung, ein ncue^ Qftf)ettfci^e^ S^italtcr, baö eine ct^ifd^e
3fieoo(ution begann, fc^on nal^e l^erbeigefommen roor.
^enn wieber einmal erftanb in unferer ©ntroicflunQ ber
alte Bufornmenl^ang iwifd^en äfi^etif<l^ unb ^St^ifd^, smif^en
^l^antofiet^ätigfeit unb ©ewiffen, beir ben (Setmanen fo eigeif
tümlid^ unb ben S^^omanen im allgemeinen fo fremb ift. Dber
100 ptten it)n ^. bie ^^anjofen in ben festen 3al)r
^unberten befeffen, aufeer in i^irer <5d^open^)auerf^en ^eriobc
nad^ 1870, uab \M f^Ü unter beutfd^ ßinfUig? SRan
neift ed, bie gemtanifd^e Jtunfl ifl eine Cl^aralterbtnji, eine ftunfi
jugleid^ beiS Snbioibuelen unb Subfiantietten, bie romanifd^c
mel)r eine gormalfunft : fd^on btcfe banal geworbene Seobad^tung
genügt, um ben engen 3"fonnnen^ang 5roifd^en (Bif^it unb
itftl^etii! SU er!(aren überatt ba, wo bie germonifd^ Bunge er»
Hingt ,,unb Sott im Gimmel Sieber fingt".
^^er l^at benn bie (Sntioidttung beS beutfd^en S^egene«
rationggebanfeng aud^ il^re parallelen Dor ollem in anberen
germanifd^en Sänbern, fo in Sfanbinaoien unb ©nglanb,
freilid^ mit ben für biefe ^Rationen d^arafteriftifd^eu Untec'
fd^ieben. gn (Sngianb loirften faft nod^ oor äBagner unb
®utbm Sdriple unb 9tudlin, unb Studiin trat feit etnkt 1860
unmittelbar ate 5nationalöfonom unb ©efefffd^aft^ücrbejTcrer
ouf, roufete für feine iReformgebanfen geroaltige materielle 3}Mttel
flüffig ju mad^en unb leitete aud einer intenfioen oolfdtüm«
H^en Verbreitung bed Jlunftgefd^madd , ber er ben grdftten
2ei( feiner wibmete, bie ^»raltifd^e Hoffnung cJb, bie
Seiten einer neuen Steligion ber @d^önl)eit unb einer fittUd^
fd^önen, ja n)irtfd;aftUc^ fd^önen :^cben^fü^rung oorjuberciten.
3n ©fanbinaoien aber warb ^h\m in feinen Dramen ber
^Cräger einer weit in bie 3"^wJ^ft meifenben jittUd^en Sebent»
auf d^auung, bie auerfi in bem legten SBerf e feiner erfien ^^eriobe^
in „ftaifer unb @a(iUier'' (1873) ooOfirdmenb l^emorbrid^t. S)a
erf(^cint ber Glaube an ein „dritte« 9f?eid^", ein ^arabiei^ ber
3u!unft, in bem au^ Q^riec^entum unb ^^riftentum bie ^in^eit
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407
eines ungefannt l^o^en JluUut eniNKttett \0lL, in beut bad freie
3# ber fd^fl^eiiben ©e^aufe non Staat unb Xbri^t !aum no<$
bcbürfcn wirb. S>er ^enfd^ ober, ba« leieren bonn bie SDratnen
ber größten S^ii Qbfen^, foE fid^ mit allen ilräften nad^ biefcm
^eic^e ftredten, foll in feine ^renjen ^ineinroad^fen, inbem er
ftd^ in ben ^tenft bed ^arteften ©ewiffend unb ber gr56tett
Sbee fteCit: bad ifl ber suCaffige^ ber drofje, ber verelruttgi^
iDflrbige (I(^ot$nmd, ber niebere Gigenfud^t nid^t leimt, unb
bem gegenüber bie ^^rage nad^ gut unb böfe, an bcm SRafe*
ftobe ber heutigen 6ittenge)etje gemef[en, mit ^orfid^t auf«
gutoerfen ift.
^ie ^ngläuber l^aben auf beutfd^ Soben fd^liegtid^
u>enig^ 36fen ^t feit ben ad^t^iger Salären um fo geroattiger
eingemirft. S^sw^ift^^" ober toar in 3)eutfd^Ianb felbft ber
©eift crftanben, ja Ijatte fid; in furd^tbar früt;em 5öer(öfd^en faft
fd^on Quegelebt, in beffen gorberungen oH bie lang an*
gefponnenen unb bunfel geabnten älbeale einer itttlid^en SBieber«
geburt mU in einem fdjiarfen unb )erfi5renb fengenben 8renn«
fpiegel ^ufammentrafcn.
♦ «
2. ?friebrid) ^Jiegfd^e (1844-1900) mar fein «p^ilofopl^ —
ma^ i^at er nid)t aHe^ gegen ^^ilofop()en gerebet! @r roar
ein 5lünfiler, ^id^ter, 6e^er. 3n>ar ^at er eine mel^r miffen«
f<i^aftUd^e, pofttioifUfd^e $eriobe gelftabt; i|r ^upibenfmal
pnb bie pf^d^ologifd^ tiefbo^renbcn D^nbe „3Wenfd^lid^e§, SM«'
5umenfd^lid)e^5" (1878—79). 3lber felbft in biefer 3eit unb
in biefem S3ud;e bridjt iuinier unb immer roieber eine äftljetifd^c
^i^atur l^erDor. ^iieftfd^e oerad^tete im @runbe ba^ Kenten;
ei^ fianb il^m meit unter ber !ünft(erifd^en (Smpfängnid, mar
il^m eigent(i$ nur SSorfleOung, SBaf)n, ^n:tum. 3)arum l^ft(t
er meitau^fpinncnbe Sogif für ein Unglüdf, miubeften^ füi
etroa^ Überflüffige^. Unb aud^ SBaljrljeiten tannte er nid^t,
feien benn fubjeftiue: ^laubenSfäge, Überzeugungen.
Sunäd^ft mar fßie^fd^e S)idj|ter unb aü ^id^ter S^riter.
S)abei gelf)örte er ber mobemen ^oefie an, nur mad^te er bereu
gntmidnungSgang öberauiS rafd^ burd^. @d^on frül^ batte er
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408
ein teilt titttutoHflifdJnmprcffioniflifd^cS 3bcal be9 SRenfd^en;
bcr Übennenfd^ feiner fpäteren Qdt foll bann mit allen Seben^^
formen ber 2Birflid^feit Dertraut fein, fte ganj mit bem doH-
fommenften S^eid^tum an ^eaftionSgefül^len auf (^inbrüde um«
faffen, leftlod in ftd^ einfd^lütfen fdnneit, um fte )u be«
^etcfd^ett. ^renb iDurbe 9He(fc^e babei gerobesu iit ber
C^ntioidlung ber freien Iprifd^en Dt^^t^men; fd^on in ben
adötjiger Qaljren, in ben legten Briten feiner freien unb grofeen
6d^öpferfraft, cor allem im „QaxaÜ)u)ixa" (feit 1881), ^at er fie
glänjenb au^gebilbet. f^reilic^ nid^t ol^ne ^orbilber unb frembe
Seü^ilfen, bie fefisufleEen eine ber le^rreid^flen 9luf gaben
mobemer ®pta^* unb €ti(gefd;id^te fein wirb, Dor ädern aber
boc^ felbftänbig alö ein ©ünftling unferer ©prad^e, bie i^n
mit ©nabengabcn überfd^üttete: er ^at von fid^ fagen bürfen,
bnfe i^n mit ber beutfd^en (Sprache eine lange 4^iebe, eine
l^eimlid^e S3ertraut(|eit, eine tiefe (^l^rfurcbt nerbinbe.
3m übrigen mied il^n bi^ SInlage feinet teufend unb
ßmpfinben^, i^unml in ber fpäteren, fd^wer neroöfen Qcii,
ebenfo auf ben 3lpl)ori^^iini!5, wie ber 3»if^i^^^^i^^nl)ang mit ber
C^ntroidflung ber 2)id)tung. 2)enn bie bcjeid^nenbe gorm ber
benf^aften lißrofa bed 3>npv^ifi<>nidnuid ifi eben ber älpl^orid«
muiS: (^nbrud mirb neben i^nbrud gefegt unb oft mol^l gor
nur mit Überlegung gemif d^tc Stimmung gegen Stimmung:
fie alle, Stimmung^inljalte wie ©inbrücfe, nur beru()enb auf
ber ©leid^l^eit ber ^erfunft von berfelben ^^3erfönlid^feit, im
übrigen jeber vom anberen Derfd^ieben, jeber fein 2^^ema bid
in bie äu|erften S)en{möglid^feiten oerfotgenb — unb barum
unter pd^ uid^t in fr)ftematifd^em 3"fQiww««t)ö"n logifd^er
libcrcinftimmung. ift wie eine moberne 3}^uftf mit i^rem
9^cid[)tum unnelöfler ^T^iffonangen, ber nur burd^ einen Drgelton
jufammenge^alten wirb; Ijinter ben biffonicrenben Xeilcn bed
Otefamtgel^altiS fte^t nid^td aU bie $erfönlid^{eit bed äSerfaffetdi.
9(ber 92ie^fd^e blieb ntd^t, toad er um 1880 mar, natura*
liftifdjer i^mprcffionift. ^I^oii ber „3)iorgenröte" (1881) an,
entfrf)iebener fd)on feit ber „Jröljlid^en äBiffenfd^aft" (1882)
ging er uon bem mel^r bcoha^i&iiow, me^r luiffenf^oftUd^en^
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409
me^r butd^benfenben Stonbpunfte, ber bem litterarif^en
&it(tifia9nmd feinet Sugenb^eit gefolgt loot, §itm Stimmungi»«
tnfiSigen über. ^ nöl^e ^x6) jegt ben Siersigem, in beten fPKtte
er, jäl^ getroffen, juiammenbrad; (^Jliifanci 1889); er begann
im ^ereid^ feinet ©efü^l^ljorijonte« §u ljcrrfd;en. S)cr 2lp^o«
ri^mug tritt jurücf, bie ^-IJerfönlid^feit gc^t in ^^^at^o^ auf, unb
bied $at^od fd^ioillt in bem ^laitptioetfe biefet 3^/ ^
„3atatl)uftra", jum @t)mbo(if<i^en an, jum erl^abenen ÄJon
ber ^ropl^etie, ber ^^erfünbigung. Unb fi^on finbet in ben
fpatcren ^^?artien be§ „3(^tat()uftra" ein jäF)e§ 5Ibbred^en von
@eban!en« unb (^mpfinbung^rei^en — ba, wo ee beced^tigt i(t,
nie in bem wunbetbaren Slbfdjfnitt „SRittagd" oft oon gtofier
Sd^dnl^eit unb etmod Unoermittelted wirft befrembenb.
©od^ i(l ber ©inbrud auf empfängtid^e ©emüter berauf d^enb,
unb bie @prad;e brängt bid^t bi^ an^ ^Dhififalifd^e ^eran unb
roirft um fo padenber, als ber ^n\)ait oft rotfeli^aft erfd^eint
unb nur bem nod^ rerftanblic^ toirb, ber alle 3>^g(mge bei^
9Hetfd^efdften S)enlend bereite» burd^nmnbert l^at.
Spatere %er!e jeigen bann ben Verfaß be9 &t\lt& in»
Jiaftig ©ilenbc, gelegentlid^ S^^etorifd^e, S3arodPe; tpie fte benn
aud^ inl^attfid^ unb in bem 3}tQn(3el bcö garten glaumS, beS
S)ufteS gleic^fam ber fittUd^en ^^erfönlid^feit beS SSerfafferS bei
affer @d^arfe unb tUam ^npaffung bea» ©tild an bad @ebad^te
fc^on einer Serfaffd^eit angeE)5ren. —
!Rietfd^e ^at felbft in ben Örunbfeften feiner SBelt-
anfd^auiuu] roieberijolt tiefd^raanft , lüenn auä) bie S3aft§ ber
gleid^en ^>erfönlidj)feit nid)t 5u oerfcnncn ijt: unb fo wäre eg
(eid^t, ieben feiner @ä(e bur(^ einen anbeten, i^m nid^t minbet
ange^dtigen @at su miberlegen. St ifl im l^dd^fien (Btabe
„fein attSgeHügcU S3ud)", fonbem ein „3Wen)d^ mit feinem
2Bibcrfprud)" ; er I)at auc^ ^erioben ftärffter innerer 3er*
riffentjeit ge^iabt unb fd^roer unter i^nen gelitten. @§ ift baljer
unmöglid^, felbft biejenigen feiner ^nfd^auungen in einem gang
gefd^loffenen Silbe ooi^uttagen, bie nod^ feinem geifügen Sobe,
in ben neunziger S^l^ren, bie SBeft mäd^tig ju erregen be»
gönnen Ijuben. eben bie X^atfad^e i)t be^eic^nenb, bafe bie
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410 IDeltanfdfduun^.
Beitgeiioffen jtt^ oielfad^ an einem gan§ unHiupen tmb jebenfaiU
in feinen ßauptpunften nid^t oenDirHid^enben Sp^em ie»
rau)d)t Ijabm unb üielfad) nod^ beraujc^en.
Övunbüünjang tritt bei 9Ue^)(^e l^eroor, ma^ fc^on
bei i^ubiDig, Hebbel, Qiul^toxo, SBagnec gefcl^Q^: ec »enbet fut
mit Gntfd^ieben^it oon einem oev^weifelnben ober mid^ nut
entfagenben $efflmi0mui» ob, mie er il^m befonber« bur4
Sd^open^auer vermittett worben mar. Sei il^m mie bei SBagner
{)atte fid) biefer fpe^icUe ©inf(u§ ©d&opeii^auer^ fd^liefelid)
gelteiib gemorfit üor allem auf ©runb be^ 3i^f*iwi»^c»&o"d^/
ba| Sd^open^auerd Softem, baS cd)tefte ^inb unferer älteften
Stomanttt, auf ber ^ermerfunfi ber Skrflanbedfeite bed Sebeitf
unb ber begeiflcmben ^eroor^ebung ber ^l^antaftefeite bembte:
aU Älüiiftler l)ai ficfe ^lie^fc^e tote Si'ogner, abgefetjen üon
einer eigenen petfimiftifd^en ^urd^gangc^ftiuiimnu], odiopenbauer
gefangen gegeben, ^bec al^ ilünftler l;at er [id; auc^, luie
Hiebt minber äBagner, von i^m befreit. S)er äftbetifcbe Dp^ i
midmud f(b(u0, balb etl^ifd^ gemanbt^ burc( unb na^m bie
Jorm einer unbebingt entJ)una)ti]d)en Eingebung an bad fie6«i I
an luiber allen '^.'cifiniigniu^, ja biefem ^^>e)fimi^nub5 al§ einer
fittlidjen £ranf(;eit juni ^ro^e. Seben, ba^ gro§e freie '
^eben wirb Dlieftfd^e nun aHeg. „3n bie fiö^e will e^ fidj
bauen mit Pfeilern unb @tufen, bai^ fieben felber: in neite
fernen mid btiden unb ^inaud nad^ feligen Sd^ön^eiten, —
barum brandet e^ ^ölje! Unb weit eö ^öl)t braud^t, braud)t
eö (Stufen unb ^Uberfprud^ ber ©tufen unb ©teigenberi!
(Steigen n)ill baä Äicben unb fteigenb fid^ übecwinben!" öiiic
unbebingte Betonung be^ ^iUeni^ |um £e6en, ber iSoUuft
feine Slbgrünbe ftberfd^reiten, feine Süden }u beilegen, d
i)ö^er 5u peitfd^en, \)mda in ein S^eal neuer 9lenfd^Iid)!eit:
ba^ ift baö i'cben unb bie £e^re 3Jiet5fcI)c^.
Unb Don l)ier aue, nid^t ofyxe ßinflufi 2)arn)iniftiic^er :i>or'
ftellungen, erbaut ^iie^fd^e in fid^ bie Hoffnung auf eine rounbet*
barere ^bl^e menfd^licben S)afeind atö bie beftel^be, auf eine
fittlid^e SSHebergeburt, mie fle fd^on fo viele (ün^terifd^e Seelen
in ^eutfd^Iaab oor i^m erjeljnt Ratten. Unb aud^ in ben freiließ
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rPcItotifchauun^
411
fel^r Dorübergeljcuben Überlegungen, wie bieg ^^beat ettoa burd^
pratttfd^e ^SHabaofynen |u erteid^n fei, ähnelt er ben ^ot»
gangem: ^lei^ ®iit(oiD era^tet et einen 8unb freier @eiiler
für fä^ig, bie neue Seit §u DerroirfHd^en.
2BQg i^ii ober üon ben früJ)ereri ^^ertretern be^ 2Bieber=«
geburt^ebanfeii^ trennt, baS ift fein ariftofratifd^e^ ^en!en.
Button l^atte vemtögc ber ^nnaljme einiger ganj einfad^er
Segriffe — alfo no4 intefleftualiftifd^ — eine ätegeneraüon
bed gangen 8otfe9, ber oflfgemeinen Sl^enfd^^ett l^erbetfül^ren
rooUen; Söogner erftrebte ba^ ©leid&e auf bem SBege ber Äuiift
iinb S'leligion — gefü()(^mä6ig — für biefelbe ©efamtljeit.
@d toaren Xräume liberol^beinofratifd^er Seiten ; Rogner ^at
bementfpred^enb bai^ @enie no^ nid^t ald geiftigen
Z^rannen angefe^en, ber fU^ bie gemeine 3Raffe ber 3)urd^<
fd&nittSntenf<$en unterjod^t unb unterjüd^tet, fonbem öte Eiöd^ftc
SSerförperung ber allgemeinen 3?olf0fräfte. Igngroifd^en aber
\)atUn [xä) bie Qexten geänbert; fd^on v, Stein unb Qbfen
badeten anber^. ^2it ber DoUen @ntn)ic!(ung ber Stei^famfeit
«Kit, wie etnfiend mit ber 3^t ber (Smpfinbfam!ett, mit gtobuell
oon bet Xrunfenl^eit ber tollen ^af)xt ber OrtginatgenieS bed
18. oerfdjieben, ber ©eniefultu^ eingebogen.
5Die SBanblung fann man am beften in ber Umbilbung
ber „problematifdjien Siatur" ber breifeiger big fünfziger Qa^^re
in ben mobemen „Qexo^" oerfolgen, ^roblematifd^e 9kturen
fuib nad^ SHngelfiebt („Unter bet etbe^ 1841) SmU, bie
burd^auS felbftänbig il^r 3d^ in ben aRitteI))un!t biefer SBelt
ftctteu unb, unbefümmert um Bitte unb ©efeft, i^r unb anbercr
Seben nur burd^ if)re fubjeftioen Stimmungen, ii)xt Seibcii*
fd^aften, ii^re ^nfd^auungen beftimmen looHeu. „Gelingt ed
i^nen. Ober Z^atfad^en unb fiberlieferungeit ben ©ieg baoon«
zutragen, fo Reiften fie @enieiB, Gröberer, fielben. 3m ent«
gegengefefeten, l^äufigeren %a\L fd^roanft bie öffentlid^e !IRetnung
groifd&en ben Kategorien 33erbrec[)er, SBaljufinnige. 31^r Unter*
gang ooüiie^t fid^ fieser, unb mit i^nen faden biejenigcn, bie
fie tu \\)xen 3öuberfrei§ g^äogen ^aben." 3}tan f[e(;t: biefer
Seit ift ber blutige »^Ib'' nod^ probtematifd^. Slbet nun
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I
412 IDtltanfc^aaung.
vo&^ft in beit ffinfsiger 6id {ie6siget S^veti mit bem ©tege ber
9{ea(politi! tinb ben fteigenben iJrtump^en ettie« oft ffrupet*
lofen (^ncerbefinne^ bie 2khe gur problematifd^en 92Qtur: bcr
Hultug be^ ©rfolficiS, ber 3Kad^t unb bomit be§ ^)elben, be^
(^enied beginnt. 3n ben B^ittomanen oertDanbeU fiä) bie
problemotifd^e 9{atuv in bie ^eroennatur. @o fd^on inrintiüo
in Sluetbod^i» ber $ö^e" (1865) ; bann au<l^ bei @i^tU
l)Qgen bereite in ben „$ol)enftein" (1863), gang beutlid^ ober,
wenn aud) unter einer bem gelben feinbfetigen 2^enbenj beö
$l^erfaf|er.% erft in bem dioman ^ dUi^' unb ©lieb'' (1866).
Unb bie (Steigniffe t>on 1870 moren bann in mandftet ^infid^t
ben ^tben aniS bem Sioman in bie SBirKid^Ieit su t)etfe(en
geeignet, unb bie SSorgänge be§ legten ^al^i^l^nted beÄ 19. Satir«
l)unbertg bientcu bagu, feine Stellung in ber ©unft ber öffent--
lid)feit }u befeftigen. 2)ennoc^ wäre e^ falfd^, ben ^eroenfult
ber Gegenwart nur auf Sied^nung ber befonberen poUtifd^en (^i*
midtlung S)eutfd^IanbiS }u fe^en; er i{l oietmel^ ein eingeborenci»
i^i^eugnid ber mobemen Ihtttur ber 9lei}fam!eit, borum ftnbet
er fid^ früf)er al^ in ^eutjdjlanb fd^on in Jranfrctd^: bei ®raf
©obineau; unb frül^er al^ in granfreid^ toiebenim in ©nglanb
unb in bem großen ÄoloniaUonb englifc^en ©eifte^: bei ©arlple
unb emerfon. 9)ie ftultur ber 9tet|famleit ifi eben )unacbfi
a{i(ietifd^; unb ber Mnfiler bebarf beiS QeVbm.
gür SDeutjd^laiib ift e§ bejeid^nenb, bafe um bie SKitte
ber neungiger Qaljre ©merfon in ben i^reifen ber „3)Zobeme"
be^ergigt 5u tuerben begann, unb ba^ ba§ 1877 erfd^ienene
Stenaiffancebud^ he» ®rafen ©obineau 1896 ind 2)eutfd^e
fiberfe^t marb: um biefe S^t xoax ber ^eroenhtlt bei van»
fcf)on fo oerbreitet, ba6 er frembe 3wf^üffe aufjunel^men «er*
uiodjte. 33egonnen aber l^at er fd^on etioa um 1890: bamott
erbob fic^ juerft bie aud^ nod^ l^eute leiblid^ fortflrömenbe gtut
biograpl^ifcber Sitteratur, — unb bamate geigten fid^ aud) bie
erfien fidleren Slnaetd^en einer fftnftigen ^ßopuIorUftt 9lietfdM*
3n IRietfd^eg S)enfen aber Ivette ba« fieroenibeal fcfton
oicl früljer ??u6 gefafet, ja eg wax feiner ^erfönlid^feit
eigentU4) eingeboren, benn fd^on oon ^inb auf ^atte er bad
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XJOeUanidfaunn^
413
td^ftefie Sebfirfitid fl6erfd^toen0li<|er Sml^tuttg empfttnbeti.
S^Ht bem ©ebanfen ber MeitiSfmibigfett aber oerbanb itd^
biefc $croeii)el;n)ud)t bei 9^ietfdje burd^ bie 3bee be§ ftarfen
S5>tIIen§. 3n feinem üiampfe cjegen olleS, roaS l^erjroeif tung
am :ßeben l^eifeen fönnte, bebiente fid^ S^liefefd^e ol^ roirffamftcr
SS^affe bed @(aitbenil mt bie ftötfenbe itrafi bed Sd^offeni» imb
an bie aObefiegettbe Oewatt bed itia$toolktt SBilletid. ^afi
Sd^offcnghift unb SöiHenöftärfe atle§ vermögen, ba§ roav feine
inninfte Über3eu()ung , imb er 6ot fie im 3)lartT)riiim feines
Ä^ebenS als ^lutjeuge befiec^elt. 6(^affenSluft unb äBiilenSI'tärte
aber: iß bad nid^t bad iä^enie, ber ^Ib?
9btf biefem fieroenbilt^ auf biefem Gate
Sd^affen baut ft(^ S^lie^fd^eS ^cnfen empor, wenn quS ben
^Riebcrungen be^3 Sebent aiifblirft i^u ben |)ö^en ber SBteber*
fteburt. Unb fo fefir flammert eS fid^ an biefen Äult, bafe
i^m ein ftarfer äßiUe adeS gilt, bag er tl^m fogar inbifferent
erfd^eint gegenüber ben 9tormen ber beftel^enben 6itt(id^teit, ba6
er {fyn ein 9Bi0e tfl ^um ®uten wie %\m 9öfen, ja, qemeffen
an ber »crpefteten 6ittlid)feit unferer 3cit üiet mef)r nodö 5;um
S3öfen: bafe er i^m bie ftarfe äBillfür loirb früt)erer, befferer
Seiten, ba baS äBoden nod^ nid^t an bie taufenb fd^Ied^ten
itonoenienjen einer mi^ieiteten ftultur gebunben war, ba6 er
ibm %vm Sßiflen ^ur S^ad^t an ft(!b wirb, sunt SBiflfen ber aui»
ber 9en)öl^nlid;en ^engc ber ©terblid^en ^erauSftrebenbeu ©eifter,
aum SBillen ber „blonben öeftie".
S)iefen SBillen loieber oufleben laffen in einer untrüg*
H<|en, l^oben gbeaten jugenKinbten ^etb&tigung feined 6trebeniS,
\M erfd^eint Kie^fd^e ate bad gro^ S^tl ber Suhinft. Unb
um bieS 3^^^ begrünben unb begreifttd^ gu mad^en, bilbet
er in feiner „Genealogie ber 3Jioral" ben gnnjen 3nl)a(t unb
Serlauf ber @efd^id)te bem urfprünglid) üornuSgefefeten 3"ftonb
ber „blonben ^ftie' wie bem erfebnten 3bea(e bed „Über«
menf^en" an. Sefd^Ied^ter ber Stenfd^en, «oneinanber
ftorf unb fafl burd^ pl^ppologifd^e Unterfd^iebe getrennt, jie^en
fid^ burd^ bie Q^iUn ber ©efd^id^te: ^>erren unb ©fiaüen,
BideniSftatfe unb äBiUenSfd^raad^e, ^orbereiter ber ^u^unft
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4U
unb ©rieiber bed Sd^idfal^ ju fterben. Unb jioei Worafeii
fd^eiben fte, bie ^emmnoral^ bie a)2oral bed fkrrfcn SBUbm^
imb Ue ®!(at>enmotof, unb bie ^ettetiinottt( wirb {tegen.
SBie freilid^: ba§ ift eine grage, bie S^ie^fd^e uer*
fd^iebenen 3^^*^" t)erfd)ieben beanttrortet t)at. 33od^ pnbet fid^
fd^on frü^ unb {päter aUeiS oiibere überit)ä(ti9enb befonbcr^ bic
ä(n{td^t, ba6 ed lEieut^iitage mdglid^ fein müffe, beii Übennenf^,
ben Xvfiget ber fyttmmal tn tl^m Mnf ttgen SerooKfornrnnttn^
(^crobeju jüdfeten. ®enn bo« fei boÄ Spejffifd^e unfere« 3^*'
altert, bofe e^ bie J^enntni^ aller primitioen Kulturen, bofe ben
roeiten Überblirf anä) über bie ©ntroirftunö ber l^o^eii Kulturen
bed ^enfd^engefd^Ied^tö 5um erften '^ak ganj befifee: unb bie aui
bem äBerbegong bec menfd^tid^en @ntwid(un0 geroonnenm (Ein*
fidjten müßten e« bo^u beföJjigen, ben 3"fwnft^9an9 bedn«
ftuffen. Unb 9HetfdE)e felbft erfdjeint fid^ bann aU ber Wlann,
ber aii^ ben öeid)id)tlid()en ^Sorqängen ^um erften Tlak bie
nötigen praftifcj^en ^Folgerungen gebogen ^abe, alg ber große
Süd^tec unb bet neue ^eilanb, ber mit bem Sud^e „Sllfo \pfa^
3arat^ttfh:a'' bet SBelt bod Xefiament einet neuen ©tttlt^btt
unb DoIIenbeten SBiebergeburt fd^enfe, oö ber ^rifi unb Sinti*
d^rift jugleid), unb in ben Strgebanfen ber legten Qzit üerfteigt
er fid^ biö ju einem oöHigcn SSergtei^ mit 3efu0 unb unter*
jeid^net feine legten, fd^on maj^nburd^sogenen S3riefedmotte att
„S)er @etreu}iote''.
9}atür(id^ ifl ber neue Gittenlobeir 9lie|fd^e^, ber ^um
Übermenfd^en fübren fott, ein ©efeft burd^aug beg fiorfen
Sßilleng. ^Dorum werben bie alten tafeln ^erfdjilagen, bie biefem
äßillen ungünfiig erfd^einen: bie Umwertung aller fittlic^en
SBerte tritt ein, unb ber glud^ bed ^{fed wirb übet bie alten
au^gefprod^en unb bod S^rifientum ate beten 8e|a(tet.
Slber balb geigte fid^ S^iefefd^e, bem ftrengen unb frommen
(^^)axattcx, bafe eine blofec ©ittlid;feit beö ftarfen SBiUen^, tuie
fie nad^ ber 3^i^trümmcrung ber di)riftUd[)eu (Bt\)xt unb mit i^c
be^ d^riftlid^en (§^ottedgIauben^ übrig blieb, bod^ sur ftnrn^
bringung bed erfel^nten Sbea^uftanbed nid^t genüge. Um A»
auflegen, beburfte ed eined fidrieten ^Ited. Unb m fanb iin
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IPeltanfdjauung.
415
92tt|f4e? Jütlx^n fyAm" f^at et einmal gefogt, „^it bem
geben einen ewigen Sinn geben, mitten im Snbti^en haS
Unenblid^e füllen unb befifeen." 9^ur eine obcrfle rcligiöfe
Überjeuqunp, fo lehrte er jejt, fönne ben Qa\t bieten, beffen
ber Kämpfer um ben ftarfen SßiHen bebürfe. Unb jo feinte
ftdb ber 3erftöret beS ölten ©lauSenö iiad^ einem neuen. Unb
im 9Utgu|l bed Sa^red 1881, „fe^idtaufenb gujs jenfeiti» oon
9Renfd)en unb 3^it ... am See von Sifoaplana, bei einem
mäc^itigen, pijramibal aufcietürmten Slorf" warb xl)m bie ©r-
^örung, fanb er in plö^Uidier (5nt()üllung be? ©eifteg bie
„l^öd^fte formet ber ^cjo^ung". ift ber ©laube an bie
emige äBieberfunft an einen itTeidiauf bed Seini», in bem mir
{eben erlebten 9ugenUiiI immer unb immer wieber erleben
metben. „M^^ g^^t, aüeS fommt ^urAd; emig roHt bad 9lab
be§ ©eing. 3Itte^ ftirbt, oUe^^ bli'üjt roieber auf; eroig läuft
baö ^a\)x beg ©ein^. Sittel brid)t, aße^ tuirb neu gefügt;
emig baut fid^ ba§ gleid^e ^auS be^ (Bein:^. älUe^ fd)eibet,
aded gragt fid^ mieber; emig bleibt ftdft treu ber 9Hng bei^
Seind." & iÄ eine uralte orientalifd^e, bann pt;tf)agoreifd^e
ße^re, bie je^t, nad) früberem flüchtigem Sluffladern, alö ein
le^ter rettenber 6trü()l auS bem Slbgruub ber fc^ou leibenben
Seele be^ ©elierg auf flieg.
Unb mod etiDartete er nid^t oon i^rl ,ȊBenn bu bir ben
(Skbanlen ber ®ebanten einverleibt 1^^, fo mirb er bi$ mr«
manbelnl SDein 2eben — bein ewiges geben! So leben, baß
bu roünfd^en mugt, roieber leben, ift bie Slufgabe, — bu
roirft eg jebenfattö. <5o leben, bog mir nocbmal^ leben unb
in ©migfeit fo leben wollen ! Unfere 5lufgabe tritt in iebem
älugenblid l^eran. — äBir wollen ein ^nftwerf immer wieber
erleben! So foO man ba9 Seben gefialten, ba6 man oor
feinen einzelnen teilen ben SGBunfd^ l)at! SDrücfen wir bag
Jilbbilb ber (Swigfeit auf unfer £eben!" ©o ift biefer ©laube
ein jroingenbfter Slnleiter jum ftarfen iHUUen unb i^in gum
Übermenfd^en, unb immer me^r wirb er fiegen — ,,unb bie
nid^t baran @laubenben mtiffen i^rer 9tatur nad^ enblid^ aud^
fierben. 9lur wer fein ^ajein ^r ewig wieber^olunggfä^ig
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416
\)ä\t, bleibt iibrici.'' ^mä6)^i ober ftnb bie ©rofecn, bte
StiHen, bie in ftd^ ©tarfen bie iöerufeneu. „SBad^^t "»b
l^ord^t, i^r (^infamen! ^ßon bec B^^unft l^er fommen äBinbe
mit ^eitnlid^em ^lilgelf plagen, ittib an f eilte Dl^en ergebt
gute 8otfd^aft. ^^^v ©infamen tion l^eute, 9[uiSfd^eibenben,
\\)X foflt einft ein Sßolf fein : auö eud^, bie il^r eud^ felber auS^
roö^Uet, fott ein augerwä^ltcg 83olf erroad^fen; — unö aiä
i^m ber Übermenfd^/
Unb fo ma(e et bemt ooE^ogen, ber ftbergmtg oon bec
Gtpt }ttt SRetapl^vitl , mie et pit Segtflnbung einer St^
• aßen Seitaltern notroenbig ifi, bie unter bem jnjingenbcn Segriff
einer allgemeinen ^aufoUtöt ftel^en. ^enn roie foll in fold^cn
Seitaltern — S^italtern l^ol^er Kultur — ba^ praftifd^e Problem
bet SBilleni^fteil^eit, bod mit ber (Stl^it immet n)iebet auftritt,
anbetS feinet £5fung nal^ebtad^t metben ab babitt«!, bog
bie fOt unfere fmifttfd^e ©infid^t befle^enbe f^rei^eit be9 9Biffend,
bie öon ber ^l^^fif geleugnet werben mu§, bod^ immer roiebec
in irgenb einer 2Beife eine metap^^pfd^c 6anftion erhält?
Unb max ed benfbar, bag ber fünf^Ierifd^e, äfll^etifd^e
^taum einet neuen, Preten, ftttlid^en SBelt anbetd enbete?
S^on bei äßagner ging et bie engfle SetBinbung mit ber
S^eligion ein; in einer fird^lid^ unb d^rij^ltd^ inbifferenten,
bem ©eniefult au^fd^roeifenb l^ulbigenben ©pod^e, rcie fie oiel«
leidet nid^t gum geringfien burd^ ben ariftoftotifd^en S^araftet
aUet ^unft bebingt matb, enbete ein S^fiem — tid^tiget eine
^n^d^i fetbfUinbiget, in teoelatotifd^et SBegetflerung Dorgettagener
'^floxxmn einer neuen Sittenlehre im ©lauben.
3. iRiefefd^e blieb juetfl f o gut mie unbelannt; unanettomt
ifi et fc|metem @^^id etlegen. Unb ab bie junge Seit
für i^n reif war unb feine Seigre einjufd^türfen begonn, ba
erl)oben noc^ immer bie Sllten ben entfd^iebenflen @infpru(5.
SBilbranbt fritifierte 1894 in feinem 9ioman „S)ie Dfterinfcl"
bad Problem bei^ ,,@öttermenfd^en"; ^epfe jog 1895 in „Aber
aSen gipfeln' gegen bie entitttlid^enbe Setmitttid^ung bei
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WtHanidfamm^ ' 417
Öbeal^ be^ „^JU'imiffancemenfc^en" ©pieIl)Qgen raaiibte
fid) 1897 im „gauftuluö" getreu bie UmiDertmig her 2öerte.
Unb au^ ^cotefte von Süngeren fel^Uen unb fehlen niö^t
3m ganjen aber traten bie ©d^riften 9Uet3)cfjc3 juimc^ft
beiinod^ einen ©iege^jug an faft o^uegleidjen. ^er ap^oriftifd^e
Q,i)axatUx i^rer (^ebanfen fc^uf i^nen aud^ ha, ja ba uor atlem
QMai, wo man bad ©^fiem ablehnte unb fic^ blo^ bem all«
gemeinen, bie Sefreiung ber $etf5n(i(^lteit betonenben 3^96
bei^ neuen ^enfend f^in^ah. ^\)xe ©prad^e geronnn qu4 bie
Unmünbigen im ©eifte, rcie fic ouf ben ©til felbft oon (sjcgnern
reüotutionicrenb gerairft J)at. ©ine gro^e SInjal)! üon er==
flnvcnben unb wibertegenben 8d)riften erfd^ien unb erfd^cint
nod^ l^eute; unb no^ ifi bad i^nbe ber attgemeinen dinwittung
ni<i^t nöKig abjufel^en.
©inb aber nur bie faöcinierenben ©inflüffe ber (Schriften
felbft unb ber i)inter il^nen n)ebenben, lebenben ^erfönlid^feit
Slieifd^ed, bie biei» IBunber mirfen? a^tnidftten! S)et9&ieber'
geburtögebanle ifl injroifd^cn unter geiuiffen S^erflad^ungen all-
gemein geworben, unb fidfjtbarlid; rcanbeU bie DIation bie S3a()n
oon bem $8crfud)c ber 2ö\m\Q et^ifd^er Probleme l^inein iuÄ
bebtet bed ^eligiöfeu.
@ine breitere ©runbloge erl^telt ber ©ebanfe etl^ifd^er
SBiebergeburt ober raenigften^ notraenbigen fittlidjeii JyortfdjrittS
juerfl xüo[)i burd; eine natürlid^e 9^eaftion gegen ben teilroeig
red^t platten, oielfad^ an ben 9lationa(iiSmuiS bed 18. 3a^r-
l^unbertd erinnernben Slufflörungi^geifi ber fünfziger bid fteb^iger
Saljre. %Ran begann gegenüber einer rein nte<|amfd^en MeniS*
unb 2BeItan)djaming raenigfteng fiangemeile , gctcgentlid^ aud^
fd^on ©fei 5U empfinben. Unb felbft 5lngel)örige biefer Sln^
fd^auung, bie tiefer füllten, erhoben bie fe^nfud^tdootte grage
mnn nid^t gar ^orberung bed Pias ultra.
gettrümmert fd^etnt, jcrmalmt 311 lofem ©taube
2)c§ 3JK'nfc^englücfeö ©runbbaufetö, ber OKauÖc
S)er fc^nrfe Sficf ber gorfc^uju] ber iiJatur
; SBefennt fic^ blinb für eine ©ottesfpur.
fiompcet^t, iCeutf (^e Oef ^tt^te. 9x^ve Crgäniunadbanb. 27
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418 IPeltanfdjauuna.
^odf ob audf fie oon jiiöften nur unb Stoffen
3u reben nex^, — ein ©e^nen unb ein .'poffen
3n unfrer ^rnft mirb ewig, me^r oerlangen
Unb giebt fi(^ nie an i^ren 6pru($ gefangen.
2ßer i)at nun rec^t? 2)ie ftrenge Slid^terin
Ober in unö bie @otteäbicf)tertn?
Srfc^loffen benn fc^on 2Bage unb Stelorte
3n '^l^d^eä Heiligtum bie le^te ^^forte?
bort no(^, m tot §offnungdIofer B^xanU
6i(9 f($iotnb(ig fü^tt «tib uml^vt ber OkbanEe,
Kit^ laut bet S9ttnf<t beS i^etaend SBetter! Setter!
Uitb aimmert M ^ Xtoum bie Himmelsleiter.
(äBil^elm Zorbau.)
Unb Mei^ 9teaftion$()efü^( loutbe balb burd) fe(}r pofitiuc
SSeränberungen ber gefellfd^aftUd^en ^^fij^e geftärft unb in
befiimmte, allem @ittUdS)en, aUem 9(ieligiö{en günftige ^id^tungeii
geioiefen.
6tttit nHtUe, um tmtet vielot ^lementeti ein tefonberd
^orfled^enbed anjufül^ren, in biefem Sinne ber ihttturfampf
' unb feine 5o^9^"- 3Ber ^ätte retigiöfen i)Jäd^ten anfd^einenb
nur trabitioneüer Äraft bie ©eroalt jugetraut, bie fie ()ier in
5lttmpf unb ©ieg offenbarten? Sluf fatl^olifd^em S3oben aber
etnmd^d aud bem £o6en ber Bewegung bod bauernbe (Irgeiimd
dned 6id bal^in unerl^M frifd^en geifUgen Seiend: S)i4ter
traten auf wie SBeber^ Sefd^ic^tfd^retBer wie Sanffen: efaielS
Sebent, ba^ ben retigiöfen ©mpfinbungen roenigftend bcÄ fat^«
Uferen ^efenntniffeö ol^ne weitere^ ju gute fam.
9(uf bie ^auer too^l nod^ wid^tiger roar bie Entfaltung
l»er fo|iaIen ^vobUmt feit Sludgang ber fteb^iger Safire. S)emi
bie Serfud^e, fie ju löfen, führten allentl^alben auf bem Soben
be^ dUx^^ unb balb oud^ auf beutfd^em S8oben aufeer^alb hei
dkid)c^ 5ur Segrünbung ungä[;liger fleiner unb großer
uoffenfd^aften^ innerl^alb beren ber ^injelne niel)r ober minber
We (Sr^iei^ung }u einer geniiffen ^ebunbenl^eit bed Xa\txn&
genol: eine Ctftrtung ber Semeingeffil^Ie trat bantit ein^ bie
mtiS bem rein nirtfi^aftlidg^^gefeUfd^aftlid^en 8oben ^ermil In
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XütHanidianun^ 419
bcn 33ereic^ Der l^öl)eren fittlic^eu @mpfinbiin(^en unb auS i()m
in bie ^elt be^ ^Jteligiöfen führen mufete. 2)eim nid^t um*
fonft ^etgt religio ^uftanb ber @e6unbenl^eit.
Unb aud^ bie äußeren Sejie^ungen jened Xeited bet Station,
ber im Sieid^e lebt, bet fUnbige, fm0fyAgt S>ntd bttt4 be*
bro^lid^e @emUm in Dil unb SBefi fUltlte bad ®etnein«
gefü^l unb ertöctfte jene 3öt)i9Jcit ber ^aterlanböliebe uiib
jenen 2)ran(^ ju genieinforner Set^ätigung auf bem ©ebieto ber
nationalen Arbeit, ber fremben Nationen gum befonbecen üeun«
letc^en §eitdenöfitfd^e( beutfc^ec SCrt gemotben ifL
60 vm ber f(^ia(f)f^d^if(i^e 8oben ^ur Sntfaltimg elned
neuen fittlid&en unb religiöfen SbeatiSmuiS roeitl^in bereitet;
unb an bem road^jeiibcn ©emeingefü^l ber ^jUienge nahmen
aud^ bie p^cren Staffen im S3efheben fojialer SDtit^ilfe 5tnteil.
^en fiörff^en unb entfd^eibenben ^nlag, bied @emeingefü^t
fUtU^'reliaidd su entfalten, erhielten bie fü^renben etänbe
ober io^ wof^i erfl burd^ bie ^ntmidflung einer neuen ^^antofie«'
tljätigfeit, burd^ ben Übergang ju bcn fanatifd^en 2Ba{)r^aftig*
feit§gefül;fcn ber impretfioniflild^en Üunft. 3Jlan unterfdjäfte
biefe Suföinnten^ängc nic^t; man erinnere fic^, roaä im 3la^hax»
Umbe Bf^ia für bie Sßa^r^ im S)re9fudpro)eife gewefen ifi;
unb man ffi^ ftd^ nodft einmal vor 9[ugen, bag ei$ faft burd^*
weg bie SorlÖufer htH^ ^ntptefftoni^muiS maren, bie in
^eutfd[)lanb feit ben fünfziger, uier^iger, ja fd^on breifeiger
3a^ren bie ftttü^=feelifd^e SBiebergeburt ber 9lation ahnten,
prebigten, forberten. ^a^, rood ben (^ebilbeten unb aud^ ben
ermad^ben (Bemeingeftt^ien ber tiefeten iUaffen nodft fehlte,
mar ber 3^9 ^uf innere Prüfung, auf Seianferung ber neuen
^f^eigungen in bcn innerften unb lauterften gunbamenten be«
fiergen^. @ben bie^ brad}te bie neue ^unft, langiam i]eun6,
nur von oben^er junäd^ft einbringenb, bann aber bod^ aud^ {d)on
gemiffe 2;iefen erreid^enb, — benn ber bitbungdburftige 3lrbeiter
meit (eu^utage baut ber Dorsügtid^en Utterorifd^en Seitung
mond^er fo^ialbemolratifd^en OUtter Dielfad^ ebenfomet, menn
nid^t me^r roenigftenj^ in ber neuen 2)i(^tung ^efc^eib aU ber
„®ebilbete%
27*
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420
@rtbe ber a<i^t)iger Saläre trat bann in ber Sitteratur erfl
leife, balb a(er inmier belebenber unb oitgenfäDiget bie aSitbing
ber neuen Fermente %n %a^t. Darauf folgte feit 1890 Sd^fag
auf Bä)iaQ. Slin 4. gebruar 1890 erfd^iencn, ein getreuer
2lu§brii(f ber jeitgenöffifd^en ©timmung, bie faiferlidien ©rtaffe,
bie eine neue $I^Qfe ber ©o^talpotitif einzuleiten beftimmt
n»aren; am 30. September crlofd^ bod @efet gegen Ue ge«
meingefä^rlid^en Sefteebungen ber ©o^ialbemobatie. ^ fetten
3Qf)re gab Pfarrer 92aumonn in ber ©d&rift „3)aS fojiote
Programm ber eoangelifd^en ^trdje" bie Slnregung §u einer
l^eute roeitDerbreiteten, wenn aud^ nod^ nid^t red^t in ^^at um«
gefegten fogialen Stimmung; oon toenoanbten Sorfiellungdhetf en
aud erfd^ienen in biefem Salute bie Stomone „S)et neue Sott'*
von ^aniS Sanb unb ,.3^fu0 unb gubad" von e^eli; ^oOftnber;
unb t)0n nid)t oiel onberen 9}Jotioen getrieben oerbrodjte
toiebenim im fclben Saläre ber Äanbibat ber ^^eotogie @öl)re
brei ^JJionate al^ ^abrilarbeiter in ßl^emnife unb berichtete
l^ierüber in einem befonberen Sud^e (1891)^ — fo mie ebenfadd
im feUen Saläre QanB 91. S^ifd^er in ben auf eigener Seobad^tung
beruf)enben Süd^ern „2öo8 Berlin üerfd^Ungt" unb „SBerlincr
3igeuner leben" auf bie fd^roeren fittUd^en ©d^öben ber ©rofeftabt
l^inwieiS. Unb im Saläre 1890 begonn aud^ S^ieftfd^e me^r ge*
(efen ^u werben, mie im Sia^xt 1890 bie „^fien ©ebanfen"
bed Dberfiieutnantd SRoril von 6gib9 erfd^enen unb rafd^ in
etma fünf^igtaufenb ^pemplaren Stobreitung fanben.
5lu§ ben nod^ nte!)r fojialen unb fittlid^en trieben aber
TOud^fen binnen eine^ ^^^^i^fünft^ bie reiner religiöfen ^eruor. 1890
niad)te ^NÜbenbruc^ in feiner Kooelle „(^laubia^ ©arten", fönte
in bem „B^uiberer (it^prianud" umor nid^t bem (Sil^rifientum, mo^l
aber einer efflatifd^^mpftifd^en 9{eigung mertmürbtge 3ugefiänb«
niffe ; basf clbe ^d\)x braute eine SBertiefung ber bramatifd^en Äunfi
ing ^Heligiöfe, in ein unb benifelben ^{)catern)inter würben
äBilbranbtg „fiairan", üon ^anfteinS „Äönig ©au(" unb ^aupt»
manniS ,,S3erfun!ene &iode" aufgeführt, unb 1897 folgte i^nen
©ttbermonni^ „Sol^anned". Um 1900 aber erfd^eint ber anfonglS
ftott mpflifd^e, ja efftatifd^e 3ug bet Sewegung fd^on mel^r ini(
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n?eltanfd?auung. 421
dnfad^ SRclic^iöfe abgeflärt; ifi bie Qtxt, ha ^ontadPd ,,9Bcfeit
beS ©^rifHentum^" oon neuen Öotte^fud^ern eifriö gelefen iinrb.
Db freili(^ ber ^iic^ inö ^JJietap^pfifc^e bem G^riftentuni
xoixüiä) gute fornmen wirb? 3ft bad moberne ^l^riftentum
in ber SSerfaffuii^ bev {(ugen Suitgfrauen^ bie bei» ^täutigamd
mtUttn? ed in bell großen %ta%m, Xnliegen, iRöten
be« (cftten falben 3a^r^unbert« fo jur Slotion gerebet, bafe
feine ©timme no4 jejt oolleg ©e^ör finben n)irb?
Sebenfall^ finb bie neunziger ^af)xt bie ^ät, in benen
ein neuer ©eifl fd^on in mannigfaltigen 3""9C" SBortc fam,
loenn feine Zügelungen au<i^ ^eute nod^ oielfad^ ted^t unabgetUhrt
faulten. Son nur wenigen wid^tigften unb in ftd^ fd^on (eiblid^
beutlid^en ^Jüc^tungen foll infolgebeffen ^ier Me 31ebe fein.
S)a ift junäd^ft eine etl^ifd^e ^enbenj, bie in abgefd&roäd^ter
SBeife an ben SBiebergeburt^gebanfen erinnert, aud^ — n)cnn=
gteid^ im 6inne bei» (Begenfated — (^niged t>om Qoolutioni^mud
aufgenommen (at, nov allem aber no^ an alte liberale Sbeate
onfnüpft. @ie l^at ftd^ babei mit ber von englifd^em unb
amerifanifd^em iöoben fommenben etbifc^en ^Bewegung be*
freunbct, o^ne bod^ gerabe in i\)x auf^ugeljen. 2lm ein*
fad^ßen ift fie oieUei^t burd^ ben @ebanleu eines fünftigen
ewigen ^riebend unb burd^ bad ^eftreben ge(ennsei(^net/ fd^on
je^t biefem ^eben Dorjuarbeiten. 3m 2)ienfie biefer Sbee
Ijat bie Baronin S3ert^a üon ©uttner (geb. 1843) il^ren SRoman
„S)ie SBaffen nieber" gefd^riebcn, ber 1889 erfd)ien unb int
Saläre 189(> in ber ä^olföauögabe fd^on auf eine Sluflage üon
ac^tunb^wanjigtaufenb ^^emptaren gebrad^t ^atte. Unb fc^on
etmad früher lam biefe Siid^tung num Sludbrud^ in ber S)id^tung
SIbalberti» oon |ianftein „Son Aaind ®efd^(ed^t" (1888) mit
bem ©d)Iu6aj:ioin:
9Uc^t um M Sluted toiSen gebeizt \a ber ^ampfl
&tüd foU [prieBen bereinft au§ road^fenbem :2eib,
60 rote bem Irrtum aßein bie SCBa^rl^cit entfprieltl —
Unb bad (Snbe bed Urieged ift ^iLiqex ^ciebe.
2)a eg fid^ l)ier um einen ©tauben l^anbctt, fo tritt aud^ früO
fd^ou ber Umjd^lag unmittelbar ind ^eligiöfe ein, unb leife
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422
ZXMtanfc^antitt^.
S3erquicfungen mit ber 2ei)xe ^Wie^fd^e^, oor allem freilid^ i^rer
etl^ijd^en Seite, ftnb ni^t jelten:
$mB filittt im SRovgenbranb,
9m VuspurBtut bct 6omie;
gfetn ta^i ber gfceiteit (eilged Sonb
Itnb loinü au eiuiger SBomie.
& na|l in ISraft unb ^^mlid^leit
2)ev alten 9Mtd ®meuer;
Saut aus bem ^orn5uf($ unfret geit
6|»vi^t (^ott in (o^enbem geuet.
Smn 6inai l^erab iniS £anb
@teifit auf bafaltnen 6tufen,
S)ie neuen Xafebi itt ber ^anb,
S)ev Stetier, ben mir rufen.
(&v bringt unS Siebe, &lüä unb 8rot
tlnb fprengt bed ^irnmeld tpforien;
2) te ^fcln glüljn im SRorgettrot
3n golbenen ®otte8morten.
©ein ©tab fc^lägt Söaffer au§ bem Stein
Unb tränft bie müben ^^iTger —
SBann nafift bu enblic^, aüer ^-^ein
Unb aüeg 3)urfteö Xitger? —
3) a fünbet fanfteö i^forgenglü^n .
2)cö neuen S^ageö äßeibetx —
9(uf ^aronö Stabe a)?anbeln 5lü§n
Unb (triebe grünt auf (^cben.
(SDiauiice von ©tern.)
Söon biefer ©trömung lä^i fid& eine anbere unterfd^ciben,
bie t>or aDem fünfUerifcf^en unb etl^if^en äRotioen fum
fteubigett Sejal^en bet Sßett fü^rt. & ift bie SHd^timg, bie
einftroeilen am meiftcn in fid^ rul^iß unb a6gef(ärt er)d;eiiit,
gumal wenn fie fid^ mit irgenb roeldjen gan§ fonfreten
ban!en fo^ialer 3)?it^)ilfe üerbinbct. ift, al& wenn in iJjr
bie S^bem ber älteften ^rop^eten einer fünftigen Stegeneration,
eines fiubmig etma unb Hebbel, mol^t au^ no<| aBagneriS, In
neuer, ber ©egenmart mel^r angepagter gorm fortqefeßt lofirben.
td)önfte Utterartfd^e ^enfmal biefer Dlidjtung ift ber h;ri)d)c
©i)flu^ üon ^^lucnnriiis^ „l^ebe" (1S98). Stoenanu^ erjä()lt
(iei: in <5elb|tbe£enntuit]en bed gelben bod Sd^idjal eiiiec
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423
egoiflifd^ anftofratifdiien 3)ienf4)eiifeeie, bie burd^ \(l^tmt& £eib,
ben ^ob ber geliebten ^xaut, pxt S3er§iDetf(uitg, ja bid^t an ben
9(6qrunbdtanb be« ©ctbfbnorbö qehxa^t wirb. @ie rettet ftd^
hmd) 3)htleib mit ben "JJiü^felig^u'labeiicu biefor ^2öelt unb
tüirb burd^ treue Arbeit on i^reiu Qdi emporgeläutert jur
^eiterfeit be^ ^afeind unb frol)eii Glauben an bie Sd^ön**
^eit ber 92atur unb an eineri geiftigen Urgrunb ber äBeU.
3m übrigen ftnb bie gefd^ilberten (Strömungen, mie mondft
anbete fd^roäc^ere, bie neben i[)nen t)er laufen, roie bereite qe«
fagt, feincöroeg^ jc^on cjonj flar unb mit üöHiger ©i(^er{)eit
bei^ biflorifd^en Urteile audeinanber in i)aiUn, ^a^, toas.
i|nen im ganzen unb grofien gemeinfam ift, bad ift bie @el^n«
fud^t nad^ bem gbeale in mpfUfd^er gform: jene mobemfie
^orm bed Greftes , bie im Spamtungdgefü^l ber ©e^nfud^t
befielet, wie e^ S^ie^fd^e fdjiUbert ....
3lun, ba ber %ao^
Xages mübe warb, unb allet Be^nfu(^t 16(i(^e
^on neuem £roft hvc pUitfc^ern ....
& ifl wie ein ©d^fuftafforb ber ftft^etifdjen Bewegung gegen
ben Stttelleftuali^mug. @S fegt ein mit bem Crange nad^
(Sinfamfeit, unb e§ enbet mit bem S)range nad) ©ottoerfenfung.
Unb ift biefer ^rang ed^t unb nid^t blojs bad @piel eines
überreizten @emütd^ fo wirb i^m Qx^ikm^ nid^t mangeln:
Hopfet an^ fo wirb eud^ aufget(^!
D fc&attcnftiUe« ©itanb: ©infamfeit,
€maragbene ^Dämmerung, in ber bas 3)iärc^en
3}lit großen offnen 2lugen ru^t unb laufest,
3luä bereu Sölumenfelc^eu Siebeögeiftcr
3um Gimmel flattern unb beä Herren Slntlift
&0 l&xUi^ fc^meic^eln: bid ed entfc^Ieiert.
(Waria ?|anitf(^e!.)
(SS ift eine (Stimmung, ber $rofafd^ilbening nid^t gewac^fen
ifl, bie erlebt fein will in ber S)i(^tung:
t^ör6t bet Vienb feine Sonbe blaset,
SBBurbe bir bein ^era oon ^^neben mäi,
Itomm mii mir ottf bie »evitauten SBaffer!
€ielig, net oerfte^t bie (Sinfamteit.
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424 IPeitanfd^aitmig.
Ungefttftbte (^dve fallen nieber,
9iae Ufer werben nun Verebt,
Unb bdti 4ec3 gtebt feine SIntoort »ieber:
6e% »er bie CHtfamleii oerjle^t
iieife taud^en imfre SRuber unter,
Silberner jertvopft bie blaue ^ylut,
Um unS roirb bie 2Belt von träumen bunter,
&a(S)t entfc^Iummert bein bciucßteä S3Iut . . .
äBer bie (Sinfamfeit oerfte^t, ift feiig
((yran3 ^erS.)
Unb nun mtd ber (^nfamleii in bie (^igleit, fe^n{u(|töoofl,
unb a^nenb meUeid^t fd^on Oee^tüA:
möchte [jeinilic^ [tili {jiiuiberfdjveiten,
60 rcie ber 3lbenb in bie 9?arf)t uerriniit.
(SeJ foUen jüfee lieber mic^ begleiten
3u meinen i^nfein, bie beglütfenb finb.
94 in9(|te ilerben ((^an unb o^ne 3fel^(e
Unb no€f im S^ebe reid^ an Se^nfuc^t fein
Unb m&d^fe fft^Ien, nie bie freie 6ee(e
SRit Illingen sie^i au i^ren Fimmeln ein.
(I^ani 8etta<.)
. . . ober jerriffen )ud)enb, ^arrenb ber ©rlöfuug^ 4in)'tiic^
geroaubt im ^^xn nad^ ^iife:
9U>d^ lie^^t oer^aUen, ungeboren,
SRein tiefM unb mein befle< 6ein.
3n SBal^n ttnb 9Bel^ bin i^ oerloren —
IDu Si(9t ber SBa^r^eit, bnc^ herein!
(Srieba ©(^anj.)
2(c^, meine Singen fmb trübe Don Staub unb Streit,
^lein {^u| ift \d)wad), ic§ irr' im @uten unb Söfcn,
^d; [c^reie nac^ bir, loie baö Hinb nadj ber 9)2utter f($reit —
SlUmäd^tiger, neige bic^ nieber, mi(^ erlöfen!
(<5ar( »uffe.)
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IV-
5l9tinett fceßf^t Stimmungen, mie bie f oeben nur in teifem
Jtor gefd^ilberten, in il^rcr f^alb flommelnben DffenborungSform
einer ruhigen S3etrQd^tun9 üon dlatnx iinb @eift, einer äBelt*
Qnfd^auung auf @runb ber allgemeinen Kulturerfa^rungen be^
Scitatteri^, einer flar obgcroogenen 3)ktap^t;Rf im ©innc n)a^r=
f4etn(uj^ SSermutungen übet bad l^eute im aUgemeinfien Senf»
bare günflig fein?
3)ht bem Überfd^äumen ber neuen äfil)cti)d)en Kultur inS
©tljifdje unb 9^eHgiöfe ift ber Sauf biefer i^ultiir roßbrnc^t.
2)ie ^eriobe ber 9iei5fainfeit roirb i^re Pforten fd^liefeen, roic
bie ißetiobe bet ^mpflnbfamfeit fte einfi gef^loffen l^at. S)ie
allgemeine feelifdle ßrrungenfd^aft mirb bleiben, obet anbete
Seiten ht» ©eelenfebend metben l^etoottteten, unb auf il^rer
(3>runb(age roirb man bauen, toirfen, benfen.
@inftroeilen aber l^aben pljifofopbifcfte ©rroägimnen unb
^i)potbefen mit bem äft^etifc^-et^ifc^-religiöfeu ©ntljufiaömu^ ju
leben; unb ed fiebt nocb babin, ob unb loieweit fte babei nid^t
bod^ ben Hfyitattex bet @eban(enbid^tung annel^men metben.
®aö 3Befen ber feclifd^en ©ntroicftung unferer im 58erlaufc
biefe^ ^anbeS geid)i(berten Kultur beftel)t barin, bafe immer
mel^r pfpd^ifd^c ^otenjen, Don ben fogenannten oberen beg
^erftanbed unb ber ^rnunft ab hinunter bid )u ben blog
ttieb' unb empftnbungiSmögigen, §ut Koten Sotflellung gelangen,
hiermit Ijängt ed ^ufammen, bag bie Cinbeit bei^ 9Renfd^en
mit ber 9iatur immer bcroufeter gefüljlt roirb: benn je me()r
fogenannte untere ^otengen be5 Seelenleben^^ in^3 '^k^roufetfein
treten — ^oten^en, bie ficb analog aud^ fonft in ber otga«
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420 !t>eltanf<^auuii9.
nifc^en 'K-dt finben — , um fo me^r wirb unleugbar, baB
ber ^llcenfd; einen 2ei[ bilbet bcr Dlaiuv felber.
60 ftirbt benn jc^lieglid^ bie alte ant^ropocentrifdj^e
trac^tun^dioeife au^, bie in bet 92atur int ®runbe nur eine
}um 92u|en bed ^enfii^en getroffene ^inri^tung fal^; unb eine
neue antljropocentrifc^e 9etra<!l^tung (onn nur babutd^ geiDOiinen
tDcrben, bofe bie (Einfiel)! enuad^t, mnn erfennc bie 2BeIt nur
burc^ ^^ermitthnu] ber Seele unb fomit nur im Sereid^e ber
aneignenben feelifc^en triebe unb @igenfd)aften. tiefer neue
S(nt^opocentridmul& nid^t me^t ptaftifd^en, f onbem tl^retifd^
C^atafterd ifi betanntiid^ erft eine ©mmgeufd^aft bed fubjefH«
irtfHfd;en S'^xtaikx^, in 2)eutfd^lanb fpegiett ber Äantfc^en
^4^^ilof op^ie ; m6) ben entf)ufiQfti)d;en Übertreibungen Der
2ibentitat^pl^ilofop^ie, bie bi^ ju einer inteUeftualiftif^en
(Otporation ber (^(l^einungdn)elt in bie SRenfd^nfeete fort«
fd^ritt, ift er ^te aOgemein unb im wefentß^en im Sitme
StxnH mtgenommen. Stant9 Suffaffung aber l^ebt in biefem
fubjeftioen Slnt^ropocentri^mu^ bie (Srfd^einungSroelt feine^wegs
auf; benn nad^ il^m reid^en bie reinen, oon ben 2tn[d^auung§^
formen befreiten Segriffe fel^r xoo^i bagu l^in, aud^ bad
S)afein ber Objelte §u enoeifen: nur beren S)afein ^ugleid^ ju
beflimmen ftnb fie nid^t geeignet, tlnb fo befielet benn mid^
nad^ ber i^antfci^en ©rfenntntgtl^corie ber ©egenfaft oon ©ubjeft
unb Dbjeft, oon 5iatur unb @eift.
S)a6 (td^ ciim ber metap^^fifd^e Xrieb mit biefem ©egen»
fa|e lugleid^ in ben Verlauf ber pfpd^ifd^ ^tmidUmg
ber euro|)äifd^en S51Ierfami(ie gefieDt fal^ unb nod( gefieDt
fieljt, unterliegt feinem 3tt>«frt- ^«tu wenn e« gilt, in irgenb
einer 2ßeife baiS 9iätfel einer il^erbinbung ber SBelt 3}iaterie
(al^ 3^ealgrunbe^) unb ber Sßelt ai& öeroufetfein (ald 3beaU
grunbeS bed @eind) ju löfen unb Don bem S^ealgrunbe bei
£id^t befe^en Vii^t» betannt ift, aU hai er beRel^e, fo (iegt
attf ber ^anb, bag b(i9 ffla^\mäim über bied 9Ultfd 9on ber
jciDeiliöen 3luebilbuni^ be^ ^etoufetfein^ ab^äni^it^ ifi: — 9e'
mufetfein aber Ijeifet nicbt^ al^ jetDcilig 5U flarer ^^orfteQnno
gelangte Summe pivct)ijc^er ^4^oten}en, jeweilige pf^c^^ij^e
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tDeltanfd^nnng. 427
^apojität eine« beflimmtcn S^itofter^. ^it her ieroetltgen
CluaUtät feetifd^en SeiDufetfeinö ift alfo bie Dualität ber 9ht^
ic^ouunc^ über ba§> ^^er^ältniij von 9iatui' unb Öeift gegeben.
2ln biefem 3ufammenl^ange ^at nun bie neuere ©efd^id^te
ber eutopäifd^eit 9totionen eine Sln^a^t metapl^ftfd^er (SnU
nHdUung^ftufen erlebt, ^ad 16. Salir^unbert ^ad^te no$,
öornelimüd^ in Deiitid)lanb, Qzittn eine^ roüften '-t>anbi)namis^=
mu^, Tüie er fid) in ber Seigre eine^ ^aracelfuö rote eine^
3acob Soel^me Qu^fprid)t unb ber Gegenwart am einfad)ften^
loeitn audü in fe^r abgetlärten formen, avA ben pl^iiofop^ifd^en
Soroudfe^ungen beS erften ^eite oon &i>tt^ »^aufl" ver«
flönblid^ wirb: im ©runbe ein k^M SCufftocfem t»Ott Ur*
anfdjauungen , btMieu bie grofeen 9?aturerf($eimingeu al^ SBir*
fungen antl;roponiorpl)ifierter, aber in^ Übermenfd)üd)e, (iiöttlicl^e
gehobener 5lräfte erfd^ienen waten: aud^ ^ier fte^t hinter ber
äBelt ber ^d^einungen nod^ eine äßelt ntagifd^ gebadeter ftr&fte,
loeld^e biefe bmcQt, unb bie @eele erfd^eint nur ato ®tieb
unb S^eil jener öerbort]crieu ^Jraftroelt, am bereu güüe aud^
äße anbereu, finnlid^en, förper^aften ©rfd^einungen t)om Sßurm
im Staube jum ge^eirnnü^ooE leuc^tenben äBanbelftern bed
^imntete il^r äBefen empfangen f^abm unb empfangen.
SHefe panbpnomifUfd^e Seit bed 16. Sa^rbunbertd midi
bann feit bem 17. !3af)rl)unbert ber feelifd^en 9)ltotii)Qtion be«
inbiüibuaUftifd^eu 3^ita(ter^. ^efet roirb bie ©eele jum ^ev-
ftanb, ja fd^liefeücf) bei ben 3bentitdt2p{)ilofop()en , bie noc^
burd^ fo oiele %ähen mit bem 3ubimbuati§mu^ oerbunben finb,
§ur Sernunft : )um Semultf ein in feiner logif d^en begriff lid^feit.
i^atürlid^ manbelt ftd^ bamit feit (S^rtefiui^ unb Spinoza unb
ficibnij baS Söeltbtlb. ^ie Wenfc^^eit wirb inteUeftualiflifd^
gelenft, unb biefe @rbe ift bie üoHfommenfte aller SBelten, benn
fie ift nid^t^ aU ^u^fiug einer t^ödS^ften, fie in fic^ begreifenben
Vernunft.
9lber bad fubjeltioiflifdie 3^ita(ter )erft$rte mit feinen
Slnfnußgre^unnen berßmpfinbfamWt atöbotbben bIo6 intetteftua«
liftifd^eu ©()arafter be!^ ^erou^tfeiu». 3Ba§ für fraufe ^in^e
mürben jegt nic^t in bie ^orfteliung gei;oben ; all bie „unteren
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42b
©eeUnfcftfte" regten ftd^ utü> oertongten einbezogen §u werben
In Me metap^pfifd^e Sied^nung. Sa — fie fiegtcn über bm
Sntetteft. Sollte bcm 6türmer unb Oranger nid^t SBillc unb
Xrieb oberfte Scelenfatjigfeit ober al§ ©runbprin^ip aller
feclifd)en Slftualität erfc^einen? S)ie üoluntanftifd^c 3)Zetapf)t)fi!
brad^ bur4i unb beberrfd^te jenfeitö ber 3bentitätöpbi^fopb^
unb bed j^egettanUmud bad 19. Sabrbunbert.
Snjroifd^en l^ot ba« S^tölter ber ^Retjfomfeit eine neue
(5ntl^ü(Iunc| ber *Seefe (^ebrad^t; ber noä) unter bem triebe
(agerube primäre Siei^uorgaiig — roie man fid) etwa littcrar*
bißorifd^ — , bie nocb (aum mit einem ^i^b^^lt gefd^mangerte
primitive ^mpfinbung — mie man fid^ etioa pfpd^ologifcb wirb
audbrfidfen fönnen — marb befonnt unb forberte bie funba«
mentale Sliierfennung, bie bisl^er ber ^rieb gefunben. 3ft biefe
5lnerfcnnuiu] nun ]d;on in einer neuen 3)ietaplji)fif erreid^t
loorben? S)ad ift bie b^te entwidElungdgefd^idSftlid^ wid^tigfte
grttge. —
S)er Jtantfd^ unb ber nad^tantifd^e Sbeatidmud baben nad^
ibrem metap()t)fifd^en 'J^eitc bie ganje erfte Hälfte, \a nod^ eine
gute ^eit ber j^rociten ^älfte be^ 19. 3al)rt)unbertö bel^errfd^t.
aßie :^o6e in feinem ^JJUfrofo^nmg (185G— 18G4) perfud^t bat,
nod^ einmal bie großen @eban(en beS S^italterd biefer 6t)fteme
mit ben in^ioifd^en fortgefd^rittenen (Srfabningen ber ©eifiei^
unb befonberiS ber Slatunoifyenfdiaften ju perfd^mel^en nvb
augjuföljuen, ift befannt. Später ^at man nod^ fritifc^ere
Umroanblungeu fpe^iell ber jtantfd^en ^ktaplipfif oerfuc^t;
ba^in geljört i^iebnmnng ^ud^ „3"^ Slnalpfi^ ber Sßirflid^feit"
(1876) unb äSotteltd @d^rift „(^rfabrung unb S)en{en (1886).
SHIein biefe Serfud^e mürben, ed läit fid^ nid^t i^rlennen, mm
immer geringerem ©influfe auf bog allgemeine S)enfen. 3a
man uuifete mit anfel)en, rcic fid^, eigentlid^ jum erften "iDiote
in ber beutfd)en ©cfdjidjte, im 3i*fammen^ang mit bem uatur*
n)i{fenfdüaft(id^en ^ktionaliSmud ber t)ier}iger bid fiebriger
Sabre materialifiifd^e Xenben$en geltenb matten: mie man \M
$rab(em ,,9latur unb ®eift", ba ed von ber Seifledfeite bct
nidl^t löiöbav erfc^ien, nun oon ber 92aturfeite })et angriff.
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lUeftanfd^auung.
429
llnb TOcr tuollte (eugnen, ba6 ber '^erfud^ in weiten 5!reifeii
SInfrang faiib? ^rufejS ßangobarbenbrama „^J^ofamunbc"
(1878) föitnen fid^ fogar bie aUen (Betmanen nid^t entölten,
ein ntaterioliftifd^e^ @(aubeniS6efenntnte abzulegen, unb in bet
@rjäl^tung§Utteratur xoax n)o{)l erft Sluguft ^^iemann in
feinem S'loman ,,Sacd)en unb ^(^i^rfo^träger" (1882), ber
oußerl^alb ber fpe^iell d&riftlid^en toife bem 3)^ateriaUgmuS
entfd^ieben entgegentrat. Unb nod^ neuerbingd ^at ^ädel
eine »eite fiffentli^tett mit feinen im @runbe materialifUf^en
„aBeltrfttfeln" (18Ö9) erfreuen »nnen.
SJJaterialigmu^ unb ein wenn audj fräftige^ ©pigonentuni
Aont^ unb ^egeU waren bie ©rfd^einungen, u)eld[)e bie fünfziger
bü ftebjiger Qo^re junäcf)ft d^arQfterijiertcn.
@oBte ft^ bemgegenüber bie neue 3^t ber Stei^famfeit
nid^t burd^ metapf)t)ftfd^e SBorldufer angefünbißt ^aben —
xväxe neben Subroig unb Hebbel, neben 3JJenje( unb SöcfUn,
neben 2\^t unb Sßagner fein ^^ilofopt) ju nennen?
Seid^t wirb ^ier ber dlamt 6d^open^auer^ auf bie kippen
(ommen. älber bie )Bage ifi eine t>er)n»id(te. SHad^bem ^nt mit
feiner Hegemonie ber praltifd^n Semunft unb ^id^te mit feiner
^^at^anMung beS vorangegangen waren, ift ©d^open^uer
gewife ber erfte ooßgültige 3)letapl)i;fifer be^ XriebeS geroefen;
aber fein ^auptmerf, ,.®ie SBelt al^ SBille unb 33orfteIIung",
1819 erfd^ienen, fant gu fpät für bie grü^romantif oon 1800^
beren Reifte ei$ eigentUd^ ange||drte, unb ^u frül^ fftr bie Sin«
fänge ber Stei^famfeit, t»on ber ffir bie metapl^^fifd^e Seite
beiJ 33ud^e^ $Berftänbniö frül)eftenö erft wü^renb ber ^tii i^rer
Doflften SBIüte ju erwarten war. <Bo warb e^ einer 3^it*
lofe oon feltfamften 6c^idfalen.
S^är ©d^open^auer verfällt ha^ Seelenleben bed SRenfd^en
tat imei beutlid^ gefd^iebene Steile, bad ^nfen, bie SerfianbeS'
unb Semunftt^ötigfeit, unb bad f^ül^len unb 9BoBen. ^Bei
rebujiert er aber bo^^ gül^len auf boö SBoEen — benn alle
©efü^le feien auf ben einen ©egenfa^ oon Suft unb Unluft
}u bringen, g^reilid^ mug bann baS Sollen triebartig gebadet
loerben. Slber fo mfie^^t t& Sd^open^auer m^, unb
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430 XPeIianf(^utttt9.
inbem er in i^m bontit ben primitbften feefifdftcn 33ort;aiu)
fielet, fommt er bem Sa^e: nid^t ba^ ^Denfen oDer gar ba§
^efül^I, oielmel^r bec Srieb fei bad Urfprüngli4e unfere^
feelifd^en SBefend.
aSie oeri^AU fl4 nun biefcd feelifd^e SBefen |ur SBel^ |iir
9latur? $iet oetMnbet Sd^openl^auer mit feiner Se^te vom
SBillcn Äantö ^eljre ron ber 33orfteIIunß : T>ie ili>eU ift im feie
33orftellun0. 2lber, unb hierin geigt fid^ fein fünftlenf(i^eä iiiib
romantifd^eg SDcnfen, md)t immer eine flare ^öorftetlung , oft
nur ein Staunt. äSBie bec ^iSe bem Xtieb, wirb bte ffkn*
Oedung bem ^a|n angenä^ — fel^r natflrlid^ bei einem ®eifle,
bcr ber Sogif weit roeniger traute alS bem fc^öpferifd^en
ber ^^stiantnfie. ^orinu ift bie ^Corfteliung nur bie Wiaja De^
3uberS, ber 6c^leier bed ber Sonnenglan^ auf
bem 6anbe, ben ber mm feml^er bürfienbe SBanberer fftr
aBoffer l^(t.
^rö6er ober, rote fid^ 5ttkt «nb t^rourn, SBille unb ^^or-
ftellung ücrbinben, fann nur unfer 3nnereg belehren. Unb bo
fmbet Sd^open^auer, bofe ber 2db nur baS »orgeftelite äufeer^
Ud&e unfere^ 3d^§, ba^ etgeutlicl^e 3d& bagegen ber Xrieb fei.
Unb biefe Sluff affung übertragt er nun bur4 9'ieil^e deoogter
älnologiefd^lüffe auf bad ^erl^dltnid von Statur unb ®etft
überijaupt; uiib fo ift e§, al^ lebten uralte ^J}l9t^ologeme bei
ilim mieber auf : Die 3Belt erfd^cint nun burc^iueg von trieben
belebt, oom 5lrvftatl bid ^ur ^flan^^e, unb von ber ißfianie
l^inauf bid num %m unb |um ä)tenf(^en.
So ift bie SBelt ein orgonifd^ %ifbm oon immer
flarcren trieben, bie fid^ oorioärtg ftredfcn in immer b obere
J^ormen iljier ^I^erförperung? — Iteinelroeg«. .§ier jeigt fid^ bic
^erfunft beg S^ftemÄ au^ ben erften ^al^rjel^nten be^ 19. ^abr-
^unbertd, bie ben ^twid(ungggeban!en nod^ nid^t ald ®emeim
gut bed 2)enfen0 tannten. @d^open^auer ift gan} unb gor
@egner aller ^tmidtung ; barum famt er feinen Haren @ebanfcn
Düii ber 0)cfcl)id;te als ^ilUffcnfc^aft faffcn; unb barum l^at er
Samarrf^^ il)m rooljlbefannte :^el)re al§ fiäd^erlid^feit gebranbmarft.
(So bleibt benu in feiner entwidlungi^lofen $^ilofop^ie äBur^el
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lDfUanf4^ntiit^.
iinb €tQmm tinb Itrone ber SBett ein ewtq im bKnben t)imM
ocr^nrrenbcr )lneh, ber in (tnntofen S3orftö6en, in imabläffigem
2)rän9cn, in unuerftänbUd^en Kämpfen öou (Sinjeltnebeii gegen
Singeltriebe \id) entraicfliu^^Slo:^ oustobt.
^tt treten bie äBur^ebt bed ©^openl^ouetfd^en ^efftmid^
mud SU Zage, fmoeit biefer ni^t bet ffleUfd^mersfUntmimg ber
9lomanti! unb perfönlid^ Regungen be« ^^ilofop^en perbanft
unrb. 3olIen wir etwa ben 3wftQnb be^ blinbcn Xriebeei er-
baulid^ ober auä) nur erträglich finben? 3ßir fönnen i^n mir
ertragen, inbem mir und aud il^m befreien fud^en. @o
ffll^t ber ^efftmidmud }ur Se^re oon ber (^(dfung: fei eS,
ba| ber 9Renfd^, unb vor attem ber groge 91tenf<|, bad ®enie,
(id^ in bie Hunft flüd^tet unb in \f)X , ber Qttufton pd)ftcn
Sinnet, befonberä ber l)iufif in metapt)i)fi)ci^er greube ein
2lbbilb ber innerften triebe be^ Sßeltganjcn fie^t — fei e§,
bag er ftd^ auf bem SQi^ege bed äRitfü^Iend mit ber (^d^einungi»«
me(t unb mit fid^ felbft einem Bufianbe ber Sntfagung )u«
wenbet; feinen fBlKen ertötet, aufgef)! in einem l^öd^ften
quietiftifd^en 3J?t)ftici^muö, in einer rcfignierenben Bereinigung
mit bem ^arum finb Äünftler unb ^eilige für ©d&open»
^ouer bie eigentli(i^en ^^enfd^en biefer (^rbe.
Sd^open^auecd Seigre, eine ^»ofl^ume ©d^öpfung frül^
2:enben3en be^ fubjeftimf^ifd^en Seitatteri^, beburfte einer ^nhi*
bationgfrift oon meiir al^ einem 3)?enfd^enQlter, um allgemeine
feelifd^e S^^^^iii^e c^i treffen, bie il^ren XUnnien luicberum günftig
waren. Unb and) je^t nod^ ^)anbelte ed fid^ junäc^ft nid^t um if)ren
metapl^pftfci^en ^ei(. ^od, mai^ ber ))oUtifd^e unb fojiale
^ftmidmuiS in ben fflnfiiger SN^l^ren unb ber ftuUud ber SRad^t
in ben fiebriger ^a^ren ab i|m jufagenb oud ^d^openl^auerd
^t)i(ofopt)ie aufnahmen, war bie @tE)if be^ !Rirmana unb bie
iöere^rung beö ©enie^, nid^t bie Sel)re üon bem 'i^ecj^ältni»
unb bem äßefen be^ ^riebeö unb be^ Jö^a^ne^.
3nsn»if d^en l^aben fldji bann bie SHnge freiUd^ geönbert. &im
lebeniSfreubige @t^if l^at bie graue SUbtofel bed fefftmidmu«
mit frifd^en färben bemalt, unb ber ^eroenblt befielt jn)ar
nod^, wenn aud^ in abne^menbem ^Üla^t, aber er roenbet [id^
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432 lDeltanfd}autttt$.
ni^t eben beut l^eißgeit unb au4 nic^t an erflet SteUe bem
Äfliifliler §u. dagegen tritt bie metöpl)i)fifd^c ©cite ber fiet;rc
(Sd;opcn()auer2S je^t mel^r in§ 3fitt^ßiu»6tfßi"- ober
noci) in ber ^age ift, and) nur annäJ)ernb fo ju bel^errfdjen,
wie biei^ friil^er ber etljifd^en @eite gelang? 6ie oerl^äU ftdj^ |u
einem metop^pftf^en ^en!en, bod wal^rl^ft mobent w&re, wie
geiDiffe f^ntboliftifd^e unb fHmmung^reid^e ©ebid^te von ^Umoalx^
ober griebridj ^djlegel gu ber ^^>oefie ber ©tefan ©eorge unb
^ofmann^t^al : fie reid^t an bie ©e^enroart Ijerau, aber fie ift
nid^t biefe felbft; ein (iJrabunterfd^ieb niac^^t iid) gettenb; bic
äluffaff ung ifi )u plafUfd^, bie nerodfen (Elemente {tnb
no^ %vi erinnentngiSnt&gig aufantmengefoSt unb botum ibea«
lifttfd^ wiebergegeben, ^cr ^rieb würbe l^eutjutage einer
weiteren S^rfaferung in mebr etenientare, nie^r rein neruöfe
(Elemente bebürfen, foHte er bie pf^d^ologifd^e ©runblage einer
neuen ^ktapl^tiftf bilben.
SBod ober Sd^openl^aueri^ ®efamtf9fiem burd^aud 9on ber
Gegenwart trennt, bod ifl bet SDlanget bed ^ntwtAun«)^
gebanfeng. ©ottte ^aö 3lbfo(ute ber 3^rieb fein, fo üerfani^te
fafl fd^on bie gange jweite 4)ä(fte bc§ 19. !3a()vljunbert^ , bafe
e^ fid^ eoolutioniftifd^ ju aller breite unb 8d^ön^eit ber Gr-
fd^einungen biefer SBett au^wirfe. Unb bied eben ift in
©d^open^auerS fie^re nid^t bet %afL Sagegen ifl gerabe in
biefen neuen gorberungen ber S^xt baS SWowent gegeben, on
ba^ eine gange 5Rei()e jüngerer üoluntariftifd^er S^fteme ber
3)ictapf)9fif mit ©rfolg anfnüpfte. ^a« begeid;ncnbfte unb
ooUenbetfte baoon ift wo^l ba^jenige ^unbtd (1889).
ffiie @4openl^auet, gel^t äßunbt oon pfpd^ologifdften IBt»
wägungen — nur bag fie auf eine breite pft)(^oIo9ifd^e
@rfal)rung geftü^t finb. Unb ba erfd;eint benn ^^^unbt bag
SBolIen als bie eigcntlidje feoUfd^e ©runbfunftion : eö giebt
feinen SBorfleflnngeint)alt ol^ne ©efü()(5regung unb (eine ©e«
ffi^teregung ol^ne Säidendrid^tung. S)iefer SBiQe aber, ber in
aOen ^[ugerungen unfered ^Seetentebend oorl^nben iß, hmn
bod^ nur fe^r bebingt als ^nbioibnalwille angefe^en werben;
in äBa^r^eit ift er in un^ fc^on ein @efamtwitte ad ber um
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It>eltanf6aiiun0.
433
^al^Iigen SSBiaettdlireBungen, bie unfetem Mxpev ald einem 3u«
fammengefetten^ ate einer (Sin^eit matedettet D6ie(te innemo^nen.
tlnb ÄE)nnd^ei gilt für Stete unb ^flanjen: au($ fic finb jd^on
Äonipteje aftuettcr fcelifd;er ©inljeiten.
<Bo bilben beim ben Qn^alt bc§ (Seinö überl^mipt öftuelle
feelif<$e ©in^eiten, unb ba biefe bur^gängig in 33ejie]^iingen
§u einanbet fielen unb hvtx^ biefe fid^ ootfidlen, fo ecfd^eint
bad 9(0 ob eine unenbHd^e Siel^eit von aBUIeniStptigfeiten,
bie fid^ burd^ i^re SBed^felbefiimtnung, bie oorftellenbe ^^ätig*
feit in eine ©ntwidlung^rci^e üon 2Bi[Ien3ein()eiteu oerfd^iebenen
Umfanget orbnen. ^iefe unenblid^e ^iell^eit von ^iUend«
tl^atigfeiten aber wirb xm und, inbem wir oon ber ^orfteUung
unferer inbitnbueKen (Sin^ii ouf eine uninerfeQe fd^liegen, aü
SS^eltoiSe unb M fold^er göttltd^ gebadet: unb bie Sßelt«
entiuidlimg wirb un^ iui Entfaltung göttlid^en SBiden^. unb
äßirfeng.
^iefe Entfaltung oottiiel^t fid^ nun junäc^ft im Slufbau be«
Drgonif^en, boiS nur bod äußere Sein ber gdttlid^en SIftualität
borfteOt; unb ber S^ooed ifl babet, bie Erfolge bed geiftigen
iißirfenS bleibenb ju befeftigen unb fletig neue Unterlagen für
eine fortgefefete Steigerung biefe^ 2Bir!en^5 t^etinnnen. Ober
ba^ Drganifc^e ^inau^ aber rcirft fid) ber äBiUe beö ©eifteä
aud im @inne eined ft&nbigen äBad^iStunid ber geifügen foergie:
fo bag l^ier eine fietig fd^dpferif^e Gntmicfbing vorliegt 60
wirb bie !Rotur einer SBorftufe beg ©ciftcS, unb in einem
ununterbrochenen 3iift^iii^"enl)aiig jroccfüoUer ©eftattungen, in
ewigem äBerben unb ©efd^e^en ge^t über fie ^inaud eine äBelt
immer neuen geifHgen ^Bebend l^eroor.
Seb^aft gemahnen biefe älnfd^ouungen, bie SBßunbt unter
erbrttdtenben 9}od^n)eifen oud einem gemaltigen Sßiffendmaterial
t)orträgt, an bic illnfänge ber fubjeftioiftifd^en ^etapbpfi^ in
ber ^weiten JQdlfte be^ 18. 3aljrt)unbcrt^, nur bafe fie um
einen (S^rab l^ö^er fielen. Berber bamal^ al^nung^DoQ
pl^antafterte, mad oor i^m fd^on £eibni| feiner Q^it weit
tmtuiBeilenb fd^öpferifd^ unb proplietifd^ leierte: bie Suffaffung
ber SBelt aU eineö Organi^mu^, in bem 9ktur unb ©efd&id^te
Samt) r (4t, S>ctttf(^c 9ef(^t<^te. <irflet Srgänaunedbanb. 28
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434
in gleitet SBeife äted^t un6 9Uam bed Sebeni» ftnben, ^ier
f<jft{ett erreicht §u fein.
SClIeln l^atte ftd^ nid^t injroifd^en f(5ott eine neue pftid^ologifd^e
©runblage metoptipfif d^en S)enfenS angemelbet? ^Berlangte bie
neue 3ßit ^^^^ ^kijfamfeit mä)t eine neue ^f^d^ologic nid^t
mef)r fo fe^r beö ^riebe^ alö nod^ ©iel elementarerer feeUfd^er
SSoraange? 9)ai» ifi bo« mmmt, ba» bie j^tigen ^
fh:e6imgen auf pfpd6olo()ifd^ein ®eMete fo venoorren unb d^ootifc^
mac^t: ein 9^eue^ tüitt fid; emporringen, aber nod^ finb feine
^^ormen bunfel unb ungeroiß. 2Bie aber foHte fid^ auf biefer
fd^raanfenben unb unftd)eren ©runblage fd^on eine mo^lburd^»
badete ntetapl^^fifd^e ^potl^efe entn>idelt l^aben? W&a» bie
iüngfte 3^t fenn§eid^net, bod ifl bei afkm Buge jum Xxan^cm*
benten ein ©tu^cn bei bcffen ^uihaxi, ein a3er()arren in ©e^n*
fud^t, unb wenn biefer ^uftaiib be§ 5>erl}arren^ überfd^ritten
wirb, ber Übergang meit me^r jur (^ebonfenbid^tung atö jut
flaren ntetopl^pftfd^en Vermutung. Unb ^at eine fßoefte auf
biefem ffiebiete nid^t audft i^r 9ie^t, ooraudgefefet aderbingd^
btt^ fie fiänbig eben afe ^Noefie eifannt unb bel^nbelt nrtrb?
Unter biefen l^eute befteljenben ^^erpltniffen tritt baS
^enfen eineö 3)iannec^ mel^r in ben ^^orbergrunb, ber bei fieb*
jeiten al^ 3Jietap^i)fifer gar wenig gefd^ä^t marb: ged^ner*
(^ouptwect: „S>ie ^ageiSanftd^t gegenüber ber ^d^tanfid^t'',
1879). f^ed^nev (eierte bie liefen einer mobemen SBeltan«
fd^auung in pl^antaftifdfjeu gormen be^ S)enfeng, aber üieKeic^t
gerabe beSl^alb befonber^ troftreid^ unb einbringlid^. 2ßic
bie Siebuttion aUer großen ^gentien ber 9latur auf ^emegungd«
Vorgänge gelungen |u fein fd^eint; mie fid^ in ber ^fpcfyologie
fd^Hegli^ al» ein le^teiS JeonfHtuierenbeiS bie feelifd^e Sittualüfit
ju ergeben fd^eint, fo ftellt pd^ ^e^net beren €in^eit att eine
oberfte Energie t)or oon perfönlid^er 2lrt, al^ ein göttlidbc^
äBefen. $Die SBelt aber ift i^m ber :^eib @otte§; in i^r lebt
©Ott ate i^^re Seele, fie ift eine immanente Sebingung fcined
a)afeini^. ®ott f^at )Ben>u|tfein unb @eibflbeiDu|tfein^ feine
®eban{en finb sugleid^ wirlenb unb alfo ^^atfad^: e8 fann
nid^tiä ^fpd^ifd^ei» geben o^ne ^^pfifd^eiS. @in^eit ^ödgften
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n?eltartfcfaunrt(^.
485
S9cn)u6tfdnil a(er ttmf^Helt ®ott, Ite unfereitiatiber im*
fnüpfenb, in imcnblid^er JVülIe bie nicbrigereu 33en)u6tfcin^*
einleiten: bie ©cftime, bereu jebem tuie eine ©innenroett fo
eine über biefer emporfieidenbe ^emu^tfeindeittbeit eignet, bann
Me DrganiiSmen auf biefen (^{Htnen, auf tinfem iSvbe oom
Wenfd^en ^erab btö ber fttr und nod^ wal^rnel^ntbaten
^flon i^enf ectc. ^Dic niebrigeren Seroufetfeingeinlieiten aber fxnb
fxd^ i[)re3 ^nbcnriffenfeinä in bie fiöfieren unb ()öd)itcn nid^t
unmittelbar bcroufet. SBol^l aber ge^t bie menfd&Iid^e ^üeioufet«
feiniSeinbeit nad^ bem ^^obe bereinft aU ein neued iSntwidbtng^«
moment in ein loeitetei^ itnb ^db^ S^^^ unb geninnt
baran 9(nteil. So werben wir wiebergeboren werben in einem
neuen £?eibc, unter freieren (S$ranfen ber ©irf (id^feit , in
innigerem unb l) öderem 33erfel^r mit über ung ftel)enben ©eiftern.
^Ba^ e^ed^nerd ^nfen lennjeid^net, bad ifi bie ftärfere
SSerüdfid^tigung beiS i»on ben frflberen Spfiemen in Se«
wegungSformen oufgelöfien 9lealgrunbed: mel^r ate biefe
fud)t er üorftellbar unb anfc^aultd^ ^u mad^en, mie @eift unb
3fiatur, S^ealgrunb unb 3beo((innib be^ ©ein^ jufammetujeJjen
tönnen, o^m bag ber eine ben anbcren überwiege unb im
@runbe oerbränge. ^bei ift ttax, hai i^n bie Siuffaffung
ber pfpd^ifd^en 9[(tua(itAt ate eine? ber pl^pftfd^en Bewegung
nid^t aüjufern flefjenben S^organgeS baju befähigt f)at. Unb
baS ift benn überhaupt ber ©ruubgug ber ©ntroicflung feit
bem 1(3. ^A^i^^^unbert: je mel^r bie unteren feelifd^en Vorgänge
erfannt werben, um fo mel^r t)erengt fid^ ber grunbfö^Ud^e
aibfionb swifd^en Katur unb @eifi, um fo me|r wirb ber
Stonidmui», bi^ber sunäd^fi ^orberung, anfd^etnenb %f)ai^aä)c.
SS?ol|in bie S'iid^tung in biefcr önifid^t geljt, baS mag an
ben ©ebanfen von ??elbeggg iüuftriert rcerben, ber in mandf)cr
^infid^t wobt aU ein S3ertreter jüngften metapf)t)fifd^en ^DenfeuiJ
genannt werben lann (^^bi^fo^bie bed Qkfü^ir, 1900).
^elbegg witt bie Serbinbung oon Otaterie unb Sewugtfein,
btc man bi^l^er nur innner rein togifd^, in abstracto üottjogen
l)abe, rein fonfret unb tfiatfäd^lid^ l^erfteßen. Materie
babe fi4i ber naturwifienjcbaftltdjfen gorjc^ung je^t al^ traft«
28*
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486
ecffiOt üli ävt^m 5taufalit&t ergeben, ^ad Semugtfetn fötitte
ober mä)t tnel^r ai& SBille unb SSorPeDung gefaxt werben;
baneben ober oielmelir batjor trete alö ©runbfraft ba^ ®efü^( in
feinen unDüd^figflett (Stfd^einungen ber ^mpfinbung, be^ ^^efle^ed
unb ber fogenannten outontatifd^en ^anb(ung. ^ied ©efä^l nun
fei ber Utgnmb ber CntwidHung ber Seele unb l^abe ba^er fflr
bie $ft)d^e ben ^mot px beanfprud^en (ei einem S)eutungd'
Derfud^ beö ^^O^i^iiin^nlebenö jrüifd^en 'JJkterte unb S3en)u6tfein.
9iun fei aber ba^ ©efü^l überl^aupt eigentU(5 feine rein
pfpd^ifd^e X\)at\aä)t mel^r im ©inne von SSorfteHung unb
aSiHei^ fonbem oieimel^r bie (^futbung ber ä3ereinigung mm
Sen)u^t[ein unb Äörper in un», ber Sbtdbrutf bes UmflanbeiS,
ba6 wir für biefe ^roiefad^e Seftimmung ein ibcntifd^e^ 5lriterium
l^aben: unb infofern bie primitiüe ^botfäd^lid^feit unferer felbft.
^amit fei benn in ber ^efü^ligroelt be^ ^nbioibnumi^ jene ^^er^
einigung ht& 3bea(« unb bed Stealgrunbd» bed SetniS gan) fonfret
ooDiogen, bie man bÜS|er immer in abstracto gefud^t ^abe.
S)en Srfd^einungen in ben SnbitHbuen entfpte^b
nimmt bann t). J^lbegg nad^ befanntem Slnalogiefd^Iug Qud&
weitere l&öl;ere @efiU;lSeinl)eiten an bi^ ju einer fjöd^ften: fo ba§
fd^Iieglid^, genau n>ie bei ^ed^ner, ein ^onicnms ju XaQt tritt,
ber fiar! von bem älteren |>antl^eifüfd^en SRonidmui^ abmeid^t.
a)enn bie SUG^eit ifi ^^elbegg nid;t eine Mojse P^ere i^l^ett,
meldte bie Snbiüibualität in fid) auffaugt. 6ie ift melme^r
felbft Qnbimbuum: unb ber @[aube an einen perfönücieu
©Ott bilbet ben ©ipfelpunft feinet Spftemcd. —
S>ad, mad ad bie jüngfien, bidl^er }ur ^arftedung ge«
langten fie^ren miteinanber t>er6inbet, if} eine fiarfe Neigung
fu monifiifd^er Sluffaffung non ^aiux unb ©eift. & ift eine
9^id^tung beg ^enfen^, bie bem 19. 3of)r^uiibert inc^bcfonbere
fd^on burd^ bie fortroirfenben (Sinffüffe ber 3bentität^p{)i(ofopbie
unb fiegelg nal^egetegt würbe; nod; cntfd^iebencr aber, ja wol)l
aui^fd^laggebenb mirfte in biefem Sinne bie rafd^, lange S^t
alle» ®eiiieiSleben Bel^errfd^enbe (Sntwidlung ber SBiffenfd^aft.
S)enn roiffenfd^aftlid^ benfen beifet bie 3)inge unter bem @e»
fefte ber abfoluten Geltung pou Urfad^e unb ^irfung
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IPeltanfc^uung.
437
tvaibtm, l^eigt t<m\al imb beterminifltifd^ benfen: ittttifalität
tinb S)etermittÜSntttö aber fovbem att S(6fd^(u§ bei» ^brnUn»
Me ntoniftifd^c ßijpot^efe.
Unb fo lä6t fid^ rerfolgcn, roie namentlid^ tnit bein Siciie
ber ^catiirroiffenfd^aften unb be^ ^iflori^muio in ben fünfziger
Sagten ber 3Koni0mug aUS allein nod^ benlmöglid^ erftärt lourbe.
3m 3a|re 1852 fpi:a<i^ fk^ So^e in feiner meb^inifd^en ißf^d^o«
(ogic (jegcn Me twm • bem ^l^pflologen SBagner ©erfud^te (Sin*
fütirung einer buQliflifd^en — in biefem galle d^riftlid^en —
2^cnben§ in bie SÖiffenfd^aft au§> unb heie\(i)nete eine ^armonifd^e
(Sefamtüberjeugung al& ein toefentlid^e^ ^ebürfni^ beg ©eifte^;
tiiii^t t>ie( fp&ter n)urbe unter igiflorifem unb ^^ilofop^en über
ha» SBunber gefhitten unb feine ^(atfö^tid^feit ou^ für bad
ineue ^efiament abgelel^nt, roö^renb Seibni^ unb fiefftng nodf;
au üßunber geglaubt unt Berber unb S^anfe ba^ ^IBunber, bie be*
fonbere göttlid^e ©inroirfung, nod) in ber ©efd^id^te jugetaffeii
Ratten, ben fed^giger S^^^ren pries bann ^ädel bie ^})^öglid^{eit
einet gefiederten nu>niflif<i^ äßeltouffaffung atö ^öd^ßed SSer«
bienft ber (EnhDidf&ingdlel^re, 1886 fteDte Siegtet ate ftagtid^
f^xn, ob neben bet mobetnen SBeltonfd^auung n)enigften8 bie
buoliftifcf;=d^nftHd&c no^ befte^en fönne, unb neuerbingg fiel)t
^(dfenberg bie Hauptaufgabe einer ^U;ilofop^ie ber 3"^"iUt
in bet ^tneuetung bed ntoniftifd^en äibealidmud von
unb 6ege(.
3n bet ^at fonn ein tuifyenfd^aftlid^ed benfen nut
nioniftifd; fein, benn auö ber immer entfd^iebeneren 3lnn)enbung
beS fauinlen, ^um i)ionigmuS brängenben (5d)lul)e^ finb bie
S©iffenfd;arten ^croorgegangen. 2tber ein praftifd^e^, ein fünft*
letifd^ed S)en{en, tid^tiget e^ül^Ien? äBirb bem miffen»
fd^iiftli<|eit S)en{en immet ^u folgen geneigt fein, suntat menn
ed, mie in ben 3^iten bed neuetlid^en Ramp^ef^ bet ^^antafte«
t^ätigfeit gegen ben SutetteftualiSmuS, überl)aupt nur fid^ felbft
leben unb fid^ njenigftenS im Söereid^e ber Äunft oou beu
@9|itemen beö 2)enfen^ befreit fe^en xoifL?
S)et 3)^onidmuiS witb etft bann gans unangteifbat fein,
menn bie ganje Se(t bet @tf(|einungen wiffeufd^aftUcTjet
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438
(^al^timn tinter5n)un()en fein tottb. Slber finb mit fooeit?
fteinedwegd. Unb mit bem 92oniiSmud ifl hex 2)etermititi^
no6) angreifbar, iDeil utiooDfldnbig 6en}iefen. (Bemx^ hm
au<i) fein S3en)cig für bag ^afein ber greil)eit geführt werben,
e^ fei benn burd^ bie 33e!)auptung, bie 2lnna(]tue ber grei^eit
felber fei fd^on eine frei^eitUd^e %^ai. 2lber bie :^age, roie fie beute
ifi/ läit fel^r willst, itoor nid^t iDiffenfd^aftlid^, bod^ ptoftifd^
9Hd^tbetennintf)en %u. ^ttt biefe aber loirb eine nnmifUfd^e
^ctrad^tung beö 'ii'cltbi(be^ nünbeften^ ber ©rgönjunn bebürfen:
praftifd^e J^orberungen ber ^rcil)eit unb einer auf iljre 2(n^
na^me aufgebauten 3}bral fc^einen ^ier eine üon bem einl^eit«
Hd^en ^tinjip bec i&x^a^xunQßwdt getrennte Araft )ur 9e«
friebigung i^rer Sebfirfniffe pt l^eifd^en: unb wn biefem 6tanb«
imnite au^ treten ftd^ ®ott unb ^iOett gegenüber.
5Iug biefen Snfammen bangen nerftel^t fi($, wenn mit bem
©infefeen ber neuen Seit ber Sieijfamfeit bie anfd^einenb fo
fefie ^runblage au^fd^Iieglidg ntoni^fd^en teufend ini äBanfen
geriet: benn bie 9{ei)fam!eit ei^gte junftd^fl eine &{Ü^tifd^
5?u(tur, bie bem l^enfen überl^aupt feinbfelig ober menigfleni^
abtjewnnbt war, unb au§ biefer gingen etbifcbe S3ebürfniffe
l^eroor, benen praftifd^e ^onfequenjen eine^ 3)ualiemu-3 weitaus
roid}tiger waren al^ logifd&e ^Folgerungen in moniftifd^em
@inne. Unb fo ifi l^eute felbfl eine älnsal^l iiingerer $^ilo«
{0f>]^en oorl^anben, bie bem SualilSmud l^ulbigen.
9(m frül)eften aber bat fid& ber Äatf)oliäi^niuS ber ner*
äuberten 3fitfttöi"ii"ö bcbient, um ber bualiftifd)en Se^re be»i
6()riftentumS ein neueö pljilofopl^ifd^eg (Stüljroerf unterjubauen.
B^on im S^a^^xt 1879 erfd^ien bie (&ncgUata Aeterni patris,
meldte bad Stubium bed ^. Xl^omad mm füquino von neuem
belebte. Unb feitbem f^at eine fat^oIifd^*t]^omiftifd^»buatifltfd)c
^bi^öfop^iß großen Sluffd^roung genommen; ju ben t)er*
fd^iebenen ^()oma^afabemien in romanifd^en Säubern ift aud^
eine auf beutfd^em Soben, ju fiujern, gefommen, unb Sßerfe
mie bie äl^aralfil^lofopl^ie bed Siefuiten (Siat^ein (in )ioeiter
S(uf(age 1893) verbreiten ibre Sebren h\9 in bie leisten 9Bin(e(
ber fat^olifd^en Mdt ^a^ ^unber, wenn \\6) biefe 6d^ule
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IPcItaitfc^auntt^.
430
^^^^m S^itfMmmqm gegcmUer ber afati)oü^d)en
Wlofop^ie fd^on für mic^ fiegreic^i ^ält, felbft foroeit fie
titd^t in ben ^a^nen jeglid;eii X^omi^mug roanbelt? 3m
So^re 1900 Ijat @. fi. gifd^er in einer befonberen ©d^rift ben
<Btuxi ber entn)irffung^(e§re unb ben Xxiumpi i>ejfen, wo»
w d^riftUd^e ^l^ifofopl^ie nennt, oerUnbet.
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V
1. statt toirb boi» Silb, ha» ftd^ füt bie ^nttDidFTuttd bed
tttetapl^^rtf^ett 3)eitleitd itt tteueßer 3rtt ergeben ^at, t>{e((eic^t
mä)t gerabeju üerraorren, gerai^ aber audj ttid^t einljeitUdf; nennen
fönnen. 3)loniftifdje unb bimliftifrfje ^Hid^tungen befainpfen
einanber; babei entfpred^en bie älteren moniftifd^en ^^fteme
tiid^t ttte^t; bet feelifii^ett @tnittb(age bet ©egetttiiatt, unb bie
tteueteit, toeld^e auf biefet 8a|td )u bauen fud^, ftitben ben
Sobett tiod^ nid^t genügenb gefldrt unb gelangen ba^er ttur
ju unöollftänbigen unb pfjantaftifc^en ©trufturen. S[)a^5 äöefen
einer Übergangszeit nmd&t fid^ geltenb, ber (E^arafter einer neuen
fcelifd^en iRultur beginnt ^u wirfen, bereu 5>^o"tafiefeite roo^l
fd^on enttoid^elt ift, bereu äBiHeniS' tinb S3eirflanbedfeite aber
erfl longfatn aud betn ^unlel bet S^t^nft tjeroortritt
n)irb ba annel)meu rootten, baß in einer fold^en 3>-'it
für ©rfenutni» unb SBijjenfd^aft flare unb gemeingültige ^or-
auöfefeungeu ju ernmrtcn feien! ©an^ bag (SJegenteil ift bcr
$a(l : benn bie SDurd^bKbung bet SSi^iffenf d^af ten i|i tion ben att*
gemeinen (i^tunblagen bet (^enntnidt^eotie unb biefe von benen
ber ^sfpdjologie abl^ängig. ^06 aber bie mobcvne ^)i)d&o(ogie
ben 2lnforbcrun(ien für eine eint)eitlid)C ©ruubleguug ber @r*
fenntni^le^re uod; nid^t geredet luirb^ ^at eben fdbon bic (Siit«
widflung ber ^ktapl^pftf etgeben^ bie ja für bie genauere
^efiitition eined i^tet toid^tigflen Segtiffe, bed Setoultfeini
ebenfalls Don ber ^fi)cl)ologie ablb^ngt.
2Bie bic 93tcdjanif aVs fclbftänbige ^^Bif|enfdf)aft ein Qt-
Seugni^ bed inbiuibnaliftifd;en 3^itaUer^ ift^ fo ift bie ^4>)9(i^O'
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XPelianfc^aunng.
441
(o^ie etil hn Serlauf bed fu6jeftim|lifd(eit 3^taltetö and
einer bienenben (Steffuttg gegenüber ber SWetapl^t^fl! oiiS*
9e)d;ieben. 3Rad^bem bie Unterf(5eibung SBolfö jroifd^en meta*
pl^pfifd^er (rationaler) unb empirif^er ^f^d^ologie biefer
^an^ipatton Dorgearbeitet l^atte, enttoidelten fld^ feit ber
aRitte bed 18. gal^rl^nbertd, etwa feit (Sxt^M Serfud^ fiber
bie See(e, lodbrenb ber ^erioben ber ^pftnbfandeit, beS
©turmeS unb ^rangeö unb tetlroei^ aud^ nocö bejg Älafitji^mug
tjertieifeimc^öDolIe SInfänge einer empirifd^en ^fijd^otogte ; iaf)U
reid^e ^efd^reibungen feelifd^er Vorgänge l^miften fid^ in eigeni^
ffir fle begrünbeten S^itf^nften an, eine Unfumnte t»on
Materialien ffur @eelen!enntnid in inbinibualpfpd^ifd^er wie
fo5tatpft)d^if(f;er ©nftdf)t rourbe l^erbeigefd^leppt: e« waren SSor*
(^änge, bie an bie pü)d)üIoc]iicf)e Bewegung feit ben fünfziger
unb fed^jiger Sauren beö 19. Sotjrl^unbert^ erinnern, nur bafe
biefe neuere Bewegung gegenüber ber früheren einen ftarfen
©rabunterfd^ieb )u il^ren C^unfien aufmeifi. S)iefe ganie Snt*
widtung begann aber gegen ®nbe be« 18. Sol^i^^Mn^^ 8«
ftodfen, rok )o Dicfe anbete rabifal=fubjeftioiftifd;e 3(nfänge: ber
!l(affi5i^mu^ bradjte eine ^ßerquidung unb innige S)urd;bringung
ber neuen Stenbenjen mit ben alteren rationaIi)lifd;en, bie einer
einpirifd^en $f9(j^oIogie unmdglid^ günfiig fein fonnte; unb
Haut, ber ^elb bed Vorganges biefer ^ur<|bringnng auf
pl^tfofop^ifd^em ©ebiete, erffftrte eine reine ©rfal^rungdroiffen*
fd)aft von ber 6cete für immöglid^, ba auf bcni pft^d^ologifiien
2lr0eit^gebiete rceber bie matl)ematifd)e ^raiTS nod; ba-^ (5j;pe*
riment, bie einzigen eigentlid; fidleren ^letl^oben ber äßi^en«
f (i^aft ongemanbt n>erben fönnten.
Ünb nun folgte bie S^entitäti^pl^itofopliie, bie doii allen
pfi)d)ologifd^en 33egriffen ber S^it nur be^ am weniiiften cinpi*
rifdjen, ber ©inl)eitlid)feit nänilid; unfere^ 3<$^'^'^i-^i'(3t)eiu^>, ber
5lantfd^en tranfcenbentalen Slpperjeption, beburfte: — bie
Beiten pf^d^ologifd^er ^ortfd^ritte fd^ienen oori'iber. Unb gleid^*
zeitig mit bem inbioibual^f^diobgifd^en ^mx^ ber ^^orfd^ung
nerborrte aud^ ber fojialpft)d)ologifd;e: weber würbe bte $i(fd«
iDiffenjc^aft ber Statiftif feit Slu^gung be^ 18. S^^jJ-lli^ii^fvtiS
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442
weiter gebilbet, oerltef {t<^ mebtie^r in bie @anbdben ber fo«
genannten ».^abedenlned^te", no$ lourben bie fi>}io(o9tfd^en
2lnfQnc^^Iel)ren SBegeUn^, ^erber^ imb anbercr nu^flebout.
SBogu aud^, ba ber bidefti)d)e ©üohitioni^mu^ 5vicl)te^ unb
^et^eU alles — unb no^ baju unenblid^ öiel einfacher — er«
f (arte, aU ei» empirif (|e ^enben^en einer ^o^iologie auf flatifit*
fd^er ®runbla0e hätten t^un (önnen. biefer tontantifdie
@üo(utioniiSmud ouf bem einen großen Irrtum beruhte, an*
§unel^men, bofe baS, roaS man benfe, aud6 roirflid^ fein müffc —
biefe (iebenSiDürbige ptiantafttfd^e ^orauSfe^unci ber C^ebanfeii«
bid^tung ber Sbentität^p^ilofopl^en, ben großen ontologifd^n
Strtiim fd^im ber @d^o(a^it l^t im @runbe erß ber moberne
$o|ttit>idnm9 ald Sßal^n betoiefen.
^oc^ rechten fid^ feit ben jtüanjtger uiib breifeiger 3o^)reii,
mit bem eriuQd)en beö luitfenfd^aftlid^en j)kaligmu§, bie 2ln=
fange einer neuen erfal^riing^mäöigen ^f^d^ologie. 3« biefer
3eit gebiel^en bie med^aniflifd^en iSel^ren ^bartd über bie
SorfleSungen §u ooHer ä^etfe; unb 1838 erfd^ien OenefeiS Sebr^
hwä) ber ^ftjd^ofogie al^ ^aturroiffenfd^aft. 2lber ^labcn biefe
^Denfer eine neue $öl;e pftjd^ologifd^er ©rfal^rungSroiffenfdjaft
l^eraufgcfü^irt? ©ie finb nur $8orläufer einer Strömung ge^
wefen, bie erft in ben fünfziger Salären red^t einfette unb
nod^ ituU fortbauert: jener emirfrifd^ ^fpd^otogie, bie biiuib'
brang (i9 ^u ben neto(^en Elementen, meldte batb barouf Ue
5hiltur ber S^eijfamfcit beftinnuen foUten — fo roie bie ^fpd^o«
logie beö 18. Sö'^i^ijwn^ß^^t^ ^on ber ©mpfinbfamfeit ausging.
3m Saläre 1851 erfd^ien ©ruft ^einrid^ 2i^eber§ ,,^atlfinn
unb ©emeingefübi", 1852 ^ßo^ei» 9Rebi§imfd^e $f9d^oiogi^
bai» ^aljx 1856 brad^te bie Sinfänge von $eIm^oI|end ^^pfto*
(ügifd)er Dptif; 1800 oeröffentüd^te ged)ner feine ß'lemente
bor ^^]fi;d;op(M)fif , unb gleid^jeitig trat bie uon fiajarujo unb
(5tcint()al begrünbete 3eitfd;rift für $ßölferpfi)d^o[ogie unb
Sprad^miffenfd^aft in^ ßeben; 1863 würben bie^b^e Don ben
^onempftnbungen von ^elmbol^ unb bie Smrtefungen fiter
SWcnfdjen* unb ^ierfeete oon SBunbt üeröffentlidjt. ^ie neuere
empirifc^e '4>iD<^<)^ogie t^ar begrüubet
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443
Unb n»o9 He von ber ölten bed 18. ^al^rliunbertiS fd^eibet
irt juft baö Clement, ba§ Stant für unmögltd^ getjoUeii ^atte;
bie Slinrenbimg ber 3)?Qt(}emQtif unb beö Gi'penmente^.
Slm frü^eften betraten bie ^^pfiologen ba^ neue Gebiet
S^iatürlid^ t>ux^ bie Pforte, meldte turnt Hkpetlid^en £eben sunt
fp^iftfdji feelff<|en (infiberffll^, auf bem SBege beS Gtubitimd
ber (StnneSempfhibunoen: jener SSorgönge tellmeid, bie batb
barauf in ber ^eriobe ber S^iei^famfeit für bie ^^i^antafietljätig*
feit fonftituierenb roirfen foHten. Unb SBeber juerft geigte an
einfad^ften SBeifpieUn, xok bie neroöfen ^rosejfe fel^r too^l ge«
naiter Sefd^ibung unb äftf^iithernnq SugängUd^ feien, unb
ati9 biefen Slnföngen bet fflnfjiger ^af)tt ging bai^ breite
vJr)djop()r)rio(ogifd^e ©tubium ber ©imie^orgauc unb beg @c-
\)\tn^ IjCVDor, ba^ bie (^iegenraart fennjeid^nct.
^aren aber bamit bie eigentlid^ pfx;d;ologif($en Probleme
geldft ober ou^ nur ganj unmittelbar berührt? 92eroen«
V^^flologie unb Sebimflubium an flil führen nur bid oit bie
©renge ber eigentlid^ feelifd^en g^unftionen, unb oud^ baiS nur
üermöge ber Hnnai)me be^ p)i;d;opl)9fifd^en ^^^aralleli^mu^, einer
^nnal^me, bie fid^ fveilid^ oft genug bie einzig mögliche be«
roäl^rt l^at.
So fd^titg ^edftner einen anberen 9Beg ein, ber ¥f9d(te
felbfl m\)e gu lomnten. @r fe^te nid^t ben neroöfen ^rojeg
felbft, fonbern nur ben äußeren dlei^ gu ber ©nipfinbung, bie
er au^löft, in Söejiel^ung, unb er l;offte, nid^t üergebenS, ben
l^lad)mtid beftimmter gefe^mägiger ^er^ältnijie jtuifd^en beiben
erbringen §u (bnnen. SS^eldj^e funftionellen Se^iel^ungen be»
flel^en )n)ifd^en Stei} unb Smpfinbung? bai^ mt bie ®runbfrage
feiner ^4^^fp($op!)9fi(.
5ved;ncr glaubte babei, bafe er oon biefem Problem ju
bem älteren, fd^n)ierigeren bed ^er^äitniffed ^wifd^en ^^^eroen«
Vorgang unb ^mpfinbung werbe surftdtle^ren tönnen : benn erfl
biefed erfaffe ben unmittelbaren Sufammenl^ang jwifd^en ©eified«
unb 9}atunoeIt. gnbed nid^t biefen ®ang ift bie t^orfd()ung nad^
i()m gegangen, ä^ielmel^r führte ber oon ged^ner erft ööUig
erfd^Ioffene e£perimetiteüe unb bamit ehalte ä^eg ber (^rfor]4iung
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444
IDeltanfc^ttttitg.
befümmtet feelifd^ Vorgänge ba|it, 9or oOem erfl einmal boS
oon biefeti ^orqängen im allgemeinen genau @rlenn6ate lu
erforfdjen unb feftjulenen. 9^üfti9er unb it)eitfi(5ttger ^ü\)xtx
nuf btefeiii ©ebiete würbe ^>uubt: ifyn ift beS^alb bie ^fpc^o^
logie an erfter ©teüe (^rforfd^ung ber feelifc^en X^atbeftänbc:
»od l^inter biefen liegt, bleibt einfimeilen ber @orge fiKiteKti
Serfl&nbniffed flbetlaffen. Unb wie unenblid^ l^aben fflunbt
unb feine jol^Iteid^en ^d^ütet in ben feit ben fiebriger
über bie ganje @rbc l)in entftanbenen Qnftituten für ejrpcri*
ntenteUe ^^^ftjd^ologie bie Kenntnis ber pfi;d^ifd&en ^^atbeftänbe
t)ennel)rt! ©d^on bie erfte Auflage ber förunbjügc ber p^9lio*
logifd^en ^f^^ologie äBunbtd oam 3al^te 1874 lieg in eine
ganje 9Belt jd^auen, bie biiSl^er, namentliil^ ou^ in ber Itlat^
unb (i:x'aUl)e\t ilircr ^Nro^effe, unbefannt qeniefen roar; unb jeDc
fpätere Slufloge ^at neue ^eid;tümer eri'djtofien.
<Bo würbe ein 3}kterial oon ganj onbereni empirifc^cn
(Sfynatttc }ufammengebrad^t, aU ed bie bürf tigen oulerlid^en ^
fii^reibungen ber }wetten $&lfte bed 18. 3a|ifl^unbert9 bargeboten
l^atten. Slber t» mar bod^ junäd^fl nur ein S^lateriat. Unb entl^tt
ba nun bei aller feiner unenblid^en 2lu^beIjnuH(; unb geinl^dt
fd^on bie flaren (Elemente einer <Bi)[lembilbung, bie unweigerlich
nur nad^ einer DUd^tunc? Ijin üorroärtS wiefe? ^ier lauten bie
Slntworten oerf (Rieben, unb bamit beginnen bie @<|wierigfeiten
ffir ben Entwurf jebed fpe^tatwtffenfd^afttid^en (Bebfiubed, bod
nuf mobeiuer pft)d)olo9ifd^er ©runblacje errid^tet werben foD.
^5)a giebt ei^ eine gro^e ©ruppe üon ^f^djologen, bie bei ^er
ßrforfd^ung be-^ einfad;ften feelifd^eu SSorgangg, bei ber bloßen
pf^d^ifd^en Slftualität fielen bleiben^ benen bie Seele alfo mn
bie 3R5gH<|teit pf^d^ifd^er Vorgänge bebeutet, td^t» me^: t'o
benfen bie @ng(änber fd^on feit ben Segtfinbem i^rer ^fi^d^o«
logie, ben ^ode unb $art(ci), bcrcn gorfdjungen um etwa jwei
©enerationen cor bie ^fydjologie ber beutfd;en (^nipfinbfawfeii
jurtidreid^en , fo ber ^auptfad^e nad^ bie J^ran^ofeu unb oou
beutfd^en ^fpd^ologen ber Gegenwart (Sbbing^auiS unb £ippl
unb Ud not hiti^em aud^ ber in SImertta Te^renbe üRünflerberg,
foiüie lücitcr von Den '|>l)i;fiülogen .^k\)m unb von ben ^|Uji;|i{crii
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IPeftottfd^atiung.
445
9)Jacf). 310er ifjueii l)ält eine anbete ®riippe bie 2ßage, beren
^iitgUeber bie Seele al^ ein Subjeft nod) übet ben eingetneit
espevimenteE unteirfud^ten pfpi^ifd^ ^ßot^än^m anfeilen: fo
ba^ i^xm alfo tii^t ber gegebene pfpi^ifd^e $to§e$ unb bie
diex^e fotd^er ^rogeffe Mc ©eele ouJntad^t, fonbern btt« über
il;neii fteljenbe Sd^beiöiifetfein. ift bie ^nfid^t üon SBunbt,
von ^fii^mdi, x>on ^öf(bing^ von $aulfen.
Slhin Derftel^t ftd^, baß delfad&e aRobiftfationen biefer
©runbanfid^ten benfbar finb. 2IIIein felbft wenn bie^ nid^t ber
f^aU raäre, genü^ ber bcfteljenbe Unterfd)ieb bennod^, bie
heutige ^f^d^ologie no6) t)ielfad^ oon ben ©d^roanfungen ber
SBeltanf<j^auting uttb vm ber jeioeUigen etl^ifd^en unb ftfil^etifd^en
9(ttffa{fung ber @eele burd^ Ue B^tgenoffen obl^ängig mad^en.
3ft eg j. 33. nid^t Mar — imb aucf) in biefem S3ud^e gelegentlid^
fd;on bargelegt, — bafe ein natura Ii ftifd^er Smpreffioni^mu^
bie bloge ^ftualität annel^men^ ein ibeaUftifdfier fi($ mit bem
^c^beiou^tfein befreunben »irb?
(Sott bie ^fpd^ologie fefte^ gunbainent jeitgenöffifd^er Gt*
fenntni^ fein unb werben, fo bebarf e^ uor atteni ber Mläruug
be^ ungel^euren in i^rcni Söereid^ angefamnielten ^^atfad^en^
materiaU burd^ eine entfd^eibenbe, bur^greifenb übei^genbe
^pnt^efe: fte aDein tonn bie beflel^enbe ®ftrung übermtnben.
5Dann aber rotrb and) bie ^f^d^ologie ber DIeroenüorgänge in
if)rettt $8erl)ältniä gur ©mpfinbung, unb bamit and) bie
Klärung ber fpe^ififc^en ißfi^d^ologie beS gegenn)ärtigen ^^italterd
tnit befonberem unb anberem infolge aufsunel^men fein al& bidl^er.
SBirb nnn bei biefer Sage bie affgemeine ^rfenntniiStl^eorie,
injofern für fic bie Junbamentierung im ^fpd^ologifdjen nxä)t
umgangen nierben fann, l^eutjutage imftanbe fein, bie 3tn=
forberungen an eine allgemeine Orientierung ju befriebigen, bie
aud ben Sin^lioiffenfd^aften on fie l^eranbringen?
^ie ^antfd^e (Srfenntni^tl^eorie l)atte fid^ t)orneI)mUd^ auf
Me apriorifd^e ©rfenntni^, baö reine 2Biffen belogen unb eben
bamit bie ^orauäfe^ung ber ©ebanfenbid^tungen gid^te^,
©d^eHingS, ^eU gefd)aifen^ äBie n>ir bagegen bod empirifd^e
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446
tXVItanf^anitn^
SBiffen tiitb bontit mt$ baiS SBiffett bet ©pe^talroiffc.ifd^aftm
erlangen, ba0 \)atte ^ant toeit weniger unterfud^t.
Unb fonnte er ba^ bei feiner ©tettung jur ^fpd^ologie
al& feine Qlufgabe betrad^ten?
Uitfer äßiffen gerfadt in ein intuitioed, unmittelbotei^, unb
ein 9Biffen oui$ Folgerungen, für iDel^e @t0nbe ober Sewetfe
angefütjrt werben fönnen. ^ag unmittelbare SBiffen wirb imö
burd^ finnlid)e äBal)rne()mnng ober burd^ innere, pft)d^tfd^e 3«^
ftänbe. ^abei lägt fi^l bie unmittelbare finnlid^e äBo^r^
nel^mung nid^t weiter rebu§teren : il^r ^\\\)aii mug anerfannt unb
fann l^54{leniS no^ (laflt^iert werben. S>ad (Srfennen bagegen
butd^ innere pfpi^ifd^e S^^f^cinbe unterliegt nod^ fel^r wo^l
weiterer 3lnah;fe. 3ft fi^ üorgenommen unb bamit bcr möglid^c
Snl^olt iinfereö unmittelbaren SBijfeng f eftgeftellt , fo wirb
^ufflttbe einer ©rfenntni^t^eorie im engeren ©inne, flai^ulegen,
auf n)el(i^e SBeife wir |u bem ^eil unferer (Sttmatni» gefotigen,
ber nid^t intuitin ifl, unb na$ weld^en Aennjetd^en wir biefen
ju orbnen ^aben. 2lu^ biefen Bi^f^mmen^ängen, mag man jle
in jeber ^inftd^t anerfennen ober nid^t, ge^t bod^ immer fo
t)iel alö fid;ec ^exvox, bafe bie ©rfenntuiStl^eorie neuerer 3«ite»*
abgefe^en baoon, ha% [\e burd^ bie d^inselwiffenfd^af ten portifulor
unb unf^entatifd^ gef^bert würbe, im ganjen uon ben ^ort«
fd^rittctt ber ^fi)d^ologte abljängig werben ntuBte. Konnte aber
^ant bie iinflare (5rrungenfd)aft ber fubjeftiüiftifd^en ^^Jf^d^ologic
feit etwa 1750 allein fd;on erfenntui^tl^eoretifc^ oenoerten?
Gr l)ielt fid6, roenigftend in ber iJormulierung ber pfpd^ologifd^en
^afid feiner il^eorien, nod} an bad 'S)enfen ber rationalen
fßft)d)ologie bed inbtoibualiftifd^en 3^ta(teri^ unb entwidPefte
baraug ganj folgerid^tig bie erfenntni^tl^eoretifd^e ©runbla^e
einer fpefulatioen ^U}ilofopl)ie.
SDie fpefulatioe ^^)ilofopf)ie aber Ijat bann mit it)rcr ^ia«
(eftil faft bie ganje erfte ^If te bed 19. gal^rl^unberti» be^errf#
Site man fid^ enbli<i| unter bem immer fi&rleren Suf«
fd^wung befonber^ ber S^aturwtffenfd^often wieber mel^r auf eine
aüi]emeine ertcniitnii^tljeoretifd^e ©runblage attcS miffenfc^aft^
liefen ^entenig }u befinnen begann, {cf^ieu junäd^fi nic^td möglich,
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447
al9 aus bem bialeftifd^en SBuft her @ebnnfenbid)tint(^ roemc^*
ften^ roieberum big auf bic f rareren SeJ)ren 5tant^5 jurürf*
zugreifen. Unb bog gefd^a^ benn aud^, freilid; aufangS rein
teptohu%mmh ; Sürgeit 8ona 9Re9er l^t fogar tiod^ bie i^antfci^e
pf^d^ologifc^e (BttmWa^t, bie 9(tinal^nie bet bvei Seelen«
üermögcn, gegen fierbort mtetbigt. Unb feit bann §uer|i
e^ripian -&ermann mibe 1847, fpäter, 1862, (Sbuarb 3eIIer
befonberg einbrudfc^ooll auf Rani^ (SrfenntniSt^eorie l^ingeroiefcn
"^aiiew, entn)i<!e(te fid^, ^unöd^fl jur f^örberung biefer, in ben
nä^flen Sal^rsel^nten eine förmlid^e itantpl^itologie^ aü beren
firdnung bo« ^rf($etnen einer eigenen 3eitfd}rift „J^ant'
ftubien" feit 180G foroie ber ^efd)Iiife ber berliner Slfabemie
vom gleid)eu Qal^re annefel^en luerbeii faiin, bie Söerfe Rani»
in einer monumentalen ^udgabe ju üeröffentUdJen.
Sldein Ueg benn nun bie Bant^^ ^fcnntnidtl^eotie
wvMi^ fo o^e weiterei^ Indien? Genügte il^ 9ie|)robuftion
in jebem ^etrad^t? ©ntjog il^r nid^t fd^on bie injraif d^en ent*
faltete ©nttüidlung^re^re bie rationalen SBeftanbteile iljrer
Safts, inbem fie and) bie ^Jfpd^e in ben glufe alleS ©efd^el^end
fteUte? Unb fefunbierte biefem S^fiöningdmerf nid^t von
)u 3<^l^t fiöTfer bie neue enqririf^e $fp$o(o9ie, be«
fonberd nad^ bem Übergreifen bed Kentens 9Ri(l9 unb anberer
^ofitioiften nad^ SDcutfdEjlanb? (\mc\ md)t anberS, alS baß
allmä^lid^ eine Umbilbung ber alten i^cl)re eintrat: roobei benn
bie opriorifd^en Segriffe ÄantS immer me^r in ben ^intergrunb
gerieten unb eine immer flartere p^änomenatiftif^e ©rtiarung
bed (Srfennend ftdj flet« enger an bie pftjdftotoiiifd^e ©rfa^rung
anfd^Iog. 9lber freilid^: ba biefe ©rfal^runoi nod; nid^t ein*
I)eitlid^ unb einbeutig ranr, fo finb bid^er aud^ bie ©rgebniffe
uod^ fe^r t)erfd()ieben ausgefallen.
^er erfte, ber fiärler an bem ©pfiem Rani» rüttelte, mar
^riebridft Sllbert Sange in feiner ®ef<i(^id$te bed aRaterialidmud
(1866). ®emig nal^m er nod^ mit Äont apriorifd^e ^oxmm
ber Slnfdjiauung unb beS Urteils a(S ©runbfatjcn ber gefamtcn
@rfal)rung an. QnbeS eine reine ^ebuftion biefer ?Vof"ten
i^m unmögUd^. ^ielme^r mollte er biefe oberften Ser«
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448 n?eltanffhaiiung.
ftatibrtbcgnffc öuf bem SBcgc ber gnbuftion erforfd^t fe^ent
benn fie feien giuar potengiett in un^ gegeben, aber hoä) cril
burd) fpöte 2lbftrQftiou im Saufe oieler ©enerationen in i^ret
heutigen 2lrt ^uftanbe gefommen. 3Wan ecfennt bie etit»
iDifftung^gefii^id^tlid^e Übtffaffung, bie Aont gati§ fem gelegen
fabelt tDfitbe. Unb fal^rt Sange fort, bie Snbuftion fei einmal
burd; fritifd^e S^^^föferung ber ©ebanfen, bann aber aud^ auf
pf^d^ologifd&em Si'ege burd^jufül^ren , fo würbe fid^ rcieberum
ilant )u ber ^weiten ^et()obe fd^n)erUd^ belannt l^aben.
äSmi ben großen iß^ilofop^en ber gweiten ^ölfte bei}
19. Sal^rl^uitbertd ft^t bann SS^unbt Aont too^t nod^ am
nft^flen. (St fonferoiert ben (ritifd^en Sbeatidmnd ^antö,
TOenn aud; im Sinne beS Qbcatreali^muö : mie i(jm bie @nmb*
gefefee be^ (ogif(^en ^enfen^ SUß^eid^ ©efefee ber Dbjefte be^
2)enlend finb, fo müffen fid^ bie ibealen ^rinjipicn ber ©r»
fenntnid in ber objeltioen Bleolitdt mieberfinben. (H ift ein
@tanb|>ttn{t, oon bem ber bed beutfd^en $ofttim9mttd^ mie i^n
Saag in feinem 33ud[)e „QDeali^nui^ unb ^ofitioi^mu^ " (1879)
oertreteu tjai, fdjon um ein 3Befent(id^eg nad^ ber pF)änome*
naliftifd^en Seite ^in abn)eid^t. 2aa^ l^ölt Cbjefte unmittei*
bar nur für Snlialte eined ^ewugtfeini^, Subjefte nur f&r
©d^aupläte tion äBal^mel^mung0in|alten; bemgemäfi finb i^m
unfere SBorfitellungen unb ©egriffe burd^ou« ftnnlid^en Urfiming^,
nid^tö uriprünolidje ober gefefcmä^ig abgeleitete unb um=
gebilbete ©mpfinbungen. Unb nod^ meiter auf bad bloße
Gebiet finnlid^er iSrfa^rung rüdt bann eine Slnfd^auung, bie
bie SBorfteHung sum einzigen ^udgangdpunlte ma^t, bie atfo
in ber ©efamtl^dt oller ©inge, foroeit fie üorgefteHt finb, ju*
gleidj bie @efamtl)eit aller @rfa{)rung erblidt. 3luf biefem
^3oben bcnfen nod; am nieiften 5tantifd^ etmo Sd^uppe, ^iebmcfe
unb Dou ©d}ubert'©olbern, wenn fie aud; oorne()mlid) auf
$ume prüdgel^en. greilid^ tragen fie bann in bie ^enntrn^
tOeorie ein frembeiS, metapl^^fifd^ed (Clement l^inein, inbem fie,
um bem ©olipftSmug — ber Sttnerfennung ber 2:^atfad^e, baft
ber ßrfcnnenbe nie au0 bem in§ Unbegrenste ju ermeiternben
Uuifaug feine^^ (^rleunend l^erau^fomme )u entgegen, tio4
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lUeitanfd}aunn9.
440
ein Setoufitfetn neben ober über bem inbioibuetten 3<| an*
nel^men. 9uf biefed ober ein Denoanbted Clement mjid^tet
bagegen ber fonft ettoa auf gleid^cm ^oben fteJienbe ©mpirio*
fritijtömuö üon Slüenariih^ („ilritif ber reinen ©rfnl)rinuj",
feit 1888; „^er menfd&lic^e äBcltbegriff", 1801). Sloenariu^ er*
ganst oielmebr bie inbioibualpfpd^ologifd^e ^tra^tungdioeif e ber
biegen inneren SBal^el^ng burd^ ein fi^ialpf^d^obgifd^
Stentent^ nSmixä) burd^ bie 9lnno|me ber ^runbfä^tid^en ©leid^*
^eit ber nienfdjlid^en (Eeele, xoa^ i^m bann bie fieronjieljung
frember ©rfatjriinj; olö einer mit ber eigenen gleidjbereci^tigten
geftattet. Unb auf biefe 2ßeifc glaubt er mit feiner ja^lreid^en
äUt^ängerfdftaft nid^t b(o| eine rein befd^reibenbe eeftimmung
bed allgemeinen (Srfal^rungSbegriffed ber ^orm nad^ ableiten^
fonbern auc^ bie ^]}iÖ9lid)feit eine^ SBeltbeijriffe^ auffteffen ju
tonnen, ber nur reine Grfal;rung .nnn 3;n^alt ^at unb alfo bie
äBelträtfel auf erfal^ruugjeimägidem ^ege löft.
äBie man nun aud^ ttber biefe nur für) ffi^ierten
Ziborien im einsetnen urteile, eins ifi fid^: fte ^aben fid^
immer mel^r non ben Elementen befreit, bie in ber ilantfd^en
8e^re mit bercn 9Wetapbi)fif unb praftifi^er ^^t)ilofop()ie, mit
bem ^ing on fid^ etiua unb bem ^3egriffe einer tranfcenbentalen
^reii^eit jufammen^inge«. (5^ raar ein ^-IBeg, ber bie aHmä^lid^e
(Entfaltung ber Srfenntnidt^eorie )u einer feibftänbigen äBiffen«
fd^aft bebeutete.
51'ann man aber von ben (Srgcbnifien unb i)t'etl)üben biefer
äi^iffenfc^aft jagen, bag fie fc^on genügenb ftarf entmicfelt unb
namentUd^ fc^on tueit genug in bie ^kt()oben ber einzelnen tDiffen»
fd^aftlid^en ^ie^iplinen l^ineingetrieben feien, um biefen als
fixere 6tüte bienen su fdnnen? & xft mie auf bem (gebiete ber
^fpd^otogie, ja nod^ bebenflid^er: neue 3^t^n finb gefommen,
ein neue^ Seelenleben ift erblüht; aber bie fi)ftematif(^e ^Durc^-
forfd^ung \\)xe^ äBefenö ift nod) feineemcr(e meit genug geförbert,
um ber ^nttuidlung beS miffenfc^aftUdjcn ^enfend ber S^it mit
me^r ab attgemeinften (^rgebniffen §u ^ilfe )u fommen.
ttnb biefe Sage ift nad^ ber 92atur ber ^inge unpermeiblid^ :
benn wie follte e^ möglid^ fein, bie pfv^^if^eu (^ruaDlugen
£ am preist, 2)etttf(^e Qielt^i^te. Crftet ^Bän)un8«t>onb. 29
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450
unb no(^ mel^r, auc^ fd^on bie (^rfenntnidmöglicfifeiten eineaS
@eelenle6end ttar|uleDen, von bem im aOgemeinett nodft ttid^tiS
attberei» ab bie ^l^antaftet^ätti^feit volfommen entiotcfelt tfl?
^J)iefe Sage ift aber juc^leic^ für bic roeitere ©ntmicfhmg ber Sßiffen--
fd^aften in biefem 5luqenbHcfe l)öä)\i bebeuflid^. j^önnen all-
gemeine @r!enntniSpnnii))ien ber ^rt, tuie fie bem Seelenleben
ber B^it entfpred^en, nod^ nid^t aufgefteUt werben; — vM
^Ulbert bann, ba^ ben SBiffenfdftaften (Sntnbfftte aDgemetnen
93erfal^ren» t»on anberer @eite ^!er auft^ebränt^t werben — unb
natürlid^ üon ber in ber ©ec^enwart fie^ reichen , ber fünft=
lerifd^ien? SDiefe ©efaljr, ber im 3eitaUer ber ^omantif bie
äBiffenfd^aften {d^on einmal unterlegen finb, bro^t iefet oon
neuem.
ÄHe Sßßiffenfd^aft fennt feine 9lormen, fonbem nur formen
be^ ©rfennene. 9?ormen, SSorfd^rtften be^ fianbelnö unb ber
fd^öpferifd)en Xt)äti9feit, aud) luenn man fie nur a(§ „Äuftur^
werte" bejeidjuet, fennt nur eine praftifd^e ißeben^rid^tung,
wie bie bed <^ittenlebend ober ber Ihinft; unb fte entnimmt
bie oberfte 9lorm beffen, wag gut ober wai^ fd^dn ifl, ben
proftifd^en Qbcalen tl^rer B^it- ©letd^roo^I t)erfudf)t je^t eine
namentlid^ unter ben jüngeren ^^ertretern ber 2Biffenf(^aft 2ln=
l^änger roerbenbe p^ilofoptjifd^e^tid&tuug ber äi^i)7eujc^af 1 9Zormen,
unb badlSieigt äBerturteile, aufsu^wingen; |a man träumt wo^l
gar oon ber ^rfe^ung ber alten Sogif, bid surüdC auf bie 6d^tu|<
formen be9 Slriftoteled, burd^ eine Seigre von Können bed UTteite.
3o, welchem ©ebiete fotten benn biefc :i)?ormen entnommen werben,
roenn nid)t ber (Sntiuirflung be§ ^eben^ felbft? ^iefe^ Seben
aber in ^Jhtur uub ©eift gu erfaffen, nid^t im ^anne einiger
(SntwidElungiSnormen, bie i^m {elber wieber günftigften ^oSldi in
teibli#er 9lbftra!tion entnommen ftnb, fonbem oielme^ mit
ben unmittelbaren unb freien Kräften be§ meufd^lidb^'t ©eiftec-
unb mit i\)mn allein: ba^ ift bie n)iffen]d;aftlic^e :}lufgabe.
3ebe Slnroenbung oon 9iormcn auf lüiffenfdjiaftUd&eg 2)enfen
gleid^it barum bem ^fudjie '^Imd^^au^m^, am eigenen 3<^f^
ben aRonb §u erllimmen, unb unterwirft bie 9Bif|enfd^aften gona
unoermeiblid^ einfeitig praftifd^en Zenbenaen. ber ©egenwarf
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IPeltanfi^itti^
451
liegt aber auä) t^ie J&erfunft Wefer heutigen praftif dien Xenbcnjen
Hör ^aqe; fie ge^en aus von bcn et^iifdjen unb bomit
mittelbar auä) von ben äft^ctifd^en Strömungen ber S^ii. @ine
92ormenle^re für bie äBiffenfd^aft bebeutet bal^er l^eutjutage bie
Anebebtng iDiffenf<$aftK4en Senfend buT^ bie 9biffaffimg9*
»eife eine« 3^ta(tevS äft^etifd^er unb et^if^er Hegemonie, bie
Unterjod^ung ber SBifjenfd^oft unter bie ^^Ujantofiet^ätigfeit.
Unb eben in nid)t^ befjer ai^ in biefem 3"fötttmenbQng ,5cigt
fid^ bie Sßanblung ber jüngpten Otiten. \\m bie ^JJhtte bcö
19. 3a^t^nbertd nod^ ^errfd^aft ber ^aturwiffenf d^aften unb bed
^ifloridnuiiS, Unterwerfung ber Stmfi unter eine pl^ilofop^iid^e
tH^etif, eine Söiffenfd&aft ber Hunft, bie ber Äunft felbft oft
red^t fern ftonb ~ jefet, feit Gnbe beS 19. 3a^r^unbert§ ©ieg
ber Äunft unb bie 2Bif[enfd^aften in ©efa^r, ben normatio
burd^gebilbeten Erfahrungen ber ^unfl unb ben praftifd^en ^or*
fd^rtften einer öß^etifd^en ©itteniel^re %u unterliegen: bad ifi
ber SBed^fel^
1 2)a {(| felbfl in entf^iebenem SSiberffinttl )u ben ol^n ierfl^cten
£e^ren fo §a(e fte im 2este mir fwc% c^araltenpert. Qum loettecen
8iC^8itbiilini90enaBotle 99tt6rt<$ XbtM tnber 2)ettif($en2ttteratttV|etittn9
1901 ep. 652 bunen: »SBinbet^iittb (ber (Evfinbev unb 4iiii|>toertveter ber
9lormeni>|Uofop^te) meint, eS fei tnel|r unb me^r bie <5infi(^t )um 2)ur(|»
bnt(^ Sefommen, baft ber umoerfelle pfpd^op^pftfc^e favallelidmud fl«^ in
fetner ^orm ^a(ten unb burAfü^ren raffe; ber Stelatiotdmui bebeutet für
i§R SIbbanlung unb ^b ber $§t(ofop^ie, barum foQ fie nur roetterleben
fonnen oI§ bie Se^re oon ben allgemein gültigen SBerten. So benft 2B.:
bo(^ er ift ^unäc^ft nur eine einzelne $erfönü(bfeit , in ^roeiter :Sime
Vertreter unb Sprecher eined ^ reifet @(eic^geftnnter. Ware ober biefer
Areid att(^ größer, atd er faftifc^ ift: feine p^tlofop^ifc^en Stnfic^tcn
nrären »eber bie einzig möglichen nod^ mic^ bie ^eutjutage allein
oerbreiteten. 3Ran fann überljaupt nic^t von „ber" heutigen ^^ilofop^ie,
tote etwa mm ber heutigen ^^pfit ober Biologie fprec^en. fjalte
für eine ^l^ufton, wenn 933. Don ,»iffenf(|aftli(^en Gegriffen" rebet, in
benen »bie europäifc^e 3Wcnfc^I)eit i^re Söcltauffaffung unb i^ebenö«
beurteilung" im '-Iterlauf einer langen (Sntroicflung ^niebergelegt* habe unb
»in benen bamit f^fei^onbe innere ©truftur be§ menfc^lidjcn Öeifleä
)u Itarer @rienntnie gefommen'' fei (@. 8. 15). dtie roirb es »bie''
29'
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i52
lPeItanfd?anun0.
2. 2Bie fidj) bie Gntroirftung ber fonfreten äßiffenfd^aft
unter biefen attgemeinen B^itbebingungen bis^^er geftaltet ^at?
(^d ift nid^t mit swei äSocten ^ fogen. (Sittige äbibeutungen
müfyen genügen gegenüber Seioegungen , bie nod^ im etilen
gluffe befinbUd) finb.
SDie 2)arle(jung ber ^ac|e ber ^Jiaturroiffenfci^aften ift babei
nodb einfad^ Otniug. 2)ie 9iaturir)iffenfd^often ^abcn feit beni
17. 3<^r]^unbert i^ flate äRet^obe, bie nur oorüberge^enb
burd^ bie Sbtdn^ü^fe ber natitr|>^i(of0pl^ifd^en Spelulatimt |ur
3eit ber S^omüntif unterbrod^en, im fibrigen aber immer flarfer
nJeiter burdjc^ebilbet roorben ift, raie benn anö) bie gemäßigte
noturp^ilofop^ifd^e (5pefu(ation burc^ geiftreidje §t)pot^e)en
i^rer Entfaltung beigetragen ^ot: — ed befielt famn eine
&tiafyc, hai biefe i^etl^be mngeflo|en merbe. äBo^I aber
fielet, nid^t o^ne eine gewiffe ^jhrberung burd^ bfe äft^etifd^en
^enbenjen ber '^eit, eine ©rtüeitenmg biefer 3)Zet^obe in 9lu§»
ftd^t, bie ben 9Iaturiüiffenfd)aften bem Stoffe nad^ oietleic^t
ben genaueren ^nf4ilu§ an bie unterften Elemente bed Beelen«
lebend bringen wirb. äBürbe biefe d^id^tung eingefd^iagen mib
burd^gefül^rt, fo mürbe fie in i^rem Serlauf natüriid^ aud^ für
bie ®eiMn)iffenfd^aften vm pd^fter Sebeutung fein.-
S)ag eigentlid^ S^cue auf bem ©ebiete ber 9laturn)iffei^
fd^aften roäljrenb be^ 19. Qaljrtiunbert^ ift befanntlid^ ba^
Huftreten ber p^t)fiologifd^«bu)U>gifd^en ^orfd^ungen unb
Slet^oben gemefen. Unb ba mar eiS benn mit bie grö^e
rungenfd^aft, ha^, namentttd^ burd^ Submig, bie oermidfeltflen
Scben^erfd^einungen auc^ ber ^öd^ften Organii^men, ber S3ier*
^^itofop^ie ge5en, nie »ivb in SBeitonfc^attung unb £f(endtettvteiIttiH)
ftvenge IBiffenfc^aft einaic^eiu 2)od Kui^c^laggeHnbe »erben ba fMf
inbivibueOe SRomente fein unb ynor fo fe^r inbiotbueSe, bcft man flu
nUii (Ud eine gfo^eerfitetming bev »Uebenben inneven Sinilter M
(al^emein'-Xiienfd^Hd^en Öeifted' (eico^len bavf. Son SCSgemetngältig«
!eii, fei ed ber metapl^9fifd^en 4Mtt)t|»ien, fei c9 ber et^ifi^en ftmm,
fn ed ber „itultunoevte', loeit bie SBKtnii^feit rd^H.* ^itt)ii|nfitiii
isftre bem, ba|, wenn e8 ein nmoonbenMweS im Seclfel giebt, biet bei
(SntmiiKimgdgefel ifl, unb ni(^t einaelne V^fen ber ieioeiligCR
ft^etnun^ bedfelben«
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Weitanidiauun^. 453
gönqe, alfo med^anif^ erH&rt mutzen. Üleiit f^Iteftüd^ (Ifeg
tnon bei bcn SScrfud^en einer fold^en ©rftätung bo($ auf ^rojeffe,
benen gegenüber bie rein med^anif4e ©rflärung TOenigften^
einftroeilen oerfagte. Unb audfe auf bem Gebiete ber anorga»
nifd^en (Ef)m\t unb ber $()9fi! ergaben fid^ Vorgänge, wie
%. 8. Me fotal^ttfd^ ¥to§effe, beten S3er(auf ber ^[tnoeitbung
ber blol'med^anifiifd^en SRet^obe ju fpotten fd^ien.
<So mußten benn anbere @rf[ärungen gefud&t werben. Unb
ba würbe einmal bie alte ße^re uoii einer befonberen fd^affenben
Seben^fraft neu belebt ; imb üon iöunge warb jum Söegrünbcr
bed ^{emiitaltömud. S)arüber i^inaud ober würbe eine befonbere
energetifd^ Xl^rie audgebilbet, bie von ber Snnol^ einer
frafterfüllten 3Waterie ausging; beutlid^ l^eroor trat fie juw
erften 3)^ale in Cftraalbä S8ortrag „^ie Überrainbung beS roiffen^
fd&aftlic^en 3JiaterialiSmuS" auf ber fiübedfer 9Zaturfor)c^er=
oerfammbins bed 3al)reS 1805. ;Ba^t fte fid^ Döfliger burd^^
bilben, fo würbe ^ il^r wo^l ber Weovitaiidmud ate einer
allgemeineren ^n^tpienlel^re unterorbnen.
dlnn oenöt ein Slidf rücfunutio auf bie 5lnfänge bes
niobernen metap^i^fifi^en ^enfene tine auc^ auf bie (Sntroicftung
ber ^fi)^ologie, wie fel^r biefe iki^ren in 3wfammenl^ang fielen
mit imierflen Strömungen bed neuen ^elenlebeni»: ed ifl, ate
wenn ein @d^dtt nod^ rfidCwärtiB aud ber 9{eroenpl)t;fiologie unb
ben pf^d^ologifd^en ^öeobad^tungen unterfter @rf(^einungen ber
feelifd^cn 5(ftualitQt unmittelbar binübcrfül)rcn müßte ju etroaö
wie einer frafterfüllten ^Diaterie: unb al« wenn bamit bie
(Irfenntnis einer großen (Sinl^t afler SBiffenfc^aften unter {id^
unb be8 SebeniS mit il^nen, eine weitere <Snt|üIIung moniflif d^er
SSBeltmifd^uung, beoorflfinbe.
^ie ^i^age ift nur, ob fid^ and) bie ein^^elncn ©eifteS*
wiffenfd^nften einem folc^en 3^^^^ 8" beroegen ober wenigftcnö
eine 9li4itung aufweifen, bie ein fold^ed Q^ei anbeuten fönnte.
S)ie Oeantwortung biefer B^rage iß nur auf Umwegen
möglid^. ^n wai» flnb bie Okiftedwiffenfd^aften? So ftnb
lijic Kernerf Meinungen fud^en? 2Baä ift il)rc 3)^etl)obe?
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454
^iefe unb Dertpaiibte SBorfragen tanä^en auf unb finb nic^t fo
einfaci^ )u beantioorten , ba ben ^eiMtoiffenfd^aften an
einet Unseren ein||eitlid^en Ambition unb bed^alb mic^ an
einer fiBerliefetten attgemeinen SRetl^obe nod^ ^ebric^t: taucht
bod^ felbft bie aUgemeine Sejeid^nung für fic erft im 19. Sa^r-
l^unbert auf.
©in ^ouptumftanb, ber bie ©ntroirf lung ber (Setfte^roiffen*
fd^aften gegenfiber ber ber SVaturwiffenfd^aften fd^wierig unb
nenoidelt geflaßet l^at^ befielet barin, bog in tiftnen grafie an«
geroanbtc ^Dt§§ip(incn, vnt affcm bie ^^eofogie unb bic ^ux^-
prubeng, länc^ft oor ber (^ntiöicflung ber reinen SDi^jipüncn ber
^f^d^ologie, ©ojiologie unb ^efd^id^t^iDiffeufc^aft oor^auben ge*
wefen finb. 3" ben ^kturroiffenfd^aftcn ift bie ^ed^nif feit
bem 17. ga^ri^unbert ber ^^caxpi^a^it burd^aud ber reinen
^orfd^ung gefolgt, unb bad i^ nod^ l^eute ber ^oK, tro| ber
geraaltigen ©ntroidlung ber Xed&nif gerabe im 19. 3Qf)rf)unbert;
in ben @eiftc^5tt)ifienfd)nften ift eö umgeteljrt ()ergegangen;
bie reinen ^iöjipUnen waren longe ^eit ^inburd^, im ganzen
minbeftend }ur Wxtt bed 18. :3<^l^r^unbertö, in bienenber
Stellung ^u Jtird^e unb @taat unb fu beren ffiiffenfd^aften,
ber @otte8* unb 9^ed^tögcla{)rt{)eit. ©o ^at, um nur ein
^eifpiel an5ufü()ren, bie Öeld)id&te als 2Biffenfd;aft üom Iii bi^
jum 18. Qal^ri^unbert eine t^eologifd^e unb eine juriftifdje ^riobe
burd^Ioufen, unb nodft l^eute finb feinedwegd ade Spuren biefer
Sergangenl^eit getilgt. Unb ift «benn etwa bie ^^üofopi^ie, ber
(e^te SCudldufer unb bie Sttom einer freien Sßiffenfd^aft aui
be^ ©eifte^, im ^Diittelalter bofauntlid) 2)iat]b ber xljeoloiiie,
felbft l^eute fd)on fo gan^=^ vom ttjeoloiüfc^eu ©ängelbanbc frei?
äBie n)ürbe man fid; täufd;en, woEte man biefe ^i^age f4^le4it>
weg abUl^nenl Unb felbft wenn wir von unferen Sagoi
meinen foDten, bag fle frei feien nom (Sinfbtg ber ^C^eotogie
auf bie ©eifte^unffeufd^aften überljaupt: fo oiet ift offenfunbiii,
ba^ felbft oon oielen ©e(el)rten ber (Hinflug ber ^}>M\\'
anjd)auung überhaupt auf bie ©eiftesiu iffenfdjaf ten a(g ein oöllig
beredjtigter anerlannt wirb. S)er äBeltanfd^auung! — bie
fo fielen ^eute nid^tiS anberei^ ift atö eine bunfle ätefifumme
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lüeltaiifdKitittnd.
455
öfterer p^ttofopl^ifd^er tRetapI)i;fif, oerquift mit gemiffen
iliomenteu be^ d^riftlid^en gü^len^ mel^r al^ ©lauben^ unb
2)enfen§!
©0 fanii üoii einer trabitionetten ^}3ietf)obe ber ©eifte^»
iDiffenf^aften atö einer ^famtl^eit faum bie Stiebe fein. Unb
ifl ed nid^t bie Sorau^fe^ung einer fefien SRet^obe, bai
wenigfien^ üorl^er feftfte^t, roeld^e ber einjeincn 2)i§jiplinen
ber ®eifteSn)if[enfd;aften beun eigentlich als ÄernbiS^iplin 311
bejeid^nen fei? 2)a melben fic^ nun ^eute bie e^rtöürbigen
2Biffenf(i^aften ber X^eologie unb SuriSprubenj tool^l nur nod^
fd^fid^tent §u einet ^errfd^erfiedung. 3n ber ^l^at ftnb {ie fo
wenig »ie anbere angenmnbte £)iS5iplinen, bie (^jiel^ungSle^re
unb bie praftifd^e ^f^ationalöfonomie etroa, no(S) ^ur gü^rung
berufen. SBeld^er ^iöjiplin aber gebül)rt bie '^onnad^t?
2)er ©egenfianb geifteSn)iffenfd)aftlic6er Unterfud^ung ift
gegenüber ber Statur ber @eifi. Unb @ei{i ^eiftt in biefem
3ufamntenl^ange nid^t ber feelifd^e (SfyixaHex ht» 9Renfd(en in
feinen funbomentaten ©igenfc^aften — ben unterfud^t bie
^^^fijd^ologie , — fonbern ber fonfret geworbene ©eift, baS in
ber 2Be(t auSgeroirfte Seelenleben. 2)ieS Seben aber ift öa*^
beS oergefettfc^afteten ^enfd^en. ©0 wäre bie ©ojiotogie bie
SunbamentalwiffenfdS^aft? &mxi: — wenn fld^ bod f oktale
fieben nid^t in fel^r perfd^iebenen Stufen ber (Snttoid((ung in
, Staunt unb Qnt entfaltete, ^ie (£o3iologie bebarf alfo eines
euolutioniftifc^en 3"ffife^^r i^"^ i^^ ^erTfd)Qft berufen fein:
unb erl)ält fie il;n, fo wirb fie jur (iiefcbid^te: jur (^kid)iä)t^'
wiffenfd^aft freiii^ im mobernen ©inne, }u jener @ei4iic^t^«
miffenfd^aft, beren SCufgabe ed ifi^ bie x>erfd^iebenen (SnU
miclllungSfhtfen ber fojialen ^'\x)d)c in ber SSergangen^eit »ie
©egenwart ^er menfd&lid^en öefeUfdjaften QufgiilicÜen.
^i1torifd)e Soziologie, flare ^infid^t in ben l^erlauf ber
ftufenioeifen (Entfaltung beS uergefeEfc^afteten menfcbltc^cn
Seeleniebend ifi ber Rttn aUer @eiftedmif[enfd^aft: nad^ biefem
Siele ftnb 6ege( nnb Steuer rid^ten. ©efd^iel^t bad aber,
fo tritt jugteid^ jene einl^eitlid^e S^emegung offer Sßiffenfd^aften
auf bie ©rforfd^ung ber pljvfifdjen unb pfi;d;ijd;en Hraft-
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456 IDeltonfd^auuiid.
momente l)in ein, bie fid^ oben alö ein (Srforberni^ bcr a(l=
gemeinen tuiffenfd^aftUd^en ©ntmidlung unter bem 3^i(^u beS
mobemen Seelenleben^ ergeben ^at.
Stun ifl ober bie ®ef<j^i(i^tdm{fenf4aft no4 loeit booon
entfernt, eine 9[ufga6e wie bie i^r foeben ^ugetuiefene mit
allen Gräften übernel^men ju fönnen.
3n ber erftcn ^älfte beC^ 18. Qa^r^unbert^ , in einem
Zeitalter, bag im ©runbe nur bog ifolierte Qnbioibuum tamite
unb über biefem ate eine med^anifd^e Bufamutenfaffung ber
Snbimbuen, atd ein^iqc menfd^tic^e SefeQfd^aftdform ben Staat:
in einer fo(d)en S^it max bie C^cfd^id^te in erftcr Sinie Staaten*
gefdjicijte geworben. Unb babei warb biefe 6taaten9eic^id}te
noc^ gern, nad^ ber ^rabition einer nod^ älteren, rein perfonen»
gefd^id^tlid^n äluffaffung^ aU äiegentengefd^id^te Dorgettogen,
fo fel^t aud^ bie SM^pniben^ )u einet aOgemeineten Sbtffaffutig
^nbrftngte.
^Dann fam bie c^rofee fec(ifd;c ^fieoolution ber äJiitte be§
18. 3ial)rl)nnbertö ; baö Qnbioibunm ranrbe al^ fojiateiS erfannt,
unb §erber fd^rieb auö einer jroar noc^ fe^r unklaren , aber
bod^ fd^on mebt fo^ialgefd^id^tlid^en ätnfd^auung (eraud feine
Sbeen 5ur @efd^id^te ber Wenfd^l^eit.
SIClein er brang mit feiner Slnfid^t nid^t burd^. S^ax
erblüljte in ber jroeiten Wülfte be^ 18. unb in ben erften
Sa^rje^ntcn be^ 19. 3ttjjr^unbertö eine oielf ad^ mit primitioen
fosiologifd^eu ^ffaffungen burd^tränfte, l^eute übrigend über
©ebül^r unbebinnte Sefd^id^tdfc^reibung unb fianb teUneid
wenigfteni» unter ber 9(nregung ^erberi^ SDein fle iü unter
ben ^inroirfungen Kant^ unb ber romantifd^en ©ebanfenbic^tung
früE) ju ©runbe gegangen, ilant roar al§ 'Vertreter einer 'l>^ilo
fopf)ie, bie ^lte§ unb 92eue«^ oerfd^motj, ber groge ©egnec
^erberi^; unb Bmt fe^te barum, auf l^ftorifd^em ®ebiete noc^
befonberft fonfertmtio, ben rationaßfiifd^en @taatdbegriff, loenn
aud^ in einiger Slbroanblung , roieber in fein alteg ^Jied^t ein
ai^ einjigeö fojialeä Clement beö gefc^id^tlid&en 33erlaufe^.
Seitbem ftanb cg für bie ^iftorifer ber St^xim ber Sbentitätd»
Pbilofopl^ie unb weit barüber l^inaud erfi red^t für bie fiiflorifd^'
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2PeItaiif(^auuitg. 457
^olitif(|e ©d^uU ber breigiger btö fteb^ioer ^a^ve bed 19.
fyinhtM fefl: ©ef^id^te ijt Staatengefd^id^te, nid^t Oefd^id^e
ber fo^taten ^f^d^e in oDen Sfu^erungen tl^re^ Sebent tiitb
i{)rer ©ntroicfhing. 9lid^t als 06 bcöljalb bie ()ö^erc imb
roeitcre 5luffQ]fiinc^ ^erber^ unb ocnoaitbter ©elfter ber gleiten
fiälfte be^ 18. 3o^i^l)U"^^^^^^ eigentlid^ oerloren gegangen ober
fpäterl^in aud^ nur ftäxUt befämpft worben loäte; im (Gegenteil:
man erfannte fie an. Kwc gefd^al^ rein alabemif($, o^ne
Don biefer 5(ncrfenntni§ praftifd^ ©ebraiid^ ju niad)en. toar
am ©nbe eine für bie ®efd^id^t5fd)reiber ber l)iftorifd^^politifd^en
©d^ule, einen SDa^lmann, ©t)be(, and) nod) ^reitfd^fe ganj bc*
greif U^e ^(tung. ^enn bie ^bienfie biefer 6d^ule tagen \a
weniger auf miffenfd^aftftd^em ate auf poiitifd^em SeHete:
nid^t in ber g^rberung ber ®efd&i($tön)iffenfd)aft a(9 fold^er,
Dicrme^r in il^ren 'l^erbienften um bie ftnatlid)e ©inl^cit^*
Oeioegung unfcre^ '^olM ift it)nen Unfterblic^feit bereitet.
2Bie aber bie (^inentiung ber ge}d)id^t(id^en gorfd)ung auf
ben @taat ate eigentUd^ed älrbeitögebiet im ^runbe ein (Srgebnii^
bei» innigen 3uf<^wntenl^anged ber ®efdftid(ttoi{fenfd^aft mit
ber ^l^ilofopbie roax, fo j^eigte fid^ bie 9lb{)ängtgfett ber
giplin von ben all("|emcinen iliotiuen ber SBeltanfdjauuiu] unb
ben bejonberen 2)eufformen unb ^luffaffungen ber Sbcntität^--
pl^ilofopl^ie aud^ noc^ an einer anberen, überaus wid^tigen
@teOe.
@tieg man im 18. St^^^l^unbert von ber Oetrad^tung bed
bamaligen ^nbinibnumö unb ber fonfrcten gefeüfdbaftUd^en
Jonn, in ber lebte, alfo oon ber Sluffaffung ber ifolierten
©injelperfon unb beö abfolutiftifd^cn ©taateö auf ju ben uni-
nerfalen, toe(tgefd(iid^tUd^en ^e^iel^ungen, fo ergog fid^ ha&
S)enfen ^umeifl nod^ in ^l^antaSmen, bie an ben ^arabiefed«
gebanfen beiS atfen ^efiamentd anfnüpften. iBie Blouffeau fo
betrad^tete and) .öcrbcr nod) bie Urjcit a(§ ein 3^italter ^öd;fter
ÄuUur, ba bie i)ieufd;cn no^ in unmittelbarer 2luön)irfung
fener Vernunft lebten, bie i^nen von &ott in befonberer
®d^9f»fung Ober bie Xiere ^inauiS t»erliel^en morben war, unb
fa^ im Serlauf ber ®efd^id;te — na<!^ bem SfinbenfaO ~
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458
lDeIianfd^luun^«
nur ein lannfninc« SBicberauf leben früherer, einjl oiel ^ö^jet
entfaltetet ^ultutelemente. 9Kan ftelEit; bad war eine bem
heutigen (^tmidlung^gebanfen genau entgegengefegte Stuf*
foffung. 9hm würbe biefe Sluffoffung afferbing^ gegen ©c^fuB
beg 18. 3al)rt)unbertS fd^on häufig biird) eoolutioniftifd^e
Sl^nungen getrübt, fo u. a. auc^ eben bei Berber; inbeö in
abgefd^iDädSltec %om ging fte bod^ nod^ auf bad 19. Sa^r»
^unbeirt über unb brad^te e8 abgefel^en oon anbeten 9hid
(dufem bei griebrid^ ©d)tege( fowie ffJÄtet SWay Mütter
u. a. nt. — gerabe in ber beiitfd)en Giejdjic^t^roiffenfc^aft in^
folge eine^ befonberen älnlafted ju einet pd^ft eidenartigen
^ad^toirhing.
^id^te f)atU fid^ ben $atabiefedQebanlen in ber oerbünnten
^otm ber Stnnal^me etned iRormatooRed angeeignet, oon bem
urfprünglid) aße ^^ultiir auf bie anberen ^ölfer übertragen
lüorbeu fei : unb von \)m xibexml)m biefeu ©ebanfen oermutlid),
in obennaliger SlJerbünnung , 3*ianfe. dianU lebte ber Über*
jeugung, ba| in ben Uranfängen ber ihtltur einige befonbeti^
begabte SdSer aufgetreten feien, oon benen fid^ frül^e Sr*
rungenfd^aften auf bie anberen 9{ationen oerbreitet l^ätten.
2Ba§ ift nun bie ^olge biefer 5Iuffaf)ung be§ roeitau*
größten beutfd;en (^ietd)id)tgfd)rcibcr!S be^ 19. 3al)rl)unbert^
für if)n unb feine Siffenfd)aft geraefen? 9lanfe oerfd^lo^ jtd^
unb feine SSiffenfd^aft bem ^ntwidiungdgebanten. ^mi mit
ber Ableitung ber Staliwc nur oon getoiffen (Stellen auiS ifl, fhreng
tieuommen, ber (>)ebanfe unuerträglid), ^a6 jebe menfd()lid;e
feÜjc^aft, unb uor aQcm jebe 9iation, bie Keime einer geroiffen
^ntroicflungöüoüftänbigfeit organifc^ in fid^ trage unb entfalte,
unb bamit wiebet füllt ber älnlaj) ^vaxotQ, bie Unioerfal«
gefd^id^te aß eine in i|rem Snl^alte freUid^ ftanbig gefieigerte
©ummatton ber Errungen fd^aften nationafor ^tiot<nung$:c
geidjidjtcu ^u betradjten. ^lUeliiiobr mufe fidb in biefem 3"^
fammentjange Icidjt bie 2lnfd)auung bilbeu, bafe nid)t bie ein=
leinen iQerbe nationaler (^tioidlung, fonbetn oielme^r bie
internationalen ttbertragunglSoorgftnge l^ö^erer Itultur hiA
eigentltd^ unb einzig luidjtige (Clement einer unioerfalen 3^
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IPeltanfc^uung.
45d
{d^ic^tdforf c^ung barfteden. SHefed &Umhen& f^at bemi befauntlid^
mtd^ Stanle im allgemeineit gelebt: ber SntiDidluttgdgebatife, bie
Sotfiellung t)on ber iminanenten $oten$ ftufenmögiget (SnU
fnltung ber ilultur in jeber grofeen menfd;Iid)eii @emeinfd}aft
ift i^m ftänbig fern geblieben; bearbeitet ^at er por allem
bie internationalen 3uf^^i^^^"^^"d^-
Unb nun ein weitered! mit bem @Po(utionidmuiK i{l
bie SCnnal^me einer aDgemetnen Itaufalität Hör unb unoer6rfid^>>
li^ in bie ©efdiici^tSnjiffenfd&aft eingebogen. 3ßie fonnte fie
ba SRanfe bei feiner Sliiffaffung , fo fel)r er fohjericbtig faufal
ju benfen oerfud^te, fd^on oöUig fonfequent burd^fü^ren? —
de fd^roanfte 5n)i{d^en greit)eit unb 9lotn)enbig!eit. $or allem
aber erfd^ien il|m ber SSBonbel ber grölten il^ eben no4 erfenn«
baren l^iftorifii^en 3uf^^vnen()änge ni<j^t in ftd^ faufat oer*
fnüpft, ba er if)m nid^t oon ©infad^cm unb Ur}prüng(id;em
ju S^erroidfeltem unb .Hultur^oljem aufguftetgen fdjien. $Bielme{)r
^ielt er \l)n, eben xoeii iljnt bod ^^otio ber faufalen ^ntroid^lung
ferne ftonb, im ©runbe für nur burd^ bad (^nmirten befonberer,
aufeergefd^id^tlid^er ®ema(ten erRftrlid^. ^ ifl ber $unft an
bem ber obfd^on bereit« uöllig abgefd^roäd^te ^^arabiefc«*
gebanfe in ^serbinbnni] mit bem gel^len be^ ei)olutiüniftifrf)on
©ebanfen^ nod^ bie äiUrhmg übte, eine organifd^e ^orftettung
\>t& ßeben^Derlanfe^ einer menfd^Hd&en ©emeinfd^aft uom
^mitioen ^um ^i)ifferensierten )u oerlj^inbem. 9Ui^ bie befonberen
ou|erempiritd;en ®emltm aber, bie er aU Semeger unb
©d^öpfer ber größten gefd^id^tlid^en 3i*)t^»i»i^»()ö»Öß l^eranjog,
erfd^ienen ^Jianfe bie Qbeen.
äBoJiet tarnen nun biefe QbeenV gm 18. ^«(Kljunbert
mar man oon ber ^rtenntnid einfad^er gefdjiid^tUd^er ^^at«
fü^ensttfammenl^änge, 9. be9 inneren 3uf^tnen^anged
ber ©retgniffc eine« Äömer* ober Äreuj^uges , gnr ©rfenntni«
größerer 3wföi"ni^"^önge, roie ^. be§ inneren 3"fanitncn'
l}angeg ber @efamtgefd^id)te bee ^^iapfttums ober be^ beutfd^en
Ättifertnm«, fortgefd^ritten. Unb man Ijatte ba§ ©emeinfame
einer folgen (^efamtgefd^id^te ald i^e gbee bejeid^net. „Sbee"
in biefem (Sinne mar a(fo ni(|td geiuefen al& eine oberfie
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460
gefd^id^tUd^c 3wfammcnfoffunß , eine oberftc erfenntnismäfeigc
2lbftraftion. 2lber mm tarn bie 3wt ber Dtomontif unb bec
fpehilattoen @eban{enbid^tung. S)et würben l^ifiorifd^e Sbeen
bei (eietc^neteii SIrt a(9balb etmcA avlbeM: fU übectsug
fie, entfpred^enb bem immer toieber Bei i^x aitftretenben
ontolonifd&en Qrrtum, au^ bem ©ebiete be^ ©ebad^ten in bo«
©ebiet be^ 91 nfdf)QuUd^*älUrf lieben, unb fo würben fie i\)x
3ludf[üf)e be$ 5lbfoluten, „©ebanfen ©otteg in ber ®efd)id)te".
^mit erfc^ien eS benn ie|t atd ^ufitaufgabe bed jHf^tiferd,
biefe Sebanten @otted aiif^uflnbett: unb fo loarb er §tnn
nu)iti)c^en ^ertrouten bc^ 3lbfolutcu, jum ©e^er ©ottc^ im
äJerlauf ber ©cfd)id)te.
Unb ba oerfte^t e^ ftd^ benn febr mol^i, hab ficb biefe
Sluffaffung 90m Berufe bed ^iftoriferd, wie fie oome^mlicb
9Bill^ebn oon j^umboibt t^eoretifd^ bargekgt unb Stonte
praltifd) burd^gefüEirt l)at, bem ^abiefe^ebanfen anpaffcn
fonute; nadö einer erften ßrbebung beä ^Wenfcben über ade
anbereu Organismen burd& ^^erleiijung ber Sßernunft äußerte
fid^ bie göttlid^e gürforge für bog ^ienfc^engefd^led^t immer
weiter in fietö erneuerten rucfioeifen ^anationen göttlid^er
Sbeen, unb bad ®e(eimnid ber ©efd^id^te beflanb in bem
pcrfönUd^en Söonbcin ©otteg ^in burdj ben Sauf ber ftcrb»
lid)en ©efc^tedjter. ,3"9t^i4 ^^ber trat freilid^ flar §u %ac\e,
wie biefe ^ujfaffung )€bled[)tbin unuerträglicb war mit jebet
@pur mid^ nur eoolutioniftifd^en ^enfend.
Stonte inbed, ber fofl unwiberfie^liit geworbene
tteter ber Sluffaffung ber erften 3a^rjebnte be* 19. Sal^r«
bunbert^, lebte ingroifd&en, aud) bodjbetogt nod) energifcft
fd^affenb, bi^ 5um 3a^re 188(). 3)ie gotge roar, bafe fidj
wenigften^ in 2)eutid)(anb auf bem ©ebiete ber ©efcj^icbtd«
wiflenfd^aft taum ein äBe^fel ber oUgemeinen äluffaffung nott*
loq, ber dne Sudgteid^ung mit ber inawif<lften gftnjtiil
önberten i^onfiellation he» Seelenlebens, ja aud^ nur mit bem
©ntraidflungSgebaufen ber fedf)jiger Sa^re acbracbt bötte.
blieb nod^ immer jene Sluffaffung bie \)en]d)en't)t, bie, abgefeben
von älteren äBui^eln^ bem rationalijHfd^en ©egeniate bed 18.3a^r'
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U?eltan)d}auun9<
461
^unbettd smf^eti Snbtoibuum unb 6taat etitfprattf), bag
eigentlich nttt Ue großen ^erfmien Me ®ef$id^te mad^, unb
fte tDurbe fogor neuerbingg burd& bie ©ntfte^ung eine« Heroen*
fulteg 9an§ anbeten Urfprungg noä) einmal roiebcr üerftärft.
2(U ob, um ein an biefer ©teile leicht fontroEierbare^ öeifpiel
ju wol^len, bie neuere Malerei unb ^id^tung Sd^öpfungen
Sie&emtamtö unb SiliencnmS unb vielleicht nod^ einigen anberet
^Iben wären unb nicht melmehr in ihrem ©runbioefen not«
roenbige ©rjeugniffe ber mobernen ^Jieijfamfeit , bie iljrerfeitS
loieberum §u nic^t geringem ^eile ben jovialen unb mixU
fd^aftUd^en äöanblungen ber Q^ii, bem äBirfen ber „^iel
Sielen" oerbanft wirb! Unb ate wenn ein ;Biebermami unb
ein Siliencron boiS lebenbige Sirbn biefer breiten @runb(age,
biefe« »dhrboben« ihre« Polente« überl)anpt ijättm fd&affen
unb <m6) nur erhalten fönnen! S)a ^errfd^)t noc^ roeiterljin
bie Slntd^auung nid^t oon einer notrocnbigen feelijc^en (5ntit)irf(ung
im Verlauf ber @efd^id^te großer menfd^Ud^er ©emeinfchaften,
indbefonbere ber Säitionen, einer ^tnndlimg, bie oon Stufe
%n Stufe führt, fonbem vielmehr bie 9uffaffung oon einer }u«
fälligen, roomöglid^ oornel^mlich burd^ bie Regierungen gum
Slu^Ianb bebingten, äufeerlid^en @efd[)id;te, al§ bereu Präger
bann freilid^ am beften ber „einfeitig, faft mt)ftifd^ oer^errli^te"
Staat erfcheint. (^d ift, aU lOoHte bie äBiffenfd^aft in bem
Seben eined befümmten tierifd^ ober |)f{an}lid^en Orgonidmul
nid^t juerft ben tppifd^en ^rojeffen biefeiJ OrgantiSmuS, fonbem
bem beftimmten (Bdjid)ai eben jene^ 33aume^, eben biefe«
%\exi^ nad^fragen unb barnad^ alleui c^aratterifiereu : bie ^unbe
etTOü an crfler ©teile in ©d^ofehunbe, ^aui^h^nbe, fiofhunbe,
Schäferhunbe einteilen! ^a h< man enblid^ nodh oielfach
an ber gbeenlehre fefi, memi man |te aud^ sumeifl ibred
romantifd^^tronfccnbenten ^efeng entfleibct bot. 3>enn man Refit
nid^t, ba§ if)r, auc^ roenn man bie^ tl;ut, tro^bem ein rein iubi=
oibualiftifc^er Ghöfatter bleibt^ bob pch ba^er in iljren, nun
einmal unter ben 16ebingungen ber 2ranfcenben§ enttoidelten
Stohmen immer nur einzigartige (Sreignidreihen einf pattnen lagen,
unb ba| barum i^ ou^fd^lieglidher Sebrauch att Sorfiefbrngd*
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46i
tPeltanfd^auung«
mittel grögem gefc^id^tlid^et 3ufammen^ftn9e o^ne loeitei^ed
bie Sergleid^ung unb bamit eBen baS toid^tigfle ja fafi einzige
Jyorfd6ung^mitteI (^erabe auf beii l)öd;ften ©ebieteu au^fd^liefet.
Unb a liebem erßiobt fi(^ bann ba§ tounbcrlid^e ^oc^ma —
ein ^cweig jeiucr öerecfjtigung ift niemals aud^ nur oerfuc^t
mtyäm, — ba$ bie (^fci^id^te unter aden ä&iffenfd^ften aSein
es mit bem @in$etnen tl^un ^abe, mit bem SnbimbueOen
unb aKenfaQd bem 9lationalen unb oud^ bem UntuerfeQen,
foiüeit einjigartiß ift — aber nie unb nimmer mit bem
nieljreren (^ntraidlungcn ©emeinfamen : unb bafe fie mithin eine
äi^iffenfd^aft fei, in ber Segriff^bilbung ein ^erbred^en bleibe
unb intuitives äUtfd^auen » eine ftunß! — bie $auptfa<l^
S)ie @efd^id^t^n)iffenf(^aft bet Gegenwart leibet tto( oiebr
2lnjei($en ber SBefferung nod^ inuner unter biefer allgemeinen
unb (^runbfä^iic^en 3iüdfftän bigfeit. (Je luirb i^r fd^roer, ben
alti3en)o()nten 3uf^anb ab5uf4)ütteln ; unb md) f)äit ed eine
Partei fo gut mie gan) mit ätanfe. 3m attgemeinen aber
Idetrfdift ein 3uflanb ber (Sdrung mit aO feinen Sorteibn unb
©d^ottenfeiten. 9BoS ba aud^ nur bie näd^fie 3w^wnft brintjen
rairb, rcer weife e§? 5iur über bie ^ebürfniffe biefer be)tel)t
fein Zweifel. 3Uefefd^e batte red;t, roenn er einmal meinte,
ber heutige Umfang ber ^enfd^^eitsfenntnid müffe sufammen*
f affenbe Slnfd^auungen über ben ^ntmidlungSfiroKeg ber Stationen
geftatten unb aud il^nen l^eraud oud^ bie Entfaltung einer
an(^eroanbten äßiffenfdjaft hex '3ktionalpo(itif nad6 SWafegobe
bor c^iöBten unb uniperfalften, ber bauernbfteii unb om meiften
lüeltgefcbic^tli^ß"' fulturellen Öebürfniffe ber Aktionen.
^ai )unäd^ft eine fold^e unioerfale ©efd^id^tdmiffenfcl^aft ^eute
mögHd^ fei, l&ftt fid^ 9on niemonb m^r im Srnfle befirdten.
aus il^r aCSbatb aud^ eine ongemanbte SBiffenf^aft rid^tiger
)!lkljaiiblung von Isölfern niebriger Kultur burd^ \)'6\)ex fteljenbe
entnjicfelt raerben fönnte, ift ougenfd^einlid^. 3lber roirb man
au^fd^liefeen xooüm, bag aud^ baS ^erftänbni^ unferer eigenen
gefd^id^tiid^en @d^ritte unb ^ortfd^ritte oiel gemimten Umdc,
menn mir bie SSBege in i^en t^pifd^en 9lomenten überfü^en,
bie por unS nid^t blofe ©ried&en unb 3iömer, nein auc|^ Quber
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lUeltanffbaunng.
463
iinb (S^inefen gewatibelt fttib? Siner @ef(|i(i^te eooluttO'
niftifd^m unb baiS ()eigt faufalen (Sl^ratterd, bie ein erfleiS
imffenidjaftlid&eö ©rforberni^ unferer ^exi ift, tüirb al^5bölb aud^
eine praftifdje i^ultunuiffenfc^aft non grofeer ^yebeutimc^ folt^en.
Unb bttB oon biefen Sufarnmeuljängen ^er ^^Pfpc^ologie unb
C^rfeimtnidt^rie wie aud^ Die (Sit^lbü^ipHneit bet ^eifiedmffen'
f(|afteii iDiebeniin bouernb befrud^tet itttb Donoöttd getrieben
werben tofirben, ergiebt fic^ oon felbft au« bem fd^on früher be*
lprod;enen 5ßerl;Qltni^ biefer ^IMtTenfd^aftcn ju einanber unb 511
einer waf)reii äöiffenjcjiaft, nietet einer bloßen anfd^ouenben
aunfi ber (Sejc^idS^te.
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VI.
U(erfe(m mir je^t boi» Mtet ber tnobenten et^ifd^en
imb mttapl)i;fifcl)cn "^Infdjauunöeii roie bic ©ntiDicfhuu^ ber
'^Jfpc^oloc^ie unb (Srfenntnist^eorie unb bie Slnfänge einer neuen
3Biffenfc^aft in i^rem gegenfeitigen B^fonimen^ang, fo tritt
ium^fi bie §tage auf, wie benn bie befonbete ätudbilbung ber
ntobemen Seiten biefer ©ebiete mit ber feelifc^en ®efamt«
{)altun(^ ber ^eit ber S^eijfamfeit gufammenftängen möcje.
ift nun (Sin^ üon Dorn^erein augenfctjeinlid): ber 2Bieber=
(]eburtet]ebanfc, ber in ber einen ober ber anberen SBeifc bie
fittUc()e Bewegung ber Gegenwart, bel^errfd^t, gel^t oui^ Don
ben ^id^tem, Wnfitem, AfinfUem ber $eriobe; er ifi getcagen
üon ©eclen, beren Seben in ftärfftem 3ufÄtwnenf)Qng mit ber
(Sntiüicfding ber ^Reijfamfeit cerlief. Unb ber om ntad^tooUfteR
lüirfcnbe Genfer biefer ©ruppe, 9üe^fd)t\ geliörte er nic^t ju
ben ^id)tcrn unb $u ben ^eijjamen nod& in^befonbere? ^heftfd^c
aber ^at äBagner, ber oor il^m am ftörtfien fd^uf, einen J&tt-
mifd^er ber Ufinfie unb ber Sinne" unb bod (eifit einen
$Rei5famen befonberg (jol)en @rabei5 genannt. Unb aud^ ouf
metopftpfifd^em ©ebiete fte^t eö nid;t anber^. ^Die mobeme
6et)n{uc^t nad^ ^öefriebigung ber Seele in fefter unb frommer
äBeltanfd^auung mar unb ifl in erfler £inie eine Se^nfud^t
ber Afln^ler unb 2)id^ter. ttnb menn mir iu ben Ibentm
flberge()en: mar ^ed^ner aU 9RetapI)yftfer nod^ $^iiofop^ im
gemöl^nlidSien (Sinne be§ SBoitiö?
T>ie 2ßii)enfdjart aber ift ebenfalls tuic jebe anbere geiftige
^{)ätigfeit abl^ängig uon öem jeweiligen ^il^arafter bc^ Seelen*
lebend, unb i^re ^unbamente ftnb bie pfpd^ologifd^en unb
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465
enfeimtiiidtleotetifd^ Slnfd^auunsen, bie aus bte[em 6ee(en«
leben ^etöorgc^cn unb feinen eißentttttgen «ebütfniffen geregt
TOerben. ©o folgt bie aßifjenfd^aft au^ bem ©^arafter
ber ^Jteijf Qinfeit , fobalb biefer bie Seit roirfU^ bel)enfd^t.
a)a6 bieg aber ^eute ber gatt ift, ba§ ift au aaen anberen
. gvogen feelifd^en (^{d^einungen enoiefen. Unb ed lägt fid^ auc^
aud bem Sufttmmen^ange ber fogenonnten matcrietten Kultur
mit ber fogenonnten geiftigen enoeifen. ©erben wir no^ im
3n)etfel fein, bafe bie eieijfamfeit Domel^mlid^ ber mobemen
©rroeiterung bee SBeltbilbe^ unb ber au§erorbeutlirf)en ©tei(^e=
rung ber ^ejie^ungen ber eiujelperjönlidjfeit in atte äßelt
l^inein, alfo fogenannten materiellen SD^omenten oerbanft
wirb? ISrweiterung biefer ^^tel^ungen aber bauert fort,
loenn fie fid^ nid^t gar nod^ wrftÄrft: unb fo ffi|rt fie
fort, im ö^eicJ^en 6inne ju tüirfen^ ^aS einzige, wa« ftd^
neuerbiugg üielleidjt oeränbert \)at, ifl wnfer fubjeftiüejä 33er-
galten jur 3iei5famfeit. äßir empfinben fie jefet nid&t mel)r
ate etwoÄ SReue«, fie ftört in unä ntd^t mel^r ältere, i^r ent*
gegenftel^enbe affodationdrei^, weit biefe ina»if4en abgefiorben
finb: mir ^laben fie in iin» oufgenomwen^ toir IJaben nn»
\i)x geiftig aüUmatifiert 2luf biefem SRä^rboben aber erroäd^ft
and) bie neue aiUffen)d)aft. Q^i ift in biefer <Qinfid)t befannt,
bafe bie von ben Süngcrn ber 9caturn)ifieufdjaft Ijeute verlangte
gfäl^igfeit ber Slufna^me äußerer i^inbrüde anfangt meift
nerod« mac^t, unb bag }u i^rer fiänbigen SetlEl^tigung eine
geiuifie 3kiä)ainfeit üorl)aubeu fein mug. Unb bie ©eified«
TOiffenfdjaften Ijabeu eine äßenbung ju p|i)c^oIogiidjcn Unter^^
fuci^ungeu genomuten, bie aud^ bie fogenannten unteren ©ebiete
bed Seelenlebeni^ mit ins Singe fagt unb ^ier o^ne ftärlfie
SUtfpannung ber g&^igfeiten pr Slufnal^me leidet Denoifd^barer
feelifc^er (Sinbrfide nid^t mel^r butd;Ge[ü6rt werben fann. So
> Vitf bte Bestellungen bet ftulturaroeige ber S^ft^tU^Mt
(6itte» ffU^t, SBiffenfctiaft, ©efettfclaft, Staat) )u benen bed 6e(b|}betou|t«
feind (V^antafiet^atigteit; iDenfen) mixh in bem jiDeiten (Stfiftniungsbanbe
genauer etnauge^en fein; unb ^nac auf Gvunb einer tbea(ifHf(|cn Stuf*
faffung ber 9Qirtf(|aftdentn»i(SCung.
Banpf^t, JDcutfAe Oltf^Mte* trfler CcgSniuiiflMaiib. 90
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46(>
tPeltanfd^itsid*
finb QÜe cjro§en n^MtUien (Srjdjeinuiigeu i)eute fd)on rei^famcn
©^arafterö ober nähern fi<i& wenigfteng biefem ^efen, unb e-i
l^anbelt fid^ ba6ei um eine nid^t me^r rüdgängig }u mad^enbe
ober in il^rem Sertauf aufaiif)a(tenbe Sl^atfad^e — wenn über*
l^aiipt berarttge X^atfac^en auf§u^alteu ober ju oerl^inberu in
irgenb eine^ 3)ienfd)en 'Diodjt ftänbe.
SGßir befinben un^ bamit auf ein«: neuen <5tufe fojiol«
pfpd^ifd^et @ntn)i(ilung, wie fte ber immanenten ^ntfaltungd«
(taft ber DergefeUf chatteten menf d^Ud^en Seete entfptid^t, — einer
©tufc, bie fid) aufbaut §u tl^rer Seit no<^ ewigen, bem 83dlfer»
leben innen)oI)nenben ©efe^en. 2öir fönnen babei biefe Stufe
roo^t mit entfpred^enben Gntroirflung^ftufen anberer ä^ölfer
pergleid^en, um jju fe^)en, wo wir finb, in unferem ^aüe etwa
mit ber Kultur ber römifd^en Aaifei^t ober ber inbifc^en
ituttur unmittelbar oor Subbl^a, ober mol^t aud^ mit einer ^t»
m\]m Stufe ber d;inefifd^en ©iittuidtung. Unb eine foldjc
33ergleid)ung, auf bic iinrf(i($en ©ninblagen be§ ©eelenleben^5
belogen unb auf bas '^erftäubnis ber großen fo^ialpfpd^ if d;en
Strömungen angeroanbt, würbe reid^en (Gewinn ergeben, äiber
wer oermag fte (jeute fd^on oor^une^men, beim gegenwärtigen
©tanbe unfercr Äenntnt§ menf(^ltd^er ©ntroidPtungggefd^id^te?
Qnbe^ nod) eine anbere 5i^ert]teic^ung ftel)t un^5 jur '^er--
fügung. 2Bir fönnen rüdmärt^ fd)auen in unferc eigene 3Jer^
gangenl^eit unb bas gacit ber l^eutigen Kultur jiel^en in ber
Sergteiii^ung i^red Snl^altd mit bem^n^atte ber früheren Seiten.
& ifl l^cute ein gewö(;n(id^e« SBcrfa^ren, unb man fprid^t in
btcfcm 3iift^^"inenl)ange von ^öcabence. Unb aud; roir iinebcr'-
Ijolen, inbem wir bie ä^ergangen{)eit Ijeranjie^en, bie fc^oii
einmat, im erften 5lbfd^nitt biej'ef^ ^3ud^e^, aufgeworfene %xacit
nad^ ben B^^^n bed ^erfaQiS. SBad ||ier ftd^er ift^ bad iji
eine burd^gel^enbe öugerc £^nlid^!eit gewiffer ma^gebenber
fi^einungen unfcrer 5lultur mit bcn entfpred;enben (Srfc^einungen
einer längft üerffoffenen grül)5cit. älUr tjaben fd^on gefe^en,
wie l^ier bie S)inge auf bemjenigen (Gebiete ber mobernen ÄuUur,
bad am weiteflen entwidtelt ift, im 8ereid^e ber $l^nta|i^
t^ättgfeit flel^iem 3n ber bilbenben Aunfl nft^ert fid^ unfere
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467
. Drnnmentif ber einzigen, ber ornamentaten i^unftart ber
Urjeit; in ber S)i(^tung [iub brantotifd^e Sel^onblung ber @r»
jä!)Iunö, SDMrd&enroelt, ftimmunc|§t)oHe 2i)x\t J)ier im Sinne
inbioibueUen XoneiR, bort im Sinne ber ^9mntf , ünb fpm«
boHfd^e formen ber Öegenmart unb Urzeit ibentif d^, Beibe 3^ten
\)ahen oiid) ein ©eiamthinftrccrf beftimmter 5(rt, anbercr Über»
einftimttiinu^cn nid)t nod^inaU gu (^ebenfen. Unb biefe Sf)n(i(^*
leiten laffen fid^ jeftt burd^ ganj üertüanbte (grjd^einunßen aud^
auf ben übrigen geifügen (Gebieten ergonien. äluf fittUd^em
Q^Mett f^aim mx l^ier loie bott ben j^Iben&i(t, einen ge«
roiffen ÜKnnt^el olfo beS ©elbftänbiöfettgbetoufetfein^ ber eigenen
^erfönlid^feit in ben gröfsten ^csieljungen beö 2)afeing. Unb
wenn bied SKoment me^r äufeertid^ i)t: in beiben B^italtem
ßo|en iDit ouf bad {d^roffe ^lebenetnmtber eined gemiffen
itommmtidmud unb eined graufomen ^goidmuS ber 9lrifiotraten>
notuT, ber „blonben Sepie". Unb flettt fidö bie »ffonj im
S^leid^e ber metap^tjfifdien 5(nfd)aiiungen anbcrö? .Reine^racg^!
^ort eine 3taturbefeelung, tDe(df)e bie ilröfte Ijinter ben Gr*
fd^eimingen ju ©öttern übermen)d()lic&t, l)ier eine $^i(ofop^ie
weit oudgefpannten (^l^arafterd^ weld^e bie @inl^eit von Jtörper
unb Seele bis 5n einer entbuftafiifd^en Serperf5ntid^ung bed
2UI^ bnrd[)füf)rt: eine SBeltanfd^onung, bie fid^ nid)t feiten fognv
i^rer ^egielinngen bem nujt^ifd&cn ^anbijuamii^mu^ ber
Urzeit unmittelbar beiougt wirb:
3«^ Qtfil' ben &oH, ber au8 flc^ feKjl erfloffen
2>te 9Bett mit SRenfc|eti, £uft unb SReet unb 8anb,
Sfft St(|te natenb unb oon 3Be(t umfloffen,
Unb @tUTm unb 2)onner roägenb in ber ^anhl
. %üx einen !tieftrunf au€ bem SBa^r^eitd^YOnnen
®ab er einft f)er bad ^at6e 3(uqenlt<$i,
3m ©inaug' aber lobern olle Sonnen
Unb (rauft ber ©turmminb, ber bie Sdume bti^U
(SXottrice o. &Uxn,)
So tragen, rool^in xinv and) feJ)en, bie öufeeren @r«
fd^einnngen nr^eittid^er nnb moberner Kultur Si\(\e äugen*
fd^einlid)er unb juerft redbt rätfcl^ofter Stinlid^feit. 2lber biefe
^nlid^feit l&it nUäxm. äBad einfl inftinltio mid bem
80*
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468 IPeltanff^ttang.
(Seelenleben her Urzeit cniportricb, ba^5 rairb l^eute berauHt unb
mit ben 3)ittteln einer unenbtidö (^efteiqerten 33el)errf(f}im(; ber
'')lahiT unb beö ©eifte^ bem Seelenleben abgerungen: bort
Zti^b, l^ier ^emugtfein, bad ifi ber Unterfd^ieb.
kbet bod^ bie gletd^e pfi^d^ifd^e ©ninbtage? Sßeitn tnon
ro\U, — jo. 9>ort ein €eeteitleBen , bad tmSetou^t nod^ auf
bem ^bben primilioer ^Hei^^cniptdngni^ oerlief, oi)m bafe bic
^ö^eren -^potenjen biefeö :^^ebenö fd^on flor entfaltet geioeieii
wären, — bur ein Seelenleben, bad bie (Entfaltung biefer
^otengen löngft erlebt ^ai ttnb nun auf bie unter i^neii
Uegenbe @d^id)t ber bCofien Sietsempfänglid^feitoorfießungSmägia
üorbringt unb biefc ben)uf3t ft^ ^iur 9?ei/%famfeit umbilben fiebt.
^ies ber flare 3"fö"^^^^<^"l)f^»fi/ fiel? taufenb (^injel^
beobad^tungen immer unb immer n)ieber mit bemfelben ^nb«
ergebntö aufbrängt Unb nun bie ffiieberl^olung ber bangen
^ge: bebeutet boil ben Serfatt? 3fl für und fd^on bie
<Stunbe gebmmen, bie ber 5D!d$ter meint:
£'ebcn ift ein einjiges
Xrcppauf, ^Treppab, treppab, Xreppauf,
58iä tuir mal nuf einem Slbfaft
%oi äufammenbrec^en.
Unb immer fe^en roir
2)ic oberften Stufen,
SCBic bei ber l^afobsleiter
on ben SBoIfen ocrfc^roinben,
2)ie Stufen ber l'offnwn^^»
^ie en)ig uon ber @onne befc^tenen fmb,
S)ie aud ber Rimmels jpali«
@te umflta^It.
Sxeppouf, Xveppab,
Steigen unb Äieberge^n
Unb cnblti« —
etetgen? 9lteberge^n? (v. Siliencvon.)
5Der ©iflorifer fd^weigt auf biefc grac^en, unb nur ber
3eitgenof[e oermag )U Td>en. 6id^er erfd^eint mir, bag eine
reine 9leroen(u(tuv ben Xnfang vom <Snbe bebeutet @ie bebarf
bringenb ber Segrenjung, ©urd^raud^erung, teitmeife ftber«
ioud[)erung mit anberen iSeben^fräften. So ift fc^on ^eute
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469
QUt]enfd&einlid^ , ^a6 auf bem weiten Jelbc ber ^^ontafie*
t^ätigEeit eine ^lifc^ung oon ^It unb ^eu eintritt — ein«
treten tnug, foQen mir weiter ge(angen. @tnd ber fid^erften
ISngeid^eit ijl l^ier, abgefeiert von einer SSBenbung ber fflnft«
leri)d)en ©d^affenisfraft in biefem @inne, ber in ben äftl^etifd^
^eniefeenben ilreifen ber 'J^ation immer lueiter oerbreitete ©oet^e*
iu(t: beim ©oet^e ijai einftmale jiüifdjeu inbiüibiiaUftijd^em
unb fubjeftioiftifc^em S^it^^lt^i^ lebenfpenbenb oermittelt unb
mar ftd^ ber ^^otmenbigteit liberalsfonferoatioen SBefend atter
^irfung ini» @ro6e too^I bemüht SCudft bie fleigenbe unb
bod^ 3U()(ei(^ DerftänbniiSooIIe, nid^t nad^ 9Crt nod) numd^et
'l^^ilologen überfdjä^enbe 2Bürbi(^un(^ ber 3lntifc fd^eint mir ein
ßute^ ^tid)m: Denn fie bejie^t fid^ auf bie ^öt)en=, nic^t bie
'^erfaQ^jeiten ber flaffifd^en Völler. 2)abei mu| freilid^ t>or
jebem ftberma^ einer 9leaftion gewarnt werben, ©emiffe 5lritüer
^6en b^ute nid^td Slngelegentüd^ered §u tl)un, atö ben fo«
(genannten liiaturaliSmu^, gemeint ift ber naturaliftifc^e ^\\u
prei'fiüiüöuui^, in ©runb unb Söoben 3U rerbamnien. 2)a^ ift
lüaubalenart unb Sßeife nicberer Kulturen; incende, quod
adorasti. S)ie Iftiftorifd^e Sebeutung bed Smprefflonii^mud fte^t
fefl; fe^en wir, hai wir fein ®uted begatten o|ne feine 9(u0wüd^fe.
f oQten im Slugenblidf be9 fßerfte()end unb 5ton)entriereniS
befiuDcn, nidjt Qber beö 3^i^ftören^ intb ^>crDammcii^. JmS^idjcn
ber ^l^antafietbätigfeit ift bie neue 3^it erblüljt; uon ber Kunft
^er ift bog pttUd^c ßeben befrud^tet roorben, in ber ilunft f)at
fidb luerft bie neue $f9d^e erlebt. Bo oerflel^t ed ßd^, ba| äBonb«
(ungen ber $b<intafietbätigfeit aud^ feelifd^e Haltung unb
Seeleide^re unb mit i^r 6itt(id^feit unb äBificnfd)aft beein*
fluften werben. Qm gonsen aber ift fein 3^eifel, ba6 biefc
anberen ilräfte bei» ^afein^ je^t, im bereite oielfad^ erfenn«
baren älblauf ber lünftlerifd^en Slüte ber neuen 3^t, fetb«
fiänbiger bemortreten werben: audft bied 3eitalter wirb feinen
pl)ilofopI)i)d&cn ÄtafpjiÄmu« beiden unb bie 3a^re einer wiffen«
fd^aftUd^en ^iationalifierumj.
2Bie aber biefe neuen Gräfte fid& entfalten werben, mer
wei6 ei^V S)er ©eift wirb aud^ innerhalb bed Verlauf d
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I
470 IlVTtanf<hmiiiit(t.
biefer ^eriobc eine^ neuen BaUntef>tn§> i)ol)n ^iiüur im
einzelnen ml)m, roo er roitt, roie ber Stunn, ber bie oiet*
oei^ioeidteii ©äffen einer ©rogfiabt buT^faufi unb mnigt
yiux bie allgemeine 9üd^tung bet ^ntwidHung tä^t ftd^ ein
TOenig bceinfluffen. Unb fie nur mittelbar, burdft @in*
roirfung auf bie tüirtfd^aftlid^en unb gefeK)d;aftlidS)en U>orgän9iv
auf bcren ©utfaltung fi(^ troß mamiigfad^er SBerfd^tebungen unb
SBed^felmirfungen mit fp^iftfd^ beifügen ^ä^ten bo4 im
grdgten ber Serlauf bell geifUgen Sebent aufbaut, ^ad iß ber
eigentßii^fle unb größte ©tun ber fojialcn fjrage. Sie ift feine
??ragc blofi bc^ üierten (Staubet, — loer roollte fie nod) l^eute
im ©d^ülerfinne ber ad^tjiger 3aJ)re oerftelficn? (Sie ift bie
{^rage aSer Stänbe, mei( fie bie ^rage ift aud^ unferei^
geifttgen, feelifd^en 2Ami, fie ift bie grd^te %taqt unfeier
Bubtnft flberl^aupt. SSI^ie tagt ftd^ baiS S^erl^ftttni« beS ^iiisefnen
5ur ©efellfd^aft je nadö ben ücrfd^iebenen Sebürfniffen ber üer=
fd)icDcnen fosial^n (Ed^id^ten fo regeln, bafemtrim ^ereid; be^
entn)icf(ungögefd)id^tlic6en SBcrlaufeiS unf erer Üuttur ein gefunbci^^
groged ^ßolt bleiben, ein gefunberei^ unb grö^ered unb flttHd^erei^
werben: bad iH tl^r gnlfalt. ^abet ifl felbfberflanbH^, ba(
j;ur Söfung biefer %xac\t auf bem S3oben ber ©efcllfd^aft nid^t
blofe n)irtfd;aftlid^e, fonbern and^ etbifd^e, aftlietifd&e, lUnTbaiipt
fcelifd^e ilröfte von jebcrlei ^rt eingefpannt werben muffen:
gai^ umfaffenb mu6 biefe J^rage ergriffen merben, auö^ in
Stiftungen, in benen fie in @ng(anb ein ^li^Ie, ein 9hid(in
fÄon ^laben erfaffen motten. 9JatürIid6 wirb baS nid^t oftne
(Eingriffe in bic iiknücgmuv^ redete be§ Ginj^etnen niöglid^ fein;
nic^r nod6 alö bi^^er wirb bie Qcit fojialifiert mcrben müffcn,
foQ fie nid^t rüdmärts get)en. Slber biefe Sojialiflening muft
fo erfolgen, baft aud^ bie ^n^etnen einen ftetigen unb flanbigen
JJortfd&ritt il^rer ^crfönlid&fett ju fpflren l^aben: baß mit unb
in beroufet gefd^affener größerer ©ebunbenbcit ungleich ^änn*
lic^feit aufn)äd)fl unb SreilieitSkwu^tfein unb Sinn für Wla^
unb Oered^tigfeit.
UnerlägUdft §ur fiöfung ber fojialen grage in biefem
Sinne erfd^eint oor alfem ein nod^ ungebrod^ener ®runb von
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Wtiianidfamnq, 47 x
"parfem, aber bod^ fd)on burc^^eprüftem unb burd)ev[ebtem
3beaU^inu^. §aben xoix \\)n, )o )oII unö, fd^eint mir, um bie
fam bie Stage na«!^ biefem Sbeattömud no$ immer mit ja
bcontroorteit. ©ewife l^abett wir in unferem öffentUd&cn fiebcn
fd^iüere ©d)Qben, — aber baneben bod) nod) uncrfdjöpfte ^tj^
Xager fittlid;er ©erabl)eit, une fic in bein, fei an \id) bered^tigteu
ober unbered)tißten 5lbn)eid;en ber nationalen ©timmung oon
ber äieid^dpolitif auf @runb {tttlid^en Urteitö gerabe in ben
testen ^al)xm mieberl^ott %aqt (getreten ftnb. Unb ber
34rei ber ©ebilbeten nad^ einer fittUd^en 3Bieber(^eburt unb
bie rcH^töfe ©ebnfud^t ber befonberö Sf^eijfamen: Rnb fie
lüirflid^ blo6 9Jeaftion^gefiU)[e gecjen bie Äangeroeile unb gegen
bie Ü6erfpannt()eit sweibeutiger (Erfahrungen? 3Ran prüfe
bad ßeben t)on Kie^fd^e, hid^ aRort^rium einer oerfdrperten
3bee, unb man wirb bie %xaQt beantworten fdnnen, fo »ic(
aud) in 9iictM'ci)e^3 DIanien oon ^boreu unb 9lid;t^nu^igcn
gefünbigt lucrtien \nac\. Diein, tro^ aller SBenbunt^ p ^ad^t
unb ^JUkd^tgefü^l ift bie 9iotion bod& aud^ bie ber ^id^tcr unb
5£)enfer geblieben, unb bad poUtifd^ füQe le^te Saj^r^e^nt be^
19. ^atjrl^unbertiS l^at an ^bealidmuiS fafi mel^r gezeitigt atd
nötig. S)er beutfd^c 9Jltdjel lebt nod^, fo wie pd^ bie rcid^e
relif^iöfe ^(jantafie ber ^'orfaljren bcn (Sr^engcl al§ (5d;u^-'
patron oder l;ot;en nationalen äßünid)e üorftellte; unb er lüirb,
gemig fd^wertgegürtet unb jum @d(fn)ertfd^(ag bereit, bod^ uad^
wie nor aud^ geiflei^befd^wingt oon ^oUenfiö^en auf bai^
®anae ber (Erbe nieberfd^auen.
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APR 2- ia43
^ )
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APR 2- 1943
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