Lehrbuch der Zoologie
Richard Hertwig
Vi
$tbranj of tbc gluscum
or
COM PA B ATI VE ZOÜLOGY,
AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS.
JFounDrb bu pnüatr subsrription, in 1861.
Deposited by ALEX. AGASSIZ.
Ab. nf li<j.
LEHRBUCH
DER
ZOOLOGIE
VON
DR RICHARD HERTWIG,
O. ö. PROF. DER ZOOLOGIE UND VERGL. ANATOMIE A. D. UNIVERSITÄT MÜNCHEN.
MIT 568 ABBILDUNGEN.
DRITTE UMGEARBEITETE AUFLAGE.
JENA.
VERLAG VON GUSTAV FISCHER.
1895.
Vorrede.
»
Das vorliegende Lehrbuch soll in erster Linie den Anfänger in
das Studium der wissenschaftlichen Zoologie einführen und denen,
welche der Zoologie als Hilfswissenschaft bedürfen, die Grundzüge der-
selben in knapper Fassung bieten. Es würde aber den Verfasser freuen,
wenn es dem Buch vergönnt sein sollte, noch weiteren Einfluss zu ge-
winnen und in den Kreisen gebildeter Laien, welche vielfach schon
jetzt den Lebenserscheinungen der Thiere lebhafte Theilnahmc ent-
gegenbringen, auch für die Gesetzmässigkeit in der thierischen Organi-
sation und Entwicklung regeres Interesse wachzurufen. Denn so sehr
auch einige cardinale Fragen der Zoologie, wie z. B. die Descendenz-
lehre, in der Neuzeit in weitere Volksschichten eingedrungen sind, so
wenig hat die Kenntniss vom Bau der Thierwelt grössere Ausbreitung
gefunden ; und doch kann nur von einer Ausbreitung dieser Kenntniss
erwartet werden, dass sich allmählig eine unbefangene Auffassung von
der Stellung des Menschen im Naturganzen Bahn bricht.
Ein zur Einführung und ersten Orientierung dienendes Buch muss
sich in der Auswahl des Stoffes Beschränkung auferlegen; es soll ein
Gesammtbild entwerfen, in welchem die Grundzüge nicht durch allzu
viel Einzelheiten verdeckt werden. Eine solche Beschränkung war
schon in den Partien nothwendig, welche die anatomischen und ent-
wicklungsgeschichtlichen Merkmale der grösseren Abtheilungen des
Thierreichs, der Stamme, Classen und Ordnungen, behandeln; noch
mehr war sie in den systematischen Abschnitten geboten. Bei dem
ausserordentlichen Umfang der systematischen Zoologie muss es Spccial-
werken über die einzelnen Classen und Ordnungen vorbehalten bleiben,
die genauere Kenntniss auch nur der bekannteren einheimischen Arten
und Familien zu vermitteln. Was in diesem Buche geboten wird,
kann nur den Zweck haben, einige besonders auffällige und charak-
teristische Formen als Beispiele für die anatomischen und entwicklungs-
geschichtlichen Darstellungen aufzuführen.
Von dieser Regel wurde nur an wenigen Stellen eine Ausnahme
gemacht, wo es sich um Thiere handelte, welche durch Eigentümlich-
keiten des Baues oder der Entwicklung ein besonderes Interesse bean-
spruchen oder durch ihre Lebensweise, sei es schädlich, sei es förder-
lich, in die Existenzbedingungen des Menschen eingreifen. Wenn die
wichtigsten Arten und Familien der Parasiten des Menschen und der
IV
Vorrede.
Hausthiere etwas ausführlicher berücksichtigt worden sind, so wird
dies nicht nur dem Mediciner, sondern auch dem Landwirth, dem zu-
künftigen Lehrer der Naturwissenschaften, ja einem jeden Laien will-
kommen sein.
Ein weiterer Gesichtspunkt, auf welchen bei der Abfassung des
Lehrbuchs grosser Werth gelegt wurde, sei hier ebenfalls noch hervor-
gehoben. Noch mehr als in anderen Wissenschaften sind in den Natur-
wissenschaften alle Begriffe, mit denen der Leser keine klaren Vor-
stellungen verbinden kann, werthlos; dem Anfänger gegenüber kann
nicht eindringlich genug betont werden, dass er nicht von dem Aus-
wendiglernen der Namen, sondern von der lebendigen Kenntniss der
Erscheinungen Förderung zu erwarten hat, Deshalb darf aber auch ein
Lehrbuch keine Bezeichnungen, welche dem Lernenden notwendiger-
weise noch unbekannt sein müssen, anwenden, ohne sie zu erläutern.
Es ist besser, weniger zu bieten, dieses Wenige aber vollkommen zu
erklären, als im Aufbau der Kenntnisse Lücken und Unklarheiten zu
lassen. Gerade in dieser Hinsicht ist die vom Einfachen zum Compli-
cirten aufsteigende genetische Methode, welche besonders durch die
Descendenztheorie zur herrschenden geworden ist, didaktisch von der
grössten Bedeutung geworden. Es braucht daher kaum hervorgehoben
zu werden, dass dieses Lehrbuch ganz im Geist der Entwicklungslehre
geschrieben ist, auch da, wo keine specielle Nutzanwendung von der-
selben gemacht wurde.
Um den Text besser verständlich zu machen, sind dem Lehrbuch
zahlreiche Figuren beigegeben, auf deren Auswahl Dank dem liberalen
Entgegenkommen des Herrn Verlegers besondere Sorgfalt verwandt
werden konnte. Ein Theil derselben konnte aus anderen Lehrbüchern
und aus wissenschaftlichen Werken entlehnt werden; ihre Herkunft
findet der Leser angegeben auch dann, wenn sie für die Zwecke des
Lehrbuchs in geeigneter Weise weiter ausgeführt oder modificirt worden
sind. Zahlreiche Originalzeichnungen waren namentlich bei den anato-
mischen Darstellungen nothwendig, zumeist aus didaktischen Rück-
sichten. Für ein Lehrbuch ist es von Wichtigkeit, dass bei den Ab-
bildungen die Organe, soweit es möglich ist, vollständig und in ihren
genauen Lagebezichungen zu einander dargestellt werden. Von diesem
Gesichtspunkt aus wird der Fachgenosse es. begreiflich finden, wenn
manche ältere verdienstvolle Zeichnungen, welche in alle Lehrbücher
Eingang gefunden haben, den genannten Ansprüchen aber nicht ent-
sprechen, wie z. B. die Anatomien von Ascidien, Salpen, Cephalo-
poden, Schnecken, Cladoceren etc., durch neue ersetzt worden sind.
Für die gute Ausführung der Zeichnungen bin ich Herrn Univer-
sitätszeichner Krapf, für ihre sorgfältige und rasche Vervielfältigung
der Anstalt für Zinkotypie von Meisenbach & Co. zu grossem Danke
verpflichtet ; ferner habe ich Herrn Dr. Hofer für seine Theilnahme
am Lesen der Correcturbogen an dieser Stelle besten Dank zu sagen.
München, im October 1891.
Bichard Hertwig.
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Vorrede zur dritten Auflage.
Das hier in dritter Auflage vorliegende Lehrbuch der Zoologie
hat bei der erneuten Durcharbeitung in seinen Grundzügen keine
Umgestaltung erfahren. Zwar habe ich einem von verschiedenen
Seiten geäusserten Wunsche folgend im systematischen Theil eine Er-
weiterung vorgenommen, indem ich die Zahl der aufgeführten Arten
nicht unerheblich vermehrte; ich habe dabei aber nach wie vor an
dem Grundsatz festgehalten, dass solche Nennungen nur den Zweck
haben können, den Leser zu orientiren, an welche Stelle des Systems
bekanntere oder in der Literatur häufiger genannte Formen hingehören,
dass es dagegen nicht die Aufgabe eines in das Studium einführenden
Lehrbuches sein kann, systematische Bestimmungen zu ermöglichen.
Bei der Umarbeitung hat die Darstellung im Einzelnen viele
Veränderungen erfahren. Am erheblichsten sind diese Veränderungen
bei den Lamellibranchiern und Schwämmen ausgefallen. Auf dem Gebiet
des Lamellibranchier-Systems sind von vielen Seiten, besonders von
Neumatr, Pelseneer, Jackson, Grobben u. A. Versuche gemacht
worden, die alte unhaltbar gewordene Eintheilung nach den Siphonen und
Adductoren durch ein neues System zu ersetzen. Die Versuche haben
zu sehr verschiedenen Resultaten geführt, je nachdem bei ihnen das
Hauptgewicht auf die Beschaffenheit der Schale oder der Weichtheile
gelegt worden ist. Keines der vorgeschlagenen Systeme hat bisher
vermocht, sich in weiteren Kreisen einzubürgern. Daher habe ich
mich entschlossen, unter Benutzung der systematischen Erwägungen,
zu denen die genannten Forscher gelangt sind, selbständig vorzugehen
und eine neue, Weichkörper und Schale gleichmässig berücksichtigende
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VI
Vorrede.
Eintheilung in Protoconchen und Heteroconchen dnrchzuführen. Die
hierbei sich ergebende Anordnung der Familien stimmt im Wesent-
lichen mit der Anordnung überein, welche in dem demnächst er-
scheinenden Lehrbuch der Palaeontologie von Zittel durchgeführt ist
Mein Freund und College Geheimrath v. Zittel hatte die Güte, mir
die betreffenden Correcturbogen seines Lehrbuches zur Einsicht zu-
zusenden. Ich benutze die Gelegenheit, ihm hierfür meinen besten
Dank zu sagen, sowie Herrn Privatdocenten Dr. Maas, welcher
freundlichst die Neubearbeitung der Spongicn durchgesehen hat.
Bei der Correctur der Druckbogen hat mir Herr Privatdocent
Dr. Hofer, bei der Revision des Registers Herr Dr. Scheel bei-
gestanden. Auch diesen beiden Herren besten Dank!
München, im October 1894.
Richard Hertwig.
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Inhaltsverzeichniss.
Seite
Einleitung 1
Gesohiohte der Zoologie 5
Entwicklung der systematischen Zoologie 6
Entwicklung der Morphologie 'J
Reform des Systems 14
(«eschiehte der Deszendenztheorie 16
Darwinsche Theorie 20
Allgemeine Zoologie 46
I. Allgemeine Anatomie 47
1. Die Fonnbestandthcile des thierischen Körpers 47
-'. Die Gewebe, des thicrischen Körpers 57
1. Ki>ithclfrowcbe . 58
2. Bindesubstanzen 67
.). Mibkt -lgewi-be TS
4. Nervengewebe 76
Zusammenfassung 78
3. Umbildung der Gewebe zu Organen 80
Vegetative Organe 82
A. Organe <lrr Ernährung -SLJ
I. Dann Ki
II. Respirationsorgane 86
III. Circulationaorgane 88
IV. Excretignsorgane 92
B. GeM'hlechteorgant' 94
Animale Organe 97
I. Fortbewegungsorgane 97
II. Ncrvciisystriu '.'7
III. Sinnesorgane
Zusammenfassung 105
4. Promorphologie 100
II. Allgemeine Entwicklungsgeschichte 111
1. Generatio spontanea 111
VIII Inhaltsverzeichnis«.
2. Tocogonic 113
a) Ungeschlechtliche Fortpflanzung 113
b) Geschlechtliche Fortpflanzung 114
c) Cmnbinirte Fortpfianzungsweison 110
Allgemeine Erscheinungen der geschlechtlichen Fortpflanzung . . . 118
1. Eircifc 118
2. Befruchtung 119
3. FurcluingsprtK'css 122
4. Bildung der Keimblätter 126
5. Verschiedene Formen der geschlechtlichen Entwicklung . . . 130
Zusammenfassung 132
IH. Beziehungen der Thiere zu einander 134
1. Beziehungen zwischen Individuen derselben Art 134
2. Beziehungen zwischen Individuen verschiedener Arten . . . 137
IV. Thier und Pflanze 140
V. Geographische Verbreitung der Thiere 142
Speolelle Zoologie 147
I. Stamm. Protozoen IIS
I. Classe. Rhizopodcn 151
1. < >nln. Minieren 1~>3
1 1. ( )rdn. Ami.lmien 1">4
III. Ordn. Heliozocn 154
IV. Ordn. Kadiolarien 1~JÜ
V. Ordn. Thalamophoren 160
VI, Ordn. Mycctoy.oe» 103
II. ('.'lasse. Fhigi Haien 101
I. Ordn. Autoflag> Unten 164
II. Ordn. Dinoflagellaten 166
III. Ordn. Cystoflagellaten 166
III. Classe. Ciliatcn 168
T. Ordn. Hnlotrirh«. 112
II. Ordn. Heterotriehen 172
III. Onln. Pcritrichen 173
IV. Ordn. Hyi>otrichen 175
V. Ordn. Suctorien 175
IV. Classe. ("tregarinarien 176
Zusammenfassimg 178
Metazoen 1S1
IL Stamm. Coeleiiteraten 181
I. Unterstamm. Spongien x 183
I. Classe. Poriferen 183
I. Onln. t 'aleispongien 1^0
II. Ordn. Silicispongicn 186
II. I fitei staiiim. ( 'ni<lari< ri 183
II. ('lasse. H vdro/nen 1S!I
I. I'ntcrclassc. tlydromedusen 189
I. Ordn. Hydrarien 198
II« Ordn. Hvdrocorallinen 198
III. Ordn. Tuhiilario-Anthonieduaen 198
Inhaltsverzeichnis««.
IX
Seite
IV. Onln. Cainpannlttrio-I^ptonuduseii . . . .
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II. Onln. Acnuthncfphalrii
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III. 1 ntiTflas-f. HiriKUtio'ii
VI. Clause. Entcropneiistcn
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IX. Clause. Brachioixxlen
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IH. Clas~e. Erhinoüleen :{()_'
I. < >nln. J v< iilur*
II. Onln. Irreguläre- :{(>.'>
IV. Cla-^-. Holothnrien 3<h;
I. Onln. Penaten .{OS
II. Onln. Ajnuhs Mts
Zn-ainiih nla^Illiif .'jus
V. S t a tu in. Mollusken 310
I. ('lasse. Ainphinetireii 31.~>
II. ('lasse. I,aniellil>ranehier 31«>
I. Onln. I'nit'K-oiirhfii 3'23
II. Onln. IIeten>e< »liehen .{24
III. ( 'la--f. ( 'i plial"pli"l< n ,VJ\\
I. ( >nin. ' >|.i-lliMiir;in, |iicr .tili
II. Onln. l'ntsohranehier 33.~>
III. Onln. Hrtrr<HMxlc-n 337
IV. l >nln. Ptenipo'l' n 33S
Y. ( l'llllllnilMtcil .TIS
VI. Onln. Sca|>ho]MKl«-n 331»
IV. ('hisse. ( 'ephal<n**len 34Q
I. Onln. Tetrahraneliialen !U.S
1 1. t tnln. 1 >il>iaiic liiali n .: 4'.'
/ai-aiiumiita-Hihi:
VI. St am in. Arthropoden 3.V-'
I. l'nterstatntu 3<>_
I. ('lasse. Crnstaeeen 3ti-J
I. I Iii' nla--' . l-'.nl -■ n u 1 1 - 1 ; ak' ii - 1 < > T
I. Onln. Ch|m'Jmx1cii 3»>7
II. Onln. Hiaiu-liiMiKMlni 370
III. Onln. Ostiaenden 374
I V. < )nin. > 'ii ri[n <|j< i) \
Anhang 37S
\'. Onln. Xiphosunn 37H
VI. Onln. TrÜohitrn :t7!»
VII. Onln. Oigantostraken 3*0
II. I "iil'ivla^r, M.-il;iki^l rak> n ü^1
I. Legion. Ivlrinplithaliii'-ii 3s-_?
1. < >n In. Aiiipilip.ti Ii 'ii 3Vi
II. i min. 1-ip ni. ü :;->!
II. Legion. Thoraeostraken 3S<i
I. Onln. SchiznpiMlm 3N>
II. Onln. Stoniatopoilen 3.N7
III. Onln. DrcatMHl.n :4ss
II. I'nterstaniin. Traeheaten 3!>4
II. ('lasse. Pn »traeheaten 3H.">
III, ('lasse. Mviiap<Kl.n W7
I. < >nln. 1 )ipl"p<Hirn ■!'.>7
H. Onln. CliilMp,„irn 3!>s
IV. Ha*-, ll.-r.'M, I"l
I. Onln. Apteryiroten 410
II. Onln. Anhiptenn 411
♦
Inhaltsverzeichnis». XI
Sehe
III. Ordn. Prrh'»pt.Ti-ti 117
IV. Ordn. Xcuropteren 4\U
V. Onln. Oleopteren 420
< >r» 1 ii . 1 1 y 1 1 n ■ 1 1 1 n 1 1 » - t*i ■ 1 1 422
V 1 1. Onln. Uh\ nchntnt 425
VIII. Ordn. Dipteren 427
IX. Ordn. Aphaniptcren 42!'
\. Prdl(. LrpidupttTi'li 1-".'
V. C'lasse. Araelmoideen 431
I. I'ntcrclasse. Arthropastres 434
134
II. Onln. Phrynoidccn 43.")
III. Ordn. Scorpionidcen 435
IV. Ordn. Psendoseorpiunidecn 430
V. Onln. l>h:il:miri"id<-'ii 437
II. Unterela-^e. Sphaeropastres 437
VI. Ordn. Aranern 437
VII. Ordn. Aearinen 440
VIII. Ordn. Linpuattdiden 441
IX. ( >nln. Tanlii;radi-n 4L'
Anhanp. Pvcnoponiden 443
Zusaminenfa^snup 443
VII. Stamm. Wirbelthiere 447
I. Unterstamm. Anamnien 4S4
I. Clause. Acranier 4S4
IT. ('lasse. ("velostomen 4.S7
TU. Clause. Fische 41H)
I. Onln. Ela*mohranchier 7><)2
II, ( >nln, ( iatmideii ">«"'»
III. Ordn. T.-lcoHti>T 7><>7
IV. Onln. Pipticusten ■ - ■ 7» 12
IV. ( 'lii-M'. A niphil i"k ii 7>n
I. Ordn. Inxlelen 7>lt)
II. Onln. Annren 7)20
III.* >nln. ( ivii)ii<>]ihii'iH ii . . , 521
II. Unterstamni. Antidoten 7>21
V. Claasc. Keptilien 7)22
1. l'nterclasse. I>epidusanrier 527
I. Ordn. Saurier 7)28
II. Ordn. Ophidier 7)211
II. L'ntercla*se. Hydronaurier • • 532
III. Onln. CheK.nier 532
IV. Ordn. (Voeodilirr 534
Anhang 531
VI. ('hisse. Vögel 535
I, l'nt. n Iii— . Iv.irit. n ">13
1. Ordn. l'ureort» 541
II. Unten-lasse. ('arinaten • • 544
II. < >nln. ( iallmar. i 544
III. Onln. Colninhinen 54.)
IV. Ordn. Natatore* 545
XII Inhalt* Verzeichnis
Seite
V. Ordn. Grallatorcri ">47
VI. Ordn. Seansnres 547
VII. Ordn. Passere?» 548
VIII. Ordn. Raptatores 548
III. Untcrclasse. Odontornithe* 34'.*
IV. Unterelaswe. 8aururen 540
VII. Ciasso. Sauget liiere 54! >
I. Unterelasso 5*>2
I. Ordn. Monotremen 502
II. Untereln^sc. Marsupialier 5»x{
II. ( >nlll. Zo' i]»lia^i'II ~ ttitt
III. Ordn. Phytophagcn 5<ij
III. Unterc-lase. Placcntalien 5<i5
IV. Ordn. Kdi-ntateii 5«S7
V. Ortin. Cetomorphen 5(»8
VI. Ordn. Ungulateu 5<><»
VII. Ordn. Pr<>l>ns<idirr 57:1
VIII. ( )rdn. Kodenfi. n .'>74
IX. ( Irdn. I nsivl ivi imi 575
X. Ordn. Cluroptoren 570
XI. ( >rdn. ( 'ariiivurni .">77
XII. Ordn. Prrwimien 578
XIII. Ordn. Primates 571)
Zusammenfassung 581
Einleitung.
Der Mensch, welcher vorurteilsfrei die Natur zu beobachten ge-
lernt hat. sieht sich inmitten einer bunten Mannichfaltigkeit von Orga-
nismen, welche ihm in ihrem Bau und mehr noch in ihren Lebens-
erscheinungen Aehnlichkeit mit dem eigenen Wesen verraten. Die
Aehnlichkeit tritt ihm bei vielen Säugethieren. besonders dem menschen-
ähnlichen Affen mit der Deutlichkeit einer Carricatur entgegen, ver-
wischt sich bei den wirbellosen Thieren, lässt sich aber selbst bei den
niedersten Lebewesen, deren Kenntniss wir der Hilfe des Microscops
verdanken, noch nachweisen, wenn auch hier die Lebensvorgänge,
welche in unserem Körper eine staunenswerte Complication und Voll-
kommenheit erreicht haben, nur mittelst einer eingehenden Durch-
forschung in ihren einfachsten (irundzügen erkannt werden können.
Der Mensch ist Theil eines grossen Ganzen, des Thierrcichs. eine Ge-
stalt unter den vielen Hunderttausenden von Gestalten, in denen die
thierische Organisation zum Ausdruck gelangt.
Will man den Hau des Menschen daher vollkommen verstehen,
so muss man ihn auf dem Hintergrund betrachten, welchen die
Organisationsverhältnisse der übrigen Thiere bilden . und zu dem
Zweck diese Organisationsverhältnisse erforschen. Derartige Bestre-
bungen waren es, denen die wissenschaftliche Thierkunde oder die
Zoologie ihre Entstehung und fortdauernde Förderung verdankte; sie
sind auch heute noch vollkommen berechtigt und dürfen von dem
Zoologen nicht vernachlässigt werden. Allein inzwischen hat sich die
Aufgabe der Zoologie erweitert : auch unabhängig von den Beziehungen
zum Menschen hat der Zoologe die Gestalten der Thiere und
das Yerhältniss derselben zu einander zu erklären. Es ist das ein
reiches Feld wissenschaftlicher Thätigkeit, dessen ungeheure Aus-
dehnung bedingt wird einerseits von der fast unerschöpflichen Mannich-
faltigkeit der thierischen Organisation, andererseits von der Ver-
schiedenartigkeit der Gesichtspunkte, mit denen der Zoologe
an die Lösung seiner Aufgaben herantritt.
In der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts galt, wenn auch nicht
ausschliesslich, so doch überwiegend, in wissenschaftlichen Kreisen die
Auffassung, welche sich jetzt noch unter Laien als die herrschende
erhalten hat, dass die Zoologie die Aufgabe habe, die einzelnen Thiere
mit Namen zu belegen, nach wenigen leicht erkennbaren Merkmalen
Her t» Ig, Lehrbuch der Zojlugic. 3. Aull ige. \
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2
Einleitung.
zu charakterisiren und in einer die schnelle Bestimmung ermöglichendem
übersichtlichen Weise anzuordnen. Unter Thierkunde verstand man
Systematik der Thiere. das heisst nur einen Theil der Zoologie, sogar
einen Theil von untergeordneter wissenschaftlicher Bedeutung. Diese
Auffassungsweise ist im Lauf der letzten 4 Decennien mehr und mehr
in den Hintergrund gedrängt worden. Der Ehrgeiz, möglichst viele neue
Formen beschriehen zu haben und durch ausgebreitete Artenkenntniss
zu glänzen, gehört einer vergangenen Zeit an; man ist sogar dahin
gelangt, die Systematik mehr als billig zu vernachlässigen. Um so
mehr beherrschen Morphologie und Physiologie das
Arbeitsgebiet des Zoologen.
"ST ^e Morphologie oder die Formenlehre beginnt mit der Er-
scheinungsweise des Thieres und hat zunächst Alles zu beschreiben,
was äusserlich erkannt werden kann, wie Grösse, Farbe, Proportion
der Theile. Da aber die äussere Erscheinung eines Thieres sich nicht
verstehen lässt ohne Kenntniss der inneren, die äusseren Formen be-
dingenden Organe, so muss der Morphologe sich diese mit Hilfe der
Zergliederung, der Anatomie, ebenfalls zugängig machen und nach
ihrer Form und Verbindungsweise schildern. Er macht mit dieser
Untersuchung nicht eher Halt, als bis er an den morphologischen
Elementen oder den feinsten Formtheilen des thierischen Körpers,
den Zellen, angelangt ist. Ueberall hat es der Morphologe hierbei
mit Formverhältnissen zu thun ; nur die Hilfsmittel, mit denen er Ein-
blick in dieselben gewinnt, sind verschieden, je nachdem er durch un-
mittelbare Beobachtung, oder nach vorhergegangener Zergliederung
mit Messer und Scheere , oder durch Anwendung des Microscops
die Erfahrungen sammeln muss. Daher ist es nicht gerechtfertigt,
Morphologie und Anatomie einander gegenüber zu stellen und ersterer
nur die Beschreibung der äusseren, letzterer die Schilderung der inneren
Theile zuzuweisen. Diese Unterscheidung ist logisch nicht aufrecht zu
erhalten, da die Art der Erkenntniss und die geistige Methode der
P'orschung in beiden Fällen die gleichen sind; die Unterscheidung ist
ausserdem unnatürlich, da in vielen Fällen Organe, welche gewöhnlich
in das Innere des Körpers verlagert sind und zu ihrer Erkenntniss
eine anatomische Präparation voraussetzen, der KörperoberHäche an-
gehören und einer directen Beschreibung zugängig sind, da ferner
manche Thiere vermöge ihrer Durchsichtigkeit auch in ihren inneren
Theilen ohne Zergliederung durchforscht werden können,
ifieu-heod». ^ 'e nun t"r Je^e Wissenschaft, so gilt auch für die Morphologie
Anatomie. (\ev Satz , dass die Anhäufung von Beobachtungsmaterial nicht aus-
reicht, um ihr den Charakter einer Wissenschaft zu geben, dass es
dazu vielmehr noch der geistigen Verarbeitung bedarf. Eine solche
wird durch die Vergleichung der anatomischen Befunde erzielt. Der
Morphologe vergleicht die Thiere unter einander nach ihrem Bau, um
zu ermitteln, was von Organisation überall wiederkehrt, was nur auf
enge Kreise, vielleicht nur auf die Repräsentanten einer Art beschränkt
ist. Er erzielt dabei einen doppelten Gewinn : erstens erhält er einen
Einblick in die Verwandtschaftsverhältnisse der Thiere und damit die
Grundlage zu einer natürlichen Systematik; zweitens weist er eine die
Organismen beherrschende Gesetzmässigkeit nach. Der einzelne Orga-
nismus ist nicht ein Gebilde, welches für sich entstanden und daher
auch vollkommen aus sich heraus erklärbar ist ; er steht vielmehr in
einem gesetzmässigen Abhängigkeitsverhältniss zu den übrigen Gliedern
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Einleitung.
des Thierreichs. Man kann seinen Bau nur verstehen, wenn man ihn
mit näher und weiter verwandten Thieren, z. B. den Menschen mit den
übrigen Wirbelthieren und manchen niederen wirbellosen Formen, ver-
gleicht. Es handelt sich hier um eine der rätselhaftesten Erscheinungen
in der Organismenwelt, deren völlige Erklärung erst durch die Descen-
denztheorie angebahnt worden ist. wie bei der Darstellung der letzteren
gezeigt werden soll.
Zur Morphologie gehört als ein wichtiger integrierender Bestand- o»toiwie.
theil die Ontogenie oder die Entwicklungsgeschichte. Nur
wenige Thiere sind am Anfang ihrer individuellen Existenz in allen
ihren Theilen fertig gebildet : meist entstehen sie aus dem Ei, einem
verhältnissmässig einfachen Körper, und gewinnen erst allmählig auf
dem Wege complicirter Formwandlungen ihre bleibende Gestalt. Der
Morphologe muss in möglichst lückenloser Reihe die einzelnen Form-
zustände durch Beobachtung feststellen , sie mit dem ausgebildeten
Thiere und mit dem Bau und den Entwicklungsstadien anderer Thiere
vergleichen. Hierbei offenbart sich ihm dieselbe Gesetzmässigkeit, welche
den Bau der ausgebildeten Thiere beherrscht, deren Erkenntnis» sowohl
für die Systematik als auch für die ursächliche Erklärung der Thier-
formen von fundamentaler Bedeutung ist. Die Entwieklungszustände
des Menschen verrathen gesetzmässige Uebereinstimmung nicht nur
mit dem Bau des ausgebildeten Menschen, was an und für sich ja
begreiflich wäre, sondern auch mit dem Bau niederer Wirbelthiere,
wie der Fische, ja selbst vieler Thiere aus den Gruppen der Wirbel-
losen.
Wie der Morphologe den Bau, so hat der Physiologe die ph^r*
Lebenserscheinungen des Thieres und die Functionen seiner Organe zu
erforschen. Früher hielt man das Leben für die Aeusserung einer be-
sonderen, nur in den Organismen thätigen Lebenskraft und verzichtete
damit auf eine endgiltige Erklärung des Lehensproeesses. Die moderne
Physiologie hat die Theorie von der Lebenskraft verlassen: sie hat den
Versuch begonnen, das Leben in eine Summe äusserst complicirter
chemisch - physikalischer Processe aufzulösen und somit die auf dem
Gebiet des Anorganischen herrschenden Erklärungsprincipien auch auf
das Organismenreich zu übertragen. Die Erfolge, welche auf diese
Weise erreicht worden sind, lassen erkennen, dass der eingeschlagene
Weg der richtige ist.
Da jede organische Form ein Product ihrer Entwicklung ist, da
ferner die Entwicklung sich uns als eine Summe mannichfaltigster
Lebensprocesse darstellt, so ist die Erklärung der organischen Körper-
formen in letzter Instanz auch ein physiologisches Problem, freilich
ein Problem, dessen Lösung noch in unendlich weiter Zukunft liegt.
Was in dieser Richtung thatsächlich geleistet worden ist, bewegt sich
in den allerdürftigsten Anfängen und ist äusserst wenig, selbst im Ver-
gleich zu dem. was Vielen schon fälschlicherweise als erreicht erscheint.
Insofern als für jeden Organismus die Beziehungen zur Aussenwelt »wonr.
durch sejne Lebensäusserungen vermittelt werden, gehört zur Physio-
logie, oder reiht sich ihr wenigstens an, die Lehren von den Existenz-
bedingungen der Thiere, die 0 e k o 1 o g i e . vielfach auch die B i o 1 o g i e
genannt. Diese Disciplin hat besonders in der Neuzeit eine hervor-
ragende Bedeutung gewonnen. Wie sich die Thiere über den Erdball
verbreiten, wie Klima und Bodenbeschatt'enheit ihre Verbreitung beein-
flussen, wie durch die genannten Factoren Bau und Lebensweise der
1*
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Einleitung.
Thiere verändert werden, das sind Fragen, welche jetzt mehr denn je
erörtert werden.
Schliesslich gehört in das Gebiet der Zoologie auch die Paläo-
zoologic oder die Paläontologie, die Lehre von den ausgestor-
benen Thieren. Denn zwischen ausgestorbenen und lebenden Thieren
besteht ein genetischer Zusammenhang: jene sind die Vorläufer von
diesen und ihre Versteinerungen die sichersten Documenta der Ge-
schichte der Thierwelt, der Stammesgeschichte oder der Phytogen ie.
Wie in menschlichen Dingen der derzeitige Zustand sich nur historisch
vollkommen begreifen lässt. so muss auch vielfach der Zoologe zur
Erklärung der lebenden Thierwelt die Resultate der Paläontologie
heranziehen.
In der hier erläuterten Weise würde die Zoologie zu umgrenzen
sein, wenn man sich ausschliesslich von wissenschaftlichen Gesichts-
punkten aus leiten lassen wollte. Praktische Rücksichtnahmen haben
jedoch manche Moditicationen nöthig gemacht. Wegen ihrer hervor-
ragenden Bedeutung für die Medicin haben sich menschliche Anatomie
und Entwicklungsgeschichte zu selbständigen Wissenszweigen ausge-
bildet. Von einer Thierphysiologie sind nur die allgemeinsten Grund-
züge entworfen : eine speciellere Physiologie existirt nur für den
Menschen um! die ihm nahestehenden Wirbelthiere : sie ist aus den
genannten Gründen ebenfalls zu einer besonderen Disciplin geworden.
Auch die Paläontologie hat neben ihren specitisch zoologischen Auf-
gaben die Bedeutung einer Hilfswissenschaft für die Geologie erhalten,
indem sie die Materialien zur Charakteristik und Abgrenzung der
einzelnen Erdperioden und der den Perioden entsprechenden Erd-
schichten liefert. Wenn man daher jetzt von Zoologie spricht so hat
man vorwiegend Morphologie und Systematik der lebenden
Thiere mit Berücksichtigung ihrer allgemeinen Lebens-
e r s c h e i n u n g e n im Sinne.
Die Anschauungen, welche ich hier vom Wesen der Zoologie aus-
gesprochen habe, sind nicht zu allen Zeiten dieselben gewesen. Wie
jede Wissenschaft, so hat auch die Zoologie sich alhnählig entwickelt:
es wechselten mit einander Zeiten und Strömungen, in denen die syste-
matische oder die morphologische oder die physiologische Betrachtungs-
weise der Thiere vorherrschte. Es ist nun von hohem Interesse,
einen kurzen Ueberblick von den wichtigsten Entwieklungsphasen der
Zoologie zu gewinnen. Der Leser wird den Fragen, welche jetzt die
zoologische Forschung beherrschen, ein erhöhtes Verständniss entgegen-
bringen, wenn er weiss, wie sie sich historisch herausgebildet haben.
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t
Geschichte der Zoologie.
In der Geschichte der Zoologie kann man zwei grosse Strömungen
unterscheiden, welche in einzelnen Männern sich berührt oder vereinigt
haben, welche aber im Grossen und Ganzen sich doch unabhängig,
vielfach sogar in ausgesprochenem Gegensatz zu einander entwickelt
haben : es sind dies einerseits die systematische, andererseits die mor-
phologisch-physiologische Betrachtungsweise der Thiere. Wir werden
sie in diesem kurzen geschichtlichen Ueberblick der Klarheit halber
auseinanderhalten müssen, wenn auch der Gegensatz beider Richtungen
in den Anfängen der zoologischen Forschung noch fehlte und auch
später sich vielfach verwischt hat.
Mit dem Ehrennamen eines ..Vaters der Naturgeschichte" hat man Arutoteiw.
den grossen griechischen Philosophen Aristoteles geziert und damit
zum Ausdruck gebracht, dass die Bruchstücke des zoologischen Wissens
seiner Vorgänger nicht in Vergleich gesetzt werden können mit dem
wohlgeordneten Bau, in welchem Aristoteles seine und seiner Vor-
gänger Kenntnisse vom Wesen der Thiere zusammengefasst hat. In
Aristoteles vereinigten sich günstige äussere Bedingungen mit gün-
stiger geistiger Beanlagung. Ausgerüstet mit den literarischen Hilfs-
quellen einer umfangreichen Bibliothek und den für naturhistorische
Untersuchungen damals noch mehr als jetzt unerlässlichen Geldmitteln,
vertrat er die induetive Methode, welche aHein im Stande ist, auf dem
Gebiete der Naturwissenschaften sichere Fundamente zu liefern. Seine
zoologisch wichtigsten, leider nur zum Theil erhaltenen Werke sind die
..Historia animalium". ..De partibus" und ..De generatione". drei Werke,
in welchen die Zoologie als eine universelle Wissenschaft begründet
wurde, indem Anatomie und Entwicklungsgeschichte. Physiologie und
Systematik gleichmässig Berücksichtigung fanden. Wie weit Aristo-
teles — selbstverständlich neben vielem Irrthümlichen — in der
richtigen Erkenntniss des Baues und der Entwicklungsweise der Thiere
gelangt ist, wird am schlagendsten der Hinweis erläutern, dass manche
seiner Entdeckungen erst in diesem Jahrhundert ihre Bestätigung ge-
funden haben. So wusste Aristoteles, was erst von Joh. Müller
wieder neu entdeckt worden ist. dass manche Haie nicht nur lebendig
gebären, sondern dass bei ihnen auch der Embryo im Uterus der Mutter
festwächst und eine an die Placenta der Säugethiere und des Menschen
erinnernde Nährvorrichtung bildet ; er kannte den Unterschied männ-
licher und weiblicher Cephalopoden, und dass die jungen Tintenfische
einen mundständigen Dottersack besitzen.
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Entwicklung der systematischen Zoologie.
Von grossem Interesse ist, wie sich Aristoteles zur Systematik
der Thiere verhalt. Er erwähnt in seinen Schriften die stattliche Zahl
von etwa ftf.H.) Thierarten : da er sehr bekannte Formen wie Dachs,
Libelle etc. nicht nennt, kann man mit Sicherheit annehmen, dass ihm
sehr viel mehr noch bekannt waren, dass es ihm nicht nothwendig
erschien, alle ihm bekannten Formen aufzuführen, dass er sie nur
nannte, wenn es ihm darauf ankam, gewisse physiologische oder mor-
phologische Verhältnisse an ihnen zu erläutern.
Dieses Zurücktreten des systematischen Interesses kommt auch
darin zum Ausdruck, dass der grosse Philosoph sich mit 'J systematischen
Kategorien begnügte, mit eldo^, Speeles oder Art, und ytrng oder Gruppe.
Seine acht ytvr. u/yioia würden etwa den ('lassen der modernen Zoologie
entsprechen ; sie sind Ausgangspunkt aller späteren (Tassiticationsver-
suche geworden und mögen daher hier aufgeführt werden :
1. Säugethiere \Zvmro'/.ovvia *v mro/\,).
'2. Vögel (opi'j #£&;).
3. Eierlegende Vierfüssler [itiQtiinda i<'tnio/.otria).
4. Fische (tzltvE<;).
f>. Weichthiere (uaXcr/.ta).
(>. Kruster (iiala/.öaiQct/.a),
7. Insekten (tvinita).
8. Schalt hiere [6oTQccAndt'(ftuant).
Auch die Zusammengehörigkeit der vier ersten Gruppen hat Ari-
stoteles herausgefühlt, indem er sie. ohne allerdings damit eine Ein-
tlieilung durchfühlen zu wollen, als Mutthiere treu /tu (besser Thiere mit
rothem Wut) den Mutlosen ärmita (besser Thiere mit farblosem oder
gar keinem Mut) gegenüberstellt.
Entwicklung der systematischen Zoologie,
Ks ist eine höchst überraschende Erscheinung, dass im Anschluss
au die Schriften des Aristoteles, in denen die Systematik zurück-
tritt und nur dazu dient, die anatomischen Verwandtschaftsverhältnisse
der Thiere zum Ausdruck zu bringen, sich eine exclusiv systematische
Richtung entwickelt hat. Die Erscheinung ist nur verständlich, wenn
man berücksichtigt, dass es sich hier nur um ein äusserliches Anknüpfen
handelt.dass dagegen die geistige Continuität der Forschung vollkommen
unterbrochen war. einerseits durch den Verfall und schliesslich gänz-
lichen Zusammenbruch der Bildung des classischen Alterthums, anderer-
seits durch das siegreiche Vordringen der christlichen Weltauffassung.
Den Verfall der eben erst aufgeblühten zoologischen Forschung be-
kunden schon die Schriften des IMinius. Nachdem der römische Feld-
herr und Gelehrte lange Zeit als ein hervorragender Zoologe des Alter-
thunis gefeiert worden ist. räumt man ihm jetzt nur noch die Stelle
eines nicht einmal glücklichen Compilators ein. der aus anderen Schriften
kritiklos Richtiges und Fabulöses zusammengetragen und die naturge-
mässe Classification der Thiere nach ihrem Hau durch die unnatürliche,
rein äusserliche Kintheilung nach ihrem Aufenthaltsort (Flugthiere,
Landthiere, Wasserthierei ersetzt hat.
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Entwicklung der systematischen Zoologie.
Was weiter «las Auftreten des Christenthums anlangt, so hatte SjSJj2fJ,J
dasselbe zunächst eine vollkommene Vernichtung des naturwissen-
schaftlichen Wissens und Forschens zur Folge. Der weltflüchtige
Charakter, welcher von Haus aus der christlichen Weltautfassung cigen-
thümlieh war. führte zu einer feindseligen Stimmung gegen jede geistige
Beschäftigung mit Naturobjecten. Es kam eine Zeit, in der man
Fragen, welche durch die einfachste Beobachtung gelöst werden konnten,
durch mühsames gelehrtes Durchstöbern der Werke maassgebender
Autoren zu entscheiden suchte. Die Frage, wie viel Zähne das Pferd
besitzt, wurde in vielen Streitschriften abgehandelt, welche das schwere
Geschütz der Autoren in das Feld führten, ohne dass aber einer der
Gelehrten Veranlassung genommen hätte, einem Pferde in das Maul
zu sehen. Bezeichnend für diese das ganze Mittelalter beherrschende
Geistesrichtung ist der Physiologus oder Bestiarius. ein Buch, aus
welchem die Verfasser mittelalterlicher zoologischer Schriften vielfach
geschöpft haben. Das Buch nennt in seinen verschiedenen Auflagen
und Ausgaben etwa 70 Thiere. darunter viele Fabelwesen: Drache,
Einhorn, Phönix etc. Auch sind die über die einzelnen Thiere mit-
getheiten Erzählungen zumeist Fabeln, erfunden, um religiöse oder
ethische Lehren zu erläutern. In gleicher Weise spielt das religiöse
Moment eine wichtige Rolle in den bändereichen Naturgeschichten der
Dominicaner Albertus Magnus und Vincentius Bellovaeen-
sis und des Augustiners Thomas C an ti m pratensis, wenn auch
dieselben im l'ebrigen die lateinische Uebersetzung des Aristoteles,
dio Werke des Plinius und anderer Autoren des Alterthums bei ihrer
Darstellung als Grundlage benutzten.
Unter solchen Verhältnissen musste man es als einen gewaltigen wouon.
Fortschritt betrachten, dass man nach Ausgang des Mittelalters, als
das Interesse an wissenschaftlicher Forschung von Neuem erwachte,
auf die ausschliesslich von naturwissenschaftlichen Gesichtspunkten ge-
leitete Betrachtungsweise des Aristoteles zurückgriff. In diesem Sinn
kann als ein Erneuerer des Aristoteles der Engländer Wotton be-
zeichnet werden, welcher l.Y>2 sein Werk „de ditferentiis animaliuni"
schrieb, in dem er das System des Aristoteles im Wesentlichen copirte,
nur dass er die Gruppe der Pflanzenthiere oder Zoophyten neu auf-
nahm. Indessen schon der Titel ..über die unterscheidenden Merk-
male der Thiere" lässt erkennen, dass von dein reichen Schatz des
Aristotelischen Wissens vorwiegend die systematischen Resultate Auf-
nahme gefunden haben; und so inaugurirt denn auch das Werk
Wotton 's die Periode der systematischen Zoologie, welche in dem
P^ngländer Ray, noch mehr aber in Linne ihre glänzendsten Ver-
treter gefunden hat.
Linne, Sprössling einer schwedischen Pfarrersfamilie, welche Linne-
ihren Namen „Ingemarsson" nach einer Linde an dem Pfarrhaus in
Lindelius verwandelt hatte, wurde im Jahre 1707 in Rashult geboren.
Von seinen Lehrern für untauglich zum Studium erklärt, wurde er
durch den Einfluss eines Arztes, der die glänzenden (iahen des Knaben
richtig erkannte, vor dem Schicksal, das Schusterhandwerk zu lernen,
bewahrt und für das medicinische Studium gewonnen. Er studirte in
Lund und Xrpsala, machte als junger Mann von 2* Jahren ausgedehnte
Reisen nach dem Continent und gewann sich schon damals die An-
erkennung der hervorragendsten Fachgenossen : 1741 wurde er Pro-
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Entwicklung der systematischen Zoologie.
fessor der Mediein in Upsala. wenige Jahre später Professor der
Katurgeschichte. Sein Tod erfolgte im Jahre 177*.
Linne's wichtigstes Werk ist sein ..Systema Naturae", welches
im Jahre 1735 in erster, im Jahre 17t>(> — Ii* in XII. Auflage erschien
und sogar nach seinem Tode eine letzte (XIII.), von Gmelin besorgte
Auflage erlebte. Dasselbe ist Grundlage geworden für die systema-
tische Zoologie, indem es zum ersten Mal 1 j eine schärfere Gliederung
des Systems. '2) eine bestimmte wissenschaftliche Terminologie, die
binäre Nomenclatur. und .')) kurz gefasste klare Diagnosen einführte.
Hei der Gliederung des Systems verwandte Linne 4 Kategorien: er
theilte das ganze Thierreich in Classen. die Gassen in Ordnungen,
diese in Genera, die Genera endlich in Arten ein; der Begriff der
Familie war dem Systema Naturae fremd. Noch wichtiger war die
binäre Xomenclatur. Bis dahin waren in der wissenschaftlichen
Welt die Yulgärnamen üblich, was zu vielen Mißständen geführt
hatte: dieselben Thiere wurden mit verschiedenen, verschiedenartige
Thiere mit gleichen Namen belegt: in der Benennung neu entdeckter
Thiere herrschte kein allgemein giltiges Princip. Diese Uebelstände
wurden von Linne in der X. Autlage seines Systems vollkommen be-
seitigt durch Einführung einer besonderen wissenschaftlichen Be-
nennung. Ein vorangestelltes Hauptwort bezeichnet die Gattung, zu
welcher das Thier gehört, ein zugefügtes zweites Wort, meist ein Ad-
jectiv. die jedesmalige Art innerhalb der Gattung. Die Namen Canis
familiaris, Canis lupus, Canis vulpes sagen aus. dass Hund, Wolf und
Fuchs einander nahe stehen, indem sie zu derselben Gattung, zur
Gattung der hundeähnlichen Thiere. gehören, innerhalb deren sie be-
sondere Arten bilden. Die Linne'sche Benennungsweise war nament-
lich bei der Beschreibung neuer Arten von grosser Bedeutung, inso-
fern sie den Leser gleich von Anfang darüber orientirte. in welche
verwandtschaftlichen Beziehungen die neue Species zu bringen sei.
Bei der Charakteristik der einzelnen systematischen Gruppen brach
Linne vollkommen mit dem bis dahin üblichen Brauch. Seine Vor-
gänger, wie G essner, Aldrovandi. hatten in ihren Naturgeschich-
ten von jedem Thier eine langathmige und ausführliche Schilderung
gegeben, in welcher das, was besonders charakteristisch für das Thier
war und bei seiner Bestimmung vornehmlich Berücksichtigung ver-
langte, für den Anfänger kaum herauszufinden war. Dafür führte
Linne kurze Diagnosen ein, welche in wenigen, nicht einmal in Satz-
form gefassten Worten nur das zum Erkennen Nothwendige enthielten.
Damit war der Weg gefunden, mittelst dessen es möglich wurde, bei
der enorm wachsenden Zahl bekannter Thiere die Uebersichtlichkeit
zu bewahren.
In den hier zur Genüge hervorgehobenen grossen Vorzügen der
Linne sehen Systematik lagen nun aber gleichzeitig auch die Keime zu
der einseitigen Entwicklung, welche unter dem Eintiuss Linne 's die
Zoologie genommen hat. Die unzweifelhaft nothwendig gewordene
logische Durchbildung der Systematik machte diese zu einer glänzen-
den Erscheinung, welche darüber täuschte, dass sie nicht Endzweck
der Forschung, sondern nur ein wichtiges und unentbehrliches Hilfs-
mittel derselben sei. In der Freude, die Thiere zu benennen und zu
elassihciren. ging das höhere Ziel der Forschung, das Wesen des
Thieres zu erkennen, verloren, und es erlahmte das Interesse für
Anatomie, Physiologie und Entwicklungsgeschichte.
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Entwicklung der Morphologie.
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Man kann diese Vorwürfe dem Vater der Richtung, Linn «5, selbst
nicht ersparen. Indem er in seinem Systema Naturae eine ausser-
ordentlich viel grössere Zahl von Thierarten bewältigte als irgend ein
früherer Zoologe, hat er keine Vertiefung unserer Kenntnisse herbei-
geführt. Die Art. wie er das Thierreich eintheilte. ist im Vergleich
zum Aristotelischen System eher ein Rückschritt als ein Fort-
schritt zu nennen. Linne theilte das Thierreich in <> Gassen: Mam-
nmlta, Ares, Amphibia, Pisces, Insecta, Verntes. Die 4 ersten Classen
entsprechen den 4 Gruppen der Blutthiere des Aristoteles: mit der
Eintheilung der wirbellosen Thiere in Vermes und Insecta steht
Linne, unzweifelhaft hinter Aristoteles zurück, welcher, zum Theil
sogar mit Glück, versucht hatte, eine grössere Anzahl von Gruppen
aufzustellen.
Noch mehr aber als bei Linne treten uns die Schäden der syste-
matischen Betrachtungsweise bei seinen Nachfolgern entgegen. LinntTs
Diagnosen waren ebensoviel Schablonen, welche mutatis mutandis mit
leichter Mühe auf neue Arten angewandt werden konnten. Es be-
durfte dazu nur des Austausches der die Unterschiede zum Ausdruck
bringenden Beiworte. Bei den 100 Tausenden verschiedener Thier-
arten, namentlich Insectenarten, fehlte es nicht an Material, und so
war die Arena geebnet für die geistlose Specieszoologie. welche in
der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts «bis Ansehen der Zoologie im
Kreise der Gebildeten geschädigt hat. Es wäre Gefahr gewesen, dass
die Zoologie sich zu einem babylonischen Thurmbau von Artbeschrei-
bungen ausgewachsen hätte, wenn nicht durch das Erstarken der
physiologisch -anatomischen Betrachtungsweise ein Gegengewicht ge-
schaffen worden wäre.
Entwicklung der Morphologie.
Die vergleichende Anatomie — denn um diese handelt es sich J"1",™!"
hier vornehmlich — hat ihre Ausbildung lange Zeit über vorwiegend »«*«• An«r-
den Vertretern der menschlichen Anatomie zu verdanken gehabt, wo- Uiun15'
mit es denn zusammenhing, dass bis in die Neuzeit die vergleichende
Anatomie zu der medicinischen Facultät gerechnet wurde, wahrend die
Zoologie, als ob sie eine ganz andere Disciplin wäre, der philosophi-
schen Facultät angehörte. — Schon die Schüler des Hippocrates
trieben Thieranatomie, um sich nach dem Bau anderer Säugethiere
ein Bild von der Organisation des Menschen zu machen und damit
eine sichere Unterlage für die Diagnose der menschlichen Krankheiten
zu gewinnen. Das in dieser Hinsicht hervorragendste Werk des clas-
sischen Alterthums, die berühmte menschliche Anatomie von Clau-
dius Galen us (Dl— 2()1 n. Chr.). stützte sich vorwiegend auf Be-
obachtungen, welche an Hunden, Alfen etc. gesammelt worden waren.
Denn im Alterthum und später auch im Mittelalter hielt eine begreif-
liche Scheu den Menschen zurück, den menschlichen Leichnam zum
Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen zu machen.
Auch für die Anatomie erwies sich das erste Jahrtausend, in Mittelalter.
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10
Entwicklung der Morphologie.
welchem das Christenthum die herrschende Macht im geistigen Lehen
der Volker bildete, als völlig unfruchtbar: man hielt sich im Grossen
und Ganzen an die Schriften des Galen und die Werke seiner
Commcntatoren und nahm nur selten Veranlassung, ihre Richtigkeit
durch eigene Beobachtungen zu erproben. Erst mit dem Ausgang
des Mittelalters brach sich das Interesse für selbständige wissenschatt-
v *at jj(.jK, Forschung Hahn. Vesal. der Schöpfer der modernen Anatomie
(lf>14 — lf)i>4). hatte den Muth. menschliche Leichen genau zu unter-
suchen und in den Schriften des Galen zahlreiche Irrthümer nachzu-
weisen, welche dadurch entstanden waren, dass unberechtigter Weise
Thierbefunde auf den menschlichen Korper übertragen worden waren.
Durch seine Correcturen des Galen gerieth Vesal mit seinem Lehrer
Sil vi us, einem energischen Vorkämpfer der Galenschen Autorität,
und seinem berühmten Zeitgenossen Eustachius in einen heftigen
Streit, der viel zur Entwicklung der vergleichenden Anatomie beige-
tragen hat. Zunächst wurden Thieranatomieen nur gemacht, um die
Ursachen der Galenschen Irrthümer aufzudecken, später aber auch
aus Lust und Liebe zur Sache. Es ist begreiflich, dass in erster
Linie die Wirbelthiere Berücksichtigung fanden, da sie dem Menschen
im Hau am nächsten stehen und am meisten zum Vergleich heraus-
fordern. So erschienen noch im gleichen Jahrhundert mit Vesals
menschlicher Anatomie die Abbildungen von Wirbelthierskeletten
durch den Nürnberger Arzt Coiter. die anatomischen Schriften von
Fabricius ab A q ua p en den t e etc. Später wandte sich aber auch
das Interesse den Insccten und MoI/usJcen, ja selbst den im Meere
wohnenden Echinodermcn , den Coel enteraten und Protozoen zu. Hier
verdienen vor Allem drei Männer genannt zu werden, welche am Ende
Az«HUCmiJ,!r''(ls IT. Jahrhunderts lebten, der Italiener Marcello Malpighi und
die Holländer Swammerdaiu und Leeuwenhoek. Des ersteren
„Disscrtatio de bombi/ee" war bahnbrechend für die Inscctenanatomie,
indem sie durch die Entdeckung der Vasa Malpighi. des Herzens, des
Nervensystems, der Tracheen etc. eine ausserordentliche Hereicherung
unseres Wissens herbeiführte. Von S w a m m e r d a m ' s Schriften ist
vor Allem die ..Hibel der Natur" hervorzuheben, ein Werk, dem sich
kein anderes der damaligen Zeit zur Seite stellen lässt. indem es
Aufschlüsse von einer bewundernswerthen Genauigkeit über den Hau
der Bienen , Eintagsfliegen , Schnecken etc. enthält. L e e u w enhook
endlich ist der glücklichste Entdecker gewesen auf dem Gebiete der
von ihm in die Wissenschaft eingeführten microscopischen Forschung;
vor Allem lehrte er neben vielerlei Anderem auch die kleinen He-
wohner des Süsswassers. die „Inf'usionsthierchen" kennen, deren ge-
nauere Untersuchung zu einem vollständigen Umschwung in unseren
Autfassungen vom Wesen der thierischen Organisation geführt hat.
Das grosse Verdienst der genannten Männer besteht vornehmlich
darin, dass sie gründlich mit dem Staub der Büchergelehrsamkeit auf-
räumten und. indem sie sich nur auf ihre eigenen Augen und ihr
eigenes Urtheil verliessen, den Menschen das gänzlich verloren ge-
gangene Gut selbständiger und unbefangener Beobachtung wiederge-
wannen. Sie trugen das Interesse für Naturbeobachtung in die
weitesten Kreise, so dass im ls. Jahrhundert die Zahl selbständiger
naturwissenschaftlicher Schriften eine ganz ausserordentliche Ver-
mehrung erfuhr. Mit Bau und Entwicklung der Insccten befasste
sich in Schweden de Geer. in Frankreich Reauinur. in Belgien
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Entwicklung der Morphologie.
11
Lyon et. in Deutschland Hösel von Rosenhof; letzterer schrieb
zugleich eine noch jetzt lesenswerthe Monographie der einheimischen
Batrachier. Namentlich aber bildete die Untersuchung der Infusorien
eine Lieblingsbeschäftigung für Gelehrte und Laien, wie Wrisberg,
v. Gleichen-Russwurm, Schaff er, Eichhorn, 0. F. Müller.
In den meisten Schriften tritt der religiöse Charakter der Natur-
betrachtung ausserordentlich in den Vordergrund, wie denn unter den
Schriftstellern zahlreiche Geistliche. Eichhorn in Danzig. Goeze in
(Quedlinburg. Sc h äffer in Regensburg, sich einen ehrenvollen Platz
errungen haben, ein Zeichen, dass es zu einer Aussöhnung zwischen
Christenthum und Naturbeobachtung gekommen war. Um einen
Maassstab für die im Verhältniss zu früheren Jahrhunderten gemachten
Fortschritte zu gewinnen, bedarf es nur eines Vergleichs der Ab-
bildungen. Jeder Laie wird den Unterschied zwischen den dürftigen
Zeichnungen eines Aldrovandi und den ganz meisterhaften Bildern
eines Lyon et oder Röscl von Rosenhof auf den ersten Rück
erkennen.
So war durch den Fleiss zahlreicher von Liebe zur Natur er-
fülltet* Männer ein reiches anatomisches Material zusammengetragen den a»»u>-
worden, welches nur der geistigen Verarbeitung bedurfte; und diese n,,e-
geistige Verarbeitung wurde durch die grossen vergleichenden Ana-
tomen, welche am Ende des vorigen und am Anfang des jetzigen
Jahrhunderts lebten, herbeigeführt oder wenigstens angebahnt. Unter
denselben sind vor Allem die französischen Zoologen Lamarck.
Savigny, Geoffroy St. Hilaire, Cuvier und die Deutschen
Meckel und Goethe zu nennen.
Indem man die einzelnen Thiere auf ihren Hau hin unter einander com»»!.™
Aar TlkPilf*
verglich, gelangte man schon damals zu einer Reihe wichtiger Grund-
gesetze, vor Allem des Gesetzes der Correlation der Theile und
des Gesetzes der Homologie der Organe. Ersteres stellte fest,
dass ein Abhängigkeitsverhältniss zwischen den Organen eines und
desselben Thieres besteht, dass locale Veränderungen an einem ein-
zelnen Organ auch zu Veränderungen an entfernt liegenden Punkten
des Körpers führen, dass man daher aus der Beschaffenheit gewisser
Theile auf die Beschaffenheit anderer Körperabschnitte einen Rück-
schluss inachen könne. Namentlich benutzte Cuvier dieses Princip,
um aus den paläontologischen Resten sich das Aussehen ausgestorbener
Thierfonnen zu reconstruiren. — Noch wichtiger wurde die Lehre von
der Homologie der O r g a n e. Man lernte an den Organen der
Thiere zwischen einem anatomischen und einem physiologischen Cha- UBi.<£a"
rakter unterscheiden: der anatomische Charakter ist die Summe aller
anatomischen Merkmale, wie sie in Gestalt, Structur, Lagebeziehung
und Verbindungsweise der Organe gegeben sind: der physiologische
Charakter ist ihre Function. Anatomisch gleiche Organe werden bei
nahe verwandten Thieren meist auch dieselbe Function haben, wie
z. B. die Leber sämmtlicher Wirbelthicre die Function hat. Galle zu
bereiten; hier gehen anatomische und physiologische Charakteristik
Hand in Hand. Indessen muss dies nicht der Fall sein: vielmehr
kann es vorkommen, dass ein und dieselbe Function, wie z. B. die
Athinuug der Wirbelthiere, von anatomisch verschiedenartigen Organen
besorgt wird, bei den Fischen durch die Kiemen, bei den Säugethieren
durch die Lungen. Umgekehrt können anatomisch gleichwertige
Organe, wie Lunge der Säugethicrc und Schwimmblase der Fische,
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I
12 Entwicklung der Morphologie.
verschiedene Functionen besitzen: gleiche Organe können somit von
einer Thicrabtheilung zur anderen einen Functions Wechsel er-
fahren: der hydrostatische Apparat der Fische ist bei den Säuge-
thieren zun» Sitz der Respiration geworden. — Organe gleicher Func-
tion, physiologisch gleichwertige Organe, nennt man nun analog;
Organe von gleicher anatomischer Beschaffenheit, anatomisch gleich-
werthige Organe, nennt man dagegen homolog. Als Aufgabe der
vergleichenden Anatomie wurde erkannt, in den verschiedenen Thier-
abtheilungen die homologen, die anatomisch gleichwertigen Organe
ausfindig zu machen und sie auf ihren durch Functionswechsel be-
dingten Wandlungen zu verfolgen.
emior Der hervorragendste Vertreter der vergleichend-anatomischen
Richtung war Georges Dagobert Cuvier. Derselbe war in dem
damals noch württembergischen Städtchen Mömpelgardt (Montbeillard)
17ii!> geboren und genoss seine Ausbildung auf der Carlssehule bei
Stuttgart, wo er durch Kielmeyer, dem gegenüber er dauernd
grosse Verehrung bewahrt hat. für die vergleichende Anatomie ge-
wonnen wurde. Die Gelegenheit, die sich ihm bot. als Hauslehrer
des Grafen d'Heriey an das Meer zu kommen, benutzte er zu seinen
Epoche machenden Untersuchungen über den Bau der Mollusken. Im
Jahre 17H4 siedelte er. besonders auf Veranlassung seines späteren
grossen Gegners Geoffroy St. Hilaire, nach Paris über, wo er
zunächst Professor der Naturgeschichte an den Centralsehulen und
dem College de France, später Professor der vergleichenden Anatomie
am Ptlanzcngarteu wurde. Als Zeichen des grossen Ansehens, in
welchem Cuvier stand, sei noch hervorgehoben, dass er wiederholt
mit hohen Stellungen im Cultusministerium betraut und zum Pair
von Frankreich ernannt wurde. Als solcher starb er im Jahre
Cuviers Untersuchungen erstreckten sich, abgesehen von
den Mollusken, auf die Coelenteraten, Arthropoden und Wirbefthiere,
lebende wie fossile: seine ausgedehnten Erfahrungen über den Bau
der Thiere sammelte er in seinen zwei Hauptwerken „Le regne animal
distributf d'apres son Organisation" und „Lecons d'anatomic comparee".
Von ganz Epoche machender Bedeutung war die kleine Schrift ..Sur
un rapprochement ä etablir entre les differentes classes des animaux'N
in welcher er die berühmte Typentheorie begründete und mit der-
selben im Jahre 1*12 eine vollkommene Reform der Systematik herbei-
thLrriö ^u'irtt>* Uuvier'schc Eintheilung, welche Ausgangspunkt für alle
weiteren Classificationen geworden ist. unterscheidet sich äusserlich
von allen früheren Systemen darin, dass sie die Hassen der Säuge-
thiere, Vögel, Reptilien und Fische unter dem von Lamarck ein-
geführten Namen „Wirbel thiere" zu einer höheren Einheit zu-
sammenfasse dass sie ferner die sogenannten „Wirbellosen" in drei
weitere den Wirbelthieren gleichwertige Einheiten abtheilt: „Mollus-
ken, Articulateti und Radinten". Cuvier nannte diese über den
Classen stehenden Einheiten Provinzen oder Hauptzweige (en-
b r a n c h e m e n t s) , wofür dann später durch B 1 a i n v i 1 1 e der Name
„Typen" eingeführt wurde Noch wichtiger aber sind die Unter-
schiede, welche sich in der inneren Begründung des Systems aus-
sprachen. Anstatt wie frühere Systematiker einige wenige, vielfach
äusserliche Merkmale bei der Eintheilung zu benutzen, stützte sich
Cuvier auf die Gesammtheit der inneren Organisation, wie sie in
dem Lageverhultniss der wichtigsten Organe, besonders des die An-
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Entwicklung der Morphologie.
13
Ordnung der übrigen Organe bestimmenden Nervensystems, zum Aus-
druck kommt. ..Der Typus ist das Lagcverhältniss der
Theile" (v. Baer). Hiermit wurde zum ersten Male die vergleichende
Anatomie zur Bildung eines natürlichen Systems der Thiere heran-
gezogen.
Schliesslich begründete die Typentheorie eine ganz neue Auf-
fassung von der Anordnung der Thiere. Cuvier fand als herrschende
Ansicht die Lehre vor. dass alle Thiere eine einzige zusammenhängende,
vom niedersten Infusor bis zum Menschen aufsteigende Reihe bilden;
innerhalb dieser Reihe werde die Stellung eines Thieres ausschliess-
lich von seiner Organisationshöhe bestimmt. Dagegen lehrte Cuvier,
dass das Thierreich aus mehreren coordinirten Einheiten, den Typen,
bestehe, welche gänzlich unabhängig neben einander existiren, inner-
halb deren es wiederum höhere und niedere Formen gebe. Die
Stellung eines Thieres werde durch zwei Factoren entschieden, in
erster Linie durch seine Zugehörigkeit zu einem Typus, durch den
Bauplan, welchen es repräsentire, in zweiter Linie erst durch seine
Organisationshöhe, durch die Stufe, welche ihm innerhalb seines Typus
zukomme.
Zu denselben Resultaten, welche Cuvier auf vergleichend-ana- v«r-
tomischem Wege förderte, gelangte C. E. v. Baer zwei Decennien f£SSS?
später mit Hilfe der Entwicklungsgeschichte. — Innerhalb der Zoologie Jx;,;,..
ist die Entwicklungsgeschichte eine der jüngsten Disciplinen
gewesen. Was Aristoteles darüber von sachlichem Material
kannte, was Fabricius ab Aquapendente und Malpighi
über die Entwicklungsgeschichte des Hühnchens geschrieben haben,
erhebt sich nicht über den Werth von Aphorismen, die nicht genügen,
um eine Wissenschaft auszumachen. Der Beobachtung standen hier
viele durch die Zartheit und Kleinheit der Entwicklungszustände ver-
anlasste Schwierigkeiten entgegen, deren Bewältigung die Ausbildung
des Microscops und der microscopischen Technik voraussetzte. Ferner
traten die herrschenden philosophischen Anschauungen hinderlich in
den Weg. Man glaubte überhaupt nicht an eine Entwicklungsgeschichte
im heutigen Sinne des Wortes. Jeder Organismus sei gleich von An-
fang an in allen seinen Theilen fertig angelegt und bedürfe nur des
Waehsthums, um seine Organe zu entfalten (Evolutio): entweder das
Spermatozoon sei das junge Wesen, welches im Nährboden des Eies
die günstigsten Wachsthumsbedingungen vorfände; oder das Ei reprä-
sentire das Individuum und werde durch das Spermatozoon zur ..Evo-
lutio4* angeregt. In ihren weiteren Consequenzen führte die Theorie
zur Lehre der Einschachtelung. welche besagt, dass im Eierstock der
Eva die Keime aller Menschen, welche bisher gelebt haben und noch
leben werden, eingeschachtelt gewesen seien.
Dieser Lehre trat 17fii» Caspar Friedrich Wolff mit seiner wo«.
„Theoria generationis" entgegen ; er suchte an der Hand der Beobach-
tung zu beweisen, dass (las Ei des Hühnchens anfänglich ohne jede
Organisation sei. und dass in ihm erst allmählig die einzelnen Organe
auftreten. Im Embryo solle eine Neubildung aller Theile, eine Epi-
genesis. stattfinden. Dieser erste Angriff gegen die Schule der
Evolution verlief gänzlich resultatlos, zumal da A. von Haller. der
berühmteste Physiologe des vorigen Jahrhunderts, mit allem seinen
Einfluss die Lehre von der Epigenesis unterdrückte. Wolff selbst
vermochte nicht, sich einen wissenschaftlichen Wirkungskreis in
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I
14 Reform des Systems.
Deutschland zu erringen und musste nach Russland auswandern. Erst
nach seinem Tode fanden seine Schriften durck Oken und Meckel
die gebührende Anerkennung.
c.E.T.B»er. §0 n|jeb es denn Carl Ernst v. Baer vorbehalten, in seinem
classischen Werk: ..Die Entwicklung des Hühnchens, Beobachtung
und Reflexion" (1832) die Entwicklungsgeschichte als eine selbständige
Disciplin zu begründen. liaer bestätigte die Lehre Wolff's von
dem Auftreten blattartiger Anlagen, aus denen die Organe abstammen,
und wurde durch die Genauigkeit, mit welcher er diesen Nachweis
führte, der Begründer der Keimblättertheorie. Ferner kam er
zum Resultat dass jeder Typus nicht nur seinen besonderen Bauplan,
sondern auch seine besondere Entwicklungsweise besitze, dass für die
Wirbelthiere eine Evolutio bigemina. für die Articulaten die Evolutio
gemina, für die Mollusken die E. contorta und für die Radialen die
E. radiata charakteristisch sei. Wir begegnen hier zum ersten Mal
der Idee, dass für die richtige Beurtheilung der verwandtschaftlichen
Beziehungen der Thiere und somit für die natürliche Systematik die
Resultate der vergleichenden Entwicklungsgeschichte unentbehrlich
seien, eine Idee, die sich in der Neuzeit als ausserordentlich frucht-
bringend erwiesen hat.
JJJ™- Für die weitere Ausbildung der vergleichenden Anatomie und
Entwicklungsgeschichte war von fundamentaler Bedeutung der Nach-
weis, dass alle Organismen sowie alle ihre Entwicklungsformen sich
aus denselben Elementen, den Zellen, zusammensetzen. Diese Er-
kenntniss ist die Quintessenz der Zellentheorie, welche in den dreis-
siger Jahren dieses Jahrhunderts von Schwann und Schleiden
vorgetragen und zwei Jahrzehnte später durch die Protoplasmatheorie
Max Schultze's vollkommen reformirt wurde. Durch die Zellen-
lehre wurde für alle Lebewesen, für hoch oder niedrig organisirte
Pflanzen und Thiere. ein einheitliches Organisationsprincip gefunden
und zugleich das umfangreiche Gebiet der Histologie oder Ge-
webelehre einer wissenschaftlichen Behandlung zugängig gemacht.
Reform des Systems.
Man kann sagen, dass mit der Begründung und systematischen
Verwerthung der vergleichenden Anatomie und Entwicklungsgeschichte
und mit der Entwicklung der Zellentheorie und der Gewebelehre die
Fundamente der Zoologie gelegt worden sind. Die seitdem verflossene
Zeit hat vornehmlich «lern Ausbau des Gebäudes gedient. Ungeheure
Fortschritte wurden auf dem Gebiete der Wirbelthieranatomie durch
die classischen Untersuchungen von Owen. Job. Müller, Rathke,
Gegenbaur u. A. erzielt: unsere Vorstellungen von Organisation
wurden vollkommen reformirt durch die Arbeiten Dujardin's. Max
Schnitzes. H a e c k e Ts u. A.. welche die Einzelligkeit der niedersten
Thiere nachwiesen. Die Iveiniblättcrthcorie wurde weiter ausgebaut
von Remak. Kölliker und von Kowalewski, Haeckel.
Huxley auch auf die wirbellosen Thiere übertragen. Es würde den
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Reform des Systems.
Rahmen dieses kurzen historischen Abrisses Überschreiten, wenn wir
noch weiter hineinziehen wollten, was auf dem Gebiete der übrigen
Stämme des Thierreichs geleistet worden ist; wir müssen uns daher
begnügen, die wichtigsten Reformen zu erwähnen, welche das Cu-
vier'sche System unter dem Einfluss wachsender Erkenntniss er-
fahren hat.
Von den 4 Typen Cu vier 's war der Stamm der Badiaten un-
zweifelhaft derjenige, dessen Vertreter dem französischen Gelehrten,
mit Ausnahme der Medusen, am wenigsten bekannt waren ; daher war
er auch am wenigsten naturgemäss zusanimengefasst, indem er ausser
den radial-symmetrischen Coelenteraten und Echinodermcn Formen ent-
hielt, welche, wie die Würmer, bilateral-symmetrisch oder, wie viele
Infusorien, ganz asymmetrisch beschaffen sind. So kam es, dass die
meisten Reformen hier ihre Angriffspunkte gefunden haben.
C. Th. v. Siebold ist der Urheber der ersten wichtigen Reform /^il
gewesen. Er beschränkte den Typus der Radiatm oder, wie er ihn
bezeichnete, der Zoophyten auf die Thiere von radial-symmetrischem
Bau {Echinodermcn und Pflanzenthierc), trennte alle übrigen ab, und
zwar bildete er aus den niedriger stehenden einzelligen Organismen
den Stamm der Urthiere oder Protozoen : die höher organisirten Thiere
fasste er als „Vermes" oder „Würmer" zusammen; gleichzeitig fügte
er einen Theil der Articulaten, die Anneliden, dem Würmerstamm zu
und führte für die übrigen Articulaten, die Krebse, Tausend füssler,
Spinnen und Insecten, den Namen Arthropoden ein.
Ein Jahrzehnt später löste Leuckart den Stamm der Radialen i
in 2 Stämme von sehr verschiedener Organisationshöhe auf; die nie-
deren Formen, bei denen noch keine besondere Leibeshöhle vorhanden
ist und das Innere des Körpers von nur einem der Verdauung die-
nenden Hohlraumsystem . dem Darm, eingenommen wird, nannte er
Coelenteraten (im Wesentlichen die Zoophyten der älteren Zoologen);
für den Rest, bei denen Darm und Leibeshöhle als 2 getrennte Hohl-
räume neben einander vorkommen, behielt er den Namen Echtno-
dermen bei.
So würden sich im Ganzen 7 Typen ergeben: Protozoen, Coelen-
teraten, Echinodermen, Würmer, Arthropoden, Mollusken, Vertebraten.
Diese Eintheilung entspricht noch nicht vollkommen den Ansprüchen,
welche man an ein natürliches System zu stellen berechtigt ist. Von
den Mollusken hat man auf Grund gewichtiger anatomischer und ent-
wicklungsgeschichtlicher Merkmale die Brachiopoden , Bnjozoen und
Tunicalen abgelöst: sie bilden einen Gegenstand divergenter Ansichten.
Die verwandtschaftlichen Beziehungen der ersten beiden Gruppen sind
noch nicht vollkommen aufgeklärt: von den Tunicalen wissen wir zwar,
dass sie den Vertebraten nahe verwandt sind, können sie aber den-
selben nicht unterordnen, da sie ganz wesentliche Unterschiede im
Hau zeigen. Di der Neuzeit hat sich das Bestreben bemerkbar ge-
macht, solche kleine aberrante Gruppen zu selbständigen Stämmen des
Thierreiches zu erheben, ein Verfahren, welches nur dazu führen kann,
die Uebersichtlichkeit und praktische Verwerthbarkeit des Systems zu
schädigen. Ich habe es daher vorgezogen, die betreffenden Formen
als Anhang zum Stamm der Würmer zu behandeln, und habe diesem
Lehrbuch die Eintheilung in 7 Stämme, wie sie soeben historisch ent-
wickelt wurde, zu Grunde gelegt.
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1(3
Geschichte der Desceudenztheorie.
Geschichte der Descendenztheorie.
Elie wir die geschichtliche Einleitung beenden, müssen wir noch
die historische Entwicklung einer Frage in s Auge fassen, welche bei
oberflächlicher Betrachtung in ihrer Bedeutung leicht unterschätzt
wird, welche aber aus kleinen Anfängen zu einem die zoologische
Forschung vollkommen beherrschenden Problem herangewachsen ist
und mit ihren Consequenzen nicht nur die Zoologen, sondern alle
Kreise von allgemeinerem wissenschaftlichem Interesse beschäftigt hat
Es ist die Frage nach dem logischen Werth der systematischen Begriffe
Art, Gattung. Familie etc.
In der Natur finden wir nur Einzelthiere vor; wie kommt es nun,
dass man dieselben in grössere und kleinere Gruppen zusammenfasst?
Sind die einzelnen Arten, Gattungen und die übrigen Abtheilungen,
welche der Systematiker unterscheidet, unveränderliche Grössen, gleich-
sam Grundideen der Natur oder, wenn man will. Schöpfungsgedanken,
welche in den Einzelformen zum Ausdruck kommen V Oder sind es
Abstractionen. die der Mensch in die Natur hineinträgt, um dieselbe
seinem Begriffsvermögen verständlich zu machen ? Sind die Art- und
Gattungsnamen nur durch das Wesen unseres Begriffsvermögens noth-
wendig gewordene Ausdrücke für die Abstufungen der Verwandtschafts-
kreise in der Natur, welche an und für sich nichts Unabänderliches
sind und daher auch einem allmähligen Wandel unterliegen können?
In die Praxis übersetzt, lautet das Problem: sind die Arten constant
oder veränderlich? Was für die Arten gilt, muss notwendigerweise
für alle übrigen Kategorien des Systems Geltung besitzen, welche
sämmtlich in letzter Instanz auf dem Artbegriff beruhen.
Einer der ersten, welcher über den Artbegriff nachgedacht hat,
ist der Vorläufer Linne s, der Engländer .lohn Ray. Bei dem Ver-
suche, für das. was man unter einer Art versteht, eine bestimmte De-
finition zu geben, stiess er auf Schwierigkeiten. In der Praxis rechnet
man Thiere, welche wenig von einander im Bau und in der Erschei-
nungsweise abweichen, zu derselben Art. Dieses praktische Verfahren
lässt sich theoretisch nicht verwerthen : denn es giebt Männchen und
Weibchen innerhalb derselben Art, welche, sich anatomisch mehr von
einander unterscheiden als die Repräsentanten verschiedener Arten.
So gelangte John Ray zu der genetischen Definition des Artbegriffs,
indem er sagte: Es giebt für die Pflanzen kein anderes sicheres Merk-
mal der Artzusammengehörigkeit als der Ursprung aus dem Satneu
specitisch oder individuell gleicher Pflanzen ; d. h. für alle Organismen
generalisirt : Zu einer und derselben Art gehören die Individuen,
welche von gleichen Voreltern stammen.
Mit Ray's Worten war ein völlig uncontrolirbares Element in
die Definition des Artbegriffs hineingetragen worden, da kein Syste-
matiker etwas darüber weiss oder überhaupt etwas darüber wissen
kann, ob die Repräsentanten einer von ihm aufgestellten Art von
gleichgearteten Eltern abstammen. So war es denn natürlich, dass
der Artbegriff bald ein theologisches Gewand erhielt, indem er durch
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Geschichte der Descendenztheorie.
17
Anlehnen an religiöse Vorstellungen fester gestützt wurde. Linn 6
sagte: „Tot sunt species, quot ab initio creavit infinitum Ens"; er
baute damit den Artbegriff auf den Traditionen der Mosaischen
Schöpfungsgeschichte auf, ein Verfahren, welches naturwissenschaftlich
ganz unstatthaft ist, da es einen der grundlegenden Begriffe aus tran-
scendentalen Anschauungen, nicht aus dem Bereich der naturwissen-
schaftlichen Erfahrung ableitet Auch erwies sich die Linn6'sche
Definition sofort als unhaltbar, sowie die Paläontologie anfing das
umfangreiche, in Versteinerungen niedergelegte Material ausgestorbener
Thiere zugängig zu machen. Mit abenteuerlichen Phantasien hatte
man lange Zeit die unbequem werdenden Versteinerungen ausserhalb
des Bereichs wissenschaftlicher Forschung gehalten ; es seien Spiele der
Natur, hiess es. oder Reste der Sintfluth, oder Einflüsse der Sterne
auf die Erde, oder Producte einer Aura seminalis, einer befruchtenden
Luft, die, wenn sie organische Körper befalle, zur Bildung von Thicren
und Pflanzen führe, wenn sie aber auf anorganisches Material sich
verirre, Petrefacten erzeuge. Derartigen wüsten, schon von Lionardo,
da Vinci, Hooke, Buffon und anderen vorurteilsfreien Männern
bekämpften Speculationen wurde durch die Begründung der wissen-
schaftlichen Paläontologie durch Cuvier endgiltig ein Ziel gesetzt
C u v i e r wies in überzeugender Weise nach, dass die Versteinerungen
Reste vorweltlicher Thiere seien. Wie der Aufbau der Erdkruste aus
verschiedenen über einander lagernden Schichten die Unterscheidung
verschiedener Perioden der natürlichen Erdgeschichte ermögliche, so
lehre die Paläontologie auch verschiedene Perioden in der pflanzlichen
und thierischen Lebewelt unseres Erdballs kennen. Jede Erdperiode
sei durch eine besondere, ihr vollkommen eigenthümliche Thierwelt
charakterisirt gewesen; diese Thierwelt habe sich um so mehr von
der jetzt lebenden unterschieden, je älter die Erdperiode sei, der sie
angehörte. Alle diese Verallgemeinerungen führten Cuvier zu seiner
Kataklysmentheorie. Das Ende jeder Erdperiode sei durch eine ge-
waltige* Umwälzung bezeichnet, welche alles Leben vernichtet habe;
auf dem neugeschaffenen, jungfräulichen Boden sei eine neue Thier-
welt constanter Arten entstanden.
Durch die Annahme zahlreicher Schöpfungsacte schien der Linnd-
sche Speciesbegriff gerettet zu sein, freilich durch das Aufgebot von
Hilfshypothesen, welche weder naturwissenschaftlich gestützt, noch
theologisch zu rechtfertigen waren. C u v i e r ' s Kataklysmentheorie
führte bei consequenter Durchführung zur Vorstellung eines Schöpfers,
der eine Thierwelt aufbaut, um sie nach einiger Zeit wie ein lästig
gewordenes Kinderspielzeug zu zertrümmern ; sie hat daher zu keiner
Zeit warme Vertheidiger gefunden, am wenigsten bei den Geologen,
für welche sie zunächst bestimmt war. Von hervorragenderen Zoo-
logen ist nur Louis Agassiz zu nennen, welcher der Lehre bis zu
seinem Lebensende treu geblieben ist
Unter diesen Verhältnissen ist es denn begreiflich, dass denkende
Naturforscher, welche das Bedürfniss hatten, das Wesen der orga-
nischen Natur einheitlich und aus den allgemein herrschenden Natur-
gesetzen zu erklären, an der Constanz der Arten zu zweifeln anfingen
und zu der Lehre von der Umbildung der Formen, zur Descendenz-
theorie, geführt wurden.
Schon zu Zeiten Cuvier's herrschte eine kräftige descendenz-
theoretische Strömung: sie fand Ausdruck in England in den Schriften
Hartwig, Lcnrtiuch dor Zoologie. 3. Aufläse. 2
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18
Geschichte der Deszendenztheorie.
von Erasmus Darwin (Grossvater des berühmten Charles Darwin),
in Deutschland nicht nur in den Werken Goethe 's, Oken's und
der Anhänger der naturphilosophischen Schule; in Frankreich wurde
die Abstammungslehre vornehmlich von Buffon, Geoffroy St.
Hilaire und Lamarck ausgebaut. Ihren vollgiltigsten Ausdruck
fand sie in der 1809 erschienenen „Philosophie zoologique"
Lamarcks, an deren Ideengang wir uns daher im Folgenden auch
halten wollen.
,Mck- Lamarck (Jean Baptiste de Monet, Ritter von Lamarck, 1744
in der Picardie geb., 1820 als Professor am Pflanzen garten gestorben),
lehrte, dass auf der Erde zunächst Organismen von einfachstem Bau
auf natürlichem Wege aus unbelebten Stoffen durch Urzeugung ent-
standen seien. Von diesen einfachsten Lebewesen hätten sich im Laufe
von unermesslich grossen Zeiträumen die jetzt lebenden Arten der
Thiere und Pflanzen durch langsame Umbildung entwickelt, ohne dass die
Continuität des Lebens auf unserem Erdball jemals eine Unterbrechung
erfahren habe: Endpunkt dieser Reibe sei der Mensch; die übrigen
Thiere seien die Descendenten der Formen, aus denen der Mensch
sich entwickelt habe. Lamarck fasste entsprechend den damals herr-
schenden Anschauungen das Thierrcich als eine einzige vom nieder-
sten Urthier bis zum Menschen aufsteigende Reihe auf. Unter den
Ursachen, welche die Veränderung und Vervollkommnung der Organis-
men bewirken sollten, betonte Lamarck am meisten die Uebung und
die NichtÜbung; die Giraffen sollen lange Hälse bekommen haben,
weil sie durch besondere Lebensbedingungen gezwungen waren, sich
zu strecken, um hochbelaubte Bäume abzuweiden; umgekehrt hätten
sich die Augen der im Dunkeln wohnenden Thiere aus mangelndem
Gebrauch zu functionslosen kleinen Körperchen rtickgebildet. Un-
wichtiger sollen die directen Einwirkungen der Aussenwelt sein; die
Veränderungen der Umgebung („le monde ambiant" Geoffroy St
Hilaire 's) sollen auf Thiere zumeist indirect wirken, indem sie die
Bedingungen für die Uebung der Organe verändern.
Lamarck' s geistvolle Schrift blieb bei seinen Zeitgenossen fast
unbeachtet; dagegen kam es ls;U) in der Pariser Academie zu einem
heftigen Conflict zwischen Gegnern und Anhängern der Entwicklungs-
lehre, zwischen Cuvier und Geoffroy St Hilaire. Der Conflict
endete mit einer vollständigen Niederlage der Descendenztheorie ; die
Niederlage war eine so vollständige, dass das Problem auf längere
Zeit vollkommen aus der wissenschaftlichen Discussion verschwand,
und die Lehre von der Artconstanz wieder zur herrschenden wurde.
Dieser Misserfolg war durch vielerlei Gründe veranlasst Zunächst
war die Theorie Geoffroy's und Lamarck's mehr eine geistreiche
Conception. als dass sie sich auf ein reiches empirisches Material ge-
stützt hätte; ausserdem hatte sich in sie als ein fundamentaler Irr-
thum die Lehre von der einreihigen Anordnung der Thierwelt ein-
geschlichen. Dem entgegen stand C u v i e r ' s grosse Autorität und
sein umfassendes Wissen, welch letzteres es ihm leicht machte, zu
zeigen, dass das Thierreich aus einzelnen coordinirten Gruppen, den
Typen, bestehe.
Ljeii. In demselben Jahr, in welchem Cuvier seinen für lange Zeit
entscheidenden Sieg über Geoffroy St. Hilaire erfocht, wurde
gegen seine Theorie von der Aufeinanderfolge zahlreicher Thierwelten
auf unserem Erdball der erste verderbliche Schlag geführt Cuvier's
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Geschichte der Descendenztheorie.
19
Kataklysmentheorie hatte eine doppelte Seite, eine geologische und
eine zoologisch-botanische. Cuvier leugnete die Continuität der ein-
zelnen Erdperioden wie die Continuität der ihnen zukommenden
Faunen und Floren. In den Jahren 1830 — 1832 erschienen nun die
„Principles of Geology" von Lyell, ein epochemachendes Werk,
welches endgiltig auf dem Gebiet der Geologie die Kataklysmentheorie
beseitigte. Lyell wies nach, dass man der gewaltigen Erdrevolutionen
nicht bedürfe, um die Umwandlung der Erdoberfläche und die Ueber-
lagerung ihrer Schichten zu erklären, dass vielmehr die allzeit wirk-
samen Kräfte, die Hebungen und Senkungen, die nagende Wirkung
des Wassers, möge es als Ebbe und Fluth, als Regen, als Schnee oder
Eis, als reissender zum Meere strömender Fluss oder Bach wirken,
zur Erklärung vollkommen ausreichen. Ganz allmählig im Laufe
colossaler Zeiträume sei die Erdoberfläche verändert und aus einer
Periode in die andere übergeführt worden, und noch jetzt gehe dieser
stetige Umwandlungsprocess an ihr vor sich. Die Continuität in der
geologischen Geschichte der Erde, welche hiermit zum ersten Male
vorgetragen wurde, ist seitdem eines der grundlegenden Axiome der
Geologie geworden ; dagegen wurde die Discontinuität der Lebewesen,
obwohl die geologischen Voraussetzungen derselben hinfällig geworden
waren, lange Zeit über nach wie vor aufrecht erhalten.
Es ist das grosse Verdienst von Charles Darwin, nach Jahr-
zehnte langer Ruhe die Descendenztheorie von Neuem vorgetragen
und zur allgemeinen Geltung gebracht zu haben. Zugleich wurde
damit die wichtigste Periode in der Geschichte der Zoologie eingeleitet,
eine Periode, in welcher die Wissenschaft nicht nur selbst einen un-
erwarteten Aufschwung nahm, sondern auch anfing, auf die allge-
meinen Anschauungen der Menschen nachhaltigen Einfluss zu gewinnen.
Charles Darwin wurde 1809 zu Shrewsbury geboren. Nach
Beendigung seiner Studien auf den Universitäten Edinburgh und
Cambridge (1825—1831) schloss er sich als Naturforscher der Welt-
umsegelung des „Beagle" an, eines englischen Kriegsschiffes, welches
in den Jahren 1831 — 1836 nautische Untersuchungen auszuführen be-
stimmt war. Als Darwin die eigenthümlichen Charaktere der Insel-
faunen, besonders der Galapagos-Inseln , und die merkwürdige geo-
logische Aufeinanderfolge der Edentaten in Südamerika kennen lernte,
bildeten sich in ihm die Keime zu seiner Epoche machenden Theorie.
Eine weitere Ausbeute dieser Reise waren seine schöne Monographie
der Cirripedien und die classischen Untersuchungen über die Corallen-
riffe. Nach England zurückgekehrt, lebte Darwin, ausschliesslich
wissenschaftlichen Arbeiten gewidmet, vornehmlich auf seinem Gute
Down in der Grafschaft Kent bis zu seinem Tode im Jahre 1882; vor
Allem war er unablässig bemüht, seine Anschauungen über den Ur-
sprung der Arten auszubauen und für dieselben ein immer reicheres
empirisches Material zu sammeln. Die erste schriftliche Aufzeichnung,
deren Grundgedanken er Freunden, besonders dem Geologen Lyell
und dem Botaniker Hooker mittheilte, fällt in das Jahr 1844, ohne
dass der Verfasser sich jedoch bereden Hess, dieselbe der Oeffentlich-
keit zu übergeben. Erst im Jahre 1858 entschloss sich Darwin zu
einer ersten wissenschaftlichen Mittheilung im Journal of the Linnean
Society, und zwar durch einen äusseren Anlass bewogen. In diesem
Jahr erhielt er von dem Reisenden Wallace einen Aufsatz zugesandt,
welcher in den wichtigsten Lehren mit Darwin 's eigenen Anschauungen
2*
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20
Darwin's Theorie von der Abstammung der Arten.
übereinstimmte. Darwin brachte einen Abriss seiner Lehre gleich-
zeitig mit Wallace's Manuscript zum Abdruck. Im Jahre darauf
(18ö9) erschien dann die wichtigste seiner Schriften: „On the origin
of species by means of natural seleetion", und in kurzer Aufeinander-
folge eine stattliche Reihe von Werken, die Frucht jahrelanger vor-
bereitender Arbeit. Für die Geschichte der Descendenztheorie sind
aus dieser Reihe die wichtigsten: 1) Ucber das Variiren der Thiere
und Pflanzen im Zustand der Domcstication, 2 Bände, welche vor-
nehmlich eine Sammlung empirischen Reweismaterials enthalten ; 2)
lieber den Ursprung des Menschen, ein Werk, welches die Anwendung
der Descendenzlehre auf den Menschen giebt.
Wohl kein wissenschaftliches Werk dieses Jahrhunderts hat in der
zoologischen, ja man kann sagen in der ganzen gebildeten Welt ein
so grossartiges Aufsehen gemacht, wie das Buch Darwin's über den
Ursprung der Arten. Vielfach wurde es als etwas durchaus Neues
aufgenommen; so sehr war die wissenschaftliche Tradition verloren
gegangen. In Kreisen der Fachleute wurde es von einem Theil heftig
befehdet, von einem anderen Theil fand es eine wohlwollende, aber
zweifelnde Aufnahme. Nur wenige Männer traten von Anfang mit
aller Entschiedenheit auf die Seite des grossen britischen Forschers.
Es entbrannte ein lebhafter wissenschaftlicher Kampf, welcher mit
einem glänzenden Sieg der Descendenztheorie endete. Zur Zeit ist
unser ganzes wissenschaftliches Denken so sehr von den Ideen der
Descendenztheorie durchsetzt, dass man kaum noch von einer erheb-
lichen Gegnerschaft gegen die Lehre reden kann.
Unter den Männern, welche am meisten diesen raschen Verlauf
herbeigeführt haben, ist neben dem Mitbegründer des Darwinismus
A. R. Wallace vor Allem E. Haeckel zu nennen, welcher sich in
seiner „Generellen Morphologie'' und seiner ..Natürlichen Schöpfungs-
geschichte" um die Ausbildung der Theorie die allergrössten Verdienste
erworben hat. Energische Vorkämpfer der Lehre in Deutschland
waren ferner Fritz Müller, Carl Vogt, Weismann. Moritz
Wagner und Naegeli, wenn auch letztere rücksichtlich der die
Umbildung der Formen bedingenden Ursachen ihren besonderen
Standpunkt einnahmen. Unter den englischen Naturforschern sind be-
sonders Huxley, Hook er und Lyell zu nennen. Am spätesten hat
der Darwinismus in Frankreich Eingang gefunden.
Im Folgenden werde ich versuchen, die Darwinsche Lehre, so
wie sie sich im Widerstreit der Meinungen im Laufe der letzten Jahr-
zehnte entwickelt hat, wiederzugeben, indem ich mich möglichst der
Art, wie sie Darwin selbst vorgetragen hat, anschliesse.
Darwin's Theorie von der Abstammung der Arten.
Darwin geht von der Kritik des Speciesbegriffs aus: Sind die
Begriffe Species i Art ) einerseits und Rasse und Varietät andererseits etwas
vollkommen Verschiedenes V Giebt es besondere Kriterien, um in un-
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Darwin's Theorie von der Abstammung der Arten.
21
Fig. 1 Taubenrassen (nach Darwin). .1 englische Boten-
taube, B englische Burzcltauhc, C englische Pfanentanbe.
zweifelhafter Weise
festzustellen, ob wir
in einem bestimmten
Fall es mit Varietäten
einer Art oder mit
verschiedenen Arten
zu thun haben? Oder
gehen die Begriffe in
der Natur in einander
über ? Sind die Arten
constant gewordene
Varietäten und eben-
so die Varietäten in
Bildung begriffene
Arten?
Zur Entscheidung1
dieser fundamentalen *chi«ie
Frage können mor»™r«Snu
phologische und
physiologische
Charaktere her-
angezogen werden.
In der Praxis des
Systematikers gelten
gewöhnlich aus-
schliesslich die mor-
phologischen
Merkmale, weshalb
wir sie hier in erster
Linie berücksichti-
gen. Wenn sich inner-
halb einer grösseren
Zahl einander ähn-
licher Formen zwei
Gruppen aufstellen
lassen, die sich erheb-
lich von einander un-
terscheiden, wenn die
Unterschiede dersel-
ben durch keinerlei
Mittelformen ver-
wischt werden und
wenn sie sich in meh-
reren aufeinanderfol-
genden Generationen
constant erhalten, so
spricht der Systema-
tiker von guten Ar-
ten ; er spricht da-
gegen von Varietäten
derselben Art, wenn
die Unterschiede ge-
ringfügig und incon-
stant sind und durch
die Existenz von
t Google
22
Darwin's Theorie von der Abstammung der Arten.
Mittelformen noch weiter an Bedeutung verlieren. Eine genaue Prü-
fling der Art und Weise, wie diese Regel in der, Praxis befolgt wird,
lehrt nun die grössten Inconsequenzen kennen, womit es zusammen-
hangt, dass manche einander nahe stehenden Thier- und Pflanzen-
gruppen von einem Theil der Systematiker für gute Arten, von einem
anderen Theil nur für Spielarten, d. Ii. für Varietäten derselben Art
gehalten werden. Die Unterschiede zwischen den Spielarten unserer
Hausthiere sind vielfach so bedeutend, wie sie sonst als ausreichend
für die Unterscheidung nicht nur guter Arten, sondern sogar von
Gattungen und Familien angesehen werden. Bei den Pfauentauben
ist die sonst nur 12— 14 betragende Zahl der Steuerfedern des
Schwanzes auf 30— 42 gesteigert (Fig. 1 C)\ bei anderen Taubenrassen
unterliegt die relative Grösse von Schnabel und Füssen im Vergleich
zum übrigen Körper enormen Schwankungen (Fig. 1 A, B)\ selbst
das Skelet ist bei den Variationen betheiligt, wie daraus hervorgeht,
dass die Gesammtzahl der Wirbel zwischen 38 (Botentauben) und 43
(Kropftauben), die Zahl der Sacralwirbel zwischen 11 und 14 beträgt.
Was nun das Vorkommen von Zwischenformen und die Constanz
der Unterschiede anlangt, so herrschen innerhalb einer und derselben
„guten Art" die denkbar grössten Differenzen. Bei manchen stark
variirenden Arten sind die äussersten Extreme durch vielerlei Ueber-
gänge verbunden: in anderen Fällen kann man innerhalb derselben
Art scharf umschriebene Formengruppen, die Rassen, unterscheiden.
Bei den Rassen vererben sich die charakteristischen Merkmale von
Geschlecht zu Geschlecht mit derselben Constanz, wie bei guten Arten.
Man kann das an den Menschenrassen und vielen rein cultivirten Haus-
thierrassen beweisen.
Eine kritische Prüfung führt somit zu dem Satz, dass die Mor-
phologie zwar benutzt wird, um die Thiere in Arten und Varietäten
zu gruppiren. dass sie uns aber vollkommen im Stich lässt, wenn es
gilt, principielle Unterschiede aufzustellen zwischen dein, was man eine
Art, und «lern, was man eine Varietät zu nennen hat. Dem Syste-
matiker steht daher nur der Ausweg offen, sein praktisches Verfahren
ÄffS. zu ergänzen, indem er physiologische Gesichtspunkte zu Hilfe
ter»rhiede. njimnt. Dies hat man denn auch gethan und gewisse bei der Fort-
*\f?A!rt£ Pflanzung auftretende Unterschiede herangezogen : es sollen die Indi-
uut£rie' viduen verschiedener Arten sich nicht unter einander fortpflanzen
können, dagegen sollen unter normalen Verhältnissen die Individuen
einer und derselben Art, mögen sie auch verschiedenen Varietäten
oder Rassen angehören, vollkommen fruchtbare Ehen eingehen können.
Bei der Prüfung dieser beiden Sätze muss man sich vor einem sehr
nahe liegenden Cirkelschluss hüten ; ein solcher Cirkelschluss würde
es sein, wenn ein Experimentator zwei Thiere, die er nach ihren son-
stigen Verhältnissen verschiedenen Arten zurechnen würde, für Reprä-
sentanten einer Art erklären wollte, nur weil sie sich mit einander
fortpflanzen lassen: vielmehr muss die Frage für ihn lauten: Führt
das physiologische Experiment zu denselben systematischen Unter-
scheidungen, zu denen das gewöhnliche systematische Verfahren, die
Abschätzung der Constanz und der Divergenz der unterscheidenden
Merkmale, führt?
Das Gebiet, welches wir hier betreten, ist noch lange nicht ge-
nügend experimentell durchgearbeitet; gleichwohl lassen sich schon
jetzt einige allgemeine Sätze aufstellen: 1) dass nicht wenige soge-
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Darwin's Theorie von der Abstammung der Arten.
23
nannte gute Arten mit einander gekreuzt werden können, 2) dass die
Schwierigkeiten der Kreuzung im Allgemeinen wachsen, je geringer
die systematische Verwandtschaft der benutzten Arten ist, 3) dass aber
diese Schwierigkeiten keineswegs der systematischen Divergenz der
Arten vollkommen proportional sind. Das günstigste Untersuchungs-
material bieten Thiere, bei denen man die künstliche Befruchtung
durchführen kann , denen man Eier und Spermatozoon entnehmen
kann, um sie unabhängig vom Willen der Thiere zu mischen. So ge-
lingt es, Bastarde von Arten zu erzielen, welche ganz verschiedenen
Gattungen angehören, während sehr häufig ganz nahe verwandte Arten
sich nicht kreuzen lassen. Unter den Fischen kennt man Bastarde
von Abramis brama und Blicca Björlcna, von Trutta solar (Lachs) und
Trutta fario (Forelle) ; unter den Seeigeln befruchten die Spermatozoon
von Strongylocentrotus Hvidus mit grosser Leichtigkeit die Eier von
Echinus microtuberculaius , dagegen nur äusserst selten die Eier des
im System viel näher stehenden Sphaerechinus granularis. Auch kommt
es vor. dass die Kreuzung in einer Richtung (Männchen von a und
Weibchen von b) leicht gelingt, in der anderen Richtung (Männchen
von b und Weibchen von a) vollkommen fehlschlägt, wie z. B. der
Same von Strongylocentrotus lividus wohl die Eier von Echinus micro-
tuberculalus befruchtet, nicht aber umgekehrt der Same von E. micro-
tuberculatus die Eier von St. lividus. Noch bekannter ist ein zweites
Beispiel: dass nämlich Lachseier zwar von Forellensamen, dagegen
nicht Forelleneier von Lachssamen befruchtet werden.
Bei Thieren, welche eine Begattung nöthig haben, wachsen die
Schwierigkeiten des Experimentirens, da hier häufig zwischen Männ-
chen und Weibchen verschiedener Arten eine Abneigung besteht, welche
jede Annäherung vereitelt. Immerhin kennen wir auf diesem Gebiet
Kreuzungen verschiedener Arten; unter den Säugethieren lassen sich
z. B. Pferd und Esel (Maulthier, Maulesel), Rind und Zebu, Steinbock
und Ziege, Schafe und Ziegen, Hunde und Schakale, Hunde und
Wölfe, Hasen und Kaninchen (Lepus Darwini) etc., unter den Vögeln
verschiedene Finkenarten, weiterhin Birk-, Hasel- und Schneehühner,
Wildente (Anas boschas) und Spiessente (Dafila acuta), die bei uns
einheimische Gans und die chinesische Gans (Anser domesticus und A.
cygnoides) kreuzen.
Da manche Kreuzungen, wie Maulthier und Maulesel, schon seit ÄJS'toi
Jahrtausenden bekannt sind, wurde das Kriterium gleichsam eine JJ^J™
Stufe weiter zurückgeschoben. Wenn die Unfruchtbarkeit sich bei der ""u«*«'
Kreuzung mancher Arten nicht unmittelbar äussere, so soll sie sich
doch an den Producten der Kreuzung bemerkbar machen. Wir wollen
im Folgenden die Kreuzungsproducte von Varietäten Blendlinge,
von Arten Bastarde nennen. So sollen die Blendlinge stets eine
normale, vielfach sogar gesteigerte Fruchtbarkeit besitzen, dagegen
sollen die Bastarde stets unfruchtbar sein. Auch hier handelt es
sich jedoch um eine Regel, nicht um ein Gesetz. Maulesel und Maul-
thiere, welche sich nur selten fortpflanzen, und viele andere Ba-
starde sind zwar unfruchtbar, allein man kennt schon jetzt nicht
wenige Ausnahmen, obwohl die Zahl der nach dieser Hinsicht unter-
nommenen Experimente eine sehr geringe ist. Bastarde von Hasen
und Kaninchen haben sich Generationen hindurch fruchtbar erhalten;
das Gleiche gilt für die Bastarde, welche von Capra ibex und C.
hircus, von Anser cygnoides und Anser domesticus, von Salmo salvelinus
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24
Darwin's Theorie von der Abstammung der Arten.
und S. fontinalis, Cyprinus carpio und Carassius vulgaris, Bonibyx
cynihia und B. arrindia erhalten worden sind.
Auch der zweite oben aufgestellte Satz, dass Individuen einer
Art, sofern sie gesund sind, sich stets mit einander fortpflanzen, bedarf
sehr der Einschränkung. Den Thierzüchtern sind schon seit Langem
die gefährlichen Folgen der Inzucht bekannt, dass die Fortpflanzungs-
fähigkeit sich bis zur Unfruchtbarkeit vermindert, wenn man bei einer
Zucht andauernd nur Abkömmlinge eines Eltcrnpaares wählt. Darwin
hat nicht wenige Fälle zusammengestellt, in denen unzweifelhafte An-
gehörige derselben Art unter einander vollkommen unfruchthar sind:
so gewisse Formen der Primeln und anderer di- und trimorpher Arten.
Beispiele für die Unfruchtbarkeit von Blendlingen kennt man nur aus
der Botanik (gewisse Varietäten von Mais und Königskerze).
Wenn wir das Bekannte überblicken, so scheint die dauernde
Fruchtbarkeit bei der geschlechtlichen Fortpflanzung von einer nicht
allzu bedeutenden Differenz in den Geschlechtsproducten garantirt zu
werden ; allzu grosse Aehnlichkeit, wie sie bei Inzucht vorhanden sein
muss, und allzu grosse Unterschiede, wie bei der Bastardirung ver-
schiedener Arten, sind schädlich und werden von der Natur vermieden.
Die geschlechtliche Fortpflanzung besitzt ein Optimum, von dem aus
man allmählig nach zwei Seiten eine Abnahme verfolgen kann. Da-
mit wäre aber schon gesagt, dass hier graduelle und keine princi-
piellen Differenzen vorliegen und dass demnach auch dieses Merkmal für
eine principielle Unterscheidung von Art und Varietät nicht benutzt
werden kann.
Das Endresultat aller dieser Ausführungen lässt sich in den Satz
zusammenfassen, dass es bis jetzt weder auf physiologischem, noch
auf morphologischem Wege geglückt ist, in klarer und allgemein giltiger
Weise die Kriterien festzustellen, welche den Systematiker leiten
müssen bei der Entscheidung, ob gewisse Formenkreise für gute Arten
oder für Varietäten einer Art zu halten sind. Vielmehr werden die
Zoologen in der Praxis von einem gewissen systematischen Tact
geleitet, welcher sie aber in schwierigen Fällen in Stiche lässt, so dass
dann die Ansichten der einzelnen Forscher auseinandergehen.
d?*vtü? erorterten Verhältnisse finden ihre natürliche Erklärung durch
^Lmu die Annahme, dass scharfe Unterschiede zwischen Art und Varietät
überhaupt nicht existiren, dass die Arten constant gewordene
Varietäten und die Varietäten in Bildung begriffene
Arten sind. Wir wollen das Gesagte durch Erläuterung an einem
concreten Fall klar machen. Individuen einer Art beginnen zu variiren,
d. h. sie gewinnen, von einem zum anderen verglichen, eine grössere
oder geringere Verschiedenartigkeit der Charaktere. So lange die
extremen Unterschiede durch Uebergänge verbunden werden, sprechen
wir von Varietäten einer Art ; sind dagegen die vermittelnden Ueber-
gänge ausgestorben, haben sich im Laufe langer Zeiträume die Unter-
schiede befestigt und so sehr verschärft, dass eine geschlechtliche
Vermischung der extremen Formen entweder völlige Unfruchtbarkeit
oder wenigstens eine Hinneigung zur Unfruchtbarkeit ergiebt, so
sprechen wir von verschiedenen Arten.
Für diese Anschauung, dass Varietäten bei längerem Bestand zu
Arten werden können, spricht auch die grosse Uebereinstimmung,
welche zwischen beiden in der Häutigkeit des Auftretens besteht. Bei
Gattungen, welche auffallend viele Arten enthalten, zeigen meist auch
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Darwin's Theorie von der Abstammung der Arten. 25
die Arten viele Varietäten; die Arten sind dann meist zu Unter-
gattungen gruppirt, d. h. sie sind einander in ungleichem Maasse ver-
wandt, indem sie kleine, um gewisse Arten sich anordnende Gruppen
bilden; Aehnliches ist auch bei den Varietäten der Fall. Bei solchen
Gattungen ist die Artbildung in lebhaftem Fluss; jede Artbildung
setzt aber einen grossen Grad von Variabilität voraus.
Es ist nun klar, dass dasselbe, was hier für die Arten durchge- Ph^°eeni0-
führt worden ist, auch für die übrigen Kategorien des Systems Geltung
haben muss. Wie durch divergente Entwicklung Varietäten zu Arten
werden, so müssen die Arten bei Fortdauer der Divergenz sich so
sehr von einander entfernen, dass wir sie als Gattungen unterscheiden.
Es wird nur eine Frage der Zeit sein, dass diese Unterschiede höhere
Grade erreichen und die Aufstellung von Ordnungen, Classen und
Stämmen ermöglichen, sowie auch die zarten Verzweigungen des jungen
Pflänzchens beim kräftigen Baum zu Hauptästen erstarken, von denen
Seitenäste und Zweige ausgehen. Wenn man diesen Gedankengang
bis in seine letzten Consequenzen verfolgt, so kommt man zu der
Vorstellung, dass alle bis jetzt lebenden Thiere und Pflanzen durch
Umbildung von wenigen Urorganismen entstanden sind. Da jeden-
falls schon viele Tausende von Jahren dazu gehören, damit durch
Variabilität einer Art mehrere neue Arten entstehen, so müssen zur
Ermöglichung dieser historischen Entwicklung des Thier- und Pflanzen-
reiches Zeiträume von einer Länge nothwendig gewesen sein, wie sie
für unser Begriffsvermögen nicht mehr fassbar sind, ebenso wie die
Astronomen mit Entfernungen rechnen, von welchen wir uns keine
Vorstellungen machen können. Wrie man nun für die Lehre von der
individuellen Entwicklung eines Thieres die besondere Bezeichnung
„Ontogenie" (Embryologie) gewählt hat, so hat es sich auch als zweck-
mässig herausgestellt , für die Lehre von der allerdings nicht
beobachteten, sondern nur erschlossenen historischen Entwicklung der
Thiere die besondere Bezeichnung: „ S tarn m es ge schichte" oder
„Phylogenie" einzuführen.
Will man alle lebenden Thiere von gemeinsamen Urformen ab- t'n«i«uni.
leiten, so muss man nothgedrungen annehmen, dass dieselben höchst
einfach organisirt, dass sie einzellig waren. Denn je einfacher die
Organisation, um so weniger ist sie specialisirt und bestimmt, um so
grösser ist ihre Umbildungsfähigkeit Aus einfach gebauten Organis-
men lassen sich auch allein die niedersten einzelligen Lebewesen, die
Protozoen, ableiten. Endlich können wir uns nur für einfach gebaute
Organismen eine erste natürliche Entstehung denken. Da es un-
zweifelhaft eine Zeit gegeben hat, zu welcher auf unserem Erdball
Temperaturen herrschten, welche jedes Leben unmöglich machten, so
muss einmal das Leben auf ihm neu entstanden sein, entweder durch
einen Schöpfungsact oder auf natürlichem Wege durch Urzeugung.
Nehmen wir dem Geist der Naturwissenschaften entsprechend zur Er-
klärung natürlicher Dinge nur Naturkräfte zu Hilfe, so werden wir
nothgedrungen zur Hypothese der Urzeugung geführt, dass aus nicht
belebten Stoffen durch eine geeignete Mischung derselben der compli-
cirte Mechanismus, den wir Leben nennen, entstanden sei. Auch diese
Hypothese setzt voraus, dass die ersten Organismen den denkbar ein-
fachsten Bau besessen haben.
Vom Boden der Thatsachen ausgehend, sind wir durch Verall-
gemeinerung der Schlüsse zu einer einheitlichen Vorstellung von der
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26 Darwin's Theorie von der Abstammung der Arten.
Entstehung des Thierreichs gelangt, haben uns aber in gleichem Maasse
von den Ergebnissen der unmittelbaren Beobachtung entfernt. Die
Beobachtung lässt uns nur erkennen, dass die Arten umbildungsfähig
sind und neue Arten aus sich erzeugen können. Dass diese Umbildungs-
fähigkeit ein universelles Princip ist. ein Princip, welches uns die
Entstehung der Thierwelt erklärt, dafür bedarf es einer weiteren Be-
weisführung.
iwte der j)je Entstehung der jetzt lebenden Thierwelt ist ein Process,
hTloceo1** welcher in längst vergangenen Jahrtausenden gespielt hat , welcher
einer directen Beobachtung nicht mehr zugängig ist und daher auch
niemals in dem Sinne bewiesen werden kann, wie wir die individuelle
Entwicklung eines Organismus aufklären können. Man kann für die
Annahme einer einheitlichen Abstammung der Thiere nur den Wahr-
scheinlichkeitsbeweis führen, indem man zeigt, dass alle unserer Be-
obachtung zugängigen Thatsachen nicht nur mit dieser Voraussetzung
übereinstimmen, sondern auch durch sie allein ihre einheitliche Er-
klärung finden. Solche Thatsachen liefert uns das System der Thiere,
die Paläontologie, die Thiergeographie, die vergleichende Anatomie
und die vergleichende Entwicklungsgeschichte.
.)8r»t«n*- 1) Es ist eine schon seit Längerem anerkannte und in der Neu-
""ShiÜ*" zeit immer mehr bestätigte Erscheinung, dass, wenn man die Ver-
wandtschaftsverhältnisse der Thiere, ihrer Classen, Ordnungen. Gat-
tungen und Arten graphisch ausdrücken will, die einfache Coordination
und Subordination nicht ausreicht, sondern dass man eine baumförmige
Anordnung wählen muss, eine Anordnung, in welcher die Hauptstämme
von den einander näher oder entfernter verwandten Hauptabtheilungen,
den Stämmen. Phylen oder Typen dargestellt werden, während die
feineren Verästelungen den jedesmaligen Classen, Ordnungen u. s. w.
entsprechen. Der Stammbaum ist nun in der That die Anordnung,
zu welcher die Descendenztheorie, wie wir oben gesehen haben, mit
Notwendigkeit führt,
bjrawonto- 9) Die paläontologische Beweisführung würde sich am
^Ztite?* meisten dem, was man directe Beweisführung nennen könnte, nähern.
Denn die Paläontologie lehrt uns die letzten Existenzspuren, welche
die Vorläufer der jetzigen Thierwelt hinterlassen haben, kennen. In-
dessen muss man berücksichtigen, dass auch hier sich ein hypothe-
tisches Element in den Charakter der Beweisführung einschleicht
Wir können nur beobachten, dass mancherlei Formzustände einer
Thiergruppe in verschiedenen, auf einander folgenden Erdschichten
enthalten sind: wenn wir diese Formzustände zu einer Entwicklungs-
reihe unter einander verbinden und uns die jüngeren aus den älteren
durch Umbildung entstanden denken, so verlassen wir damit streng
genommen den Boden der Thatsachen. — Viel mehr wird aber der
Werth der paläontologischen Urkunde durch ihre ausserordentliche
Unvollständigkeit herabgesetzt. In Versteinerungen erhalten sich im
Allgemeinen nur die Hartgebilde der Thiere; die Weichtheile dagegen,
welche bei vielen Stämmen allein vorhanden sind oder doch den wich-
tigsten Theil ihrer Organisation ausmachen, gehen gewöhnlich verloren.
Auch die Hartgebilde erhalten sich nur unter ganz besonders gün-
stigen Bedingungen in gutem Zusammenhang. Wenn man nun weiter
berücksichtigt, dass diese Schätze im Schoss der Erde vergraben sind
und meist nur zufällig bei Steinbrucharbeiten, Wegebauten etc. ge-
wonnen, äusserst selten dagegen planmässig und mit wissenschaft-
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Darwin's Theorie von der Abstammung der Arten.
27
lieber Ueberlegung zu Tage gefördert werden, so erhellt daraus zur
Genüge, wie wenig für die Stammesgeschichte aus dem derzeitigen
und selbst dem zukünftigen Material der Paläontologie erwartet
werden darf.
Immerhin hat die Paläontologie schon manche wichtige Beweise
der jDescendenzlehre geliefert Sie hat gezeigt, dass die niederen
Formen zuerst und später erst die höher organisirten auftreten. Unter
den Thieren im Allgemeinen treten am spätesten die Wirbelthiere,
unter diesen wiederum die Säugethiere, unter den Säugethieren die
Alfen und der Mensch auf. Für
kleinere Gruppen ist es sogar
schon geglückt, das Material
für Stammbäume zu sammeln;
Uebergangsformen leiten vom
vierzehigen Edhippos des Eocän
zum einzelligen Pferd der Neu-
zeit; für sämmtliche Hufthiere
wurden gemeinsame Ausgangs-
formen in den Condylarthren ent-
deckt. Ferner hat man zwischen
grösseren Abteilungen Ueber-
gangsformen gefunden, so z. B.
zwischen Reptilien und Vögeln
die merkwürdigen Zahnvögel
und den Archaeopteryx (Fig. 2),
einen Vogel mit einem befieder-
ten, aber nach Art der Eidech-
sen lang gestreckten Schwanz.
3) Wenn man vergleichende {jüjjjjj,
Anatomie und Entwicklungsge- *eue.
schichte zum Beweis der De-
scendenztheorie verwerthen will,
so ergeben beide Disciplinen so
viel Berührungspunkte, dass sie
am besten in einem gemein-
samen Abschnitt abgehandelt
werden.
C u v i e r und Carl E. v. B a e r
hatten gelehrt, dass die einzelnen
Typen des Thierreichs Einheiten
7 St 2'/ Ärcl!ac[JPtery* l'thognnhtea (nach ^ien von welchen eine jede
Zittol . cl Clavicula, co Coraeoid, // numerus. V i i ,1,
r Radius, « Ulna, r Carpuß, I-IV Zehen, emen besonderen, ihr eigenthüm-
sc Scapula. liehen Bau- und Entwicklungs-
plan repräsentire, dass keiner-
lei Aehnlichkeit im Bau und in der Entwicklung eine Brücke von
Typus zu Typus schlage. Der erste dieser beiden Sätze ist nach
wie vor berechtigt , der zweite dagegen , welcher allein für die
Descendenztheorie wichtig ist , ist gänzlich unhaltbar geworden.
Alle Thiere haben in der Zelle ein gemeinsames Organisations-
prineip und sind dadurch einander nahe gerückt. Fast alle vielzelligen
Thiere stimmen während der ersten Stadien ihrer Entwicklung, während
der Befruchtung, der Eifurchung und der Bildung der 2 ersten Keim-
blätter in den principiell wichtigen Punkten überein und unterscheiden
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28
Darwin's Theorie von der Abstammung der Arten.
sich von einander nur durch Differenzen, wie sie innerhalb eines und
desselben Typus vorkommen. Auch das Besondere, welches jeden
Typus im Bau und in der Entwicklungsweise auszeichnet, tritt in der
Thierreihe nicht unvermittelt auf. Namentlich leiten vom Stamm der
Würmer Uebergangsformen zu den übrigen Stämmen, der Balano-
glossus zu den Echinodertnen, die Ringelwürmer und der Peripatus zu
den Arthropoden, die Tunicaten und der Amphioxus zu den Wirbel^-
thieren. In einem jeden Typus vereinfachen sich der Bau und die
Entwicklungsweise der systematisch niedrigsten Formen und erfahren
dadurch eine Annäherung an die bei anderen Typen herrschenden
Verhältnisse. Die Existenz solcher Uebergänge ist einer der wich-
tigsten Beweise für die Descendenzlehre und spricht gegen die
Annahme eines starren, unveränderlichen Typus im Sinne Cu vier 's.
4 3 2 1
k. h \ 1 u,
Fig. 4. Kaulquappen von liana
Fig. 3. Menschlicher Embryo. 1 — 4 Visccralbogen temporaria. m Mund , g Ober-
nut Kiemenspalten dazwischen. / Unterkieferbogen, kiefer. t Unterkiefer, s Saugnäpfe,
2 Zungenbeinbogen, 3, 4 erster und zweiter Kiemen- kb äussere Kiemen, \ik Gegend der
bogen, a Auge, g Geruchsgrfibchcn, h Herzgegend, inneren Kiemen, n Nase, a Auge,
cl eil vordere j und hintere Extremität, W Urwirbel- o Hörbläsehen, h Herzgegend,
grenzen. d Kiemendeckel.
Für die Berechtigung der Descendenztheorie fällt weiterhin ganz
ausserordentlich in die Wagschale, dass Bau und Entwicklungsweise
der Thiere von einer Gesetzmässigkeit beherrscht werden, welche zur
Zeit nur durch die Annahme einer gemeinsamen Abstammung erklärt
werden kann. Jedes Thier durchläuft während seiner Entwicklungs-
geschichte im Wesentlichen die Stufen, welche dauernd bei den nie-
driger oder wenigstens ursprünglicher organisirten Thieren desselben
Stammes erhalten sind, was folgende drei Beispiele erläutern -mögen.
1) Auf frühen Entwicklungsstadien besitzt der Embryo des Menschen
(Fig. 3) überraschende Aehnlichkeiten mit den niedersten Wirbel-
thieren, den Fischen. Er hat wie diese Kiemenspalten, dieselbe An-
ordnung des Herzens und der Arterienbögen, gewisse Grundzüge in
der Entwicklung des Skelets u. s. w. 2) Die Frösche zeigen auf dem
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Darwin's Theorie von der Abstammung der Arten.
29
Kaulquappenstadium (Fig. 4) eine Organisation, ähnlich der, welche
die niedriger stehenden Amphibien, die Perennibranchiaten , dauernd
besitzen (Fig. 5); sie haben einen Ruderschwanz und büschelförmige
Kiemen, welche dem ausgebildeten Frosche fehlen. 3) Es giebt gewisse
parasitische Krebse, welche auf den Kiemen von Fischen leben und
den übrigen Krebsen gar nicht ähnlich sehen. Sie sind unförmliche
Klumpen, die man früher für parasitische Würmer gehalten hat. Ihre
systematische Stellung kann nur durch die Entwicklungsgeschichte be-
Fig. 5. Sircdon pisciformis (Axolotl) (nach Dmnfeü et Bibron).
Fig. 7. Philichthys Xiphiae.
Fig. G. Achtheres Percarum, c Weib- r? 'Weibchen (nach Claus) 4 mal
chen, a Nauplius-, h Cyclopsstadium vergrößert , h Männchen (nach
(nach Claus). Bergsoc) 12, mal vcrgrütwrt.
stimmt werden (Fig. 6). Hier zeigt sich, dass sie das bei den Crusta-
ceen weit verbreitete Naupliusstadium (Fig. Oa) durchlaufen und dass
sie dann eine Gestalt annehmen, welche gewissen* kleinen Krebsen
ähnelt, wie sie unter dem Namen Cyclops (Fig. 8) im Süsswasser
sehr verbreitet sind (Fig. 66). Häufig macht das Männchen auf dem
„Cyclopsstadium" Halt, und das Weibchen entwickelt sich allein zu
dein unförmlichen Klumpen weiter, so dass ein ganz auffallender
Dimorphismus der Geschlechter besteht (Fig. 7). Alle diese Bei-
spiele, die sich leicht zu Hunderten vermehren Hessen, lassen sich
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Darwin's Theorie von der Abstammung der Arten.
in derselben Weise erklären. Die entwickelteren Formen durchlaufen
die Organisationsstufen der minder entwickelten, weil sie von Vor-
fahren abstammen, welche den letzteren ähnlich gewesen sind. Der
Mensch durchläuft in seiner Entwicklungsgeschichte das Fischstadium,
der Frosch das Perennibranchiatenstadium, der parasitische Krebs
zuerst das Nauplius- und dann das Cyclopsstadium , weil ihre Vor-
Fig. 8. Cpclops coronatus nebst Nanoliu» in seitlicher und ventraler Ansicht.
/ — V die 5 Tüoracal- und weiterhin die ;> Abdominalsegmente, F Furca, 1 erste,
2 zweite Antenne, 3 Mandil>el, •/ Mnxille, 5 Pedea niaxillaref, 6—0 die ersten 4 Spalt-
füsse, während der rudimentäre fünfte Snaltfui« verdeckt ist. au Auge, o OberhpiK?,
e Eiersäckchen, a Darm, m Muskeln.
fahren einmal FisM-ähnlich,' Perennibranchiaten-ähnlich, Nauplius- und
Cyclops-ähnlich gewesen sind. Es äussert sich hier eine allgemeine
Buwhe* Erscheinung, welche Haeckel unter dem Namen „biogenetisches
Grund- Grundgesetz" in einen allgemeinen Satz gefasst hat. „Die Entwick-
gtt*u' lungsgeschichte eines Thieres (die Ontogenie) ist die kurze Recapitu-
lation seiner Stammesgeschichte (Phylogenie), d. h. die wichtigsten
Organisationsstufen, welche seine Vorfahren durchlaufen haben, treten,
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Darwin/s Theorie von der Abstammung der Arten.
31
wenn auch etwas moditicirt, in der Entwicklung des einzelnen Thieres
wieder auf.4"
mf »>f
Das biogenetische
Grundgesetz lässt
sich ebenso schön für
einzelne Organe wie
für ganze Thiere
durchführen. Das
Centrainerven-
system der niederen
Thiere (der Echino-
dermen, Coelentera-
ten, vieler Würmer)
bildet einen Theil der
Haut ; es gehört bei
seinem ersten Auftre-
ten der Körperober-
fläche an, weil es die
Beziehungen des Or-
ganismus zur Aussen-
weit zu vermittelnhat.
Bei höher organisir-
ten Thieren, z. B. den
Wirbelthieren.liegen
Hirn und Rücken-
mark tief in das In-
nere des Körpers
eingebettet; beim
Embryo aber werden
sie ebenfalls als ein
Theil der Haut (als
Medullär platte) an-
gelegt, von welcher
aus sie erst allmäh-
lig durch Einfaltung
und Abschnürung in
das Innere verlagert
werden ; man kann
diese Verlagerung
auf Querschnitten
durch die Rücken-
gegend verschieden
alter Embryonen für
jedes Wirbelthier be-
weisen. (Fig. 9.)
Ein weiteres Bei-
spiel sei das Skelet
der Wirbelthiere.
Bei den niedersten
Wirbelthieren , dem
1
i
,t'Vv
I
eh
mp
ep
mkl
lh
mir
ik
nie
Fig. 0. Querschnitte durch die Rückcugcgend von 3
verschieden alten Tritonembryonen (aus 0. Hertwig).
I Die Mcdullarnlatte (Anlage des Rückenmarks) mp
grenzt sich gegen die Haut rp durch die Medullarfalten
mf ab.
II Die Medullarnlatte hatte sich zu einer Rinne durch
Zusainmcnneigen der Medullarfalten eingebogen.
III Die Medullarplattc hat sich zum Rückenmarksrohr
geschlossen.
Bezeichnungen: «//" MeduUarf alten, mp Medullarplatte,
n das aus letzterer hervorgegangene Nervenrohr, ep Haut
(Epidermis), eh Chorda, mk mittleres Keimblatt (mk1 parie-
tales, mir viscerales Rlntt desselben), lh Leüieshühle, ush
Ursegmenthöhlen, ik inneres Keimblatt, ilx Dotterzellen
desselben, i/h Darmhöhle.
Amphioxus und den
Cyclostomen, fehlt die Wirbelsäule, und an ihrer Stelle findet sich ein
cylindrischer Gewebsstrang, die Chorda dorsalis. Bei den Fischen
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a2
Darwin's Theorie von der Abstammung der Arten.
und Amphibien existirt die Chorda dorsalis meist ebenfalls noch; sie
ist aber theilweise verdrängt und eingeengt durch die Wirbelsäule,
welche bei den niederen
Formen aus Knorpel, bei
den höheren aus Knochen
oder einem Gemisch von
Knochen und Knorpel
besteht. Ausgebildete
Vogel und Säugethiere
endlich haben eine voll-
kommen verknöcherte
Wirbelsäule: ihre Em-
bryonen dagegen haben
auf frühen Stadien nur
Fig. 10. Schwanzflossen
verschiedener Fische (aus
Zittel), eh Chorda, abc Deck-
stücke der Chorda.
A diphycerke Flosse von
Pnlupterus birhir (Wirbel-
säule und Chorda theilen die
Flosse in symmetrische dor-
sale und ventrale Abschnitte).
B heteroeerke Flosse vom
Stör (in Folge einer Aufwärts-
krümmung von Chorda und
Wirbelsäule ist die Flosse
asymmetrisch geworden, der
ventrale Abschnitt viel grösser
als der dorsale).
C, D homocerke Flossen,
C von Amia ralra . D von
Trufta solar (in Folge noch
stärkerer Aufwärtskrümmung
der Chorda und Wirbelsäule
ist der dorsale Abschnitt fast
ganz geschwunden und bildet
der ventrale Abschnitt fast
allein die äusserlich scheinbar
symmetrische, im inneren Bau
vollkommen asvmmetrische
Flosse).
die Chorda dorsalis (Am-
phioxusstadium), später
wird die Chorda von der
Wirbelsäule eingeengt
( Fisch-Am phibien-
stadium) und schliesslich
ganz ersetzt; dabei ist
die Wirbelsäule anfangs
knorpelig, um erst später
zu verknöchern. Ver-
gleichende Anatomie und
Entwicklungsgeschichte
ergeben somit dieselben
Entwicklungsstufen des
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Darwin'8 Theorie von der Abstammung der Arten.
33
Axenskelets: 1) Chorda, 2) Chorda ■+- Wirbelsäule, 3) Wirbelsäule, letz-
tere zuerst aus Knorpel, dann aus Knochen gebildet.
Wir haben hier von einem Parallelismus zwischen den Thatsachen
der vergleichenden Anatomie und der Entwicklungsgeschichte ge-
sprochen. Thatsächlich sollte man aber eine dreifache Parallele er-
warten. Denn den Lehren der Descendenztheorie zu Folge ist die
systematische Anordnung der lebenden Thiere und der Entwicklungs-
gang jedes Einzelneres durch einen dritten Factor, die historische
Entwicklung der Thierwelt oder die Phylogenese, bedingt. Die Mark-
steine der Phylogenese, die Versteinerungen, müssen nun, so sollte
man erwarten, in den auf einander folgenden geologischen Schichten
die gleiche aufsteigende Reihe ergeben, wie die vergleichend anatomisch
und entwicklungsgeschichtlich gefundenen Formzustände. In der That
kennt man auch Beispiele einer derartigen dreifachen Parallele. Die
vergleichende Anatomie lehrt, dass die niederste Entwicklungsform
der Schwanzflosse der Fische die diphycerke ist (Fig. 10^4). dass sich
aus ihr die heterocerke (#). aus dieser die homocerke Flossenform
(C und D) ableiten lässt. Entwicklungsgeschichtlich sind weiterhin
die höchst entwickelten homocerken Fische zuerst diphycerk, später
heterocerk und werden zuletzt erst hoinocerk. Paläontologisch endlich
sind die ältesten Fische diphycerk oder heterocerk. und erst später
treten homocerke Formen auf.
Was wir hier kennen gelernt haben, ist nur ein geringer Bruch-
theil des gewaltigen Beweismaterials, welches die Morphologie zu
Gunsten der Descendenztheorie liefert; es sollte nur zur Erläuterung
dienen, in welcher Weise die morphologischen Beobachtungen ver-
werthet werden können. Für den reflektirenden Naturforscher sind
die Thatsachen der Morphologie ein einziger grosser Inductionsbeweis
zu Gunsten der Abstammungslehre.
4) Was nun schliesslich die Thiergeographie anlangt, so leuchtet ™e.r*e?-
ohne Weiteres ein, dass die jetzige Vertheilungsweise der Thiere ein VS^SL!
Product vergangener Jahrhunderte und Jahrtausende ist. Man wird
daher aus ihr Mancherlei von früheren Zuständen noch entziffern
können, wenn auch mit der allergrössten Vorsicht und nach Ueber-
windung der allergrössten Schwierigkeiten.
Nehmen wir an, alle Thierarten seien von Anfang an. so wie sie
jetzt sind, geschaffen, so würden dieselben von dem zweckmässig
denkenden Schöpfer in die ihrer Organisation am meisten zusagenden
Territorien gesetzt worden sein ; ihre Vertheilung über die Erdober-
fläche würde daher ausschliesslich von Gunst und Ungunst der in den
einzelnen Regionen herrschenden Lebensbedingungen, wie Klima. Nähr-
verhältnisse u. s. w. bestimmt sein. Nehmen wir dagegen an, dass die
Thierarten durch Umbildung aus einander hervorgegangen sind, so
müsste für ihre Verbreitungsweise ausser den Existenzbedingungen
noch ein zweites Moment, welches wir das geologische nennen wollen,
inaassgebend gewesen sein. Wir wissen, dass die Reliefverhältnisse
der Erde sich im Laufe der gewaltigen Zeiträume der geologischen
Perioden vielfach verändert haben, dass Länderstrecken, welche früher
zusammenhingen, durch das eindringende Meer getrennt wurden, dass
durch die Erhebungen der Gebirge ebenfalls wichtige, früher nicht
vorhandene Scheidewände für die Ausbreitung der Thiere gebildet
wurden. Aus dem Umstand, dass sich Hand in Hand zwei Umände-
rungen vollzogen haben, die Umänderung der Erdoberfläche und der
Hcrtwig, Lehrbuch der Zoolcgie. 8. Auflade. 3
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34
Darwin's Theorie von der Abstammung der Arten.
auf ihr angesiedelten Thierwelt, ergiebt sich mit Notwendigkeit die
Consequenz, dass die Unterschiede im faunistischen Charakter zweier
Länder um so grösser ausfallen müssen, je länger sie sich unabhängig
von einander ohne wechselseitigen Austausch ihrer Thierbevölkerungen
entwickelt haben, je länger ihre Bewohner durch eine unübcrsteigliche
Grenze von einander geschieden waren. Für die einzelnen Thier-
gruppen wird der Charakter der Grenzen ein verschiedener sein;
Landthiere, welche nicht fliegen können, werden durch MeeresarmeT
Meeresbewohner umgekehrt durch Länderstrecken in ihrer Verbreitung
behindert ; für Landmollusken genügen schon hohe Gebirgskämme.
welche kahl und dürr oder gar mit Schnee bedeckt sind.
Seitdem man auf diese Verhältnisse aufmerksam geworden istr
sind viele der Descendenztheorie günstige geographische Thatsaehen
ermittelt worden. 1) Unter den einzelnen Continenten hat Australien
faunistisch den selbständigsten Charakter; als es entdeckt wurde,
besass es gar keine höheren (placentalen) Säugethiere, ausser solchen,
welche fliegen können (Chiropteren) oder das Meer bewohnen (Cetaceeii)
oder leicht durch Holz verschleppt (kleine Nager) oder durch den
Menschen eingeführt werden {Dingo, der australische Hund); dagegen
besass es die merkwürdigen Clonkcnthiere {SchnabeUhiere) und die
Beutel (hier e , Säugethierformen , welche in der alten Welt und mit
Ausnahme der Jieutelratten auch in Amerika vollkommen ausgestorben
sind. Die Erscheinung erklärt sich aus der geologischen Thatsache,
dass in der Erdgeschichte Australien mit seinen anschliessenden
Inseln sicherlich am frühesten aus jedem Zusammenhang mit den
übrigen Continenten losgelöst wurde. Während in den 4 übrigen
Erdtheilen die höheren Säugethiere sich auf Kosten der Beutelthiere
entwickelten und ihre niederen Concurrenten bei dem Zusammenhang
der Länder überall ganz oder nahezu ganz verdrängen konnten, hat
sich in dem isolirten Australien dieser Fortbildungsprocess nicht voll-
zogen und sich ein alterthümlicher faunistischer Charakter erhalten.
2) Wie Wallace gezeigt hat, zerfällt der malayische Archipel fau-
nistisch in eine östliche und westliche Hälfte; innerhalb einer jeden
Gruppe giebt es Inseln, welche trotz Verschiedenartigkeit des Klimas
eine sehr ähnliche Fauna besitzen. Dagegen schneidet die faunistische
Grenze zwischen zwei Inseln. Bali und Lombok, durch, welche gleiches
Klima besitzen und geographisch einander sehr genähert sind. Die
Tiefe des Meeresarmes in dieser Gegend macht es wahrscheinlich,
dass hier eine Grenze von geologisch langem Bestand verläuft und
dass erdgeschichtlich sich Bali mit dem westlichen, Lombok mit dem
östlichen Inselkomplcx im Zusammenhang entwickelt hat. 3) Lange
Zeit vor Darwin hat schon der berühmte <ieologe Leopold von
Buch aus der Verbreitung der Pflanzen auf den canarischen Inseln
den Schluss auf eine Umbildung der Arten zu nenen Arten gezogen;
auf Inseln entwickeln sich in abgeschlossenen Thälern besondere Arten,
weil hohe Gebirgskämme Pflanzen mehr scheiden als weite Meeres-
strecken. Für Käfer und Schnecken hat M. Wagner viele Beispiele
gesammelt, dass das Verbreitungsgebiet einer Art scharf mit einem
breiten Fluss oder einem Gebirgskamm abschneidet, während im
Nachbargebiet eine nahe verwandte, sog. vicariirende Art auftritt,
c-iowi« De- j)je Darwinsche Theorie, so weit wir sie bisher kennen gelernt
der [*««>. haben, gleicht in ihren Grundzügen den Descendenztheorien, wie sie
demiheofic. am Anfang dieses Jahrhunderts von Lamarck und anderen Zoologen
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Darwins Theorie von der Abstammung der Arten.
35
vertreten wurden ; sie unterscheidet sich von ihnen nur durch ihre
viel umfassendere empirische Begründung und ferner dadurch, dass
sie die durch die Typentheorie widerlegte einreihige Anordnung der
Thiere aufgegeben und durch den „Stammbaum4*, durch die verzweigte,
baumartige Anordnungsweise, ersetzt hat. Weitere Unterschiede er-
geben sich in der causalen Begründung der Descendenztheorie.
Die Lehre von den Ursachen, welche die Umbildung der Arten
veranlasst haben, bildet sogar den Kernpunkt der Darwinschen Theorie,
durch den sie sich vornehmlich vom Lamarckisinus unterscheidet. Um
die Umbildungen der Arten ursächlich zu begründen, stellte Darwin
seine hochbedeutende Lehre von „der natürlichen Zuchtwahl
vermöge des Kampfes um das Dasein'* auf.
Bei der Entwicklung dieser Lehre' ging Darwin von dem eng- JJJgJJf
begrenzten und daher leicht übersehbaren Gebiet der Domesti-
cation, der künstlichen Züchtung unserer Hausthierrassen, aus. Viele
unserer Hausthiere stammen unzweifelhaft von einer einzigen wild
lebenden Art; andere wiederum stammen von mehreren Arten, sie
machen aber jetzt auf uns vollkommen den Eindruck einer einzigen
Art. Wie sind nun die so ausserordentlich verschiedenartigen Rassen
der Tauben, die Pfauentauben, Kropftauben, kurz- und langschnäbe-
ligen Tauben etc.. die lang- und kurzgehörnten Rinder, die schweren,
langsamen Perchcrons und die zartgebauten, schuellfüssigen Araber-
pferde entstanden? Unzweifelhaft durch die gleiche, mehr oder minder
bewusste Beeinflussung von Seiten des Menschen, deren sich jetzt
noch jeder planmässig vorgehende Thierzüchter bedient. Wenn dieser
eine bestimmte Form erzielen will, so wählt er sich aus seinem Thier-
bestande geeignet scheinende Formen aus. welche, wenn auch in noch
so geringfügiger Weise, dem angestrebten Ideal näher kommen als
die übrigen, und bringt dieselben unter einander zur Paarung. Durch
planmässige Wiederholung dieser Auslese, indem er von jeder neuen
Generation immer nur die geeigneten Individuen zur Aufzucht ver-
wendet, erreicht der Züchter eine langsame, aber stetige Annäherung
an das gesetzte Ziel. Will er z. B. Pfauentauben züchten, so wählt
er aus seinem Taubenbestand Thiere mit möglichst zahlreich und
kräftig entwickelten Schwanzfedern. Im Laufe von Generationen tritt
dann eine Cumulirung des Charakters ein; die Zahl der Tauben mit
gesteigerter Federzahl wird wachsen und so ein Material gewonnen
werden, welches zu einer weiteren Vermehrung der Federzahl geeignet
ist. Ein geschickter Züchter kann in der geschilderten Weise von
einem gemeinsamen Ausgangsmaterial ganz verschiedene Taubenrassen
züchten.
Bei der Züchtung, deren ungeheure Wirksamkeit jedem Beobachter
unserer Hausthiere klar zu Tage liegt, kommen in Betracht: 1) die
Variabilität; die Nachkommenschaft eines Elternpaares hat die
Fähigkeit, neue Charaktere zu entwickeln und sich dadurch vom Aus-
sehen der Eltern zu entfernen: 2) die Erblichkeit neu auftretender
Charaktere: es besteht die Tendenz, dass die Tochtergeneration die
neu entstandenen Charaktere auf die Enkelgeneration überträgt: 3) die
künstliche Zuchtwahl: der Mensch sucht sich zur Züchtung ge-
eignete Individuen aus und verhindert auf diese Weise, dass ein durch
Variation entstandener neuer Charakter durch Kreuzung mit Thieren
von entgegengesetzter Variationstendenz wieder verschwindet.
Vergleichen wir mit den Befunden der Domestication die Verhält-
3*
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30
Darwin's Theorie von der Abstammung der Arten.
nisse der im Naturzustand lebenden Thiere, so finden sich als wirk-
same, allen Organismen innewohnende Kräfte Variabilität und Erblich-
keit ebenfalls wieder, wenn auch erstere nicht überall in gleicher
Intensität. Viele Arten giebt es, die gar nicht oder unbedeutend va-
riiren und sich daher durch Jahrtausende unverändert erhalten haben.
Diesen conservativen Arten stehen aber in jeder Gruppe progressive
Arten gegenüber, lebensvolle Arten, welche in einein regen Umbildungs-
process begriffen und daher allein für «las Auftreten neuer Arten von
Bedeutung sind. — Da die Vererbungsfähigkeit allen Organismen zu-
kommt, so fehlt uns nur ein der künstlichen Zuchtwahl entsprechender
Factor, und diesen hat Darwin in der sogenannten „natürlichen
Z u c h t w a h 1" aufgefunden.
Snibl Die natürliche Zuchtwahl findet ihre Angriffspunkte in der
Kimpf um* enormen Zahl von Keimen, welche ein jedes Thier producirt» Es giebt
i>unn. filiere, z. Ii. die meisten Fische, welche viele Tausende von junger
Brut im Laufe ihres Lebens erzeugen, von Parasiten gar nicht zu
reden, bei welchen die Eier nach vielen Millionen zählen. Für die
Entwicklung dieser Thiermenge hat die Erde keinen Platz: denn wenn
wir selbst ein langsam sich vermehrendes Thier der Rechnung zu
Grunde legen, wie z. B. den Elephanten, und annehmen würden, dass
alle Nachkommenschaft, welche er erzeugt, am Leben bliebe und sich
in normaler Weise fortpflanze, so würden wenige Jahrhunderte es dahin
bringen, dass die Erde von Elephantenheerden vollkommen besetzt
wäre. Um das Gleichgewicht im Haushalt der Natur aufrecht zu
erhalten, müssen grosse Mengen von unbefruchteten und befruchteten
Eiern, ferner von jungen und erwachsenen, aber noch nicht zum phy-
siologischen Lebensende gediehenen Thieren zu Grunde gehen. Viele
Existenzen werden unzweifelhaft durch rein zufällige Einflüsse ver-
nichtet werden. Im Grossen und Ganzen werden jedoch am meisten
den drohenden Gefahren diejenigen Individuen entgehen, welche am
besten geschützt sind. Geringe Vortheile im Bau werden bei diesem
Ringen um die Existenz von Wichtigkeit werden und den Trägern
derselben vor ihren Artgenossen einen Vorzug gewähren, ebenso wie
bei der Domestication jedes dem Menschen gefallende oder nützlich
dünkende Merkmal an einem Hausthier dem Träger des Merkmals
zum Vortheil gereicht. Unter den vielerlei auftretenden Varietäten
werden die passenden erhalten werden und im Laufe vieler Gene-
rationen durch Summation sich steigern, während die ungeeigneten
Varietäten der Vernichtung anheimfallen. So werden sich neue Formen
bilden, welche „der natürlichen Auslese im Kampf um das Dasein"
ihre Existenz verdanken.
Der Ausdruck „Kampf um s Dasein" ist ein bildlicher. Denn nur
in seltenen Fällen wird ein activer. bewusster Kampf über die Existenz-
aussichten eines Thieres entscheiden, wie z. B. bei den Raubthieren.
wo diejenigen, welche ihren Mitbewerbern vermöge ihrer Körperstärke
die Beute streitig machen können, bei beschränkter Nahrung am besten
gedeihen werden. Viel häufiger ist das unbewusste Kämpfen; jeder
Mensch, welcher sich selbst eine günstigere Stellung durch besondere
Intelligenz und Thatkraft erringt, beschränkt zahlreichen seiner Mit-
menschen in gleichem Maasse die Lebensbedingungen, mag er noch
so sehr sich der Humanität betieissigen. Die Beutcthiere, welche
durch besondere List oder Schnelligkeit ihren Verfolgern entgehen,
sind die Ursache, dass die Fressgier der Feinde sich auf ihre minder
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Darwin's Theorie von der Abstammung der Arten.
37
begünstigten Artgenossen concentrirt. Häufig kann nicht einmal von
einem Wettbewerb die Rede sein, so z. B. wenn bei einer schweren
Epidemie gewisse Menschen der Krankheit nicht zum Opfer fallen,
weil ihre Organisation der Infection widersteht oder die Krankheit
besser verträgt. Hier würde sich der Ausdruck „Ueberleben des
Passendsten", den Spencer für den Ausdruck „Kampf um's Dasein4*
vorgeschlagen hat, viel besser eignen.
Obwohl schon die vorgetragenen allgemeinen Betrachtungen ge-
nügen, um zu beweisen, dass der Kampf um's Dasein in der orga-
nischen Welt eine ganz ungeheure Rolle spielt, so wollen wir doch
bei der Wichtigkeit des Gegenstandes seine Existenz noch an einigen
concreten Beispielen erläutern. Die am Anfang des vorigen Jahr-
hunderts aus Asien eingedrungene Wanderratte (3/us decumanus) hat
im Lauf der seitdem verflossenen Zeit die in Europa einheimische
Hausratte {Mus ralius) fast vollkommen vernichtet und fährt fort, ihr
in anderen Welttheilen ebenfalls die Existenz unmöglich zu machen.
Einige europäische Distelarten haben sich in den La Plata-Staaten so
enorm vermehrt, dass sie stellenweise die einheimischen Pflanzen voll-
kommen verdrängt haben. Eine andere europäische Pflanze (liypo-
choeris radicata) ist in Neil-Seeland zu einem Alles überwuchernden
Unkraut geworden. Gewisse Menschenrassen, wie die Dravidas und
Indianer, sterben in demselben Maasse aus, als andere Menschenrassen,
wie Kauknsier, Mongolen und Neger, sich ausbreiten. Je mehr man
in der erläuterten Weise in das unendlich complicirte Gewebe der
Beziehungen der Thiere zu einander, der Thiere zu den Pflanzen und
den climatischen Verhältnissen einzudringen versucht, wie es Darwin
gethan hat um so mehr wird man die Wirkungsweise des Kampfes um's
Dasein würdigen lernen. Dann wird man auch auf viele äusserst
interessante Erscheinungen aufmerksam werden , welche durch die
Lehre vom Kampf um's Dasein sofort ihre Erklärung finden, während
sie sonst unverständlich sein würden. Inseln, welche mitten im Ocean
gelegen sind, besitzen unverhältnissmässig viel ungeflügelte Insecten-
arten, weil geflügelte Formen vom Sturm leicht ins Meer verweht
werden. Auf den vom Sturm besonders heimgesuchten Kerguelen
z. B. sind sämmtliche Insecten flügellos, darunter eine Schmetterlingsart,
mehrere Fliegen, zahlreiche Käfer. Am interessantesten aber sind die
Fälle von sympathischer Färbung und von Mimicry, endlich das Auf-
treten der Geschlechtscharaktere als die Folge der sexuellen Zuchtwahl.
1) Sympathische Färbung nennt man die Erscheinung, dass p*]£h9
sehr häufig in Gegenden, welche dauernd oder vorübergehend eine K*rbunf.
einheitliche Färbung haben, das Kleid der Thiere durch die gleiche
oder mindestens eine sehr ähnliche Färbung ausgezeichnet ist. Be-
wohner der Schneeregion sind weiss gefärbt; Wüstenthiere haben die
fahlgelbe Farbe der Wüste: Thiere, welche im oberflächlichen klaren
Seewasser leben, sind crystallartig durchsichtig. Angehörige der ver-
schiedensten Thierstämme zeigen dieselbe Erscheinung. Die Vortheile,
die damit verbunden sind, bedürfen kaum der Erläuterung; jedes
Thier, mag es Ursache haben, sich vor seinen Verfolgern zu verbergen
oder darauf angewiesen sein, sich seiner Beute unbemerkt zu nähern,
wird hierzu um so befähigter sein, je mehr es seiner Umgebung
gleicht. Jeden nach dieser Richtung sich ergebenden Vortheil wird
die natürliche Auslese festhalten und im Laufe vieler Generationen
steigern.
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Darwins Theorie von der Abstammung der Arten.
Mimtcry. 9) Auf dasselbe Princip ist die ..Mhniery" zurückzuführen, nur
dass ilie Nachahmung sich hier nicht auf die Farbe beschränkt, sondern
auch Gestalt und Zeichnung beeinflusst. Ausserordentlich häutig
werden Pflanzentheile nachgeahmt, seien es Blätter, seien es Stengel.
Gewisse Tagschmetterlinge mit prächtig gefärbten Flügeloberseiten
(Fig. 11) entziehen sich während des Fluges durch ihre Schnelligkeit
ihren Verfolgern: wenn sie s
durch ihre grosse Aehnlichkeit
sie vornehmlich umschwärmen, geschützt
A
Flg. 11.
sitzend
Blattschmetterlinge. .1 Knllinin parakreta, fliegend,
Uuu'h Wiillnn-i. Ii Siderout strigosus , Siegend,
b sitzend mach C. Bterne).
ich zur Ruhe niederlassen, werden sie
mit den Blättern der Pflanze, welche
Indem die Flügel aufwärts
geklappt werden,
kommt die dunkle
Färbung der Un-
terseiten zur Gel-
tung und verdeckt
die Farbenpracht
der Oberseiten.
Die Theile werden
so auf einander
gelegt, dass das
Ganze Plattform
ergiebt und ge-
wisse Zeichnun-
gen sogar zur
Nachahmung der
Blattnervatur zu-
sammenstimmen.
Unter den zahl-
reichen Arten der
Blattschmetter-
linge giebt es ver-
schiedene Grade
der Vollkommen-
heit : bei manchen
sind sogar die
Schäden des In-
sektenfrasses
nachgeahmt ; bei
anderen ist Forin
und Zeichnung der
Flügel noch un-
vollkommen blatt-
ähnlich, die Zeich-
nung gleichsam
erst im Werden.
Auch unter den
die ..wandelnden Blätter":
andere, ganz nahe ver-
vollkonimen das Aeussere
Heuschrecken giebt es Blattnachahmer, so
Phyllium siccifolium, Ph. Scythe, während
wandte Formen wiederum mehr oder minder
dürrer, ab und zu auch dorniger Aeste angenommen haben (Fig. 12a
und //).
Sehr häufig werden Insecten von anderen Thieren copirt. Gewisse
Schmetterlinge. Heliconier, fliegen in grossen Schwärmen schwerfällig
und trotzdem von Vögeln unbehelligt, weil sie einen übel schmeckenden
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Darwin'a Theorie von der Abstammung der Arten.
39
Fettkörper enthalten. Zwischen sie mengen sich andere Schmetter-
lingsarten. Pieriden, welche nicht übel schmecken und doch nicht ge-
fressen werden, weil sie im Flug, im Schnitt und in der Zeichnung
der Flügel die Heliconicr so trefflich nachahmen, dass selbst ein Syste-
niatiker leicht über ihre systematische Stellung getäuscht werden kann
<Fig. 13). Ebenso werden die wegen ihres Stachels gefürchteten Bienen
und Wespen von anderen Insecten nachgeahmt. In Borneo lebt eine
grosse schwarze Wespe, deren Flügel einen breiten weissen Fleck in
der Nähe der Spitze haben (Mygnimia aviculus) ; ihr NaehätTer ist ein
heteromerer Käfer (Cohborhombus fasciatipennis). der ganz der Gewohn-
heit der Käfer entgegen seine HinterHügel ausgebreitet hält und ihren
weissen Fleck an der Spitze zeigt, während die Deckflügel zu kleinen
ovalen Schuppen geworden sind (Fig. 14).
3) Unter geschlechtlicher Zuchtwahl verstehen wir einen Jä^J
besonderen Unterfall der natürlichen Zuchtwahl, welcher vorwiegend
bei Vögeln und Hufthieren beobachtet wird. Zur Befriedigung seiner
Lust sucht hier das Männchen seine Concurrenten aus dem Felde zu
schlagen, entweder im Kampf oder indem es die Weibchen durch be-
sondere Vorzüge an sich fesselt. Mit kräftigen Flügeln und den Sporen
des Laufknochens suchen die Hähne sich den Besitz ihrer Heerde zu
sichern, die Hirsche mittelst ihres Geweihes, die Stiere durch ihre
Hörner. Durch prächtige Färbung gewinnen die Paradiesvögel, durch
Gesang die meisten Singvögel, durch eigenthümliche Liebestänze manche
Fig. 12. Househm-kon-Miiuicry.
a) Acanthodcrus Wailacei i-
b) Phyllitttn Seytke i .
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Darwins Theorie von der Abstammung der Arten.
Hühnerarten die Geneigtheit des Weibchens. Da alle diese Merkmale
vorwiegend dem Männrhen zukommen und nur ausnahmsweise und
dann minder ausgeprägt auch auf das Weibchen übertragen werden,
ist es fast gewiss, dass sie beim Männchen durch den Kampf um das
Weibchen gross gezogen wurden. Bei den Vögeln wird allerdings
noch ein zweites Moment mitgewirkt haben, um den enormen Unter-
schied in der Befiederung, wie er z. B. bei den Paradiesvögeln besteht
(Fig. 1T>), auszuprägen. Für das nistende Weibchen werden unschein-
bare Farbe und schlicht anliegendes Federkleid nothwendig sein, damit
es ungestört von Feinden dem Brutgeschäft obliegen kann.
Fig. 14.
Im Laufe der letzten Jahrzehnte ist viel darüber gestritten worden,
in wie weit die natürliche Auslese für sich allein schon ein Arten
bildendes Princip ist. Von vielen Seiten ist der Einwand gemacht
worden, dass die in der Natur vorkommenden Variationen bei ihrem
ersten Auftreten meist viel zu geringfügig seien, um dem Organismus
zu nützen und so Gegenstand der natürlichen Auslese zu werden.
Damit z. B. die Flügel der Vögel zum Fluge verwandt werden können,
müssen sie schon eine aussergewöhnliche Grösse erreicht haben; die
bewegenden Muskeln, die stützenden Skeletstücke, die hinzutretenden
Nerven müssen eine bestimmte Ausbildung und Anordnung besitzen;
kurz und gut, es tnuss ein harmonisches Ineinandergreifen der Theile
vorhanden sein, welches eine stetige und gleich gerichtete Entwicklung
während langer Zeiträume voraussetzt, während deren der Kampf
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Darwin's Theorie von der Abstammung der Arten.
41
ums Dasein kei-
nen richtenden
Eintiuss ausüben
konnte. Ein wei-
terer Einwand be-
sagt , dass die
Wirkungsweise
der natürlichen
Auslese unter ge-
wöhnlichen Ver-
hältnissen durch
die entgegenge-
setzte Wirkung
der unbehinder-
ten Kreuzung der
variirenden For-
men ausgeglichen
werden müsse.
Wenn manPfauen-
tauben z. B. nicht
von den übrigen
Tauben isolirt, so
würden sie mit
denselben sich
kreuzen und die
Nachkommenbald
den Habitus ge-
wöhnlicher Tau-
ben wieder an-
nehmen. Endlich
ist hervorgehoben
worden, dass zur
Entstehung neuer
Arten eine einfache Umbil-
dung der Formen nicht aus-
reicht; es muss noch weiter
hinzukommen: 1) eine Um-
bildung nach verschiedenen
Richtungen hin, eine diver-
gente Entwicklung des Indi-
viduenbestandes einer Art,
2) die Vernichtung der Zwi-
schenformen, welche die di-
vergenten Formen unter ein-
ander verbinden.
Der Einwand, dass der
Kampf um's Dasein die zur
Ausbildung nöthige diver-
gente Entwicklung der In-
dividuen nicht veranlassen
könne, fällt am wenigsten in s
Gewicht. Ohne weiteres muss
zugegeben werden, dass von
Fig. 15 a.
Fig. 15 b.
Pnradi.sra npoila, Afännchen und Weibchen
nach Levaillont.
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Darwin's Theorie von der Abstämmling der Arten.
vielen bei einer Art gleichzeitig auftretenden Variationen zwei oder
mehr zugleich von Vortheil sein können, dass sich dann ein Theil
der Individuen des einen, ein anderer Theil des anderen Vortheils be-
mächtigen wird, dass beide Theile sich in Folge dessen nach verschie-
denen Richtungen hin entwickeln werden. Dabei werden die Mittel-
formen, welche weder nach der einen noch nach der anderen Richtung
hin besonders ausgeprägt sind, in eine ungünstige Stellung gerathen ;
sie müssen mit beiden Gruppen einseitig differenzirter Artgenossen den
Kampf ums Dasein aufnehmen und als minder vollkommen ausgerüstet
in demselben unterliegen.
Wichtiger sind die beiden an erster Stelle genannten Einwände;
sie haben zu Theorien geführt, welche ursprünglich bestimmt schienen,
die Darwinsche Theorie zu ergänzen, im Lauf der Discussion aber
immer mehr den Anspruch erhoben haben, sie ganz zu verdrängen. Im
Folgenden mögen diese Theorien ihre Darstellung finden, wenn es auch
mit Rücksicht darauf, dass wir uns zur Zeit noch mitten in den Re-
formbewegungen befinden, hier nicht am Platz ist, zu erörtern, ob die
Theorien neben der Lehre vom Kampf uin's Dasein bestehen können,
oder ob sie dieselbe ausschliessen.
Um zu erklären, wie es kommt, dass durch Variationen neu ge-
bildete Charaktere Bestand haben und nicht durch Kreuzung mit anders
gearteten Individuen wieder verschwinden, hat M. Wagner die
Theorie von der geographischen Isolirung oder die Migra-
tionstheorie aufgestellt. Neue Arten sollen entstehen, wenn von
dem Individuenbestand einer Art ein Theil sich auf Wanderung be-
giebt oder passiv verschleppt wird und so nach einem neuen Aufent-
haltsort kommt, an welchem die Kreuzung mit den zurückgebliebenen
Art genossen nicht möglich ist. Das Gleiche soll eintreten, wenn ein
von einer Art besiedeltes Gebiet durch geologische Ereignisse in zwei
Gebiete, zwischen denen kein Formenaustausch mehr möglich ist. ge-
schieden wird. Die unter den alten Verhältnissen belassenen Thiere
sollen den ursprünglichen Artcharakter beibehalten, die Auswanderer
dagegen sich zu einer neuen Art umwandeln. Für die Berechtigung
der Theorie sprechen directe Beobachtungen. Eine am Anfang des
15. Jahrhunderts ausgesetzte Kaninchenzucht hat sich auf der Insel
Porto-Sa nto bis in die Neuzeit enorm vermehrt: dabei hat die
Nachkommenschaft die Charaktere einer neuen Art angenommen. Die
Thiere sind kleiner und bissiger geworden, sie haben eine gleichförmig
röthliche Farbe erhalten und lassen sich mit den bei uns einheimischen
Kaninchen nicht mehr paaren. Ein weiterer Beweis für die Theorie
der geographischen Isolirung ist ferner der eigenartige faunistische
Charakter von Territorien, welche von angrenzenden Ländern durch
unüberwindliche Barrieren, breite Flüsse oder Meeresarme, hohe Ge-
birgszüge (cfr. Seite '.\4) getrennt sind. Besonders lehrreich ist in
dieser Hinsicht der eigenartige faunistische Charakter fast aller Inseln.
Die Fauna einer Insel ähnelt im Allgemeinen der Fauna des Fest-
lands, von dem die Insel durch geologische Ereignisse abgelöst wurde;
nur besitzt sie nicht dieselben, sondern sogenannte ..vicariirende
Arten", d. h. Arten, welche bis auf gewisse Merkmale den Festlands-
arten gleichen. Solche vicariirende Arten sind offenbar dadurch ent-
standen, dass abgelöste Individuengruppen, auf die Insel versprengt,
eine von der Ausgangsfonn divergente Entwicklung genommen haben.
— Bei aller Anerkennung der Migrationstheorie wird es niemals
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Darwin'a Theorie von der Abstammung der Arten. 43
möglich sein, aus ihr allein die Vielgestaltigkeit der Organismenwelt
zu erklären. Dazu müsste man annehmen, dass früher eine ungeheure
Umbildungsfähigkeit der Erdoberfläche bestanden hat, während gerade
die neueren Untersuchungen es wahrscheinlich machen, dass die Ver-
keilung von Land und Wasser lange nicht in dem Maasse, wie man
früher annahm, gewechselt hat. Auch lehrt die Erfahrung der Botaniker,
dass mehrere Varietäten an demselben Standort entstehen und Con-
stanz gewinnen können.
Während die Migrationstheorie mit dem Darwinismus darin über- !•»»"*■»•
einstimmt, dass sie die durch Variation auftretenden neuen Charaktere
als ein Product des Zufalls betrachtet, ist von anderen Seiten gerade
dieser Theil der Lehre zum Gegenstand eingehender Kritik gemacht
worden. Manche Zoologen haben auf die causale Begründung der
Descendenztheorie durch Lamarck zurückgegriffen und erblicken die
Ursachen der Artumbildung zum Theil in dem unmittelbaren Ein-
fluss der wechselnden Existenzbedingungen, zum Theil
in dein durch den Wechsel der Existenzbedingungen veränderten Ge-
brauch und Nichtgebrauch der Organe. Beide Principien
sollen ausreichen, um auch ohne Zuhilfenahme des Kampfes ura's
Dasein die Phylogenese der Organismen zu erklären.
In wie weit die Existenzbedingungen eine dauernde Ver-
änderung im Bau der Pflanzen und Thicre ausüben können, dies zu
entscheiden ist bei der Verschiedenartigkeit der in Frage stehenden
Einflüsse kein einheitliches Problem. Bei einem Wechsel der Er-
nährung verändern sich Organismen in ganz auffälliger Weise und
innerhalb kurzer Zeit: aber gerade diese Veränderungen (Ernährungs-
modifleationen Naegeli's) scheinen für gewöhnlich keinen dauernden
Bestand zu haben. Pflanzen, welche aus dem in der Natur ihnen zu-
kommenden mageren Boden in fettes Erdreich versetzt werden oder
umgekehrt, nehmen sehr bald ein ganz anderes Aussehen an und be-
halten dasselbe auch durch die folgenden Generationen bei, so lange
diese im fetten Erdreich bleiben ; ebenso rasch aber tritt der Rückschlag
ein. wenn die Pflanzenart in ihre ursprünglichen Existenzbedingungen
zurückgelangt. Eine Veränderung scheint im Allgemeinen um so
dauerhafter zu sein, je langsamer sie sich entwickelt Bei Versuchen
über den Einfluss der Existenzbedingungen wird man daher am ehesten
auf Erfolg rechnen können, wenn man mit langsam wirkenden Factoren
experimentirt, wie Licht und Wärme, trockene oder feuchte Luft, ver-
schiedene Intensitäten der Schwerkraft, Reizwirkungen, welche von
Organismen der Umgebung ausgelöst werden.
Was nun die Wirksamkeit von Uebung und N i c h t ü b u n g an-
langt, so ist es unzweifelhaft, dass die Erscheinungsweise eines Thieres
in hohem Maasse von der Art, wie es seine Organe benutzt, beeinflusst
wird. Die der Uebung unterliegenden Organe werden in ihm besonders
kräftig, die vom Gebrauche ausgeschlossenen umgekehrt schwächlich
werden. Fraglich ist nur, ob die so entstehenden, im strengsten Sinne
des Wortes neu erworbenen Eigenschaften erblich sind, oder ob nicht
vielmehr die Nachkommen, um zum gleichen Ziel zu gelangen, die
Uebung und NichtÜbung von Neuem in gleicher WTeise beginnen
müssen. Im letzteren Falle wäre eine Cumulirung des Charakters und
damit die Möglichkeit, dass derselbe zu einem dauernden werde, aus-
geschlossen. Leider fehlt es noch immer auf diesem der experimen-
tellen Behandlung zugängigen Gebiet an einwurfsfreien Erfahrungen.
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44
Darwin's Theorie von der Abstammung der Arten.
Am meisten sprechen zu Gunsten des Lamarck'schen Prinzips zur Zeit
die rudimentären Organe. Wenn wir sehen, dass Höhlenthiere, welche
seit vielen Generationen im Dunkeln leben, blind sind, indem sie ent-
weder gar keine Augen mehr besitzen oder functionsuntaugliche Reste
von solchen, so liegt allerdings die Ansicht nahe, dass mangelnder
Gebrauch diese Veränderung verschuldet habe, indem er zu einer von
Generation zu Generation zunehmenden functionellen und anatomischen
Untüchtigkeit geführt hat. Man sollte nun meinen, was für die Nicht-
Übung gilt, müsste sich im entgegengesetzten Sinne auch bei der
Uebung äussern.
pS'd'r Zum Schluss haben wir noch die Umbildung der Arten aus eigenen
rrot?«*fon. inneren Ursachen zu betrachten, das was C. E. von Baer mit dem
wenig geeigneten, weil leicht irre leitenden Ausdruck „Zielstrebigkeit",
Naegeli als „Vervollkom mnungsprineip" oder „Princip der
Progression4* bezeichnet hat. Es kann wohl nicht geleugnet werden,
dass eine jede Art aus eigenen inneren Ursachen genöthigt ist, sich
zu neuen Formen zu entwickeln, unabhängig von äusseren Existenz-
bedingungen und unabhängig bis zu einem bestimmten Grad vom
Kampf um das Dasein. In allen Thierstämmen sehen wir den Fort-
schritt vom Niederen zum Höheren sich vollziehen, vielfach in ganz
ähnlicher Weise, trotzdem die Thierc unter sehr verschiedenen Ent-
wicklungsbedingungen leben. Wir sehen, wie das bei niederen Formen
oberflächlich gelagerte Nervensystem bei höheren in die Tiefe des
Körpers verborgen wird, wie das Auge, zunächst ein einfacher Pig-
mentfleck, bei Würmern, Arthropoden, Weichthieren und Wirbelihieren
mit Hilfseinrichtungen wie Linse, Glaskörper, Iris, Chorioidea etc.
ausgerüstet wird. Darin erblicken wir eine Energie zur Vervollkomm-
nung, welche, da sie überall vorkommt, von den individuellen Lebens-
bedingungen unabhängig sein und im Wesen der lebenden Substanz
selbst ihre besondere Erklärung haben muss. (Vergl. auch Sachs's
Lehre von den Mechanomorphosen.)
Es ist keineswegs richtig, eine Auffassung, wie sie hier aus-
gesprochen wurde, eine teleologische zu nennen und als unnatur-
wissenschaftlich zu verwerfen ; vielmehr erscheint in ihr der Organismus
ebenso mechanisch bedingt, wie eine Billardkugel, deren Verlauf doch
nicht nur durch die Reibung mit den Wandungen des Billards, sondern
zum guten Thcil durch die ihr innewohnende, durch den Stoss ihr
übertragene Kraft bestimmt wird. Auch ein Organismus ist ein
Kräftereservoir, welches sich mit Noth wendigkeit aus sich heraus ent-
wickeln muss, nur dass es von außerordentlicher Complication und in
gleichem Maasse auch von der Aussen weit noch viel unabhängiger ist.
Eine vollkommene Unabhängigkeit wird natürlich niemals vorhanden
sein und ist auch von Naegeli nicht behauptet worden. Nebenher
wird vielmehr stets eine „Bewirkung" (Naegeli) der Aussenwelt ein-
hergehen, ein modifleirender Einfluss, der von den äusseren Existenz-
bedingungen entweder direct oder durch Vermittclung von Uebung
und NichtÜbung in der oben besprochenen Weise ausgeübt wird.
Wir haben hier ausführlicher bei der Darstellung der Descendenz-
theorie verweilt, weil sie unzweifelhaft in der Geschichte der Zoologie
die bedeutsamste Erscheinung ist. Keine andere Theorie hat so sehr
in den Entwicklungsgang der zoologischen Forschung eingegriffen,
keine ihr so viele neue Probleme gestellt und neue Forschungsgebiete
eröffnet. Keiner zoologischen Theorie kommt somit ein gleich her-
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Darwin's Theorie von der Abstammung der Arten.
45
vorragender „heuristischer" Werth zu. Auf die vielen Einwände,
welche gemacht worden sind, die Theorie sei ungenügend begründet,
lässt sich nur erwiedern, dass sie bei dem derzeitigen Stande unseres
Wissens die einzige Theorie ist, welche mit unseren Erfahrungen
übereinstimmt und dieselben auf einheitliche Weise und auf natur-
wissenschaftlicher Basis erklärt. In diesem Satz ist zugleich das Lob
der Descendenztheorie, zugleich aber auch eine Einschränkung für
ihre Giltigkeit gegeben. Denn einerseits leitet der Satz die Ansprüche
der Theorie auf Giltigkeit aus dem Bedürfniss des menschlichen Geistes
nach einer einheitlichen Erklärung der naturwissenschaftlichen That-
sachen ab; andererseits macht er den Grad der Berechtigung von dem
jeweiligen Stand unserer Erfahrung abhängig. Beidesmals handelt es
sich um keine constanten Grössen. Viele Naturforscher haben nicht
das Bedürfniss, die Erfahrungen der Palaeontologie, der Thier- und
Pflanzenkunde in ursächlichen Zusammenhang zu bringen ; ihnen wird
man daher die Darwinsche Theorie ebensowenig wie jede andere
Gleiches anstrebende Theorie beweisen können. Indessen auch retlec-
tirende Naturforscher werden immer im Auge behalten müssen, dass
unsere Naturerkenntniss in beständigem Fortschreiten begriffen ist
und zusehends eine Erweiterung und Vertiefung erfährt Est ist mög-
lich, ja sogar wahrscheinlich, dass diese Fortschritte auch zu manchen
Umgestaltungen der Theorie führen werden. Namentlich wird die
Lehre von den Ursachen, welche die Bildung neuer Arten veranlassen,
noch vielfachem Wandel unterworfen werden. Dagegen kann man
wohl mit grosser Sicherheit behaupten, dass das Descendenz-
princip, welches durch den Darwinismus zum ersten Male zur
Herrschaft gelangt ist, einen dauernden Grundpfeiler der
zoologischen Forschung ausmachen wird.
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Allgemeine Zoologie
In den Lebenserscheinungen der Thiere lässt sich ein gewisses
Maass von Gleichartigkeit durch das ganze Thierreich verfolgen ; die
Art, wie sich die Thiere ernähren und fortpflanzen, wie sie sich be-
wegen und wie sie empfinden, ist in grossen Gruppen im Wesentlichen
die gleiche und kann sogar bei weit entfernten Formen mancherlei
Uebereinstimmung bieten. Demgeniäss müssen auch die Einrichtungen,
welche für die genannten Functionen getroffen sind, die Organe der
Ernährung und Fortpflanzung, der Bewegung und Empfindung in ihren»
gröberen und feineren Bau und in ihrer Entwicklungsweise einander
ähnlich sein und einige stets oder häufig wiederkehrende (irundzüge
erkennen lassen. Alles dies bedarf einer allgemeinen Erörterung, bevor
wir auf die Schilderung der einzelnen Thierstämme eingehen können.
Diese Erörterung ist liegenstand der allgemeinen Zoologie, speziell der
allgemeinen Anatomie und Entwicklungsgeschichte oder
der thierischen Morphologie.
Hat man auf anatomischem und entwicklungsgeschichtlichem Wege
das allgemeine Wesen des thierischen Organismus begriffen, so muss
man ferner seine Beziehungen zur Umgebung in das Auge fassen.
Zur Lehre von den Lebensverhältnissen der Thiere. der 0 e k o 1 o g i e oder
Biologie, haben wir die geographische Verbreitung der Thiere
— ihre Vertheilung über die Oberfläche der Erde und in den verschie-
denen Meerestiefen — zu rechnen, ferner die Wechselbeziehungen von
Thier und Pflanze, von Thier zu Thier, wie sie in Staaten bildung,
Symbiose. Parasitismus zu besonderem Ausdruck gelangen.
Bei der allgemeinen Anatomie, mit welcher wir beginnen
werden, wollen wir den Gedanken zu Grunde legen, wie sich ein
Organismus aus seinen Bcs t an dth eilen aufbaut. Wir
werden dabei im Geiste das entgegengesetzte Verfahren befolgen von
dem, welches die Anatomie thatsächlich einschlägt, wenn sie den
thierischen Körper in seine Elementartheile, seine Organe. Gewebe
und Zellen, auflöst. Anstatt analytischer werden wir synthetische
Anatomie treiben.
Die Synthese eines Organismus, wie wir sie in der allgemeinen
Anatomie nur der Idee nach vornehmen können, vollzieht sich that-
sächlich in der Natur während der Entwicklung eines jeden Thieres.
Entwicklungsgeschichtlich ist jeder Organismus vorübergehend ein
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Allgemeine Zoologie.
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einfaches Element, eine Zelle: die Zelle theilt sich und es entstehen
Gewebe, aus den Geweben Organe und aus den Organen setzt sich
das gesetzmässig gegliederte Ganze eines Thierkörpers zusammen.
Wenn somit die allgemeine Entwicklungsgeschichte synthetisch ver-
fährt, so schliesst sie sich bei ihrer Darstellung nur den Vorgängen
an, welche sich in der Natur abspielen und der directen Beobachtung
zugängig sind.
I. Allgemeine Anatomie.
Den Ausdruck „Bestandteile des thierischen Körpers" kann man
in doppeltem Sinne anwenden. Man kann von Mischungsbestand-
t heilen reden: das sind die chemischen Verbindungen, welche die
Gewebe bilden; sie sind Gegenstand der Thierchemie und können
daher hier übergangen werden. Man kann aber ferner auch von Form-
best an (Ith eilen des thierischen Körpers reden: das sind die
Zellen. Diese und ihre Umbildung zu Geweben, Organen und ganzen
Thieren sind für uns von viel grösserer Bedeutung.
1. Die Formbestandthelle des thierischen KOrpers.
Die Lehre von den Formbestandtheilen der organischen Körper
hat eine feste Grundlage erst durch die Zellentheorie gefunden. Jede
wissenschaftliche Thier- und Pflanzenanatomie muss daher mit der
Lehre von der Zelle ihren Ausgangspunkt nehmen.
Der Begriff der Zelle , wie er in der Morphologie der Thiero £'"c£j^t*
und Pflanzen eingebürgert ist, hat im Laufe der Zeit viele Wand- 7heori/n"
lungen erfahren, welche man einigermaassen kennen muss, um Namen
und Bogriff vollkommen zu verstehen. Als Hooker, Marcello, Mal-
pighi und Nehemia Grew im 17. Jahrhundert den Namen in die
Pflanzenanatomie einführten, verstanden sie darunter kleine Kämmerchen,
umgeben von festen Wandungen und von Luft oder flüssigem Inhalt er-
füllt. Auch als man am Anfang dieses Jahrhunderts richtig erkannte, dass
die Zelle die anatomische und physiologische Einheit des Pflanzenkörpers
ist, aus deren Umwandlung alle übrigen Theile sich bilden, und als der
englische Botaniker Brown im Innern der Zelle ein bis dahin über-
sehenes Körperchen, den Nucleus oder Zellkern, auffand, blieb die
alte Auffassung bestehen und wurde auch als solche von Schleiden in
seine Zelltheorie übernommen. Sehl e i d e n fügte als neu die vollkommen
irrige Lehre von der Entstehung der Zelle hinzu, dass sich in einer Art
Mutterlauge, dem Cytoblastem, zunächst ein Korn bilde, das Kernkör-
perchen, dass um dieses Korn eine Niederschlagsmembran entstehe, die
Kernmembran, und um den damit fertiggestellten Kern eine weitere
Niederschlagsmembran, die Zellmembran. So sei für die Entstehung der
Zelle der Kern von der allergrössten Bedeutung.
Da in dem Körper der Thiero die Kerne der Zellen am leichtesten
gefunden werden und auch jetzt noch zur Orientirung über das Auftreten
der Zellen vornehmlich benutzt werden, so ist es verständlich, dass die
Schleid en'sche Lehre, welche den Zellkern so sehr in den Vordergrund
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Allgemeine Zoologie.
stellte, für Schwann Veranlassung werden konnte, die Zellentheorie auf
das Thierreich zu übertragen und damit zu einem allgemeingiltigen Princip
zu erheben. Man spricht daher meist von einer Schwann-Schlei-
den7sehen Zellentheorie.
f^ieXn- Dieser Theorie zu Folge sollte für die Function der Zelle ihre
•che 'ml Wandung, die Zellmembran, das Wichtigste sein : durch die Zellmembran
t «mc. flin(jurch 80uen Dirtusionsstrüme zwischen Umgebung und flüssigem Zell-
inhalt sich vollziehen; der Charakter der Membran und des Zellsaftes soll
nach allgemein physikalischen Gesetzen die Beschaffenheit der Diffusions-
ströme und damit auch den functionellen Charakter der Zelle bestimmen;
das verschiedene Aussehen der Gewebo sei vornehmlich dadurch bedingt,
dass die anfangs kugeligen Zellen ihre Gestalt verändern, indem sie im
fibrillären Bindegewebo z. B. enorm in die Länge zu den feinen Fibrillen
auswachsen. Da das Leben der Organismen nun nichts Anderes ist als
das Zusammenwirken aller seiner Zellen, so schmeichelte man sich, durch
die Zellentheorie und die durch sie bewirkte Entdeckung der physikalischen
Einheiten des thierischen und pflanzlichen Korpers, dem grossen Problem
der physikalischen Erklärung der Lebenserscheinungen um ein gutes Stück
näher gerückt zu sein. — Auch die Zellgenese schien nach der Lehre ein
ebenso mechanisch erklärbarer Process zu sein, wie die Bildung eines
Krystalls. Im Cytoblastem sollten ja Kernkörperchen, Kernmembran und
Zellmembran ähnlich den Vorgängen bei der Krvstallisation durch Nieder-
schlag gebildet werden.
Reform- In der Zwischenzeit haben sich unsere Auffassungen vom Wesen der
Zelle vollkommen verändert. Die Zelle entsteht nicht nach Art eines
Krystalls als eine Neubildung in einer Mutterlauge, sondern sie setzt die
Existenz einer lebenden Mutterzelle voraus, von welcher aus sie durch
Theilung oder Knospung erzeugt wird. Ebenso ist auch die Zelle nicht
eine physikalische Einheit, sondern selbst wieder ein Organismus, welcher
uns alle die Räthsel des Lebens erkennen lässt, deren physikalische Er-
gründung unserer Forschung immer als Ziel vorschweben muss, wenn auch
als ein Ziel, das noch in weite, gar nicht absehbare Entfernung gerückt
ist. Für das Wesen der Zellen sind ferner Membran und Zellsaft von
gänzlich untergeordneter Bedeutung; das Wichtigste an ihr ist viel-
mehr eine lange Zeit gar nicht berücksichtigte Substanz, für welche
H. von Mohl den Namen Protoplasma eingeführt hat. Nach unserer
neueren Auffassung ist die Zelle vornehmlich ein Plasma-
klümpehen, meist, vielleicht sogar stets, ausgerüstet mit
einem oder mehreren Kernen. Diese neuere Auffassung vom
Wesen der Zelle hat sich nun so allmählig entwickelt und die Schwann-
Sehl ei d e n 'sehen Ansichten so langsam verdrängt, dass der alte Name,
obwohl er für die neue Auffassung gar nicht mehr passte, beibehalten
wurde. Man hatte sich schon so sehr an den Namen gewöhnt, dass man
gar nicht mehr den Widerspruch empfaud, der darin lag, dass man ein
solides Klümpehen ohne Membran eine „Zelle" nannte.
Die Reform der Zellentheorio wurde durch Entdeckungen angebahnt,
welche auf sehr verschiedenen Gebieten gewonnen und erst spät in einem
Brennpunkt vereinigt worden sind.
1. Schon an der Grenze des 18. und 19. Jahrhunderts hatten
Bonaventura Corti und Treviranus gesehen, dass die Chlorophyll-
kügelchen, welche die grüne Farben der Pflanzen bedingen, bei vielen
Arten lebhaft im Innern der Zelle herumströmen, aber erst Mohl fand
heraus, dass ihre Bewegung keine active sei, dass sie vielmehr von einer
uigui,
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Allgemeine Zoologie.
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homogenen Substanz, in welcher sie eingebettet sind, bewegt werden.
Diese Substanz , welche M o h 1 , um sie in den Vordergrund zu stellen,
Protoplasma nannte, gewann durch eine zweite Beobachtung noch
grössere Bedeutung. Bei der Fortpflanzung der einfachsten Algen ergab
sich, dass das Protoplasma mancher Zellen sammt den Chlorophyllkörnern
sich zu einem ovalen Körper zusammenballte, dass dieser Körper das
Gehäuse der Zellmembran verliess, um im Wasser frei herumzuschwimmen.
Da das Zellgehäuse keine Lebenserscheinungen mehr zeigte, der Proto-
plasmakörper dagegen zur Ruhe kam und eine neue Pflanze bildete, so
war unzweifelhaft bewiesen, dass dieser der wichtigste Bestandtheil der
Zelle sei (vergl. Fig. 110).
2. In der thierischen Gewebelehre kam die Bedeutung der eigentlichen
Zellsubstanz, des Protoplasma, noch eindringlicher zur Geltung. Hier
führte, trotz lange Zeit herrschender, vorgefasster Meinungen, die vor-
urtheilsfreie Untersuchung zum Resultat, dass die meisten thierischen Zellen
überhaupt keine Membran besitzen.
3. Sehr wichtig war endlich das Studium der niedersten Organismen,
der l*rotoxocn. Dujardin suchte durch äusserst sorgfältige Beob-
achtungen den Beweis zu führen, dass diese Thiere keine Organe be-
sassen, sondern aus einer gleichförmigen, körnchenführenden Substanz
beständen, der Sarkode. Die Sarkode solle alle sonst auf viele Organe
vertheilten Lebensäusserungen. Bewegung, Empfindung, Ernährung, allein
vermitteln. Dujardin's Lehre wurde durch Ehrenberg und seine
Schule lebhaft bekämpft, gelangte schliesslich aber durch die bahn-
brechenden Arbeiten von Max Schultze und Haeckel zu allgemeiner
Geltung.
Auf Grund obiger 3 Beobachtungsreihen hat endlich MaxSchultze ^^o-'
die schon kurz skizzirte Reform der Zellentheorie durchgeführt, indem er
durch ein genaues Studium des Aussehens und der Lebenserscheinungen
und durch zahlreiche Experimente den Nachweis führte, dass Zellsubstanz
der Thiere, Sarkode der l*rotoxoen und Protoplasma der Pflanzen iden-
tisch seien, und dass auf diese Substanz, für welche er den Namen „Proto-
plasma" beibehielt, alle Lebenserscheinungen der Thiere und Pflanzen
zurückzufuhren seien. Die zweite wichtige Reform betrifft die Umbil-
dung der Zellen zu Geweben. Dieselbe erfolge weniger durch Form-
veränderungen und Auswachsen der Zellen zu den Gewebselementen,
wie Schwann meinte, sondern durch chemische Umwandlung. Vermöge
seiner formativen Thätigkeit erzeuge das Protoplasma Structurtheile, welche
nicht mehr Protoplasma sind, wie Bindegewebsfibrillen, Muskelnbrillen,
Nervenfasern etc., welche den specifischen Charakter der einzelnen Gewebe
ausmachen und die Functionen derselben leisten, neben denen sich dann
als Lebens- und Bildungsherde die nicht verwandten Reste der Zellen, die
Bindegewebskörperchen, Muskelkörperchen etc., erhalten.
Diese beiden Grundgedanken der Max Sch ultze'schen „Proto-
plasmatheorio" wollen wir nun weiter ausführen und dabei die Grundzüge
der modernen Gewebelehre kurz skizziren.
Die Grösse der thierischen Zellen schwankt in bedeutenden ';ht*^r'"
Breiten; die kleinsten Elemente sind wohl die männlichen Samenzellen, *u\\"
die Spermatozoon, deren Körper namentlich bei Säugethieren nur
0,005 mm misst, die grössten umgekehrt sind, abgesehen von den
Riesenplasmodien einiger Mycetozoen, die Eizellen. Das Gelbe des
Vogeleies, welches allein das Ei im engeren Sinne, befreit von seinen
Hüllen, darstellt, besitzt vorübergehend den Formenwerth einer Zelle
Hcrtwlg. Lehrbuch der Zoologie. 3. Auftaue. 4
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Allgemeine Zoologie.
und kann bei Strausseneiern einen Durchmesser von mehreren Centi-
metern erreichen.
Die Form der Zelle ist ebenfalls variabel. Frei lebende, durch
ihre Umgebung in ihrer Gestalt nicht bestimmte Zellen sind meist im
Ruhezustand kugelig oder oval, wie die Eizellen lehren: zu Geweben
vereint, können sich dagegen die Zellen zu polygonalen oder pris-
matischen Körpern zusammendrängen oder sich in spindelige oder
sternförmige, verästelte Ausläufer verlängern,
protopiw- g0 bleibt für die Charakteristik der Zelle nur die Beschaffenheit
ihrer Substanz, des Protoplasma, übrig. Auch hier müssen wir von
einer chemischen Charakteristik Abstand nehmen. Wir wissen nicht
einmal, ob das Protoplasma ein bestimmter chemischer Körper ist, der
vermöge seiner Constitution unendliche Variationen zulässt, oder ob
es ein wechselndes Gemisch verschiedener chemischer Körper dar-
stellt. Ebenso wissen wir noch keineswegs sicher, ob diese Körper,
wie man geneigt ist anzunehmen, den an und für sich rätselhaften
Proteinsubstanzen angehören. Wir können nur sagen, die Beschaffen-
heit des Protoplasma muss bei einer gewissen Gleichartigkeit zugleich
auch [ganz ausserordentlich verschiedenartig sein. Denn wenn wir
sehen, dass aus dem Ei eines Hundes
stets nur ein Hund und zwar ein Thier
mit allen seinen individuellen Eigentüm-
lichkeiten wird, dass das Ei eines See-
igels, unter die wechselndsten Bedingun-
gen gebracht, stets einen Seeigel liefert,
dass eine Amöbenart stets nur die für
sie charakteristischen Bewegungen aus-
führt, so müssen wir annehmen, dass
der funetionirende Bestandteil dieser
Zellen, das Protoplasma, in jedem Falle
seine Besonderheiten hat Wir werden
zur Annahme einer fast unbegrenzten
Verschiedenartigkeit des Protoplasma ge-
zwungen, auch wenn wir dem später zu
besprechenden Kern einen wichtigen An-
theil an den hervorgehobenen Unter-
schieden einräumen.
Die bei aller Verschiedenheit doch
Fig. 1«. A„,nrba Prot™» nach unverkennbare Gleichartigkeit des Proto-
Lc'nW. ek Ektosark, m Enuwark, plasina äussert sich in seinem Aussehen
er contnutile Vaiuolo, n Kern, und in seinen L e b e n s e r s c h e i n u n -
S Xahrung«kör|H»r. jrelli Hei schwachen Vergrösserungen
erscheint das Protoplasma als eine matt-
graue, seltener durch Imbibition mit Farbstoffen gelblich, röthlich oder
anderweitig gefärbte Substanz , in welcher zahlreiche , stark licht-
brechende Körnchen eingebettet sind. Die Lebenseigenschaften dieser
Substanz sind: Bewegung, Reizbarkeit, Fähigkeit zur Ernährung und
Fortpflanzung.
S'S" I*ewetfung äussert sich in Gestaltsveränderungen des ge-
prdt«pu»ia.sammten Protoplasma — amöboide Bewegung zweitens in Lage-
veränderungen der kleinen Körnchen — Körnchenströmung. Zur
amöboiden Bewegung (Fig. 1(5) gehören namentlich die später
zu beschreibenden Bewegungen der Protozoen und der farblosen Blut-
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Allgemeine Zoologie.
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zellen vieler vielzelliger Thiere; die Protoplasmakörper schicken hier
gröbere und feinere Fortsätze aus, die wieder eingezogen werden,
zur Ortsveränderung dienen und daher Pseudopodien oder Schein-
ffisschen heissen. Die Körn-
chenströmung kann so-
wohl im Innern des Zellkör-
pers selbst, als auch an den
von diesem ausgehenden Pseu-
dopodien wahrgenommen wer-
den. Mögen die Pseudopodien
noch so fein sein und an der
Grenze der Sichtbarkeit mit
unseren stärksten Vergrösse-
rungen stehen (Fig. 17), so
kann man an ihnen doch noch
wahrnehmen, dass die Körn-
chen wie Spaziergänger auf
einer Promenade hin und her
wandern, gleichzeitig in cen-
tripetaler und centrifugaler
Richtung, in beiden Richtun-
gen einige mit grösserer,
andere mit geringerer (ie-
schwindigkeit Und doch
werden die Körnchen nur
passiv durch das zu Grunde
liegende homogene Proto-
plasma bewegt. Denn wenn
man willkürlich gewählte
Farbkörnchen, z. B. fein ver-
theilten Carmin, durch Fütte-
rung den Pseudopodien einver-
leibt, so zeigen dieselben eben-
falls die merkwürdige Körn-
chenströmung. Nichts ist wohl
geeigneter, um die grosse Com-
plication im Bau des Proto-
plasma zu erläutern, als diese
äusserst verwickelten Bewe-
gungserscheinungen auf so
feinen Bahnen, wie meist die
Pseudopodien sind.
Dass amöboide Bewegung
und Körnchenströmung durch
mechanische, chemische und
thermische Reize hervorge-
rufen, zum Stillstand gebracht
und moditicirt werden können,
ist ein sicherer Beweis für
die Reizbarkeit des Protoplasma.
Ii i! h K . ;1 {% \V> '- \ ••
/ / «VI N : 1 \ r\ \ j ••
\
.T.
;
Fig. 17. Uromhoriformis (aus Lang nach
M. Schultzo».
Am wichtigsten sind die t h e r -
hen Reize. Steigert man die gewöhnliche Temperatur «ler lw^m*.
ebung, so werden zunächst die Bewegungen beschleunigt bis zu
11) 1 s
Umj
einem Maximum : von da tritt eine
Verlangsamung
ein, endlich
4*
voll-
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Allgemeine Zoologie.
F.rnShrung
und Fort-
pflanzung.
Zellkern.
kommener Stillstand, die Wärmestarre. Hält die hohe Temperatur
noch länger an, oder erfährt sie gar eine weitere Steigerung, so erfolgt
der Tod. Die letale Temperatur ist für die meisten Organismen
zwischen 40 und 50° Celsius gegeben; ihr Einfiuss erklärt einen Theil
der schädlichen Folgen, welche hohe Fiebertemperaturen auf den
menschlichen Organismus haben.
Wie eine Wärmestarre, so giebt es auch eine Kältestarre,
herbeigeführt durch ein starkes Sinken der Temperatur unter die
normale. Eingeleitet wird dieselbe durch eine allmählige Abnahme
der Beweglichkeit ; ihren Schluss findet sie im Kältetod, welcher aber
nicht so leicht wie der Tod durch Erwärmen herbeigeführt wird.
Es ist beraerkenswerth, dass viele Thiere und demgemäss auch
ihre Zellen einfrieren und in diesem Zustand starke Kälte vertragen
können, ohne zu sterben (z. B. Goldfische Temperaturen von — 8 bis 15°,
Frösche bis -28°, Blindschleichen bis —25° C). Die Thiere erwachen
zu neuem Leben, vorausgesetzt, dass sie mit der genügenden Vorsicht
aufgethaut werden.
Erregbarkeit und Bewegungsfähigkeit sind die Vorbedingungen
der Ernährung. Letztere ist bei den meisten thierischen Zellen,
wie z. B. fast allen Gewebszellen, nicht gut zu verfolgen, weil die-
selben von flüssiger Nahrung
a leben. Gewisse Zellen höherer
Thiere, die farblosen Blutzellen
und die meisten einzelligen
Thiere können aber auch mit
festen Substanzen gefüttert wer-
den; sie nehmen die Nahrungs-
körper, indem sie sie mit Pseu-
dopodien umfliessen, in das In-
nere des Protoplasma auf, ent-
ziehen ihnen alles Assimilirbare
und stossen das Unverdauliche
wieder aus (Fig. 1<>). Bei der
Ernährung kommt nicht nur in
Betracht, dass die Zellen zum
eigenen Wachsthum und zum Er-
satz des Verbrauchten die auf-
genommene Nahrung benutzen,
sie haben meist auch die Fähig-
keit, anderweitige Stoffe als Pro-
toplasma zu erzeugen, wie z. B.
manche Protozoen organische Ge-
häuse bilden, welche mit Kiesel
oder Kalk erhärtet werden. Diese
bildnerische Thätigkeit, die Erzeugung von ,,Protoplasmapro-
ducten", ist, wie wir sogleich sehen werden, der Ausgangspunkt für
die Gewebebildung.
Die Fortpflanzung der Protoplasmakörper ist gleichbedeutend
mit der Theilung der Zelle; um diese aber zu verstehen, müssen wir
zuvor den zweitwichtigen Bestandtheil, den Kern, noch in das Auge
fassen.
Der Zellkern ist ein im Protoplasma eingeschlossener Körper,
dessen Gestalt zwar für jede Zellenart feststeht, im Uebrigen aber
Fig. 18. Abweichende Kernformen, a huf-
eisenförmiger Kern einer Aritiete, h verästel-
te Kern ans dem Malpighi'schen CJefäss einer
Sphinyidenraupe, c roseiikranzfunniger Kern
von Mentor cocruieus.
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Allgemeine Zoologie.
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viele Schwankungen zeigt Meist ist er ein kugeliges oder ovales
Bläschen ; er kann aber auch zu einem Stab verlängert, hufeisenförmig
gebogen, rosenkranzartig eingeschnürt oder sogar baumförmig verästelt
sein (Fig. 18); bei manchen Zellen ist er unverhältnissmässig gross,
so dass das Protoplasma ihn nur mit einem schmalen Ring umgiebt.
bei anderen wieder so klein, dass man ihn schwierig im Protoplasma
und dessen Einschlüssen auffindet. Früher hat man ihn daher in sehr
vielen Fälle übersehen, und auch jetzt noch gelingt sein Nachweis
öfters nur mit grosser Mühe und unter Anwendung einer besonderen
Technik, welche sich auf das eigentümliche Verhalten der Kern-
substanz stützt. Letztere unterscheidet sich vom Protoplasma unter
Anderem durch ihre grössere Gerinnungsfähigkeit in gewissen Säuren,
z. B. Essig- und Chrorasäure, welche daher auch vielfach zum Kern-
nachweis verwandt werden. Wenn in einer lebenden Zelle der Kern
wegen der Gleichartigkeit seiner Lichtbrechung mit der des Proto-
plasma nicht erkennbar ist, so genügt vielfach der Zusatz von 2%-iger
Essigsäure, um ihn scharf contourirt hervortreten zu lassen.
Fig. 10. Bläschen form ige Kerne mit verschiedener Anordnung der Kernsubstanz.
a Eitern von Toxopnrustrs liridus, d Keimbläschen desaellx-n Thieres, b, r Kerne
von Aetinosphaerinm Eichhorni, c Kern einer Aratdhomrtrr, f, y Kerne der Sj>eichel-
drüw von Culex pipicm (Larve).
Die Vertheilung der Kernsubstanz im Kern ist sehr mannich-
faltig (Fig. 19) ; häufig bildet sie ein den ganzen Kern durchziehendes
schwammiges Gerüst von gröberer oder feinerer Maschenweite (o, g\
oder sie ist zu einem einzigen grossen oder mehreren kleinen Körpern,
den Nucleoli, zusammengeballt (multi- und plurinucleoläre Kerne) (6, c),
oder es combinirt sich die Bildung von Nucleoli mit einem Kerngerüst
{d, f); auch kann ein Theil der Kernsubstanz in der Peripherie eine
zusammenhängende Rindenschicht erzeugen (c). Bei dieser Vertheilung
bleibt innerhalb der Maschen des Kerngerüsts oder zwischen den
Nucleoli ein mehr oder minder ansehnlicher Raum übrig, welcher von
einer eiweisshaltigen Flüssigkeit, dem Kernsaft, ausgefüllt wird.
Hier schliesst sich nun eine strittige Frage an: Giebt es eine
oder mehrere Arten von Kernsubstanz V Wir wollen hier zwei Arten
unterscheiden, das Nu dein oder das Chromatin und das Para-
nuclein oder das A Chromat in. Die Unterschiede offenbaren sich
bei der später zu besprechenden Betheiligung an der Kernthcilung,
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Allgemeine Zoologie.
IWcutuns
dpi Zell-
kern».
und in dem sogleich zu erörternden Verhalten gegen Farbstoffe
(Carolin, Hämatoxylin, Anilinlösungen). Bei richtiger Anwendung der
letzteren färbt sich nur das Nuclein (daher auch Chromatin genannt),
während das Paranuclein vollkommen farblos bleibt. Jede der beiden
Substanzen kann sowohl in Gerüstform wie in Form von Nucleoli
auftreten, so dass man chromatische und achromatische (ierüste unter-
scheiden muss. Am häufigsten findet sich wohl ein achromatisches
Gerüst mit eingestreuten Chromatinkörnern (Fig. 19 0).
Lange Zeit war die functionelle Bedeutung des Kerns in
der Zelle in völliges Dunkel gehüllt, so dass man schon anfing, ihn
als ein im Vergleich zum
* —mm**. Protoplasma nebensäch-
liches Ding zu behandeln.
Der Nachweis, dass der
Kern bei allen Befruch-
tungsprocessen eine Aus-
schlag gebende Rolle
spielt , und zahlreiche
hieran anknüpfende Un-
tersuchungen haben nun
immer mehr die Ansicht
befestigt, dass der Kern
den Charakter der Zelle
bestimmt, dass alle Thä-
tigkeiten des Protoplasma
vom Kern beeinflusst
werden. Wenn aus dem
Fig. 20. Zclltheilung nach Kahl (Haut von Sulamamlra Ei ein bestimmt geartetes
marulwa). Thier sich entwickelt,
wenn ein Zelle im Thier-
körper einen bestimmten
histologischen Charakter
annimmt , so sind wir
jetzt geneigt, dies dem
Kern zuzuschreiben.
Daraus folgt dann weiter,
dass der Kern der Träger
der Vererbung ist; denn
die Uebertragung der
elterlichen Eigenschaften
auf die Kinder, welche
uns die tägliche Erfahrung
des Lebens lehrt, kann
nur durch die Geschlechts-
zellen der Eltern, durch
Ei- und Samenzelle be-
wirkt werden. Da nun
wiederum vom Kern bestimmt
letzter Instanz vom Kern ver-
mittelt. Innerhalb des Kerns ist wahrscheinlich die eigentliche Ver-
erbungssubstanz, wie uns die Beobachtungen über Befruchtung noch
weiter lehren werden, das Chromatin, während das Achromatin eine
Rolle bei der Zellvermehrung spielt.
Fig. 21,
Knospen
Zellknoqmng. I'uffophrun gemmipara mit
er, di«' sich ablösen und zum Scn
h werden, X Kern.
wanner
der Charakter der
wird, so wird die
Geschlechtszellen
Uebertragung in
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Allgemeine Zoologie.
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Die Zellvermehrung findet unzweifelhaft ausschliesslich durch £J™"
Theilung und zwar meist durch Zweitheilung statt Auf der Ober-
fläche der Zelle entsteht eine ringförmige Furche, welche, tief ein-
schneidend den Körper in zwei gleiche Stücke (Fig. 20) (Divisio im
engeren Sinne) zerlegt. Seltener ist eine Zellknospung (Gemmatio),
in deren Verlauf von einer grösseren Mutterzelle sich eine oder
mehrere kleinere Tochterzellen abschnüren (Fig. 21). Viel umstritten
war lange Zeit das Verhalten des Kerns. Einige Forscher behaup-
teten, dass der alte Kern vor der Theilung sich auflöse und dass in
jeder Tochterzelle ein neuer Kern gebildet werde. Andere Hessen den
Kern analog der Zelle eingeschnürt und in die zwei Tochterkerne
zerlegt werden. Trotzdem die erstgenannten Autoren besser be-
obachtet haben, haben die letzteren doch Recht behalten. Das erklärt
sich daraus, dass der Kern bei der Theilung in ein Stadium tritt auf
welchem er ohne Anwendung geeigneter, erst in der Neuzeit ent-
deckter Verfahren gar nicht erkannt werden kann, weil an seiner
Stelle nur eine verwaschene Lichtung im Protoplasma zu sehen ist
Dieses Undeutlichwerden des Kerns war von den Zoologen der zweiten
Reihe ganz übersehen, von denen der ersten Reihe dagegen richtig
beobachtet, aber falsch gedeutet worden. Denn der Kern ist wie die
Behandlung mit Essigsäure oder Chromsäure lehrt, in der lichten
Stelle nach wie vor vorhanden und hat nur die Metamorphose in die
..Kcrnspindel" erlitten (Fig. 20).
Wie schon der Name sagt, hat der Kern auf dem kritischen
Stadium die Gestalt einer Spindel (häufig auch einer Tonne) ab-
genommen und sich dcmgemäss in zwei opponirte, entweder zugespitzte
oder flach abgerundete Enden ausgezogen, die Kernpole (o); genau
in der Mitte zwischen den Kernpolen, im Aequator der Spindel, hat
er seinen grössten Umfang. Hier liegt alles Chromatin angesammelt
zur „A equatorialplatte", worunter man jedoch nicht eine zu-
sammenhängende Substanzmasse verstehen darf; vielmehr hat die
chromatische Kernsubstanz die Gestalt von kleinen Körnern oder
geradegestreckten oder U-förmig gebogenen Stäbchen angenommen,
deren Zahl, mag sie gering oder sehr beträchtlich sein, für jede
Zellenform genau normirt ist Man nennt sie die Chromosomen.
Von den Kernpolen aus divergirend, treten an die Chromosomen feine
farblose Fäden heran, die Spindelfasern, welche die Form der Spindel
bedingen und bei der Kerntheilung die active Rolle spielen. Es
spalten sich nämlich die einzelnen Chromosomen der Aequatorialplatte
der Länge nach in zwei Stücke (Fig. 20, f»), und unter dem richtenden
Einfluss der Spindelfasern rücken die Spaltproducte nach den Kern-
polen auseinander (c, rf, e). Die auf diese Weise aus der Spaltung
der gesammten Aequatorialplatte entstandenen Chromatinanhäufungen
heissen die „Seitenplatten'4. Die Elemente der Seitenplatten wiederum
vereinigen sich unter einander und liefern die beiden Tochterkerne.
Trotz zahlreicher Untersuchungen der Neuzeit sind noch manche
Verhältnisse der Kerntheilung strittig geblieben, namentlich werden
die Spindelfasern von vielen Forschern für Bildungen des Protoplasma
erklärt, während andere sie aus der achromatischen Kernsubstanz ab-
leiten. Besonders aber erfordert folgende Frage noch eingehenderes
Studium. An den Spindelpolen hat man häufig farblose, kleine, rund-
liche Körperchen oder Platten aufgefunden, die Polkörperchen oder
Centrosomen. Sie sind besonders deutlich während der Ei-
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5G
Allgemeine Zoologie.
theilung der Spulwürmer (Fig. 92 B) und erhalten sich hier nachweislich
selbständig auch nach der Fertigstellung der Tochterkerne; sie liefern
für jeden derselben durch erneute Theilung zwei Centrosoinen, welche
auseinanderweichen und für eine abermalige Spindelbildung die Pole
abgeben. Seitdem man einmal auf diese Verhältnisse aufmerksam ge-
worden ist, haben sich rasch die Beobachtungen vermehrt, welche in
thierischen und pflanzlichen Zellen sowohl während der Theilung als
auch während der Ruhe die Centrosoinen nachgewiesen haben, und
so bildete sich die Auffassung aus, dass das Centrosoma ein stets
vorhandenes, zur Einleitung der Kerntheilung dienendes Zellorgan sei.
Nur blieb es bis jetzt unentschieden, ob das Centrosoma dem Proto-
plasma angehöre oder nicht vielmehr einen Bestandteil des Kerns
ausmache, welcher aus letzterem auf längere oder kürzere Zeit heraus-
trete, um seine Wirksamkeit zu entfalten.
Kerntheilung und Zelltheilung bilden gewöhnlich einen wohl-
geordneten Mechanismus, dessen einzelne Phasen gesetzmässig in
einander greifen. Die Theilungsebene der Zelle steht senkrecht auf
der die beiden Pole verbindenden Längsachse der Spindel ; die Spindel-
pole wirken nicht nur bestimmend auf die Chromosomen, sondern
auch auf das Protoplasma der Zelle ein ; dieses
ordnet sich um die Pole in radialen Bahnen, was
meist zu der als Protoplasmastrahlung bekannten
Anordnung der Körnchen führt. So kommt es, dass
jeder Theilungsphase des Kernes auch eine bestimmte
Theilungsphase des Protoplasmakörpers entspricht.
Das Wechselverhältniss von Protoplasma und Kern
ist nun aber keineswegs ein unabänderliches und
unlösbares, vielmehr sind sehr wohl Kerntheilungen
ohne Betheiligung des Protoplasma möglich. Wenn
dieser Process sich häutig wiederholt , entstehen
Protoplasmamassen mit vielen Kernen (Fig. 22), die
Fig. 22. Ricsonzdle nun ihrerseits wieder zu vielen Zellen werden können,
mit vichn Kernen, wenn nachträglich das Protoplasma nach der Zahl
der Kerne sich zerklüftet. Vielkernige Protoplasma-
massen sind somit Zwischenstufen zwischen der einfachen einkerni-
gen Zelle und dem Haufen vieler einkerniger Zellen uud sind
in Folge dessen bald als Aequivalent einer Zelle, bald als Aequi-
valent vieler Zellen angesehen und bald vielkernige Riesenzellen,
bald Zellcomplexe, Syncytien, genannt worden. Im Folgenden
wollen wir eine vielkernige Protoplasmamasse stets
als eine einzige Zelle auffassen, weil der Schwerpunkt
für das Wesen der Zelle darin gegeben ist, dass sie einen Lebens-
herd für sich , eine physiologische Individualität bildet Nach
dieser Hinsicht aber verhält sich eine vielkernige Protoplamasmasse
genau so wie eine einkernige; wie die Gewebszellen und die Protozoen
lehren, wird durch Vielkernigkeit die Organisationsstufe nicht im
Geringsten gehoben. Eine Aenderung tritt erst mit dein Augenblick
ein, wo viele gegen einander abgegrenzte Protoplasmaklümpchen ge-
bildet und damit viele Lebensherde geschaffen werden, d. h. wenn an
Stelle der Vielkernigkeit die echte Vielzelligkeit tritt.
Ehe wir die Besprechung der Kerntheilung beschliessen, müssen wir
noch kurz die Vereinfachung kennen lernen, welche die oben geschilderten
complicirten Vorgänge vielfach erfuhren. Es kommt vor, dass der Kern
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Allgemeine Zoologie.
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sich bei der Zelltheilung ohne wesentliche Structurveränderung streckt und
durch eine äquatoriale Einschnürung in 2 Stücke zerlegt wird (Fig. 21, 140,
145). Man spricht dann von einer directen Kerntheilung im Gegen-
satz zu der gewöhnlichen Form, von der wir ausgegangen sind, der i n -
directen Kerntheilung oder Kary okinese. Zwischen beiden giebt
es vielerlei Uebergänge, welche die Idee ausschliessen, als ob es principiell
verschiedene Vorgänge wären. Für die richtige Beurtbeilung der vorhandenen
Unterschiede wird uns ein beachtenswerter Fingerzeig durch die That-
B&che geliefert, dass die directe Kerntheilung vorwiegend bei den chromatin-
reichen Kernen der Protozoen vorkommt. Danach müssen für den verschiedenen
Charakter der Kerntheilungsvorgänge der Chromatingehalt und die Or-
gaaisationshöhe der Zelle maassgebend sein. Wie oben erläutert worden
ist, haben wir Ursache, das Chromatin für den Träger der Vererbung zu
erklären. Je höher nun ein Thier organisirt ist, um so mehr Eigentüm-
lichkeiten werden von Zelle auf Zelle übertragen, um so complicirter muss
die Structur der Vererbungssubstanz, des Chromatins, sein, um so feiner
durchgearbeitet daher auch die Vorgänge, welche die gesetzmässige Ver-
keilung der Vererbungssubstanz auf die Tochterzellen bewirken. Die Be-
deutung der indirecten Kerntheilung kann somit nur darin gesucht werden,
dass die in kleinen Quantitäten vorhandene Vererbungssubstanz in gleichen
Mengen und in gleicher Constitution auf die Tochterzellen übertragen
werde: diese Aufgabe vereinfacht sich bei niederen Thieren, bei denen
viel Chromatin vorhanden ist und dieses noch dazu eine einfachere Be-
schaffenheit besitzt
2. Die Gewebe des thlerlsehen Körpers.
Bei der Bildung von Geweben treten zwei Processe in Wirksam-
keit: 1) die Vermehrung der Zellen durch Theilung zu Zellcomplexen ;
2) die histologische Differenzirung der Zellen.
a fA.Lll!i Man kann ein Gewebe daher als einen
Complex histologisch gleichartig diffe-
renzirter Zellen definiren.
Die histologische Differenzirung äussert sich 1]£l5JjJr
zunächst darin, dass die Zellen bestimmte Gestalt »che» iW
und bestimmte Lagebeziehung zu Nachbarzellen
erhalten. Dazu kommt fast stets noch als zweites
und wichtigeres Moment die histologische Um-
wandlung der Zelle. Wir haben schon oben her-
vorgehoben, dass die Zelle die Nährstoffe vielfach
nicht nur zum eigenen Wachsthum, zur Vermeh-
rung des Protoplasma, benutzt, sondern auch
anderweitige Stoffe. Protoplasmaproducte, bilden
kann, entweder in ihrem Inneren (innere Plasma-
produete) oder häufiger oberflächlich (äussere
Plasmaproducte). Die histologische Um-
wandlung ist nun die Bildung speci-
fisch funetionirender Plasmaproducte.
Nehmen wir als Beispiel die Art. wie eine Zelle
zur Muskelfaser wird (Fig. 2;V>. so sehen wir. dass
dieselbe auf ihrer Oberfläche immer neue Fäden
von speeihscher Muskelsubstanz, bei den Wirbel-
F«. 23. Bildung der
Mu*kelfihrillcri Vim
Frosch (Schema), a Bil-
dungRzelle, b Bildungs-
lelle mit zwei querge-
rtrtiften Mugkclfibril-
kn, e nildungüzelle mit
zahlreichen Muskel-
fibrillen.
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Allgemeine Zoologie.
thieren neue quergestreifte Muskelfibrillen, ausscheidet, bis schliess-
lich die Bildungszelle nur noch in Resten als „Muskelkörperchen"
im Mantel von Muskelfibrillen erhalten ist In analoger Weise
zeigt sich jedes Gewebe bei histologischer Untersuchung zu-
sammengesetzt aus Zellen und Plasmaproducten ; erstere besorgen die
Bildung. Erneuerung und Ernährung des Gewebes, diese sind Träger
seiner physiologischen Function. Die Vortheile der Gewebebildung
sind die Vortheile, wie sie allgemein mit der später noch öfters zu
besprechenden Arbei t st Heilung verbunden sind. Solange die
Zelle alle Lebensfunctionen in sich vereint, sind dieselben unvoll-
kommen, weil sie sich gegenseitig in der freien Entfaltung hemmen;
das Plasmaproduct dagegen dient nur einer einzigen, ihm eigenthüm-
lichen Function und kann dieser daher mit grösserer Vollkommenheit
Genüge leisten. Die von der Zelle gebildeten Muskelfibrillen, die
charakteristischen Elemente der Musculatur. haben von den Eigen-
schaften des Protoplasma vornehmlich die Fähigkeit der Contraction
bewahrt ; dieselbe ist aber viel energischer und rascher als die Proto-
plasmabewegung. Die Nervenfibrillen vermitteln nur die Leitung der
Reize, aber ausserordentlich viel schneller und geordneter als das
Protoplasma.
derDt(Seu ^a an Je('em Gewebe uns am meisten seine Function interessirt,
"w so ist es am naturgemässesten, bei der Eintheilung der Gewebe die
Function und den hiermit auf's innigste zusammenhängenden feineren
Bau zu Grunde zu legen. Man hat so schon seit längerer Zeit 4 Ge-
websgruppen aufgestellt : 1) Epithelgewebe, 2) Stützgewebe, 3) Muskel-
gewebe, 4) Nervengewebe. Dabei finden gewisse Bestandtheile des
thierischen Körpers keine Unterkunft, Bestandtheile, auf die der Be-
griff „Gewebe* allerdings auch kaum anwendbar ist; es sind das die
Geschlechtszellen, das Blut und die Lymphe. Erstere sollen im An-
schluss an das Epithel, diese im Anschluss an die Stützsubstanzen
besprochen werden.
1. Epithelgewebo.
Aus mehrfachen Gründen müssen die Epithelien an die Spitze
der Gewebe gestellt werden. Sie sind die ältesten Gewebe; sie treten
in der Thierreihe zuerst auf, so dass es Thiere giebt, welche nur aus
Epithelien bestehen. Ferner besteht jeder einzelne Organismus wäh-
rend der ersten Stadien des embryonalen Lebens nur aus Epithel-
schichten. den Keimblättern. Damit hängt dann weiter zusammen,
dass im Epithelgewebe die Zellen das geringste Maass der histolo-
gischen Umbildung erfahren . insofern es nur in untergeordnetem
Maasse zur Bildung von Plasmaproducten kommt.
Function Die vornehmste Aufgabe der Epithelien ist es, über Oberfiächen
epiümi.. einen schützenden und abschliessenden Ueberzug zu bilden, gleich-
giltig. ob die Oberflächen nach aussen gewandt sind (Körperoberfläche)
oder durch Hohlräume im Innern des Körpers bedingt werden (Darm-
lumen. Lumen der Blutgefässe. Leibeshöhle). Wie wichtig hierbei die
Epithelien sind, geht am besten daraus hervor, dass Entzündungen
entstehen, wenn die schützenden Decken entfernt werden, und so lange
anhalten, bis eine Regeneration des Epithels eingetreten ist. Nur aus-
nahmsweise kommen epithelfreie Strecken vor : die Zähne der Wirbel-
thiere. die Geweihe der Hirsche sind Theile des Körpers, welche ver-
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Allgemeine Zoologie. 59
möge ihrer Festigkeit wenigstens eine mehr oder minder beträchtliche
Zeit lang ohne epithelialen Ueberzug bestehen können.
Durch ihre oberflächliche Lage sind die Epithelien geeignet, zwei
weiteren Functionen vorzustehen: alle Stoffe, welche aus dem Körper
entfernt werden sollen, theils weil sie unbrauchbar und in Folge dessen
schädlich geworden sind (Excrete), theils weil sie, wie die Verdauungs-
säfte, noch weiter wichtige Functionen zu leisten haben (Secrete),
müssen die Oberfläche passiren und werden daher von Epithelien aus-
geschieden; das sind die Drüsenepithelien. Ferner dringen auf
die Körperoberflächc zunächst alle Einwirkungen der Aussenwelt ein,
welche die Sinnesempfindungen veranlassen ; daher denn auch gewisse
Epithelien für das Zustandekommen der sinnlichen Wahrnehmungen
von der grössten Bedeutung werden und zum Hören, Sehen, Riechen,
Schmecken und Tasten dienen. Derartige Epithelstrecken nennt man
Sinnesepithelien.
Fig. 24. Verschiedene Formen de» einschichtigen Epithel*, a Plattenepithel von
Syrnndra raphanus, a auf dem Querschnitt, n' von der Flache gesehen, b und r Pflaster-
epithel und Cylinderepithel einer Schnecke (Haliotis tuhereulaia), d Geisseiepithel einer
* Actinie (Calliaetis pa ran Uten), e Flimmerepithel au* dem Darm der Teichmuschel,
f Epithel mit Cuticula einer Blattwespe (Citnltex coronatun}.
Unsere Aufmerksamkeit gilt zunächst dem gewöhnlichen Deck-
epithel, soweit dasselbe ausschliesslich zum Schutz dient oder nur
nebenbei exeretorische und sensorielle Functionen erfüllt.
Das Deckepithel besteht aus Zellen, welche durch geringe Dwkepiüwi.
Mengen einer für die Function des Gewebes gleichgiltigen Kittsubstanz
unter einander vereinigt werden. Man spricht von einschichtigen und
vielschichtigen Epithelien, je nachdem man auf Schnitten, welche senk-
recht zur Oberfläche geführt werden, eine oder zahlreiche Lagen von
Zellen über einander antrifft (Fig. 24, 25).
Einschichtige Epithelien finden sich bei allen wirbellosen Thieren Ein»chichti-
ausschliesslich vor, werden dagegen bei den Wirbelthieren vielfach ,e* l*p'tbel*
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(30
Allgemeine Zoologie.
durch vielschichtiges Epithel ersetzt ; sie erhalten sich hier nur selten
in der Haut iAmphioxus), viel häutiger im Bereich der Hohlräume des
Körpers. Nach der Form der Zellen unterscheidet man cubisches oder
Pflasterepithel. Plattenepithel und Cylinderepithel. Beim Pttasterepithel
(Fig. 24 6) sind die Zellen nach allen Richtungen des Raumes nahezu
gleichmässig entwickelt und sehen, weil sie durch gegenseitigen Druck
abgeplattet werden, wie würfelförmige Stücke oder Pflastersteine aus:
beim Cylinderepithel ist die Längsaxe. die Entfernung vom centralen
zum peripheren Ende der Zelle, besonders gross (Fig. 24c); beim
Plattenepithel endlich ist die Längsaxe stark verkürzt (Fig. 24 a). die
einzelne Zelle zu einem dünnen Schüppchen umgeformt.
Weitere Unterschiede, welche für die drei genannten Epithelformen
gelten, werden durch den Mangel und die Anwesenheit von Zellfort-
sätzen bedingt, von (reissein oder Wimpern. Beides sind feine Fädchen.
welche aus dem Zellkörper entspringen, über die Oberfläche hervor-
ragen und hier eine äusserst lebhafte Bewegung unterhalten. Beim
Geisselepithel (Fig. 24 d) besitzt jede Zelle nur einen schwingen-
den Fortsatz, welcher aber besonders kräftig entwickelt ist; bei dem
Flimmerepithel (Fig. 24 e) ist dagegen die Oberfläche der Zelle
von einem dichten Wald kleiner, gemeinsam schwingender Fädchen
bedeckt.
Die meisten einschichtigen Epithelien erfahren auf ihrer Ober-
fläche einen festen Abschluss durch die Cuticula, eine Membran,
welche von den Epithelzellen gemeinsam ausgeschieden wird und
daher nicht selten die Abdrücke der Zellen als eine polygonale Zeich-
nung erkennen lässt. In vielen Fällen dünn und unscheinbar, kann
sie sich in anderen zu einer gewaltigen Lage verdicken, welche viel
mächtiger ist als die mit der Ausscheidung der Cuticula betraute Matrix-
schicht, das Epithel selbst Die Cuticula ist dann deutlich der Oberfläche
parallel geschichtet und bildet einen wirksameren Schutz der Körper-
oberfläche als das Epithel; sie wird zu einem Panzer, wie uns die
Kalkschalen der Mollusken die aus Chitin bestehenden Körperbe-
deckungen der Insecten (Fig. 24 f) und andere Beispiele lehren.
SS^Jf." Was ,,eim einschichtigen Epithel die Cuticula zum Schutze bei-
th*i. trägt, das kann bei dem vielschichtigen Epithel unmittelbar durch
eine chemische Umwandlung eines Theils der Zellen selbst erreicht
werden.
Beim vielschichtigen Epithel sind die Zellen der einzelnen Schich-
ten stets durch ihre Formen unterschieden; die tiefste Zellenlage
besteht aus Cylinrlerzellen, die oberflächliche dagegen aus mehr oder
minder abgeplatteten Elementen. Dazwischen liegen mehrere Lagen
von Uebergangsformen, so dass man, von den Cylinderzellen ausgehend,
durch eubische Zellen hindurch allmählig zu den Zellplatten der Ober-
fläche übergeführt wird. Wie schon diese Anordnung erkennen lässt,
besteht ein genetischer Zusammenhang zwischen den Zelleningen ; die
unteren cylindrischen Zellen sind in beständiger Vermehrung begriffen,
ihre Abkömmlinge rücken unter alhnähliger (iestaltsveränderung in die
oberflächlichen Lagen, um hier in gleichem Maasse, als sich die Zellen
abnutzen, einen Ersatz zu schaffen.
Bei «lieser Verlagerung können nun die Protoplasmakörper eine
Umwandlung erfahren; bei Reptilien, Vögeln und Säugethieren (Fig.
25 b) verhornen sie, d. h. zunächst wird die Zellenrinde, dann die innere
Partie der Zelle in Hornsubstanz umgewandelt. Von der lebenden
>
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Allgemeine Zoologie.
61
Zelle erhält sich einige Zeit noch der Kern, bis auch dieser schwindet
und damit die Zelle vollkommen in ein todtes Hornschüppchen ver-
wandelt wird. In der Haut der höheren Wirbelthiere sind die Zonen
der lebenden protoplasmatischen und der nicht mehr lebensfähigen
verhornten Zellen scharf gegeneinander abgegrenzt ; man unterscheidet
sie auf dem Querschnitt leicht als das Stratum corneum (sc) und das
Stratum Malpighi (sM) der Haut. Bei vielschichtigen Epithelien hat
die Cuticula ihre Bedeutung verloren, sie ist entweder ein unansehn-
licher Grenzsaum oder fehlt ganz.
B B
Fip. 23 a. Schnitt durch die Haut von
Prtromyxon Planeri. Ep das vielschichtige
Epithel der Epidermis, darinnen Ii Becher-
zellen . Kö Körnerzellen . Ko Kolbenzellen,
Co Lederhaut mit Blutgefäßen (i. bestehend
aus horizontal geschichteten (Wi und senk-
recht aufsteigenden Fibrillenbündeln (aus
Wiedersheim.)
Fig. 25 b. Vielsehuh-
tiges Epithel des Men-
schen. *M Stratum Mal-
pighi .sc Stratum corneum.
Fig. 20. Einschichtiges
Epithel einer Schnecke, r Cu-
ticula, (I Becherzellen.
Das Drüsenepithel unterscheidet sich physiologisch vom ge-
wöhnlichen Deckepithel dadurch, dass es zugleich auch Ausscheidungen,
Secrete oder Excrete, liefert; anatomisch lässt sich das an der An-
wesenheit von ..Drüsenzellen'* erkennen, von Zellen, welche die Aus-
scheidung besorgen und mehr oder minder aulfällig durch ihre Struetur
ihren Charakter verrathen. Charakteristische Drüsenzellen sind z. B.
die Becherzellen: hier ist das Beeret, wohl meist Schleim, im Innern
der Zelle zu einer glasigen Masse angehäuft, das Protoplasma dadurch
zu einer dünnen, an einen Becher crinernden Wandschicht zusammen-
gedrängt, in deren Grund der Kern lagert (Fig. 25a, Fig. '>i\d) \ andere
Drüsenzellen sind die Körnchenzellen, bauchig aufgetriebene Körper,
Drüsen-
epithel.
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G2
Allgemeine Zoologie.
die in ihrem Innern von Secretkörnchen ganz durchsetzt sind (Fig. 25 a Kö).
Zwischen Deck- und Drüsenepithel giebt es natürlich alle Uebergänge.
Den letzteren Namen wird man gewöhnlich nur dann anwenden, wenn
die Drüsenzellen besonders häufig sind und damit der Epithelstrecke
in erster Linie secretorische Bedeutung verleihen. Das ist vornehmlich
in den Apparaten der Fall, welche man mit einem besonderen Namen
„Drüsen" nennt, unterdenen man einzellige und vielzellige Drüsen
unterscheidet.
Einwinde Einzellige und vielzellige Drüsen führen zu einer Ver-
Drii.cn. grösserung (ier secretorischen Oberflüche durch Einstülpung. Ein-
stülpung einer einzigen Zelle liefert die einzellige Drüse, welche vor-
nehmlich bei wirbellosen Thieren vorkommt (Fig. 27); eine Drüsenzelle
wächst hier so enorm an, dass sie im Epithel keinen Platz hat,
sondern in die Tiefe, in die subepithelialen Schichten, hineindringt:
hier lagert der von Secret geblähte Zellkörper mit Kern und dringt
mit einem dünnen Fortsatz, einem Ausführgang, bis zur epithelialen
Oberfläche vor.
Fig. 27. Einzöllige Drüsen aus Fig. 2K. Tubulöse Drüsen (nneh Toldt). A lieber-
deni Mantelrand von Heiix po- kühn'sche Drüsen des niensehliehcn Darms, Al Drüsen
matia. r Epithel, <i einzellige der Bindehaut des Auges. B LaMrüsen der Katze.
Drüsen, ji Pigmentzellen. 0* D Nierencanälchen, (,' aus der Nierenpyrainide
des Hundes, I) aus «1er Nierenrinde des Kaninchens.
vmmuip Bei der Bildung der vielzelligen Drüsen wächst eine aus-
omwn. p0(jejmte strecke Drüsenepithels als cylindrischer Strang oder Rohr
von der Oberfläche aus in die tiefere (iewebsschieht; selten bleibt
derselbe einfach, meist verästelt er sich und bildet die zusammen-
gesetzte Drüse, die aus Hunderten oder Tausenden von Drüsen-
schläuchen bestehen kann, welche sämmtlich in einen gemeinsamen
Ausführgang münden. Man unterscheidet unter den vielzelligen Drüsen
tubulöse und acinöse Formen. Bei den tu biliösen Drüsen (Fig. 2*)
besitzen die einfachen oder verästelten Drüsenschläuche dasselbe
röhrige Caliber vom Anfang bis zum Ende, bei den acinösen
Drüsen (Fig. 2!» ) dagegen erweitert sich das blinde Ende des Drüsen-
schlauchs zu einer Anschwellung, welche vorwiegend die secretorischen
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Allgemeine Zoologie.
63
Zellen enthält und an dem vorderen Abschnitt des Drüsenschlauchs,
dem Ausführgang, ansitzt wie eine Weinbeere an ihrem Stiel. Zu
den tubulösen Drüsen gehören Leber, Niere und Schweissdrüsen des
Menschen, zu den acinösen die Speicheldrüsen nicht nur der Wirbel-
thiere, sondern auch der Arthropoden und Mollusken.
Fig. Acinöse Speicheldrüsen von Orthrxia critajilirnrtti (nach List);
in einigen Acini sind die Kerne und (irenzen der Zellen eingetragen.
Fig. 3Ü. Keiniepithel einer Meduse, ck Ektodcrni, en Entodcrm, 0 Eier, e Epithel.
An das Drüsen- ,ch£h„.
epithel schliessen wir *pitheiie».
zweckmässigerweise
die Besprechung der
G e sc h 1 e cht s ze 1 -
1 e n an ; denn diese
bilden ein vollkomme-
nes Seitenstück zu den
Drüsen/eilen. Wie
das Secret der letzte-
ren aus dem Körper
befördert werden
muss, so bilden auch
die Geschlechtszellen
Elemente, die dem
Organismus fremd-
artig gegenüberstehen
und nach aussen ge-
langen müssen, um in
Function zu treten.
Wie Drüsenzellenj
meist zwischen ge-
wöhnliche Kpithelzel-
Fig. 31. Schnitt durch den Eierstock eines neugehureueii
Kinries (nach Waldeyer). kc Keiniepithel . ur Freier im
Keiniepithel, esch Eischläuchc, rih durch Abschnürung aus
diesen hervorgegangene Eiballeu, /" einzelne Kifollikcl,
yy (tcfäsae.
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<>4
Allgemeine Zoologie.
len eingestreut sind, so liegen auch fast ausnahmslos die Geschlechtszellen
im Epithel eingebettet, sei es im Epithel der Haut (Fig. 30), des
Darms, der Leibeshöhle oder abgeschnürter Theile derselben (Fig. 31).
Diese Verbindung der Sexualzellen mit dem
Epithel hat noch einen weiteren Grund darin,
dass viele Organismen und besonders Orga-
nismen von niederem Bau ausschliesslich aus
Epithel bestehen und daher notwendiger-
weise im Epithel ihre Geschlechtsproducte
entwickeln müssen. Geschlechtszellen und
Epithelzellen sind, mit anderem Worte, die
ältesten Elemente des vielzelligen Thierkörpers
und dadurch schon früh in Beziehung zu
einander gebracht
Geschlechtsepithelien, oder wie man sie
auch häutig nennt, Keimepithelien, haben wie
Drüsenepithelien die Tendenz, in das subepithe-
liale Gewebe in Form von isolirten oder ver-
ästelten Schläuchen hineinzuwachsen ( Fig. 31, 32),
und so kommt es, dass in vielen Thiergr uppen
die Geschlechtsorgane den Charakter verästelter
Drüsen tragen, weshalb man im Allgemeinen
ebenso häutig von Geschlechtsdrüsen wie von
Geschlechtsorganen spricht (Fig, 32).
AVas nun die specitischen Elemente der
Geschlechtsepithelien und Geschlechtsdrüsen
anlangt . so besteht ein grosser Unterschied
zwischen den weiblichen und männlichen Elemen-
ten, der schon darin zum Ausdruck kommt, dass
die ersteren, die Eier, zu den grössten. die letz-
teren, die Spermatozoen oder Samenfäden, zu den
kleinsten Zellen des thierischen Körpers gehören.
Die Eizelle (Fig. 33), wie sie im Ova-
rium gebildet wird, hat eine je nach der Thier-
grnppe wechselnde Grösse, bei den mikro-
skopisch kleinen Gasirotrichen misst sje 0,04 mm,
beim Menschen fast 0.2 mm , bei den
Fröschen mehrere Millimeter, und bei den
grossen Vögeln mehrere Centimeter, wobei zu
beachten ist, dass als Eizelle nur das soge-
nannte Gelhci angesehen werden kann, während
das Eiweiss und die Schale Bildungen sind,
die ausserhalb des Eierstocks in dem Eileiter
entstehen. Diese enormen Grössenunterschiede
sind weniger durch den Gehalt an eigentlicher
Zellsubstanz, an Protoplasma (Bildungs- oder
Hauptdotter) bedingt, als durch die Anhäufung
von Deutoplasma (Nahrungs- oder Nebendotter,
auch Dotter kurzweg genannt). Der Neben-
dotter hat die Aufgabe, den in Entwicklung
begriffenen Embryo zu ernähren, und besteht
daher aus fett- und eiweissreichen Stoffen, welche in feinen Körnchen
oder polygonalen Körpern, den Dotterblättchen, oder in rundlichen
'IS
Fig. 32. Eiröhre eine*
IiLsecta, Vatteasa Urtica*,
a liildung*zcUen , b Fol-
likelepithel, e Nährzellen,
d Eizellen, f fibröse Um-
hüllung, in den Endfaden
y auslaufend. (Nach
Waldeyer.)
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Allgemeine Zoologie.
65
Oelkugeln abgelagert sind. Er ist in um so grösseren Quantitäten
vorhanden und bedingt dalier auch um so bedeutendere Dimensionen
des Eies, je länger die Zeit dauert, in welcher das Ei von jeder
Nahrungszufuhr abgeschnitten ist. Die gröss-
ten Eier finden wir im Allgemeinen bei eier-
legenden Thiereil, welche eine hohe Organi-
sation besitzen, bei denen zur Anlage der
vielfältigen Organe ein lange dauernder Ent-
wicklungsgang nöthig ist.
Ausser Bildungsdotter (Protoplasma)
und Nährdotter (Deutoplasma) findet sich im
Ei stets noch der Zellkern oder das Keim-
bläschen vor. ein autfallend grosses Bläs-
chen, welches bei grossen Eiern schon mit
unbewaffnetem Auge erkannt werden kann
und von einer festen Membran umgeben ist; Fig. 33. Eizelle von Strongy-
sein Inhalt ist vorwiegend Kernsaft ; in locentrottu lindiu*.
demselben breitet sich ein achromatisches
Kernnetz aus und liegt ferner das Kernkörperchen, nach dem Ent-
decker auch Wagner'scher Fleck oder Keimfleck genannt. Häufig
sind multinucleoläre Keimbläschen, besonders bei Eiern, welche sehr
viel Dotter enthalten.
Fig. 34. Verschiedene Spermatozoon, a von der Nachtseh\vaU>e , ß vom Laub-
frosch, y ™m Flußkrebs. 8 einer Krabbe, t vom Spulwurm, n Kern, m Zwischen-
stück, s Geisel, k homogener Kör|>er.
Die Spermatozoon, die Formelemente des männlichen Samens,
sind so klein, dass sie nur mit den stärksten Vergrößerungen auf
ihren feineren Bau hin untersucht werden können. (Fig. 34 a und fi.)
Am leichtesten ist an ihnen der Kopf zu erkennen, welcher häufig durch
seine sehr verschiedenartige Gestalt, indem er kugelig, oval, sichel-
11er tw Ig, Uhrbuch der Zoologie. 3. Auflage. 5
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Allgemeine Zoologie.
sinne«-
ipithil.
förmig u. s. w. ist . die spezifische Bestimmung der Spermato-
zoen ermöglicht. Der Kopf ist der fest zusammengeballte chroma-
tische Theil des Kerns und färbt sich daher durch Tinctionsrlüssigkeiten
sehr stark. An ihn setzt sich ein gar nicht färbbarer zweiter Abschnitt
an, das Mittelstück, an das letztere wiederum der Schwanzfaden, eine
lange Geissei, welche die lebhafte Beweglichkeit der reifen Spermato-
zoon vermittelt. Protoplasma kann nur in äusserst geringen Spuren
vorhanden sein, welche in dünner Schicht den Kern umgeben.
Dagegen findet sich wohl stets ein achromatisches Centrosoma, welches
seinen Sitz im Mittelstück oder, wie von anderer Seite behauptet wird,
an der Spitze des Kopfes hat.
Nach dem beschriebenen Schema sind die Spermatozoen fast bei
sänimtlichen Thieren gebaut mit Ausnahme der Nematoden und Cru-
staeeen. In diesen beiden ('lassen sind merkwürdigerweise die Sper-
matozoen auffallend gross und unbeweglich und umschliessen einen
sonst nicht vorkommenden homogenen, stark lichtbrechenden Körper ik).
dessen Bedeutung ganz unklar ist. Die Spermatozoen der Spulwürmer
(Fig. iJ4 t) halten die (iestalt eines Zuckerhuts mit abgerundetem
breiten, den Kern enthaltenden Ende: die Spermatozoon des Fluss-
krebses (Fig. M y) gleichen dagegen einer Tortenschüssel, von deren
grösstem Umkreis ein Kranz feiner, starrer und spitzer Faden ent-
springt.
Die letzte Modifieation des Epithels, welche wir noch zu besprechen
haben, ist endlich das S i n n e s e p i t h e 1. Seinen besonderen Charakter
erhält dasselbe durch die Verbindung,
welche einige seiner Zellen, die Sinnes-
zellen. mit den feinsten Endästen ver-
zweigter . vom Centralnervensystem
kommender Nerven eingehen. Diese
Verbindung kann in zweierlei Weise
bewerkstelligt werden. Im ersten
Fall sind die Sinneszellen feine, lange
Fäden, in denen durch die Einlagerung
des Kerns eine Verdickung herbeige-
führt wird. (Fig. ;!;*>.) Dabei zerfällt
der Zellkörper in ein peripheres Ende,
welches die Aufnahmt! der Sinnesem-
pfindung vermittelt, und ein centrales,
welches continuirlich in die Nervenäst-
chen sich fortsetzt und sich demgemäss
in zwei oder mehr feinste, den Cha-
rakter von Nerveiihbrillon annehmende
A u s lauf e r v e r z w e i gt . Im z w e i t e n
Falle endet der Sinnesnerv in einer
(ianglienzelle, welche in das Epithel
Ausläufer entsendet, die sich mit ihren Enden an die Sinnes-
zellen anlegen und somit mit denselben nur in Contact stehen.
In beiden Fällen trägt das periphere Ende der Sinneszelle beson-
dere, zur Sinnesempfindung in Beziehung stellende Anhänge. Hör-
haare, Tasthaare, stiftehonartige Aufsätze bei (Jemens- und (ie-
schmaeksorganon, ansehnliche Stäbchen bei den Sehzellen. Auch
in Sinnesorganen, bei welchen die Nervenendigungen nicht an der
Körperoberrläehe liegen, wie dem Gehörorgan und dem Auge des
' 1
l \
V
Ii \
.Siiini'wpithel , t riiHT
aus der ( JoruchsschMin-
haut tV-n MenM'lifii, d Slützzelh-n,
.s Siniu s/vllon.
Act in»'
.'».).
e
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Allgemeine Zoologie.
«7
Menschen, sind trotzdem Strecken von Sinnesepithel die functionell
wichtigsten Theile. Man kann hier fast stets durch die Entwicklungs-
geschichte den Beweis führen, dass die Endorgane der Nerven abgelöste
Theile der allgemeinen Körperhaut sind.
Im Bereich des Sinnesepithels und zwischen den Sinneszellen
finden sich noch anderweitige Epithelzcllen, welche nicht mit Nerven
in Verbindung stehen und mannichfache Ncbcnfunctionen zu leisten
haben; sie dienen zur Stütze der Sinneszellen, enthalten beim Auge
Pigment, tragen beim Gehörorgan die Hörsteine u. s. w. Man kann
sie mit dem allgemeinen Namen „Stützzellen" belegen.
2. Bin de8ubs tanzen.
Histologisch genommen, giebt es keinen grösseren Unterschied als
zwischen Epithelien einerseits und Bindesubstanzen andererseits; ge-
hören jene der Oberfläche an, so finden sich diese im Innern des
Körpers; spielen bei jenen die Zellen die Hauptrolle, so sind sie um-
gekehrt bei diesen von untergeordneter Bedeutung gegenüber den
Plasmaproducten, den „Intercellularsubstanzen". welche den Charakter
der verschiedenen Bindesubstanzarten vornehmlich bedingen.
Primäre Aufgabe der Bindesubstanzen ist es, die Zwischenräume,
welche sich im Innern des Körpers zwischen den einzelnen Organen
ergeben, auszufüllen und dabei die Einzeitheile des Organs sowie
auch die verschiedenen Organe unter einander zu verbinden. Die
Bindesubstanzen tragen in Folge dessen auch zur Festigkeit
des Körpergefiiges bei und werden häufig zum Aufbau des Skelets
verwandt. Um das zu erreichen, bilden die Zellen auf ihrer Ober-
fläche Substanzen , welche meist eine grössere Festigkeit haben
als das Protoplasma und, «la sie zwischen die Zellen eingeschlossen
sind, Intercellularsubstanzen heissen. Je mehr die Intercellularsub-
stanzen an Masse zunehmen, um so mehr verbrauchen sich die Zellen
und werden zu unscheinbaren Körperchen, den Bindesubstanz-
körperchen, oder verschwinden sogar, was jedoch selten ist, gänzlich.
Da die Intercellularsubstanzen das Wichtigste in der Bindesubstanz
sind, ist es begreiflich, dass vornehmlich auf ihrer verschiedenen
Beschaffenheit die Unterschiede der einzelnen Arten der Bindesubstanz
beruhen. Man unterscheidet folgende Formen; 1) zellige Bindesub-
stanz. 2) homogene Bindesubstanz, i\) faserige Bindesubstanz, 4) Knorpel,
5) Knochen.
Die z e 1 1 i g e B i n d e s u b s t a n z zeigt die Merkmale der Gruppe /,r^,^e'
am wenigsten ausgeprägt ; sie hat ihren Namen daher, dass die Zellen
bei ihr die Hauptmasse ausmachen, während die Zellproducte nur in
ihren ersten Anfängen vorhanden sind. Die Zellen sind grosse, blasige
Körper, welche nach Analogie pflanzlicher Zellen fest gegen einander
gepresst sind und sich gegenseitig polygonal abgeplattet haben ; sie
haben zwischen sich eine feste, wenn auch dünne Schicht von Inter-
cellularsubstanz ausgeschieden (Fig. SWS).
Bei der homogenen B in des übst an z ist die Intercellular- "j;™*
Substanz meist reichlich vorhanden als eine glasartig durchsichtige »ub*'.»iu
und daher unter dem Microscop fast gar nicht wahrnehmbare, bald
gallertartig weiche, bald derbere Masse (Fig. H7). Die in ihr liegenden
Zellen sind entweder kugelig oder senden verästelte Fortsätze in die
Grundsubstanz hinein. Solche Verästelungen können zu einem Netz-
.*>*
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Allgemeine Zoologie.
werk verschmelzen, welches wie ein Pseudopodiennetz Zelle mit Zelle
verbindet. Nicht selten wird ausserdem die homogene Bindesubstanz
von isolirten festen Fäden oder Strängen durchsetzt, welche vermöge
ihrer physikalischen Eigenschaften elastische Fasern heissen und aus
einer gegen die meisten Reagentien äusserst widerstandsfähigen Substanz,
dem Elastin, bestehen. Endlich können sich in der Grundsubstanz
die feineren Bindesubstanzfibrillen entwickeln, welche das charakteri-
stische Element der nächsten Gruppe bilden und zu dieser überleiten,
je mehr sie durch Zunehmen an Zahl in den Vordergrund treten und
den Charakter des Gewebes bestimmen..
Fig. 87. Homogene Bindcsnhstanz von
Sycandra raphanus (nach F. E. Schulze).
K*hX Die faserige Bindesubstanz ist ausgezeichnet durch die
«.»Mi««, reichliche Anwesenheit der Bindegewebstibrillen ; dieselben sind Fädchen
von ausserordentlicher Feinheit und liegen in einer homogenen
Grundsubstanz, die sie um so mehr verdecken, je reichlicher sie sind.
In ihrem Verlaufe sind sie entweder wirr angeordnet und nach allen
Richtungen gekreuzt, oder sie verlaufen im Wesentlichen parallel und
in einer bestimmten Richtung. Zwischen ihnen linden sich die rund-
lichen, spindelförmigen oder verästelten Bindesubstanzkörperchen
(Fig. 38). Bei den Wirbelthieren sind stets zahlreiche Fibrillen zu
einem Bündel vereint : jedes Bündel wird gewöhnlich umhüllt von den
zu platten Zellen gewordenen Bindegewebskörperchen. Die Bündel
verlaufen locker gekreuzt nach allen Richtungen (lockeres Binde-
gewebe, Zellgewebe der früheren Autoren) (Fig. 39), oder sie sind
ihrerseits wieder genau parallel gestellt und zu einer straffen Faser-
masse zusammengefügt (straffes Bindegewebe der Bänder, Sehnen-
gewebe) (Fig. 40). Da nun die Fibrillen der faserigen Bindesubstanz
der Wirbeltniere noch eine weitere, sonst nicht vorkommende Eigen-
thümlichkeit besitzen, dass sie aus Glutin bestehen und beim Kochen
Leim liefern, ist es zweckmässig, für diese Gewebsform den besonderen
Namen „Bindegewebe" zu reserviren.
In allen faserigen Bindesubstanzen können als weitere Form-
elemente die elastischen Fasern auftreten; sie können sogar die ge-
wöhnlichen Bindegewebsfibrillen verdrängen und zum dominirenden
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Allgemeine Zoologie.
Bestandteil der Bindesubstanz werden, weshalb man dann von ela-
stischem Gewebe spricht.
5 - * .V'l.'i 1
. mW\ ; ? Ii
V
•l •/•A'v,;;, t :;if! |,| I
Fig. Lockeres
Fig. 38. Fahrige Bindesubstanz f a-^ngea Bindegewebe FlK- 11 Srhnengeweho
einer Actinir. (nach Gegenbaur), <nftch Gegenbaur).
Knorpel und Knochen sind gleichfalls Gewebe, welche ihre Kn(>Tfl-
charakteristische Ausbildung nur bei Wirbelthieren Hilden. Der
Knorpel hat in seinem Aussehen viel Aehnliehkeit mit der homogenen
Bindesubstanz mancher wirbelloser Thiere; das Grundgewebe ist
homogen und auf den ersten Blick ganz structurlos (Fig. 41), nimmt
aber unter dem Eintluss gewisser Heagentien
eine faserige Beschaffenheit an. Letzteres Ver-
halten, sowie der Umstand, dass der Knorpel
durch Umwandlung des Perichondrium , einer
dünnen, faserigen, seine Oberfläche überziehenden
Haut, wächst, lässt es sicher erscheinen, dass
er ein homogenisirtes , faseriges Bindegewebe
ist und sich somit wesentlich von der homo-
genen Bindesubstanz unterscheidet, da er nicht
wie diese eine niedere, sondern eine höhere
Stufe der Gewebsbildung bezeichnet. — Im
Grundgewebe Heger, die Knorpelzellen zu Grup-
pen und Nestern vereinigt, eine Gruppirungs-
weise, die auf ihre Entstellung hinweist, da jede
Zellen gruppe durch succesive Theilung aus
einer einzigen Mutterzelle entstanden ist. —
Auch im Knorpel können elastische Fasern auf-
treten: eine grosse Zahl derselben wandelt den
bläulich schimmernden hyalinen Knorpel in den
gelblich gefärbten, elastischen Knorpel um.
Der Knochen ist die complieirteste Bildung in der Binde- Knoden,
substanzreihe. Er besteht aus einer dem Glutin sehr nahestehenden
Grundsubstanz, dem Ossein, welche mit anorganischen Bestandteilen
so innig verbunden ist. dass man unter dem Microscop nur eine
homogene Masse sieht. Das Verhältniss von organischer und anorga-
nischer Substanz wechselt nach Alter und Art des Thieres; beim
Fig. 41. Knorpel inaeh
Qegenbaur). e Perichoa-
drium, b Uehergang nun
typischen Knorpel a.
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7U
Allgemeine Zoologie.
Menschen z. B. kommen b\r)% anorganische Sul)stanz auf 35°)0 or-
ganische, hei der Schildkröte 03% auf Ü7°/0. Unter den anorganischen
Pestandtheilen ist am wichtigsten der phosphorsaure Kalk, 84% der
Gesammtmasse der anorganischen Verbindungen, daneben finden sich
noch in geringeren Quantitäten Verbindungen von Fluor, Chlor,
Kohlensäure und Magnesia. Morphologisch ist die (irundsuhstanz
zusammengesetzt aus den Knochenlamellen (Fig. 42), deren Anordnung
von den in und an dem Knochen vorhandenen Oberflächen bestimmt
w ird. In einem Höhrenknochen (wie dem
n Oberarmbein oder einem Handknochen)
ist eine Oberfläche durch die Begren-
zung nach aussen gegeben, wo eine
faserige Haut, die Beinhaut oder das
Periost, dicht auflagert; eine zweite
Oberfläche ist nach dem Innern nöthig
geworden durch die Anwesenheit der
Markhöhle; endlich ist das Massiv des
Knochens noch durchsetzt von den
Haversischen Canälen, welche vorwie-
gend in der Längsrichtung angeordnet,
durch quere oder schräge Canäle aber
zu einem Netz unter einander ver-
bunden sind und dem Verlauf von
Blutgefässen dienen. Indem nun die
Knochenlamellen sich parallel den be-
sprochenen Oberflächen anordnen, las-
sen sich auf dem Querschnitt 2 Systeme
unterscheiden, die (irundlamellen und
die Haversischen Lamellen. Jene sind
den Oberflächen des Periosts und des
Markraums parallel gestellt und bilden
einen Mantel von concentrischen Schich-
ten um die Markhöhle herum. In
diesen Grundstock des Knochens sind
nun die Haversischen Canäle mit ihren
Lamellen eingebohrt, indem sie die ihnen
in den Weg tretenden < irundlamellen
zerstört und ersetzt haben. Die Haver-
sischen Lamellen sind um das Lumen
der Haversischen Canäle ebenso concen-
trisch geschichtet wie die Grundlamel-
len um den Markraum.
Die Schichtung des Knochens ist
durch die Entstehungsweise begründet.
Wo der Knochen an die Haversischen
Canäle, den Markraum und das
Periost angrenzt , findet sich vorübergehend oder dauernd eine
epithelartige Lage von Zellen, von „Osteoblasten", welche die
Knochensubstanz auf ihrer Oberfläche zu ausscheiden, was, wie
in allen derartigen Fällen , der ausgeschiedenen Substanz eine
geschichtete Structur verleiht. Bei dieser Ausscheidung gerathen
einige Zellen mit in die (Irundsuhstanz hinein und geben hier die
Knochenkörperchen ab, welche sich von den Knorpelzellen durch die
Fijr. 42. Querschnitt durch den
Mctaearpiifl des Menschen, a Fläche
des Periosts, /> Fläche des Markrauins,
c Querschnitte der Haversischen < 'antik
und ihrer LaiiK lIcu-ystcme, <l Grund-
bunellcn, e Knochenk6rperchen (nach
Frey).
Allgemeine Zoologie.
71
reichlichen, die Grundsubstanz durchbohrenden Ausläufer unterscheiden.
Die von einem Knochenkörperchen entspringenden Ausläufer verästeln
sich und verschmelzen mit den ihnen entgegenkommenden Ver-
zweigungen benachbarter Zellen : ihre Anordnung ist am schönsten
am getrockneten Knochen zu erkennen, weil hier die Hohlräume und
Canäle der Grundsubstanz von Luft gefüllt sind. — Als besondere
Moditicationen des Knochengewebes sind noch zu nennen das Gewebe
der Fischschuppen und das Zahnbein, auch Elfenbein oder Substantia
eburnea genannt.
Blut und Lymphe, welche wir hier im Anschluss an die Binde-
substanzen abhandeln, sind streng genommen gar keine Gewebe, sondern
nur ernährende Flüssigkeiten. Zweierlei ernährende Flüssigkeiten
finden sich bei den Wirbelthieren vor, das roth gefärbte Blut und die
farblose oder schwach opalisirende oder weisslich getrübte Lymphe.
Am Blut des Menschen und der Wirbelthiere haben wir zunächst
die flüssigen und die geformten Bestandteile auseinanderzuhalten.
Flg. 44. Rothe Blutk<">r|>orchen a vom Menschen,
h vom Karneol, r von der Natter, d' von Proteus,
(Kantenansieht), d" Fläehcnansieht, r eines Rochen,
Fig. U. Weisse BIntkörpcrehen f vom Petromyzon. n Kern. (Alle Blutkörperehen
vom Mensehen, h vom Krebs 700 fach vergrössert, mit Ausnahme von d, welche
[ii der Kern). 330nml VOfgrössert sind.»
Die Blutflüssigkeit oder das Blutplasma ist, abgesehen von
anorganischen Bestandteilen, besonders reich an Eiweisssubstanzen,
von denen sich jedoch nach der Entleerung des Blutes aus den Ge-
fässen ein Theil durch Gerinnung ausscheidet und den aus Fibrin
bestehenden Blutkuchen liefert, während eine an Eiweiss ärmere
Flüssigkeit, das Blutserum, übrig bleibt. Die geformten Elemente, die
Blut zellen. werden als rothe und weisse Blutkörperchen unter-
schieden. Letztere (die Leukocyten) sind in geringerer Anzahl vor-
handen und haben grosse Aehnlichkeit mit den im Wasser vorkom-
menden Amöben; sie sind Protoplasmaklümpchen. welche einen Kern
enthalten. Fremdkörper, wie z. B. in das Blut gespritzte Carminkörnchen,
fressen und sich „amöboid" d. h. durch Aussenden von Pseudopodien
fortbewegen (Fig. 43 o).
Die rothen Blutkörperchen der Wirbelthiere (Fig. 44) sind im
ausgebildeten Zustand kreisrunde oder ovale Scheiben, welche durch
Einwirkungen von aussen, durch Druck und Zug, vorübergehend ge-
bogen, eingeschnürt oder anderweitig in ihrer Form modificirt werden,
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72
Allgemeine Zoologie.
activ aber ihre Gestalt nicht verändern können, weil sie nicht mehr aus
Protoplasma bestehen. Entwieklungsgesehichtlich entstehen sie zwar
aus ächten, kernhaltigen, protoplasmatischen Zellen, von denen es noch
zweifelhaft ist. ob sie mit den Leukocyten identisch sind: allein der proto-
plasmatische Zellenleib wird ganz in ein Plasmaproduct, das Stroma des
Blutkörperchens, verwandelt. Wenn sich bei dieser Metamorphose der
Kern erhält, so bildet er im Centrum der Scheibe beiderseits eine
schwache Hervorwölbung; wird der Kern ebenfalls rückgebildet, dann
werden die beiderseitigen llervorwölbungen durch flache Dellen er-
setzt. Im letzteren Fall hat man streng genommen kein Recht mehr,
von Blutzellen zu reden, da alle charakteristischen Bestandteile der
Zelle, Kern und Protoplasma, geschwunden sind. — Systematisch
sind die rothen Blutkörperchen insofern von Interesse, als kernlose
Formen nur bei den Säugethieren {Fig. 44 a, Ii), kernhaltige bei allen
übrigen Wirbelthieren (c— ä) gefunden werden. Auch besitzen die
Säuyethiere kreisrunde, die übrigen Wirbclthiere ovale Scheiben. In
letzterer Hinsicht kommen jedoch Ausnahmen vor, indem unter den
Säugethieren die Tylopoden (Kameel, Lama) ovale, unter den Fischen
die Cyclostomen kreisförmige Blutkörperchen haben.
Die rothen Blutkörperchen sind sowohl Ursache der Farbe des
Blutes als auch Träger einer seiner wichtigsten Functionen, der Ver-
mittlung des Gasaustausches : beides hängt damit zusammen, dass
das Stroma den Blutfarbstoff oder das Hämoglobin enthält. Das
Hämoglobin gehört zu den wenigen crystallisirbaren Eiweisskörpern
und ist ausgezeichnet durch seinen, wenn auch geringen, so doch
äusserst wichtigen (Ichalt an Eisen und durch seine Wahlverwandt-
schaft zu Sauerstoff. Sauerstoffhaltiges Hämoglobin oder Oxyhämo-
globin bedingt die carminartige Farbe des sogenannten arteriellen
Blutes, sauerstofffreies, „reducirtes" Hämoglobin die dunkelrothe,
in's Bläuliche schimmernde Farbe des venösen Blutes.
Vom Blut unterscheidet sich die Lymphe durch den gänzlichen
Mangel der rothen Blutkörperchen und die geringere Gerinnungsfähig-
keit seines Plasmas. Lymphe ist somit eine eiweisshaltige Flüssigkeit
mit weissen Blutzellen, welche deshalb auch die Lymphkörperchen
heissen.
Bei den meisten wirbellosen Thieren ist nur eine Art von ernäh-
render Flüssigkeit vorhanden und auch diese nicht einmal bei allen
Classen ; die Flüssigkeit wird Blut genannt, obwohl sie gewöhnlich
farblos ist. Wo Färbung vorkommt, ist dieselbe, wenn auch nicht
immer, so doch meistens eine gclblieh-rothe oder intensiv rothe: sie
kann sogar, ähnlich wie bei den Wirbelthieren, durch Hämoglobin
bedingt sein (unter den Mollusken bei Planorben, Area tetragona, A.
noae, Solen legttmen, Teilina pianata, Pectunculus gfycimeris und anderen,
unter Anneliden bei Capitelliden, Glyccra, Polycirrus, Leprea, Blutegeln,
Regenwürmem, unter Insecten bei Chironomus). Anstatt des Hämoglobin
finden sich vielfach andere Farbstoffe, bei Tintenfischen, manchen
Schneeken, beim Hummer das bei Sauerstoffzutritt sich bläuende,
schwach kupfcrhaltigc Hämocyanin, bei Sipunculiden Hämery-
th r i n etc. Sitz der Färbung ist in der Hegel das Blutplasma ( Chirono-
mus, Hirudineen, Reyenwürmer und die meisten Anneliden); nur aus-
nahmsweise kommen gefärbte Blutkörperchen vor, wie bei Area, Solen
und den übrigen oben genannten Muscheln, feiner bei der Gattung
Phoronis. Gefärbte, mit Blutkörperchen identische, Hämoglobin ent-
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Allgemeine Zoologie.
7:i
haltende Elemente finden sich ausserdem in der Leibeshöhlentiüssigkeit
mancher Anneliden {Capitelliden, Glycern, Lejwen, I'olycirrus) und in
den Ambulaeralgefässen von Echinodermen (Ophiactis virens, einigen
Holnthurien) vor. — Am verbreitetsten sind hei wirbellosen Thieren die
Leukocyten. welche sich durch lebhafte amöboide Beweglichkeit aus-
zeichnen, indessen können sie ebenfalls fehlen, so dass dann das Klüt
eine Flüssigkeit ohne geformte Körperchen ist.
Man hat das Klüt öfters eine Bindesubstanz mit. verflüssigter
Intercellularsubstanz genannt. Diese Auffassung ist weder physio-
logisch noch morphologisch gerechtfertigt. Denn wenn wir von
der ganz abweichenden Function des Hintes absehen, so lässt sich
nicht beweisen, dass das Blutplasma ein Product der Blutzellen ist,
wie die Intercellularsubstanz ein Product der Bindesubstanzzellen.
Das Vorkommen von Blut ohne Zellen ist vielmehr ein Keweis, dass
die Bildung des Blutplasma unabhängig von den Blutkörperchen erfolgt.
3. Muskolgewebe.
Functionen am schärfsten charakterisirt. ist «las Muskelgewebe,
insofern es Träger der activen Bewegungen im thierischen Körper
ist: da nun auch dem Protoplasma active Beweglichkeit zukommt, ist
es wichtig, die Unterschiede zwischen beiden .Bewegungsweisen zu
erörtern. Die Unterschiede sind gegeben in der Rich-
tung und in der Intensität der Bewegung. Ein Proto- a ^
plasmaklümpchen hat die Fähigkeit, nach allen Rich-
tungen hin zu wandern, weil in seinem Innern die
vollkommenste Verschiebbarkeit der kleinsten Theil-
chen gegen einander besteht. Alle Muskeln und dem-
entsprechend auch ihre einzelnen Elemente, die Muskel-
fasern und Muskelribrillen, besitzen dagegen nur die
Fähigkeit der Verkürzung, unter gleichzeitiger Zu-
nahme des Querschnitts (Fig. 4f>); sie können daher
auch nur Bewegungen in einer bestimmten Richtung,
in der Richtung der Muskelaxe, vollziehen. Ist die Fig.-U Qurrp'-
Muskelsubstanz somit in ihrer Bewegung beschränkter ^,n'!n'> ^uskV1"
als das Protoplasma, so bietet sie auf der anderen ^eite n,i„.mi,.n /, j,„
die Vortheile grösserer Energie und grösserer Schnellig- contniliirirn Zu-
keit. Ein mit der Natur der verschiedenen Bewe- marh M< r-
gungsarten vertrauter Beobachter wird schon aus der
Intensität und Schnelligkeit mit ziemlicher Sicherheit
entscheiden können, ob in einem gegebenen Fall eine Bewegung durch
Protoplasma oder contractile Substanz im engeren Sinne (Muskelsub-
stanz) ausgeführt wird.
Diese physiologischen Betrachtungen weisen schon darauf hin,
dass Protoplasma und contractile Substanz auch morphologisch ver-
schiedenerlei Dinge sind und dass man daher im Muskelgewebe scharf
zwischen Bildungszelle oder Muskelkörperchen und Bildungsproduet
oder contractiler Substanz unterscheiden muss, wie im Bindegewebe
zwischen Bindegewebskörperchen und Bindegcwchstihrillen. That-
sächlich ist auch dieser Unterschied vorhanden, nur ist er optisch
nicht immer gleich gut wahrnehmbar, weshalb er in der Histologie
nicht in dem Maasse hervorgehoben wird, als es sein sollte. Man
kennt in der thierischen Histologie 2 Arten oder, man kann auch
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74
Allgtiuehie Zoologie.
sagen, 2 Ausbildungsstufen der Muskelsubstanz, die homogene oiler
glatte und die quergestreifte. Da erstere dem körnchenfreien Proto-
plasma sehr ähnlieh sieht, ist ihre Abgrenzung gegen das Muskel-
körperchen schwieriger zu erkennen als bei der quergestreiften Muskel-
substanz, welcher durch ihre feinere Structur ein ganz anderes Aussehen
als dem Protoplasma gegeben wird. Bei der 'quergestreiften Mus-
kulatur besteht die contractile Substanz aus 2 in der Contractions-
richtung des Muskels regelmässig mit einander alternirenden Substanzen,
von denen die eine doppelt, die andere einfach lichtbrechend ist
(Fig. 2X 45, 4S).
Die glatte Muskelsubstanz stellt eine niederere Entwicklungsstufe
als die quergestreifte dar, indem sie vorwiegend bei minder hoch
organisirten und trägeren Thierformen vorkommt. Interessant ist in
dieser Hinsicht die Erscheinung, dass von zwei Entwicklungszuständen
einer und derselben Art der einfach gebaute und träge Polyp glatte,
die in jeder Hinsicht vollkommnere und beweglichere Meduse quer-
gestreifte Muskeln hat. Der Unterschied in der Leistungsfähigkeit hat
bei den Wirbelthieren zu der cigenthümlichen Vertheilung der Muskel-
substanz geführt, dass die glatte Muskulatur vorwiegend den inneren
Organen, welche nicht dem Willen unterworfen sind, zuertheilt worden
ist, während die «lern Willen unterworfene und daher zu schnellerer
Handlung berufene Körpermuskulatur quergestreift ist. Man muss
sich hüten, daraus den Schluss zu ziehen, als ob der Unterschied von
glatter und quergestreifter Muskulatur sich mit dem Unterschied von
Eingeweide- und Körpermuskulatur decke. Um diese irrthümliehe
Ansicht gleich von Anfang auszuschliessen. sei hier bemerkt, dass fast
jlie gesammte Körpermuskulatur der Mollusken glatt, die Eingeweide-
muskulatur vieler Insecten und Krebse ebenso wie die Körpermusku-
latur quergestreift ist.
Im ersten und zweiten Abschnitt der Gewebelehre haben wir
im Epithel und in der Bindesubstanz zwei grundsätzlich verschiedene
(iewebsformen kennen gelernt. Dieser Gegensatz hat auch für die
Besprechung der Muskulatur seine Bedeutung; denn es zeigt sich,
dass sowohl Epithelzellen wie Bindesubstanzzellen die Fähigkeit haben,
contractile Substanz zu bilden, und dass sich genetisch daher 2 Muskel-
arten ergeben, die E pi t h e 1 m u s k e 1 z e 1 1 c und die Bindesub-
stanz m u s k e 1 z e 1 1 e. für welch letztere wir den seit langein ge-
bräuchlichen Namen ..contractile Faserzelle" beibehalten wollen. Beide
Arten Muskelzellen können a priori sowohl glatte wie quergestreifte
Muskelsubstanz bilden : nur hat die Anhäufung der Bindesubstanz um
innere Organe es begünstigt, dass die contractilen Faserzellen meist
glatt, während die Epithelmuskelzellen meist quergestreift sind.
E i» i t h e 1 m u s k e 1 z e 1 1 e n sind Zellen, welche mit dem einen
Ende an die Körperoberrläche oder die Fläche eines Innenraumes
Fig. l'i. Kpithcl.nu.k.l/.rllru n ,in. r M<<Ium\ ausgeschieden haben (Fig.
(Leibeshöhle , Dannlumen)
heranreichen und hier sogar
eine Cutieula, Geissein und
Flimmern besitzen können,
während sie am anderen
Ende contractile Substanz
in Form von Muskelnbrillen
b fiiu-r Actinie.
4<>); sie vereinigen in sich
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Allgemeine Zoologie. 75
die Doppelfunction der Epithelzelle und der Muskelzelle. Con-
tractile Faserzellen sind dagegen Bindesubstanzzellen, welche
sich meist allseitig mit einem Mantel contractiler Substanz um-
hüllt haben; ihrer Entstehung entsprechend haben sie die Form
von Bindesubstanzzellen und sind spindelförmig oder verästelt;
wo Verästelungen vorkommen, sind sie namentlich an den Enden
angebracht (Fig. 47). Die Gleichartigkeit der Gestalt erschwert die
Unterscheidung von gewöhnlichen Bindesubstanzzellen und Faser-
zellen; ist die contractile Schicht auf der Oberfläche schwach ent-
wickelt, so kann die Unterscheidung sogar zur Unmöglichkeit werden.
Um das Wesen des Elements daher zu erkennen, muss man sich
an gut ausgeprägte Beispiele halten, an denen die ein- oder viel-
kernige Protoplasmamasse, die „Axensubstanz", von der Muskel-
niasse. der ..Rindenschicht", durch eine scharfe Linie abgegrenzt ist
(Fig. 47 c. d. e).
Fig. 47. Contractile Fa*eraellen, /» m i>><n «Irr Fi-
a vom McHsrhm, l>—r einer Berne briUYn da« Snrko-
( Ctenophorrl. b junge Fa«er. C TOT« tarnen deutlich jre-
iatcltee Ende. */ SfetteUhril einer worden i«t maefi
Fancr, r Querschnitt. <Jep nlmurl.
Bei Wirbelthiercn und Arthropoden finden sich die contractilen
Faserzellen in den vegetativen Organen als Elemente der „organischen
Muskulatur" vor; dagegen tritt uns hier die epitheliale Muskulatur,
losgelöst vom Epithel und nur entwicklungsgeschichtlich noch auf das
Leibeshöhlenepithel zurückführbar, in den quergestreiften Primitivbündeln
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Allgemeine Zoologie.
entgegen (Fig. 4S>. Ein Priniitivbündel ist ein evlindriseher Schlauch,
der durch eine structurlose Haut, das Sareofemma, nach aussen
begrenzt und unihüllt wird. Sein Inhalt besteht aus feinen Fibrillen,
welche streng parallel zu einander und dicht zusammengefügt von
einem Ende des Schlauchs zum anderen verlaufen. Jede Fibrille wird
von einfach- und doppeltbrechenden Theilen gebildet, welche in mehr
oder minder complicirtcr Anordnung mit einander alterniren. Da nun
die doppelt brechenden Theile der Fibrillen innerhalb eines Bündels
immer genau auf gleicher Höhe liegen, so fügen sie sich zu einer
queren, das ganze Mündel durchsetzenden Streifung zusammen.
Zwischen die Muskelfibrillcn sind endlich hier und da eingesprengt
die Muskelkörperchen, spindelige Protoplasmakörper mit einem Kern,
die Reste Her Zellen, welche die Muskulatur gebildet haben.
4. Nervengewebe.
Wie das Muskelgewebe die Bewegungen vermittelt, so dient das
Nervengewebe der Uebertragung von Erregungszuständen ; es pflanzt
die in der Peripherie entstehenden Erregungen der Sinnesorgane nach
dem Centrainervensystem, dem Sitze des Bewusstseins, fort und bringt
sie hier zur Wahrnehmung (centripetale Nervenbahnen): es überträgt
ferner die Willensimpulse vom Centraiorgan nach der Peripherie, vor
Allem auf die Muskulatur (centrifugale N\). Im Nervengewebe des
Centraiorgans werden endlich die an verschiedenen Orten entstehen-
den Erregungszustände combinirt und so die Elemente geliefert zu
dem , was wir selbständige seelische Thätigkeit nennen. Der Träger
der Beizleitung ist unzweifelhaft eine speeitische, vom Protoplasma
verschiedene Substanz, die Nervensubstanz, analog der Muskeltibrille
eine Nervenfibrille. Die Unterschiede dieser Substanz vom Proto-
plasma sind aber in praxi schwer zu erkennen, so dass wir hier von
der wissenschaftlich durchaus gerechtfertigten Unterscheidung von
Nervensubstanz und Nervenkörperchen Abstand nehmen wollen,
^zefitu"* l"^e,nente ('es Nervengewebes sind (Ganglienzellen und
N e r v e n f a s e r n. Die ( i a n g 1 i e n z e 1 1 e n sind von sehr verschiedener
(Grösse; nicht selten sind sie ansehnliche Kugeln, welche im thierischen
Körper nur noch von den Eiern an (Grösse übert rotten werden und
dementsprechend auch einen grossen, an das Keimbläschen erinnern-
den Kern besitzen. Man unterscheidet im Wirbelthierkörper vor-
nehmlich multipolare und bipolare (Ganglienzellen (Fig. 41»)- Letztere
gehen in 2 Fortsätzen aus, welche zu Nerven werden, sind somit
Zellkörper, welche in den Verlauf einer Nervenfaser eingeschaltet sind.
Bei den multipolaren (Ganglienzellen sind zweierlei Ausläufer vor-
handen : die Dendriten oder Protoplasiuafortsätze und die Nerven-
oder Axencyünderfortsätze. Die Dendriten sind ausserordentlich reich
verästelt und bilden dabei feinste Fäserchen, deren nervöse Natur von
manchen Seiten angezweifelt wird. Die Nervenfortsätze, von denen
gewöhnlich nur einer auf eine ( langlienzelle kommt, bleiben lange
Zeit unverästelt oder geben nur spärliche Seitenästchen (Collateralen)
ab: sie verlängern sich grösstenteils in die peripheren Nervenfasern.
Bei den wirbellosen Thieren hat man lange Zeit nur apolare oder
unipolare (Ganglienzellen beschrieben, also (Ganglienzellen mit keinem
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Allgemeine Zoologie.
77
oder einem einzigen Fortsatz ; beide sind physiologisch unverständlich.
Denn die Wirkungsweise einer Ganglienzelle lässt sich nur dann be-
greifen, wenn ihr von einer Seite
eine oder zahlreiche Erregungs-
bahnen zufliessen , während auf
der anderen Seite ein Ausläufer
zur weiteren Fortleitung dient
Wahrscheinlich sind bei den ,.apo-
lareu Ganglienzellen'* sämmtliche,
bei den „unipolaren Zellen" die
meisten Ausläufer durch »eine un-
geeignete Präparationsweise ver-
loren gegangen. Neuere Untersu-
chungen haben diese Vermuthung
weiter bestätigt, da multi- und
bipolare Ganglienzellen bei Coel-
enteraten durch Isolation darge-
stellt (Fig. 50) und bei Cruslaceen,
Würmern etc. durch Färbungsme-
thoden nachgewiesen wurden.
Die Nervenfasern sind die
Ausläufer von Ganglienzellen; sie
sind ebenfalls bei den Wirbelthie-
ren am besten bekannt (Fig. öl —
5:|). Das Grundelement derselben
sind feinste Fädchen. die Nerven-
ribrillen. die sich durch den Man-
gel der Querstreifung von Muskel-
fibrillen, durch ihre grosse Ver-
letzlichkeit von Bindegewebs-
fibrillen unter-
scheiden. Bei
selbst guter Con-
servirung zeigen
sie die Neigung,
zu verquellen und
dabei feine An-
schwellungen, die
Varicositäten, zu
bilden. Viele par-
allel verlaufende
Nerventibrillen
bilden eine Ner-
venfaser, welche
man die graue
Nervenfaser
nennt, im Gegen-
satz zu einer
zweiten Form,
der weissen oder
markhaltigen. Bei der markhaltigen Nervenfaser ist die Faser selbst,
der Axencylinder, noch von einer Schicht Nervenmark oder Myelin
umhüllt, einer fettähnlichen Substanz, die in Osmiumsäure stark
Fig. 40. Multij>olare Ganglicnzellc dos
Menschen (nach Gegenbaur).
Fig. 50. Ganglienzellen einer Actinie.
>meo-
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78
Allgemeine Zoologie.
geschwärzt
mannigfach
wird, stark lichtbrechend ist und leicht zu
gestalteten Tropfen, den Myelintropfen, auseinanderfliesst. Die „Mark
scheide" scheint wie ein Isolator zu wirken.
Marklose und markhaltige
Nervenfasern können endlich
noch von der Schwann-
schen Scheide umhüllt sein.
Dieselbe kommt allen Nerven-
fasern, welche ausserhalb von
Hirn und Rückenmark ver-
laufen, zu und fehlt ebenso
constant den Nervenfasern
innerhalb des Centraiorgans.
Die Schwann'sche Scheide ist
eine zarte, stucturlose Hülle,
in welcher von Strecke zu
Strecke Kerne eingebettet
sind : sie bildet in grösseren
Abstünden Einschnürungen,
welche die Markscheide durch-
setzen und bis zur Axenfaser
vordringen (die Ran viertelten
Schnürringe).
Einfacheren Verhältnissen
er-
Fijr. "> 1 . N
verifibrillcn
(aus Hut-
schok).
u. ">;{. Einfach con-
tourirte ;A) und doppelt eon-
tourirtc (B) NrrvonfHMern , link«
ohne, n t hts mit SehwannVhor begegnen wir bei den wirbel-
Seheide und Kernen losen Thieren. Hier sieht
(aus ]int«chck}. nian gewöhnlich nur Nerven-
tibrillen, welche in grösserer
und geringerer Menge vereint die Nerven erzeugen. Seltener kommen
auch hier zu Bündeln vereinte Fibrillen, die Nervenfasern, vor. Mark-
haltige Nervenfasern wurden in der Neuzeit bei Anneliden und Arthro-
poden beobachtet; sie besitzen nur eine dünne Myelinscheide.
Zusammenfassung der wichtigsten Punkte aus der Gewebelehre.
a) zeiie. 1) Das wichtigste Formelenient aller Gewebe ist die Zelle.
2) Die Zelle ist ein Klümpchen Protoplasma, das entweder kern-
los ist (Cytode?) oder einen oder mehrere Kerne enthält (einkernige,
vielkernige Zellen).
."{) Der Kern bestimmt wahrscheinlich den specitischen Charakter
der Zelle, indem er die Functionen derselben beeintlusst; demgemäss
ist er auch Träger der Vererbung.
4) Zelle und Kern vermehren sich ausschliesslich durch Theilung
oder Knospung.
b) Gewebe. .:)J (iewelic sind Complexe zahlreicher histologisch gleichartig
differenzirter Zellen.
(>) Die histologische Ditterenzirung beruht zum Theil darauf, dass
die Zellen eine bestimmte Form und Anordnung annehmen, zum Theil
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Allgemeine Zoologie.
auf der Bildung von Plasmaproducten, welche den Charakter des Ge-
wehes ausmachen (Muskeltibrillen, Bindegewcbstibrillen).
7) Nach der Function und der Structur unterscheidet man 1) Eni-
thelien, 2) Bindesubstanzen, .*J) Muskelgewebe. 4) Nervengewebe. Gewebe.
X) Der functionelle Charakter der Epithel ien ist darin gegeben,
dass sie die Oberfläche der Körper überziehen, ihr morphologischer
Charakter darin, dass sie aus dicht gedrängten, nur durch Kitt ver-
bundenen Zellen bestehen.
0) Nach ihrem weiteren functionellen Charakter theilt man die
Epithelien in Drüsenepithelien (einzellige, vielzellige Drüsen), Sinnes-
epithelien, Keimepithelien, Deckepithelien.
10) Nach der Structur unterscheidet man einschichtige (cubisehe,
cylindrische, Platten-f]pithelien) und vielschichtige Epithelien, Geissel-
un<l Flimmerepithelien, Epithelien mit und ohne Cuticula.
1 1) Der physiologische Charakter der B i n d e s u b s t a n z c n beruht
darauf, dass sie im Innern des Körpers die Zwischenräume zwischen
anderen Geweben ausfüllen.
12) Der morphologische Charakter der Bindesubstanzen ist in der
Anwesenheit der Intercellularsubstanz gegeben.
V\) Nach der Masse und der Structur der Intercellularsubstanz
theilt man die Bindesubstanzen ein in 1) zellige (spärliche Inter-
cellularsubstanz), 2) homogene, ;j) faserige Bindesubstanz, 4) Knorpel,
i>) Knochen.
14) Der physiologische Charakter des Muskelgewebes ist in
der gesteigerten Contractionsfähigkeit gegeben.
15) Der morphologische Charakter beruht darauf, dass die Zellen
Muskelsubstanz ausgeschieden haben.
HS) Nach der Beschaffenheit der Muskelsubstanz unterscheidet
man glatte und quergestreifte Muskelfasern.
17) Nach dem Charakter und der Abstammung der Zellen (Muskel-
körperchen) theilt man die Muskulatur in epitheliale (Epithelmuskel-
zellen. Primitivbündel) und bindegewebige (contractile Faserzellen).
\X) Der physiologische Charakter des Nervengewebes beruht
auf der Fortpflanzung der sinnlichen Reize und Willensimpulse und
auf der Combination derselben zu einheitlicher seelischer Thätigkeit.
11)) Die Leitung wird vermittelt durch Nervenfasern (marklose und
markhaltige Fibrillen und Fibrillenbündcl). die Combination der Reize
durch Ganglienzellen (bipolare, multipolare Ganglienzellen).
20) Blut und Lymphe sind eiweisshaltige Flüssigkeiten;
selten zellenlos enthalten sie entweder nur farblose amöboide Zellen
(weisse Blutkörperchen, Leukocyten) oder neben diesen noch rothe
Blutkörperchen.
21) Rothe Blutkörperchen linden sich vorwiegend nur bei Wirbel-
thieren und sind hier Ursache der Blutfarbe; sie fehlen den meisten
wirbellosen Thieren.
22) Wenn wirbellose Thierc gefärbtes (rothes, gelbes, grünliches)
Blut haben, so ist die Ursache dazu meist im Blutplasma zu suchen
2:J) Die rothen Blutkörperchen sind kernlos bei Säugethieren.
kernhaltig bei allen übrigen Wirbelthieren.
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so
Allgemeine Zoologie.
3. Umbildung der (»ewebe zu Onranen.
Aus den Geweben bauen sich die Organe auf. Ein Organ
kann man einen Gewebscomplex nennen, welcher gegen
die übrigen Gewebe abgegrenzt ist und eine in sich ab-
geschlossene Gestalt angenommen hat, um eine e i n h e i t -
liehe Function zu vollziehen. So ist der einzelne Muskel ein
Organ, welches aus einer gewissen Menge von Muskelgewebe besteht,
mit Sealpell und Scheere aus seiner Umgebung als ein zusammen-
hängendes Ganze herausgeschält werden kann und eine bestimmte Be-
wegung vermittelt.
«npt. und jn je(iCjn Organ ist ein Gewebe, welches die Function des Or-
«•w.if. gans vermittelt und daher den physiologischen Charakter desselben
ausschliesslich bestimmt: wir wollen es das Hauptgewebe nennen.
Neben ihm können noch weitere Gewebe vorhanden sein, welche nur
den Zweck haben, die Function des Haupt gewebes zu unterstützen
oder zu ermöglichen, die Nebengewebe. So findet man im Muskel
der Wirbclthiere ausser den Muskelfasern noch Bindesubstanz, welche
als eine Art Gemen t die Muskelbündel unter einander verkittet, ferner
Blutgefässe, welche zur Ernährung dienen, endlich Nerven, durch
welche die Muskeln erregt werden. In der Leber des Menschen sind
ebenfalls ausser den functionell wichtigsten Theilen, den Leberzcllen,
noch Blutgefässe. Nerven- und Bindesubstanz vorhanden. Derartige
Nebengewebe pflegen im Allgemeinen nur bei einer hohen Entwick-
lungsstufe des Organs vorhanden zu sein; bei niederen Thieren können
sie fehlen; so besitzt der Darm der Coelenteraten nur eine epitheliale
Auskleidung, ihr Nervensystem besteht nur aus einem Strang von
Nervenfasern und Ganglienzellen.
Für den dauernden Bestand eines Organs ist es von der grössten
Bedeutung, dass seine Gewebe in Function erhalten werden. Die
lebende Substanz unterscheidet sich von der unbelebten darin, dass,
sie zwar ebenfalls durch den Gebrauch verzehrt wird, zugleich aber
einen Ersatz erfährt, welcher oft mehr als hinreichend ist, um die
Verluste zu decken. Functionirende Gewebe und Organe nehmen
unter günstigen Bedingungen an Masse zu ; functionslos gewordene
Theile erfahren dagegen einen allmähligen Schwund, welcher schliess-
lich zu ihrem Untergang führt.
iKrndrr zwe* erörterten Momente, dass der Fortbestand der Gewebe
o7K»ne.'r anhaltende Uebung voraussetzt und dass meist mehrere Gewebe in
den Bau eines Organs eintreten, sind wichtig zum Verständniss des
Princips des Fu n et ion s w ech sei s, welches bei der Umbildung
der Thierformen eine wichtige Rolle spielt. Es kann vorkommen, dass
ein Organ unter veränderte Bedingungen gebracht wird und nicht
mehr Gelegenheit hat. in der bisherigen Weise zu funetioniren. Dann
geht zwar allmählig das functionirende Gewebe aus Mangel an Ge-
brauch zu Grunde, das Organ kann aber noch vermöge seiner Neben-
gewebe weiter existiren. wenn die neuen Bedingungen es ermöglichen,
dass nun eines der Nebcngewebe zur Function gelangen und dem
Organ einen neuen physiologischen Charakter verleihen kann.
Ein Muskel z. B. kann aus sehr verschiedenen Ursachen functions-
los werden; wenn dann das Muskelgewebe schwindet, so bleibt zu-
nächst noch die Summe der Hilfsgewebe, vor Allem das von Blut-
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Allgemeine Zoologie.
81
gefässen durchsetzte Bindegewebe übrig; es kann erhalten bleiben
und ein schützendes Band, eine Sehne oder Fascie liefern. Wir haben
dann morphologisch dasselbe Organ, nur dass es seinen physiologischen
Charakter geändert hat; der Muskel hat einen Functionswechsel er-
fahren und ist ein ligamentöser Strang geworden. Ein anderes Bei-
spiel sind die Visceralbögen der Fische; dieselben sind ihrer ersten
Bedeutung nach Träger der Kiemen; wenn nun die Kiemen beim
Uebergang zum Landleben verloren gehen, so werden die Visceral-
bögen functionslos und bilden sich dementsprechend auch theilweise
zurück : ein Theil aber erhält sich, weil er neue Functionen gewonnen
hat, und liefert die Kiefer, das Zungenbein und die Gehörknöchelchen,
welche trotz ihrer ganz anderen Functionen dieselben morphologischen
Gebilde sind wie die Kiemenbögen.
In der Geschichte der Zoologie (Seite 11) haben wir gesehen, wie
die vergleichende Anatomie dazu geführt wurde, homologe oder mor-
phologisch gleichwerthige und analoge oder physiologisch gleichwerthige
Organe zu unterscheiden, d. h. Organe, welche in gleichen Lage-
beziehungen und Verbindungsweise auftreten, und Organe, welche die-
selbe Function besitzen. Was wir hier über den Bau der Organe
kennen gelernt haben, macht es verständlich, warum morphologischer
und physiologischer Charakter sich nicht nothwendig decken, warum
morphologisch gleichartige Organe verschiedene Function, morpho-
logisch differente Organe dieselbe Function haben können.
Organe, welche vollkommen gleichartig oder doch wenistens im Aus-
gleichen Sinne functioniren, können nun in demselben Körper in
grösserer Menge vorkommen. Ein Mensch hat viele Muskeln, vielerlei
Organe, welche die Verdauung unterhalten. Man fasst daher alle Organe,
die im Körper gleichartig oder ähnlich functioniren, zu einer ideellen,
höheren Einheit zusammen und spricht von Organsystemen. Man
kennt im Ganzen 9 solcher Systeme: 1) Skeletsystem. 2) Verdauungs-
system, ;J) Respirationssystem, 4) Blutgefässsystem , ö) Excretorisches
System, Ii) Genitalsystem, 7) Muskelsystem, H) Nervensystem, *J) System
der Sinnesorgane. Das Skelet kann bei vielen Thieren fehlen, die übrigen
beim Menschen specialisirten Systeme können sich vereinfachen, so
dass man nach 'den Grundfunctionen des Lebens folgende Organ-
gruppen aufstellen kann : I. Organe der Ernährung (2—5), II. Organe
der Fortpflanzung (<j). III. Organe der Bewegung (7), IV. Organe der
Empfindung (8 und 9).
Die Organe der Ernährung und Fortpflanzung (I und II) fasst v^mire
man als vegetative Organe, die übrigen als animale (III und IV) Or- ""SrlaS*1"
gane zusammen. Die älteren Zoologen wollten damit sagen, dass Er-
nährung und Fortpflanzung Functionen seien, welche in gleicher Weise
Thieren und Pflanzen zukommen, dass dagegen Empfindung und Be-
wegung den Pflanzen fehlen und sich nur bei Thieren finden. Die
in der Grundidee auf etwas Richtiges hinzielende Lehre bedarf nach
unserem jetzigen Wissen eine wesentlich veränderte Fassung. Wir
haben gesehen, dass das Protoplasma bei Pflanzen und Thieren nicht
nur die Fähigkeit sich zu ernähren und fortzupflanzen, sondern auch
Bewegungsfähigkeit und Reizbarkeit besitzt Letztere Eigenschaften
können somit auch der gesaminten Pflanze nicht vollkommen abgehen,
wenn sie dem wichtigsten Bestandteil derselben zukommen. In der
That zeigen ja auch manche Pflanzen, wie Mimosen, die Compass-
ptlanze, grosse Reizbarkeit, und viele niedere Pflanzen, die Fort-
Ken Lehrbuch der Zoologie. 8. Auilitfc. (J
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*2
Allgemeine Zoologie.
pflanzungszustände der Algen, bewegen sich ebenso lebhaft oder noch
lebhafter, wie viele niedere Thiere. Umgekehrt giebt es zahlreiche
Thiere, welche im ausgebildeten Zustand wie die Pflanzen festgewachsen
sind. Viele Protozoen und Würmer, die meisten Pflanzenthiere, einige
Stachelhäuter, wie die Seelilien, ja sogar manche Krebse, die Cirri-
pedien zeigen nur während der frühesten Entwicklungsstadien Orts-
bewegung und sind später auf die Bewegung einzelner Körpertheile,
der Arme, Tentakeln, Seheinfüsschen etc. beschränkt. Bei den Schwäm-
men sind sogar diese Einzelbewegungen so unbedeutend, dass sie mit
unbewaffnetem Auge gar nicht und selbst mit Hilfe des Mikroskops
nur schwierig nachgewiesen werden können.
Gleichwohl müssen die beiden Bezeichnungen: animal und vege-
tativ beibehalten werden. Denn wenn auch Bewegung und Empfindung
den Pflanzen nicht fremd sind, so sind sie doch im Pflanzenreich zu
keiner hohen Ausbildung gelangt; man kann sogar sagen, dass sie
mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt werden, je höher sich
die Pflanze entwickelt. Umgekehrt entfalten sie sich im Thierreich
zu ausserordentlicher Vervollkommnung und bedingen die charakte-
ristische Erscheinungsweise desselben.
Vegetative Organe.
A. Organe der Ernährung.
Wenn wir den Begriff der Ernährung im weitesten Sinne fassen,
so haben wir in diesem Abschnitte alle Einrichtungen zu besprechen,
welche getroffen sind, um zur Zeit der aufsteigenden Entwicklung das
Wachsthum zu ermöglichen und auch später nach beendigtem Wachs-
thum den mit jeder Arbeitsleistung verbundenen Verlust an Spann-
kraft auszugleichen und dem Körper seine Leistungsfähigkeit zu
bewahren. Bei jeder Arbeitsleistung werden nun * organische Ver-
bindungen oxydirt oder, wie man sich bildlich ausdrückt, verbrannt;
Verbindungen, welche besonders reich an Kohlenstoff und verhältniss-
mässig arm an Sauerstoff sind, welche ausserdem Wasserstoff, meist
auch Stickstoff und Schwefel enthalten, werden durch Zutritt von Sauer-
stoff' zerlegt in Kohlensäure. Wasser und verschiedenerlei stickstoff-
haltige Oxydationsproduete. wie Harnstoff, Harnsäure u. s. w. Ein
Gleichgewicht im Stoffwechsel wird herbeigeführt werden, wenn nicht
nur das unbrauchbar Gewordene entfernt, sondern auch den Geweben
Ersatz für das verbrauchte Material von Sauerstoff und von kohlen-
stoffreichen Verbindungen geliefert wird.
Niedrig organisirte Thiere erledigen alle den Stoffwechselausgleich
vermittelnde Processe mit Hilfe eines und desselben Organs, des
Darmes; bei höheren Thieren ist dagegen eine Spccialisirung ein-
getreten und sind für die vielerlei Einzelvorgänge, die in ihrer Ge-
sammtheit das Bild der normalen Ernährung ausmachen, besondere
Einrichtungen getroffen. Zwischen niederen und höheren Thieren giebt
es selbstverständlich Uebergänge, bei denen die Specialisirung früher
oder später Halt gemacht hat.
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Allgemeine Zoologie.
«3
Jeder Stoffwechsel beginnt mit der Zufuhr der geeigneten Nahrung; d8^0c^;
es müssen die festen und flüssigen Bestandteile dem Körper ein- Er-
verleibt und verdaut, d. h. in einen Zustand übergeführt werden, in nsUm,DC-
welchem sie resorbirt und den Geweben zugeleitet werden können.
Das Alles geschieht durch den mit Anhangsorganen, den verdauenden
Drüsen, versehenen Darm, welcher zugleich auch alle unverdaut ge-
bliebenen Massen (die Fäcalien) entfernt. Das zum Lebensunterhalt
nöthige Gas, der Sauerstoff, wird dagegen durch besondere Körper-
theile, die Respirationsorgane, durch Kiemen oder Lungen aufgenom-
men. Der Sauerstoff und die verdauten und dadurch in gelösten
Zustand übergeführten organischen und anorganischen Verbindungen
müssen weiter im Körper vertheilt und nach Bedarf den func-
tionirenden Organen und Geweben zugeleitet werden. Dazu sind die
Blutgefässe oder die Circulationsorgane da, welche den Körper nach
allen Richtungen hin durchsetzen. Die Gewebe bedürfen nun aber
nicht allein der Zufuhr neuen Materials, sondern auch der Entfernung
der unbrauchbar gewordenen Stoffe. Die bei den Arbeitsleistungen
entstehenden Oxydationsproducte, die Stoffe der regressiven Meta-
morphose, sind dem Organismus, wenn sie in ihm aufgehäuft werden,
schädlich und zum Theil geradezu giftig. Damit sie entfernt werden
können, werden sie ebenfalls vom Blutgefässapparat im gelösten Zu-
stande aufgenommen und an die zur Ausscheidung oder Excretion
bestimmten Stellen gebracht ; das sind für die Flüssigkeiten die Nieren
der Wirbelthiere, die Malpighrschen Gefässe der Insecten, die Wasser-
gefässe der Würmer, Einrichtungen, welche man sammt ihren Hilfs-
apparaten unter dem gemeinsamen Namen „Excretionsorgane" zu-
sammenfasse Exerete sind sehr wohl von Fäcalien zu unterscheiden;
Exerete sind Stoffe, welche den Körper selbst, die Gewebe des Körpers,
passirt haben und durch Oxydation unbrauchbar geworden sind,
während die von Anfang an unbrauchbaren Theile, welche die Fäcalien
bilden, streng genommen niemals dem Körper angehört haben, sondern
von den Geweben stets durch die Grenzschicht des Darmepithels
getrennt geblieben sind. Das gasförmige Oxydationsproduct des
thierischen Körpers, die Kohlensäure, wird aus dem Blutgefässapparat
durch die Respirationsorgane entfernt. Indem in den Respirations-
organen ein Austausch der unbrauchbaren Kohlensäure gegen den
zum Leben nöthigen Sauerstoff stattfindet, haben dieselben eine
Doppelstellung und sind Excretionsorgane und Organe der Nahrungs-
aufnahme zugleich.
Nach diesem allgemeinen Ueberblick müssen wir noch auf die ein-
zelnen Organsysteme etwas genauer eingehen.
I. Darm.
Da die Nahrungsaufnahme und Assimilation die für die Erhaltung (<££h^;
des Thieres wichtigsten Functionen sind, ist es begreiflich, dass der *wurm*
Darm von allen Organen zuerst in der Thierreihe auftritt und ent-
wicklungsgeschichtlich auch sich fast überall am frühesten anlegt.
An diesem Satz wird dadurch nichts geändert, dass manche Würmer
(Cestoden) und Krebse (Rhieocephalen) keinen Darm besitzen; denn wir
können mit Bestimmtheit sagen, dass diese Thiere durch Anpassung
an besondere Lebensverhältnisse, vornehmlich in Folge von Parasitismus
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Allgemeine Zoologie.
(cf. diesen) den Dann verloren haben. Die niedrigst organisirten.
vielzelligen, frei lebenden Thiere sind einfache oder verzweigte Dann-
sehläuche, welche nur eine einzige als Mund und After functiooirende
Oeffnung besitzen (Fig. f>4). Ein derartiges Thier muss mindestens
2 epitheliale Schichten haben, von denen die eine den Dann aus-
kleidet, die andere die Körperoberfläche betleckt. Diese beiden
Fig. Längs-
schnitt durch den
Fn-ssH.vp fhier >7-
fihotinphori' mach
Haeckel). » Mund-
öffnung,Fn Inderm,
rk Ectodenn.
Fig. "».">. Slnutstmiia Ini-
eops in Theilung n ectoder-
maler Anfangsdarm bei a für
das hinten« Thier neugebildet,
m blind geschlossener ento-
denualer Mitteidann. e eeto-
dermales Fliinmerejathel . y
Ganglion mit Fliinmcrgrube /',
// Was>ergcfäs>eanal,
«/' (Janglion dt- hinteren
Thiere«.
Fig. r.ii. Bienenlarve
kurz nach dein Ausschlü-
pfen von der Bauchseite
gesehen ; Darm aus 3 Ab-
sehnitten, a Anfangsdarm,
vi Mitteidann, r Enddarm
(mit dem Mitteldarm noch
nicht verbunden), M Seg-
mentgrenzen, st Stigmen,
/ Tracheen, n Bauchmark
(nach Bütschli).
fundamentalen Zellenschichten, welche nur bei rückgebildeten Thier en
fehlen, nennen wir En t oder m und Ectodenn. Der von Entoderm
ausgekleidete primitive Dann heisst derUrdariu oder das Arche n-
teron; er bildet bei Medusen und Polypen den gesaminten Darm;
bei den meisten Thieren jedoch genügt er nicht, den Bedürfnissen der
Verdauung, sondern erfährt eine Vergrösserung, indem Theile der
Körperoberfläche, des Ectodenns. sich einstülpen.
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Allgemeine Zoologie.
85
Schon bei vielen Coelenteraten und niederen Würmern entsteht J^™0ünii
eine Einstülpung am vorderen Ende des Darmrohres und liefert den rrocto-
ectodermalen Vorderdarm oder das Stomodaeum (Fig. 55). Von d*wun'
den höheren Würmern an gesellt sich dazu eine zweite Einstülpung
am hinteren Ende, der ebenfalls ectodennale Enddarm oder das
Proctodaeum (Fig. 56); dieser legt sich entwicklungsgeschichtlich
als ein Blindsack an, dessen geschlossenes Ende an den ebenfalls
geschlossenen hinteren Abschnitt des Archenteron, nunmehr auch
Mesenteron oder Mitteldarm ge-
nannt, angrenzt, bis die Scheidewand
schwindet, wodurch Mittel- und End-
darm mit einander communiciren und
der Darm zu einem den ganzen Körper
durchziehenden Canal wird.
Der Antheil, welchen das Archen- TtAe^ta^d
teron im Vergleich zu dem ectoderma- d« o«rn>i.
len Proctodaeum und Stomodaeum am
Aufbau des Gesammtdarms nimmt, ist
nach den einzelnen Thierstämmen sehr
verschieden. Den grössten Contrast
bilden die Insecten einerseits, die Wirbel-
ihiere andererseits: die Insecten haben
einen sehr kurzen Mitteldarm und
somit lange, vom Ectoderm gelieferte
Darmstrecken des Vorder- und Hinter-
darms; bei den Wirbelthieren sind um-
gekehrt die ectodermalen Darmstrecken
äusserst kurz.
Die AVeite des Lumen wechselt im
Verlaufe des Darmcanals und ermög-
licht die Unterscheidung verschiedener
Abtheilungen, welche man so weit als
möglich in der Thierreihe mit einer
einheitlichen Nomenclatur versehen hat.
Die vom Haushuhn entnommene Abbil-
dung der Figur 57 möge zur Erläu-
terung der üblichen Bezeichnungen
dienen. An die Mundöffnung schliesst
sich ein weiter Raum an, den man
häutig in einen vorderen Abschnitt, die
Mundhöhle, und einen hinteren, den
Pharynx, abtheilen kann. Eine nun
folgende enge Röhre ist die Speise-
röhre oder der Oesophagus (a);
sie kann stellenweise erweitert sein
oder eine beutelartige Ausstülpung zur
provisorischen Aufnahme der Nahrung tragen, den Kropf oder In-
j.fluvies (b). Vom Oesophagus tritt die Nahrung in eine ansehnliche
Erweiterung, den Magen. Die Vögel, wie viele andere Thiere haben
einen doppelten Magen, eine mit Drüsen ausgerüstete, dünnwandige
Abtheilung und eine zweite Abtheilung, deren Wände durch dicke
Muskelmassen ausgezeichnet sind ; erstere ist der Drüsen m a g e n (c),
letztere der zur Zerkleinerung der Nahrung dienende Kaumagen
Fig. ")7. Dürrn des Hau^huhn*.
a Oesophapis«, b Kropf, c Drüsen -
maeen, d kaumagen. e Leber,/ (Sal-
lenblai*e, y Panereas, h und i Dünn-
darm , /-'Blindsäcke, / Dickdarm,
in l'rctercn, » Eileiter, o Cloake.
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8i;
Allgemeine Zoologie.
(dl Nach dem Magen verengt sich das Darmrohr zum Dünndarm
(A), zu welchem als letzter Abschnitt «1er wiederum verbreiterte Dick-
darm il) kommt. An der (irenze von Dünn- und Dickdarm finden
sich 2 Blinddärme, die Coeca (k). Verbindet sich mit dem After-
darm noch <lie Ausmündung der Niere (m) und des Geschlechts-
apparats («), so nennt man den kurzen sowohl zur Abfuhr von Harn
und Fäcalien, wie zur Ausleitung der Gcschlechtsproducte dienenden
Endabschnitt Cloake (o).
Bei Thieren, welche reichlichere Nahrung zu sich nehmen, genügt
der Darmraum nicht, um die Verdauungssäfte zu liefern, so dass Aus-
stülpungen der Darmwand oder Drüsen zur Aushilfe dienen müssen.
In die Mundhöhle münden die Speicheldrüsen, in den Anfangstheil
des Dünndarmes dicht hinter dem Magen die Leber (e) und das
Pancreas {g) (oder ein einheitlicher Drüsenapparat, dessen Secret
die Eigenschaften der Galle und des Pancreassaftes in sich vereinigt,
das Hepatopancreas). An dem Enddanu endlich finden sich ab und
zu Drüsen, welche ein stinkiges Secret liefern, die Analdrüsen. —
Die Länge des Darmrohrs wird vornehmlich von der Art der Nahrung
beeinflusst In allen Thierclassen kehrt ein Unterschied zwischen
Pflanzen- und Fleischfressern wieder, indem erstere einen viel längeren
und in Folge dessen in viele Windungen gelegten Canal haben. Der
Darm eines Raubthieres misst etwa das 4— 5-fache der Länge des
Körpers, der Darm eines pflanzenfressenden Wiederkäuers dagegen
das 20- bis 28-fache. Aehnlich, wenn auch nicht so gross, sind die
Unterschiede zwischen Kaubkäfern und pflanzenfressenden Käfern.
II. R^s|»ii*Htionsorgratie.
Der Sauerstoff, welchen jedes Thier aufnehmen muss, um ihn gegen
die in den Geweben entstandene Kohlensäure einzutauschen, stammt
entweder aus der Luft oder aus dem Wasser, je nachdem das Thier
ein Land- oder Wasserbewohner ist. Seltener geschieht es, dass
Wasserbewohner Luft athmen und dadurch gezwungen werden, zeit-
weilig an die Oberfläche des Wassers aufzusteigen, um Luft zu schöpfen :
das gilt für die im Meere lebenden grossen Säugethiere und für viele
im Süsswasser verbreitete Insecten, Spinnen und Schnecken. Luft- und
Wasserathmung wird ausschliesslich durch die Haut besorgt, so lange
diese zart und leicht durchgängig ist und so lange keine höhere Ent-
faltung der Organisation einen lebhafteren Stoffwechsel verursacht.
Ist das Sauerstoffbedürfniss dagegen ein grösseres, so finden sich noch
besondere Athmungsorgane, die Kiemen für die Wasserathmung, die
Lungen und Tracheen für die Luftathinung, neben denen dann
die Haut noch immer als ein Hilfsorgan von grösserer oder ge-
ringerer Bedeutung thätig ist.
Die Kiemen sind meist dünnwandige Partieen der Haut, welche
von Blutgefässen besonders reich versorgt werden und zu reich
verästelten buschartigen Anhängen oder breiten Blättern empor-
gewachsen sind, um für den Gasaustausch eine möglichst grosse Ober-
fläche zu bieten : sie liegen an solchen Stellen, welche mit frischem
Wasser am meisten in Berührung kommen: bei den Krebsen z. B. an
den in beständiger Bewegung begriffenen und neues Wasser herbei-
strudelnden Beinen (Fig. 5*1, bei schwimmenden Würmern am Rücken,
Allgemeine Zoologie.
87
bei röhrenbewohnenden Würmern (Fig. 59) am vorderen, aus der
Röhre herausragenden Körperende, bei den meisten Amphibien zu beiden
Seiten des Kopfes. Seltener dient der Darm zur Wasserathmung; bei
den Fischen, Enter opneusten und Tunicaten ist der Vorderdarm zur Kieme
geworden, indem seine Seitenwandungen von den Kiemenspalten durch-
bohrt werden, welche auf der Oberfläche des Körpers nach aussen
münden. Durch die Kiemenspalten tritt sauerstoffhaltiges Wasser aus
und ein und bespült die hier angebrachten, reichlich mit Blutgefässen
versorgten Kiemcnblättchen. Auch der Enddarm kann bei manchen
Fischen, Insecten und Würmern als ein Hilfsapparat der Athmung
verwandt werden, indem er sich von Zeit zu Zeit mit frischem Wasser
füllt
Fig. 58. Zweitor linker Fuss eines Flosa- Fig. ">9. Vorderes Ende von lere-
krebse* mit anhängender Kieme &r(nach Huxlcv). bclla nclmlo&a (nach Milne Edwards),
cxp Coxopodit, bp Basipodit, ip Isehiopo<(it, ph Pharynx, v. d dorsales, r. v ven-
mp Meropodit, cp Carpopodit, pp Propodit, trale's Blutgefäss, br Kiemen,
«/pDactylopodit, cxs Coxopoditborsten, c Lainina t Tentakeln,
der Kieme.
Bei den Luft athmenden Thieren begegnen wir ebenfalls den
beiden Möglichkeiten, dass die Athmungsapparate vom Darm oder von
der Haut ausgehen. Bei den Wirbeltkieren ist das erstere der Fall,
indem die die Athemluft enthaltenden Lungen hier direct oder durch
Vermittelung von Trachea und Bronchien mit dem Darmrohr in Ver-
bindung stehen. Wendet man dagegen den Ausdruck „Lunge" bei
wirbellosen Thieren (SchnecJcen und Spinnen) an, so handelt es sich
stets um Luftsäcke der Haut, und ebenso sind die Tracheen der In-
secien Luftröhren, die an der Körperoberfläche mit Luftlöchern oder
Stigmen beginnen und sich im Innern verzweigen (Fig. 56 st).
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88
Allgemeine Zoologie.
Im Allgemeinen lässt sich somit ein Gegensatz zwischen den
Wirbelthieren und den Wirbellosen constatiren; bei jenen dient zur
Luft- und Wasserathmung der Darm oder Theile desselben, bei
diesen dagegen die Haut. Von Seiten der Wirbelthiere sind als Aus-
nahmen nur die meisten Amphibien und einige Fische (Protopterus) zu
nennen, bei denen die Kiemen büschelförmige Hautanhänge sind (Fig.
4 und 5, S. 28); unter den Wirbellosen dagegen nehmen die mit einem
Kiemendarm versehenen Tunicaten und Enteropneusten eine besondere
Stellung ein.
roelom.
H<rx, Arte-
rien, Venen
UpllUren.
III. Cireulntionsnppiirat.
Damit der durch die Athmungsorgane aufgenommene Sauerstoff
und die im Darm verdauten Nahrungshestandtheile ihr Endziel, die
Gewebe, erreichen, bedarf es keiner besonderen Organe, solange als
der Körper nur aus 2 dünnen Epithel-
lagen, dem Ectoderm und Entoderm, be-
steht. Wenn sich dagegen zwischen die-
selben eine dritte mittlere Gewebsschicht,
das Mesoderm, einschiebt und der Körper
voluminöser wird, so werden meist Ein-
richtungen für die Nahrungsvertheilung
getroffen. Am einfachsten wird letztere
erreicht, wenn der Darm die Beschaffenheit
eines einfachen Rohres aufgiebt und sich
verästelt, um mit seinen Verzweigungen
die einzelnen Körperprovinzen aufzusuchen.
Man spricht dann von einem Gastro-
vascu lar System, weil hier der Dann
selbst die Function und die verzweigte
Anordnung gewinnt, welche sonst den Ge-
lassen, den „Vaseula", eigentümlich ist
(Fig. (10).
Zur Nahrungsvertheilung kann auch
die Leibeshöhle oder das Coeloma
dienen, ein weiter, zwischen Darm und Kör-
perwand eingeschobener Hohlraum, der von
einer besonderen Membran, dem Bauch-
fell oder Peritoneum, mindestens
mit einem eigenen Epithel ausgekleidet
ist und die meisten vegetativen Organe in
sich beherbergt. Die Leibeshöhle ist wahr-
scheinlich nur eine Fortbildung des Gastro-
vascularsystems. Denn durch entwicklungs-
geschichtliehe Untersuchungen hat sich
schon für zahlreiche Leibeshöhlenthiere
beweisen lassen, dass das Coeloin durch Ausstülpung vom Darm ent-
steht und somit, nur ein abgeschnürter Theil desselben, ein selbständig
gewordener Darmdivertikel ist.
Die vollkommenste Art der Nahrungsvertheilung wird endlich
durch die Blutgefässe vermittelt, welche daher auch den höheren
Thierstäminen allgemein zukommen, gleichgiltig, ob daneben noch eine
Leibeshöhle vorhanden ist oder nicht (Fig. b'l). Blutgefässe sind
Fig. <*0. Lcptoplana trrntelta-
ris. n Mund, h Mundhöhle, c
Öffnung dos Sehlundkopfs in
die Mundhohle, <l Centrahnagon,
r writMelter eiiiodonnaler Darm,
/ Ganglien. >j Hoden, h Samen-
bin*', /. rtorua, / Receptaculum
Scmini.s m weibliche Genital-
mündung.
uiQinzeci uy vjüu
Allgemeine Zoologie.
89
Röhren mit flüssigem Inhalt, welche von den Athmungsorganen aus
den Sauerstoff, vom Darm aus die assimilirte Nahrung aufnehmen und
sie später an die Gewebe wieder abgeben. Da ein solcher Stoffaus-
tausch voraussetzt, dass die Blutflüssigkeit in den Gefässen circulirt,
so sind bestimmte Theile der Blutbahn contractu ; sie sind mit Muskeln
bedeckt, welche durch ihre Contraction die Röhren verengen und die
Flüssigkeit vorwärts treiben. Bei niederen Formen sind weite Strecken
der Blutbahn contractil; bei höheren wird grössere Regelmässigkeit
der Circulation erreicht, indem nur ein bestimmter, besonders musku-
löser Theil der Blutbahn, das Herz, die Blutmasse fortbewegt. Eine
freie Bewegung des Herzens ist nur dann möglich, wenn dasselbe
von den angrenzenden Geweben losgelöst ist und in einem beson-
deren Hohlraum liegt (Fig. Gl). Daher sehen wir, dass das Herz
entweder frei in der Leibeshöhle lagert oder in einen eigenen
Beutel, in das Pericard oder den Herzbeutel (wohl überall einen
selbständig gewordenen Theil der allgemeinen
Leibeshöhle), eingebettet ist (p). Minder
wichtig als das Auftreten des Pericards ist
für die Thätigkeit des Herzens die Sonderung
desselben in einen das Blut aufnehmenden
Theil, den Vorhof (A), und einen das Blut
austreibenden Theil, die Kammer (/»); daher
denn keineswegs diese Sonderung überall
durchgeführt ist. Besondere Einrichtungen des
Herzens sind noch die Klappen (&/), welche
an den Grenzen der Herzabschnitte angebracht
sind und durch ihren Verschluss verhindern,
dass das Blut in Kammer oder Vorkammer
zurückströmt, wenn die Wandungen derselben
nach beendigter Contraction erschlaffen.
Für ein gutes Functioniren der Blutge-
fässe ist ausser der Circulation noch noth-
wendig, dass die ernährenden Stoffe leicht .Fi?-'.il- 8d*ma dar Blut-
c i i- i • l i eireulation. a Arten«', r tu-
aufgenommen und an die Gewebe wieder ab- illaren Vorkammer ,<■ k
gegeben werden können. Der betreffende Kammer, kl Klappen, /» Peri-
Abschnitt der Blutbahn muss durchgängig «ml, r Neuen,
sein, im Körper sich weit verbreiten und
eine für sein Lumen grosse Oberfläche besitzen. Diesen Anforde-
rungen genügen die Haargefässe oder die Capi Ilaren (c),
äusserst feine und dünnwandige Gefässe, welche alle Organe um-
spinnen und durchsetzen : durch ihre häufig nur von einer zarten
Epithellage gebildeten Wandungen hindurch können die Eiweiss-
stoffe zur Ernährung an die Gewebe abgegeben und der Sauerstoff
gegen die Kohlensäure ausgetauscht werden. Zwischen dem Herzen
und den Capillaren besteht somit entsprechend ihrer verschiedenen
Function der denkbar grösste Unterschied im Bau: sie müssen daher
durch besondere, einen Uebergang vermittelnde Gefässe verbunden
werden, Gefässe, welche dickwandig und gross am Herzen beginnen
uml durch Verästelung und Verdünnung ihrer Wand allmählig in die
Capillaren übergehen; solcher Gefässe giebt es zwei Arten, die infden
Capillarbezirk einleitenden festeren Arterien (o) und die nach dem
Herzen zurückleitenden dünnwandigeren (v) Venen.
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90
Allgemeine Zoologie.
Comlatlon
Ton Ath-
und
BlBl-
Bei allen Thieren bat sich als Gesetz herausgestellt, dass das
Blutgefässsystem in seiner Anordnung und seinem Bau mehr von der
Respiration beeinflusst wird als von der Nahrungsaufnahme im engeren
Sinne: es besteht eine Correlation zwischen Respirations- und
Circulationsorganen. Diese Correlation drückt sich zunächst darin aus,
dass man einen doppelten Capillarbezirk unterscheiden muss, ausser
dem schon erwähnten Körpercapillarbezirk noch den respiratorischen
Capillarbezirk , dessen aus-
schliessliche Aufgabe es ist, die
Kohlensäure aus dem Blut zu
entfernen und den Sauerstoff
ihm zuzuführen (Kiemen- und
Lungencapillaren). Zweierlei
Capillarbezirke machen auch
zweierlei Arterien und Venen
nöthig. Körperarterien und Kör-
pervenen , respiratorische Arte-
rien und respiratorische Venen.
Dies erläutert beistehendes
Schema vom Blutkreislauf der
Fische (Fig. 02). Aus dem Ca-
pillarbezirk der functionirenden
Gewebe des Körpers führen
Venen nach dem Vorhof des
Herzens; vom Vorhof strömt
das Blut in die Herzkammer
und durch die Kiemenarterien
weiter in die respiratorischen
Kieineneapillaren. Von diesen
wird es durch Kiemenvenen ab-
geleitet, die sich zu einem ein-
zigen starken Stamm vereinigen,
welcher seinerseits sich wieder-
um verästelt, um in den Capillar-
bezirk des Körpers überzugehen.
Da die Verästelungen des durch
die Kiemenvenen gebildeten
Hauptstammes wieder in einen
Capillarbezirk einleiten , muss
man sie, wie den Hauptstamm Fische, <*' aufsteigende Aorta mit den Kic
selbst. Arterien nennen. menarterien [ka), a» die au» den Kiemenvenen
„i i>i •„ . 81c''1 bammelnde absteigende Aorta, tr
.„ .fahrend das Blut seinen fcemencapillawn, h Hersvorbunmer, * Hm*
Kreislauf durch den Körper be- kamnier, ri Vena jugularis, rr Vena cardinali.-s
schreibt, ändert es zweimal seine tJh Vena hepatica (eava inferior), da Darm-
chemische Beschaffenheit und arU'ri«^ ,,r Darmvenen, sc Körpcrc-apUlaren,
demgemäss auch seine Farbe. c A'H'T™ln arrn-
Das Blut, welches aus dem Körpercapillarbezirk abfliesst, hat
seinen Sauerstoff an die Gewebe abgegeben , Kohlensäure dafür
eingetauscht und eine dunkelrothe Farbe angenommen. Diesen Cha-
rakter behält es bis in die Kieineneapillaren bei, wo es wieder
unter Abgabe der Kohlensäure sauerstoffhaltig wird und sich hellroth
färbt. Die verschiedene Beschaffenheit des Blutes kannte man zuerst
von den Arterien und Venen des Körperkreislaufs und nannte das
Fiir. 62. Schema für den Blutkreislauf der
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Allgemeine Zoologie.
91
dunklere, kohlensäurehaltige Blut venös, das hellrothe, sauerstoff-
haltige dagegen arteriell, da ersteres in den Venen, letzteres in den
Arterien fliesst. Beide Ausdrücke sind, wie aus dem oben gegebenen
Schema ersehen werden kann, durchaus ungeeignet, weil sie zu der
falschen Auffassung führen können, als ob Venen immer kohlensäure-
haltiges Blut und Arterien immer sauerstoffhaltiges Blut führen
müssten. Dem gegenüber lehrt das Schema, dass im respiratorischen
Kreislauf (kleinen Kreislauf) die Verhältnisse umgekehrt sein müssen
wie im Körperkreislauf, indem die Arterien hier „venöses", die Venen
dagegen „arterielles" Blut enthalten.
Ein Blutgefässsystem, wie wir es bisher besprochen haben, nennen
wir ein geschlossenes, weil das Blut stets in besonderen, mite
eigenen Wandungen ausgerüsteten Röhren fliesst. Dem geschlossenen
steht das offene Blutgefässsystem gegen-
über; hier verlieren die Blutgefässe nach einiger
Zeit den Charakter von Röhren und werden zu
weiten Hohlräumen, welche ohne besondere Wan-
dungen sich zwischen die Eingeweide und Organe
einschieben.
Das beste Beispiel eines offenen Blutgefäss-
systems liefern die Insccten und Tausendfüsse,
welche nur das Herz und ganz kurze Arterien-
stämme besitzen ; aus den Enden der Arterien-
stümpfe tritt das Blut in die Leibeshöhle, aus
der Leibeshöhle gelangt es durch seitliche Spalten
wieder in das Herz zurück (Fig. G3). Innerhalb
des Stammes der Arthropoden und der Mollusken
sind zwischen einem so extremen Fall von offenem
Blutgefässsystem und einem nahezu geschlossenen
alle Uebergänge vorhanden. Hier offenbart sich
aufs Neue die engste Correlation der Cir-
culations- und Respirationsorgane, und
zwar kommt den letzteren der bestimmende Ein-
fluss zu. Wenn die Athmung über oder durch
den Körper diffus verbreitet ist und die Ver-
keilung des Sauerstoffs ohne besondere Gefässe
von selbst sich regelt, ist der Circulationsapparat
sehr einfach ; er wird dagegen differenzirt in Herz,
Arterien , Venen und Capillaren , wenn die Ath-
mung an bestimmte beschränkte Stellen geknüpft
ist und dadurch eine regelmässige Vertheilung
des Sauerstoffes nöthig wird. Man vergleiche
hierüber das Genauere bei Crustaceen, Spinnen
und Insecten.
Ein besonderer Abschnitt des Blutgefässapparats ist endlich das
nur bei Wirbelthieren vorkommende L y m p h g e f ä s s s y s t e m. Im
Capillarbezirk des Körpers können Eiweissstoffe wohl in die Gewebe
übertreten, ein etwaiger Ueberschuss kann aber wegen des in den
Capillaren herrschenden höheren Druckes nicht auf dem gleichen Wege
wieder in die Blutgefässe zurückgelangen. Dieser Ueberschuss wird
durch die Lymphgefässe in die Venen zurückgeführt. Die Lymphge-
fasse beginnen mit den Gewebslücken, aus denen sie sich erst all-
mählig zu Gefässen mit deutlichen Wandungen herausbilden. Beson-
Fig. 63. Vorderes
Ende des Herzens von
Smlopnulro (ans Lang
nach Newport). nk
Herzkammern mit
Flügelmuskeln (/»»)
und seitlichen Spalt-
öffnungen (o) ; ab, ae,
al vom Herzen aus-
gehende Arterien, die
das Blut in die Leibes-
höhle ergiessen.
geli«»e.
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92
Allgemeine Zoologie.
ders wichtig werden die Lyiuphgefässe des Darms, indem sie während
der Verdauung sich mit den Eiweiss- und Fettbestandtheilen der ver-
dauten Nahrung beladen ; man nennt sie Chylusgefässe, weil dann ihr
Inhalt, der Chylus, sich durch seine milchige Färbung von gewöhn-
licher Lymphe unterscheidet.
w»ra"d Im Anschluss an das Blutgefässsystem mögen noch zwei Aus-
war, drücke Erläuterung finden, welche auch in Laienkreisen viel angewandt,
meist aber nicht richtig verstanden werden: Kaltblüter und Warm-
blüter, oder wie es richtiger heissen sollte, wechselwarme und eigen-
warme Thiere. Unter wechselwarmen (poikilothermen) oder kaltblutigen
Thieren verstehen wir Formen, deren Temperatur vollkommen von
der Temperatur der Umgebung abhängig ist und mit derselben steigt
und fällt, stets aber wenige (Jrade mehr als dieselbe beträgt. In
unseren Klimaten, wo die Temperatur wesentlich niedriger ist als
unsere eigene Blutwärme, werden solche Thiere, wie z. B. die Frösche^
auf unser Gefühl einen erkältenden Eindruck machen, da sie nament-
lich in der kühlen Jahreszeit eine viel geringere Körpertemperatur be-
sitzen als wir.
Als Warmblüter oder eigenwarme (idiotherme, homoiotherme)
Thiere bezeichnet man dagegen Thiere, welche unter allen Verhält-
nissen immer nahezu dieselbe Temperatur beibehalten. Der Mensch
hat im Sommer und Winter, unter dem Aequator und am Nordpol
stets annähernd eine Temperatur von 3fi — 37° C. und zeigt nur im
Fieber höhere Temperaturen. Um eine constante Temperatur gegen-
über wechselnden äusseren Wärmeverhältnissen aufrecht zu erhalten,
muss ein Thier die Wärmesteuerung besitzen; es muss die Fähigkeit
haben, die Wärme seines Körpers zu reguliren, einerseits durch Regu-
liren der Wärineproduetion. andererseits durch Reguliren der Wärme-
abgabe. Ist die Umgebung höher erwärmt, als die Körpertemperatur,
so muss zunächst die Wärineproduetion auf das mit den Lebenspro-
cessen vereinbare geringste Maass beschränkt werden : da dies aber
nicht genügt, so muss ausserdem durch Verdunstung auf der Körper-
oberfläche, wie sie namentlich durch starkes Schwitzen herbeigeführt
wird, die Wärmeabgabe gesteigert werden. Ist die Umgebung dagegen
kühl, so muss umgekehrt jede unnothige Wärmeabgabe vermieden, die
Wärineproduetion dagegen gesteigert werden. Es ist klar, dass die
Idiothermie, indem sie complicirte Einrichtungen voraussetzt, nur bei
höheren Thieren vorkommen kann.
IV. Kxcretioiisorgaiie.
Die Excretionsorgane sind Röhren oder Dnisencanäle, welche direct
oder durch Vermittelung des Enddarms (Cloake) auf der Körperober-
fläche münden und unbrauchbar gewordene Stoffe nach aussen be-
fördern. Für ihren Bau ist es von Wichtigkeit, ob eine Leibeshöhle
vorhanden ist oder nicht, wie am schönsten der Stamm der Würmer
erkennen lässt. Bei den Würmern kommen zwei Arten von Excre- »
tionsorganen vor, die W a s se r ge f ä s se oder I'rotonephridien
und die S c h 1 e i f e n c a n ä 1 e oder N e p h r i d i e n (auch Segmental-
organe genannt); erstere finden sich bei den parenchymatösen
Würmern, letztere bei den Würmern, welche eine Leibeshöhle besitzen.
Die Wassergefässe beginnen mit verästelten, oft zu einem Netzwerk
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Allgemeine Zoologie.
V)3
sich verbindenden, an Capillaren erinnernden Canälen, welche sich zu
einem oder mehreren nach aussen führenden Hauptstämmen vereinen.
Kurz vor der Mündung (Porus excretorius) findet sich meist eine
Ausweitung, eine Art Harnblase, deren Contractionen die excrethaltige
Flüssigkeit austreiben (Fig. 64). Die Anfänge des Canalsystems sind
in äusserst feinen Canälen gegeben, deren blind geschlossene Enden leb-
haft schlagende Wimperbüschel, die „Flimmerläppchen" tragen (Fig. 65).
Fig. *>4. Pistoma hrpa-
( t'cu tu mit Wasscrgefiiss-
systen». i> Poms excre-
torius, n Mundöffnung
(«US Hatschck).
Fig. üö. Blindes Ende
eine» feinsten Wasaor-
gefä^scanuls. (k) einer
Tiirbrllarir (aus Lang),
// Kern , f Fortsätze
der Endzelle, //■/' Flim-
merlfippehen der End-
zelle, /• Vacuolen.
Fig. <50. Scgincntalorgan eine«
Olifjochacten. Schema (aus Lang).
t\ Flimmcrtrichter, dis Dissepi-
inent , tig' nicht drüsiger, ng7
drüsiger Theil des Canals , eb
Endblase, In Leilx-swand.
Die Schleifencanäle oder Segmentalorgane (Fig. 66) sind dagegen
einfache, an beiden Enden geöffnete Röhren: die eine Oefi'nung führt
nach aussen, die andere communicirt mit der Leibeshöhle; zwischen
beiden Oetfnungen verläuft ein drüsiger, in viele Windungen gelegter
Canal. Die Mündung nach der Leibeshöhle wird durch eine mit starken
Flimmern bedeckte, trompetenartige Erweiterung des Canals, welche
Flimmertrichter heisst, bewirkt. Auf solche Schleifencanäle sind wahr-
scheinlich die Excretionsorganc der Crustaceen und sicher die Nieren
der WirbeWUere zurückzuführen (Fig. 67). Letztere werden als eine
Reihe von Canälen angelegt, welche mit ihrem proximalen Ende in
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94
Allgemeine Zoologie.
die Leibeshöhle sich offnen, mit
dem distalen Ende dagegen in
einen Sammelcanal, den Harn-
leiter, münden. Erst später wan-
delt sich die Niere zu einem
compacten Drüsenkörper um, meist
unter Schwund der Peritoneal-
trichter.
Fig. «57. Schema der Umiere
Wirhclthicro (oub Hatschck); Segment-
grenzen pnnktirt. J. Afteröffnung. P
Mündung der rrnierengänge II' A>
Wimpcrtriehter (Nephrostom), .V Mal-
pighiVche Körperchen der Segiuental-
eanäle (.S).
.1 P
Kifirnfpilhfl
und Keim
und Oono-
B. Geschlechtsorgane.
Am Geschlechtsapparat der Thiere muss man die keimbercitenden
Stätten oder die Geschlechtsdrüsen und die Ausführwege
unterscheiden. Jene sind bei allen vielzelligen Thieren vorübergehend
oder dauernd vorhanden, diese können dagegen gänzlich fehlen. Wenn,
wie es bei Coelenteraten der Fall ist, die Gesehlechtsproducte in der
Haut oder im Darm entstehen, dann sind die Ausführwege überflüssig,
da die gereiften Elemente durch Platzen ihrer Umhüllung direct nach
aussen oder in den Darm hinein entleert werden.
Männliche und weibliche Geschlechtszellen nehmen, wie wir ge-
sehen haben, aus einer indifferenten Anlage ihre Entstehung, welche
man das Keiniepithel nennt. Mit Vorliebe bildet dasselbe einen Theil
der epithelialen Auskleidung der Leibeshöhle, bei vielen Thieren
dauernd, bei anderen nur vorübergehend: im letzteren Falle trennt
es sich meist durch Abschnürung und bildet drüsenartige Körper, die
Geschlechtsdrüsen.
Bei den ineisten Thieren erzeugt das Keiniepithel entweder nur
weibliche oder nur männliche Geschlechtszellen: solche Thiere nennt
man get reu n t gesch locht lieh oder gonochor istisch im
Gegensatz zu den h e rm a ph rod i t e n oder zwitterigen Formen,
bei denen in einem und demselben Individuum beiderlei Geschlechts-
organe enthalten sind. Man kann verschiedene Grade des Herm-
apliroditismus unterscheiden: gewöhnlich sind Hoden und Ovar zwar
in demselben Thier vereinigt, innerhalb des Körpers jedoch räumlich
getrennt, wie z. Ii. bei unserem Regenwurm, bei welchem ein paar
Ringe nur männliche, ein dritter King nur weibliche Drüsen enthält
(Fig. ()>:). Seltener ist die Vereinigung von Hoden und Eierstöcken
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Allgemeine Zoologie.
95
zu einem einzigen Drüsenkörper, einer Zwitterdrüse; unsere Lungen-
schnecken besitzen eine Zwitterdrüse, welche in denselben Follikeln
Samen und Eier producirt.
Fig. H8. Ge-
schlechtsorgane von
Lnrnbricn* agricola
(aus Lang nach
Vogt und Yung).
Die Sanienbläschen
der rechten Seite
!<iii(l ahgeachnitten.
bm Bauehmark, bv
u.bl ventrale u. late-
rale Boratenreihen,
st: Samentasehen
(Receptneula semi-
nw), «bl sb1 .sb* die
.'{.Suii»nl)la«ch<n der
linken Seite, welche
auf 2 unpaaren 8a-
nienkapscln (sbu)
sitzen. In letzteren
eingeschlossen //' //*
die vorderen und
hinteren H<xlcn und
0 t1 die vorderen
und hinterenSamen- /
trichter, die in das dt Ol/'
Vas deferena rd leiten; o Ovarien, fit Flimmert riehter, die
di Reste der Dissepimente. VIII — AT 8. — 15. Segment.
di, to di
in die Oviducte <>r leiten,
Hermaphroditismus ist bei niedriger organisirten Thieren im All-
gemeinen häufiger als bei den höher organisirten. Insecten und Wirbel-
thiere sind fast ausnahmslos getrennt geschlechtlich : man kennt unter
ihnen nur zwei Fälle von normalem Hermaphroditismus, den Seebarsch,
Serranus scriba, einen Knochen-
fisch, und die Myxine glutinosa.
Häutiger wird Hermaphroditis-
mus als Abnormität beobachtet,
zumeist in Forin des Herm-
aphroditismus lateralis, bei wel-
chem die eine Hälfte des Thie-
res nur männliche, die andere
nur weibliche Geschlechtsdrüsen
erzeugt- Sind Männchen und
Weibchen einer Art an ihrem
verschiedenen Aussehen zu un-
terscheiden, so drückt sich der
Hermaphroditismus lateralis
schon äusserlich in der Gestalt
aus, indem die eine Hälfte des Thieres die Kennzeichen des Männ-
chens, die andere die des Weibchens besitzt. Man kennt hermaphro-
dite Schmetterlinge und Mienen, bei denen die männliche Hälfte die
besondere Gestalt der männlichen Fühler, Augen und Flügel trägt und
sich durch sie wesentlich von der weiblichen Hälfte unterscheidet
(Fig. 60). Doch ist hier zu beachten, dass in vielen Fällen, in denen
der äusseren Erscheinung nach Hennaphroditismus vorzuliegen schien,
die anatomische Untersuchung entweder nur männliche oder nur weib-
liche Geschlechtsdrüsen nachweisen konnte.
Fig. 69. Hennaphroditismus lateralis eines
Schmetterlings {Omcrin tlisparf. Links weib-
lich, rechts männlich (nach Taschenberg).
Allgemeine Zoologie.
Aeusserst selten ist echter Hermaphroditismus (Auftreten von
zweierlei Sexualdrüsen in demselben Thier) bei Säugethieren und
Menschen beobachtet worden. Was hier als Hermaphroditisnius be-
sehrieben worden ist, verdient in der Mehrzahl der Falle diesen
Namen nicht.
Die Ausführwege der Geschlechtsproducte sind im Thierreich
sehr häutig den excretorischen Apparaten entnommen. Bei den Anne-
liden dienen manche Segmentalorgane, bei den Wirbelthieren Theile
des Nierensystems ausschliesslich oder neben ihrer excretorischen
Function der Geschlechtsthätigkeit. Man spricht daher von einem
„Urogenital-System". Diese merkwürdige Vereinigung von Geni-
talorganen und Excretionsorgancn hat eine doppelte Ursache, eine
physiologische und eine anatomische. Phy-
siologisch ist wichtig, dass sich Eier und
Spermatozoen wie Excrete verhalten; sie
sind Stoffe, die nicht mehr für den Nutzen
des Individuums bestimmt sind , sondern
nach aussen gelangen müssen, um in Wirk-
samkeit zu treten. Die morphologische Ur-
sache ist im Verhalten zu der Leibeshöhle
gegeben : ein Urogenitalsystem entwickelt sich
nur bei Thieren, bei denen das Kcimepithel
aus dem Epithel der Leibeshöhlc abstammt
und bei denen die Niere dauernd oder ihrer
Anlage nach mit der Leibeshöhle in Ver-
bindung steht und so die natürliche Ab-
leitung für die Producte derselben bildet
— Unabhängig davon, ob die Geschlechts-
wege Theile der Excretionsorgane oder selb-
ständige Bildungen sind, gewinnen sie in
der Thierreihe eine bestimmte, durch ihre
Function bedingte Einrichtung (Fig. 70).
Von der Geschlechtsdrüse leiten Canäle
nach aussen, die Eileiter, Oviducte, des
Weibchens, die Samenleiter. Vasa defe-
rcn tia, des Männchens (bei der Zwitter-
drfise der Zwittergang). Eileiter und Samen-
leiter können mit Ausstülpungen versehen
sein, welche zur Aufnahme von Samen die-
nen. Man nennt sie beim Eileiter Reeep-
t a c u 1 a Sem i n i s, beim Samenleiter V e s i c u 1 a e s e m i n a 1 e s : erstere
beherbergen Samen, welcher durch die Begattung in die weiblichen
Fitr. 70. Geschlechtsapparat
von Vorh'x viridis (aus ( Jcjren-
lmur nach M. Schnitze). /
Hoden, rd. Vasa defenntia,
rs Vcsicnla seminalis, p Penis,
o Ovarium mit Ovidnctcn, u
l'terus, /• Vagina, rs Recep-
taculum seininis, gv Dotter-
Stöcke. *
Gesehlechtswege
gelangte,
letztere Samen, welcher im Hoden des
gleichen Thieres entstanden ist.
Der Endabschnitt des Samenleiters ist häutig sehr muskulös und
heisst Ductus ej ac ulatori us; er kann als Penis oder Cirrus
herausgestülpt werden und ragt dann über die Körperoberfläche her-
vor. Der Endabschnitt des Eileiters ist meist erweitert und lä.sst
2 Abschnitte erkennen, den Uterus, welcher die Eier während ihrer
Entwicklung beherbergt, und die zur Begattung dienende Scheide,
Vagina. Dazu können dann in den beiden Geschlechtern noch ac-
cessorische Drüsen der verschiedensten Art hinzutreten.
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Allgemeine Zoologie.
1)7
Animale Orsrane.
I. Fortbewejrunghonrane.
Die Fähigkeit, den Ort nach freier Wahl zu verändern, ist eine
so sehr in den Vordergrund tretende Eigenthüiulichkeit der Thierc,
dass der Laie geneigt ist, danach zu entscheiden, oh ein Organismus
dem Thier- oder Pflanzenreich zugehört, Deshalb ist es nöthig, her-
vorzuheben, dass zahlreiche Thiere die freie Ortsbewegung aufgeben,
indem sie sich auf dem Boden, auf Pflanzen oder auf anderen Thiercn
fest ansiedeln. Alle Schwämme und Corallen, die meisten Hydroid-
polypen, die Crinoiden unter den Echinodermen haben zwar frei herum-
schwimmende Larven, sitzen aber im ausgebildeten Zustand fest und
haben dadurch eine überraschende Aehnlichkeit mit Pflanzen ge-
wonnen, so dass sie. obwohl echte Thiere, lange für Pflanzen gegolten
haben. Ferner sind manche Muscheln und Würmer mit ihren Gehäusen
angewachsen; ja sogar manche Krebsformen, die Cirripedien, haben
die freie Ortsbewegung vollkommen verloren. Eine genauere Unter-
suchung wird aber in allen diesen Fällen lehren, dass eine Bewegungs-
fähigkeit der einzelnen Theile fort existirt. wie denn die Corallen ihre
Tentalkronen und die Cirripidicn ihre federbuschartigen Füsse ein-
schlagen, die Muscheln ihre Schalen activ schliessen können.
Zur Bewegung dienen bei den niederen Formen, den Protozoen,
fast ausschliesslich Zellfortsätze, seien es Cilien, Geissein oder Pseudo-
podien. Bei den vielzelligen Thiercn ist das äusserst selten der Fall.
Amöboide Beweglichkeit der Epithelzellen kommt zwar noch bei
Coelenieraien und auch bei manchen Würmern vor, genügt aber nicht
zur Ortsbewegung. Wirksamer ist das Geissei- oder AYimperepithel,
welches bei Ctenophoren, Turbellarien und Rotatorien die Schwimm-
bewegungen vermittelt ; ausserdem findet sich dasselbe auch bei vielen
Larven von Thieren, welche ausgebildet entweder gar nicht oder nur
mit Hilfe von Muskeln ihren Ort verändern können. In der Form
von Planulae. d. h. als bewegliche, mittelst Flimmern schwimmende
Larven, verlassen fast alle Cocl enteraten, Echinodermen und Mollusken
und die Mehrzahl der Würmer die Eihüllen.
Zu energischerer Thätigkeit ist nur die Muskulatur befähigt
Die Anordnung derselben wechselt und hängt von der Beschaffenheit
des Skelets ab. Skeletlose Formen haben gewöhnlich den „llaut-
muskelschlauch", einen Sack von circulären und longitudinalen Fasern,
welcher mit der Haut fest vereinigt ist. Bildet sich von der Haut
aus ein Skelet, wie bei den Arthropoden, so löst sich der Schlauch in
Muskelgruppen auf. die am Hautskelet ihre Angriffspunkte finden;
bildet sich dagegen, wie bei den Wirbelthieren, ein Axenskelet aus. so
ist hier das Punctum fixum der Muskelwirkung gegeben, so dass die
Muskulatur einen ganz neuen Charakter gewinnt und namentlich tiefer
zu liegen kommt. Ein Locomotionsapparat ganz eigener Art ist «las
Ambulacralsystcm der Echinodermen, ein System von feinen, zum
Theil als Füsschen ausstülpbaren Schläuchen, über deren Verwendung
das Nähere bei den Echinodermen nachzulesen ist.
II. »rreiisj stein.
Kaum ein Organsystem zeigt in der Thierreihe eine so gesetz-
inässige Fortbildung wie das Nervensystem. Die verschiedenen Stufen,
Hartwig, Lehrbuch der Zoologie. 3. Auflage. 7
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08
Allgemeine Zoologie.
lianglien-
welche man dabei aufstellen kann, wollen wir als die diffuse Form,
die Strangform, die gangliöse Form und die Röhrenform bezeichnen.
1) Die diffuse Form des Nervensystems ist jedenfalls die ur-
sprünglichste; sie zeigt die beiden Elemente. Nervenfasern und
Ganglienzellen, gleichmässig durch den ganzen Körper oder wenigstens
durch gewisse Schichten des Körpers verbreitet. Als eine von den
ersten Anfängen an bevorzugte Schicht ist die Haut des Körpers, das
Ectoderm, anzusehen, da dieses den Verkehr mit der Aussenwelt
vermittelt und daher die für die Ausbildung der Nervengewebe wich-
tigen Sinneseindrücke erhält. Die Corallen und Hydroidpolypen können
uns als Beispiel dienen, da bei ihnen das Ectoderm nach allen Rich-
tungen hin von einem zarten, spinnwebeartigen Netz von Nerven-
fasern und Ganglienzellen, welches sogar auf das Entoderm übergreift,
durchsetzt wird.
2) Aus der diffusen Form lassen sich die übrigen Hauptformen
durch Localisation ableiten, die wohl hauptsächlich dadurch bedingt
ist, dass manche Stellen zur Aufnahme von Sinneseindrücken und
daher auch zur Entwicklung nervöser Theile geeigneter gelagert sind,
als die Nachbarschaft. Bei den Medusen ist der .Rand der Glocke
eine solche Stelle, weshalb hier ein kräftiger, an Ganglienzellen auf-
fallend reicher Nervenstrang verläuft. Man kann denselben, ebenso
wie den Ringnerven und die f> Ambulacralnerven der Echino-
dermen ein Centraiorgan nennen und davon den Rest des Nerven-
netzes als peripheres Nerven syst em unterscheiden.
3) Vielerlei Uebergangsformen leiten uns zu dem gangliösen
Centralnervensystem der Würmer, Mollusken und Arthropoden (Fig. 71).
Das Centralnervensystem besteht hier aus
2 oder mehreren Ganglien; jedes Ganglion
ist ein rundliches Knötchen gesetzmässig
angeordneter Nervenfasern und Ganglien-
zellen. Jene bilden den Kern des Knöt-
chens und verursachen, indem sie sich
nach allen Richtungen kreuzen, das Bild
einer feinen Körnelung. welches zu dem
ungeeigneten, weil leicht irreführenden Na-
men ..Leydig'sche Punktsubstanz" geführt
hat. Die Ganglienzellen dagegen häufen
sich zu einer dicken Rindenschicht um die
Leydig'sche Punktsubstanz an. Aus der
centralen Nervenmasse entspringen die
peripheren Nerven, ebenso die Commis-
si! ren. die Verbindungsstränge zu anderen
Ein Gnnglionpjuir ähnlichen Ganglienknötchen.
uus dfin Bnuohinnrk von Fhro- r>a nun die meisten Thiere symme-
XÄ'I^Är W«* gebaut sin.l, Hml,! .„an die Ganzen
darum cino Kindo von < iuiuxlk-n- paarig gruppirt; em linkes und ein rech-
zellen (Mut, VOl. WH. H\>. LX tes Ganglion entsprechen einander und sind
Länp^oinn.i.-snrui. n.v abg< h.-n- durch einen Strang von Nervenfasern, die
de Nerv.-nf^m marh Clans). QU0ITOminissUI- einheitlich verbunden. Am
constantesten sind zwei Ganglien, welche
dorsal über dem Anfangsdarm liegen und daher die oberen Schlund-
ganglien oder auch Hirnganglien heissen. Wenn noch weitere Ganglien
vorkommen, so. liegen dieselben ventral und unter dem Darm (Bauch-
mark).
Fig. ::
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I
Allgemeine Zoologie.
99
Eine weit verbreitete Einrichtung ist die als Str ickleiter- "JJJJf
n e rvensy st ein (Fig. 72) bezeichnete Form (Anneliden und Arthro-
poden). Zahlreiche Ganglienpaare (im vorliegenden Beispiel neun)
liegen auf der Bauchseite des Thieres hinter einander und sind durch
Längsconimissuren verbunden, und zwar entsprechen den linken und
rechten Ganglien auch linke und rechte Commissuren. Das erste
Paar der Reihe wird von den unteren Schlundganglien gebildet, welche
zwei links und rechts den Darm umgreifende Commissuren zu den
oberen Schlundganglien entsenden. Obere und untere Schlundganglien
nebst den Schlundcommissuren erzeugen den Schlund ring, einen
Nervenring, welcher den Anfangstheil des Darms umfasst.
Fig. 72.
Fig. 73.
Fig. 72. Striekleiternervenaystein von Powell io
«ruber (Assel). *l Hirn, D liauchmark, durch die
Schlundeonuuissuren verbunden mit dem Hirn, b
ein früher als Syinnathicus godeutetei Strang
(nach Leydig).
Fig. 73. Querschnitt durch das Rückenmark
des .Menschen (aus Wiedersheim), schwarz die graue,
weiss die weisse Substanz; Cc Centralcanal, um-
geljen von der vorderen und hinteren Conmüssur
/Cr/, Üj, Sp Sulcus anterior und posterior, VW,
IlW vonlere und hintere Nervenwurzel, VII, IUI
Vorder- und Hinterhorn der grauen Substanz, V,
S, II Vorder-, Seiten- und llinterst ränge der
weissen Substanz.
4) Die röhr ige Form des Nervensystems findet sich nur bei kücImo-
den Wirbelthieren (Flg. 73) und den den Wirbelthieren sehr nahe "Tura"^
stehenden Larven der Tunicaten. Hirn und Rückenmark der Wirbel-
thiere kann man als die in verschiedener Weise entwickelten Abschnitte
einer Röhre mit stark verdickten Wandungen auffassen. Im Centrum
liegt der äusserst enge Spinalcanal, welcher sich nach vorn in die
einzelnen Hirnventrikel erweitert. Auf einem Querschnitt, sieht man
um tlen Spinalcanal herum die Nervenelemente genau im ent-
gegengesetzten Sinne gruppirt als bei den Ganglienknötchen. Zu
äusserst liegt eine Schicht Nervenfasern (die weisse Substanz der
menschlichen Anatomie); nach innen davon folgt ein aus Ganglien-
zellen und Nervenfasern gebildeter Kern (die graue Substanz),
7*
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IOC)
Allgemeine Zoologie.
welcher durch ein besonderes Epithel gegen den Ccntralcanal abge-
grenzt wird.
Fast für alle Thierabtheilungen hat sich nachweisen lassen,
dass das Nervensystem aus dem Ectoderm entsteht.
Bei vielen Thieren liegen daher die Nervenstränge und Ganglicnknoten
dauernd in der Haut, bei anderen nur während der Entwicklung,
um später durch Abspaltung oder Einleitung losgelöst und in tiefere
Körperschicliten verlagert zu werden (Fig. i\ S.
III. Sinnesorgane.
Was wir vom Wesen der Aussenwelt wissen, gründet sich auf die
Erfahrungen, welche wir durch unsere Sinnesorgane gemacht haben.
Wir kennen daher die Aussenwelt nur insoweit, als sie den von Ur-
theilskraft genau controlirten und geschärften Sinnen zugängig ist.
So kommt es, dass die aus der menschlichen Physiologie stammende
Unterscheidung von ;"> Sinnen, Tast- oder Hautsinn, Geruch-,
Geschmack-, Gehör- und Gesichtssinn, auf das ganze Thier-
reich übertragen wurde. A priori kann allerdings die Möglichkeit
nicht bestritten werden, dass bei den Thieren Sinnesempfindungeu vor-
kommen, welche uns gänzlich fehlen; im Verfolgen dieses Gedanken-
ganges ist man sogar zur Aufstellung eines sechsten Sinnes gelangt,
über dessen Wesen man sich jedoch nur in Vermuthungen ergchen
kann, da wir uns unmöglich vom Wesen eines uns fehlenden Sinnes
eine lebendige Vorstellung machen können.
Ein weiterer, noch wichtigerer Grund für die Erscheinung, dass
unsere Kenntnisse vom Sinnesleben der Thiere sehr fragmentarischer
Natur sind, ist dadurch gegeben, dass wir bei der physiologischen
Deutung von Sinnesapparaten uns nur selten auf Experimente stützen
können und somit auf Schlussfolgerungen aus dem Bau angewiesen
sind. Der Hau mancher Sinnesorgane, wie der Geruchs- und Ge-
sclmiacksorganc. ist aber keineswegs so ckarakteristisch, dass er allein
schon zur physiologischen Deutung berechtigte.
Tastorgar«. \]s Tastorgan functioiiirt die Haut der Thiere meist wohl in
ganzer Ausdehnung, wenn auch nicht überall mit gleicher Intensität.
Hervorragende Partien, wie die Tentakelkronen der Polyjwn und vieler
Würmer, die Fühler der Arthropoden und Schnecken, werden auf die
Benennung immer besonderen Anspruch machen können. Zum Tasten
dienen Epithelzellen, welche mit starren, über die OberHäche ragen-
den Haaren, den Tastborsten oder Tasthaaren, versehen sind (Fig. 74).
Nur bei den Wirbelthieren Huden die Tastnerven meist unter dem
Epithel in besonders moditicirten Endorganen (den Vater - Pacini-
schen Körperchen, den Meissnersehen Körperchen etc.) ihr Ende
(Fig. 7ö).
J'"»choe- e r 11 r n s " u,,(l G e s c h m a c k s o r g a n e sind nur bei den Wirbel-
thieren mit Sicherheit bekannt. Das Geruchsorgan der Fische besteht
<fK»ne. aHg zwpj (;rjjiK.|K,n (|er iiaut vor und dorsalwärts von der Mund-
spalte. Bei den Luft atlimenden Wirbelthieren werden die anfänglich
ebenfalls der Haut angehörenden Geruchsgrübchen in die dorsale
Wand der Nasengänge aufgenommen, zweier zur Athmung dienender,
von der Körperobertläche zur Mundhöhle führender Canäle. Da nun
die im Epithel der Grübchen vertheilten Riechzellen häufig durch
Büschel von Riechhaaren ausgezeichnet sind, da ferner auch das
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Allgemeine Zoologie.
101
Epithel der Umgehung gewöhnlich bewimpert ist, so ist man geneigt,
bei wirbellosen Thieren (z. B. Medusen, Cephalopoden) flimmernde, von
Nerven versorgte Hautgruben für Rieehorgane zu erklären, zumal
wenn sie in der Nachbarschaft von Athmungsorganen auftreten (Osphra-
dium der Mollusken). Indessen giebt es Ausnahmen. Bei den Arthro-
poden hat das Experiment es wahrscheinlich gemacht, dass die An-
tennen zum Riechen dienen. Hier kann die Sinnesempfindung nur
an gewisse modificirte Haare, die Riech röhrchen der Crustaceen
und die Riechkegel der Insecten, geknüpft sein. — Was nun die
(Ieschmacksorgane anlangt, so wird man Nervenendigungen im
Bereich der Mundhöhle als solche deuten, da die (ieschmacksorgane
der Wirbelthiere , die sogen. G esch m acksknospen, in der Mund-
höhle, besonders reichlich auf der Zunge liegen.
Gehörorgan und Auge nennt man die höheren Sinnesorgane, o«w>'.
weil sie für unser gesammtes Erkennen von viel grösserer Bedeutung
sind als die übrigen Sinnesorgane, indem sie Empfindungen vermitteln,
welche qualitativ und quantitativ eine viel genauere Bestimmung zu-
lassen. Gehör und Auge haben daher einen complicirteren und cha-
rakteristischeren Bau, welcher ein leichtes Wiedererkennen ermög-
licht, zumal da zu den der Empfindung selbst dienenden Sinneszellen
fast stets leicht kenntliche Hilfsapparate hinzutreten.
Die Gehörorgane der Wirbelthiere und der meisten übrigen Thier-
stämme lassen sich auf eine einfache Grundform, das Hörbläschen,
zurückführen (Fig. 7U). Dasselbe besitzt eine epitheliale Wandung,
einen flüssigen Inhalt, das Hörwasser oder die Endolymphe,
und einen einzigen oder zahlreiche zu einem Haufen zusammen-
geballte Hör st eine oder Otolithen. In einem bestimmten Be-
reich der epithelialen Wandung sind die Zellen zur Crista acu-
Fig. 74. Haut eine« Insects mit
einem gewöhnlichen Haar (h) und
einem Tasthaar /(/. n Nerv, Sinnes-
zelle, § Epithel, r ("utieula
(nach v. Rath).
Fig. 7.">. Kolbenkörperchen aun
tiein Schnabel der Ente (aus Wieders-
heim). A Nervenfaser mit Endkolben
JK. Q innere. L äussere Hüll lameUen,
ZA Kerne der letzteren, Al Axcncylin-
der, MS Markscheide, A7 Nerven-
scheide.
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102
Allgemeine Zoologie.
Fig. 7t>. Hoi-bläschen rhu < Molhihks (Picro-
fracJtra). X Hörnerv, Hx Uöracllen mit «lt-r
Centrakelle (h, W% Wimpcraellen, Ol Otolitb
(nach Claus»).
stica, der Hörleiste, entwickelt: sie stehen mit dem Hörnerven (Nervus
acusticus) in Verbindung und tragen die in die Endolymphe hinein-
ragenden Hörhaare. Die Otolithen selbst sind Conoretionen von kohlen-
saurem oder phosphorsaurein
Kalk, ihre Function ist noch
nicht aufgeklärt. Sie schwe-
ben meist frei im Centruni
des Bläschens und werden
häufig von Flimmerbüscheln,
die von den nicht sensiblen
Epithelzellen der Wand aus-
gehen, oder in mannichfach
anderer Weise in ihrer Lage
gehalten.
Jedes Hörbläschen ent-
wickelt sich durch eine gruben-
förmige Einstülpung der Haut
und ist somit vorübergehend
ein Hörgrü beben. Daher
darf es uns nicht wundern,
dass bei vielen Thieren das
Organ auf dieser niederen
Entwicklungsstufe bestehen bleibt, wie z. Ii. die Flusskrebse ein offenes
Hörorgan oder Hörgrübchen besitzen. Andererseits kann das Hör-
bläschen zu einem äusserst verwickelten Hohlraumsystem auswachsen,
so namentlich bei den Säugcthieren (Fig. 77), wo es durch eine Ein-
schnürung in den Sacculus
und den Utriculus zerlegt wird.
Der Sacculus ist mit einein
Spiral gewundenen Blindsack,
der Schnecke, der Utriculus
mit den )\ halbkreisförmigen
Canälen versehen. Dazu
kommen bei den Säugethieren,
wie den meisten WirbeUhieren
Schema dos im-nsehliehen Laby- ,ije schallleitenden Apparate,
1 den 2»Ä!55?I!SE; um dem Gehörorgan einen
aussergewöhnlich complicirten
Bau zu verleihen.
Da es nun Thiere giebt.
welche, ohne Hörblasen zu
besitzen, gut hören, wie Spinnen und Insecten, müssen wir annehmen,
dass es Gehörorgane giebt, welche nicht nach dem Typus der Hör-
bläschen gebaut sind. Sicheres weiss man jedoch nur über die tym-
panalen Hörorgane der Heuschrecken (vergl. diese).
Experimente an Repräsentanten der verschiedensten Wirbelthier-
Classen haben zu «lern Resultat geführt, dass die 3 senkrecht auf ein-
ander stehenden halbkreisförmigen Canäle das Gefühl für die Gleich-
gewichtslage des Körpers vermitteln. Denn nach ihrer Zerstörung
fangen die Thiere an zu taumeln und die Balance zu verlieren. Es
ist möglich, dass bei den Fischen das Labyrinth ausschliesslich diesen
Zwecken dient. Denn bis jetzt hat man nicht mit Sicherheit feststellen
können, dass die Fische hören. Von diesen Erfahrungen ausgehend,
Fig.
rinths.
Caniilcn, .S'Smrulus, durch den Canalis reunieiis
mit der Schuirki- /('/ verbunden, R Hwts.-us
labyrinthi. V SrluKTkonblindsack. A" Kuppel-
blindsack (aus (). ll. rt wig).
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Allgemeine Zoologie.
103
haben neuere Forscher zu beweisen versucht, dass die Hörbläschen
der wirbellosen Thiere ausschliesslich oder doch vorwiegend Organe
des Gleichgewichtssinnes sind.
Das Auge ist bei allen Thieren schon an der Beschaffenheit des
Sinnesepithels, der Retina, zu erkennen. Letztere ist stets durch
starke Ablagerung von Pigment ausgezeichnet, welches entweder in
den Sinneszellen liegt oder in besonderen Zellen, die zwischen oder
hinter den Sinneszellen angebracht sind. Das einfachst gebaute Auge
erscheint daher als ein scharf umschriebener, mit Nerven, gewöhnlich
auch mit einer Linse versehener Pigmentfleck im Epithel der Haut
(Fig. 78).
Fig. 78.
Fig. 79.
Fig. 78. Ocellus for) einer
Meduse (Lixxia Koälikeri)
mit Linse (l).
Fig. 79. Retina de* Mensehen
(nach Gegcnbaur). P Pigment-
Schicht, E Schient der Seh-
zellen , O Ganglion onticum.
1 Limitans interna, 2 }Serven-
fasersehieht, 3 Ganglienzellen,
4 innere retieulirte Sehieht,
5 innere Körnersehicht , C
äussere retieulirte Sehieht, 7
äussere Körnerschicht. .s'Liini-
tans externa, 0 Stäbehen- und
Zapfenschieht , 10 Tapetum
nigrum, m Müller'sche Fasern.
Die Sinneszellen selbst tragen meist an ihrem peripheren Ende
einen Aufsatz, den man das Rhabdom nennt. Das Rhabdom ist eine
Art Cuticularbildung, dient wahrscheinlich dazu, die Lichtwellen auf-
zufangen und dadurch die Erregung der Sehzellen zu ermöglichen, und
hat besonders bei den Wirbelthieren einen complicirten Bau, insofern
jedes Rhabdom aus einem Innen- und Aussenglied besteht Auch
kann man hier 2 Arten von Rhabdomen, Stäbchen und Zapfen, unter-
scheiden (Fig. 79).
Auge.
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Allgemeine Zoologie.
Ehe der Sehnerv sich an die einzelnen Sehzellen vertheilt, bildet
er noch eine Anschwellung, das Ganglion opticum, welches ent-
weder als ein geschlossener Körper ausserhalb des Auges liegt oder
mit der Retina zu einem zusammenhängenden Ganzen verschmilzt.
Bei den Wirbelthieren ist die ansehnliche Dicke der Retina (Fig. 79)
dadurch bedingt, dass sie auch das Ganglion opticum enthält. Die als
reticulirtc Schichten, Lagen der inneren Körner und Ganglienzellen,
Nervenfaserschicht bezeichneten Theile bilden das Ganglion opticum;
die Schicht der Sehzellen besteht nur aus der äusseren Körnerschicht
und den aufsitzenden Stäbchen und Zapfen. Die äusseren Körner
sind die Kerne, die zugehörigen Stäbchen- und Zapfenfasern die Zellen-
leiber der Sehzellen.
CXO vo
Fijr. NO. Horizontalsehnil t durch das menschliche Auge (nach Arlt aus Hatschck).
E Epithel der Cornea (Conjunetiva), C Cornea. rA vordere Augenkammer. / Iris.
hA hinten» Aupnkamiuer, ; Zonula Zinnii, (Ks Ora serrata, Sc Sclera, Ch Chorinidca,
Ii Retina, p Papille des Sehin-rvcn, "l Macula lutea (Stelle des sehärfsten Sehen*1.
VO Seheide des X. opticus, \0 X. opticus, C Arteria centralis, Cc Corpus ciliare.
L Linse, Cr (.«laskörpcr.
Der complicirte Bau vieler Augen wird ferner dadurch veranlasst,
dass besondere lichtbrechende Körper das Licht zum Entwerfen des
Bildes auf der Retina concentriren (Cornea, Linse, Glaskörper), dass
der Lichtcinfall der Regulirung (Iris) bedarf, dass Ernährungsvorrich-
tungen (Chorioidea) und Schutzvorrichtungen gegeben sein müssen
(Sclera). Wenn alle diese Theile vorhanden sind, dann kommt ein
Bau zu Stande, wie ihn Tintentische und Wirbelthiere bieten (Fig. 80).
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Allgemeine Zoologie.
\ 105
Das Auge der Wirbelthiere ist vielfach ein nahezu kugeliger Körper,
dessen Oberfläche von einer festen Membran gebildet wird. Im
grössten Theil der Circumferenz ist diese Membran undurchsichtig fibrös
oder knorpelig und heisst Sclera oder Sclerotica; nur im vorder-
sten Abschnitt ist sie glashell durchsichtig und bildet hier vermöge
ihrer stärkeren Krümmung einen uhrglasförmigen Aufsatz, die Cornea.
Nach innen von der Sclera liegt die Chorioidca. eine bindegewebige,
pigment- und blutreiche Hülle, welche an der Grenze von Sclera und
Cornea sich in die Iris verwandelt. Die Iris, der Sitz der Augen-
farbung. ist in ihrer Mitte von der Pupille durchbohrt, einer Oeffnung,
deren wechselnde Grösse den Lichteinfall regulirt. Nach innen von
der Chorioidea folgt zunächst eine Lage schwarzer Zellen, das Tape-
tum nigrum, und endlich die Netzhaut oder Retina selbst, die
Ausbreitung des am hinteren Ende in das Auge eintretenden Seh-
nerven. Tapetuni nigrum und Retina gehören entwicklungsgeschicht-
lich zusammen und endigen daher auch beide gemeinsam am Rand
der Pupille, nachdem die Retina schon vorher in einiger Entfernung
vom äusseren Rand der Iris an der Ora serrata ihren nervösen Cha-
rakter verloren hat.
Der Binnenraum des Auges wird von dem Corpus vitreum,
dem Humor aqueus und der Linse vollkommen ausgefüllt.
Für den Sehact ist die Linse der wichtigste Theil, da sie nächst der
Cornea den Gang der Lichtstrahlen am meisten beeinflusst. Sie liegt
hinter der Iris befestigt an dem vorderen Rand der Chorioidea. welche
hier zu dem Corpus ciliare umgewandelt ist. Vor ihr befindet sich
die seröse Flüssigkeit des Humor aqueus in der sogenannten hinteren
Augenkammer, zwischen Linse und Iris, und in der vorderen Augen-
kammer, zwischen Iris und Cornea. Den viel ansehnlicheren einheit-
lichen Raum hinter der Linse füllt ein gallertartiger Gewebskörper,
der Glaskörper oder das Corpus vitreum, aus.
Zwischen dem einfachen Piginenttleck und dem hochorganisirten
Wirbelthierauge finden sich vielerlei Ausbildungsstufen : Pigmentflecke
mit Linse, Pigmentflecke mit Linse und Glaskörper, mit hüllenden und
ernährenden Häuten etc. Einen besonderen Entwicklungstypus zeigt
das Facettenauge der Insecten und Krebse, auf dessen Hau wir bei
den Arthropoden zurückkommen werden.
Zusammenfassung der wichtigsten Punkte der Orgaiiologie.
1) Organe sind Gewebscomplexe, welche gegen ihre Umgebung
zur Bildung eines Körpers von bestimmter Gestalt abgegrenzt sind
und eine einheitliche Function verrichten; jedes Organ kann somit
morphologisch (nach seinem Bau und seinen Lagebeziehungen) und
physiologisch (nach seiner Function) charakterisirt werden.
2) Organe verschiedener Thierarten können physiologisch
gleich werthig sein: analoge (gleichartig funetionirende) Organe.
3) Organe verschiedener Thierarten können morphologisch
gleich werth ig sein: homologe (in gleichen Lagebczichungen auf-
tretende) Organe.
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106 Allgemeine Zoologie.
4) Bei der Vergleichung der Organe zweier Thiere können sich
3 Möglichkeiten ergeben:
a) sie sind homolog und analog zugleich,
b) sie sind homolog, aber nicht analog (Schwimmblase der
Fische, Lunge der Säugethiere),
c) sie sind analog, aber nicht homolog (Kiemen der Fische,
Lungen der Säugethiere).
f>) Die Organe theilt man ein in an i male und vegetative.
G) Anlmale Functionen sind Functionen, welche zwar der Pflanze
nicht vollkommen fremd sind, aber bei ihr verkümmern, dagegen im
Thierreich ihre Fortbildung erfahren und das Charakteristische des
Thieres ausmachen.
7) Vegetative Functionen sind in gleicher Vollkommenheit, wenn
auch in verschiedener Weise bei Pflanze und Thier ausgebildet.
8) Zu den animalcn Organen gehören die Organe der Bewegung
und Empfindung, d.s. die Muskeln, die Sinnesorgane, das Nerven-
system.
9) Zu den vegetativen Organen gehören die Organe der Ernäh-
rung und der Fortpflanzung.
10) Unter Ernährung im weitesten Sinne verstehen wir nicht
nur die Aufnahme und Verdauung von Speise und Trank, sondern
auch die Aufnahme von Sauerstoff (Athmung), die Vertheilung der
Nahrung an die Körperprovinzen, die Entfernung des unbrauchbar
Gewordenen.
11) Zu den Organen der Ernährung gehören daher nicht nur der
Darm und seine Anhangsdrüsen, sondern auch die Athmungsorgaue,
das Blutgcfässsystcm und die Excretionsorgane (Niere).
12) Zur Fortpflanzung dienen die männlichen und weiblichen
Geschlechtsorgane.
l.'l) Beiderlei Geschlechtsorgane können auf 2 Thiere vertheilt
(G onochori sm us) oder in einem und demselben vereinigt sein
(Her m a p h r o d i t i s m u s).
14) Der höchste Grad von Hermaphroditismus wird erreicht, wenn
ein und dieselbe Drüse (Zwitterdrüse) sowohl Eier wie Samenfaden
erzeugt.
15) Häufig sind Geschlechtsorgane und Harnwege innig vereinigt;
dann spricht man von einem Urogenitalstem.
4. Proinorphologie oder (»rundfoniieiilehre der Thiere.
Auf gesetzmässiger Vereinigung verschieden funetionirender Organe
beruht der Bau der Einzelthiere. Die Organe nehmen dabei ein Lage-
verhältniss zu einander ein, welches für jeden einzelnen Thierstamm
ein bestimmtes ist oder doch nur in untergeordneter Weise variirt.
Vergleicht man die einzelnen Thierstämme mit Rücksicht auf das An-
ordnungsprineip der Theile. so kommt man zur Aufstellung einiger
weniger Grundformen, welche für den Morphologen eine ähnliche Rolle
spielen wie die Grundformen der Krystalle für den Mineralogen. Nur
darf man in Verfolgung dieses Vergleiches die Lehre von den Grund-
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Allgemeine Zoologie.
107
formen oder die Proinorphologie der Thiere nicht als eine eben-
bürtige Wissenschaft der Kristallographie zur Seite stellen wollen.
Ein Krystall ist eine aus gleichartigen Theilen bestehende Masse;
seine Forin ist die nothwendige und unmittelbare Folge der chemisch-
physikalischen Beschaffenheit seiner Molecüle. Ein derartiger directer
Zusammenhang zwischen Molecularstructur und Grundform ist bei den
Organismen nicht vorhanden und kann nicht vorhanden sein, da schon
jedes Organ sich aus vielerlei chemischen Verbindungen zusammen-
setzt. Daher fehlt auch die den Krystallen zukommende mathematische
Regelmässigkeit. Selbst bei den Thieren, welche die grösste Regel-
mässigkeit in der Anordnung der Theile besitzen, fügen sich dieselben
nicht sämmtlich den Anforderungen der Grundform, so dass wir ge-
nöthigt sind, grössere oder kleinere Abweichungen unberücksichtigt zu
lassen. Wenn wir z. B. den Menschen bilateral symmetrisch nennen,
so müssen wir unberücksichtigt lassen nicht nur die kleinen Asym-
metrien von schiefen Nasen etc., sondern auch die wesentlicheren: dass
die Leber auf die rechte, das Herz auf die linke Seite verschoben ist,
dass der Darm in vollkommen asymmetrischer Weise verläuft.
Man kann nun durch den Körper eines Thierus nach den drei
Dimensionen des Raums drei auf einander senkrechte Axen legen und
nach ihrer Beschaffenheit ihn bis zu einem bestimmten Grade
charakterisiren ; ferner kann man den Körper auch charakterisiren nach
den Ebenen, in denen man ihn symmetrisch halbiren kann, den Sym-
metrieebenen. So kommt man zur Aufstellung folgender Grund-
formen :
1) anaxone, asymmetrische, irreguläre oder amorphe Grundform
(Fig. 81),
2) homaxone, allseitig symmetrische, sphärische Grundform (Fig. 82),
vi) monaxone, radial symmetrische Grundform (Fig. 83),
4) einfach heteraxone, zweistrahlig symmetrische Grundform
(Fig. 84, 85),
f>) doppelt heteraxone. bilateral symmetrische Grundform (Fig. 86).
Ii Anaxon oder asymmetrisch nennen wir Thiere, bei denen
die Anordnung der Theile in keiner Richtung des Raumes gesetzmässig
bestimmt ist. welche daher in jeder Richtung unregelmässig weiter
wachsen können. Bei ihnen ist kein in bestimmten Beziehungen zur
Organisation stehender Mittelpunkt gegeben; es ist ferner unmöglich,
bestimmte Axen durch den Körper zu legen oder den Körper
in symmetrische Stöcke zu theilen (viele Schwämme und viele Pro-
tozoen).
2) Homaxone oder sphärische Thiere haben die Grundform
der Kugel: die Theile des Körpers sind concentrisch um einen fest-
stehenden Mittelpunkt angeordnet, so dass beliebig viele Axen und
Symmetrieebenen hindurchgelegt werden können, nämlich alle Linien
und Ebenen, welche durch den Mittelpunkt^ler Kugel verlaufen (wenige
kugelige Protozoen, namentlich Radiolarien).
'M Monaxonie oder Rad i a 1 sy m m et r i e wird herbeigeführt,
wenn in einer bestimmten Richtung das Waclisthum und demgemSss
auch die Bildung der Organe in anderer Weise sich vollzieht, als in
den senkrecht dazu gestellten Richtungen. Wir nennen die Linie,
welche diese Richtung bezeichnet, Hauptaxe im Gegensatz zu den noch
unter einander gleichen Nebenaxen oder Radien. Die Hauptaxe kann
als solche bestimmt sein, weil sie länger oder kürzer ist als die Neben-
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ins
Allgemeine Zoologie.
«ixen; sie kann aber auch gleich lang wie diese und dennoch genau
bestimmt sein, indem sie gewisse Organe (z. B. die Mundöffnung) ent-
hält, welche in den anderen Richtungen fehlen. Bei radialsyminetrischen
Fig. Sl. SmnujiUn fhtrintilis (nach Huxlcy).
a oWrfläcnlich»' Schicht mit Dermnl|><>ren,
b, 0 Gegend der (Tcisselkaiuiner, d Osculu in .
Fig. 82. Haliomma erinaems. a äussere, i in-
nere Gittcrkugel, ck Centraikapsel, irk extracapsu-
lärer Weicnkörper, n Binnenbläschen (Kern).
Flg. 83. .NV/»s/7//o<;. eiii(>acra-*])o«lc RfedtU«' inach Langt, vom
oralen Ende der stark verkürzten Hauptaxc aus betrachtet.
vr Perradien, ir Interradicn . ar Adradien (Perradien und
Interradicn bezeichnen die 1 Symmctrieebenen des Thieres».
.•>•/■ Suhradien, rl Randlappctl, i Tentakeln, $k Ramlkörper,
tj Geschlechtsorgane, ///'(iasindfilamente, m Biibombrelüurer
Ringmuskel; im Gentium dir krenzfönnige Mundöffnung.
Fig. 84. Schema einer Actinie
nach Angelo Andres iaus
Hatschek). Seitliche Anficht,
senkrecht zur stark verlän-
gerten Hauptaxe.
Thieren sind dieselben Organe stets in grösserer Anzahl vorhanden
und gleichmässig um die Hauptaxe in der Richtung der Radien ver-
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Allgemeine Zoologie. 109
theilt. Durch ein solches Thier kann man eine grössere Anzahl Schnitte
führen, welche durch die Längsaxe gehen und den Körper symmetrisch
halbiren. Zerschneidet man das Thier in der Richtung aller möglichen
Syinmetrieebencn, so erhält man Stücke, welche im Wesentlichen gleich
gebaut sind. Gewisse Thierstämme, wie die meisten Echinodermen und
Coelenleratcn, sind mehr oder minder vollkommen radial-symmetrisch.
svnniictrwvbenc des Körper* liezciehnen, Pig. SU». Querschnitt durch einen Fisch auf der
Rikrend <lie zweite dazu senkrecht stellt. Höhe der vorderen Extremität. I> V Sagittalaxe,
/-/I" (Velen der Septenpaare I— IV. ()rd- HL Transversalaxe ; n Aorta descendens, r Lei-
'Miiip. Ii Binnenfach 1. Ordnung, 'A Zwi- hoshöhle, d Dann. Ch Chorda, g Sehultergürtcl,
i h»nifach 1. Ordnung, in welchem neuangelegt h Herz. /// Muskeln. // vorderes Ende der Niere,
und Septenpaare und Binnenfächer II., III., p IVricard. oh obere Bogen, ub untere Bogen,
IV. Ordnung [f/1 </• [/*)', x Schlundrinncn. r Rückenmark.
4) und 5) Die nächsten 2 Grundformen haben das Gemeinsame,
dass drei ungleiehwerthige, auf einander senkrecht stehende Axen
unterscheidbar sind, die man als Hauptaxe, Quer- oder Transversalaxe
und Pfeil- oder Sagittalaxe bezeichnet: dies ist der Fall, wenn, abge-
sehen von der Hauptaxe, auch in der Sagittalrichtung eine andere
Organvertheilling herrscht als in der Transversalrichtung, wenn in der
ersteren Organe liegen, die in der letzteren fehlen, und umgekehrt.
Dann sind zunächst, solange es sich nur um Ungleichwerthigkeit der
Axen handelt. 2 Symmetrieebenen möglich : man kann das Thier sym-
metrisch theilen, 1) wenn man den Schnitt durch Haupt- und Trans-
versalaxe, 2) wenn man ihn durch Haupt- und Sagittalaxe legt. Der-
artige zweistrahlig symmetrische Thiere sind die Ctenophoren,
Äctinien (Fig. *4, 86) und Corallen.
Nehmen wir nun weiter an, dass die Enden der Sagittalaxe un-
gjeichwerthig werden, dass an dem einen Ende ganz andere Organe
als an dem entgegengesetzten liegen, dann erhalten wir die weitest
verbreitete Grundform, die bilaterale Symmetrie. Die ungleich-
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110
Allgemeine Zoologie.
werthigen Enden «1er Sagittalaxe nennt man „dorsal" und „ventral",
womit, dann ferner die Bezeichnungen „rechts4* und „links" für die
Enden der Transversalaxe gegeben sind ; ein bilateral symmetrisches
Thier kann man nur in eine linke und rechte Hälfte symmetrisch
theilen durch einen in der Richtung von Längs- und Sagittalaxe ge-
führten Schnitt, den Medianschnitt: ein Frontalschnitt (Schnitt durch
Längs- und Queraxe) ergiebt stets ungleichwerthige Theile, Rücken-
und Bauchseite.
nndttSE Die symmetrischen Stücke eines Thieres nennt man Antimeren;
meren. jedes Antimer besitzt Organe, welche in seinem Nebenantimer eben-
falls vorkommen. Dem rechten Arm des Menschen entspricht der
linke, dem rechten Auge das linke etc. Dieselben Organe wieder-
holen sich somit in der Richtung der Queraxe. Nun kommt es aber
im Thierreich sehr häufig vor, dass die Wiederholung der Organe
nicht nur in der Richtung der Queraxe, sondern auch in der Richtung
der Längsaxe stattfindet, dass der Körper nicht nur aus symmetrischen
Stücken, den Antimeren, sondern auch aus gleichartig aufeinander
folgenden Theilen, den Metameren, zusammengesetzt ist. Dies
führt uns auf den Begriff der Gliederung oder Segmentirung.
In°u"swd Von G 1 i e d e r u n g oder Segmentirung spricht man, wenn der
Gliederung. Körper eines Thieres aus zahlreichen Segmenten oder Metameren be-
stellt (cf. Fig. f>G). Vielfach ist das äusserlich schon zu erkennen,
wenn nämlich die Segmentgrenzeii auf der Oberfläche durch Einker-
bungen niarkirt sind {Arthropoden und Anneliden). Die „äussere
Gliederung" kann aber gänzlich fehlen und die Gliederung nur
innerlich in der reihenweisen Aufeinanderfolge, in der metameren
oder segm cntalen Anordnung der Organe, zum Ausdruck
kommen. Der Mensch ist z. B. innerlich gegliedert, weil unter Anderem
sein Skelet aus zahlreichen gleichwertigen Stücken, den Wirbeln, be-
steht, die in der Längsaxe aufeinander folgen. Beim Fisch besteht
auch die Muskulatur, wovon man sich an jedem gekochten Fisch leicht
überzeugen kann , aus zahlreichen Muskclsegmenten. Bei dein auch
äusserlich gegliederten Regenwurm kehren in jedem Segment die Gang-
lienknötchen, die Gefässsehlingen, die Nierencanälchen oder Segmental-
gorane, die Borstenbüschel und die Scheidewände der Leibeshöhle wieder.
Homonome tjü» genannten Beispiele sind zugleich geeignet, um das Wesen
und hetero- v . « , . , i i
nooe Uli«- der verschiedenen rönnen der Gliederung, der nomonomen und
h e terono m e n Gliederung, zu erläutern. Der Regenwurm ist homonom
gegliedert, weil die einzelnen Segmente im Bau einander ausserordent-
lich gleichen und nur geringfügige Unterschiede zwischen dem Kopf,
dem Hinterende und den Genitalsegmenten vorhanden sind. Die
Menschen und alle Wirbelthiere sind dagegen heteronom gegliedert,
weil die aufeinander folgenden Segmente trotz mancher Uebereinstiiu-
mung einander sehr unähnlich geworden sind. Die Segmente des
Kopfes haben eine ganz andere Bedeutung für den Gesammtorganisnius
wie die des Halses oder der Brust oder gar der Schwanzregion.
Zwischen den Segmenten eines heteronomen Thieres ist eine Al-
be i t s t h e i 1 u n g eingetreten.
Die Unterschiede zwischen Heteronomic und Homonomie sind von
hervorragendem physiologischen Interesse. Je verschiedenartiger die
Segmente eines Thieres geworden sind, um so mehr sind sie, um normal
funetioniren zn können, auf einander angewiesen, um so einheitlicher
zusammengefügt ist das Ganze, so dass die einzelnen Theile nur in
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Allgemeine Zoologie.
111
ihrem Zusammenhang zu leben vermögen. Umgekehrt ist der Zu-
sammenhalt der Theile um so lockerer, je gleichartiger sie sind, je
mehr sie im Falle der Trennung für einander vicariiren können. Dies
äussert sich am schönsten bei Verstümmelungen. Manche Lumbri-
eiden kann man durchschneiden und beobachten, dass nicht nur jedes
Stück für sich weiter lebt, sondern dass es sogar das Fehlende er-
gänzt: wenn dagegen ähnliche Eingriffe heteronom gegliederte Thiere
betreffen, tritt entweder sofort der Tod ein, wie bei den höheren
Wirbelthieren, oder die Stücke leben nur kurze Zeit eine hoffnungslose
Existenz weiter, wie Frösche, Schlangen, Insecten etc. erkennen lassen.
Bei der Gliederung wiederholt sich somit eine Erscheinung, welche
im Thierreich eine weite Verbreitung besitzt und zu der höheren Ent-
wicklung desselben beiträgt; zunächst tritt eine Vervielfältigung der
Theile (hier der Segmente) ein, dann wieder eine Arbeitstheilung, so
dass das Endresultat ein vielgestaltiges, trotzdem aber wieder ein-
heitlich organisirtes Ganze ist.
II. Allgemeine Entwicklungsgeschichte.
Da jede Entwicklung mit einem Act der Zeugung beginnt, so
haben wir zunächst in diesem Kapitel zu erörtern, in welcher Weise
Organismen neu entstehen können. Wenn wir hierbei allein das Ge-
biet des Beobachteten berücksichtigen wollten, so müssteu wir uns
an den alten Satz des berühmten Engländers Harvey halten: Omne
vivum ex ovo, und denselben etwas moditicirend sagen: Omne vivum
ex vivo, dass jeder lebende Organismus von einem anderen lebenden
Organismus abstammt. Wir müssten uns auf die Entstehungsweisen
beschränken, welche man als Tocogonie oder Elternzeugung bezeichnet
hat. Die grosse Bedeutung, welche jedoch die Lehre von der eltern-
losen Zeugung oder der Urzeugung in der Neuzeit durch den Darwi-
nismus gewonnen hat, macht ein Eingehen auf dieselbe an dieser
Stelle nöthig.
1. Generatio spontanen. Archigonie.
Die alten Zoologen, selbst Aristoteles, Hessen zahlreiche
Thiere, darunter auch höher organisirte Formen, wie Frösche und die
meisten Insecten, aus dem Schlamm durch Urzeugung entstehen. Erst
im 17. und 18. Jahrhundert fand diese Lehre ihre energischen Gegner
in S p a 1 1 a n z a n i , Francesco Redi, R ö s e 1 v. R o s e n h o f, S w a m -
merdam u. A., welche den experimentellen Beweis beizubringen
suchten, dass alle Thiere Eier legen, welche durch Samen befruchtet
werden müssen, um sich weiter zu entwickeln. Gegenüber diesen
überzeugenden Untersuchungen flüchtete sich die Lehre von der Ur-
zeugung auf das Gebiet der Naturgeschichte der niederen Thiere.
Sie fand hier neue Stützpunkte in dem Auftreten der Parasiten im
Innern anderer Thiere, welche bei Beginn ihres Lebens zweifellos frei
von Inwohnern gewesen sein mussten. Die Parasitologen nahmen an,
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112
Allgemeine Zoologie.
dass die Parasiten aus dem überschüssigen plastischen Material ihrer
Wirthe vollkommen neu entständen, bis durch eine Reihe epoche-
machender Arbeiten die Wege festgestellt wurden, auf denen die sich
aus Eiern entwickelnden Jugendformen der Parasiten in den Körper
ihres Wirthes hinein gelangen. — Als Beweis für die Lehre von der
Urzeugung galt endlich bis in die Neuzeit die Thatsache, dass sich
in ganzlich unbelebten Gläsern mit Wasser nach einiger Zeit thierisches
und pflanzliches Leben bemerkbar macht, dass namentlich einzellige
Organismen, Infusionstierchen etc., in solchen Glasern auftreten, dass
ferner organische Flüssigkeiten in Folge der Entwicklung niederster
Pflanzen, der Haderien. in Fäulniss übergehen. Jetzt wissen wir. dass
in allen diesen Fällen Keime von Organismen, welche durch die Luft
verschleppt worden waren. Veranlassung zu der Neuentwicklung von
Leben gewesen sind. Tödtet man durch Erhitzen der Gläser und
Kochen der Flüssigkeiten die Keime ab und verhindert man durch
geeignete Verschlussmittel den Zutritt neuer Lebensträger, so bleibt
eine derartige „sterilisirte Flüssigkeit" dauernd unverändert. Freilich
hat sich dabei herausgestellt, dass die Keime, namentlich von Bactcrien,
eine ganz aus>ergewöhnliche Widerstandskraft entwickeln und nicht
selten mehr als 10 Minuten gekocht werden müssen, ehe sie zu Grunde
gehen. Als Endresultat aller neueren Versuche und Beobachtungen
kann nur das Eine gelten, dass die derzeitige Existenz einer
Urzeugung nicht bewiesen ist. Nun fragt sich, mit welchem
Kechte kann man daraus folgern, dass Urzeugung weder existirt noch
je existirt hat.
Wer entsprechend den Lehren der Astronomie die Ansicht vertritt,
dass unser Erdball sich einmal in einem feurig-flüssigen Zustand be-
funden hat und erst allmählig erkaltete, muss annehmen, dass das
Leben auf der Erde nicht von Urewigkeit existirte. sondern einmal
seinen Anfang gehabt hat. Will er ferner nicht einen übernatürlichen
Sehöpfungsact oder willkürlich aufgestellte Hypothesen, wie die von
der Verschleppung lebender Keime von anderen Weltkörpern mittelst
der Meteore, zur Erklärung heranziehen, so bleibt ihm nur die Hypo-
these übrig, dass nach den allgemein giltigen und jetzt noch zu be-
obachtenden Gesetzen der Affinität oder chemischen Wahlverwandt-
schaft Verbindungen von Kohlenstoff. Sauerstoff, Wasserstoff, Schwefel
und Stickstoff sich zusammengefügt haben, um lebende Substanz zu
erzeugen. Diesen Process nennt man U rzeu gu n g. Da der Kohlen-
stoff, Sauerstoff. Stickstoff etc.. welche jetzt in Organismen festgelegt
sind, damals noch disponibel waren, mögen die Bedingungen für die
Entstehung organischer Verbindungen, durch deren weiteres Zusam-
mentreten das Leben möglich wurde, günstiger gewesen sein. So
g e s t a 1 1 e t sich die II y p o t h e s e v o n d e r eisten Entstehung
des Lebens durch Urzeugung zu einem logischen Po-
st u 1 a t.
Die Lehre kann aber nicht weiter dahin ausgedehnt werden, dass
auch jetzt noch Urzeugung existiren muss. Hierfür kann nicht nur
kein zwingender Grund geltend gemacht werden, vielmehr spricht sogar
Mancherlei dagegen. Wie Darwin in seiner Lehre vom Kampf ums
Dasein in überzeugender Weise dargethan hat, sind die Existenzmög-
lichkeiten auf der Oberfläche unseres Erdballs erschöpft. Neue Lebe-
wesen sind nur möglich, wenn andere zu Grunde gehen. Wie sollte
da die Urzeugung noch weiter an einer Vermehrung der Individuen
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Allgemeine Zoologie.
113
und Arten thätig sein können, wo für die günstiger situirte lebende
Materie der Raum nicht ausreicht?
2. Eltonizeuguiig oder Tocogoiiie.
Nach den vorausgeschickten Erörterungen haben wir uns hier nur
mit den Fortpflanzungsarten, welche thatsächlich beobachtet worden
sind, zu befassen, mit den Elternzeugungen. Dieselben zerfallen vor-
nehmlich in 2 grosse Gruppen, die ungeschlechtliche und die ge-
schlechtliche Zeugung, Monogonie und Amphigonie, zu denen
eine dritte Gruppe, die gemischten Fortpflanzungsweisen, noch hinzu-
kommt.
a) Ungeschlechtliche Fortpflanzung. Monogonie.
Zum Wesen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung gehört zunächst,
dass bei ihr nur ein einziger Organismus thätig ist Da nun bei ge-
wissen geschlechtlichen Fortpflanzungsweisen, wie bei der Fortpflanzung
herraaphroditer Thiere und der Parthenogenesis, dieser Satz ebenfalls
zutrifft, so bedarf er noch der Erläuterung. Die ungeschlechtliche
Fortpflanzung muss auf Wachsthumsvorgänge zurückgeführt werden;
man kann sie mit einem gewissen Recht als ein Wachsthum über
das individuelle Maass definiren. Ein durch Wachsthum er-
zeugter Ueberschuss an Körpermaterial wird zur Bildung neuer In-
dividuen verwandt. Das Wachsthum des Organismus kann nun ent-
weder ein allgemeines sein und zu einer gleichmässigen Vergrösserung
des Thieres in allen seinen Theilen führen, oder es ist localisirt und
bedingt eine partielle Vergrösserung und demgemäss die Bildung eines
Auswuchses in der Gegend des starken Wachsthums; im ersteren Falle
kommt es zur Theilung, im letzteren Fall zur Knospung.
Bei der Theil ung (cf. Fig. 110 u. 140) zerfällt ein Thier in 2 oder Thetiunj.
mehr unter einander gleichwertige Stücke, so dass es nicht möglich
ist, Mutter- und Tochterthiere zu unterscheiden ; denn das ursprüngliche
Thier hat sich vollkommen in die junge Generation aufgelöst Die
Theilung ist gewöhnlich eine Quertheilung, wobei die Theilebene senk-
recht zur Längsaxe des Thieres steht Seltener ist Längstheilung, am
seltensten die Schrägtheilung (die Theilungsebene schneidet in der
Richtung der Längsaxe durch, oder bildet mit ihr einen spitzen Winkel).
Bei der Knospung sind die sich ergebenden Producte ungleich- Km»»™»,
werthig. Das eine Thier führt den Bau des Muttertieres weiter. Der
durch locales Wachsthum bedingte Auswuchs dagegen, die Knospe,
erscheint als eine Neubildung, als das Tochterindividuuni. Immerhin
ist der Unterschied zwischen Theilung und Knospung kein unver-
mittelter. Wenn wir von der Zweitheilung ausgehen, so wird dieselbe
sich der Knospung in gleichem Maasse nähern, als die Theilproducte
ungleich werden, so dass das eine mehr und mehr den Charakter
einer Knospe, das andere den Charakter des fortexistirenden Mutter-
tieres annimmt Solche Uebergänge sind namentlich bei der termi-
nalen Knospung möglich, bei der die Knospe in der Verlängerung
des Mutterthieres an dein einen Ende der Hauptaxe auftritt Der
Charakter der Knospung ist dagegen unverkennbar, wenn die Knospe
unter Neubildung ihrer Körperaxe als ein seitlicher Auswuchs der
Mutter entsteht (Fig. 87), oder wenn von einem geineinsamen Mutter-
Hertwig, Uhrbach der Zaolojto. 3. Auflage. g
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114
Allgemeine Zoologie.
thier gleichzeitig zahlreiche Knospen abgeschnürt werden (cf. Fig. 21)
(laterale und multiple Knospung).
b) Geschlechtliche Fortpflanzung. Ainphigonie.
Die geschlechtliche Fortpflanzung setzt gewöhnlich zwei Thiere.
ein männliches und ein weibliches voraus; die Fortpttanzungszellen
des einen, die Eier, müssen von den Fortpflanzungszellen des anderen,
den Spermatozoon, befruchtet werden und erhalten dadurch die Fähig-
keit, sich zu einem neuen Organismus zu entwickeln. Da es nun
hermaphrodite Thiere giebt, welche Eier und Spermatozoon gleich-
zeitig erzeugen, und da für viele derselben wenigstens die Möglichkeit
der Selbstbefruchtung sicher erwiesen ist, so ist es klar, dass der
Schwerpunkt bei der Definition der geschlechtlichen Fortpflanzung nicht
auf die Individuen, sondern auf deren Geschlechtsproducte gelegt
werden muss. D a s Wesen der geschlechtlich e n F o r t p f 1 a n -
z u n g w ü r d e demnach in der Vereinigung d e r m ä n n 1 i c h e n
und weiblichen Geschlechtszellen zu suchen sein.
Diese Erklärung passt für die weitaus überwiegende Mehrzahl der
Fälle, namentlich für alle die Fälle, von denen der Begriff ..geschlecht-
liche Fortpflanzung" abgeleitet wurde. Im Laufe der letzten 20 .lahre
ist jedoch in überzeugender Weise bewiesen worden, dass zwei Fort-
pflanzungsweisen. welche man früher zur Monogonie rechnete, die
i-Mthfn«.«» Parthenogenese und die Paedo genese, als besondere Modi-
Tt.'^nAw ticationen der geschlechtlichen Fortpflanzung angesehen werden müssen,
obwohl sie den oben aufgestellten Bedingungen nicht vollkommen ge-
nügen. In beiden Fällen entwickeln sich die Eier, ohne dass eine
Befruchtung durch Samen vorangegangen wäre, aus
eigenem, innerem Antriebe. Bei der Paedo genese kommt noch
das Besondere hinzu, dass die Fortpflanzung sich an Thieren voll-
zieht, welche das Ende der normalen Entwicklung nicht erreicht haben :
es pflanzen sich z. B. die Larven gewisser Fliegen fort, bevor sie
sich verpuppt haben und zu Fliegen geworden sind. Paedo genese
Fig. *7. A fl'j'ha
yri*ca in Knospung
auf dem optischen
Längsschnitt. daneben
Ii erste Anlage einer
Knosj»e. ru Entodenn.
eh Kctodcnn. s JStütz-
Uunelle, t Tentakeln
des Mutterthieres . t"
Tentakeln der K 110*1* .
m Magen, o Mund-
Öffnung.
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Allgemeine Zoologie.
115
ist somit die Parthenogenesis eines jugendlichen Orga-
n i s m u s.
Einige Forscher haben versucht, die Parthenogenesis von der ge-
schlechtlichen Fortpflanzung auszuschliessen, indem sie die partheno-
genctisch sich entwickelnden Eier für Pseudova erklärten, für Gebilde,
welche thatsächlich keine Eier sind. Diese Ansicht ist gänzlich un-
haltbar gegenüber dem Nachweis, dass die „Pseudova" vollkommen wie
gewöhnliche Eier entstehen und auch wie diese sich weiter entwickeln,
indem sie sich theilen und Keimblätter bilden. Am überzeugendsten
ist die Gleichwertigkeit der parthenogenetischen Eier mit denen,
welche befruchtet werden, bei den Bienen bewiesen, bei denen das
Schicksal der Zellen, ob sie weibliche oder männliche Thiere liefern
werden, im Moment der Eiablage erst entschieden wird und davon
abhängt, ob sie von der Königin mit Samenfäden versehen werden
»weibliche Thiere) oder nicht (männliche Thiere). Parthenogenesis ist
daher nicht eine ungeschlechtliche Fortpflanzung, welche die geschlecht-
liche vorbereitet, sondern vielmehr eine Fortpflanzung, welche aus der
geschlechtlichen abgeleitet werden muss: sie ist eine geschlecht-
liche Fortpflanzung, bei welcher es z n einer Rückbil-
dung der Befruchtung gekommen ist. In Erwägung dieser
Verhältnisse müssen wir uns an die Auffassung gewöhnen, dass für
das Wesen der geschlechtlichen Fortpflanzung die Befruchtung (der
Zutritt der Spermatozoen) zwar einen äusserst wichtigen, keineswegs
aber einen unerlässlichen Charakterzug bildet. Für alle zur Amphi-
gonie gehörigen Fälle passt nur die Definition: „die geschlecht-
liche Fortpflanzun g ist eine Fortpflanzung durch Ge-
schlechtszelle n."
Die Unterschiede der Geschlechtszellen von den ungeschlechtlichen
Fortpflanzungskörpern, den Theilstücken und Knospen, ergeben sich aus
ihren Beziehungen zu den Lebensprocessen des Thieres. Die Zellen einer
Knospe haben vor Eintritt der Fortpflanzung an den Lebensprocessen des
Thieres Antheil gehabt, sie waren funetionirende oder „somatische" Zellen.
Wenn bei unserem Siisstrasserpoli/j) eine Knospe entsteht, so ist das Zellen -
material, welches zur Verwendung kommt, bisher vom Mutterthier ganz
ebenso verwandt worden, wie die übrigen Theile der Körperwand. Die
Geschlechtszellen eines Thieres sind dagegen dauernd oder wenigstens auf
längere Zeit von den Lebensverrichtungen ausgeschlossen, als Zellen, welche
in einem Ruhezustand verharrt hatten, deren Lehensenergie während dieser
Ruhe geschont worden war. Daher fehlen auch bei der geschlechtlichen
Fortpflanzung die Beziehungen zum Wachsthum, welche bei der unge-
schlechtlichen Fortpflanzung so auffällig sind. Denn wenn auch häufig die
geschlechtliche Fortpflanzung erst nach beendigtem Körperwachsthum ein-
tritt, so kommt es doch ebenso häufig und noch häufiger vor, dass Thiere,
wie z. B. alle Fische, noch nach Eintritt der Geschlechtsreife auf das
Doppelte und Mehrfache ihrer Körpergrösse weiterwachsen. Die geschlecht-
liche Fortpflanzung ist eben keine besondere Form des Wachsthums, son-
dern eine völlige Erneuerung des Organismus, eine Verjüngung desselben.
Daraus erklärt sich die wichtige Erscheinung, dass die ungeschlechtliche
Fortpflanzung immer mehr von der geschlechtlichen verdrängt wird, je
höher die Organisation des Thieres ist, je mehr sich die Lebensenergie
seiner Zellen verbrauchen muss, um den gesteigerten Ansprüchen an die
Leistungsfähigkeit zu genügen.
8*
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116
Allgemeine Zoologie.
c) Combinirte Fortpflanzungsweisen.
Sehr häufig kommen bei einer und derselben Thierspecies zweierlei
Fortpflanzungsweisen neben einander vor. Viele Corallen und Würmer
haben sowohl die Fähigkeit, sich durch Theilung oder Knospung zu
vermehren, als auch Eier und Spermatozoen zu bilden ; andere wiederum
besitzen zwar keine ungeschlechtliche Fortpflanzung, ihre Eier aber
entwickeln sich je nach Umständen entweder parthenogenetiseh oder
nach vorausgegangener Befruchtung. Das Auftreten von zweierlei
Fortpflanzungsarten ist nun vielfach in der Weise geregelt, dass Indi-
viduen mit verschiedener Fortpflanzung in einem ganz bestimmten
Rhythmus mit einander altemiren. Man nennt eine derartige Ent-
wicklung Generationswechsel im weiteren Sinne und unter-
scheidet zwei besondere Formen desselben, die Metagenesis oder den
Generationswechsel im engeren Sinne (progressiven Generationswechsel),
und die Heterogonie (regressiven Generationswechsel).
ProprfMiv« Generationswechsel im engeren Sinne oder Metagenesis
üe°"£,n>*ist der \Yechsel von mindestens zwei Generationen, von denen die
Met»gtne.u. ejne Bjcl) nur ungeschlechtlich, durch Theilung oder Knospung, ver-
mehrt, die andere ausschliess-
lich oder doch vorwiegend
geschlechtlich. Die erste Ge-
neration heisst die Amme, die
zweite das Geschlechtsthier.
Das beste Heispiel liefert die
Fortpflanzung der Hydro-
medusen (Fig. HH). Die Ammen
sind hier die Polypen, welche
meist zahlreich unter einander
zu einer Colonie vereint sind,
niemals Geschlechtsorgane er-
zeugen, wohl aber durch Kno-
spung Geschlechts t h i e r e, die
Medusen. Die Medusen sind
den Polypen vollkommen un-
ähnlich, viel höher organisirt,
freibeweglich; sie haben nur
ausnahmsweise die unge-
schlechtliche Fortpflanzung be-
wahrt ; dagegen entwickeln sie
Eier und Spermatozoen, aus
denen wiederum die festsitzen-
den Ammen, die Polypen, ent-
Fig. HS. iktwjahiriUm ramom (aus Lang), stehen. Das Beispiel lehrt
// Hydranthrn, welche Mediwenkno.s|Kii (mk\ er- zugleich, dass beim Gene-
zeugen (Amn^H^ losgelöste ^-d^e, Maryd,, ration8wechsel nicht nur ein
rnmnsa ^.»esenleehUtluer . TT . . , . , „ a
Unterschied in der Fortpflan-
zungsweise vorhanden ist, son-
dern dass meistens noch dazu ein Unterschied in der Gestalt und Or-
ganisation kommt. Zwischen Polyp und Meduse ist der Unterschied so
gross, dass man beide, obwohl Repräsentanten derselben Art, lange
2eit in ganz verschiedenen Classen des Thierreichs unterbrachte. —
In manchen Fällen kann sich der Generationswechsel noch dadurch
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Allgemeine Zoologie.
117
coinpliciren, dass 2 ungeschlechtliche Generationen auf einander folgen,
ehe die Rückkehr zur geschlechtlichen Fortpflanzung eintritt: dann
spricht man von Grossamine, Amme und Geschlechtsthier.
Die Heterogonie unterscheidet sich von dem gewöhnlichen n«t#ro»onie,
Generationswechsel oder der Metagenesis dadurch, dass die unge-
schlechtliche Fortpflanzung durch Parthenogenesis ersetzt ist. Es
alterniren somit Thiere von manchmal ganz verschiedenem Uau, von
denen die einen von befruchteten, die anderen von unbefruchteten
Eiern abstammen. Gewisse Krebse, die Daphniden, zeigen die Hetero-
gonie in typischer Weise. Lange Zeit im Jahre findet man nur Weib-
chen, die sich parthenogenetisch durch Sommereier vermehren; vor-
übergehend treten dann Männchen auf: es werden die befruchteten
Wintereier gebildet, aus denen wiederum parthenogenetische Gene-
rationen hervorgehen. — Die Heterogonie hat man vielfach von der
Metagenesis nicht genügend unterschieden, meistens deswegen, weil
man die parthenogenetische Fortpflanzung für eine ungeschlechtliche
hielt; so bei den Trematoden. Die geschlechtsreifen Distomen erzeugen
die ganz abnorm gestalteten Sporocysten, diese liefern parthenogene-
tisch wieder die Larven der Distomen, die Cercarien. Lange Zeit
huldigte man hier der irrthümlichen Ansicht, dass die Zellen, aus
denen die Cercarien abstammen, keine Eier, sondern „innere Knospen",
„Keiniköruer" seien (vergl. Fig. 212). — Unter die Heterogonie hat
man andererseits auch Fortpflanzungsweisen aufgenommen, bei denen
gar keine Parthenogenesis vorkommt. Man nennt Heterogonie auch
die Fälle, wo zwei Generationen alterniren, welche nur verschiedene
Gestalt und Organisation haben. In der Froschlunge wohnt die As-
caris nigrovenosa, ein hermaphroditer Wurm ; er erzeugt das getrennt
geschlechtliche, im Schlamm lebende Rhabdonema nigrovenosum, aus
dessen Eiern wieder die Froschascariden entstehen.
Die Verbreitung der Fortpflanzungsweisen im Thierreich lehrt nun
in überzeugender Weise, dass die ungeschlechtliche Fortpflanzung die
niedere, die geschlechtliche die höher entwickelte Art der Vermehrung ist.
Ungeschlechtliche Vermehrung ist die herrschende bei Protozoen, theilt
sich mit der geschlechtlichen in den Antheil an der Vermehrung bei Coe-
lenteraten und verschwindet bei den Würmern uud Echinodermen, um bei
allen höheren Thierstümmen gar nicht mehr vorzukommen. Umgekehrt ist
die geschlechtliche Fortpflanzung bei den Protozoen nur in den ersten
Anfängen wahrzunehmen : sie verdrängt die ungeschlechtliche allmählig
bei Coe/enteraten und Würmern und wird zur herrschenden bei den höhe-
ren Thieren. Die Parthenogenesis tritt, man möchte sagen, eingesprengt
im Gebiet der geschlechtlichen Fortpflanzung namentlich bei den
Arthropoden, seltener bei den Würmern auf. Die Art, wie dies ge-
schieht, wie neben den streng geschlechtlichen Fortpflanzungsarten
sich die parthenogenetisehen einstellen, ist ein sicherer Beweis, dass
hier überall ursprünglich eine normale Befruchtung herrschte und nur
in Folge besonderer Lebensbedingungen rückgebildet wurde (daher
..regressiver Generationswechsel"), indem die Eier die Fähigkeit er-
hielten, sich ohne Sperma zu entwickeln. Für viele Fälle ist es sicher
erwiesen, dass die Parthenogenesis die Aufgabe hat, durch Ersparung
der Männchen eine rasche Ausbreitung der Art zu ermöglichen. So-
lange Parthenogenesis herrscht, verbreiten sich Blattläuse und Floh-
krebse mit ganz ausserordentlicher Schnelligkeit über ein ihnen zu-
gängiges Gebiet, während das Auftreten von Männchen eine lang-
samere Vermehrung bedingt.
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Iis
Allgemeine Zoologie.
Allgemeine Erscheinungen der geschlechtlichen Fortpflanzung.
Bei der geschlechtlichen Fortpflanzung kommt eine Reihe von
Entwicklungsvorgängen zur Beobachtung, welche in principiell gleicher
Weise bei allen vielzelligen Thieren wiederkehren und daher hier im
Zusammenhang besprochen werden sollen; das sind 1) die Reife der
Eier, 2) der Befruchtungsprocess. 3) der Furchungsprocess, 4) die
Bildung der 3 Keimblätter.
I. Ei reife.
Das Ei mit dem grossen bläschenförmigen Kern, dem Keimbläs-
chen, wie wir es in der Histologie kennen gelernt haben, kann noch
nicht befruchtet werden : um befruchtungsfähig zu werden, muss es
eine Summe von Veränderungen durchmachen, die Reifeerscheinungen,
welche darin bestehen, dass das Keimbläschen durch den sehr viel
kleineren Eikern ersetzt wird und dass gleichzeitig an dem einen Pol
des Eies die Richtungskörperchen (Polkörperchen) abgeschnürt werden.
Fifr. S<». Verschiedcnr Stadien der RiehtunpdiörjMTbildungvon Astm'as gl
*7> Rieiitungsspindel, rkl erster Rieht unpdiörper, rk* zweiter Riehtiiiigskör|>er.
kern in Bildung.
Astn ias ylarinlis.
*k Ei-
Biwung der Das Keimbläschen macht mit den Umwandlungen den Anfang, in-
RichtunK.- sejne Wandung aufgelöst, sein Inhalt zum Theil dem Protoplasma
des Eies beigemengt, zum Theil zur Bildung einer Kernspindel ver-
braucht wird. Die letztere, auch die Richtungsspindel genannt, stellt
sich mit ihrer Axe in einen Eiradius ein, so dass ihr einer Pol dem
Centrum zugewandt, der andere in der oberflächlichsten Schicht des
Eies befestigt ist (Fig. Stla). Nunmehr beginnt ein regelmässiger Zell-
theilungsprocess, nur dass die Theilproducte sehr ungleich gross sind :
das grössere Theilstück ist das Ei, das kleinere, ganz unansehnliche
Theilstück ist der Richtungskörper (Fig. SM, c). Letzterer erhebt sich
über die Eioberfläehc als ein Hfige) empor, in den die Richtungs-
spindel mit ihrer einen Hälfte hineinragt : bei der Abschnürung wird
diese Hälfte in den Richtungskörper hinübergenommen.
Der im Ei verbleibende Theil der Richtungsspindel ergänzt sich
sofort zu einer neuen Spindel : die Zellknospung wiederholt sich und
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Allgemeine Zoologie.
111)
führt zur Bildung des zweiton Richtungskörpers. In Folge dessen
liegen an dem einen Ende des Eies zwei kleine Zellen, iu vielen Fällen
sogar drei, da während der Bildung des zweiten Richtungskörpers der
erste sich ebenfalls noch einmal getheilt haben kann (Fig. 80 d — f).
Der nach der zweiten Theilung noch übrige Rest der Richtungsspindel
ist zu einem ruhenden bläschenförmigen Kern, welchen wir Eikern
nennen, geworden, das charakteristische Merkmal des reifen, befruch-
tungsfähigen Eies. Mit anderen Worten, durch doppelte Theilung sind
aus dem unreifen Ei 4, resp. 3 Zellen entstanden, von denen die eine
bei Weitem den gröbsten Thcil der ursprünglichen Zellenmasse über-
nommen hat und das reife Ei darstellt, während die übrigen zwei oder
drei kleine Körper sind, gleichsam rudimentäre Eier. Den Namen
Kichtungskörperchen haben dieselben dem Umstand zu verdanken, dass
ihre Lage in sehr vielen Fällen eine bestimmte Orientirung im Ei er-
möglicht: man kann durch das Ei einen Durchmesser, die Hauptaxe,
legen, dessen eines Ende durch die Richtungskörperchen bezeichnet
wird. Mit Rücksicht auf spätere Entwicklungsprocesse nennt man dieses
Ende den an i malen Pol des Eies, das entgegengesetzte Ende den
vegetativen Pol.
In den meisten Fällen verläuft die Eireife schon vor der Besamung
dos Eies entweder im Eierstock selbst oder im Anfang der Ausführwege.
Bei manchen Thieren tritt dagegen eine Ruhepause ein, wenn die erste
Richtungsspindel gebildet worden ist; das Ei bedarf dann des Zusatzes
von Samen, damit die weiteren Vorgänge, Abschnürung der Richtungs-
körper und Reconstruction des Eikerns, zu Ende geführt werden. Diese
Abhängigkeit der letzten Reifeerscheinungen vom Eintritt der Befruchtung
hat lange Zeit zu dem Irrthum geführt, dass die Bildung der Richtungs-
körper einen Theil der Befruchtungsvorgänge selbst ausmache.
2. Befruchtung.
Wenn man den Ausdruck „Befruchtung" im wissenschaftlichen
Sinne anwenden will, so muss man ihn auf die intimen Vorgänge be-
schränken, welche sich nach dem Zusammentreffen der Eier und Sper-
matozoon im Innern der ersteren abspielen und mit einer vollkom-
menen Verschmelzung beider Geschlechtszellen endigen ; dagegen muss
man besondere Ausdrücke für die vorbereitenden Vorgänge wählen,
welche den Zweck haben, die Befruchtung zu ermöglichen. Sehr
häutig ist zu diesem Zweck die active Uebertragung des Samens von
dem Männchen auf das Weibchen nöthig, die Begattung: indessen Be?»mm?.
nicht immer. Bei vielen Wasser bewohnenden Thieren, namentlich
bei den meisten Fischen, Echinodermen , Coel enteraten, werden Eier
und Spermatozoon in das Wasser entleert, und der Zufall bedingt ihre
Vereinigung, die Besamung der Eier. Man kann dann, was sich ,t,"imon«
in der Natur vollzieht, künstlich erzielen, aus den Geschlechtsorganen
die reifen Producte entleeren und sie zur Vereinigung bringen ; man
kann z. B. aus dem Uterus eines Froschweibchens die Eier entnehmen
und mit Sperma aus den Samenbläschen des Männchens besamen,
oder durch geeigneten Druck auf den Leib laichreifer Fische die Eier
in eine Schüssel, das Sperma in eine zweite Schüssel sammeln und
den Inhalt der letzteren auf die erstere ausgiessen und so in vielen
Fällen eine vollkommen naturgemässe Entwicklung erzielen. Man
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120
Allgemeine Zoologie.
nennt ein solches Verfahren künstliche Befruchtung; besser
würde es sein, von künstlicher Besamung zu reden.
ue/ruchtHin?. Gehen wir nun auf die Befruchtungsvorgänge im engeren Sinne
ein, so beginnen dieselben mit dem Eindringen des Spermatozoons in
das Ei. Gewöhnlich ist das Ei von einer gallertigen Hülle, dem
Chorion, umgeben, auf dessen Oberfläche die Spermatozoen bei der
Besamung haften bleiben und durch das sie sich durchbohren, bis sie
die Oberfläche des Dotters erreichen (Fig. 1)0). Da nun aber das
Chorion namentlich bei Eiern, welche an der Luft abgelegt werden,
hart und unnachgiebig sein kann, existirt häutig an ihm eine besondere
Einrichtung, welche den Spermatozoen den Zugang ermöglicht, der
Micropy la p parat; derselbe ist ein einziger, die Dicke des Chorion
durchbohrender ('anal, wie bei den Fischen, oder ein ganzes Büschel
solcher Canäle, wie bei fast allen Insecten.
Fig. 1)0. Ei von Asterüu fflaciali*
während der Ikfrnehtung. .4 Ein-
dringen des Spermatozoon, B das
Spermatozoon ist eingedrungen, die
Dottermembran gebildet (dach Fol).
Durch die Gallerthülle oder den Mieropylcanal können viele Sper-
matozoen eindringen: in das Ei selbst gelangt unter normalen Ver-
hältnissen stets nur ein einziges. Demjenigen Spermatozoon, welches
(dnen, wenn auch noch so kleinen, Vorsprung vor den übrigen ge-
wonnen hat, sendet das Ei einen Fortsatz entgegen, auf welchem es
in «las Innere des Dotters einwandern kann ; damit wird das Ei unzu-
gängig für alle übrigen Samenfäden, welche unbenutzt zu Grunde
gehen. Nur bei krankhaft veränderten oder durch langes Liegen ge-
schädigten Eiern kann es vorkommen, dass 2 oder mehr Spermatozoen
limMpermie eindringen. Der normalen Einfachbefruchtung oder Monospermie
u.%rm°e! haben wir die Di- und Polyspermie, die Mehrfachbefruchtung, als
pathologische Erscheinungen entgegenzustellen. Im Ei existiren gegen
diese anormale Befruchtungen Schutzvorrichtungen, welche durch Ab-
nehmen der Lebensenergie ausser Thätigkeit gesetzt werden. Eine
dieser Schutzvorrichtungen, aber keineswegs die einzige, ist die Bildung
der Dottermembran . einer undurchgängigen Hülle, die plötzlich von
der Oberfläche des Eies ausgeschieden wird, wenn ein Spermatozoon
die Befruchtung vollzogen hat. Innerhalb der Dottermembran zieht
sich der Körper des Eies unter Entleerung flüssiger Bestandteile auf
ein kleineres Volumen zusammen, so dass zwischen Dottermembran
und Eioberfläche ein Zwischenraum entsteht, an welchem man kleinere
befruchtete Eier leicht erkennen kann (Fig. 902?).
Sollte es sich bestätigen, das.s bei grossen dotterreichen Eiern mancher
hueefen und Wirbelt Idar auch unter normalen Verhältnissen mehrere Sper-
matozoon eindringen (physiologische Polyspermie), so würde die principielle
Auflassung vom Wesen der Befruchtung nicht geändert werden. Denn
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Allgemeine Zoologie.
121
auch dann ist nur ein Samenfaden bei der eigentlichen Befruchtung, der
Kerncopulation, thütig, während die anderen nach einiger Zeit zu Grunde
gehen.
Wenn das Spermatozoon in das Ei eingedrungen ist, dann sind
von seinen Bestandteilen der Kopf und das Centrosoina noch erkenn-
bar, — nach der in der Histologie gegebenen Deutung die chromatischen
und achromatischen Theile des Kerns des Spermatozoons oder des
S p e r in a k e r n s — , während der Schwanzfaden und das etwa vorhandene
Protoplasma vom Dotter des Eies amalgamirt worden sind. Im
Protoplasma des Eies erzeugt das Centrosoma des Spermakerns eine
intensive Strahlung, wie sie auch während der Theilung beobachtet
wird. Die Strahlung voran, wandert der Spermakern auf den Eikern
zu, bis er ihn erreicht hat (Fig. 91); er vereinigt sich mit ihm und
Fig. Ol. Befrucbtungwtadien des Seeigclejcä (nach O. Hertwig). Sj)ermakcrn sk
mit Strahlung, in «lein einen Ei oberflächlich, in dem anderen Ei dicht am Eikern
ek gelagert.
bildet mit ihm gemeinsam einen einheitlichen Kern, den Furchungs-
kem, welcher nun rasch zu einer Kernspindel (Furchungsspindel) wird
und somit den Anstoss zum Heginn der Einbryonalentwicklung, zur
Theilung des Eies (Eifurchung) giebt. Da erst hiermit die Befruch-
tung abgeschlossen ist, so gelangen wir zu dem fundamental wichtigen
Satz, dassdas Wesen der Befruchtung in der Vereinigung
von Ei- und Spermakern besteht.
.1 B
FL'. Befruchtung von Asrnris nin/afnrtpliala (nach Hoven). A Die Spindcl-
enden {{ Vntn ^oinen j gebildet, Ii die Spindel fertig gestellt, sp S|>cnnakern renp. die
au« ihm hervorgehenden Chromosomen, </ Eikern, j> Kiclitnnp*kör|tcrehen.
In vielen Fällen kann eine Altkürzung der Entwicklung eintreten,
indem das Stadium des Furchungskerns ausfällt und Ei und Sperma-
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122
Allgemeine Zoologie.
kern ohne vorherige Vereinigung direct in die Furchungsspindel über-
geführt werden. Diese Falle ändern nichts an dem oben aufgestellten
Satz; wohl aber sind sie wichtig, weil sie deutlicher erkennen lassen,
in welcher AVei.se sich die beiden Kerne am Aufbau der Furchungs-
spindel betheiligen. Es ergiebt sich, dass von den Chromosomen,
d. h. den chromatischen Elementen, welche die Aequatorialplatte des
Kerns bilden, genau die eine Hälfte vom Eikern, die andere vom
Spennakern geliefert wird. Denn ehe noch die Spindel entstanden
und die Contour der beiden Kerne geschwunden ist, sind die für die
Spindel bestimmten Chromosomen in jedem derselben vollkommen ent-
wickelt (Fig. V»2).
Vererbung. Die mitgctheiltcn Beobachtungen über die Befruchtung haben in
der Neuzeit eine sichere Basis für die Lehre von der X ererb ung
geliefert. Unter Vererbung verstehen wir die Cebertragung der elter-
lichen Eigenschaften auf die Nachkommenschaft. Diese Cebertragung
erfolgt im Grossen und Ganzen mit gleicher Energie von Seiten des
A'aters wie der Mutter. Denn wenn wir aus zahlreichen Fällen das
Mittel ziehen, so sind die Eigenschaften des Kindes eine Resultante,
welche zwischen den Eigenschaften von A'ater und Mutter die Mitte
hält: oder mit anderen Worten, die männlichen und weiblichen In-
dividuen, im Durchschnitt betrachtet, haben gleichviel A'ererbungs-
energie.
Da bei allen Thieren mit äusserlicher Befruchtung ein materieller
Zusammenhang zwischen Eltern und Nachkommenschaft nur durch die
Geschlechtszellen vermittelt wird, so müssen diese die Substanzen
enthalten, welche die Vererbung bewirken. Ferner müssen bei der
gleichen Vererbungsenergie beider die A'ererbungssubstanzen im Ei
und Spermatozoon in gleicher Menge vorhanden sein. Auf diesem
AVege der l'eberlegung kommen wir dahin, mit grosser Bestimmtheit
die chromatische Kernsubstanz, welche die Chromosomen liefert, als
den Träger der Vererbung zu bezeichnen. Denn da wir wissen, dass
das Ei grosse Mengen von Protoplasma, das Spermatozoon aber nur
die allergeringsten Sinnen davon enthält, dass dagegen Eikern und
Spennakern gleichviel Substanz und namentlich gleichviel Chromo-
somen zur Furchungsspindel liefern, so genügt nur das Chromatin
des Kernes den Ansprüchen . welche wir an eine Vererbungssubstanz
stellen müssen. Hiermit gewinnt eine früher schon geäusserte An-
sicht weitere Stützen, dass der Kern der Träger der Vererbung ist
und den specirischen Charakter der Zelle bestimmt (cf. Seite 54).
.'i. F u r c h u n g s p r o c e s s.
Die befruchtete Eizelle theilt sich in rascher Aufeinanderfolge in
2. 4. x. 1<> etc. Zellen, die naturgemäss immer kleiner werden, da die
Masse des Eies keine Zunahme erfährt. Man nennt die Zellen
i"rrtZi)C ^»i^bungskugeln. den ganzen Vorgang den Furchungsprocess, weil bei
(orewu. jeder Theilung auf der Oberfläche Furchen entstehen, die immer tiefer
durchschnüren (Fig. Im Grossen und Ganzen herrscht die Regel,
dass jede neue Furchungsebene sich möglichst senkrecht auf die vor-
hergehende stellt. Daher die Erscheinung, dass die 3 ersten Furchungs-
ebenen. welche die 2-, 4- und X-Theilung veranlassen, fast bei allen
Thieren gleich angeordnet sind. Den Vergleich mit der Erdkugel zu
Grunde legend, spricht man von einer ersten und zweiten Meridional-
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Allgemeine Zoologie. . 123
furche (I, II) und nennt die dritte Furche die Aequatorialfurche (III).
Die Kreuzungspunkte der beiden Meridionalfurchen liefern uns die
Pole des Eies, den an i malen und den vegetativen, so genannt,
weil das Material des einen vorwiegend für animale Organe (Nerven-
system), das Material des anderen für vegetative Organe (Darm) ver-
wandt wird.
I fl Ol
Fig. 93. Acquale Furchung von Amphinxiin lancrolattts (nach Hatsehek). I Zw»»i-
thoilung (Bildung der ersten Meridionalfurehc), II Viertheilung (zweite Meridional-
furehe gebildet. Furehungskugel 1 verdeckt). III Achttheilung (Aequatorialfurche,
Furchungskugel 7 und 8 verdeekn, IV BlaMtula auf dein optischen Durchschnitt ;
eine einschichtige Zellenblase uingiebt die Furchungshöhle. In 1. II, III Ix-zeichnct
ein kleines Kort>erchen (Riehtungskörperehen) den aninuden Pol.
In der Entwicklungsgeschichte unterscheidet man verschiedene r.\aia" de!
Arten des Furchungsproccsses, deren Besonderheiten von '2 Momenten den Kur-
bestimmt werden: 1) von der Masse des zur Ernährung des Eies c,m?£pro*
dienenden Materials, des Nahrungsdotters, 2) von der Anordnung
desselben. Der Nahrungsdotter wirkt hemmend auf die Theilung ein.
da er ein Material darstellt, welches keiner activen Bewegung fähig ist
und nur passiv durch die Thätigkeit des Protoplasma auf die Furchungs-
zdlen vertheilt wird. Je mehr die Masse dieses Ballastes im Ver-
hältniss zum Protoplasma zunimmt, um so langsamer werden die
Theilungsvorgänge verlaufen. Schliesslich tritt ein Moment ein, wo
der Widerstand des Dotters so gross wird, dass das Protoplasma der
Arbeit nicht mehr vollkommen gewachsen ist: dann werden nur die
protoplasmareicheren Partien des Eies getheilt, die dotterreicheren
bleiben eine ungetheilte Masse. Man spricht in diesen Fällen von einer
partiellen Furchung im (iegensatz zu dem gewöhnlichen und ur-
sprünglicheren Verhalten, der totalen Furchung; ferner nennt man
die Eier, welche die partielle Furchung zeigen, meroblastische,
weil nur der abgefurchte Theil des Eies direct zum Aufbau des Embryo
oder des Sprosses (Blastos) verbraucht wird, während die ungetheilte
Hauptmasse als Nährinaterial beim Wachsthum dient. Die Eier mit
totaler Furchung sind dagegen die hol o b lastischen.
Was nun zweitens die Anordnung des Dotters anlangt, so hängt Jjtjjgjj«
dieselbe mit der Lage des Kerns zusammen. Entweder behauptet der
Eikern seine centrale Lage, und der Dotter sammelt sich um ihn in
concentrischer Anordnung (centr o 1 ec i t h ale Eier) (Fig. t'4): oder
er wird mit der Hauptmasse des Protoplasma nach einem Pol des Eies
verdrängt, während nach dem anderen Pole zu das Dottermaterial
überwiegt (teloleci thale Eier). Da der kernhaltige Pol im Lauf
der Entwicklung stets zum animalen wird, so kann man im Ei eine
animale protoplasmareichere und eine vegetative dotterreichere Partie
unterscheiden (Fig. 05). Bei vielen telolecithalen Eiern gehen beide
Partien allmählig in einander über, bei anderen wieder ist der Unter-
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124
Allgemeine Zoologie.
schied scharf ausgeprägt, so dass eine deutliche Grenze die fast rein
protoplasmatische animale Partie von der dotterhaltigen vegetativen
P
//
n
- n
--P
V\)i Ül. ( 'entrnlecithales Ki (aus
O. Hertwig). n Kern, » protoplauDa-
reiche, <l dotterreiche Parti«- ru-s Kies.
¥\)i IC). Telolecit Indes Ei <aus
>, Hertwig). n Kern,
reich»1, rf dotterrciche'
0. Hertwig). h Kern, j» protoplaama-
l'artie des Eies.
Partie trennt. Am schönsten zeigt dies Verhalten das Vogelei (Fig. 9G).
Als Ei im Sinne der Embryologie ist hier nur das Gelbei anzusehen,
während das Eiweiss, die faserige Eihaut und die Kalkschale erst
spätere Ablagerungen auf der Oberfläche des Eies sind. Die Haupt-
masse des Gelbeies ist .Nahrungsdotter, aufweichein eine bei jeder Lage
nach oben gewandte dünne Schicht von Protoplasma ruht, die Keim-
scheibe. Letztere enthält den Eikern und grenzt sich nach der Be-
fruchtung und mit fortschreitender Entwicklung immer schärfer von
dem darunter gelegenen Dotter ab.
Fig. U«5. Schematischt.T
Längsschnitt durch ein
Vogelei (aus Ilalfour).
1) da» Ei : b. I Keiinscheiho,
ir. y weisser Dotter, y. y.
gelber Dotter. 2) Hüllen
tkfl Eies|: r. t. Dotterhaut,
sc u. innere und äussere
Eiwcisslage, ch.l C'halazen,
i.s.m. und s.m. innere und
äussere Schalenhaut, da-
zwischen am rechten Ende
a.c.h. die Luftkamincr,
.•>•. Schale.
cti.l
VArteut'd«r Nach den vorausgeschickten Bemerkungen werden wenige kurze
Kurchunc»* Erläuterungen genügen, folgende Tabelle der verschiedenen Furchungs-
Proc«»i«. arten verständlich zu machen.
a) Holoblastischc Eier mit totaler Furchung.
1) äquale Furch ung: Der Dotter ist in geringen Mengen
gleichmässig im Ei vertheilt, bei der Furchung zerfällt das Ei in
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Allgemeine Zoologie.
125
Theilstückc von annähernd gleicher Grösse und gleichem Dotter-
reichthum (alecithale Eier) (Fig. 93).
inäquale Furchung: Der Dotter ist reichlich, aber nicht reich-
lich genug, um die vollkommene Furchung zu verhindern;
er Liegt besonders am vegetativen Pole des Eies und ist Ur-
sache, dass hier die Furchung langsamer verläuft, und dass hier
grössere, weil dotterreichere Furehungskugeln entstehen. Man
findet daher den Keim gebildet von kleinen animalen dotterarmen
und grossen vegetativen dotterreichen Zellen (telolecithale, holo-
blastische Eier) (Fig. 97 u. 98).
Fig. 97.
A B
Fig. !»7. [niquale Furchung dei
EScfl von Pttromyxon (nach Shipley
mir* Hatschck). .1 Stadium der N Fur-
chungskugeln. Ii Rlastula, in meri-
diontuer Richtung durchschnitten. Die
Ungleichheit d«-r Furchungskugclu
tritt hier <-rst mit der Aetjuatorial-
furchc <in.
Fig. 98.
I I in
Fig. HS. Inäquale Furchung des
Eiflfl einet Schnecke, Saxsa mutnhilis
mach Bobretaky). / Die erste Meri-
dionalfurehe hat da** Ei in ungleiche
Stücke getheilt. // Die zweite Mtri-
«liMiialfun hc hat 3 kleiner«' und «'ine
ROMCIC Furehungskugel gebildet (Imm-
aea seitliche Ansichten). /// Die äqua-
toriale Furche hat 4 kleinere aniinale
und t gr«"»ssere, aber ungleiche vege-
tative Zellen erzeugt (Ansicht vom
animalen Pol).
b) Meroblastische Eier mit partieller Furchung.
3) discoidale Furchung: Der Dotter ist in der vegetativen Partie
des Eies so stark angehäuft, dass er ihre Abfurchnng verhindert
Die Furchung bleibt daher auf die Umgebung des animalen
Poles beschränkt und zerlegt dieselbe in eine Scheibe kleiner
Zellen, die Embryonalanlage oder Keimscheibe (telolecithale,
meroblastische Eier) (Fig. 99).
A B <
Fig. 99. Discoidale Furchung des Oephalopodeneies (Loliyo Prah i. nach Watasc).
Allgemeine Zoologie.
4) super fi fiel le Furch ung: Der Dotter ist im Centrum «les
Eies angehäuft und verhindert dessen Abfurchung: in Folge
dessen zerfällt nur die Rinde des Eies in Furchungszellen , welche
in Form einer zusammenhängenden superticiellen Schicht die
ungefurchte centrale Masse umhüllen (centrolecithale Eier) (Fig. 100>.
ABC
Fig. Ii*». Su|M*rfifi<*llo Furrhuntr des InsrctcnrieH iPirrfs iratargi). A Thriluni:
* I* *— Fun-huiifrskcriis, Ii Heraufrürken der Kerne zur Bildung des Blaft<xlfnns. C Bil-
dung da BlnsOxlenns tiuieh Bnbretzky).
Von den genannten 4 Arten «1er Furchung hat die superficielle
Furchung ein systematisches Interesse, indem sie ausschliesslich bei
den Arthropoden vorkommt. Die übrigen Furchungsarten vertheileu
sich in der Weise, dass die diseoidale bei der Mehrzahl der Wirbel-
thiere und bei den höchstorganisirten Mollusken, den Tintenfischen,
einigen Arthropoden und Tunicaten beobachtet wird, während äquale
und inäquale Furchung bei allen Stämmen der vielzelligen Thiere auf-
treten können.
Biwtui». Schon während der ersten Furchungsstadien bildet sich im Innern
des Eies zwischen den Zellen ein Hohlraum aus, welcher mit dem Fort-
schreiten der Entwicklung immer grösser wird und die Furchungs-
höhle heisst: um dieselbe herum liegen die Zellen in Form eines ein-
oder vielschichtigen Epithels und bilden das Blastoderm. Daher der
Name Vesicula blastodermica oder kurz Blastula für das vorliegende
Stadium. Je mehr Dotter vorhanden ist, um so kleiner ist der Durch-
messer der Furchungshöhle : bei den centrolecithalen Eiern mit super-
ticieller Furchung fehlt sie sogar ganz.
4. B i 1 d u n g d e r K e i m 1» 1 ä 1 1 e r.
OMtnda. Ausser der Blastula ^iebt es noch ein zweite- Entwicklungs>tadium.
welches allen vielzelligen Thieren gemeinsam ist, die (lastrula oder
der zweischichtige Keim. Bei den äqual sich furchenden Eiern ist das
Stadium am leichtesten zu verstehen (Fig. 1<»1 B)\ es hat hier die
Gestalt eines doppelwandigen Bechers mit weiterer oder engerer
Mündung. Der Hohlraum des Bechers ist die Anlage des wichtigsten
Abschnitts des Darms, des Urdarms oder Archenteron: die
Mündung ist der Urmund oder das Prostoma; von den beiden die
Becherwand bildenden und am Brostoma zusammenhängenden Zell-
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Allgemeine Zoologie.
127
schichten ist die äussere der Ectoblast oder das äussere Keim-
blatt, die innere der Entoblast oder das innere Keimblatt.
Auf dem Gastrulastadium begegnen wir zum ersten Male der Keim-
blattbildung, d. h. der Bildung von bestimmten, gegen einander ab-
gegrenzten Lagen embryonaler, noch nicht differenzirter Zellen, aus
denen durch organologische und histologische Sonderung die Organe
hervorgehen.
Die Gastrula entsteht aus der Blastula durch Einstülpung oder in»
Invagination (Fig. 101 A). Wie wenn man bei einem bohlen
Gummiball durch den Fingerdruck die eine Seite
gegen die andere einpresst, so sinkt die Schicht
der vegetativen Zellen allmählig ein und wird von
den Zellen des animalen Poles umschlossen.
Dabei entsteht im Ei neben der Furchungshöhle
ein neuer Hohlraum, die Anlage des Darmlumens:
derselbe vergrössert sich und verdrängt schliess-
lich die Furchungshöhle ganz, so dass dann der
eingestülpte Theil des Blastoderms, der Entoblast.
tfegen den aussen verbleibenden Theil. den Ecto-
blast, angepresst wird.
Bei dotterreichen Eiern wird das Yerständniss
des Baues und der Bildungsweiso der Gastrula
wesentlich erschwert. Es genügt hier daher die
Bemerkung, dass es geglückt ist, für alle auch noch
so dotterreichen Eier das Gastrulastadium nachzu-
Fig. KM. Gast Dilation
des . 1 m {ih ioxus ( nach
Hatsehek). Im Unter-
schied zu Fijf. !•:$ ist der
aniinale Pol abwärt«, der
vegetative aufwärt« er-
richtet. In Fig. A be-
ginnen die /eilen des
vegetativen Poles einzu-
sinken. Ii Einstülpung
beendet, Furchungshöhle
auf einen Spalt /.wischen
En toi »last rn und Ecto-
blast rk reducirt. o (5a-
«trulamund.
weisen , wobei das Dottermaterial vorwiegend in
den entoblastischen Zellen seine Unterkunft findet.
Für äusseres und inneres Keimblatt hat man
vielfach die Bezeichnungen Epi blast und Hypo-
blast, oberes und unteres Keimblatt
benutzt ; die Namen passen streng genommen nur
auf die Eier mit discoidaler Furchung. Beim Vogelei
z. B. bilden die beiden Keimblatter über dem un-
gefurchten Dotter, von dem sie durch die Gastrula-
höhle getrennt werden, einen uhrglasfürmigen Auf-
satz; dabei liegt dann das äussere Keimblatt that-
säcklich oben, das innere unten. Weitere Bezeich-
nungen für die beiden Keimblätter sind Ectoderm
und Entoderm. Diese Namen wurden ursprünglich für die Körper-
schichten ausgebildeter Thiere, der Curlrntcrntrn, gebraucht und sind erst
später auf die Entwicklungsgeschichte übertragen worden. In diesem
Lehrbuch sollen sie nur iu ihrer ursprünglichen Bedeutung für Zelleu-
schichten, welche schon die organologische und histologische Sonderung
erfahren haben, angewandt werden, da für embryonale Zellschichten die
Namen Entoblast und Ectoblast geeigneter sind.
Ueber die Entwicklungsweise der Gastrula haben sich mehrfache Contro-i*i.'inin»uon.
versen entwickelt, welche noch nicht ganz zum Abschluss gelangt sind.
Neben der Invagination soll noch ein zweiter, allerdings sehr seltener Bil-
dungsmodus, die Del a m i n a t i o n , existiren. Bei der Delamination soll
die Blastula zweischichtig werden durch tangentiale Theilung ihrer Zellen
Fijr. 102); jede einzelne Blastodermzelle oder doch wenigstens die Mehr-
zahl der Zellen soll bei dieser Theilung in eine periphere ectoblastische
und eine centrale entoblastische Zelle zerfallen. Bei der Delamination
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12*
Allgemeine Zoologie.
würde die Furchungshöhle direct zur Darmhöhle werden, was es erschwort,
Dolamination und Invagination als Modificationen eines und desselben Pro-
cesses anzusehen.
Fijr. 102. Polainination d»\s (HTyonidcnrio- nach F<»1 <aur. KoiNch«'lt-Hcidcr\
chungshöhle, g Gallerte.
// Fur-
SbMbLlr Viele niedere Thiere, die meisten Coclenferaicn, besitzen über-
■jmipl nur *> Keimblätter. Wenn dieselben angelegt sind, so beginnt
hier sofort die Ausscheidung von Muskel- und Nervenfasern und die
übrigen Processe der histologischen Umbildung der Zellen, sowie eine
Reihe von Gcstaltveränderungen . durch welche die Gastrulae zu aus-
gebildeten Thieren werden. Bei höherer Organisation dagegen entsteht,
bevor es zur organologischen und histologischen Sonderung kommt,
noch ein drittes Keimblatt , welches seiner Lage zwischen den heiden
ersten den Namen Me so blast oder
mittleres Keimblatt verdankt.
Dasselbe kann natürlich nur von dem
Zellenmaterial der vorhandenen Keim-
blätter abstammen, und zwar scheint
dabei allein der Entoblast betheiligt zu
sein. Man kann zwei Arten in der Bil-
dung des mittleren Keimblattes unter-
scheiden. In einem Fall wird der
Zwischenraum zwischen Ectoblast und
Entoblast durch Ausscheidung von Gal-
lerte von Neuem ausgeweitet, und in
die (iailerte dringen isolirte Zellen aus
dem Entoblast ein; so entsteht eine
an gallertige Bindesubstanz erinnernde
Mc*enchym. Zwischenschicht . das Mesenc h y in
(Fig. HK-J), aus welchem ein Theil der
Organe seine Entstehung nimmt.
Zweitens aber kann das mittlere
Keimblatt den epithelialen Charakter
der beiden primären Keimblätter bei-
vewpitM. behalten, so dass wir es Mesepithel
nennen. Das Mesepithel ist ein durch
Faltung abgeschnürter Theil des Entoblastes, über dessen Entwick-
lungsweise die Embryologie eines Wurms, der Sagitta, uns Aufschluss
geben mag (Fig. 104).
Fijr. 103. Bildung des Mrsenehymf»
und beginnende Gastrulstian, von
Holotkuria tuhulnsn mach Slenka
aus Halfour t. mr Micropyle, //Cho-
rion, .«<•.<• Fnn,liunp«hölilv, hl Klasto-
dmu, cn Ectoblast, //// Entoblast, mn
Mi •soncimii/cllcn. <u- Arehi'iitrron.
igiiizca Dy
Google
Allgemeine Zoologie.
129
Fig. 1()4. Bildung des Mesepithel» und dos Coeloms von Sagitta. A Vom
Grund der Gast ru U erheben »»ich J Falten, welche den Urdarm in den bleibenden
Darm und die Coelomdivertikel abtheilen. B Die Sonderung durch Vordringen der
Falten fast beendet, ak äusseres, nik mittlere.-», ik inneres Keimblatt, »ikl Haut-
faserblatt, vik* Dannfaserblatt. /// Leibeshöhle.
Wenn sich die Gastrula der Sagitta entwickelt hat, erheben sich am
Grund des Urdarms 2 entoblastische Falten symmetrisch zur Mittellinie
des Körpers und theilen den Urdarm in 3 zunächst noch zusammenhängend«
Räume, den bleibenden Darm und die beiden Anlagen der Leibeshöhle, diu
Coelomdivertikel. Jetzt schliesst sich der Urmund und wachsen die Ento-
dermfalten bis an das vordere Ende der Gastrula, um hier mit den Wan-
dungen zu verkleben. Dadurch wird zweierlei bewirkt: die beiden Coelom-
divertikel werden vom Darm vollkommen getrennt ; ferner wird in ent-
sprechender Weise der bis dahin einheitliche Entoblast in 3 Epithelsäckchen
zerlegt. Das mittlere ist die Auskleidung des Darms oder der secuudäro
Entoblast (Darmdrüsenblatt), die seitlichen sind die Auskleidungen der
Coelomsäcke oder die paarigen Anlagen des mittleren Keimblatts. Jede
Mesoblastanlage besteht aus 2 Schichten, welche durch die Leibeshöhle
getrennt werden ; die eine Schicht liegt dem Darm an und heisst daher
das Darmfaserblatt, die andere Schicht folgt dicht unter dem Ecto-
blast oder der embryonalen Haut und heisst H au t f as e r b 1 a 1 1. Aus
dem Gesagten ist ersichtlich, dass der epitheliale Mesoblast streng genommen
keine einheitliche Schicht ist, sondern aus 2 allerdings in einander über-
gehenden Lagen besteht, und dass seine Entstehung mit der Bildung der
Leibeshöhle eng verknüpft ist.
Was nun die Verbreitungsweise des Mesenchyms und des Mesepithels
anlangt, so sind 3 Fälle möglich und thatsächlich auch vorhanden. Es
giebt rein mesenehymatöse Thiere, wie die PfattiHirmcr. und rein mes-
epitheliale, wie die Sagittcn, viele Anneliden und der Amphiosus; es giebt
endlich aber auch Thiere, bei denen der Mesoblast aus Mesenchym und
Mesepithel besteht. Entweder entsteht zuerst das Mesenchym und später
das Mesepithel, wie bei den Echinodennen, oder es wird wie bei den meisten
Wirbelthieren die umgekehrte Reihenfolge eingehalten.
Aus den 3 Keimblättern entstehen alle Organe eines Thieres da-t gjjj**M<
durch, dass sich zunächst embryonales Zellenmaterial meist durch Ein- org*no-
r 1*1.1
faltung zu einem gesonderten Complex abgrenzt (organologische nEmni-
Differenzirung), und dass dieser Complex dann später in Gewebe
verwandelt wird (histologische Differenzirung). Wie das ge-
Hertwtff, 1-ehrl.och d«f Zoologie. 3. Auflig».
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130
Allgemeine Zoologie.
schiebt , ist bei den einzelnen Thierstännnen verschieden. Immerhin
lassen sich folgende allgemeine Sätze aufstellen, dass aus dem Ec to-
blast die Epidermis mit ihren Drüsen und Anhängen, das Nerven-
system und die Sinncscpithclien hervorgehen, dass der Entoblast
den wichtigsten Theil des Darms mit seinen wesentlichsten Drüsen er-
zeugt, dass endlich Muskeln. Bindesubstanz, exeretorische Organe ganz
oder zum Theil im Mesoblast entstehen: meroblastisch sind meist
auch die Geschlechtsorgane,
verhüten In der Neuzeit ist die Frage viel erörtert worden, inwieweit die
huttw'blV Keimblättertheorie auch für die Vorgiinge bei der ungeschlechtlichen Fort-
der Kno*- pflanzung Geltung besitzt. Zunächst würde man erwarten, dass bei der
Knospung und noch mehr bei der Theilung Jedes Organ des Tochter-
thieres sich von dem entsprechenden Organ des Mutterthieres abspalte oder,
wenn das durch räumliche Verhältnisse unmöglich gemacht wird, von einer
dem gleichen Keimblatt an«;ehörigen Gewebsmasse. In vielen Fällen ist
das sicher der Fall, wie z. B. bei der Knospung <ler Hydranten Eutoderm
und Ectoderm der Knospe von den entsprechenden Körperschichten der
Mutter abstammen (Fig. $7). Durch neuere Untersuchungen sind wir aber
mit Ausnahmen von dieser Regel bekannt geworden. Bei Bryo.ocn und
Tunwaten sind die bei der Knospung zur Verwerthung kommenden Zellen
indifferente, noch nicht mit den Merkmalen einer bestimmten Körperschicht
ausgestattete Elemente, welche demgemäss auch unabhängig von der Lage,
welche sie im Mutterthier einnahmen, je nach Bedürfnis* zum Aufbau der
Organe benutzt werden können.
;">. Die verschiedenen Formen der geschlechtlichen
E n t w i c k 1 u n g.
S^0"*- ^ur ^e^' 'n Wi,l('Ml'r <ne beschriebenen Vorgänge (Befruchtung
1 Theilung des Eies. Bildung der Keimblätter) abspielen, sind die
mwickiu«»; jungen Thiere gewöhnlich noch in schützende derbe Eihüllen oder gar
in den mütterlichen Geschlechtsapparat (Uterus) eingeschlossen und
werden deshalb Embryonen genannt. Auch spätere Stadien, die
Bildung der wichtigsten Organe, können noch in die Zeit des Em-
bryonallebens fallen, wie uns die Siiugethiere, Vögel , Reptilien, viele
Fische, Würmer und Krebse lehren, welche, am Ende ihres embryonalen
Daseins angelangt, in allen Theilen fertig gestellt sind und nur noch
der Keife der Geschlechtsorgane und des Wachsthums des gesammten
Körpers bedürfen, um den Höhepunkt ihrer Ausbildung zu erreichen.
Auf der anderen Seite giebt es Thiere. namentlich Wasserbewohner,
welche nach dem Verlassen der Eihüllen noch wichtige Umgestaltungen
erfahren, wie Coe) 'enteraten . Ringel wärmer , Echinodermen , Insec.ten,
Amphibien etc. Die Coelenteraten , Echinodermen und viele Würmer
pflegen sogar vor der Entstehung der Keimblätter die Hüllen zu durch-
brechen und. mittel st eines die Körperoberfläche bedeckenden Wimperkleids
frei herumschwimmend, als „Planulae" die Keimblätter und Organe zu
bilden. Da hier zur embryonalen Entwicklung eine mehr oder minder
ausgedehnte postembryonale Entwicklung kommt, ist es misshräuchlich,
für jede Form der Entwicklungsgeschichte den Namen „Embryologie"
anzuwenden ; vielmehr ist es nöthig. den Namen auf die Entwicklungs-
vorgänge in den Eihüllen zu beschränken, generell dagegen von Ent-
wicklungsgeschichte oder Ontogenie zu sprechen. Wie man das un-
entwickelte Thier innerhalb seiner Hüllen einen Embryo nennt, so
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Allgemeine Zoologie. 1,'U
ist der Name Larve für das freilebende, aber noch entwicklungs-
bedürftige Thier üblich.
Die Larvenentwicklung kann nun entweder eine directeD',^™d
oder eine indirecte sein. Bei der directen Entwicklung bewegt sich
die Larve, wie der Name sagt, gleichsam geraden Wegs auf ihr End-
ziel, das geschlechtsreife Thier, zu, indem sie die ihr fehlenden Organe,
das eine nach dem anderen, anlegt und stetig somit dein geschlechts-
reifen Thier ähnlicher wird. Die indirecte Entwicklung macht dagegen
Umwege; es werden Organe angelegt, die später wieder zu Grunde
gehen und nur auf das Larvenleben berechnet sind , die man dem-
gemäss auch Larvenorgane nennt. Bei der Definition der indirecten
Entwicklung oder, wie sie gewöhnlich genannt wird, der Metamor- MJ££T
phose ist daher besonderes Gewicht auf die Anwesenheit der „Larven-
organe" zu legen. So unterscheiden sich die Itaupen von den Schmetter-
lingen nicht nur durch den Mangel der zusammengesetzten Augen und
der Flügel, sondern auch durch die Anwesenheit der dem Schmetter-
ling fehlenden Aftcrfüsse und Spinndrüsen . ferner durch die andere
Gestalt von Kiefern, Antennen und Beinen, die verschiedene Anord-
nung des Tracheen- und Nervensystems etc.; die Kaulquappen unter-
scheiden sich vom Frosch nicht nur durch den Mangel der Lungen
und Extremitäten, sondern auch durch die Anwesenheit der Kiemen
und des Ruderschwanzes. Je mehr Larvenorgane vorhanden sind, um
so deutlicher wird daher auch der Charakter der Metamorphose sein.
Unabhängig von der Zeit, um welche der Embryo die Eihüllen oripu* ?s
verlässt, ist der Zeitpunkt, auf welchem das Ei aus dem mütterlichen 'C^"
Organismus entfernt wird. Wir kennen hier zwei Extreme, die Ovi-
paren oder eierlegenden und die viviparen oder lebendig gebärenden
Thiere. Zu den oviparen Thieren können streng genommen nur
solche Formen gerechnet werden, bei denen das Ei zur Zeit der Ge-
burt noch den Charakter einer einzigen Zelle hat. bei denen es ent-
weder wie bei den meisten Fischen, Seeigeln etc. erst nach der Ent-
leerung oder wie bei Batrachiern und Insccten während der Entleerung
befruchtet wird. Bei viviparen Thieren dagegen treffen Geburt und
Zerreissen der Eihüllen zeitlich vollkommen oder nahezu zusammen,
und aus den mütterlichen Geschlechtswegen tritt ein Thier hervor,
welches seine Entwicklung abgeschlossen oder doch so weit fortgeführt
hat, dass es ohne schützende Hüllen zu leben vermag.
Zwischen beiden Extremen vermitteln die wechselnden Formen der
„ovo- viviparen" Entwicklung. Was hier bei der Geburt zum Vor-
schein kommt, macht zunächst vermöge seiner Hüllen den Eindruck
eines Eies; allein die ersten Entwieklungsstadien sind schon in ihm
>eit längerer Zeit abgelaufen, so dass man beim künstlichen Sprengen
der Eihüllen einen mehr oder minder weit entwickelten, aber zu selb-
ständigem Leben noch nicht befähigten Embryo herausschält. In die
Kategorie der ovo-viviparen Thiere sind auch die Vögel zu rechnen;
denn ihre Eier sind längere Zeit, bevor sie gelegt wurden, befruchtet
worden und haben die Bildung des Blastoderms schon vollendet. Bei
vielen Würmern kann sogar bei der Ablage schon ein zum Aus-
schlüpfen bereites Thier in der Eischale enthalten sein.
Derartige Uebergangsformen lehren, dass zwischen „Eier legen"
und ..lebendig gebären" keine scharfe Grenze gezogen werden kann,
und dass man sich hüten muss, den hier zu Tage tretenden Unter-
schieden grössere Bedeutung beizumessen. Es war gänzlich verfehlt,
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Allgemeine Zoologie.
dass Linno nach dem Vorgang von Aristoteles den Zeitpunkt der
Geburt systematisch venverthen wollte. In vielen Thierabtheilungen
Huden sich sowohl Eier legende wie lebendig gebärende Formen. Die
meisten Haifische sind lebendig gebärend, einige Arten aber legen
Eier; umgekehrt gilt für die Knochenfische als Regel, dass die Eier
vor der Befruchtung entleert werden. Ausnahmen davon sind der
lebendig gebärende Zoarces viviparus u. A. Von Amphibien, Reptilien
und Imecten sind die meisten Eier legend, nicht wenige Formen aber
lebendig gebärend. Selbst bei den Säugethieren, bei welchen das
„Lebendiggebären" lange Zeit für typisch galt, kennt man seit Kurzem
Eier legende Formen, Echidnn und Ornithorhynchus. Schliesslich
kommen sogar bei einer und derselben Art Ausnahmen von der Regel
vor. Die Nattern legen gewöhnlich Eier, unter ungünstigen Be-
dingungen aber behalten sie dieselben bei sich bis kurze Zeit vor dem
Ausschlüpfen der Jungen.
Zusammenfassung der Resultate der Entwicklungsgeschichte.
1) Die Entwicklung eines Thieres beginnt mit einem Act der
Zeugung: man unterscheidet Urzeugung und Elternzeugung.
2) Urzeugung; (Generatio aequivoea, G. spontanea, Abiogenesis) ist
die Entstehung lebender Wesen aus unbelebter Materie (ohne präexi-
stirendc Organismen).
,'V) Die derzeitige Existenz der Urzeugung ist weder durch Be-
obachtung erwiesen, noch überhaupt wahrscheinlich: dagegen ist die
Urzeugung ein logisches Postulat, um die erste Entstehung der Organis-
men auf unserem Erdball zu erklären.
4) Eltcrnzcugiing (Tocogonie), Abstammung eines Thiers von
einem Thier gleichen oder ähnlichen Baues, kann entweder auf ge-
schlechtlichem oder ungeschlechtlichem Wege erfolgen.
5) Die ungeschlechtliche Fortpflanzung wird durch ein gesteiger-
tes Wachsthuni vorbereitet, welches zu einer Vertheilung des Ueber-
schusses auf zwei oder mehr Individuen führt.
(>) Die ungeschlechtliche Fortpflanzung kann sein Theilung oder
Knospung.
7) Beider Theilung wächst ein Organismus gleichmässig in allen
seinen Theilen und zerfällt durch Einschnürung in zwei oder mehr
gleichwerthige neue Stücke.
8) Nach der Richtung der Theilungsebene zur Längsaxe des Thiers
spricht man von Längs-, Quer- und Schrägthcilung.
9) Bei der Knospung findet ein locales gesteigertes Wachsthum
statt ; der locale Auswuchs, die Knospe, löst sich als ein kleineres, meist
auch unvollkommener gebautes Individuum vom Mutterthier ab.
10) Nach der Lage und der Zahl der Knospen unterscheidet man
laterale, terminale, multiple Knospung.
11) Die geschlechtliche Fortpflanzung ist eine Fortpflanzung
mittelst besonderer, vom Antheil an den Kör^erfunctionen längere Zeit
oder dauernd ausgeschlossener Zellen, der Geschlechtszellen.
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Allgemeine Zoologie.
133
12) Bei der geschlechtlichen Fortpflanzung vereinigen sich zweierlei
Geschlechtszellen, das weibliche Ei und der männliche Samenfaden (Be-
fruchtung).
13) Selten kann sich das Ei ohne Befruchtung entwickeln: Par-
thenogenesis: diese ist eine geschlechtliche Fortpflanzung mit rück-
gebildeter Befruchtung.
14) Pädogenesis ist die parthenogenetische Fortpflanzung eines
jugendlichen, d. h. unvollkommen entwickelten Thieres.
15) Verschiedene Arten der Fortpflanzung (ungeschlechtliche, ge-
schlechtliche, Parthenogenesis, Pädogenesis) können bei derselben
Species vorkommen ; häutig wird dann die Yertheilung derselben ge-
setzmässig geregelt, derart, dass Individuen mit verschiedener Fort-
pflanzung mit einander alterniren: Generationswechsel im wei-
teren Sinne.
10) Generationswechsel im engeren Sinne (progressiver G., M e ta-
gen esis) ist der Wechsel zweier Generationen, von denen sich die
eine durch Theilung oder Knospung, die andere geschlechtlich fort-
pflanzt. Erstere heisst die Amme, letztere «las Geschlechtsthier.
17) Folgen mehrere ungeschlechtliche Generationen auf einander,
ehe wieder ein Geschlechtsthier auftritt, so spricht man von Grossamme,
Amme, Geschlechtsthier.
1*) Das Aiterniren von Parthenogenesis oder Pädogenesis mit
streng geschlechtlicher Fortpflanzung nennt man regressiven Generations-
wechsel oder II eterogonie.
11») Die durch die geschlechtliche Fortpflanzung eingeleitete Ent-
wicklung zeigt fast bei allen vielzelligen Thieren in den Anfangsstadien :
Befruchtung, Furchung, Keimblattbildung, principielle Teberein-
stimmung.
20) Das W e s e n d er B e f r u c h t u n g beruht auf der vollkommenen
Verschmelzung von Ei und Spermatozoon, vor Allem auf der Ver-
einigung der Kerne, Ei- und Spermakern, zum Furchungskern.
21) Die Eifurchung ist eine Zelltheilung, eine Theilung des be-
fruchteten Eies in die Furchungskugeln. Die Furchung kann sein eine
totale (holoblastische Eier) oder eine partielle (meroblastische
Eier): die totale Furchung ist entweder äqual oder in äqual, die
partielle entweder discoidal oder superfiziell.
22) Durch fortgesetzte Theilung der Furchungskugeln und durch
Ausbildung der Furch ungshöhle entsteht der einschichtige Keim, die
Blastula (Vesieula blastodermica).
23) Durch Einstülpung der Blastula entsteht die Gastrula oder
der zweischichtige Keim.
24) Die Gastrula umschliesst einen durch den Gastrulamund nach
aussen sich öffnenden Hohlraum, den Urdarm oder das Archenteron;
sie besteht aus 2 Epithellagen, dem den Urdarm auskleidenden En to-
blast (Hypoblast) oder inneren Keimblatt und dem die Körperober-
fläche bildenden Ec toblast (Epiblast) oder äusseren Keimblatt.
2f>) Zwischen äusserem und innerem Keimblatt kann noch ein
drittes, mittleres Keimblatt, Me so blast, entstehen.
2<i) Das mittlere Keimblatt entsteht entweder durch Einfaltung und
Abschnürung eines Theils des Entoblastepithels : epithelialer Mesoblast,
Mesepithel, oder durch Auswandern einzelner Zellen zur Bildung
eines Gallertgewebes: Mesenchym.
27) Viele Thiere legen die Eier vor oder kurz nach der Befruch-
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Allgemeine Zoologie.
tung ab (ovipare Thiere), andere legen Eier ab, welche schon im
Mutterleib befruchtet waren und bei der Geburt einen Theil der Ent-
wicklungsstadien durchlaufen haben (ovo-vivipar). Eine dritte Reihe von
Thieren gebiert lebendige Junge (vivipar).
28) Die Entwicklung eines Thieres ist entweder eine directe oder
eine indirecte (Metamorphose).
29) Von indirecter Entwicklung oder Metamorphose spricht
man, wenn das aus dem Ei hervortretende junge Thier von dem ge-
schlechtsreifen Thier sich in zwei Punkten unterscheidet:
1) durch den Mangel gewisser dem gesehlechtsreifen Thier zu-
kommender Organe,
2) durch das Auftreten von Organen, die umgekehrt dem ge-
schlcchtsreifen Thier fehlen, von Larvenorganen.
III. Beziehungen der Thiere zu einander.
Wie zwischen den Organen eines und desselben Thierkörpers ein
gesetzmässiger Zusammenhang besteht, welcher als Correlation der
Theile bezeichnet wird, so stehen auch die verschiedenen Individuen
der Thierbevölkerung in vielfacher und inniger Wechselwirkung zu
einander. An einer Fülle von Beispielen hat Darwin durchgeführt,
wie die Existenzbedingungen mancher Thierarten verändert werden,
wenn andere Formen neu auftreten oder verschwinden oder eine ausser-
gewöhnliche Reduction oder Vermehrung der Individuenzahl erfahren.
Derartige Wechselwirkungen sind meist individueller Natur und können
nur durch Specialstudien klar gelegt werden ; nur wenige Verhältnisse
haben allgemeinere Verbreitung und sind daher auch einer allgemeinen
Besprechung zugängig: hierher gehören Stock- und Staatenbildung,
Parasitismus und Symbiose.
1. Beziehungen zwischen Individuen derselben Art.
i
w*dmlh Stock- und Staatenbildung sind Beziehungen, welche sich zwischen
c5ncrfT Individuen derselben Art ergeben. Unter einem Thierstock ver-
tcta'1' stehen wir eine Vereinigung zahlreicher Thierindividuen, welche auf
einem festen organischen Zusammenhang der Körper beruht. Letzterer
kann auf zweierlei Weise zu Stande kommen, einmal indem Thiere.
welche von Anfang an getrennt waren, sich einander nähern und theil-
weise mit einander verschmelzen, zweitens indem Thiere, welche durch
Theilung und Knospung entstanden sind, mit einander vereint bleiben,
anstatt sich von einander zu trennen. Der erstere Fall der Stock-
bildung ist äusserst selten und spielt im Thierreich gar keine Rolle.
Manche Protozoen verschmelzen mit einander und bilden grössere
Körper, in denen man die Einzelthiere noch erkennen kann. Unter den
vielzelligen Thieren kennt man nur den Fall des Diplozoon paradoxum,
bei welchem normalerweise jedesmal zwei aus verschiedenen Eiern
stammende Thiere (die Diporpcn) sich zu einem Doppelthier vereinen,
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Allgemeine Zoologie. 135
welches an gewisse Doppelmissbildungen, wie z. B. die siamesischen
Zwillinge, erinnert (Fig. 105).
Fig. K>">. Entwicklung von Diplo\oon paradox ttm (aus Roos). 1) Larve, 2) daraus
hervorgegangene „Diporpa". 3) Zwei Diporpen vereinigen sich. 4) Die Diporpen
«nd zum Dtplozoon vereint, »i Mund, d Dann, // hinterer Haftapparat, b Bauch-
nngnapf, der zum Fassen des Rückenzapfens r dient.
Im Allgemeinen kann man sagen, dass die in der Natur vor- ^^orch
kommenden Fälle von Stockbildung auf unvollkommener Theilung und S&xEL.
Knospung beruhen. Ein Thier besitzt die Fähigkeit der ungeschlecht- JJ"
liehen Vermehrung; letztere kommt jedoch nicht zum normalen Ab- Kno»Pun«.
schluss, indem zwar die Ausgestaltung von zwei oder mehr Individuen,
nicht aber die völlige Trennung herbeigeführt wird. Mehr oder minder
breite Gewebsbrücken bleiben erhalten, welche die Theilstücke unter
einander oder die Knospen mit ihrem Mutterthier vereinigen. Die
marinen Stöcke der Corallen und Hydroiden (Fig. 88, 188) können aus
Tausenden von Individuen bestehen, welche durch fortgesetzte unvoll-
kommene Knospung oder Theilung von einem einzigen geschlechtlich
erzeugten Mutterthier abstammen.
Der Zusammenhang der Gewebe bedingt in der Mehrzahl der Fälle
einen nicht unbeträchtlichen Grad von Gemeinsamkeit der Functionen.
Reize, welche ein Individuum treffen, werden durch gemeinsame Nerven
den übrigen Thieren des Stockes mitgetheilt: dadurch werden gemein-
same Bewegungen ermöglicht. In gleicher Weise kommt die von
einem Thier erbeutete und verdaute Nahrung dem gesammten Stock
zu Gute. Vermöge der Gemeinsamkeit seiner Functionen erscheint
ein Stock wie ein einheitliches Ganze, wie ein Individuum höherer
Ordnung: es wiederholt sich derselbe Process, welcher zur Bildung
vielzelliger Organismen führte; wie dort die Elementarorganismen, die
Zellen, zum Eiuzelthier verbunden bleiben, so hier die Einzelthiere
zum Stock,
Wo ein Ganzes aus zahlreichen gleichwertigen Theilen besteht, pf$™r;
sind die Bedingungen zur Arbeitsteilung gegeben. Anstatt dass die p mutm
Functionen der Gesammtheit sich gleichmässig auf die Einzelstückc
vertheilen, werden manche der letzteren mehr für diese, andere wieder-
um mehr für jene Function geschickt und erhalten eine dem ent-
sprechende Organisation. Bei solchen Thierstöcken spricht man dann
von Vielgestaltigkeit oder P o 1 y m o r p h i s m u s. Der Polymorphismus
äussert sich am häufigsten auf dem Gebiet der vegetativen Functionen,
indem er zu einem Gegensatz von Geschlechtsthicren und Nährthieren
führt, wie bei den meisten Hydrozoen, bei denen nicht selten die Er-
nährung durch Thiere ohne Geschlechtsorgane und die Fortpflanzung
durch Thiere ohne Mund besorgt wird. Aber auch die übrigen Func-
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IM
Allgemeine Zoologie.
St.iiiten-
bUdung.
tionen, wie Fortbewegung, Empfindung, Schutz und Trutz, können
speeialisirt werden. Das classische Beispiel für Polymorphismus sind
die Siphonophoren (Fig. 106). Zu einem einzigen Körper vereint sind
liier locomotorische Thiere, die Schwimmglocken, welche nur der Be-
wegung dienen, Deckstücke, welche nur die übrigen beschützen. Fress-
polypen, welche nur Nahrung aufnehmen und verdauen, Geschlechts-
thiere und Tastpolypen, welche
nur die geschlechtliche Fortpflan-
zung, beziehungsweise die Empfin-
dung vermitteln. Rücksichtlich der
übrigen Functionen ist hier jedes
Thier auf seine Geschwister ange-
wiesen ; seine Existenz ist daher
von diesen abhängig geworden :
das einzelne Individuum kann nur
als Theil eines Ganzen dauernd
leben. So führt auch hier die
Arbeitstheilung zu grösserer Cen-
tralisation; je polymorpher ein
Thierstock ist, um so einheitlicher
ist er, um so mehr macht er den
Eindruck eines Einzelthieres, an-
statt einer Summe von Individuen.
Viel geringer ist die wechsel-
seitige Abhängigkeit der Thiere
bei der S t a a t e n b i l d u n g . da
es sich hier um keinen organi-
schen Zusammenhang, sondern
nur um ein freiwilliges Zusammen-
leben handelt. War bei der Stock-
bildung die ungeschlechtliche
Fortpflanzung von Wichtigkeit, so
spielt hier die geschlechtliche eine
grosse Rolle. Unter dem EillflllSS Fi)f. 100. Praya diplnja» (nach (re^eii-
baur, A »las puize Thier. B eine einzeln«1
des Geschlechtstriebs drängen sich '• i '
• i «-pi • Ii 4 11 Indivitlueiijrrtinpe starker ver^rossert (hu
viele Thiere. selbst solche von (1„xi,.(< , J^litück. 2 Fros^lv,». 3 Snk-
niedrigster Organisation, dauernd faden, 4 (icschlechts^loeke.
oder zeitweilig zu Haufen zusam-
men: die Seeigel, Seewalzen, viele Fische sammeln sich an der Küste
zur Zeit der Eiablage; der Geschlechtstrieb vereinigt die Herden
der Hirsche, Elephanten etc. Zu einer festen Organisation, zu einer
Staatenbildung im engeren Sinne führt dann weiter die Sorge um die
junge Brut; alle Insectenslaaten sind auf dieser Basis aufgebaut. Da
somit das Geschlechtsleben der Ausgangspunkt für die Staatenbildung
ist, so ist es weiter begreiflich, dass bei den verschiedenen Individuen-
gruppen, den ..Ständen" des Staates, die Geschlechtsorgane in ihrer
Ausbildung beeinflusst werden. Ausser Männchen und Weibchen
(Königen und Königinnen) giebt es noch Thiere mit rückgebildetein,
funetionsunfähig gewordenem Gcschlechtsapparat, die Arbeiter: ent-
weder sind die letzteren nur Weibchen (Bienen, Ameisen) oder Weib-
chen und Männchen (Termiten). Während die Könige und Königinnen
den Nachwuchs liefern, haben die Arbeiter die Pflege der jungen Brut
übernommen; sie sorgen für die Bauten, für die Nahrung und auch
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Allgemeine Zoologie.
137
für die Verteidigung, wenn nicht letztere von einem besonderen
Stand, den Soldaten (Termiten), geleistet wird.
2. Beziehungen zwischen Individuen verschiedener Arten.
Wenn Individuen verschiedener Arten zu einander in ein engeres
Wechselverhältniss treten, so ist die Ursache dazu der Nutzen, welchen
entweder einseitig die eine Art von der anderen zieht, oder den beide
sich gegenseitig bieten; im ersteren Fall sprechen wir von Para-
sitismus, im letzteren von Symbiose.
Unter Parasiten verstehen wir Thiere, welche auf anderen p,^u*"
Thieren. den Wohnthieren oder Wirthen, Wohnung und Nahrung finden,
welche dadurch in ein Abhängigkeitsverhältniss zu diesen getreten
sind und mehr oder minder eingreifende Veränderungen ihrer Orga-
nisation erfahren haben.
Um ein Thier als Parasiten zu erklären, genügt es nicht, dass es auf
einem andereu sich niedergelassen hat. Es «riebt viele Thiere, welche über-
haupt festsitzen und welche, je nachdem sich ihnen Gelegenheit bietet, sich
auf einem Steiu, einer Pflanze oder einem anderen Thiere ansiedeln; in
solchen Fällen von Raumparasitismus zu reden, ist missbräuchlieh, weil
von einem Abhängigkeitsverhältniss nicht die Rede sein kann. Wenn ein
}hj<iroi»ljH>hfi> anstatt auf einem Stein sich einmal auf dem Rücken einer
Kraltl» niederlüsst, so handelt es sich dabei um einen Zufall, durch den
das Wesen des Ilyrfroitlpolyprtt in keiner Weise betroffen wird. Ganz
anders würden wir den Fall bcurtheilen, wenn der betreffende Polyp nur
auf der Krubltc zu leben vermöchte und an anderen Orten zu Grunde ginge.
Kin derartiges Abhängigkeitsverhältniss trifft nur zu, wenn von dem Aufent-
haltsort auch die Ernährungsweise abhängt, wenn das Wobnthier nicht
nur zum Wohnen dient, sondern dem Bewohner auch die Nahrung liefert,
wenn der Bewohner auf Kosten des Wohnthiers lebt.
Das Maass, in welchem ein Parasit von seinem Wirth abhängig p*^,c,£eh*
geworden ist. wechselt nach den einzelnen Arten ; es wird davon be- widuag.
stimmt, inwieweit der Parasit sich in der Organisation seinem Wirth
angepasst hat. Darum ist es nöthig. bei der Besprechung des Para-
sitismus auch der Umgestaltungen zu gedenken, welche die parasitische
Lebensweise in dem Bau der Thiere hervorruft. Dieselben betreffen
am unmittelbarsten die Organe der Fortbewegung und Ernäh-
rung. Da ein Parasit sich auf seinem Wohnthier möglichst fest an-
zusiedeln sucht, so gehen die den Ortswechsel vermittelnden Einrich-
tungen allmählig verloren oder werden doch schlechter entwickelt.
Dafür treten Apparate zum Festhalten am Wirth auf. Parasiten der
verschiedensten Abtheilungen besitzen Haken, Klammern. Saugnäpfe etc.
Zur Ernährung dient den Parasiten das Blut oder der Gewebssaft oder
der Speisebrei des Wirths; das sind gelöste Substanzen, welche kaum
der Verdauung bedürfen. Daher ist gewöhnlich der Darmkanal ver-
einfacht oder er geht gänzlich verloren; es giebt unter den Parasiten
sowohl darmlose Würmer als darmlose Crustaceen. Auch sonst ver-
einfacht sich die Lebensweise des Parasiten, da er nicht gezwungen
ist, nach Nahrung zu suchen : bei allen Parasiten erfahren Nerven-
system und Sinnesorgane eine hochgradige Rückbildung: ersteres wird
zumeist auf das Notwendigste beschränkt, diese können gänzlich ver-
loren gehen.
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Allgemeine Zoologie.
Eine starke Ausbildung erleidet dagegen der Geschlechts-
apparat. Während es dem Parasiten leichter wird, sich selbst zu er-
halten, ist die Existenz der Art um so gefährdeter. AVenn ein Mensch
stirbt, so gehen auch meist seine Parasiten mit ihm zu Grunde, namentlich
diejenigen, welche im Innern des Körpers existiren. Soll eine bestimmte
parasitische Art nicht in kurzer Zeit aussterben, so ist es nöthig, dass
ihre Eier immer wieder in neue Wirthe hineingerathen. Da diese
Uebertragung mit Schwierigkeiten verknüpft ist , müssen die Parasiten
einen enormen Ueberfluss an Eiern produciren. Die Eier ihrerseits
wiederum zeichnen sich durch grosse Widerstandsfähigkeit und gut ent-
wickelte Schutzorgane, wie starke Schalen, aus; es ist z. Ii. bekannt,
dass die Eier von Ascariden sich längere Zeit sogar in Spiritus
weiter entwickeln, da sie durch ihre undurchgängigen Schalen ge-
schützt sind.
Alle die hervorgehobenen Einrichtungen werden mehr bei Sehma-
Siittrir rotzern, welche im Innern von anderen Thieren leben, den Ento-
parasiten. Geltung gewinnen, als bei Bewohnern der Haut oder an-
derer oberflächlicher Organe, den Ectoparasiten. Bei den Ento-
Fig. 1<X
parasiten sind die umgestaltenden Ein-
flüsse des Parasitismus so bedeutend,
dass Vertreter der verschiedensten
Thierabtheilungen eine auffallende
Aehnlichkeit des Aussehens und des
Baues gewinnen, l'cntastomum taeni-
oides z. Ii. gehört mit den Spinnen
in dieselbe ( lasse , die Classe der
Arnchnotdccn (Fig. 10*) gleicht den-
selben aber gar nicht in der äusseren
Erscheinung, sondern erinnert an die
Bandwürmer (Fig. 107). Man hat da-
her auch lange alle Entoparasiten
wegen ihrer Gleichartigkeit in eine
einzige systematische Gruppe unter
dem Namen „llelminthes" zusamiiien-
gefasst und darin Crustnccen, Würmer
und Arnclmoidecn, alsoThiere aus ganz
verschiedenen Thierstämmen , ver-
einigt: erst durch die Entwicklungs-
geschichte wurden die Zoologen auf
das rnnatürliche der Helminthen-
gruppe aufmerksam gemacht. Der
Entoparasitismus ist somit eines der
schönsten Beispiele, um das Wesen
der con verteilten Züchtung
zu erläutern: dass Thiere von ganz
verschiedener systematischer Stellung
ciin^n. letztere empfangt die Ausfuhr- unter gleichen Lebensbedingungen
Av. tro 7.«v,r-r K,„,„:H,,ia *•.„....< >> und , • Gleichartigkeit des
«ludet •sich um den l»arm '/. ().•>.,- p , . *
|,h,ijr,iK Baues und der Erscheinung ge-
winnen.
Viel seltener als Parasitismus ist die Symbiose oder das Zu-
sammenleben der Thiere zu gegenseitigem Nutzen. Bei Staaten
bildenden Thieren beobachtet man zwar nicht selten, dass sie gewisse
Fig. K>7. Tin nid nana mach I*cuckarfi.
Fig. lO\ l\nta.>toinnnt laminitlrs,
Weibchen (nach Lcuckart). // Haken
link- und rechts v«nn Mund; "/• im-
paans Ovar gabelt sieh in '_' Ovidncte,
die sieh zur unpaann Vagina ira) ver-
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Allgemeine Zoologie.
Thierarten nicht nur in ihren Verbänden dulden, sondern sogar zu hegen
und zu pflegen suchen, wie man in Gesellschaft der Ameisen manche
blinde Käfer, wie den Claviger, oder manche Blattläuse oder sogar
Ameisen aus anderen Arten und Gattungen findet. Solche Fälle des
Zusammenlebens entsprechen aber vielmehr der Hausthierzucht oder
der Sklaverei, wie sie vom Menschen betrieben werden. Die Ameisen
halten die Blattläuse, um die süssen Säfte zu lecken, welche in ihren
Fäcalien enthalten sind; sie rauben die Puppen anderer Ameisen und
ziehen sie auf, um sie später als Sklaven zu ihrem Vortheil zu be-
nutzen. Das Verhältniss beruht somit nicht auf Gleichberechtigung,
indem das eine Thier, in dem vorliegenden Heispiele die Ameise, das
Zusammenleben veranlasst, das andere Thier passiv in dasselbe hinein-
geräth.
Einen Fall vollkommenster Gleichberechtigung und echter Sym-
biose liefern uns dagegen ein Krebs und eine Actinie. der Pagurus
Prideauxi und die Adamsia palliata. Wie jede Pagurusart, bewohnt
auch dieser Einsiedlerkrebs die Schale einer Schnecke, aus deren
Mündung er nur mit seinen Beinen und Scheeren hervorschaut. Auf
dein Schneckenhaus siedelt sich eine kleine Actinie an, welche mit
ihrem Körper den Eingang des Schneckenhauses umgiebt. Wenn der
Krebs im Laufe seines Wachsthums gezwungen wird, ein neues grösseres
Schneckenhaus zu beziehen, so nimmt er stets seine Begleiterin mit.
Die Vortheile, welche die Actinie aus dieser Symbiose zieht, sind klar;
sie bekommt ihren Antheil an der Heute, welche der schnellfüssige
Krebs erjagt. Weniger klar ist es, warum der Krebs auf das Zu-
sammenleben so grossen Werth legt. Indexen ist die Actinie ihm viel-
leicht von Vortheil. indem sie mit ihren Nesselbatterien den Eingang
in die Schale vertheidigt und somit Eindringlinge abhält, welche in das
Innere der Schale hineinschleichen und (lern weichen Hinterleib des
Krebses gefährlich werden könnten.
Dass im Allgemeinen Thiere selten in Symbiose leben, hat vor-
nehmlich seinen Grund wohl darin, dass die Lebensbedingungen aller
Thiere bis zu einem gewissen Grade ähnlich oder gleich sind. Sie alle
nehmen kohlenstoff- und stickstottmche Verbindungen auf und zer-
setzen sie, indem sie unter Zutritt des Sauerstoffs der Luft dieselben in
Kohlensäure. Wasser und stickstoffhaltige Oxydationsproducte zerlegen.
Alle Thiere sind somit Concurrenten im Wettbewerb um die Nahrung.
Derselbe Grund macht es auf der anderen Seite begreiflich, weshalb
umgekehrt echte Symbiose zwischen Pflanzen und Thieren gar nicht
selten ist Besonders sind es niedere Algen, die ZooxanthcUen, welche
oft in Thieren leben. Gewisse Rhizopoden, vor Allem die Radiolaricn,
enthalten in ihrem Weichkörper grün oder gelb gefärbte Zellen mit
solcher Constanz. dass man sie lange für Bestandteile ihres Körpers
hielt. Ganz ähnliche gelbe und grüne Zellen bevölkern das Magen-
epithel vieler Actinien, Corallen und sogar mancher Würmer. Die
ZooxanthcUen ernähren sich \on der Kohlensäure, welche in den
thierischen Geweben gebildet wird, und athmen Sauerstoff* aus, welcher
wiederum für das Thier von grosser Bedeutung ist; sie bilden ferner
Stärke und andere Kohlenhydrate, und ist es nicht ausgeschlossen , dass
ein hierbei entstehender Ueberschuss als Nährmaterial dem Thiere zu
(inte kommen kann. So spielt sich hier im kleinen Raum der Kreis-
lauf der Stoffe ab, wie er im Grossen in der Natur zwischen Thier-
und Pflanzenreich vorhanden ist. Mit Hilfe des Blattgrüns und der
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140
Allgemeine Zoologie.
chemischen Einwirkung des Sonnenlichts zerlegen die Pflanzen Wasser
und Kohlensüure und bilden aus ihnen Sauerstoff, den sie ausathmen,
und kohlenstoffreiche Verbindungen, welche sie in ihren Geweben ab-
lagern; sie sind Reductionsorganisnien. Umgekehrt athmen die
Thiere Kohlensäure und Wasser aus , nehmen dagegen Sauerstoff aus
der Luft und kohlenstoffreiche Verbindungen durch ihre Nahrung auf:
den Sauerstoff benutzen sie, um die chemischen Verbindungen zu zer-
legen, zu oxydiren : sie sind O x y d a t i o n s o r g a n i s m e n. Daher er-
klärt es sich, weshalb die günstigen Einwirkungen der Pflanzen auf «las
Thierreich sofort aufhören, wenn sie den Charakter ihres Stoffwechsels
verändern. Pilze und ßacterien haben mit dem Verlust des Chlorophylls
die Fähigkeit, Kohlensäure zu rcducircn , verloren: sie beziehen die
Nahrung von anderen Organismen und zerlegen dieselbe in Kohlensäure,
Wasser u. s. w. : sie sind Oxydationsorganismen wie die Thiere und so-
mit gefährliche Concurrenten der Thiere geworden. Wo sie im thie-
rischen Körper sich niederlassen, bringen sie ihm in der überwiegenden
Mehrzahl der Fälle Schaden; sie sind die Ursachen vieler dem Thier
äusserst gefährlicher Krankheiten.
IV. Thier und Pflanze.
Die Betrachtungen über Symbiose haben uns darauf geführt, dass
zwischen Pflanzen und Thieren ein Gegensatz in der Art des Stoff-
wechsels existirt, der sich darin ausdrückt, dass Pflanzen zumeist
Kohlensäure aufnehmen und Sauerstoff ausathmen, während die Thiere
Sauerstoff einathmen und Kohlensäure abgeben. Hieraus könnte man
schliessen, dass es leicht sein müsse, allgemein giltige Unterschiede
zwischen Pflanzen und Thieren ausfindig zu machen, wie denn in der
That der Laie nie im Zweifel ist, bei den ihm allein bekannten höher
organisirten Thieren und Pflanzen zu entscheiden, welchem Naturreich
er dieselben zurechnen soll.
Je mehr man sich aber mit dieser Frage beschäftigt hat, um so
schwieriger hat sich die Lösung derselben herausgestellt. Schon die
alten Zoologen kamen zu der Auffassung, dass es Organismen gäbe,
welche auf der Grenze von Thier- und Pflanzenreich ständen, und der
Engländer Wotton nannte dieselben direct Pf lanzenthier e oder
Zoophyten. Jetzt wissen wir, dass die Pflanzenthiere des Wotton
echte Thiere sind mit einer oberflächlichen Pflanzenähnlichkeit: dafür
sind wir durch das Mikroskop mit zahlreichen niederen Organismen
bekannt geworden, deren Zugehörigkeit zu einem der beiden Natur-
reiche noch umstritten ist. Als solche sind zu nennen die Myxo-
myceten und viele Flaurtlaten.
tnter>chf, "Will man scharfe Unterschiede zwischen Thieren und Pflanzen aus-
Twwund findig machen, so kann man einerseits physiologische, anderer-
piun».. sejjs morphologische Merkmale heranziehen. Von physiolo-
gischem Gesichtspunkt ausgehend, schrieb Linne den Pflanzen nur
die Fähigkeit der Fortpflanzung und Ernährung, den Thieren dagegen
ausser diesen noch die Fähigkeit der Bewegung und Empfindung zu.
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Allgemeine Zoologie.
141
Seitdem wir wissen, dass das pflanzliche Protoplasma so gut wie das
thierische reizbar und zu Bewegungen befähigt ist, seitdem wir die
lebhaften Bewegungen niederer Algen, die grosse Empfindsamkeit der
Mimosen und anderer Pflanzen kennen gelernt haben, seitdem wir ferner
wissen, dass zahlreiche selbst höher organisirte Thiere wie Krebse
(Fig. 100) die Ortsbewegung verlieren und festwachsen und manche
festsitzende Formen wie viele Spongien (Fig. 81) auch bei der ge-
nauesten Untersuchung unbeweglich und gegen Reize unempfindlich er-
scheinen, haben wir darauf verzichtet, die sogenannten animalen Func-
tionen als sichere Unterschiede zu betrachten.
Auch der Gegensat/, im Stoffwechsel
ist keineswegs durchgreifend. Jede Pflanze hat
einen doppelten Stoffumsatz ; bei seinen Be-
wegungen und anderweitigen Lebensleistungen
liefert das pflanzliche Protoplasma Kohlensäure
und verbraucht Sauerstoff; daneben geht unter
dem Einfluss des Sonnenlichts und des Chloro-
phylls die Reduction der Kohlensäure und die
Abgabe von Sauerstoff einher. Am Tage über-
wiegen bei chlorophyllhaltigen Pflanzen die Re-
duetionsvorgänge so bedeutend , dass sich als
Endresultat die Abgabe grosser Mengen von
Sauerstoff herausstellt, und nur Nachts, wenn
die Reductionsvorgänge wegen des Mangels an (ifex£ (ü£h
Sonnenlicht eingestellt werden, kommt die Kohlen- oCarina, fTergum, »Seu-
säureproduetion zur Wahrnehmung. Die Re- tum.
duetionsvorgänge kommen aber sofort dauernd
in Wegfall, wenn das Chlorophyll fehlt ; chlorophylllose Pilze und Bactc-
rien haben daher denselben Stoffwechsel wie Thiere.
Ebenso ist es auch nicht richtig, dass nur die Pflanzen die Fähig-
keit haben, Cellulose zu bilden. Denn Cellulose findet sich bei
manchen niederen Thieren. den Hhizopoden, und in der hochorganisirten
Gruppe der Tunicaten: ja nach neueren Untersuchungen scheint sie
auch bei Arthropoden verbreitet zu sein.
So kämen denn die m o r p h o 1 o g i s c h e n Merkmale zur Dis-
cussion. — Vielzellige Thiere und vielzellige Pflanzen sind leicht zu
unterscheiden, da erstere in der Keimblattbildung ein ihnen allein zu-
kommendes Anordnungsprincip der Zellen haben. Mit dem Auftreten
des Gastrulastadiums ist jeder Organismus als unzweifelhaftes Thier
charakterisirt. Indessen bei einzelligen Organismen kommt die An-
ordnungsweise der Zellen in Wegfall und kann nur die Beschaffenheit
der einzelnen Zelle uns leiten. Giebt es nun unzweifelhafte morpho-
logische Unterschiede zwischen der thierischen und der pflanzlichen
Zelle?
Im Bau der Pflanzen- und Thierzelle ist ein wichtiger Unterschied
dadurch bedingt, dass erstere eine Cellulosemembran besitzt, letztere
dagegen zumeist membranlos ist. Auf diesen Unterschied muss in
letzter Instanz das so verschiedene Aurssehen der beiden Reiche zurück-
geführt werden. Indem die Pflanzenzelle sich frühzeitig mit einem
festen Panzer umhüllt, verliert sie ein gutes Theil von der Fähigkeit
zu weiterer Umgestaltung. Daher sind pflanzliche Gewebe und Organe
einförmig gegenüber der ungeheuren Vielgestaltigkeit, welche die
thierische Histologie und Organologie erkennen lässt. Die so ausser-
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142
Allgemeine Zoologie.
ordentlich viel höhere Stufe der Organisation, welehe das Thierreich
selbst in seinen niederen Dassen erreicht, ist zum grossen Theil wohl
eine Folge davon, dass die Zellen des Thiere>
sich nicht eingekapselt, sondern sich die Fähig-
keit zu mannichfacher und höherer Entwicklung
bewahrt haben.
Allein auch hier ergeben sich bei niederen
Pflanzen und Thieren ITebergänge. Bei niederen
Aigen haben die Zellen die Fähigkeit , aus der
Cellulosemembran herauszutreten und freibeweg-
lich herumzuschwimmen (Fig. 110), ehe sie sich
wieder aufs Neue einkapseln. Andererseits be-
sitzen die meisten einzelligen Thiere die En-
cvstirung; sie hören auf zu fressen und sich zu
bewegen, kugeln sich zusammen und umhüllen
sich mit einer festen, manchmal sogar aus Cellu-
lose bestehenden Membran.
Da in beiden Fällen ein Wechsel zwischen
düng, "l dirptflekTdc» eingekapselten und freibeweglichen Zuständen
Al^enfmltritt mit _aus- vorhanden ist, kann nur die längere Andauer des
einen oder des anderen bei der Unterscheidung
leiten. Damit ist aber die Möglichkeit, dass in-
differente Zwischenformen existiren , gegeben.
Ihre thatsächliche Existenz ist Grund , weshalb
wir auch jetzt noch keine scharfe Grenze zwischen
Thier- und Pflanzenreich ziehen können.
Fig. 110. Ocdogo-
nium in Zoosporenbil-
schlflpfendemZellinhult.
D aus »lern Inhalt her-
vorgegangene Zoospore.
C Zoosporc festsitzend,
in Keimung(naeh Sachs1.
V. Geographische Verbreitung der Thiere.
Schon eine oberflächliche Kenntnis« von der Verbreitungsweise der
Thiere lässt erkennen, dass die Thierfauna an verschiedenen Punkten der
Erde einen wesentlich anderen Charakter hat. Zum Theil ist diese Ver-
sebiedenartigkeit der Faunen eine unmittelbare Folge der klimatischen
Unterschiede. Eisbär, Polarfuchs, Eiderenten und viele andere Schwimm-
vögel sind auf die Polarzono angewiesen, weil sie ein bestimmtes Maass
von Wärme nicht ertragen können; umgekehrt sind die grossen Katzen-
arten, die Affen, die Colibris etc. nur in tropischen oder subtropischen
Gegenden vertreten, weil sie gegen die Einflüsse der kühleren Witterung
nicht genügend geschützt sind.
Wäre das Klima der einzige die Verbreitung bestimmende Factor, so
müsste der leninistische Charakter von zwei Ländern, welche gleiche klima-
tische Verhältnisse besitzen, im Wesentlichen derselbe sein; umgekehrt
müssten innerhalb eines zusammenhängenden, sich durch mehrere Klima-
zonen hindurch erstreckenden Territoriums die einzelnen Regionen gänzlich
verschiedene Thierfaunen besitzen, je nachdem sie dem Aequator oder den
Polen benachbart sind. Beides trifft nicht zu; zwei tropische Länder
können im Charakter ihrer Thierwelt einander ferner stehen, als die heissen
und kalten Gegenden eines und desselben Continents.
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Allgemeine Zoologie.
143
Die moderne Zoologie ist bemüht, diese eigentümlichen Verhältnisse
zu erklären, indem sie die jetzige Verbreitung der Thiere als Product von
zwei Factoren auffasst: der allmähligen Umgestaltung der Thierwelt und
ferner der allmähligen Umgestaltung der dem Thierreich zur Ausbreitung
dienenden Erdoberfläche. Die in der Geologie niedergelegte Erdgeschichte
lehrt zweierlei: 1) dass die Zusammenhänge der Erdtheile vielfach ge-
wechselt haben, dass z. B. zu einer Zeit, wo das Mittelmeer noch nicht
seine heutige Ausdehnung gewonnen hatte, Marokko, Algier, Tunis und
Aegypten mit dem europäischen Nordrand des Mittelmeers inniger verknüpft
waren als mit dem südlichen, durch dio Sahara getrennten Theil des afri-
kanischen Continents, 2) dass erhebliche Klimaschwankungen stattgefunden
haben. In Europa herrschte in der Tertiärzeit ein subtropisches Klima,
welches Thieren, wie sie jetzt in Algier (Löwe) vorkommen, die Existenz
ermöglichte. Umgekehrt trat später eine Kälteperiode ein, welche in weite
Strecken des europäischen Continents polare Lebensbedingungen und damit
eine Fauna nordischer Thiere (Rcnnthicr) einführte. Hand in Hand mit
den geologischen Veränderungen gingen Veränderungen in der Thierwelt
vor sich, indem unter dem Wechsel der Existenzbedingungen vorhandene
Arten ausstarben oder durch allmählige Umbildung neue Arten lieferten.
So gestaltet sich die Thiergeographie zu einem äusserst verwickelten Problem,
dessen Lösung eine umfassende Reihe von Vorarbeiten voraussetzt. Wir
müssen genau wissen, wie sich die Zusammenhänge des Festlands und die
Klimavertheilung besonders in den letzten Erdperioden verändert haben;
wir müssen ferner erforscht haben, nicht nur wie sich jetzt die Thiere
über die Erdoberfläche vertheilen, sondern auch wie sie in früheren Zeiten
vertheilt gewesen sind. Endlich müssen zuvor Anatomie und Entwick-
lungsgeschichte in ganz detaillirter Weise uns die Verwandtschaftsbe-
ziehungen der Thiere klargelegt haben.
Bis zur Lösung der hier kurz skizzirten Aufgabe ist es ein unendlich
weiter Weg; was bisher erforscht wurde, kann nur die Bedeutung einer
vorläufigen Prüfung haben, dass die Zoologie mit ihren herrschenden An-
schauungen über die Umformung der Thiere und der Erde auf dem rich-
tigen Wege ist. Ein Prüfstein für die Richtigkeit dieser Anschauungen
würde es sein, wenn sich feststellen Hesse, dass die faunistische Aehnlich-
keit zweier Länderstrecken in erster Linie davon abhängt, wie lange sie
mit einander in enger Verbindung und in Folge dessen auch im Austausch
der sie bewohnenden Thiere gestanden haben. Zwei Länder, welche in
frühen Perioden der Erdgeschichte von einander getrennt wurden, ohne
sich je wieder mit einander zu vereinigen, müssen rücksichtlich ihrer Thiere
einander fremder sein, als Länder, welche jetzt noch zusammenhängen oder
sich erst jüngst von einander getrennt haben. Bei der näheren Durch-
führung der erörterten Gesichtspunkte haben die Thiergeographeu versucht,
grosse Faunengebiete der Erde, Thierprovinzen oder Regionen zu unter-
scheiden und innerhalb dieser wieder Abtheilungen von geringerer Be-
deutung, die Subregionen. Man hat diese Provinzen vorwiegend auf die
Verbreitungsweise der Säugcthicrc, weniger auf die der Vögel und übrigen
Thiere begründet. Denn die Verbreitungsweise der Säugethiere wird haupt-
sächlich von denjenigen Veränderungen der Erdoberfläche bestimmt, welche
sich geologisch am besten controliren lassen und am meisten Interesse be-
sitzen. Den Säugethieren setzen Hebungen und Senkungen der Erdober-
fläche unüberwindliche Barrieren entgegen, Hebungen, wenn sie zur Bil-
dung gewaltiger vergletscherter Gebirgskämme führen, Senkungen, wenn in
ihrem Gefolge Meeresarme entstehen, welche, wenn auch vielleicht nur
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144
Allgemeine Zoologie.
schmale, so doch für die meisten Säugethiere un überschreitbare Wasser-
strecken zwischen zwei bisher zusammenhängende Länder einschieben.
Vögel und gut fliegende Insecten werden von allen solchen Veränderungen
der Erdoberfläche zwar auch betroffen, aber nicht in gleichem Maass wie
die Säugethiere; sie können ihrer Mehrzahl nach Meeresarme und Gebirgs-
ketten überfliegen, wie es denn Vögel giebt, die sogar weite Meeresstreckeu,
wie den Atlantischen Ocean, überschreiten.
Von den bisher aufgestellten thiergeographischen Systemen hat am
meisten Anklang die von Sclater uud Wallace vorgeschlagene Ein-
theilung gefunden. Die englischen Gelehrten unterscheiden folgende <J
Hauptregionen: lj die paläaretische, welche ganz Europa, den Norden
Afrikas bis zur Sahara und das nördliche Asien bis zum Himalaya um-
fasst; 2) die äthiopische, das gesaramte südlich der Sahara gelegene
Afrika; 3) die orientalische, zu der Vorder- und Hinterindien, das
südliche China und die westlichen malayischen Inseln gehören; 4) und 5) die
nearetische und neotropische Region, welche den amerikanischen
Contincnt ausmachen und durch eine Linie, welche in der Gegend des
Nordrands von Mexiko zu ziehen ist, getrennt werden; <>) die austra-
lische, zu der man ausser Australien selbst die grossen und kleinen
Inseln des Stillen Oceans und die östlichen malayischen Inseln inclusive
Celebes und Lembok rechnet.
1) Die australische Region ist von allen übrigen am schärfsten
nnterschieden, wie denn unzweifelhaft das unter diesem Namen zusammen-
gefasste Ländergebiet sich geologisch am frühzeitigsten vom Rest des
festen Landes getrennt hat. Für die Region ist vor Allem die Beutel-
thierfauna charakteristisch. Während die Ikutelthie.re, welche in der Tertiär-
zeit die gesammte Erdoberfläche bewohnten, in Europa, Asien und Afrika
gänzlich ausstarben und in Amerika sich nur in der Familie der Beitfel-
ratten erhielten, haben sie umgekehrt in Australien eine Fortbildung er-
fahren. Dagegen fehlen in Australien die höhereu place nf ahn S'itnjeiln'rrc,
welche die U titellhierftmna der alten Welt verdrängt haben, so gut wie
ganz. Es finden sich einige Wasser bewohnende Formen, ferner Fleder-
mäuse und Miiuse, Thiere, welche leicht durch Flug oder durch Transport
auf schwimmendem Holz vertragen werden, endlich Hausthiere, welche vom
Menschen, besonders von den Europäern eingeführt worden sind. Aach
der Dingo australicus ist wahrscheinlich nur ein verwilderter Haushund. Kur
auf die an die orientalische Region angrenzenden Inseln haben sich einige
wenige kleinere Jianbthien-, JJufthiere, und Affen ausgebreitet.
Eine weitere Eigentümlichkeit der australischen Region sind die
Farad iesrögel Neuguineas, die Eier legenden Säugethiere Omithorhynchtis
und Eebvlua. die merkwürdige Jhüttria und der Kiwi Neuseelands, der
Kasuar und der Dremmens mirac Ilollnndiae.
2) Nächst Australien ist am besten umschrieben die neotropische
Region, Südamerika mit dem angrenzenden Theil von Ceutralamerika,
Wir finden hier den Verbreitungsbezirk der breitnasigen Affen, während
die sehtnalntisiyen Affen der alten Welt angehören; wir finden die Gürtcl-
thiere, Fatdthierr, Ameisenfresser, lieutelraUcn ausschliesslich in Amerika, von
Vögeln die Colibris, die merkwürdigen Coiinyiden, Tanagriden u. a.
Die Abgrenzung der 4 übrigen Provinzen ist nicht so leicht zu be-
werkstelligen, wie die der beiden bisher betrachteten. Da Nordamerika
durch einen Inselgürtel mit Nordasien verbunden ist, haben unzweifelhaft
die nearetische und paläaretische Region vielfach in Formenaustausch ge-
standen. Ferner hat sich beim wiederholten Wechsel des Klimas der
nearetischeu und paläarctischen Regionen die Möglichkeit ergeben, dass
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Allgemeine Zoologie.
14Ö
ihre Thierwelten sich einerseits mit der neotropischen, andererseits mit der
äthiopischen und orientalischen vermischten. Ebenso hat die orientalische
Thierprovinz an Schärfe der Abgrenzung gegen die australische verloren,
indem die continuirliche Kette der malayischen Inseln einen andauernden
Formenaustausch ermöglichte. Immerhin hat jede der genannten 4 Pro-
vinzen zahlreiche Gattungen und Familien ausschliesslich für sich und
zeichnet sich durch den Mangel gewisser Lebeformen aus.
3) Die nearctische Region hat besonders 3 Säugethierfamilien
eigenthümlich, die Gabelgemsen, die Taschenratten und die Haplodanten, aus
der Classe der Amphibien die Sircniden und Amphiumiden. Von der am
nächsten verwandten paläarctischen Region ist sie ausserdem noch unter-
schieden durch das Eindringen neotropischer Formen, wie der Waschbären,
Beutelraiten, Colilrris etc.
4) Die paläarctische Region ist ein Gebiet, welches sich über
den grössten Theil der Erde erstreckt und dabei an viele andere Thier-
provinzen angrenzt. Daher ergeben sich einerseits wichtige durch Klima
und weite Entfernung bedingte Unterschiede zwischen den einzelnen Local-
faunen, andererseits erklärt sich daraus, dass die paläaretische Region keine
Familien ausschliesslich für sich besitzt. Familien, welche wenigstens vor-
wiegend hier ihre Entwicklung gefunden haben, sind die Hirsehe, Rinder,
Schafarten and Kamele ; besonders hervorstechende Gattungen die Gemsen,
die Siebenschläfer, Dachse und Pfeifliascn.
5) Die äthiopische Region hat viele Familien für sich allein,
unter denen die Flusspferde und Giraffen, die (Japsehweine und, wenn wir
Madagascar zur Region hinzuziehen, die Fingcrthiere die charakteristischsten
sind. Ebenso bemerkenswerth ist das gänzliche Fehlen äusserst auffallen-
der Familien und Gattungen, wie der Büren. Maulwürfe, Hirsche, Ziegcii,
Schafe, der echten Binder und Schweine, soweit sie nicht domesticirt und
eingeführt sind.
Innerbalb der Region nimmt die Insel Madagasrar eine höchst merk-
würdige Stellung ein. Die Insel ist das Land der Halbaffen und Inscctm-
fresser; namentlich ist kein Land so reich an Halbalfen, von denen die
Mehrzahl der Gattungen ausschliesslich in Madagascar lebt. Dagegen
fehlen die grossen Raublhicrc, die Katxen, Hyänen, Hunde und die aller-
dings auch in Afrika nicht vertretenen Bären, sämmtliche echte Affen, Anti-
loj>en, Elephanten und Bhinoeerosarten. Da sich somit Madagascar ganz er-
heblich von Afrika unterscheidet, trennen viele Zoologen die Insel von der
äthiopischen Region ab; manche wollen ihr sogar den Rang einer selb-
ständigen Hauptregion geben.
6) Die orientalische Region enthält nächst Madagascar die
meisten Halhiffcn, unter denen die Tarsiden und GafeopUheciden (letztere
meist zu den Insectivoren gerechnet) ausschliesslich orientalisch sind. Auf-
fällige Vertreter der Provinz sind ausserdem dio (libbons und (hang T'tangs,
der Moschushirsch, zahlreiche Faniiiion und Gattungen der Vögel.
In der Neuzeit gewinnt die Anschauung immer mehr an Boden, dass
man ausser den besprochenen sechs Thierprovinzen noch zwei weitere circum-
polare aufstellen müsse, die aretisebe und antaretische. Beide be-
sitzen eine aus wenig Arten, aber zahlreichen Individuen bestehende Thier-
welt, aus welcher für die nördliche oder aretische Region die Alken, Ei.s-
tiieen , Renthiere , Eisfüchse, für dio antaretische dio Pinguine besonders
charakteristisch sind.
Zur Thiergeographie gehört ferner die Verbreitung der Thiere
im Meer und im süssen Wasser. Da die meisten Meere im Zu-
H«rt »1 g. Uhrbuch der Zoologie. 3. Aufljjo. JQ
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Allgemeine Zoologie.
sammenhang stehen, so sind faunistische Regionen in der Schärfe wie bei
der Landfauna nicht zu erkennen; erhebliche Unterschiede sind nur da
vorhanden, wo zwei Oceano durch Continente getrennt werden, welche weit
nach Norden oder Süden vorragen ; erhebliche Unterschiede bestehen z. B.
zwischen dem rothen Meer und dem geographisch benachbarten Mittelmeer,
zwischen Ost- und Westküste von Nordamerika, selbst da, wo sie nur
durch die schmale Landeuge von Panama getrennt werden.
Viel auffälliger sind bei der Meeresfauna gewisse Unterschiede, welche
durch die Abänderung der Lebensbedingungen in den einzelnen Meeres-
tiefen herbeigeführt werden. Man kann eine Tiefseefauna, eine
Küstenfauna und eine pelagische F a u n a aufstellen. Die Küsten-
fauna umfasst die Thiere, welche die pfianzenbewachsenen felsigen oder
sandigen Ufer bis einige 100 Meter tief theils festgewachsen, theils frei
beweglich besiedeln. Die Tiefseefauna schwimmt, kriecht oder ist
festgewachsen auf dem Boden der 1000 bis fast 0000 Meter tiefen Ab-
gründe der Oceane; sie unterscheidet sich wesentlich von der Küsten-
fauna durch ihren alterthümlichen Charakter, indem hier vielfach Gattungen
und ganze Thierabtheilungon fortleben, welche man lange Zeit vorwiegend
aus früheren Erdperioden kannte, wie die Hejcadindliden, Oritioideen. gewisse
Sccsterne und Seeigel etc.
Unter pelagischer Thierwelt versteht man das, was frei im
Wasser schwebt, das „Plankton"; viele CockiUerutcn, Medusen und Cieno-
phoren, ganze Abtheilungen der Protozoen, wie die Radioktricn, mancherlei
Krebse und Krebslarven, von den Mollusken die Jkteropoden und Pleropoden
gehören hierher. Diese Thiere leben entweder an der Oberfläche des Meeres
selbst oder frei suspendirt in geringeren und grösseren Tiefen bis zu
8000 Meter und darunter. Zumeist sind sie gallertig weich und von
glasartiger Durchsichtigkeit, was wohl als sympathische Färbung und
Anpassung an die durchsichtige Klarheit des Meerwassers betrachtet
werden muss.
Im Süsswasser muss mau 2 Gruppen von Thieren auseinanderhalten,
von denen die eine vorwiegend die höher organisirten Formen, die Fisefa,
Mollusken und höheren Krebse, die andere die niedere Lebewelt umfasst.
Die Verbreitungsweise der ersteren wird vorwiegend von den Momenten
bestimmt, welche auch bei der Scheidung der Landbewohner wirksam
sind ; die Verbreitungsweise der letzteren ist dagegen eine kosmopolitische.
Dieselben Infusorien und Jthixopoden, ßraehiopoden und Copc/Kkkn, Süss-
tvasserscb uämme und Polypen, welche bei uns in Deutschland vorkommen,
scheinen über die ganze Erde verbreitet zu sein. Das hängt damit zu-
sammen, dass alle diese Thiere Ruhezustände besitzen, in denen sie das
Eintrocknen vertragen. Die Ruhezustände, seien es hartschalige Eier oder
ganze eingekapselte Thiere, können wie Staub vom Winde verweht oder
mit Schlamm von Wasservögeln vertragen werden, um, von Neuem in das
Wasser gelangt, ihre volle Entwicklungsfähigkeit zu bethätigen.
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Specielle Zoologie.
Seitdem die Anschauungen der vergleichenden Anatomie und der
Descendenztheorie Einfluss auf die systematische Zoologie gewonnen
haben, erblickt man im System der Thiere nicht nur ein Mittel, das
Bestimmen der Arten zu ermöglichen, sondern stellt ihm weiter die
Aufgabe, die verwandtschaftlichen Beziehungen, in denen die grösseren
und kleineren Gruppen zu einander stehen, zum Ausdruck zu bringen.
Die Lösung dieser Aufgabe setzt eine genaue vergleichend-anatomische
und entwicklungsgeschichtliche Kenntniss und ein hierauf sich gründen-
des volles Verständniss der Thierformen voraus. Wir sind von letzterem
noch weit entfernt, auf einigen Gebieten der Zoologie weniger weit als
auf anderen und demgemäss sind auch die systematischen Bemühungen
nicht überall gleich weit gediehen. Als naturgemäss gebildete Stämme
des Thierreichs werden allgemein anerkannt: 1) die Wirbelthiere, 2) die
Weichthiere (nach Ausschluss der Brachiopoden), 3) die Glieder füssler,
4) die Stachelhäuter, 5) die Coelenteraten (nach Ausschluss der Schwämme),
6) die Urthiere. Dagegen ist es strittig, wie man sich dem von Sie-
bold aufgestellten und von Leuckart enger begrenzten Stamm der
Würmer und einigen kleineren Gruppen gegenüber verhalten soll
(Brachiopoden, Bryozoen, Tunicaten). Im Allgemeinen besteht die
Neigung, die Würmer mindestens in 3 Stämme aufzulösen (Platt-, Rund-
und Ringelwürmer) und auch aus den Brachiopoden, Bryozoen und Tuni-
caten besondere Stämme zu bilden. Bei einem solchen Verfahren
werden nun formenarme und für die Betrachtung des Thierreichs
minder wichtige Gruppen mit den grossen, unendlich mannichfaltiger
gebauten Stämmen der Wirbelthiere, Glieder füssler und Weichthiere
auf eine Stufe gestellt und gewinnen so, namentlich im Auge des
Anfängers, eine ihnen nimmermehr zukommende Bedeutung. Daher
soll in diesem Lehrbuch der Stamm der Würmer beibehalten und
sollen die Brachiopoden, Bryozoen und Tunicaten im Anschluss an
ihn besprochen werden, um so mehr als es noch gar nicht ausge-
macht ist, ob nicht die im Namen schon ausgedrückte Formenähnlich-
keit der verschiedenen Wurmclassen auf einer engeren Blutsverwandt-
schaft beruht. Von den 7 Stämmen, welche sich ergeben, wenn man
den Würmerstamm beibehält, haben weiterhin die Coelenteraten, Würmer,
Stachelhäuter, Weichthiere, Gliederfüssler und Wirbelthiere viel Gemein-
sames, wodurch sie sich vom Stamm der Urthiere unterscheiden; sie
sollen daher unter dem Namen Metazoen zusammengefasst werden.
10*
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14*
Specielle Zoologie.
I. Stamm.
Protozoen oder l'rthiere.
pTo*o*oen. Prot0*0?** oder Urthiere sind durchschnittlich von geringer
Körpergrösse; die meisten von ihnen können eben noch von einem
scharf beobachtenden Auge als kleine Punkte wahrgenommen werden;
viele sind sogar so klein, dass zu ihrer Auffindung das unbewaffnete
Auge nicht ausreicht und die Benutzung des Mikroskops nothwendig
ist; auf der anderen Seite giebt es allerdings auch Formen, welche
einen Durchmesser von mehreren Millimetern oder gar Centimetern er-
reichen, was namentlich dann zutrifft, wenn Hunderte von Individuen
zu einer Colonie vereinigt sind.
r»u. Die geringe Körpcrgrösse der Protozoen ist eine nothwendige Folge
davon, dass sie nur aus einer einzigen Zelle bestehen; sie
sind Klümpchen jener eigenthümlichen Substanz, welche man früher
Sarkode genannt hat, der man aber jetzt den Namen Protoplasma giebt, weil
sie in ihren Lebenserscheinungen mit dem Protoplasma der thierischen
und pflanzlichen Zellen im AYesentlichen Obereinstimmt. Zum Proto-
plasma kommt als ein weiteres Zellattribut die Anwesenheit von einem
oder mehreren Kernen. Mit der Einzelligkeit hängt es ferner zu-
sammen, dass den Protozoen echte Gewebe und echte Organe
fehlen; sie haben keinen Darm, kein Nervensystem, keine Geschlechts-
organe etc. : die fundamentalen Functionen der Ernährung, Empfindung.
Bewegung und Fortpflanzung werden mehr oder minder unmittelbar
vom Protoplasma geleistet.
Ernährung. Bei der Ernährung, sofern sie nicht durch gelöste Stoffe erfolgt,
gelangen Fremdkörper in das Protoplasma hinein und werden von dem-
selben verdaut ; meist liegen sie während der Verdauung in besonderen
Flüssigkeitsansammlungcn (Fig. llf>, l.'it» u. f. Na.), den Nahrungs-
vacuolen, seltener unmittelbar in der Körpersubstanz selbst. Alles Un-
verdauliche wird nach einiger Zeit wieder ausgestossen. Die Aufnahme
und Entleerung der Fremdkörper kann bei den niederen Protozoen an
jedem Punkt der Körperoberfläche erfolgen, während bei den höher organi-
sirten dazu bestimmte Oeffnungen dienen, welche man nach Analogie
mit den vielzelligen Thieren Mund und After oder prägnanter Zellen-
mund. „Cy tost om". und Zellenafter, „C y t opy g eu nennt. Der Zellen-
mund kann sogar in einen nach innen frei in das Protoplasma mün-
denden Canal führen, eine Art Oesophagus oder Cytopharynx.
Auch sonst können innerhalb der Protozoenzelle Einrichtungen
entstehen, welche an die Organe höherer Thiere erinnern und daher
Zell organe heissen. Wenn auch gewöhnlich zur Fortbewegung das
Protoplasma mit seinen Anhängen , den Pseudopodien, Geissein und
Flimmern, ausreicht, so giebt es doch Protozoen, welche echte Muskel -
tibrillen erzeugen, wie die Stentorcn und Vorticrllinen. Die Reizbarkeit
der Protozoen gegen Licht wird in manchen Fällen besonders gesteigert,
indem sich ein Äugcnflcck entwickelt, eine umschriebene Pigmentan-
häufung, in welcher sogar eine Linse vorhanden sein kann. Zu den
fvaJuoie.'e verbreitetsten Zellorganen gehören endlich die con tractilen ' V a-
euolen (Fig. 111 u. f. c?>.), Gebilde, welche bei den Süsswasserproto-
zoen nur selten, dagegen häufig bei den Meeresbewohnern vermisst
werden und sich von den schon erwähnten Nahrungsvacuolen in drei-
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Protozoen. 141)
facher Weise unterscheiden. Ersteus nehmen sie im Körper des Thieres
eine bestimmte Lagerung ein , zweitens ist ihre Zahl für die meisten
Arten annähernd constant, drittens besitzen sie äusserst charakteristische
Lebenserscheinungen. Ihre Wandungen contrahiren .sich und entleeren
den flüssigen Inhalt manchmal durch einen besonderen Ausführgang nach
aussen. Ist in Folge der Entleerung die Vacuole vollkommen verschwun-
den, so entsteht sie nach einiger Zeit von Neuem, indem sie sich mit
Flüssigkeit aus dem umgebenden Protoplasma füllt. Durch diese
Functionsweise erinnern die contractilen Vacuolen an die Nieren der
Würmer, die später zu besprechenden Wasscrgefasse ; wahrscheinlich
entleeren sie schädliche, im Körper durch die Lebensprocesse ent-
standene gelöste Stoffe, darunter möglicherweise auch nach Art der
Respirationsorgane Kohlensäure.
Das Vorkommen so mannichfacher an Organe und Gewebe erinnernder
Differenzirungen kann dem Körper der Protoxocn ein complicirtes Aussehen
und ein so hohes Maass von Leistungsfähigkeit verleihen, dass es schwer
fällt, das Alles einer einzigen Zelle zuzutrauen. Doch wäre es falsch, des-
wegen Zweifel an der Einzelligkeit der Protozoen zu erheben. Denn mit
dem Begriff der Zelle ist es sehr wohl vereinbar, dass sie ihre bildnerische
Thätigkeit nach vielen Richtungen hin gleichzeitig entfaltet, dass sie
gleichzeitig eine Art Darm, Muskelfasern, Sinnesapparato, Skeletstücke u.s. w.
erzeugt, wenn sie auch sonst im Organismus der vielzelligen Thiere meist
nur ein bestimmtes Bildungsproduct (die Muskelzelle coutractile Substanz,
die Drüsenzelle Secrete) liefert.
Wahrscheinlich erfolgen alle Lebensäusserungen des Protoplasma Kem.
unter dem Eintluss des Kerns, wie aus einer Reihe von Experimenten
hervorgeht, welche zeigen, das Protozoen, welche künstlich durch Ver-
letzung ihres Kerns beraubt wurden . nur unvollkommen funetioniren
und nach einiger Zeit zu Grunde gehen, während kernhaltige Bruch-
stücke am Leben bleiben. Junge Urthiere sind gewöhnlich einkernig;
manche verbleiben in diesem Zustand zeitlebens; andere werden früh-
zeitig vielkernig. Solche vielkernige Protozoen werden vielfach als
Complexe zahlreicher Zellen oder als „Sy ncytien*4 gedeutet, allein
mit Unrecht, denn abgesehen davon, dass in der thierischen und pflanz-
lichen Histologie vielkernige Protoplasmamassen nur als eine Zelle
angesehen werden, so wird durch die Bezeichnung „Syneytien" zwischen
den einkernigen und vielkernigen Protozoen ein Unterschied gemacht,
welcher den thatsächlichen Verhältnissen nicht entspricht, da die
Leistungsfähigkeit bei beiden vollkommen die gleiche ist.
Die Vermehrung der Protozoen erfolgt ausschliesslich durch vo«.
Theilung oder Knospung und ist unter günstigen Bedingungen, nament- v**'™**-
lieh bei reicher Nahrungszufuhr, eine so lebhafte, dass manche Pro-
tozoen innerhalb weniger Wochen eine nach Millionen zählende Nach-
kommenschaft erzeugen. Viele Thiere theilen sich im freien Zustand,
während sie herumkriechen oder herumschwimmen, andere encystiren
sich zuvor, d. h. sie nehmen die Gestalt einer Kugel an und scheiden
eine schützende Membran aus (Fig 1 H> u. 1 17). Eneystirte Thiere theilen
sich meist in mehr als 2 Stücke, in 4, s oder gar viele Hunderte von
Fortpflanzungskörpern. Es kommt häutig vor, dass vielkernige Protozoen
ebenso viel theilstücke liefern, als Kerne vorhanden sind.
Bei den Protozoen begegnet man ausserdem V e r s c h m e 1 z u n g e n,
welche in ihrem äusserlichen Verlauf viel Aehnlichkeit mit den Be-
fruchtungsprocessen der Metazoen und Pflanzen haben. Zum Theil
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I
150 Protozoen.
sind die Verschmelzungen wohl zufällige und für das Thier unwichtige
Erscheinungen, zum Theil aher hahen sie unzweifelhaft grosse physio-
logische Bedeutung. Das erstere gilt von den Uhizopoden, welche vor-
übergehend verschmelzen und sich wieder trennen, ohne nachweisbare
Veränderungen in ihrem Bau oder in ihren Verrichtungen zu erfahren,
letzteres gilt von den Vereinigungen der Infusorien, Grcgarincn und
FlageUaten, bei denen erhebliche Umgestaltungen den Vereinigungen
unmittelbar folgen. Die Vereinigung kann auch hier eine vorüber-
gehende sein oder zu dauernder Verschmelzung führen ; die dabei be-
theiligten Thiere können an Grösse entweder gleich oder so sehr unter-
schieden sein, dass man von männlichen Thieren (Mikro- oder Zoo-
sporen) und weiblichen Thieren (Makro- oder Oosporen) reden
könnte. So ergeben sich verschiedenerlei Combinationen , welche als
Stufen fortschreitender sexueller Differenzirung aufgcfasst werden müssen,
wie namentlich das Studium der Infusorien gelehrt hat. Immerhin darf
man den wichtigen Unterschied nicht ausser Acht lassen, dass hier ganze
Thiere Träger der Geschlechtsthätigkeit sind, während bei den Metazoen
die Fortptianzungszellen nur besondere Teile des Körpers bilden.
Ency»«n.ne. Als kleine und weiche protoplasmatische Körper sind die Proto-
zoen gegen Eintrocknen durch Verdunstung wenig oder gar nicht ge-
schützt und daher auf den Aufenthalt im "Wasser angewiesen. Wenige
Formen, wie Amoeha tcrricoln, leben auf dem festen Lande, aber auch
diese nur an feuchten Orten. Meer- und Süsswasser, bei letzterem
vorwiegend pflanzenreichc stehende Gewässer, wie Teiche und Tümpel,
sind die Lieblingsorte der Protozoen. Die Süsswasserbewohner sind
kosmopolitisch, so dass die Protozoenfaunen der verschiedensten Länder
einander äusserst ähnlich sind. Das hängt mit ihren besonderen
Lebenseinrichtungen zusammen. Die Süsswasserprotozoen besitzen un-
abhängig von der Fortpflanzung die Fähigkeit sich einzukapseln; im
encystirten Zustand überdauern sie die Zeiten ungünstiger Lebens-
bedingungen, wenn Nahrungsmangel eintritt, wenn das Wasser gefriert
oder gar vollkommen verdunstet, so dass sie auf das Trockene ge-
rathen. Im encystirten Zustand können Protozoen wie Staub durch
die Winde zerstreut oder durch die Füsse von Wirbelthieren, nament-
lich von Wasservögeln weithin vertragen werden. Daher die eigen-
tümliche Erscheinung, welche einem Theil der Protozoen den Namen
Infusorien oder Aufgussihierchen verschafft hat. Wenn man trockene
Erde oder trockene Pflanzen, z. B. Heu, mit Wasser übergiesst und
diese Infusion, oder auch nur ein Glas mit reinem Wasser längere
Zeit stehen lässt, so entwickelt sich eine mehr oder minder reiche
Protozoenfauna in der Flüssigkeit, weil in sie, sei es durch den vom
Luftzug verwehten Staub, sei es gleichzeitig mit der Erde oder den
Pflanzentheilen, encystirte Thiere hineingerathen waren, welche durch
die Benetzung zu neuem Leben erwachten und die Cystenhülle ver-
liessen. Eine Urzeugung, wie man früher annahm, findet hierbei sicher-
lich nicht statt ; denn wenn man die zur Infusion verwandten Materialien
sterilisirt und durch Verschluss der ebenfalls sterilisirten Gläser das
Eindringen neuer Keime verhindert, bleiben die Infusionen unbelebt.
Man sterilisirt Gläser, Wasser, Heu, Erde etc., indem man sie längere
Zeit Temperaturen von KK)° C aussetzt.
Geschichtliches. Da die meisten Protozoen mit unbewaffnetem
Auge gar nicht oder nur eben als kleine Punkte wahrgenommen werden
können, blieben sie Jahrhunderte lang unbekannt. Im Jahre 1G75 wurden
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I. Rhizopoden.
151
sie zum ersten Male in Infusionen durch den Hollander von Leeuwe n-
hoek, den Erfinder des Mikroskops, entdeckt; durch Wrisberg er-
hielten sie im vorigen Jahrhundert den Namen Aufgussthierchen, „Animal-
citla infusoria". Erst in diesem Jahrhundert wurde der zuerst von Gold-
fuss, aber in viel weiterem Sinne gebrauchte Name „Protoxoen" durch
von Siebold eingeführt. Der Vorschlag, eineu Theil der Protozoen zu
einem Zwischenreich zwischen den Thieren und Pflanzen, dem Reich der
Protisten, zu vereinigen , wurde von H a e c k e 1 gemacht , hat aber wenig
Anklang gefunden und ist im Interesse der Ueberaichtlichkeit des Systems
auch hier nicht befolgt worden.
Bei der Beurtheilung des Baues standen sich lange Zeit die Ansichten
Dujardin's und Ehrenberg's gegenüber. Ehrenberg behauptete
mit aller Bestimmtheit, dass die Protozoen wie alle übrigen Thiere die
wichtigsten Organe, Darm, Nervensystem, Muskulatur, Excretionsorgane,
Geschlechtsdrüsen, besässen. Dujardin stellte dies Alles in Abrede und
schrieb den Protoxoen nur eine einzige homogene Substanz, die „Sarkode",
zu, welche schon genüge, alle Lebensthätigkoiten zu ermöglichen. Dujar-
din's Lehre fand später eine sehr wichtige Ergänzung durch den Satz
Siebold's, dasa die Protoxoen einzellige Organismen seien. Lange Zeit
über war die Ansicht Ehrenberg's in ihrer ursprünglichen Form oder
in mehr oder minder wichtigen Modifikationen die herrschende; für die
Wiizopodcn wurde sie endgiltig erst in den 50er Jahren durch Max
Schultze und Ha e ekel beseitigt, für die Infusorien noch später durch
die Arbeiten Haeckel's, Bütschli's, Hertwig's u. A.
Die Erkenntniss, dass es einzellige Thiere ohne Organe giebt, welche
vollkommen lebensfähig sind, war eine äusserst werthvolle Errungenschaft,
erstens weil sich dadurch unsere Auffassungen vom thierischen Leben ver-
tieft haben, zweitens aber weil mit dieser Erkenntniss für die Lehre von
der Descendenz der Organismen aus einfachen Urformen das wichtigste
Glied der Kette, der Anfang derselben, gefunden wurde.
Systematik. Das verschiedene Aussehen der Protozoen hängt von
dem Grad der organologischen und histologischen DifTerenzirung ab. Da
diese vorwiegend in den zur Fortbewegung und Ernährung dienenden
Einrichtungen zu Tage treten, verdienen letztere bei der Eintheilung be-
sondere Berücksichtigung. Je nachdem die Fortbewegung und Nahrungs-
aufnahme durch Protoplasmafortsätze, durch Geissein oder Wimpern ver-
mittelt wird, erhalten wir die 3 Classen der /Mko/Wow , FlagrUaten und
Oiliaten (Infusorien s. str.); dazu kommt die durch Parasitismus in Er-
nährung, Fortbewegung und Fortpflanzung beeinflusse Classe der Grcgari-
narien oder Sporozoen.
I. Classe.
Rhizopoden, Wurzclfüssler.
An die Spitze der Protozoen müssen wir Organismen stellen, bei
denen noch keinerlei constante Einrichtungen zur Fortbewegung und
Ernährung getroffen sind, sondern das Körperplasma oder die Sarkode
selbst diese Functionen verrichtet. Mit Rücksicht auf die unmittelbare
Verwendung der Sarkode können wir die Thiere Sarkodeorganismen
oder Sarkodina nennen. Verbreiteter ist der Ausdruck „ Wurzelfüssler"
oder „Rhizopoden", welcher sich darauf bezieht, dass das Protoplasma
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152 Protozoen.
wurzelartige Fortsätze aussendet, welche Nahrungsaufnahme und Be-
wegung vermitteln. Die Fortsätze heissen Scheinfüsschen oder Pseudo-
podien, da sie zwar wie Füsse zur Ortsveränderung dienen, aber
von echten Extremitäten sich dadurch unterscheiden , dass sie keine
constanten Zellorgane sind, sondern nach Bedürfniss gebildet werden
und wieder verschwinden. Ein Pseudopodium entsteht, wenn nach
einer Stelle des Körpers das Protoplasma zusammenströmt und über
die Obertiäche als ein Fortsatz hervorfiiesst. Indem der Fortsatz sich
anheftet und den Körper nachzieht, findet eine langsame Ortsbewegung
statt. Dabei schwindet der Fortsatz, indem er wieder in den Körper
aufgenommen wird und es bilden sich an andern Stellen des Körpers
neue Fortsätze, welche nach einiger Zeit abermals in den Körper zu-
rückfliessen. Man nennt diese Form der Bewegung amöboid nach
den Amöben, bei welchen die Bewegungsweise am frühesten genauer
studirt wurde. Wenn nun Bhizopoden bei ihren Wanderungen auf Nah-
rungskörper stossen , umtliessen sie dieselben mit ihren Protoplasma-
fortsätzen und verdauen sie innerhalb derselben oder pressen sie in
ihren Körper hinein. (Fig. 111 N.)
Die Form der Pseudopodien ist für jede Art annähernd
constant, im Uebrigen aber sehr mannich faltig, so dass sie zur Unter-
scheidung nicht nur verschiedener Arten, sondern sogar von Gattungen,
Familien und grösseren Gruppen benutzt werden kann. Es giebt
einerseits läppen- oder fingerförmige Pseudopodien (Fig. 111), anderer-
B
Flg. III. Autor ha Prohns nach Fitr. 112. /Malin Frcyeri (aus Lang nach
Lj'idy. cl; Kt tusark. Knt<*ark. M. Schnitze).
A' Nuhrung-köriH'r . vr contractilc
Vaeuole. n Kern.
seits Pseudopodien von so grosser Zartheit, dass sie selbst mit starken
Vergrösserungen nur wie dünne Fäden aussehen (Fig. 112); zwischen
diesen Extremen existiren die manniehfachsten Uebergänge. Faden-
förmige Pseudopodien sind meistenteils verästelt; wenn sich die feinen
Aestchen begegnen, können sie mit einander zu Netzen verschmelzen
und Anastomosen bilden, woraus hervorgeht, dass die Oberfläche
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I. Rhizopoden: Moneren, Amöbinen. 153
der Pseudopodien nicht, wie man früher annahm, von
einer Membran bedeckt ist. Die feinen Körnchen des Proto-
plasma treten meistenteils auf die Pseudopodien über und erzeugen
hier, indem sie in centrifugaler und centripetaler Richtung circuliren,
das Phänomen der Körnchenströmung. Da auch leblose Partikelchen,
wie Carminkömchen , welche vom Protoplasma aufgenommen werden,
sich an der Circulation betheiligen, ist die Ursache der Bewegung nicht
in den Körnchen selbst, sondern in dem sie tragenden Plasma zu
suchen. Die so überaus wichtige Erscheinung, dass auf demselben
feinsten Fädchen Körnchen, nach entgegengesetzten Richtungen strömen
und gleichgerichtete Körnchen einander überholen können , haben wir
schon früher (Seite 51) benützt, um auf die ausserordentliche Com-
plicirtheit der Protoplasmastructur hinzuweisen.
Wenn Rhizopoden sich im freien oder encystirten Zustand durch Thei-
Inng vermehrt haben, vertauschen die Theilproducte häutig die amöboide
Bewegung mit der für die Classe der FlagcUalen
charakteristischen Bewegungsweise und werden
zu G e i s s e 1 s c h w ä r m e r n oder Zoosporon.
Der Körper rundet sich zu einem Oval oder zu
bohnenfönniger Gestalt ab und entwickelt an
seinem vorderen, kernführenden Ende eine oder
mehrere Geissein, welche energischer als Pseudo-
podien schwingen und constant bleiben, so lange
als das Stadium des Geisselschwänners anhält.
(Fig. 117). Da manche Urthiere dauernd neben
den Pseudopodien (Jeisseln besitzen , verwischt
sich die Grenze zwischen Rhizopoden und FUujel-
laten. (Fig. 113.)
Die Rhiu/jx>dtn bilden eine aufsteigende Reihe,
in welcher die .systematischen Merkmale immer
charakteristischer werden, sei es, dass die Korper- mQeb* Mpera (mu.h 'F>
ge.stalt eine bestimmtere wird wie bei den Radiola- K. Schulze).
rien und Hriioxorn, sei es, dass ein Skelet von
gesetzmässiger Form auftritt wie bei den Tlialaniophorrn , sei es endlich,
dass die Furtpflanzungsweise der Gruppe ein bestimmtes Gepräge verleiht
ßlycetoxoenj. Am niedrigsten stehen Moneren und Amöbinen, deren Charak-
teristik vornehmlich eine negative ist, insofern weder Skelet noch Körper-
gestalt noch Fortpflanzungsweise bestimmte systematische Merkmale liefert.
I. Ordnung. Moneren.
Das wichtigste Merkmal der Moneren ist der Mangel eines
Kernes. Wie jede negative Charakteristik, so hat auch die vorliegende
etwas Missliches. In vielen Fällen sind Kerne sehr schwierig nachzu-
weisen, besonders wenn das Protoplasma reichlich und von Farb-
stoffkörnchen getrübt ist; und so können Thiere als kernlos be-
schrieben werden , nur weil die vorhandenen Kerne übersehen worden
waren. Früher war daher die Zahl der „Moneren" eine sehr grosse;
sie schrumpfte zusammen, als die Technik im Nachweis der Kerne
sich vervollkommnete. Somit ist es sehr wohl möglich, dass die wenigen
jetzt noch als Moneren geltenden Formen Kerne besitzen. Auf der
andern Seite können mancherlei theoretische Erwägungen zu Gunsten
der Existenz kernloser Organismen geltend gemacht werden. Es ist
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154
Protozoen.
leichter sich vorzustellen, dass bei der Urzeugung zunächst Organismen
entstanden, welche nur von einerlei Substanz gebildet waren, als Or-
ganismen, bei denen sich Kern und Protoplasma schon gesondert hatten.
Als kernlose Organismen werden mehrere Arten der Gattung Protamoeba
beschrieben: Protamoeba vorax Grbr.
H. Ordnung. Amöbinen.
Als charakteristische Repräsentanten der Amöbinen können die
verschiedenen Arten der Gattung Amoeba gelten, Thiere, welche dem
beständigen Wechsel, den ihre Körperform bei der Bewegung erleidet,
ihren Namen verdanken (Fig. 111). Der Formenwechsel wird veran-
lasst durch das Aussenden weniger, stets neu sich bildender und wieder
verschwindender, fingerförmiger Pseudopodien. Der Körper und die
von ihm ausfliessenden Pseudopodien bestehen
aus zwei Schichten, einer weichen , körnchen-
reicheren Innenschicht, dem Entosark (en\
und einer festeren, körnchenarmen Aussen-
schicht, dem Ectosark (ek). Im Entosark
liegen stets Kerne, gewöhnlich nur ein
einziger, seltener eine grosse Anzahl. Der
Kern in) ist ein Bläschen mit grossem Nucleo-
lus oder zahlreichen kleinen Kernkörperchen.
Eine contractile Vacuole ist meistens vorhan-
den. Die Fortpflanzung der Amöben erfolgt
durch Theilung (Fig. 114).
Die meisten Amöben sind aus dem Süß-
wasser bekannt: die grösseren Formen, wie die
2 mm grosse Pelomyxa palustris Greeff, leben im
Schlamm von Tümpeln, kleinere, wie A. proteu*
und A. prinreps Ehrbg., an Wasserpflanzen oder
frei im Wasser schwebend; in feuchter Erde
existirt die sehr kleine Amoclta terricola Greeff.
Auch giebt es unter den Amöben einige Para-
E.Schul/.<0. » Kern, , rr von- siten wie die 0,02 bis 0,035 mm grosse, bei
tra<tile\ acuole, ch Ekfohark, ' , ' , * ~
cn Entosark. nns selten, in heissen Klimaten dagegen häutig
beobachtete Amoetm coli Loesch, welche in den
Dickdarmgeschwüren und Leberabscessen von Menschen, die an Dysenterie
erkrankt sind, in enormen Mengen auftreten und vielleicht auch Ursache
der Erkrankung sind. Ferner ist es neuerdings mehr zur Gewissheit ge-
worden, dass kleinste, in die Blutkörperchen eindringende und dieselben
zerstörenden Amöben (Jlarmamocba malariae Grassi, Laverania malariae
Grassi) die verschiedenen Formen des Wechselfiebcrs veranlassen ; dieselben
werden von den meisten Beobachtern zu den Gregarinen gestellt, weil sie
sich innerhalb der Blutkörperchen wie Gregarinen in eine grössere Zahl von
Keimlingen (10 — 20) theilen, welche zu einer Rosette („ Gänseblümchen")
gnippirt sind.
Fig. IM. Anioeha pnly-
potliii in Tlwilung (nach F.
m. Ordnung. Heliozoen, Sonnentbierohen.
Die Heliozoen verdanken ihren Namen „Sonnenthierchen" der Kugel-
gestalt ihres Körpers und den wie Strahlen radienartig angeordneten
Pseudopodien. An letzteren unterscheidet man einen feinen, eine Art
Skelet bildenden organischen Axenfaden und einen dünnen Ueberzug
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L Rhizopoden: Heliozoen.
155
körnigen Protoplasmas. Verästelungen und Anastomosen sind selten
und treten gewöhnlich nur auf, wenn die radiale Anordnung der Pseudo-
podien durch Druck gestört wird. Der Körper besteht aus einer
Rinden- und einer Marksubstanz (Fig. 115), welche beide nur durch
M
n
CT
Na
R
er Xa
Fig. 1 15. Actinosphaerium Eiehhomi. M Mnrksulwtnnz mit Körnen (w). ÄRindan-
mbetanz mit coQtractflen Vacoolen cc, Na Nahrangsktoper.
verschiedene Beschaffenheit des Proto-
Slasmas, nicht aber durch eine trennende
[embran von einander geschieden wer-
den. In der Rinde liegen die contrac-
tilen Vacuolen (cv) ; in der Marksubstanz
der meist einfache Kern. Zu den wenigen
vielkernigen Formen gehört das schönste
und grösste Sonnenthierchen des süssen
Wassers, das Actinosphaerium Eiehhomi.
Viele Heliozoen besitzen ein Kieselskelet,
entweder eine Gitterkugel (Fig. 117) oder
radial angeordnete Stacheln, oder tan-
gential gestellte Nadeln; seltener sind
gänzlich skeletlose Formen. Aber auch
diese letzteren haben die Fähigkeit bei
der Encystirung kieselige Umhüllungen
zu bilden, wie Actinosphaerium Eichhorni
lehrt (Fig. l«k Rg. 116. Cvi*tc mit TuchtercysU-n
Die F o r t p f 1 a n z u n g erfolgt durch von ^Aetino&kaernm Eichhorni
Theilung, wobei es vorkommen kann, (nach F. E. Schulze).
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150
Protozoen.
dass eines oder beide Theilstücke zu Schwärmsporen werden, d. h.
eine ovale Gestalt annehmen und an einem Pol 1—2 Geissein
erhalten (Fig. 117). Mit den Geissein verbreiten sich die Helio-
zoenschwärmer weithin, ehe sie wiederum zur Kugclform zurück-
kehren und unter Verlust der Geissein Pseudopodien aussenden. Häutig
kommt es vor, dass mehrere Helioeoen gleicher Art mittelst Proto-
plasmabrucken verschmelzen und so Verbände von 2—10 Thieren bilden:
doch ist es bisher nicht gelungen zu beweisen, dass diese ,,Conjugationen"
einen Einfluss auf die Fortpflanzung haben.
Wir unterscheiden
skeletlose und skelet-
bildendc Formen. Ein
Skelet besitzt: Cfathnt-
linu rfrynns Cienk.,
Skelet eine Gitterkugel
von einem Stiel getra-
gen (Fig. 117). Affm-
thocy.stis turfarea Cart.,
Skelet bestellt aus zahl-
reichen radial gestellten
Stacheln , welche cen-
tralwärts mit einem
Fussplättchen beginnen
und nach der Peripherie
sich gabeln. Zu den
skeletlosen Formen ge-
hört vor Allem d as schon
im vorigen Jahrhun-
dert von 0. F. M fl 1 1 e r
entdeckte und vom
Pfarrer Eichhorn
wieder neu aufgefun-
dene A'-finosj/lmeriunt
Eichhorn i Ehrbg. (Fig.
115); Körper milch-
weiss, stecknadelkopf-
gross, Protoplasma nach
Fier. 117. Clathnilina vlrnaus. A Thier mit auüjre-
*treekten Ps< udojMwlicii. // Individuum in 2 Cysten p>
t heilt, V Z<x»si>ore. n Kern, rc contractile Vacuole.
Art von Seifonschaum von Flüssigkeitsvacuolen durchsetzt, deren verschie-
dene Gestalt und Grösse den Unterschied von Rinden- und Marksubstanz
bedingen. In der Rinde mehrere contractile Vacuolen, im Mark zahlreiche
Kerne. Bei der Encystirung verschwindet die schaumige Beschaffenheit
des Protoplasmas; innerhalb der Cyste theilt sich das Thier in zahlreiche
einkernige Stücke, welche sich mit besonderen, aus Kieselsäure bestehenden
Hüllen umgeben (Figur 116). Die aus den Cysten auskriechenden jungen
Thiere sind klein und einkernig und gleichen dann einer zweiten hierher
gehörigen, kleineren Art, der A'tinophn/s sol Ehrbg.
IV*. Ordnung. Radiolarien.
Die Radiolarien, die formenschönsten und höchst organisirten
Rhizopoden erinnern in ihrem Habitus sehr an die Heliozoen; sie haben
einen kugeligen Körper, welcher nur selten durch Abplattung in die
Scheibenform oder durch ungleichmäßiges Wachsthum in kegelförmige
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I. Rhizopoden: Radiolarien.
157
oder lappige Gestalten übergeführt wird. An die Hcliozoen erinnern
ferner die feinen, oft von Axenfäden gestützten Pseudopodien. Das
unterscheidende Merkmal ist in der C c n t ral k ap s e 1 gegeben. Unter
diesem Namen versteht man einen von einer Membran umschlossenen,
centralen Theil des Körpers, während man die nach aussen davon ge-
legenen Theile als ext racapsu lären Weichkörper zusammen-
faßt. Die Central kapsei ist der wichtigste Abschnitt desThieres;
mit Prüparirnadeln aus dem extracapsulären Weichkörper herausgeschält,
lebt sie nicht nur weiter, sondern regenerirt sogar die verloren ge-
gangenen Partieen, während der extracapsuläre Weichkörper ohne
Centralkapsel zu Grunde
geht. Da das Proto-
plasma beider Theile, die
intracapsuläre und die
extracapsuläre Sarkode,
identisch ist , kann der
Unterschied im Regene-
rationsvermögen nur
durch die Kerne veran-
lasst sein, welche in
ihrer Verbreitung auf
die Centralkapsel be-
schränkt sind.
Die Centralkap-
sel kann ein- oder viel-
kernig sein. Im erste-
ren Fall liegt der Kern
als ein Bläschen von an-
sehnlicher Grösse (Rin-
nenbläschen) im Cen-
trum (Fig. 118); im
zweiten Falle ist der
Kapselinhalt ganz durch-
setzt von Hunderten klei-
ner homogener Kerne.
Jedes Radiolar ist in
der Jugend einkernig
/mm w
Fig. 1 1 s.
'Ihntassirnlla primjira. Tin ( Vntruin der Kern
und zur Zeit der Schwär- (Wniirnbii«.h.MO mit pvundYmm Xudeolus, darum die
. .. , ... ( «-ntralkapsH mit < irlku^i-ln . um ine»»' «irr • xtracapsu-
inerblldung vielkernig. )än, V\Yichkörner mit Vaninlon (« xtnuansulän n Alveo-
Der Umstand, dass man len), gelben Zellen (schwarz) und Pseudopodien,
bestimmte Arten fast
stets einkernig, die andern fast stets vielkernig antritft, hängt damit zu-
sammen, dass im enteren Fall die Einkernigkeit lange Zeit Restand hat
und erst kurz vor der Schwärmcrbildung in die Vielkernigkeit übergeht,
wahrend im zweiten Fall sich die Umbildung frühzeitig vollzieht.
In der Centralcapscl können noch mannichfache Ablagerungen,
welche während der Fortpflanzung zur Ernährung dienen, wie Oelkugeln,
Concretionen etc, aufgestapelt sein.
Die die Centralkapsel umschliessende K a p sei m em b ran ist ent-
weder allseitig von vielen Porenkanälen durchbohrt oder besitzt nur an
beschränkten Stellen kleine OerTnungen. Durch die Poren und OefT-
nungen tritt die intracapsuläre Sarkode hervor und breitet sich im
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158
Protozoen.
extracapsulären Weichkörper aus. Dieser besteht der Haupt-
raasse nach aus einem Gallertmantel, welchen das Protoplasma mit einem
feinen Netzwerk durchzieht, ehe es an der Oberfläche die Pseudopodien
bildet Bei grösseren Radiolarien kann der Gallertmantel eine beträcht-
liche Ausdehnung erfahren, indem sich Vacuolen (extracapsulärc Alve-
olen) in dem protoplasmatischen Netz entwickeln (Fig. 118).
Mit wenigen Ausnahmen besitzen die Radiolarien Skelete von
wunderbarer Schönheit; man findet gegitterte Kugeln, einzelne oder
mehrere in einander geschachtelt und durch radiale Stäbe verbunden
(vergl. Fig. 82 auf Seite 108), auf ihrer Oberfläche häufig mit stachel-
artigen Aufsätzen verziert. Oder es sind gegitterte Scheiben, heim-
oder käfigartige Gehäuse (Fig. 120), schwammige Gerüste. In anderen
Fällen endlich begegnet man Ringen, Röhren, Stacheln, welche im
Centrum der Centraikapsel zusammenstossen (Fig. 119) etc. Selten
Fig. 110. Fig. 120.
körper, n Kerne, St Stacheln.
P Pseudopodien.
Fig. 120. Eu-eurtidinm
rranwides (nach Haeckel).
sind die -Skelete nur von organischer Substanz (Acanthin) gebildet,
meist sind sie k i e s e 1 i g und von ausserordentlicher Festigkeit. Da-
her finden sich auch die Skeletreste von Radiolarien in vielen geologischen
Schichten; die berühmtesten Fundstätten sind die Berge von Caltani-
setta in Sicilien (Tertiär) und die ebenfalls der Tertiärzeit angehörigen,
an Radiolarien noch reicheren Gebirge der Nicobareninseln und der
Insel Barbados. Neuerdings wurden Radiolarien als älteste zur Zeit
bekannte Versteinerungen in Quarziten der archäischen Formationen
in der Bretagne entdeckt.
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1. Rhizopoden: Radiolarien.
150
Von der Fortpflanzung der Radiolarien kennt man zunächst
Tlieilungen, welche mit der Theilung der Centralkapsel (bei einkernigen
Formen mit der Theilung des Kerns) beginnen und meist auf den extra-
kapsulären Weichkörper sich fortsetzen. Unterbleibt die Theilung des
letzteren, so kommt es zur Coloniebildung. In einer gemeinsamen,
allmählig wachsenden Gallerte liegen zahlreiche C'entralkapseln, unter
einander durch Protoplasmanetze verbunden, welche an der Oberfläche
der Colonie die Pseudopodien bilden (Fig. 122). Eine zweite Art der
Fortpflanzung ist die Fortpflanzung durch Schwärmer, welche
immer erst eintritt, wenn der Kern der Centralkapsel sich in Hunderte
oder Tausende von Tochterkernen verwandelt hat. Der Centralkapsel-
inhalt zerfüllt dabei in so viel Stücke, als Kerne vorhanden waren; die
kernhaltigen Stücke werden oval oder nierenförmig, entwickeln zwei
Geissein, welche bald lebhaft zu schlagen beginnen, so dass der Inhalt
der Centralkapsel in tumultuarische Bewegung geräth. Indem die
Kapselmembran platzt, schwärmen die jungen FortpHanzungskörper
aus, womit unsere Kenntnisse von dieser Form der Fortpflanzung ab-
schliessen (Fig. 121). Da bei vielen Arten grosse und kleine Schwärmer,
Makro- und Mikrosporen, vorkommen, ist vielleicht behufs weiterer Ent-
wicklung eine Copulation verschiedenartiger Schwärmer nöthig.
Fig. 121. Fig. 122.
Sehr verbreitet, wenn auch nicht constant, sind im Körper der
Radiolarien die gelben Zellen, welche früher irrthümlich für Theile
des Radiolars gehalten wurden; sie sind einzellige Algen (Zooxanthellen),
wie sie auch bei anderen Thieren {Thalamophoren, Actinien, Schwämmen etc.)
vorkommen ; sie liefern uns ein Beispiel für die Symbiose oder das Zu-
sammenleben verschiedenartiger Organismen zu gegenseitigem Nutzen.
Die neue Auffassung gründet sich darauf, dass die gelben Zellen
eine Membran besitzen, stärkeartige Substanzen erzeugen, unabhängig
vom Radiolar sich theilen und nach dessen Tode fortleben.
Die Radiolarien sind ausschliesslich Meeresthiere ; sie schwimmen
bei gutem Wetter vielfach frei an der Oberfläche des Meeres, steigen
aber bei Regen oder Sturm in die Tiefe hinab. Bestimmte Arten, ja
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K5o
Protozoen.
ganze grosse Gruppen wie die Phaeodarien findet man fast ausschließ-
lich in grossen Meerestiefen von 7000 Meter, vielfach bei Tempe-
raturen, welche wenig unter oder über 0° C. betragen.
I. Unterordnung. P c r i p y 1 e e n oder S p u m o 1 1 a r i e u. Die
Kapsel niembran ist allseitig von Porencanäleu durchsetzt, Skelet fehlt oder
besteht aus kieseligon Gitterkugeln, welche öfters zu einem spongiösen
Netzwerk aufgelöst oder zu Scheiben abgeplattet sind; die Gitterkugeln
können mit Stacheln und Verbindungsstäben ausgerüstet sein. Hierher ge-
hören die coloniebildenden Sjthaeroxin n (Fig. 122), die grossen 'flialassünlkn
(Fig. 118), die gitterschaligen lhiliomnifii (Fig. 82), die scheibenförmigen
Disciilat, ('f)lloxotintin'nmr H.. Tholnssirolln prhif/itv H.
II. Unterordung. Acantharien. Die Kapselmembran ist eben-
falls allseitig durchbohrt; 20 Stacheln, welche aus einer organischen Sub-
stanz, dem Acanthin bestehen, vom Centrum des Thieres ausstrahlen und
äusserst gesetzmässig (Mnller'sches Gesetz) angeordnet sind, bilden das
Skelet ; sie sind von Gallertscheiden, die von besonderen Muskelchen be-
wegt werden, umhüllt: Armifhfir/iffmt, oder die Stacheln sind unter einander
durch Gitterku^eln, die aus 20 Eiuzelplatten bestehen, verbunden:
Atonfhojthndhti. Aranthttmrtm rhsfitti H. (Fig. 119).
III. Unterordnung. Monopyleen oder Nassellarien. Die
Centralkapsel besitzt nur an einem Ende feine Poren zu einem Porenfeld
vereinigt. Die bekanntesten Monopyleen sind die (.[t/rtidrn. Radiolarien mit
zierlichen, Helm- oder Käfig-artigen Gehäusen und die Strphoitlceu mit einem
sagittal gestellten Ring. Knnjrtidiuoi enuiiohlcs H. (Fig. 120).
IV. Unterordnung. Phaeodarien Die Centralkapsel hat eine
häufig röhrig ausgezogene, von dunklem Pigment (Phaeodium) umhüllte
Hauptöffnung, zu der noch kleinere Nebenöffnungen hinzutreten können.
Skelet kieselig, aus hohlen Einzelstücken gebildet. Die Phaeodarien sind
meist Tiefseebewohner und sind daher zum grössten Theil erst neuerdings be-
kannt geworden ; oberflächlich leben die Aithtroiit/iftt, Aulnsphaerru. Corlodrwhr/i,
Thiere, welche meist die Grösse von 0,5—1,0 mm erreichen. Vorlodendrnm
almtininn H.
V. Ordnung. Thalamophoren oder Foraminiferen.
Die Thalamophoren, früher und vielfach auch jetzt noch Forami-
niferen genannt, sind zwar den Radiolarien an Mannichfaltigkeit und
Schönheit der Erscheinung nicht ebenbürtig, sind ihnen dagegen an
Individuenzahl bedeutend überlegen und besitzen daher für die Umge-
staltung der Erdoberfläche eine viel grössere Bedeutung. Keiue Thier-
abtheilung hat an der Ablagerung neuer Gesteinsschichten in Gegen-
wart und Vergangenheit einen so grossen Antheil gehabt wie sie.
Das wichtigste Merkmal der Gruppe ist in der Schale gegeben:
diese ist ein Gehäuse, welches an einem Ende geschlossen ist, am
anderen Ende gewöhnlich mittelst einer zum Durchtritt der Pseudo-
podien dienenden Oeffnung nach aussen mündet (Fig. 123). «le nach-
dem die durch diese beiden Pole gezogene Axe verkürzt oder verlängert
ist, ist die Schale Scheiben- oder sack- oder flaschenförmig oder gar in
Folge spiraler Einrollung schneckenhausartig. Meist kommt hierzu noch
das weitere Merkmal, dass der IJinncnrauiu der Schale durch quere
Scheidewände in zahlreiche Kammern abgetheilt ist (Fig. 124). Solche
v i e 1 k a m m e r i g e Schalen ( Pohfthalamien) sind anfangs klein, ein-
kammerig oder nur aus wenigen Kammern gebildet, vergrössern sich
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I. Rbizopoden : Thalainophoren oder Foraminiferen.
161
aber, solange das Wachsthum des Thieres andauert, indem an der
Schalenmündung
neue
an Grösse zunehmende Kammern entstehen.
Oeffnungen in den Scheidewänden (Foramina) verbinden dabei die
Binnenräume der aufeinanderfolgenden Kammern. Die spiral eingerollten,
vielkammerigen Gehäuse haben eine überraschende Aehnlichkeit mit den
ausserordentlich viel grösseren Schalen der Nauliliden (Fig. 340), was
lange Zeit selbst hervorragende Forscher wie d'Orbigny veranlasste,
die Foraminiferen für kleine Cephalopoden zu halten.
Fig. 123. Qttodrula .symme-
trica (nach F. E. Schulze), n
Kern, er contraetile Vacuolc, .V
Nalirungskörper.
Fig. 124. Junge Miiiofa [mit
vielen Kernen (aus Lang).
Die Wand der Schale ist bei den Sflsswasserformen durch eine
organische chitinöse Substanz gebildet , welche an Festigkeit gewinnen
kann, indem sie verkieselt oder Fremdkörper in sich aufnimmt. Die
typischen, ausschliesslich marinen Vertreter der Gruppe besitzen da-
gegen fast stets Gehäuse von kohlensaurem Kalk, welche bei Behand-
lung mit Säuren unter Kohlensäureentwicklung sich lösen und nur
geringe Spuren einer organischen Grundlage hinterlassen. Auf mannich-
fache Reliefzeichnungen der Schale, wie Dornen, Stacheln, Leisten,
Höcker etc., sei hier nur kurz hingewiesen. Systematisch wichtiger ist
die Frage, ob die Schalen wand solid oder von feinen Poren-
c analen durchsetzt ist; letzteres ist bei den
perforaten Thalainophoren der Fall (Fig. Hl*).
Der Weichkörpor bildet einen mehr oder
minder vollkommenen Ausguss der Schale und be-
steht daher bei vielkammerigen Arten aus vielen
der Zahl der Kammern entsprechenden Stücken,
welche aber sämmtlich untereinander verbunden
sind, indem Plasmabrücken die „Foramina" der
Scheidewände durchsetzen (Fig. 125). Im Proto-
plasma findet sich ein grosser Kern (Fig. 123,
125 n), welcher aber häufig frühzeitig durch eine
Tochtergeneration kleiner Kerne ersetzt werden
kann. Contraetile Vacuolen kommen im
Allgemeinen nur den Süsswasserbewohnern zu. Die Schale erhalten, n Kern.
HertwU, Uhlbach der Zoologie. 3. AutUge. | [
Fig. 12"». Weichkör-
ner einer Qlobigerina
durch Auflösen der
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102
Protozoen.
Pseudopodien verlassen die Schale durch die am Ende der Schalen-
axe befindliche Hauptöffnung, bei den Perforaten vielleicht auch durch
die Poren der Schalenwand; sie sind selten lappig oder fingerförmig
(Fig. 123), viel häufiger fadenförmig, verästelt, reich an Körnchen und
Anastomosen und daher zum Studium der Körnchenströmung vorzüglich
geeignet (Fig. 112).
Die Fortpflanzung erfolgt im Allgemeinen durch Theilung, ist
aber im Uebrigen sehr verschiedenartig. Selten theilt sich das Thier
sammt seiner Schale; häufig dringt das Protoplasma aus der Schalen-
mündung heraus und bildet einen Auswuchs, um den sich eine zweite
Schale anlegt, worauf bei der Theilung das eine Thier die neue, das andere
die alte Schale für sich in Anspruch nimmt. Für die marinen Poly-
thalamien scheint allgemein folgende Entwicklungsweise zu gelten. Der
vielkernige Inhalt eines Thieres zerfällt in zahlreiche einkernige Stücke,
welche sich schon innerhalb der mütterlichen Schale mit kleinen , aus
einer oder wenigen Kammern bestehenden Schalen umgeben.
I. Unterordnung. Monothalamien. Die einkammerigen Thala-
mophoren bewohnen vorwiegend das Susswasser. Die Süsswasserformen
haben niemals eine Kalkschale; die Schale ist entweder rein chitinös oder
verkieselt oder durch eingeklebte Fremdkörper erhärtet. Contractile Va-
cuolen werden nur ausnahmsweise vermisst ; die Pseudopodien sind sehr
verschiedenartig: lappig, fingerförmig, fadenartig, verästelt oder un verästelt,
körnchenfrei oder körnchenreieb.
a) Arten mit fingerförmigen Pseudopodien: Aredia vulgaris Ehbg.
Bräunliche, scheibenförmige Schale, 2 oder viele Kerne. Quadrula sym-
metrica F. E. Schulze (Fig. 123). Schale aus vielen quadratischen Plätt-
chon zusammengefügt. Diffluyia proteiformis Ehbg. Schale durch einge-
kittete Fremdkörper erhärtet, b) Arten, mit verästelten fadenförmigen
Pseudopodien: Ewjhjpha ahcolata Duj. Schale aus ovalen Plättchen. Gromia
oviformis Duj. (Fig. 17 S. 51) Schale ein häutiger Sack, maiin.
II. Unterordnung. P o 1 y t h a 1 a m i e n. Die vielkammerigen Tha-
lanwpiwren sind ausschliesslich Meeresbewohner; entweder sitzen sie an
Küstenpflanzen oder sie leben am Meeresgrund oder sie schwimmen pelagisch.
Die Schalen der abgestorbenen Thiere kommen, sofern sie nicht durch die
Kohlensäure des Meeres gelöst oder wenigstens zerstört werden, im Meeres-
grund in so enormen Mengen vor, dass ein Gramm feingesiebten Sandes
an günstigen Punkten etwa 50 000 Schalen enthalten kann. Da die Schalen
vorwiegend aus kohlensaurem Kalk mit nur geringen Beimengungen orga-
nischer Grundsubstanz bestehen, so haben sie zu allen Zeiten einen ganz
hervorragenden Autheil am Aufbau der Erdrinde besessen. Gewaltige
Erdschichten, wie die Kreide, der Grünsandstein, die Nummulitenkalke,
bestehen vorwiegend aus Foraminiferenschalen. — Die lebenden Arten
haben eine durchschnittliche Grösse von etwa 1 mm, selten sind mehrere
cm grosse Thiere (Psammonyx vulcanicus Dödl. 5 — G cm) ; unter den fos-
silen erreichen die Xummiditcn Duchmesser bis zu 6 cm. — Die Eintei-
lung gründet sich auf die Structur der Kammerwand.
1. Impcrforatm. Schalenwand massiv, die terminale Pseudopodienöff-
nung ist die einzige Communication des Schaleninnern nach aussen. Miliola
cyäostoma M. Schultze (Fig. 124).
2. Perforaten. Schalenwand von zahlreichen feinen Poren durchsetzt,
PseudopodienötFnung kann fehlen. Polystoniella strigülata M. Schultze, I&-
talia Freyeri M. Schultze (Fig. 112) am Meeresgrund lebend; Qhbigerina
bidloidcs d'Orb. pelagisch (Fig. 125). Von fossilen Formen sind besonders
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I. Rhizopoden : Mycetozoen.
die Nummuliten zu nennen, ferner das den uralten laurentischen Schichten
Canadas und Böhmens entstammende Eoxoon canadeiise Dawson , dessen
thierische Natur jedoch von den meisten Beobachtern bestritten wird.
VI. Ordnung. Myeetozoon.
Die Mycetozoen oder Schleimthiere werden von einem Theil .der
Forscher zu den Thieren, von einem anderen Theil dagegen unter dem
älteren Namen Myxomyceten {Schleimpilze) zu den Pflanzen gestellt.
Erstere Auffassung gründet sich auf den Bau der beweglichen Zu-
stände, der Plasmodien, letztere auf den Bau der an die Pilze er-
innernden Fortpflanzungskörper. — Die Plasmodien bilden
sich bei nassem Wetter auf faulendem Holz als rahmartige, intensiv
roth, orange oder gelb gefärbte Ueberzüge ; sie sind riesige, mehrere Centi-
meter grosse Amöben mit netzförmig angeordneten Protoplasmasträngen,
in welchen zahlreiche Kerne und vielerlei gefressene Fremdkörper ein-
bettet sind ; sie kriechen langsam vorwärts , indem vorhandene Proto-
plasmastränge eingezogen, neue gebildet werden. (Fig. 12(3.) Bei ein-
tretender Trockenheit encystiren sich die Plasmodien in eigenthümlicher
Weise; haben sie eine bestimmte Reife erreicht, so bilden sie die
mannichfach gestalteten Fortpflanzungskörper, die Sporen-
blasen (Fig. 127) und die Carpome. Jene sind festwandige Blasen,
der Zoospore tiervorgegangene Amöben, oamata, die linke ist durch den Druck des
die anfangen zum Plasmodium sich zu heraUf-o/ieUenden ( 'apillitium geplatzt und
vereinen d und < Kern und coli- hat die S|x>reu entleert. (Nach de Hary.)
tractile Vacuolc zu sehen) , f Theil
eines Plasmodium (nach Strasburger).
welche häufig auf einem Stiel sitzen, der sich in die Axe der Blase
als Columella': verlängern kann. Der Zwischenraum zwischen Blasen-
wand und Columella ist von einem feinen Sporenpulver und einer
quellungsfähigen , bei vielen Arten jedoch fehlenden Masse ausgefüllt,
welch letztere entweder ein Netz von feinen Fäden (Capillitium) ist
oder aus vielen spiral aufgerollten Strängen (Elateren) besteht. Wenn
bei eintretendem Regen das Capillitium oder die Elateren befeuchtet
11*
H54
Protozoen.
werden, dehnen sie sich aus. bringen die Cystenwand zum Platzen und
schleudern die Sporen weit aus. Im Wasser oder in feuchter Um-
gebung keimen die Sporen: aus den Hüllen treten kleine Amöben
hervor, die bei manchen Arten vorübergellend Geissein entwickeln und
mittelst derselben herumschwiirmen. (Fig. 12(5.) Mehrere Amöben ver-
schmelzen unter einander zu einem kleinen Plasmodium. — Acthatium
septicum Fr., Lohblüthe; Plasmodium gelb, auf Gerberlohe.
II. Classe.
Flagellaten oder Mastigophoren, Geissclinfusoricn.
Bei vielen Ithizopoden sahen wir zur Zeit der Fortpflanzung die
Pseudopodien schwinden und durch 1 — 2 Gcisseln ersetzt werden:
andere Jlhizupoden haben neben den Pseudopodien dauernd oder perio-
disch eine Geissei zum Zweck der Fortbewegung. Solche Geissei-
schwärmer und Geisselrhizopoden leiten zu den Geisseiinfusorien, den
Flagellaten oder Mastigophoren über, b ei denen ständig Gcisseln
vorhanden sind, welche die Fortbewegung und die Nahrungsauf-
nahme vermitteln. Hierher gehören .*» Ordnungen, welche wir sofort
getrennt besprechen wollen: 1) die Autoflagallaten, 2) die Cgstoflagellaten^
.')( die Dino/lagellaten.
I. Ordnung Autoflagellaten.
Alle Autoflagefinten haben unter einander bei oberflächlicher Unter-
suchung eine grosse Aehnlichkeit, einen meist ovalen Körper, dessen
eines Ende gewöhnlich den bläschenförmigen Kern , dessen anderes
Ende die contractile Vacuole beherbergt. Am vorderen Ende findet
sich öfters noch ein rother oder brau-
ner Pigmentfleck, der wahrscheinlich
die Lichtemphndung unterstützt und
daher als ein primitives Auge ange-
sehen werden kann. (Fig. 12S.) Auch
die Geissein sitzen zu 1 oder 2 am
vorderen Ende, und nur wenn grössere
Zahlen (S oder noch mehr) vorhanden
sind, stehen sie über den Körper ver-
theilt. (Fig. 12IO Die Körperober-
fläche ist häutig nackt und dann viel-
fach noch amöboider Bewegungen fähig,
oder sie ist von einer mehr oder
Mnja- minder deutlichen Cuticula überzogen.
Weit verbreitet sind geschlossene Hül-
len und offene, becherförmige Gehäuse
(Fig. i:52) oder einfache und verästelte
Stiele, auf denen die Thiere in klei-
nen Gruppen festsitzen. (Fig. 131.)
Grosse Unterschiede ergeben sich in der Art der Ernährung
und in den hiermit zusammenhängenden Einrichtungen. Viele
Flagellaten fressen wie Thiere, indem sie ähnlich den Rhisopoden
mit Pseudopodien, oder wie Infusorien mittelst einer Mundöffnung ge-
Fijr. l'JS. F.a-
ririt/i.'i
Stein). //
v contrac-
tu.- Vacuole, o
Pigmcntfleck.
ijh im
(nach
Kern .
Fiir. V2(X
ffotiKi ( nli rii-ui»
(nach Grasen von
vorn und in seit-
licher Ansicht ; n
Kern.
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II. Flagellaten : Autoflagellaten.
formte Nahrung aufnehmen. Eine merkwürdige
Einrichtung
besitzen
die Choanoflagellaten (Fig. 131); bei ihnen erhebt sich im Umkreis der
Geissei das Körperprotoplasma zu einem trichter- oder kragenartigen
Aufsatz, dem Collare, an welches die zur Nahrung dienenden
Fremdkörper von den Geisseln herangeworfen werden, um von hier in
das Innere des Thieres zu gleiten. Ausser diesen thierähnlichen
Flagellaten giebt es auch pflanzenähnliche, welche Chlorophyll {Volvo-
cineen und Eugleneii) oder braun gefärbte Chromatophoren [ Chromo-
monad'mcn) enthalten, mit Hilfe derselben assimiliren und so be-
fähigt werden, Paramylum oder sogar ächte Stärke zu erzeugen. Merk-
würdigerweise treten pflanzliche und thierische Ernährungsweise bei
anatomisch einander nahe verwandten Formen auf. Auch kommt es
vor, dass manche Arten ein Cytostom besitzen, ohne geformte Nahrung
aufzunehmen, sei es, dass sie mittelst Chlorophylls assimiliren, sei est
dass sie von flüssiger Nahrung leben (Fig. l.'JO). Alles dies erschwert
die systematische Verwerthung der in der Ernährung'zu Tage treten-
den Unterschiede, lässt zugleich aber erkennen, dass die Flagellaten
nach den verschiedensten Richtungen hin, zu den Rhizopoden, Infusorien
und niederen Pflanzen, Anknüpfungspunkte bieten.
Fig. Ol. Chihniionns
Parnniarritnn. oc Cvtn-
-unu, r contractu«- Ya-
cuole. n Kern. iXach
15iit*ehli).
Fig. 131. ('mlunorla-
dittm unibi Ilatun» (nach
Stein). , *
Fig. V.V2. 'Dhtnhnjoii
Srrtularia (nach Stein).
// eine parasitische Fla-
gellate, die .-ich häufig
in den < »ehäUHen findet,
h der Kern, h die con-
tractile Vaeunlc.
Fig. i:u).
Fig. 131.
Fig. 132.
Die Fortpflanzung erfolgt fast überall durch Zweitheilung; nur die
pflanzenähnlichen Volvocineen bieten besonderes Interesse, indem sie
ausser der ungeschlechtlichen Vermehrung durch Theilung noch eine
„geschlechtliche Fort pflanz u ng" besitzen. Im Verlauf derselben
verschmelzen 2 Individuen vollständig mit einander zu einer Dauer-
spore. Bei dem Colonieen bildenden Volvox globator sind die copu-
lirenden Individuen ungleich gross, indem einige Thiere der Colonie
zu grossen, unbeweglichen Oosporen heranwachsen, während andere
durcli fortgesetzte Theilung kleine, äusserst bewegliche Zoosporen oder
Spermatozoiden liefern. Wenn die Oosporen von den Spermatozoiden be-
fruchtet worden sind, fallen sie zu Boden, umgeben sich mit einer Hülle,
verfärben sich bräunlich und gehen in einen Ruhezustand über, ehe sie
durch Theilung eine neue Colonie erzeugen.
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166
Protozoen.
I. Gruppe. Pflanzenähnlicho chlorophyllführende Flagellaten meist
mit einem Augenfleck. Volum nccn : Volrox glolxitor L. , eine grüne, 0,2 —
0,7 mm grosse Kugel, welche aus vielen tausend Einzelthieren besteht, die
mit ihren Geissein das Schwimmen vermitteln. Euglcnidcen: Englena viridis
Ehrbg. (Fig. 128), einzellebend, färbt durch massenhaftes Auftreten kleine
Wasserpfützen intensiv grün oder in einer rotheu Varietät purpurn. Durch den
Besitz bräunlich-gelblicher Farbstoffplatten sind die Chrysomonadinen aus-
gezeichnet, die sich ganz wie Pflanzen ernähren, selten aber daneben noch
geformte Nahrung aufnehmen. Dinobryon Scrtularia Ehrbg. (Fig. 132).
Tl. Gruppe. Flagellaten mit Collare ChoanoflageUaten, meist kleine,
Colonien bildende Formen. Codonocladium nmbcllatnm St. Zahlreiche Einzel-
thiere in Form eines Büschelcheus auf einem Stiel vereint (Fig. 131).
III. Gruppe. Thierähnlicbe Flagellaten , welche ent-
weder mit Hilfe von Pseudopodien oder einer bestimmten
mehr oder minder zu einem Cytostom differenzirten Stelle
geformte Nahrung aufnehmen, Monadincn. Hierher gehören
ausser zahlreichen frei lebenden Formen mehrere Parasiten
des Menschen; Mcgastoma enicricum Grassi im Dünndarm,
auch von Ratten, Mäusen und anderen Säugethieren (Fig.
Fig. 133. Tri- 129), Cercomonas intestinalis Lambl. und Trichomonas intest i-
chomotias rnyi- ;wjfy Leud^ im Dünndarm ; Trichomonas raginalis Donne
ni!'!u,«n!\ 1 « im katarrhalischen Secret der Scheide besonders bei Schwan-
inocüinann). n „
Kt»rn geren, seltener in der Urethra des Mannes, (flg. 166).
II. Ordnung
Fig. 131. Ceratinm ror-
mitinii, opn vorderes Horn
mit Oeffnung, rsfi rechtes,
aalt
für«
l pulte, v Vacuole, r Knuten-
platte (aus Bütsehli nach
Stein).
« . . ....... H . ,or. . ....v*",
h hintere:* Horn. r/LängR-
rehe, g (Wissel, gs Geisflcl-
Dinoflagellaten, Cilioflagellaten.
Die im Süsswasser und im Meer gleich-
massig verbreiteten Dinoflagellaten werden in
der Neuzeit mehr in die Nähe der Pflanzen
gestellt, weil sie, ausgerüstet mit braunen
Chromatophoren, sich wie diese ernähren. In-
dessen wurde auch die Aufnahme geformter Nah-
rung mittelst einer Mundöffnung beobachtet.
Pflanzenähnlich ist ferner der ausCellulose be-
bestehende Panzer ; derselbe wird durch eine
quere Furche in 2 Stücke abgetheilt, welche zu
einander liegen wie etwa derKelch und der Deckel
eines Pokals. Ausserdem ist eine zu einem Aus-
schnitt verbreiterte Längsfurche vorhanden,
welche die Querfurche kreuzt. Am Kreuzungs-
punkt entspringen 2 Geisseln, von denen die eine
in der Querfurche lagert und den ungeeigneten
Namen „Cilioflagellaten** veranlasst hat, weil sie
wegen ihrer undulirenden Bewegungen bis in die
Neuzeit für einen Wimperring gehalten wurde.
Im Süsswasser sind verbreitet Prridinium
UibukUum Ehrb. und Ceratinm cornutam Ehrb.
iFig. 131 , im Meer Crratium tnpos Ehrb.
m. Ordnung. Cystoflagellaten.
Die Cystoflagellaten besitzen einen von einer Membran umschlossenen
Gallertkörper. Zu ihnen gehören zwei äusserst interessante, in der
Gestalt von einander sehr verschiedenartige Thiere, die Noctiluca miliaris
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II. Flagellaten: Cystoflagellaten.
1G7
(Fig. 135) und der Leptodiscus medusoides (Fig. 136), beide aus-
schliesslich Meeresbewohner.
Fig. 135. Kuctilucn
miliaris. A ganzes
Thier, n Kern, t Ten-
takel, o Mundöffnung,
daneben ,.Zahn" und
„IJpjK'", letztere mit
/"Geiasel, B, C obere*
Ende der Körper-
blase, l>eginnende und
weiter fortgeschrit-
tene Theilung in Zo-
Oiporen, D Zoosporon
UumTheil nach Cien-
kowski).
Die Noctiluca miliaris (Fig. 135) zeigt am schönsten unter den
Seethieren das Phänomen des Meeresleuchtens. Die kugligen, etwa
1 mm grossen Körperchen kommen in so enormen Mengen in manchen
Nächten an die Oberfläche, dass diese bei geringem Wellenschlag leb-
haft [zu funkeln anfängt. Das Leuchten wird wahrscheinlich durch
Oxydationsprocesse im Protoplasma veranlasst, dauert aber bei Ent-
ziehung des Sauerstoffes längere Zeit fort. Die Hauptmasse des Körpers
ist eine Gallertkugel, welche von einer Membran überzogen ist. Die
Membran ist an einer nabelförmig vertieften Stelle des Körpers vom
Cytostom unterbrochen; an derselben Stelle liegt der Kern, umgeben
von einer reichlichen Menge von Proto-
plasma, welches verästelte Stränge durch
die gallertige Grundlage aussendet. Am
Eingang des Cytostoms liegt ferner das
zur Ortsbewegung gar nicht mehr die-
nende Flagellum und der locomotorische
Tentakel. Der Tentakel ist eine band-
förmige Ausstülpung der Körpermem-
bran mit einem quergestreiften, muscu-
lösen Inhalt; er bewegt sich langsam
schwingend hin und her.
Die Noctilucen vermehren sich durch
einfache Quertheilung und ausserdem
durch Schwärmerbildung. Bei letzterer
conjugiren zwei Thiere mit einander
unter Verlust der Tentakeln. Flagellen
und Cytostome. Nachdem eine wechsel-
seitige Kernbefruchtung stattgefunden
hat, gehen sie wieder auseinander ; es
sammelt sich jetzt in jedem Thier das vöii der FiachTgeaeheo! /" Geissei"
Protoplasma zu einer Scheibe, welche Mundöffnung, » Kern, o Zuleitung
durch successive Theilung in zahlreiche z»"« Mund, p Protoplasmastrang.',
einkernige, ovale Keimlinge zerfällt.
Diese sitzen zunächst noch der Gallertkugel auf. später lösen sie sich
ab und ergeben kleine Geisseischwärmer, über deren weiteren Verbleib
bisher keine Sicherheit erzielt worden ist (Fig. 135 B—D).
Fig. 130. Is.pt wlisrus medmoidrs
auf dem_opti*ehen Durchxcluiitt und
m
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U58
Protozoen.
Leptodiscus medusoides (Fig. 136) hat vollkommen die Gestalt
zarter 1 — 1,5 mm grosser Medusen. Die Gallertscheibe seines Körpers
ist auf der Oberfläche von einer Membran bedeckt. Am höchsten Punkt
der Glocken Wölbung liegt eine Protoplasmaanhäufung mit einem einzigen
Kern; von derselben geht einerseits ein zur Mundöffnung ziehender
Strang aus, andererseits ein Canal, welcher an seinem Ende ein feines
Flagellum trägt. Die Thiere schwimmen äusserst schnell wie Medusen
durch Zusammenklappen ihres Schirms, was durch zarte, auf der con-
caven Seite verlaufende Muskelfasern bedingt wird.
III. Classe.
Cillateii, Wiraperhifusorlen.
Mit den Rhizopoden rivalisiren an Mannichfaltigkeit der Arten
und Reichthuin der Individuen die Wimperinfusorien oder Ciliaten.
Thiere von so complicirtem Bau, dass derselbe lange Zeit als ein sicherer
Beweis der Vielzelligkeit galt. Erst im Laufe der letzten zwei De-
cennien sind die Zweifel an der Einzelligkeit der Thiere vollkommen
gehoben worden.
Alle Infusorien haben eine für die jeweilige Art bestimmte Körper-
gestalt; dieselbe ist bei den „ametabolcn" Formen vollkommen unver-
änderlich, während die „metabolen" Infusorien unter Einschnürungen der
Körperoberfläche sich durch enge Passagen hindurchwinden können ; nach
Ueberwindung des Hindernisses kehren jedoch auch sie zur normalen Ge-
stalt zurück. Die Constanz der Körpergestalt hängt mit der Erhär-
tung der Oberfläche zu einer gegen die Sarkode mehr oder
minder deutlich abgesetzten Cuticula (Pellicula) zusammen, welche
bei den ametabolen Formen panzerartige Festigkeit gewinnt, bei den
Metabolen dagegen eine grosse Biegsamkeit bewahrt. Die Cuticula wird
von den Wimpern oder Cilien bedeckt, kleinen, schwingenden Fort-
sätzen, welche nicht einzeln, sondern in grösseren Mengen gleichzeitig
bewegt werden und sowohl zur Fortbewegung als auch zum Herbei-
strudeln der Nahrung dienen ; sie bilden das systematisch wich-
tigste Merkmal der Classe.
Die Anwesenheit einer Cuticula macht die Einrichtung eines
Cytostoms (o) nöthig, da die Nahrungskörper durch die Cuticula
nicht hindurchgepresst werden und daher nicht mehr an jeder Stelle in
den Körper hinein gelangen können. Die Cuticula sammt ihrer Be-
wimperung senkt sich an einer Stelle trichterartig in das Körperinnere
hinein und bildet eine Art Speiseröhre (Cytopharynx) ; am Grund der-
selben ist sie unterbrochen, so dass hier Wasser und Körperproto-
plasma mit einander in Berührung kommen. Durch das Schlagen der
Wimpern wird Wasser und darin suspendirte Nahrung durch den Mund
aufgenommen und gegen das Protoplasma gepresst, welches dem Druck
nachgiebt. Indem sich die so entstandene Aussackung allmählig ab-
schnürt, entsteht eine Flüssigkeitsansaminlung im Protoplasma, eine
Nahrungsvacuole (»«), welche von der Strömung im Innern des Körpers
erfasst und herumgetragen wird. War ein Nahrungskörper in die
Vacuole hineingerathen , so wird derselbe verdaut, das Unverdauliche
an einer bestimmten, für gewöhnlich in keiner Weise ausgezeichneten
Stelle, der Cytopyge (Zellenafter), ausgestossen.
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III. Ciliaten: Bau.
Contractile Vacuolen {ev) fehlen nur selten (bei Meeres-
bewohnern und Parasiten); sie sind constant in Zahl und Lagerung
and besitzen oft zuführende Canäle, welche ihren Inhalt in die Vacuole
entleeren, während diese ihn weiter nach aussen befördert. Inconstante
Vorkommnisse sind Triehocystcn , Nesselkapseln und Muskeltibrillen.
Trich oey S t en sind kleine Stäbchen, welche senkrecht zur ÜberHäche
in der Rindenschicht des Körpers gestellt sind und bei Behandlung mit
Reagentien (am besten Chromsäure) sich in einen die Cuticula durch-
bohrenden Faden verlängern. Auf Grund dieser Erscheinung haben
manche Forscher sie für Vertheidigungs- und Angriffswaffen ähnlich
den Nesselkapseln der Coelenteraten erklärt, während andere sie für
Taststäbchen halten; mit den Cilien stellen sie in keiner Verbindung.
Echte Nesselkapseln wurden äusserst selten beobachtet, häufiger
M u s k e 1 f i b r i 1 1 e n , welche dann zwischen Cuticula und Ectosark ver-
laufen und ihre Anwesenheit durch rasche, zuckende Bewegungen des
Thieres verkünden.
Fig. Pttrotnaeciutn
cauaatum (hall>sehematii?ehj.
/.- Koni, tut Nebcnkern , o
Mundöffnung (( 'vtostotu),
na' Nahrungsvaenole in Bil-
dung begriffen, na Nahrnngs-
vaeuole, r/eontnutile Vacuole
im rontrahirteu, er' im aus-
gedehnten Zustand, / Trieho-
eysten, hei V hervorgeaekleu-
dert.
Fig. 138. Pammaecium
ttitrrh'a in Theilung, daneben
in Fig. '_' dir Art , wie auf
einem früheren Stadium das
( \tostom des hinteren Thieres
durch Ahsehnürung vom vor-
handrnrn entsteht, k Haupt-
kern, ///,• Nebenkcri), 0 Mund-
öff nung de* vonleren Theil-
stüeks, nk' /;' <>' des hinteren
Theilslüeks.
Aeusserst interessant sind die K e r n v e r h ä 1 1 n i s s e , insofern eine EfitaEf
Sonderling in zweierlei, physiologisch ungleichwerthige Kerne, Haupt-"
und Neben kern, eingetreten ist. Der Hauptkern (Nucleus der
älteren . Macronucleus der neueren Autoren) ist ein grosser, ovaler,
Stäbchen- oder rosenkranzförmiger Körper, der sich intensiv in Farbe-
flüssigkeiten färbt und von einer festen Membran umschlossen ist. Seine
Aufgabe besteht wahrscheinlich darin , dass alle gewöhnlichen Lebens-
verrichtungen (Bewegung. Ernährung etc.) sich unter seinem Einfluss
vollziehen. Neben demselben oder in einer Nische eingebettet liegt
der sehr viel kleinere Neben kern (Micronucleus, früher Nucleolus
genannt), der sich gewöhnlich schwächer färbt und nur bei den Fort-
pflanzungserscheinungen eine Rolle spielt. Da er bei allen geschlecht-
lichen Vorgängen besonders in den Vordergrund tritt, kann man ihn
geradezu Geschlechtskern nennen.
Die Vermehrung der Infusorien erfolgt durch Zweitheilung Th«uung.
(Fig. 138), seltener und dann nur im encystirten Zustand durch Theilung
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ITC)
Protozoen.
in zahlreiche (bis zu CA) Stücke; bei Veritrichen und Suctorien wurde
auch Knospung beobachtet. Stets theilt sich zuerst der Nebenkern
unter Spindelbildung, sehr viel später der Hauptkern durch Streckung
und bisquitfönnige Einschnürung. Die alte Mundöffnung (o) verbleibt
I. I DI
Fig. 13'.». Oonjugation von Faramam'nni. nk Nebenkern, k Hauptkcrn der
cnnjugirenden Thiere.
I. Der Kobenkern «rändelt Bich zur Spindel um, im linken Thier Sichclstndiuni,
rechts Spindclstadium.
II. Zweite Theilung «Ii s Nel)enkerns in die Hnuptspindel (links mit /, rechts
mit 5 bezeichnet) und « 1 i« • Nehenspindeln [links 2, /. recht« 6, 7, 8).
III. I)ie Neltenspindeln in Uüekbildung < links 2. .7, ■/. rechts 6, 7, S\ die
Hnuptspindeln tbeilen sieh in die männliche und die weibliche Spindel, links 1 in
Im und lir, rechts in 5 m und 5w.
IV. Austausch der männlichen Spindeln nahe/u vollendet (Befruchtung); die-
pcIImmi stecken noch mit einem Ende in ihrem Mutterthier, mit dem andern Ende
haben sie »ich mit der weiblichen Spindel des zweiten Paarlings vereint, Im nüt
5 ir und 5m mit ltr. Hauptkcrn in Theilstücke ausgewachsen.
V. Die ans Vereiniguni: von männlichen und weiblichen Kernen entstandene
primäre Theilsnindel theilt sich in die secundaren Theilspindeln und t".
VI. und \ II. Nach Aufhebung der Conjngntion. Die secundaren Theilspindeln
theilen sich in die Anlagen »1er neuen Nelx-nkerne {nk') und die Anlagen des neuen
Hauptkerns pt ( l'lacenten). Der zerstückelte alte Hauptkcrn fängt an zu zerfallen.
(Da Paratnnfvium eattdatum für die AnfangHgtadfen, P. aurelia für die Endstadien
leichter verständliche Verhältnisse bietet, wurde für I— III P mudatum, für IV— VII
P, aurelia gewählt. Der rntersehied IwMder Arten beruht darauf, dass P. caudainm
einen Nebenkern, P. aurelia deren zwei hat, dass l»ei letzterem der Kernzerfall
schon auf Stadium I beginnt.)
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III. Ciliaten: Conjugation.
171
im vorderen Theilsprössling, doch schnürt sich öfters von ihr eine
Ausstülpung (Fig. 138 2 o) ab, welche dem hinteren Sprössling zufallt
und sich in ihm zu einer neuen Mundöffnung entwickelt.
Die Perioden der Theilung werden von Zeit zu Zeit durch die ge- conjo*»«©i».
schlechtlichcn Vorgänge der Conjugation unterbrochen, welche wir
im Folgenden für die Paramaecien schildern wollen (Fig. 139). Zwei
Paramaecien legen sich zunächst mit den vorderen Enden, später mit
ihrer ganzen ventralen Seite an einander, so dass Mundöffnung gegen
Mundöffnung steht. In der Nachbarschaft der letzteren bildet sich auf
vorgerückten Stadien der Copulation eine Verwachsungsbrücke : schliess-
lich gehen die Thiere auseinander und regeneriren ihre verloren ge-
gangenen Mundöffnungen. Während sich diese äusserlich leicht er-
kennbaren Vorgänge abspielen, hat sich im Innern eine vollkommene
Umgestaltung des Kernapparats vollzogen. Der Hauptkern wächst in
Fortsätze aus, welche sich in kleine Stücke zerlegen ; diese verschwinden
in den ersten Tagen nach aufgehobener Copulation (wahrscheinlich
meist durch Resorption) und machen einem neuen Kern Platz, welcher
dem Nebenkern seine Entstehung verdankt. Die Nebenkerne werden
am Anfang der Copulation zu Spindeln, welche in jedem Thier durch
zweimalige Theilung vier Spindeln liefern. Von den vier Spindeln gehen
drei, die Nebenspindeln, zu Grunde und erinnern so an das Schick-
sal der Richtungskörper bei der Eireife; die vierte, die Haupt-
spindel, stellt sich in der Gegend der Mundöffnung senkrecht zur
Körperoberfläclie ein und theilt sich aufs Neue in zwei Kerne, den
oberflächlichen Kern, den Wanderkern oder männlichen Kern,
und den tiefer gelegenen, den stationären oder weiblichen Kern.
Die männlichen Kerne beider copulirten Thiere werden ausgetauscht,
indem sie sich auf der zu diesem Zweck gebildeten Protoplasmabrücke
an einander vorbeischieben. Während des Austausches besitzen die
männlichen Kerne Spindelstructur ; nach dem Austausch verschmelzen
sie mit den ebenfalls spindeligen weiblichen Kernen, so dass nun jedes
Thier wieder nur eine Spindel, die Theilspindel, besitzt, welche
aus der Vereinigung der eigenen weiblichen Spindel und der von aussen
eingedrungenen männlichen Spindel hervorgegangen ist. Die Theil-
spindel endlich liefert durch Theilung (meist auf Umwegen) zwei Kerne,
von denen der eine die Grundlage zum neuen Hauptkern liefert, der
andere zum neuen Nebenkern wird.
Ziehen wir den Vergleich mit den Befruchtungsvorgängen der
Metazoen , so entspricht der weibliche Kern dem Eikern, der
männliche Kern dem Spermakern. Wie durch Vereinigung von
Ei- und Spermakern der Furchungskern gebildet wird, so hier durch
Vereinigung von weiblichem und männlichem Kern der Theilkern; wie
eine Eizelle durch Befruchtung die Fähigkeit gewinnt, nicht nur wieder
Geschlechtszellen zu liefern, sondern auch somatische Zellen, Zellen,
welche den gewöhnlichen Lebensprocessen des Organismus vorstchen,
so bildet der befruchtete Nebenkern nicht nur die Nebenkerne, sondern
auch den Hauptkern, den funetionirenden oder somatischen Kern. Mit
anderen Worten, die Befruchtung führt bei den Infusorien
zu einer vollkommenen Neugestaltung des Kernapparats
und damit auch zu einer Neuorganisation des Infusors.
Bei den meisten Infusorien sind die conjugirenden Thiere gleich-
werthig, die Befruchtung ist eine wechselseitige, und es trennen sich
die Thiere nach der Befruchtung von einander. Bei den Peritrichen
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172
Protozoen.
Fijr. 140. Einst ylis u ml» Karin (nach
Gre«-ff). Theil *'iner in ..knosj*nför-
mipT Conjugation*' begriffenen Colonie.
r die durch Theilung entstandenen Micro-
sjHjren, k Microsporc in L'onjugation mit
einer Macrosjxjre.
dagegen (Fig. 140) , meistenteils
festsitzenden Formen, wird die Aehn-
lichkeit mit den geschlechtlichen
Vorgängen der Metazoen noch wei-
ter dadurch gesteigert, dass es zu
einer geschlechtlichen Dif-
ferenzirung und einer d auem-
den Verschmelzung der conjugiren-
den Thiere kommt. Einige Thiere,
die Macrosporen, behalten ihre
Grösse und sitzende Lebensweise
bei, andere wiederum liefern durch
lebhafte Theilung Gruppen von we-
sentlich kleineren Microsporen:
letztere lösen sich ab und suchen
die Macrosporen auf, um mit ihnen
vollkommen und dauernd zu ver-
schmelzen. Die Kernveränderungen
sind principiell dieselben wie bei
Paramaecium, mit Ausnahme einiger
durch die totale Verschmelzung be-
dingter Moditicationen.
I. Ordnung. Holotrichen.
Die Holotrichen sind unzweifelhaft die ursprünglichsten Infusorien . in-
sofern alle Stellen der Körperoberfläche sich in der Bewimperung noch
gleichartig verhalten; höchstens sind an den Enden des Thieres oder im
Innern des Cytostoms einige Wimpern etwas stärker. Von bekannteren
Formen gehören hierher die Parnmaerien : Paramaecium aurelia Müll, in
fauligen Flüssigkeiten lebend : von bohnenförmiger Gestalt , mit Tricho-
cysten und 2 Nebenkernen. Im Darm des Frosches lebt OjKtlina ranantm
Ehrbg., ohne Mundöffnung, mit zahlreichen gleichartigen Kernen, ohne
Nebenkerne und ohne Conjugation. Die kleinen encystirten Opalinen
kommen mit den Fäcalien nach aussen und werden sammt letzteren von
den Froschlarveu verzehrt, welche sich so inficiren.
IL Ordnung. Heterotrichen.
Die Heterotrichen haben noch die totale Bewimperung der Holotrichen,
haben aber ausserdem einen besonders stark entwickelten Wimperapparat,
die ad orale Wimperspirale. Diese ist ein flimmerndes Band, dessen
eines Ende in grosserer oder geringerer Entfernung von der Mundöffnung
beginnt, dessen anderes Ende in spiralem Verlauf in die Mundöffnung hin-
ein leitet. Das Band besteht aus quer gestellten, zu _ Membranellen- ver-
klebten Wimperreihen, welche wie die Reihen eines Bataillons in der
Längsrichtung des Bandes auf einander folgen. Bei den bekanntesten
Heterotrichen, den Tutoren, bildet das von der adoralcn Wimperspirale um-
grenzte „Perist om fehl" das trompetenartig verbreiterte vordere Ende
des Thieres, während sich nach rückwärts der Körper in eine Spitze ver-
jüngt, welche vermöge hier entspringender Plasmafäden zum Anhaften be-
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III. Ciliaten: Heterotricben, Peritrichen, Hypotrichen.
173
nutzt werden kann.
Muskelnbrillen, welche
vom hinteren zum vorde-
ren Ende dicht unter der
Cuticula verlaufen, er-
möglichen den Stentoren
energische , zuckende
Bewegungen. StenUyr
cacrulc us Eh rbg., St.jxjly-
morphus Ehrbg. bauen
sich während des Fest-
sitzens gern Gallert-
hülsen. Als Parasit des
Menschen verdient das
Balantidium coli
Malmst., welches bei
Diarrhöen im Dick-
darm auftritt, genannt
zu werden; noch häu-
figer findet sieb das-
selbe, ohne Beschwer-
den zu erzeugen , im
Dickdarm des Schweins
(Fig. 142).
Flg. 141.
Fig. 142.
Fi-:. 141. Sfentor
polymorph»* (nach
Stein). a lVrietom-
niuklc. /' Abdachung
des Hy|H>.*tom8, o
Mund. ;•' adorale Wiin-
perapinle , » Kern, y
eontraetile Vaeuole, t
Hypoatom (Vertiefimg
zur Mundöffnung).
Fig. 142. Balanti-
dium coli (nach
Ix-uckart).
III. Ordnung. Peritrichen.
Der Körper der Peritrichen besitzt stets am vorderen Ende ein breites
Peristomfeld mit der Mundöffnung, am hinteren Ende hat er entweder eine
Fig. 143. Garthes itim polypinum (nach Bütschli). Links Einzelthier, rechts
3 Theilungs^tadien. « Kern, n' Xelwnkern, er contractilc Vaeuole mit ihrem Ret*er-
voir rs, trk Ring, an dem sich ein hinterer Wimjxrring bilden kann, Atf Nahrungs-
vaeuolen , per Peristom , tst Vestibiüum , um undulirende Membran , a Stelle des
Afters, os Oesophagus.
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174
Protozoen.
correspondironde Fussscheibe oder er ist hier nach Art eines Kelchglases
verjüngt und endigt in einen festgewachsenen Stiel (Fig. 143). Constant
ist nur die adorale Wimperspirale, welche von den wulstigen Rändern der
Peristommulde ausgeht, ausserdem sich aber auch auf die Wimper-
scheibe fortsetzt, einen Deckel, welcher für gewöhnlich aus der Peristom-
mulde hervorragt, bei der Contraction aber dicht auf sie gedrückt wird,
während sich über ihm die Peristomlippen zusammenziehen. Ausser der
Wimperspirale kann noch ein Wimperkranz nahe dem hinteren Ende
dauernd oder vorübergehend vorhanden sein. — Der Kern der PeritricJten
ist meist wurstförmig und mehrfach gebogen; sein hinteres Ende beschreibt
einen Haken, in dessen Winkel der kleine Nebenkern lagert.
Die bekanntesten Repräsentanten der Ordnung sind die Vorticdlinen
(Fig. 140, 143), Thiere, welche mit einem hohlen Stiel festsitzen, in dessen
Innerem ein schwach spiraliger Muskel verläuft. Der Muskel dringt in
die Basis der Yorticcllc ein und löst sich in ein Bündel feiner Fibrillen
auf, welche unter der Cuticula bis zum Peristom hinziehen ; wenn der
Stielmuskel sich contrahirt, legt er sich und die umhüllende Stielscheide in
korkzieherartige Windungen ; so wird das Thier zurückgezogen und sein
vorderes Ende zugleich geschlossen. Die echten VorticeUen sind einzel-
lebend; die Carclicsien coloniebildend mit dichotom verästeltem Stiel; Ejri-
sti/lis desgleichen, nur dass der Muskel fehlt und der Stiel solid und starr
Fig. 144. Stylonyiltia im/tUus (nach
Stein), a Afterwüuperu, b Baucheirren,
c contractile Vacuole, d Sternleiste, i un-
dulirendc Membran, g Zuleitungseanäle
für die contractile Vacuole, / Oberlippe,
// Kern mit Nebenkern, p adorale Wim-
perspirale , r Randwinipern , st Stirn-
wimpera, * After.
Fig. 145. Stylonychia mytilus in
Theilung (nach Stein), c contractile Va-
cuole, n Kern mit Nebenkernen, p ad-
orale Wimj)erspirale, r Randwimpern,
w Wimperleisten (die mit einem Index
bezeichneten Buchstaben beziehen sich
auf das hintere Thier).
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III. Ciliaten : Hypotrichen, Suctorien.
175
ist. Vorticeüa nebulifcra Ehrbg. Carchcsmm polypinvm L. Epistylis pli-
catiiis Ehrbg.
IV. Ordnung. Hypotrichen.
Bei den Hypotrichen ist die Körpergestalt mehr oder minder stark
abgeplattet und dadurch eine schärfere Sonderung zwischen Bauchseite und
schwach gewölbter Rückenseite herbeigeführt (Fig. 144, 145). Der Rücken
ist frei von Wimpern, dagegen öfters mit Stacholn und feinen Tastborsten
ausgerüstet*; die Bauchseite trägt mehrere Längsreihen von Wimpern, ausser-
dem mehrere aus verklebten Wimpern bestehende, gerade gestreckte Griffel
und hakenförmig gekrümmte Cirren; letztere werden wie Beine der Li-
steten zum Kriechen auf Unterlagen verwandt, indem sie mit grosser Be-
hendigkeit umgebogen und ausgestreckt werden. Zum Herbeistrudeln der
Nahrung und zum Schwimmen dient eine ebenfalls ventral gelagerte mäch-
tige adorale Wimperspirale. Der Hauptkern ist oft in 2 ovale Körper
zerfallen, welche durch einen Verbindungsfaden zusammenhängen, die Zahl
der Nebenkerne schwankt zwischen 2 und 4 bei derselben Art; kein Infusor
eignet sich zur Beobachtung der Nebenkerne so vorzüglich wie die Hypo-
trichen. — Die bekanntesten hypotrichen Infusorien sind die Stylonychien,
Stylonychia mytilus Müll.
V. Ordnung. Suotorien oder Acinetinen.
Von den typischen Infusorien weichen die Samjinfusorien oder Suctorien
(Fig. 21, S. 54) dadurch ab, dass sie als ausgebildete Thiere keine Wimpern
und damit auch keine freie Ortsbewegung besitzen ; sie sind entweder mit
ihrer Basis auf einer Unterlage angewachsen oder auf einem schlanken
Stiele befestigt. Der gewöhnlich kugelige Körper ist von einer Cuticula
bedeckt, welche bei der Gattung Acineta sich stellenweise abhebt und zu
einem becherartigen Gehäuse erhärtet. Eine Mundöffnung fehlt, dafür sind
die Suctorien mit Tentakeln oder Saugfüsschen versehen, feinsten Röhren
mit contractilen Wandungen, die im Protoplasma des Körpers beginnen
und durch die Cuticula hindurchtreten. Die Achteten tödten mittelst ihrer
Tentakeln andere Thiere, namentlich Infusorien, legen die saugnapfartigen
Enden der Tentakeln an und saugen sie aus. Im Innern des Protoplasma
liegt ausser den nur selten fehlenden conctractilen Vacuolen der grosse
compacte Kern; auch Nebenkerne scheinen allgemein verbreitet zu sein.
Im Gegensatz zu den wenig oder gar nicht beweglichen ausgebildeten
Thieren sind die Jugendformen sehr geschickte Schwimmer, welche nach
Art der holotrichen, hypotrichen oder peritrichen Infusorien bewimpert sind.
Sie bilden sich als knospenformigo Auswüchse auf der Oberfläche eines
Mutterthieres oder auch als „Embryonen" im Innern; letzteres ist jedoch
nur scheinbar und so zu erklären, dass die Stelle der Kürperoberfläche,
welche die Knospe erzeugt, vorher in's Innere des Körpers eingestülpt
worden war. Nach längerem Herumschwimmen kommen die Thiere zur
Ruhe, indem sie sich festsetzen, die Wimpern einziehen und Saugröhrchen
bilden.
Im Süsswasser sind einige Podophrycn (P. qnadripartita Clap. u. Lachm.)
weit verbreitet, ausserdem die in Infusorien schmarotzende Sphaeropimja,
im Meer lebt auf Hydroidcn und Dryoxocn neben zahlreichen Arten der
Gattung Acineta die Podophrya genimipara R. Hertw. (Fig. 21, S. 54.)
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17«*» < Protozoen.
IV. C lasse.
Gregarhiarien oder Sporozoen.
Die Grcyarmcn haben in ihrer drehrunden, fadenförmigen Gestalt
und in ihrer parasitischen Lebensweise eine oberflächliche Aehnlichkeit
mit Nematoden und wurden daher lange für Jugendformen derselben
gehalten ; sie sind aber von Nematoden als typische einzellige Organis-
men sehr leicht zu unterscheiden (Fig. 140 I.). Das Protoplasma ist
schärfer als bei irgend einem Urthier in ein trübkörniges Entosark (en)
und ein helles Eetosark {ck) gesondert ; letzteres wird nach aussen
von einer (nicht überall nachweisbaren) doppelt contourirten Cuti-
cula ick) fiberzogen. Bei vielen Greyarincn zerfällt der Körper durch
eine ringförmige Einschnürung in eine vordere kleinere und eine hintere
grössere Partie. Protomcrit und Deuteromerit: innerlich kommt die
Sonderung darin zum Ausdruck, dass sich durch die Entosarkmasse
eine quere Brücke Eetosarks hindurch erstreckt. Hei den Formen, in
denen Proto- und Deuteromerit diflerenzirt sind, liegt der bei allen
Gregarinen einfache bläschenförmige Kern in letzterem: dagegen be-
sitzt das Protomerit ab und zu einen Forsatz mit einer Armatur von
Borsten und Widerhaken, welche wahrscheinlich zum Befestigen des
Thieres an den Wandungen seines Aufenthaltsortes dienen (Epimerit).
Contractile Vacuolen fehlen, ebenso eine Muudötfnung: wahrscheinlich
vermögen die Thiere durch ihre Cuticula hindurch nur flüssige Nahrung
aufzunehmen.
Für gewöhnlich liegen die Gregarinen ruhig oder gleiten ähnlich
den Diatomeen ohne wahrnehmbare Gestaltveränderung langsam voran.
Seltener sind wurmförmige Contractionen, Einknickungen des Körpers,
Ausbuchtungen der Oberfläche, welche an amöboide Bewegungen er-
innern, wie denn manche Arten anatomisch von Amöben kaum zu unter-
scheiden sind. Selten wurden besondere Bewegungsvorrichtungen in
Form ringförmiger, subeuticularer Muskelfibrillen vorgefunden.
Die Vermehrung erfolgt ausschliesslich im encystirten Zustand.
(Fig. IIA). Bei manchen Arten beobachtet man, dass lange Zeit zuvor
zwei Thiere mit einander herumkriechen, indem das vordere Ende des
einen an das hintere Ende des anderen anklebt ; dann encystiren sich
beide gemeinsam. Hierbei kommt es zu keiner Verschmelzung der
Körper, wohl aber zu einer Befruchtung durch Verschmelzung der
Kerne. Nachdem durch Vermehrung des Kernes jedes encystirte Thier
vielkernig geworden ist, zerfällt es zunächst oberflächlich, dann auch
in den inneren Partieen in kleine Kugeln (Fig. II B), welche sich in
die Pseudonavicellen verwandeln (Fig. II C). Die Pscudonavi-
c eilen sind spindelförmige, einkernige, von einer festen Membran um-
hüllte Körper (Fig. III A). Bei der Bildung der Pseudonavicellen
bleibt ein Rest körniger Substanz übrig, welcher durch sein grosses
Quellungsvermögen unter günstigen Verhältnissen die Cyste zum Platzen
bringt und die Pseudonavicellen austreibt. Zur Entleerung der letzteren
dienen ab und zu auch besondere Ausführcanäle. die Sporoducte. Mit
abermaliger Hinterlassung eines Restkörpers theilt sich der Inhalt der
Pseudonavicellen in die sichelförmigen Keime (4 — 10 an der Zahl),
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IV Gregarinarien.
177
welche unter günstigen Bedingungen auskriechen, in Gewebszellen ein-
dringen und hier zu jungen Gregnrinen werden (Fig. III B).
Fig. Uli.
Kg. 147.
Fig. 140. Gregarinenentwicklung, I.
Clepsidrina blattarum in Conjugation.
ek Ectobark , in Entosark, cu Cuticula,
um Protoinerit. ihn Dctitcromcrit, «Kern,
II. Cysten in Umbildung zu Pseudonavi-
cellen. pm Pseudnnavicellcn , rk Ilcst-
kÖrper. III. A Eine Pseudouavieclle
stärker vergrößert. B Dieselbe getheilt
in die sichelförmigen Keime sk.
Fig. 147. Cure tili um umforme (aus
Hatsehek). .1, Ii jüngere und ältere Cy-
ste, C Theilung in 4, Stücke, D Bildung
der Keimlinge.
Typische Oregarinen kommen nur im Dann, in der Leibeshöhle
und den Geschlechtsorganen wirbelloser Thiere (namentlich von In-
secten und Würmern) vor; Clepsidrina blattarum Sieb, findet sich im
Darm der Küchenschabe (Periplaneta orientalis), Monocystis agilis St.
im Geschlechtsapparat des Regenwurms; beide scheinen ihren Wirthen
keinen Schaden zu bringen. Gefährlicher sind die Coccidien, welche
auch bei Wirbelthieren, namentlich bei Säugethicren, vorkommen und
sich nicht unwesentlich von den echten Gregarinen unterscheiden.
Uoccidium oviforme Leuck. (Fig. 147) lebt in den Epithelzellen der
Gallenw ege des Kaninchens, seltener auch des Menschen ; C. perforans
Leuck. (nach neueren Untersuchungen mit C. oviforme identisch) dringt
in die Epithelzellen des Darmes ein. Beide erzeugen gefährliche Epi-
demien. Haben die Coccidien eine bestimmte Grösse erreicht, so
encystiren sie sich. Die Cysten müssen ins Freie gelangen, um sich
weiter zu entwickeln. Ihr Inhalt zerfallt dann in vier Tochtercysten ;
jede Toehtercyste liefert, abgesehen von etwas Restsubstanz, zwei Keim-
linge mit kugelig verdicktem, vorderem Ende, welche so aneinander
liegen, dass das Bild einer Hantel mit gebogenem Mittelstück entsteht.
In einen neuen Wirth gelangt, kriechen die Keimlinge ans und werden
zu Amöben, welche von Neuem in die Epithelzellen der Gallengänge,
resp. des Darms eindringen. Ausserdem soll sich das Coccidium in
seinein Wirth selbst vermehren können, indem es direct in eine grössere
B «riffle, Erblich der Zoologie. 8. Auflage. JO
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178
Protozoen.
Zahl sichelförmiger Keimlinge zerfällt. Nahe verwandt Eimerin falci-
formis Eim. im Mäusedarm.
Von den echten Gregarinen entfernen sich noch mehr die Psoro-
spermien und die Rainey-Miescher sehen Schläuche, welche daher
auch erstere als Myxosporidien, letztere als Sarkosporidien zu beson-
deren Abtheilungen der Gregarinarien erhoben werden.
Die Myxosporidien (Fig. 148) nisten sich als grosse, mit blossem
Auge wahrnehmbare amöboide Körper in den Kiemen, Muskeln und
Eingeweiden der Fische ein. Hier zerfallen sie in zahlreiche runde
Kugeln, die Keimkugeln, welche ihrerseits durch Theilung zwei oder
drei Sporen erzeugen. Jede Spore ist oval und von einer zweiklap-
pigen Schale umhüllt und besitzt anfänglich drei Kerne, von denen
aber nur einer erhalten bleibt. Am merkwürdigsten sind an ihr ein
bis zwei Körper vom Bau der Nesselkapseln der Coelenteraten, ovale
Bläschen, welche einen Faden in sich enthalten, der unter besonderen
Verhältnissen ausgeschleudert wird.
Fijr. Iis.
Flg. Iii».
6
Flg. 148. Mi/r»*/»» i<li< ».
1 Mweobolus Miillrri an-
der Fisehkirin«' , 2 und H
I'siirosprruu'en von My-
Sillium IJrherkühni. n
Kitii , /.• Kerne in Rück-
bildung, ji n i -ssi -lk n| >*<•!-
artige Polkörpcr l>«-i 2 mit
aiipgt'sdmcllton Fäden.
Fijf. 14!t. Sfircuci/.st i.« aus
dein Zwerehfell des
Schweinen (nach Bütochli).
As Hüll«-, Spor^nku^-In.
Am wenigsten bekannt sind die Sarkosporidien (Fig. 141»), welche
in den Muskeln von Schweinen, Beben, Mäusen und anderen Wirbel-
thieren und zwar nach Art der Trichinen im Inneren der Sarkolemm-
schläuche gefunden wurden. Sie sind 0,5— 3,0 mm grosse, ovale Körper,
welche aus einzelnen Sporen bestehen und von einer Hülle umgeben
werden, die eine zur Oberfläche senkrechte Streifung zeigt. Die Sporen
zerfallen in Haufen von sichelförmigen Keimen. Miescheria muris
Blanch. wurde auch im Menschen (Stimmband) beobachtet.
Zusammenfassung der wichtigsten Resultate über Protozoen.
1) Die Protozoen sind einzellige Organismen ohne echte Gewebe
und ohne echte Organe.
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IV. Gregarinarien. Zusammenfassung.
179
2) Alle Leben sprocesse werden durch das Protoplasma (Sarkode)
vermittelt, die Verdauung stets unmittelbar vom Protoplasma, die
Fortbewegung und Nahrungsaufnahme durch Fortsätze des Proto-
plasma (Pseudopodien) oder durch Anhänge (Wimpern und
G e i s s e 1 n).
3) DieExcretion erfolgt durch besondere Flüssigkeitsansammlungen,
die contractilen Vacuolen.
4) Die Vermehrung ist eine ungeschlechtliche und erfolgt
durch Knospung oder Theilung; daneben tritt bei Grcgarinen, Infu-
sorien und Flagellaten die Conjugation als Zeichen geschlechtlicher
Thätigkcit auf.
5) Die Protozoen sind Bewohner des Wassers, einige leben auch
in feuchter Luft; in trockener Luft vermögen sie nur im encystirten
Zustand auszuharren, innerhalb einer Kapsel, welche das Vertrocknen
verhindert.
(>) Da im enevstirten Zustand die Protozoen leicht durch den Wind
verschleppt werden, erklärt sich ihr Auftreten in Infusionen und in
Wasser, welches anfänglich keine Thiere enthielt.
7) Die Eintheilung der Protozoen in die Classen der Rhizo-
poden. Flagellaten, Ciliaten und Gregar inen gründet sich
auf die Fortbewegungsweise.
X) Die Rhlzopoilen besitzen wechselnde protoplasmatische Aus-
läufer, die Pseudopodien.
U) Die Rhizopoden werden eingetheilt in Moneren, A möbinen,
H e 1 i o z o e n. R a d i o 1 a r i e n, Thala in op hören und M ycetozoen.
10) Amöbinen und Moneren besitzen beide eine unbestimmte Kör-
pergestalt und unterscheiden sich von einander, indem erstere einen
Kern besitzen, letztere kernlos sind.
11) üeliozoen und Hadiolarien haben eine kugelige Körpergestalt
mit feinen, radial ausstrahlenden Pseudopodien und häutig Kieselskelete ;
sie unterscheiden sich von einander, indem die Hadiolarien eine Cen-
tral kap sei besitzen, die den Heliozoen fehlt.
12) Thalamophoren haben eine Schale, welche an einem Ende
blind geschlossen, am anderen Ende zum Durchtritt der Pseudopodien
geöffnet ist; im Uebrigen ist die Schale rein chitinös oder mit kohlen-
saurem Kalk imprägnirt, einkammerig oder vielkammerig, gerade ge-
streckt oder Spiral eingewunden, fest gedichtet oder von kleinen Oeff-
nungen durchbohrt: die Pseudopodien sind manchmal lappig, häutiger
fadenförmig, verästelt, anastomosirend.
l.*l) Durch ihre Schalen und ihr massenhaftes Auftreten haben die
Thalamophoren grosse geologische Bedeutung, indem sie
mächtige Ablagerungen gebildet haben (Kreide. Nummulitcnkalke) und
noch bilden. Von geringerer Bedeutung sind die Kieselskelete der
Hadiolarien.
14) Mycetozocn (Mvxomyceten der Botaniker) sind meist riesige
Amöben mit netzförmig verästelten! Protoplasma (Plasmodien): sie
bilden complicirte, an die Pilze erinnernde FortpHanzungskörpcr (Sporen-
blasen und Carpome).
15) Die Flagellaten besitzen einen oder wenige lange, schwingende
Fortsätze, welche zur Fortbewegung und zum Herbeistrudeln der
Nahrung dienen, die Geissein.
1<5) Die Autoflauellaten haben nur Geissein, sie ernähren sich wie
Pflanzen mittelst Chlorophylls ( Vofvocineen) oder haben zur Auf-
12*
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ISO
Zusammenfassung.
nähme der Nahrung eine Mundöffnung oder ein Collare (Choano-
flagelUiten).
17) Dinoflagellaten haben zweierlei Geissein und meist einen aus
Cellulose bestehenden Panzer.
18) Cystoflagellatcn sind Flagellaten mit einem von einer festen
Membran umschlossenen Gallcrtkörper (Noctiluca, Meerleuchte).
19) Die Ciliatcn oder auch Infusorien im engeren Sinne haben
zahlreiche feine, schwingende Fortsätze, die Cilien, eine Cuticula
(Pellicula), in Folge dessen besondere Oeffnungen zur Aufnahme und
Abgabe von Stoffen, Zellenmund (Cytostom) und Zellenafter
(Cytopyge).
20) Am interessantesten ist das Auftreten von zweierlei Kernen,
eines Geschlechtskcrns (Nebenkern) und eines funetionirenden Kerns
(Hauptkern).
21) Bei der Conjugation werden Theile der Nebenkerne aus-
getauscht und bewirken die Befruchtung. Der Hauptkern geht
dabei zu Grunde und wird durch ein Theilstück des befruchteten
Nebenkerns ersetzt.
22) Die Systematik der Infusorien beruht auf der Ausbildungsweise
und der Vertheilung der Wimpern.
23) Die Holotrichen haben eine totale, gleich massige Be-
wimperung. Die Hetcrotrichen haben ausser der totalen Bewiinperung
besonders kräftige Wimpern im Umkreis des Mundes (adorale
W i m p e r s p i r a 1 e). Die Peritrichen haben nur die adorale He-
winiperung. Die Hypotrichen haben auf der Bauchseite ausser
der Wimperspirale noch weitere, in Reihen gestellte Wimpern und
Wimperbüschel. Die Suctorien haben nur während der Fortpflanzung
Wimpern, später sitzen sie fest und ernähren sich durch Saug-
tentakeln.
24) (jJrejjrarinaricn sind parasitische Protozoen ohne Fortbe-
wegungsorgane und ohne Mund; da sie eine Cuticula haben, können
sie sich nur durch Endosmose ernähren.
2.j) Die echten Gregarincn bilden bei der Fortpflanzung Cysten,
deren Inhalt in die Pseudonavicellen zerfällt; der Inhalt der
Pseudonaviccllen liefert durch Theilung die s ich e 1 f ö r m i g e n K e i in e.
20) Von den typischen Gregarincn unterscheiden sich in mehr oder
minder erheblicher Weise die Coccidien (Coccidium ovi forme der Säuge-
tliiere), die Psorospermienschläuche der Fische oder Myxosporidien, und
die Rainey- Micscher' 'sehen Schläuche der Säugethiermuskeln oder Sarko-
sporidien.
Anhang.
Der Descendenztheorie zufolge sollte man erwarten, dass Uebergaugs-
l'ormen zwischen Protozoen und Metaxmn existieren. Als solche sind die
Kaiallakten beschrieben worden, Kugeln von flimmernden Zollen , die sich
bei der Fortpflanzung in die einzelnen Zellen auflösen. Eigenartige viel-
zellige Thiere von äusserst primitivem Bau, denen im System der Metazocn
schwer eine feste Stellung einzuräumen ist, sind ferner der Trichoplax adJiaercns
F. E. Schulze , die Srlaginella sähe Freuzel , die Otlhonectidm und die
Dicifcmidcn. Der Trichoplax ist eine Scheibe, welche nur aus zwei epitbel-
artigen, durch Gallertgewebe getrennten Zellenlagen besteht; die Dicyewidcn
und Orthonrrtidm haben ein vielzelliges Ectoderm, welches dort nur eine
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Mctazoen.
18t
grosse Zelle, hier einen soliden Haufen von Zellen umschlies*t. Bei
Seld'jiitdla endlich ist überhaupt nur eine, eine Art Darm umschliossende
Zellenschicht vorhanden. Da die Dieyemiden in der Niere der Cejßh>ilt»jH»/en,
die Orthonectiilen in Würmern und I'Jehinof/erhieit parasitisch leben, ist es
möglich, dass ihre niedere Organisation durch Rückbildung zu erklären ist.
Metazoen, vielzellige Thiere.
Nach Ausschluss der Protozoen kann man alle Stämme des Thier-
reichs unter dem Begriff „Metazoen\ d. h. „hflherc Thiere" zusammen-
fassen. Das Gemeinsame derselben besteht darin, dass sie aus zahl-
reichen gegen einander abgegrenzten einzelnen Zell-
körpern bestehen und dass diese Zellen in mehreren Lagen
angeordnet sind. Mindestens sind zwei Lagen vorhanden, eine
Zellschicht, welche die Abgrenzung des Thierkörpers nach aussen be-
wirkt, die Haut-Epithelschicht oder das Ectoderm, und eine den
Darm auskleidende Zellenlage, das Entoderm oder die Darm-Epithel-
schicbt: dazwischen kann noch eine dritte Gewebslage vorkommen,
welche häufig durch die Leibeshöhle in eine äussere, Hautfaserschicht,
und eine innere, Darmfaserschicht, gespalten wird. Man nennt die mittlere
Körperschicht, unbekümmert darum, ob eine Leibeshöhle vorhanden
ist oder nicht: Mesoderm. Die Vielzelligkeit ermöglicht eine höhere
Entfaltung der Organisation; es treten in verschiedenen Graden der
Specialisirung Gewebe und Organe auf. — Bei keinem Metazoon
wird ferner eine echte geschlechtliche Fortpflanzung, d. h.
eine Fortpflanzung durch Geschlechtszellen vermisst , womit
aber nicht die Möglichkeit ausgeschlossen sein soll, dass manche Arten
sich vielleicht ausschliesslich durch unbefruchtete Eier auf parthe-
nogenetischem Wege entwickeln. Neben der geschlechtlichen Fortpflan-
zung kommen bei vielen Arten, namentlich bei den niederen Würmern
und den Coclenteraten, noch Theilung und Knospung vor.
Für sämmtliche Metazoen ist die Erscheinung der Ei-
furchung in hohem Grade charakteristisch; das befruchtete
Ei theilt sich in zahlreiche Zellen, welche als Furchungszellen zur
Bildung der Keimkugel vereinigt bleiben. Kein einziges Protozoon
besitzt einen Furchungsprocess ; etwaige Theilungen führen hier zu
neuen Individuen, die sich entweder vollkommen von einander trennen
oder ausnahmsweise in einem lokeren Verbände (Stock, Colonie)
verbleiben.
II. Stamm.
Coclenteraten, Pflanzentliiere.
Die zum Stamme der Coclenteraten gehörigen Thiere wurden früher
wie auch jetzt noch von manchen Zoologen Zoophyten oder Pßanzen-
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1H2
Coelenterateu.
thiere genannt : spater wurden sie von C ti v i e r mit den Echinodermen zum
Typus der Radtaten vereint, eine Vereinigung, welche Leuckart.
der Vater des Namens „Coelenteraten", wieder rückgängig machte, weil
bei den Echinodermen ein besonderer Darm und eine besondere Leibes-
höhle vorhanden sind, bei den Coelenteraten dagegen nur ein einziges
Hohlraumsystem. Jeder der drei Namen bezieht sich auf bestimmte
wichtige Merkmale des Stammes.
1) Der Name „Pflanzcnthicre" wurde mit Rücksicht auf den all-
gemeinen Habitus gewählt. Die ineisten Coelenteraten sind wie Pflanzen
auf dem Boden festgewachsen und bilden vermöge unvollständiger
Knospung busch- oder rasenartige Colonien : die Aehnlichkeit ist jedoch
nur eine äusserliche, da bei einer einigermaassen genauen Untersuchung
die thierische Natur keines einzigen Coelenteraten auch nur im ge-
ringsten zweifelhaft sein kann. Der Namedarf daher nicht so verstanden
werden, als ob es sich hier um zweifelhafte Formen handle, welche
auf der Grenze von Thier- und Pflanzenreich stehen. Dies würde
schon dadurch widerlegt werden, dass es neben den festsitzenden auch
frei bewegliche Formen giebt. welche sogar mit grosser Behendigkeit
im Wasser schwimmen.
2) Die meiten Coelenteraten sind ra d i al sy in m et risc h : in
ihrem Körper ist stets eine Axe feststehend , die Hauptaxe, deren
eines Ende durch die Mundöffnung, deren anderes Ende durch das
blinde Darmende charakterisirt ist. Im Umkreis der Hauptaxe sind
im Grossen und (tanzen die Organe des Körpers gleichmässig vertheilt,
so dass zahlreiche Thcilebenen möglich sind, welche den Körper sym-
metrisch halbiren. Bei den Schwämmen allerdings ist die Vertheilung
der Organe so regellos, dass man eher von Asymmetrie oder Anaxonie
reden könnte; andererseits giebt es hochorganisirte Coelenteraten, welche
sich zur zweistrahligen Symmetrie oder gar zur Bilateralität höher
entwickelt haben (Clcnophorcn und manche Antliozocn).
.'!) Coelenteraten endlich heissen die Thiere, weil in ihrem Körper-
innern nur ein einziges zusammenhängendes Hohlraumsystem, das
Coclcnteron oder das G a s t r o v as c u 1 a r sy s t e m vorhanden ist.
Im einfachsten Fall ist dasselbe ein weitmündiger Sack, in welchen
die Nahrung zur Verdauung aufgenommen wird: die einzige Oeffnung
des Sacks dient dann als Mund und After zugleich : der Sack selbst
ist als Darm oder Magen zu bezeichnen. Häutig gehen von dem
central gelegenen Sack seitliche Divertikel oder verästelte Canäle
aus, welche die Nahrung nach der Peripherie des Körpers vertheilen
und somit functionell die Gefässe ersetzen. Daher der Name „Gastro-
v a scu 1 a rs y s t em".
Da das besprochene Hohlraumsystem in erster Linie der Ernäh-
rung dient, ist es niissbräuchlich, dasselbe Leibeshöhle zu nennen und
die Coelenteraten für darmlos zu erklären. Dagegen ist der Name
..('oelenteron'* oder „Darmleibeshöhle" — d. h. ein Hohlraum, der Darm-
und Leibeshöhle zugleich ist — vollkommen zu vertheidigen. Denn
bei vielen höheren Thieren, welche eine echte Leibeshöhle besitzen,
sehen wir dieselbe als eine sich abschnürende Ausstülpung des Darms
entstehen. Da solche Darmdivcrtikel auch bei den Coelenteraten vor-
kommen, ohne jedoch selbständig zu werden, so kann man in der That
sagen, dass hier im Gastrovascularsystein nicht nur der Darm, sondern
potentia auch die Leibeshöhle enthalten ist.
Bei den Coelenteraten kommt neben »1er geschlechtlichen
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I. Spongien.
183
noch die ungeschlechtliche Fortpflanzung vor, in weitester Ver-
breitung die Knospung, seltener die Theilung. Geschlechtliche und
ungeschlechtliche Fortpflanzung können sich combiniren und durch ge-
setzmässiges Aiterniren den Generationswechsel hervorrufen.
Zum Zweck der weiteren Besprechung müssen wir gleich von An-
fang zwei Unterstämnie auseinanderhalten, die Spongien, mit der einzigen
Classe der Poriferen und die Cnidarien oder Nematophoren, welche
letztere die drei Classen der Hydrozoen, Anthozocn und Ctenophoren
umfassen. Beide Unterstämme haben so wenig mit einander gemein,
dass viele Zoologen den Namen „ Coclenteraten" auf die Cnidarien
beschränken und aus den Spongien einen selbständigen Stamm des
Thierreiches bilden.
I. TJnteratamm.
Spongien.
I. Classe.
Poriferen, Schwämme.
Die Spongien oder Poriferen, zu denen als bekanntester Repräsen- o«uit.
tant der Badeschwamm, Euspongia officinalis, gehört, sind fast aus-
schliesslich Meeresbewohner: aus dem Süßwasser kennt man nur die
verschiedenen Arten der Gattung Spongilla (neuerdings in mehrere Gat-
tungen aufgelöst). Die Thiere haben keine Ortsbewegung, sondern sind
an Wasserpflanzen und Steinen festgewachsen, entweder an den Küsten
oder auf dem Grund des Meeres bis zu Tiefen von f>000 Meter. Hier
bilden sie kugelige Klumpen oder dünne Krusten, kleine Cylinder oder
aufsteigende, verästelte Körper; häufig ist die Gestalt so wechselnd,
dass man überhaupt von einer bestimmten Grundform nicht reden
kann. — Ausserordentlich schwierig ist es, sich von der thierischen
Natur dieser unförmlichen Klumpen zu überzeugen. Auffällige Be-
wegungen und Contraetionen des ganzen Körpers kommen selten vor;
gewöhnlich kann man nur mit Hilfe des Mikroskops active Bewegungen,
das OetTncn und Schliessen der Poren und die Strömungen im Gastro-
vascularsystein. erkennen.
Die einfachsten Schwammformen, die Asconcn, haben die Gestalt ahu»»*.
eines dünnwandigen Schlauches (Fig. 150). welcher mit dem einen
Ende festgewachsen ist und am anderen Ende eine Oefl'nung, das als
After funetionirende Osculum. besitzt. Das Lumen des Schlauchs
ist der Magen, ein weiter, zur Verdauung dienender Hohlraum, in
welchen das die Nahrung enthaltende Wasser durch zahlreiche die
Dicke der Magenwand durchsetzende Poren gelangt.
Die Grundlage des Körpers ist eine Lage homogener oder faseriger,
von verästelten Zellen durchsetzter Bindesubstanz (Fig. 151), welche
nach aussen von einem sehr vergänglichen Plattenepithel überzogen
ist. Das Plattenepithel — früher Ectoderm genannt — und die
Bindesubstanz — Mesoderm — werden jetzt als eine zusammengehörige
Schicht „Me so -Ectoderm" aufgefasst, da es sich herausgestellt hat,
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184
Ccelenteiaten.
dass die platten Epithelzellen vielfach genetisch nichts Anderes sind
als Bindesubstanzzellen, die sich auf der Oberfläche ausgebreitet haben.
Dagegen findet sich ein deutlich differenzirtes E n to-
der m in Form eines den Magen auskleidenden ein-
schichtigen Geisselepithcls , dessen einzelne Zellen
ausserordentlich an die Körper der Chonnoßagellaten
erinnern (Fig. 131». Das periphere Ende jeder Zelle
erhebt sich zu einein die Geisseibasis umfassenden
Kragen (Collare). Da nun ferner sich im Zellkörper
wie bei Protozoen eine eontractile Yacuole vorfindet,
hat man versucht, jede Geisselzelle als ein Einzelthier
und den ganzen Schwamm als eine Flagellatencolonic
aufzufassen, eine Ansicht, die jedoch die übrigen Ge-
webe des Schwainmkörpers nicht berücksichtigt: dass
ausser der schon erwähnten Uindesubstanz und dem
Plattenepithel im Meso-Ektoderm noch Geschlechts-
zellen, amöboide Wanderz eilen, ja sogar
eontractile, das Sc h Hessen der Poren b e -
w irkende F a s e r z e 1 1 e n vorkommen können.
Nach dem Typus der Asconen gebaute Schwämme
sind nicht häutig. In der Kegel treten uns die
Schwämme als massive Körper mit einem äusserst
verwickelten Canalsystem entgegen (Fig. 152 — 154).
Sämmtliche Canäle sind mit Plattenepithel ausge-
kleidet mit Ausnahme der Oeissclkanimem,
kugeliger oder tonnenförmiger Hohlräume, welche allein das charak-
teristische Gcisselepithel besitzen und daher auch allein dem Ascon-
magen verglichen werden können. Von den Poren der Körper-
Kg. 150. Olyn-
thiis (nach Haeckel).
0 Osmium, p Poren,
u Dann, e Nadeln.
1 Ei< r.
en..
m
Fig. 151. Stück eine* Querschnitts durch
Syramlra raphmms mach F. F. Schulze).
en entodermale < icisselzellcn mit Collare,
eh cctodcrnialf's Plattcncpithol, /// Mcsoderm
mit Ihndcsubstanzzellen, u Kicr, *7 Kalk-
stachcln.
Fig. 152. LettCOrtis pulrfnar. o
Osculum, r Cloakal röhre, c Canäle,
die aus der Gci>selkammer in die
Cloakalröhre führen, e Geissel-
kammern, / Mesoderm, a aboraler
Pul mach Ilaeckel).
Oberfläche, den „Dermalporen'' (Fig. 154) führen in die Geissei-
kammern Canäle, welche oft unter einander zu ansehnlichen „Sub-
dennalräumen" zusammenHiessen , in anderen Fällen wiederum die
Fig. 153 dargestellte Anordnung eines Baumes mit W urzel-! und Ast-
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I. Spongien. Calcispongien. SUicispongien.
1*5
werk erkennen lassen. Ans den Geisseikammern leiten andere Canäle
das Wasser wiederum nach aussen. Diese auslesenden Canäle münden
gewöhnlich in ein oder mehrere grössere Hohlräume, die Cloacal-
röhren oder Pse udogaste r, deren weite, oft durch Schliessmuskcln
verschliessbare Mündungen die Oscula heissen, obwohl sie ausschliess-
lich zum Ausleiten des Wasserstroms dienen. Die Verständlichkeit des
Fig. 1T>3. Querschnitt durch die Rinde von Chumh iUn
nuctthi (nach F. E. Schulze etwa.-» schemafisirt durch
Weglassen des Skclets). p Poren, welche in die zuführen-
den Canäle (<•') leiten, diese verästeln sich in die (ieissel-
karamern g ; aus den Geisselkaminern strömt das Wasser
durch die rttckführenden Canäle (<•*) in die Cloukal röhre
(m) und durch das Osculuin nach aussen.
Fig. 151. I >ennali>oren
von Aplysina ai'ropltoba,
von der Ohcrfläeho l>e-
t rächtet (nach F. E.
Schulze).
Canalsystems wird getrübt, wenn es nicht zur Bildung grösserer Sammel-
canäle oder Cloakalröhren kommt. Weiterhin wird die richtige Beur-
theilung der Schwammorganisation dadurch erschwert, dass die Schwämme
sich verästeln (Fig. 155) und die Aeste, wo sie sich begegnen, mit
einander zu einem Netzwerk verschmelzen können (Fig. 150).
Fig. 155.
Flg. 156.
Fig. 157.
Fig. I.'m. Asri/ssii ueufera
(nach Ilaeckel).
Fig. 1 ."»•;. Leucdta sayit-
tata (nach Ilaeckel).
Fig. 157. Entwicklung von Syrandra mphanu» (nach
F. E. Schulze). ,1 Bkitftula. // tiastrula im Moment ^
des Festsetzens. >l; Ectoniesodenn, m Eiitoderm.
Die Entwicklung kann eine ungeschlechtliche sein, indem sich Kn,wicklun»
Schwammstücke als Knospen ablösen und neue Thiere liefern. Ge-
wöhnlich herrscht geschlechtliche Fortpflanzung. Die Eier,
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ISO Coelenteraten.
welche wie die Spermatozoon aus Mesodermzellen entstehen (Fig. 151),
werden am Ort ihrer Entstehung befruchtet und abgefurcht und ver-
lassen erst als Flimmerlarven den mütterlichen Körper. Beim Fest-
setzen der Larve (Fig. l.">7) findet eine Art Gastrulation statt. Dabei
schliesst sich der (iastrulamund und es bildet sich am entgegengesetzten
freien Ende eine neue Oeffnung, das Osculum.
Fast alle Schwämme besitzen ein Skelet. welches von besonderen
Zellen des Mesoderms ausgeschieden wird, dessen Structur und che-
mische Beschaffenheit bei der Systematik in erster Linie Berücksich-
tigung verdienen. ,Ie nachdem kohlensaurer Kalk oder Kieselsäure
als Skeletmaterial verwandt ist, unterscheidet man Calcispongicn und
Silicispongicn. Dagegen hat man die beiden (1 nippen der Ccraospongien
— Skelet aus Spongin oder Ilornsubstanz — und Myxospongicn —
Skelet fehlt — fallen lassen , da ihre Vertreter aus den Silicispongicn
entstanden sind, indem das Kicselskelet entweder allmählig durch
Spongin ersetzt oder rückgebildet wurde.
L Ordnung. Calcispongien.
Die Kalkschwümme finden sich ausschliesslich im Meer, wo sie mit
Vorliebe felsige Küsten in geringer Tiefe besiedeln: sie sind von unschein-
barer, grauer Farbe und geringer
Körpergrösse , ein oder wenige
CYiitimeter lang. Die im Mesoderm
entstandenen Skeletnadeln ragen
meist durch das Eetoderm heraus
und bilden namentlich gern im
Umkreis des Osculum einen seiden-
glänzenden Kranz. Man unter-
scheidet Vier-, Drei- und Ein-
Strahler (Fig. 158). Innerhalb der
•t genannten Grundformen kommen
mannichfaclie Moditieationen durch
Fijr. 1"kS. Verschiedene Nadelformen von ungleiche Entwicklung und Krüm-
Kalk- und Kie*el,ehwä„m.en ta..> Lang). mnng ,,er Strahlen zu Stande. Der
Weichkörper ist verschiedenartiger
gebaut als bei den anderen Spongien : nach ihm unterscheidet man 3
Gruppen: die AscniifH. Si/comti und Lfinnnfii.
L Unterordnung. Asmmn. Schwämme mit dünner, von Poren
durchsetzter Magenwand (Fig. 1 50. 155i. Asn/ssti ucufcrti H.
II. Unterordnung. S»/i«mni. Ein Pseudogastcr vorhanden mit
zahlreichen radial angeordneten Mägen, den Radialtuben, fr/rtm ciliatum
( >. Fabr.. St/ctio'int nijthanns 0. S.
III. Unterordnung. Leueomn. In der verdickten Wand des
Pseudogasters zwischen den Poren der Oberfläche und den Puren dor Pseudo-
gaster-Wand spannt sich ein complicirtes, verästelte* Canalsystcm mit Geissel-
kammern aus iFig. 15*2, 15<i>. Lewrfht sayittula H.. Lnirorth pulrinar H.
II. Ordnung. Siliciapongien.
Die K>< sf Ischinitintie bilden die artenreichste Gruppe unter den S/hwäm-
mrn : sie sind in allen Meeren und Meerestiefen weit verbreitet und häutig
durch bedeutende Grösse — bis zu 1 Meter — und prächtige Farben aus-
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I. Spongien. Silicispongien.
187
gezeichnet. Sie werden in Trifuonier und Tctramnier eingetheilt. Bei den
Trhxoiüern zeigen die ausnehmend zierlichen, wie aus Glas gesponneneu
Skeletstücke — Hyalosjtonyicn oder Glassch icämmr — - drei gekreuzte Axcu
id von einem Mittelpunkt ausstrahlende Kieselfäden: HwwthieUufon). Das
Mesodenn ist spärlich, in Folge dessen sind die zu- und abführenden Canäle
in ein weitmaschiges Lückenwerk umgewandelt : zwischen beiden liegt eine
Schicht grosser tonneuförmiger Geisselkammern. — Bei den Tctraxoiiiem
ist dagegen das Mesoderm gewöhnlich reichlich und die zu- und abführen-
den Canäle gut entwickelt. Als Grundform des Skelett sind die vier-
axigen Nadeln der TrtmctincUhb n zu betrachten: aus ihnen leiten sich die
derben, zu massiven Gerästen verklebten Skeletstücke der LithLst't/kn und
die Einstrahier der Mowicthwüiden ab.
I. Unterordnung. Tr'mxnnirr. Die hierher gehörigen HcxaeiincUiden
leben vorwiegend in grossen Meerestiefen und waren daher lange Zeit nur
durch wenige Arten bekannt: Euplrrtclla a.spagiltum Owen, Venuskörbchen
genannt wegen seines eleganten Skelets, einer durchbrochenen, aus feinen
Kieselfäden gesponnenen Röhre. Hyih/in/m Sichddi Gray.
II. Unterordnung. Trtmxouier. Typische Vertreter sind die Lithi-
stidcn, zum grössten Theil ausgestorbene, zum kleineren Theil vorwiegend
in grösserer Tiefe fortlebende Schwämme (Diarodcnnüi jnlydiscus Boc.) und
die Tetraijinellidm (Gwdia yiy<is Lani., Plnhinn mnnolitpha F. E. Schulze .
An Plahhui schliesst sich OsmreUa lohuinris O. Schm., an eine skeletlose
Form (Myxosjtonyit).
Bei den MonndintUiden werden die Kieselnadeln durch Spongin zu
einen» Gerüst verklebt (Cornacuxpougirn) und können sogar vom Spongin
vollkommen ersetzt werden. Typische OtriKiruspony'ten sind ausser zahl-
reichen Meeresschwämmen die Süsswasserschwämme : Sponyilla ßuvifUitis Lk.
und Sp. lamstrLs Lk. (Fig. 81, S. 108), welche als Ueberzüge von Steinen
und von Wurzeln, die in das Wasser ragen, in Flüssen, Wassergraben.
Tümpeln und Teichen weit verbreitet sind. Die natürliche Farbe ist ein
lichtes Grau , welches aber durch eingenistete Algen in Grün verwandelt
werden kann. Vor den meisten, vielleicht sogar allen marinen Verwandten
haben die Süsswasserschwämme die Bildung der Gemmulae voraus;
zeitweilig zerfällt der Weichkörper in kleine rundliche Stücke, welche den
Durchmesser eines dicken Stecknadelkopfes besitzen und sich mit einer
festen Membran umgeben , die bei manchen Arten noch von Kieselstück-
chen, den A mp h i d i sce n. verstärkt werden kann. Derartige „Gemmulae"
liegen auf dem von Kieselnadeln gebildeten Schwammgerüst und über-
dauern die Zeit, in welcher das Wasser des Aufenthaltsorts gefroren oder
eingedunstet ist: unter günstigen Verhältnissen kriechen die Inhalts-
portionen wieder aus und erzeugen kleine Spongillen. Die Gemmulae-
bilduug ist eine der bei Süsswasserthieren so verbreiteten, der Eucystirung
der Protozoen vergleichbaren Schutzvorrichtungen.
Wenn nun die Kieselnadeln gar nicht mehr angelegt werden und nur
noch das Spongingerüst übrig bleibt, so erhalten wir die Cet'aospOTUfien
oder Hornftchwümmc.
Das Skelet der Hornsrltu ämntc besteht aus einer organischen Substanz,
welche man Horn nennt, obwohl sie chemisch nicht mit dem Keratin der
Nägel, Hufe, Haare und Federn der Wirbolthiere identisch ist. Die Sub-
stanz ist in Fäden abgelagert, welche durch Apposition wachsen und daher
einen concentrisch geschichteten Bau besitzen. Die Anbildung neuer
Massen erfolgt durch eine besondere, die Fasern beieckende Zellenschicht
von Sp ou gobiasten. Die Hornfäden sind stets nach allen Richtungen
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1*8
Coelenteraten.
des Raums verästelt, die Aestc meist unter einander zu einem Gerüstwerk
verwachsen.
Die bekanntesten Hnrnschwäiiimr, sind die Badonlnrätame : Ens]»>n;jia
offo-imilis L , welche in verschiedenen Varietäten das Mittelmeer und audere
Meere bevölkern. Am gesuehtesten sind die Levanteschwämme {rar. mol-
litithwi) . nächsrdem die Schwämme der Ad Ha. Zur Verwendung kommt
im Handel nur das Skelet , ein Gerüstwerk, dessen Balken wiedenim aus
Netzen feinster Fasern bestehen. Den Weichkörper entfernt, man. indem
man ihn durch Quetseheu abtödtet, anstäulen lässt und die Reste mit Süß-
wasser auswäscht. Technisch verwerthbar, wenn auch weniger gut sind
EusjHtm/ia ximfM.ra O. Schm. und Ilij'pospoiiifia rauimi O. Schm. Pterde-
schwamm, unbrauchbar dagegen < 1 io Carotfpnntfmt, Ajtlysinrn und Aj'li/sill^ii.
Auch unter den Mnnw-lim <lli>hii giebt es gänzlich skeletlose Formen,
wie z. B. Halt samt Ditjardini Johnston.
II. Unterstamm.
Cnidarien oder Nematophoren.
Die drei höheren Classen der Coelcnteraten unterscheiden sich von
den Spongien schon bei oberflächlicher Betrachtung, indem sie viel mehr
den Eindruck thierisch belebter Körper machen. Dies hängt damit zu-
sammen, dass die einzelnen Thiere, obwohl sie
meist unter einander zu Colonien verbunden und
auf dem Boden testgewachsen sind, auf Reize hin
sich rasch und energisch zusammenziehen können.
Am autfälligsten sind die Bewegungen an den
Tentakeln, hingen Fühlfäden, welche im Um-
kreis der Mundöttnung stehen und die Aufgabe
haben, nach Beute zu tasten, dieselbe zu fassen
und der Mundötfnung zuzuführen. Zum Abtödten
der Beute bedienen sich die Cnidarien der Cni-
dae oder X es sei kapsei n , welche in anderen
Thierstämmen fehlen oder doch wenigstens nur
äusserst selten (bei einigen Protozoen, Turbellarien
und Mollusken) beobachtet werden (Fig. 1Mb).
Diese systematisch sehr wichtigen Apparate sind
ovale oder wurstförmige Bläschen mit einem flüssi-
gen Inhalt und einer festen Membran. Jedes
Bläschen ist an einem Ende in einen langen
Schlauch verlängert, welcher meist so dünn ist,
dass er wie ein Faden aussieht und daher auch
Nesselfaden heisst. Der Nesselfaden kann in
ganzer Ausdehnung mit Widerhaken bewaffnet sein
oder er trägt nur wenige starke Widerhaken an sei-
nem unteren, an die Nesselkapsel anschliessenden
den Widerhaken reichende basale Abschnitt des
Nesselfadens ist dicker als der übrige Theil. Im Ruhezustand (a) ist
der Nesselfaden in das Innere der Kapsel eingestülpt und in Spiral-
windungen aufgerollt; sein basales Ende kann dabei eine feste Axe
Fi<:. 1 ")!). X< -:<.»el/ellr!i
der C Miliarien, a Zelle
mit CnidiH-il und einem
in der Kuppel uut'jrei"« »Il-
ten Xessi-lfadeii. X< s-
selfaden aus der N«>>s«,l-
kapH'l hervorgesehleu-
dert, an »1er 13a.-sis mit
Widerhaken bewnffnet.
e Klebzellen einer L'h no-
phorv (aus Lang).
Ende. Der bis zu
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IX. Hydrozoen. Hydromedusen.
139
bilden, um welche der Rest gewickelt ist Bei Reizung des Thieres
wird der Faden ausgeschnellt und erzeugt dem Angreifer eine Wunde,
in: welche der stark nesselnde, flüssige Inhalt eingeträufelt wird. Es
giebt Coelenteraten, welche auf diese Weise selbst dem Menschen inten-
sive Verbrennungen verursachen können.
Die Neeselkapsel entsteht als Plasmaproduct im Innern einer Zelle
neben dem Kern. Die ausgebildete Nesselzelle reicht bis an die Körper-
oberflüche und endet hier mit einem Tasthaar oder Cnidocil, welches
bei Berührung das Protoplasma reizt und dadurch zum Ausschiessen
des Nesselfadens veranlasst. Vielfach ist die Nesselkapsel daher von
einer muskulösen Hülle umschlossen oder von einem Netz von Muskel-
fasern umsponnen.
Im Vergleich zu den Schwämmen kann man die Cnidarien epi-
theliale Organismen nennen. Ein bindegewebiges Mesoderm fehlt
entweder ganz oder besitzt eine untergeordnete Bedeutung: dagegen
liefert das Epithel der Körperobertiäche (Ectoderm) und das den
Magen auskleidende Epithel (Entoderm) die wichtigsten Gewebe, wie
Muskeln, Nerven, Sinnesorgane, Geschlechtsorgane, Nesselkapseln etc.,
weshalb man die Cnidarien auch zweiblättrige Tlüere, Dtblastcrien,
nennt.
II. C lasse.
Hydrozoen.
Wenn man die einzelnen Gassen der Cnidarien rücksichtlich der
Organisationshöhe beurtheilt, kann man die Hydrozoen im System eben-
sowohl höher wie niedriger als die Anlhozoen stellen; dies kommt da-
her, dass in der Gasse, vielfach sogar bei jeder Art 2 Grundformen
auftreten, von denen die eine im Bau den Anthoeoen nachsteht, die
andere ihnen überlegen ist. Erstere ist der sessile, meist colonie-
bildende Polyp, letztere ist die freibewegliche, mit Sinnesorganen gut
versehene Meduse. Das Verhältniss beider zu einander ist gewöhnlich
das des Generationswechsels. Der Polyp ist die Amme und
erzeugt auf dem Wege der Knospung die Meduse, die Meduse dagegen
ist das Geschlechtsthier, aus dessen Eiern sich wieder Polypen ent-
wickeln.
Wir kennen nun 2 Polypenformen und 2 Medusenformen, die gene-
tisch einander entsprechen: 1) den Hydroidpolypen und die craspedote
Meduse, 2) den Scyphopolypm und die acraspede Meduse. So führt die
Betrachtung der Ammen und der Geschlechtsthiere gleichmässig zur
Aufstellung zweier Gruppen, die wir Hydromedusen und Scyphomedusen
nennen wollen.
1. Unterclas.se.
Hydromedusen.
Der Hydroidpolyp bildet im Stamm der Cnidarien eine wichtige
Grundform, aus welcher sich alle übrigen Gestalten, die Medusen,
Scyphopolypcn, ja sogar die Corallenpolypcn ableiten lassen: das beste
Beispiel für ihn liefern uns die bei uns in Bächen und Tümpeln so
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190
Coelenteraten.
weit verbreiteten, auf Wasserpflanzen festsitzenden Süsswasserhydren. —
Der Körper einer Hydra (Fig. 87, KiO) ist ejn Schlauch, der mit dein
hinteren, blind geschlossenen Ende, der Fussscheibe, sich fest-
kleben kann, am vorderen Ende dagegen die Mundöffnung trägt, welche
in einen einfachen Hohlraum im Innern des Thieres, den Magen
führt. Der Mund ist umstellt von einem Kranz langer Tentakeln,
welche zum Ergreifen der Beute (besonders kleiner Crustaceen) dienen :
dieselben sind Ausstülpungen der Körperwand und ermöglichen es, an
letzterer zwei Theile zu unterscheiden, das innerhalb des Kranzes ge-
legene Perist om und das die Seitenwand bildende Mauerblatt.
Fig. ltjo. Hydra tiridis, eben mit einem Fi«:. 161, Körperschichten von Hudra
Kranz von Hoden, tiefei mit einer Ovaria!- (nach F. K. Schulze aus Hätschele}.
an->ch\vellunjr. m Fntodcrm, * Stützlamcllc, ek Ekto-
derm mit Cuticula r und Nessel -
ka|wcln en.
Bu d.» Hydra hat nur zwei Körperschichten, das den Magen auskleidende,
"Iii"'!'!,", mit GeisselD versehene Entoderm und das die Körperoberfläche be-
deckende Ectoderm (Fig. Kil). Zwischen beiden liegt die Stütz -
lamelle, eine structurlose Membran, welche keine Zellen enthält und
daher auch nicht als eine besondere Körperschicht gelten kann. Jede
der beiden Körperschichten besteht aus einer Lage Epithelmuskelzellen
(cfr. S. 74), welche an ihrer Basis im Ectoderm longitudinale, im Ento-
derm circuläre, glatte Muskelfasern gebildet haben. Im Ectoderm lagern
ferner Ganglienzellen, Nesselzellen und Geschlechtszellen. Die Nessel-
zellen drängen sich in grösserer Menge an den Tentakeln zu kleinen,
mit Cnidoeils bedeckten Wülsten zusammen. Die Geschlechtszellen
erzeugen indessen nur zu bestimmten Zeiten im Ectoderm um-
schriebene Höcker: dicht unter den Tentakeln einen Kranz von Hoden,
etwas tiefer die Eierstöcke (Fig. KiO).
Häufiger als in (ieschlechtsreife findet man die Süsswasserpolypen
in ungeschlechtlicher Vermehrung durch Knospung (Fig. 87. S. 114).
Am Mauerblatt entstehen kleine Ausstülpungen, welche sich ver-
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II. Hydrozoen. Hydromedusen.
191
grossem und eigene Tentakeln und eine eigene Mundöffnung erhalten.
Indem Mutterthier und Knospe, ehe sie auseinandergehen, sich weiter
vermehren, kann eine kleine Colonie entstehen, welche jedoch nur
kurzen Bestand hat und durch Abschnürung der Einzelthiere auf-
gelöst wird.
Im Meere giebt es nun zahlreiche Hydroidpolypen , welche der ^JJ^1"
Hauptsache nach mit unserer Hydra übereinstimmen, in zwei wichtigen
Punkten sich aber unterscheiden :
1) sie erzeugen selbst keine
(; e s c h e c b t s o r g a n e m ehr; 2)
sie bilden mit wenige n A u s-
n a h m e n d a uern d C o 1 o n i e n
oder St ö c k e ( Fig. 1 02). D urch
die Stockbildung wird eine Reihe
von Einrichtungen veranlasst, die
besondere Bezeichnungen nöthig
gemacht haben. Die einzelnen
Thiere einer Colonie nennt man
II yd ran t hen ; sie hängen durch
das Coenosark unter einander
zusammen, ein System von Röhren,
welche wie die Hydranthcn aus
Entoderm, Stützlamelle und Ecto-
(lerm bestehen und. da sich auch
der Hohlraum des Magens in sie
hinein fortsetzt, eine gleichmiissige
Vcrtheilung der Nahrung in der
Colonie bewirken. Die Coenosark-
röhren können auf der Unterlage
«Fels. Pflanzen, Schneckenschalen,
Krebspanzer) hinkriechen und ein
Geflecht, die Hydrorhiza, er-
zeugen, oder sie steigen baumartig Hj£nt(]';
verästelt auf (H y d r o e a u 1 u s) ;
meist hat dieselbe Colonie sowohl
Hydrorhiza wie Hydrocaulus.
Der Colonie wird die nöthige
Festigkeit durch das Peride rm
CatupaHu/ariu Johnstoni. <t
Hydranthoii mit Ilydrothocn, h im zuruck-
jrc/.ftjrt'ncn Zustand, tl Hydnx-auln*. f Go-
imthrcn mit MediUM'ukno^jH'ii, // abgelöste
Modus«- (muh Alliiian).
geliefert, eine cuticulare Ausschei-
dung lies Ectoderms, welche zu einer festen Röhre erstarrt. Bei einem
Theil der Hydroidcn (Fig. MVA) hört die Peridennbekleidung an der
Basis des Hydranthcn auf, bei einem anderen Theile erweitert sie sich
zu einer weitmündigen Glocke, in welche sich der Hydranth bei drohen-
der Gefahr zurückziehen kann, die Hydrotheea*(Fig. 104). Selten
ist das Periderm in dicken Schichten abgelagert, welche verkalken und
dadurch an die Skelete der echten Corallen erinnern; es entstehen
dann massige oder zierlich verästelte Kalkstöcke mit Oeffnungen, aus
denen die Polypen hervortreten (Fig. 1(5")).
Der Mangel der Geschlechtsorgane, durch welchen
die marinen Hydroiden von unserer Siisswasserhydra unterscheiden,
erklärt sich aus dem Umstand, dass ebenfalls auf dem Wege der Knos-
pung von der Colonie aus b e s o n d eis gestaltet e G e s c h 1 e c h t s -
thiere erzeugt werden, welche sich frühzeitig ablösen und frei
herumschwimmen; das sind die Medusen (Fig. 100, 107). Dieselben
sich u"Vdcr ^
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192
Coelenteraten.
haben die Gestalt von hochgewölbten oder fast scheibenartig flachen
Glocken und bestehen vorwiegend aus einer ausserordentlich wasser-
reichen Gallerte. Die Gallertglocke, der Schirm der Meduse, ist all-
seitig von Ectodermepithel bedeckt, sowohl auf der concaven Seite,
Fig. 10:?. Fiiilriiih ini» inmo.nnu. Fig. 164, Cnmpanukwia gttUeulata.
Für beide Figuren gelten: cn Entoderni, rk Ektodcrni. j> Peridcrm, $ Stützlamelle.
S u b u m b r e 1 1 a . wie auf der convexen Wölbung, E x u in b r c 1 1 a. Am
Schinnrand ragen beide Epithelschichten noch etwas weiter hervor,
sind hier nur von einer Stützlamelle gestützt und erzeugen einen den
Schinnrand umfassenden Saum , das systematisch bedeutungsvolle
Velu'm oder Craspedon. Am
Schirmrand selbst, also oberhalb
des Velnm. entspringen auch die
Tentakeln: 4, * oder Vielfache
dieser Zahlen.
Vergleichbar dem Schirmstiel
oder Glockenklöppel hängt in den
Glockenraum vom höchsten Punkt
der Wölbung aus der Magen
herab: an seinem unteren Ende
trägt er die Mnndötfnung : von sei-
nem oberen Ende sendet er die
Radialcanäle aus. welche auf der
K& 165. Millcpom ah irornis, ein Stück subumbrellaren Seite der Glocke
AUf) vergrößert (nach verlaufen UI1(1 am Glockenrand
mittelst des Ringcanals zusammen-
hängen ; ihre Zahl beträgt bei
jungen Medusen nur 4, steigert sich aber bei manchen Arten im Laufe
der Entwicklung auf mehr als Hundert. Magen und sämmtlichc bisher
genannte Canäle sind von einem entodennalen Geisselepithel ausge-
kleidet, welches sich auch in die Tentakeln hinein fortsetzt und deren
Axe liefert.
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II. Hydrozoen. Hydromedusen. 193
Alle wichtigeren Orgaue entwickeln sich aus dem Ectoderm.
Hoden oder Eierstöcke entstehen bei manchen Arten im Magen-
ectoderm (Fig. 167), bei andern im ectodermalen Ueberzug der Radial-
canäle (Fig. lGß); beidesmal bilden sie ansehnliche, häufig schön roth
Fig. 100. lihopalonema vrlatum (etwa* sohemntisirt). A seitlich, B von unten
gesehen, e Exumbrella , ä Subumhrella , m Magen , r Kadialcanäle , c llingeaiml,
t Tentakeln, t' erster, t" zweiter Ordnung, y Geschlecht«orgaiie , h Hörbläsohen,
n Nervenring, r Velum.
oder orange gefärbte Verdickungen dieser Organe. — Ectodermale
Längsmuskeln verleihen den Tentakeln die schlangenartige Beweglich-
keit, welche den an das Medusenhaupt erinuernden Namen veranlasst
hat; circuläre, stets quer gestreifte Muskeln, welche auf der subum-
H« tt w ig. Lthrbuch der Zoologie. 3. Aull^. J3
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194 Coelenteraten.
brellaren Seite von (Hocke und Velum verlaufen, bedingen die charak-
teristischen Bewegungen der Meduse. Durch ihre Contraction wird
die Glocke stärker gewölbt und verengt; das Velum, sonst schlaff
herabhängend (Fig. 166 A) , springt dann diaphragmaartig in die
Gloekeninündung vor (Fig. 1602?). Indem dabei Wasser ausgepresst
wird, schwimmt die Meduse durch Rückstoss mit der Glockenwölbung
Die Ringmuskelschichten des
Velum und der Subumbrella wer-
den durch einen Zwischenraum
unterbrochen , welcher für das
Centraiorgan der Meduse, dea
N e r v e n r i n g , reservirt bleibt.
Mit dem Nervenring hängen Sinnes-
organe, die Randkörper, zu-
sammen, einfachste Augen, rothe
Pigmentflecke mit oder ohne Lin>e
(Fig. 78 S. 103) und offene oder
geschlossene Hörbläschen (Fig.lö*).
Tastborsten stehen besonders reich
auf den Tentakeln.
Die Gehörorgane zeigen zweierlei
Typen, welche beide als offene Ge-
hörorgane beginnen und sich zu ge-
schlossenen Hörbläschen vervoll-
kommneu. Der eine Typus findet
sich bei den TrucinjmeAusot , der an-
dere bei den Lcptonicdusen. Die Ge-
hörorgane der Traehymcduscn , die
H ö r k ö 1 b c h e n , sind moditicirte
Tentakeln ; die entodcrmale Tentakel-
axo bildet die Otolithen, der ecto-
dermale Ueberzug die Sinneszellen.
Fig. 1Ö7. liara plicata (aus Hätschele Die Hörkölbchen sitzen bei den Äegi-
nnch Ilaeckel), niden (Fig. 168.1) auf Hörpolstern.
ragen im Uebrigen aber frei ins
Wasser; sie werden bei den TracJnjnnttiden iE) von Epithel umwachsen
und so in unvollkommen geschlossene Bläschen gehüllt ; bei den
Gctffoniden (C) werden die Bläschen geschlossen und sogar in die Tiefe
in die Gallerte des Schirms verlagert. Die Gehörorgane der Leptomcdusen,
die volaren Gehörorgane, sind bei manchen Arten noch kleine weit-
mündige Gruben auf der subumbrellareu Seite des Velum, bei allen übrigen
Arten jedoch (Fig. 168 D) abgeschnürte Bläschen, indem die Mündung der
Grube sich geschlossen hat. Hier sind Sinneszellen und Otolithenzellen
beide ecto dermaler Herkunft.
"JJJJJ So sehr sich nun auch die Meduse in ihrem Bau von dem Hy-
Urtast und droidpolypen unterscheidet, so führt doch eine genaue vergleichend-
twjrp. anatomische und eutwicklungsgeschichtliche Untersuchung zu dem Re-
sultat, dass sie nur ein höher entfalteter, an die schwimmende Lebens-
weise angepasster Hydroidpolyp ist. Um die Meduse auf den Polypen
zurückzuführen, muss man sich vorstellen, dass die Läugsaxe des Po-
lypen sich verkürzt hat und dass dadurch sein cylindrischer Körper
zur Scheibenform abgeplattet wurde (Fig. 169, 170), dass ferner die
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II. Hydrozoen. Hydromedusen. 195
Stützlamelle der Fussscheibe und des Mauerblatts zu einer ansehnlichen
Gallertschicht verdickt worden ist. Dann erklärt sich leicht die An-
.4 C
Fig. 168. Gehörorgane von Medusen. A — C von Trachynieduscn, D einer Lepto-
medu$0. a Epithel, /* Hörzellen, hh Hörhaare, hj Ursprungsstellen der |Hörhaare,
U Hörkölbchen. Up Hörpolster, o Otolithcn, nr ^ervenring, n Hörnerv. J.(Cunina
lativentris, B Rhopaloneina velatura, C Carmarina hastata, D Octorchis.;
Ordnung des Gastrovascularsysteras; Magen, Ringcanal und Radial-
canäle sind die Reste des Hydroidenmagens, dessen Hohlraum durch
den Druck der Gallerte in den dazwischen gelegenen Partien verödete.
Fig. M». Schematisehcr Längsschnitt Fip. 170. Schematicher Längsschnitt
durch einen Polypen. durch eine Meduse.
en Entodenn, el Entoderralamelle durch Zusammenpressen der Magenwand ent-
standen, ek Eetodenn, ek1 der Exumbrella, de1 der Suoumbrella, ek3 des Magen»,
r Ringcanal, s Subumbrella, t Tentakeln, v Velum, x Gallerte resp. die correspon-
«lircnde Stützlamelle.
13*
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196
Coelenteiaten.
Zu diesen Umgestaltungen treten dann als Neubildungen noch die
Sinnesorgane und das Veluni hinzu.
Entwickle. D i e H ü c k f ü h r u n g d er M e d n s e a u f den Hau des Po-
lypen ist für das Verständnis» der Entwick lungs ge-
sell i e h t e v o n B e d e u t u n g. Dieselbe hat gewöhnlich den Charakter
eines Generationswechsels. Aus dein Ei einer Meduse entsteht
eine Flimmerlarve, welche sieh festsetzt, Mundötinung und Tentakeln
entwickelt und durch fortgesetzte Knospung ein Hydroiden stöckchen
liefert. Das Hydroidenstöckchen ist die ..Amine44; es hat nie Geschlechts-
organe, erzeugt aber auf dein Weg der Knospung die Geschlechts-
thiere, die sich ablösenden und frei herumschwimmenden Medusen.
Da Polyp und Meduse dem Obigen
zufolge morphologisch einander
gleichwertig sind, hat das Hy-
droidenstöckchen zur Zeit . wo die
Loslösung der Medusenknospe noch
nicht erfolgt ist. den Charakter einer
polymorphen Colon ie, be-
stehend aus Individuen, welche nur
ungeschlechtlich sich fortpflanzen
(Hydranthen) , und aus solchen,
welche die geschlechtliche Fortpflan-
zung übernommen haben (Medusen).
So gelangen wir zur Vor stellang,
dass der Generationswechsel der Hy-
droiden durch Arbeitsteilung oder
Polymorphismus ursprünglich gleich-
wertiger Individuen entstanden ist.
indem ein Theil derselben (die Ge-
schlechtsthiere) sich ablöste und
einen eigenartigen Bau gewann.
Wie der Generationswechsel aus
dem Polymorphismus hervorgegan-
gen ist, so kann er sich auch wieder
in denselben zurückverwandeln. Dies
geschieht, wenn die Medusen, an-
statt sich loszulösen, in der Colonie
verbleiben. Sie werden dabei zu
den ..Sporosaes" rückgebildet.
w lcklunir-^tiulicn von Mi'duscn, darunter . , • »r , T.
:; v.whi<Hlenfrrndig rückgebüdete 8j^ro- 1,1,k',u *,e st(>t* Mundoflnung . \p-
*aca (au* Hatechek). lum und Tentakeln (Fig. 171) ein-
büssen, oft auch die Radialcanäle
und den Ringcanal, so dass schliesslich nur der Magen (Spadix) und
die Geschlechtsorgane übrig bleiben, letztere umhüllt von den Rudi-
menten des Medusenschinns. Da Medusen und Sporosaes bei nahe
verwandten Arten für einander vieariiren, nennt man sie mit einem
gemeinsamen Namen „G o n o ph oren".
Die Entwicklungsweise der Hydrozoen kann noch nach zwei wei-
teren Richtungen abändern, indem entweder die Bildung der
Medusengeneration oder die der Hydroiden generation
unterbleibt. Im ersteren Falle haben wir Polypen, welche sich so-
wohl geschlechtlich als ungeschlechtlich fortpflanzen können, im anderen
Falle Medusen, aus deren Eiern direct wieder Medusen entstehen.
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II. Hydrozoen. Hydroniedusen.
11)7
Im Ganzen ergeben sich somit vier Fälle: 1) Polypen erzeugen, zeit-
weilig geschlechtlich, zeitweilig ungeschlechtlich, stets nur Polypen;
2) Medusen erzeugen stets nur Medusen; 3) Polypen und Medusen
stehen mit einander im Generationswechsel : 4) Polypen und sessile
Medusen, d. h. Sporosacs, bleiben zu einem polymorphen Thierstock
vereint.
Nach ihrer geographischen V er b rei tu n g sind die Hydro- Verbnr*i(un*
medusen als marine Thiere zu bezeichnen. Die II y d ro i d e n st ö c k- sjitomatuu
chen finden sich meist an felsigen Küsten oder in Tiefen bis zu
RH) Metern ; ja selbst in Tiefen von 78<X> Metern sind sie beobachtet
worden. Die Medusen gehören der pelagischen Thierwelt an. Als
Ausnahmen von der Regel und als ausschliessliche Süsswasserbewohner
kannte man lange Zeit über nur die zum grossen Theil auch bei uns
einheimischen Arten der kosmopolitischen Gattung Hydra. In der
Neuzeit sind weitere Süsswasserbewohner bekannt geworden, und zwar
sowohl Hydroiden {Protohydra Ryderi Potts in Amerika, Polypodium
hydriforme in Russland), als auch Medusen (Limnocodium Sowerbyi
Lank, in Brasilien, Limnocnida Taganyicae Gthr. in Afrika, Halmonises
lacustris Kenn, auf Trinidad). An der Grenze von Süss- und Salz-
wasser, im Brackwasser, siedelt sich Cordylophora lacustris an. - Bei
der Systematik kanu man sowohl die Hydroidenform wie die Medusen-
form zu Grunde legen. Bei ausschliesslicher Berücksichtigung der
Hydroideu kommt man zu vier Gruppen.
Ii Hydrarien. Polypen mit ungeschlechtlicher und geschlechtlicher
Fortpflanzung; ohne dauernde Coloniebildung. ohne Peridenn,
ohne Gonophore (Fig. 100).
2) Tubularien. Meist coloniebildende Polypen mit Peridenn. aber
ohne Hydrotheka, Fortpflanzung durch Gonophoren (Medusen
oder Sporosacs (Fig. 8« und 103).
3) Campanularien. Coloniebildende Polypen mit Peridenn und mit
Hydrotheka: Fortpflanzung durch Gonophoren, welche in be-
sonderen Peridermkapseln , den Gonotheken, eingeschlossen
sind (Fig. 102 und 1<>4).
4) Hydrocorallinen. Coloniebildende Polypen mit massigem, ver-
kalktem, an Corallen erinnerndem Peridenn ; Fortpflanzung
durch Sporosacs, vielleicht ausnahmsweise auch durch Medusen.
Geht man von den Medusen aus, so erhält man ebenfalls vier
Gruppen :
1) Anthomedusen. Geschlechtsorgane in den Wandungen des Magens;
keine Gehörorgane, meist aber Augenflecke; Hydroidengene-
ration vorhanden.
2) Leptumedusen. Geschlechtsorgane an den Radialcanälen ; velare
Gehörorgane; Hydroidengeneration vorhanden.
3) Trachymedusen. Geschlechtsorgane an den Radialcanälen; tenta-
kulare Gehörorgane; Entwicklung direct ohne Hydroiden-
generation.
4) Siphönophoren : polymorphe, freischwimmende Stöcke von Antho-
medusen; Entwicklung ohne Hydroidengeneration.
Da aus obigen beiden Tabellen ersichtlich ist, dass es Medusen
ohne Hydroiden und Hydroiden ohne Medusen giebt. so kann ein ein-
heitliches und erschöpfendes System nur durch gleichmässige Berück-
sichtigung beider Formen gewonnen werden. Hierbei ergiebt sich,
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198
Coelenteraten.
dass die Anthomedusen mit den Tubularien, die Lcptomedusen mit den
Campanularien zusammenfallen, da die jedesmaligen Medusen und
Polypen im Generationswechsel stehen; dazu kommen zwei Gruppen
ohne Hydroiden, Trachymedusen und Siphonophoren , und eine Gruppe
ohne Medusen, die Hydrarien. Bei den Hydrocorallinen scheinen selten
neben Sporosacs auch Medusen vorzukommen. Im Ganzen erhalten
wir somit ti Ordnungen.
I. Ordnung. Hydrarien.
Aus der Gruppe der Hydrarien kannte man lange Zeit über nur die
Süsswasserpolypen, die verschiedenen, meist kosmopolitischen Arten der
Gattung Hydra. Den grössten Theil des Jahres über pflanzen sich die
Thiere ungeschlechtlich durch Knospung fort (Fig. 87), nur zu gewissen
Zeiten erhalten sie Geschlechtsorgane (Fig. 1G0). Die Eier bleiben wäh-
rend der Furchung und der Keimblattbildung mit dem Mutterthier in Ver-
bindung, bilden dann eine feste Embryonalschale und fallen ab, um so vor
Unbilden geschützt während Trockenheit oder Frost die Existenz der Art
zu sichern; in diesem „Cystenzustand" können sie auch durch Wind oder
Wasservögel verschleppt werden. Hydra yrisca L., grössere bräunliche
Form; H. viridis L., durch Symbiose mit Algen grün gefärbt. — Weitere
Hydrarien sind: das auf Sterleteiern schmarotzende, noch weiterer Unter-
suchung bedürftige Polypwlium hydri forme Ussow und die tentakellose
Protohydra Rydcri Potts.
n. Ordnung. Hydrocorallinen.
Die Hydrocorallinen kommen ausschliesslich im Meere vor und bilden
hier Colonien von vielen Tausenden von Individuen, deren massives Kalk-
skelet so sehr an die Skelete echter Corallen erinnert, dass man die hier-
her gehörigen Familien der weisslichen Milkporidni und rosenfarbenen Styl-
a.sferiden für echte Corallen erklärte, bis man mit den lebenden Einzelthieren
bekannt wurde. StyhsUr rosen« Gray. Millrjxira akicornis L.
III. Ordnung. Tubulario-Anthomedusen.
Als Regel gilt, dass die mit Periderm versehenen, aber der Hydro-
theca entbehrenden, fast ausnahmslos coloniebildenden Polypen (Fig. 88, 103)
freibewegliche Anthomedusen erzeugen. Letztere sind, abgesehen von ihren
magenständigen Geschlechtsorganen und dem Mangel der Hörbläschen, meist
schon an ihrer hochgewölbten Glocke zu erkennen (Fig. 1G7); auch sind
sie häufig mit Ocellen ausgerüstet (LkcUalai). Daneben kommt es vor, dass
die Medusen als Sporosacs in der Colonie verbleiben. So erzeugt in der-
selben Familie der TuLuhiridcn die Corymorjtha nutaas Sars Medusen, die
Tulndaria hryur L. Sporosacs. — Alle hierher gehörigen Arten (z. B. die
Hydroiden Synan-yne Susi Low, Hydraefiuia cehinata Flem., Eudcndrium
ramciim Johnst.. die Medusen Tiara jahafa Forsk., Li.ria Köllileri Gegnb.)
sind marin : eine Ausnahme macht Cordylophorn laeuatris Allm., ein reich
verzweigtes Stöckchen mit Sporosacs; von Haus aus ein Brackwasserbe-
wohner, dringt das Thier allmählich in's Süsswasser vor.
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II. Hydrozoen. Hydromedusen.
199
IV. Ordnung. Campanulario-Leptomedusen.
Von den Repräsentanten der vorigen Ordnung sind die Thiere leicht
zu unterscheiden, die stets ansehnliche Colonien bildenden Hydroiden ver-
möge der Anwesenheit der Hydrotheca (Fig. 162, 164), die Medusen ver-
möge ihres flach gewölbten Schirms, der velaren Hörbläschen und der Lage
der Geschlechtsorgane an den Radialcanälen. Eine Besonderheit der Gruppe
sind die Gonotheken, geschlossene Peridermhüllen, innerhalb deren die
Gonophoren an einem besonderen mund- und tentakellosen Polypen, dem
Blastostyl (Fig. 162/") entstehen. Die typischen Campanularidm erzeugen
Medusen, so die Campanularia Johnstoni Johnst. das Phialidium variabik
Claus. Bei den Seritdariden und Pliomdaridcn finden sich dagegen Sporo-
sacs. Serttdaria abielina L. Plumularia pinnata Lara. Sehr verbreitete Me-
dusen sind: Acquorea forskaka Per. et Les., Irene pcüucula H.
V. Ordnung. Trachymedusen.
Die Trachymedusen gleichen den Leptomcdusen nicht nur in ihrer Ge-
stalt, sondern auch im Besitz von Hörbläschen und in der Lagerung der
Geschlechtsorgane an den Radialcanälen. Indessen entstehen ihre Hör-
organe nicht aus dem Velum, sondern sind umgewandelte Tentakeln, also
ganz andere Gebilde Dazu kommt als wichtigster Unterschied der Mangel
des Generationswechsels, die directe Entwicklung der Meduse. Dies gilt
besonders von Trachyncmiden und üeryoniden: Rhopalonema velatum Gegnb.
und Cannarina hastata H., während bei den auch sonst abweichend gebauten
Aeyiniden (Narcomcduscn) einige Medusen wenigstens von parasitisch leben-
den Ammen durch Knospung erzeugt werden. Cunina parasüica Metschn.
VI. Ordnung. Siphonophoren.
Die Siphonophoren sind Colonieen, welche zu den herrlichsten
Repräsentanten der pelagischen Thierwelt gehören und ihrem Aussehen
nach sich am besten mit Blumenguirlanden vergleichen lassen. Wie
eine Guirlande aus Blumen und Blättern besteht, die an einem Faden
aufgereiht sind, so besteht eine Siphonophore aus zahllosen, theils glas-
artig durchsichtigen, theils farbigen Einzelthieren, die von einem ge-
meinsamen Strang entspringen (Fig. 172, 173). Der Strang, die
C oenosarkröhre oder der Stamm, ist äusserst muskulös und ent-
hält im Innern einen von Entodcrm ausgekleideten Centralcaual, ein
Xahrungsreservoir, von dem aus die Einzelthiere der Colonie gespeist
werden. Sein vorderes Ende umschliesst bei den meisten Arten ein
abgeschlossenes, mit Luft gefülltes Säckchen, den Pneu matop hör
oder die Luftkammer, welche als hydrostatischer Apparat funetionirt
und die senkrechte Stellung der Colonie im Meere bedingt.
Die von der Coenosarkaxe entspringenden Einzelthiere dienen ver-
schiedenen Functionen und sind in Folge dessen auch verschieden ge-
baut. Unmittelbar auf die Luftkammer folgen gewöhnlich mehrere
Reihen von S c h w i tu m g 1 o c k e n , Thiere, welche von der Organisation
der Meduse nur das zur Fortbewegung Nöthige. Glocke und Velum
(Fig. 172 sq\ ausserdem die zur Ernährung dienenden, vom Coenosark-
rohr aus versorgten Ring- und Radialcanäle bewahrt haben. Die an-
schliessenden, zum Schutz dienenden, medusenartigen Thiere, die
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200
Coelenteraten.
Deckstücko (<fo), sind feste Gallertplatten und haben auch den Riiiir-
eanal, die Muskulatur und die Glockengestalt der Meduse eingebüßt.
Zur Ernährung des Ganzen dienen besondere Polypen mit trompeten-
artig erweiterter Mundüffnung, die Fress-
polypen (Ay), welche die Nahrung
mittelst ihrer grossen Massen von Drüsen-
zellcn verdauen (Leberstreifen) (S. 84,
Fig. 54.) und durch Vermittlung des
Coenosarkrohrs allen übrigen Individuen
des Stocks zuführen. Sie besitzen an
ihrer Basis den Fangfaden (t), einen
langen, muskelreichen Strang, von wel-
chem seitlich feine Fäden, die Senkfäden,
herunterhängen. Die Senkfäden enden
mit buntgefärbten Anschwellungen, welche
Nesselknöpfe heissen, da sie aus dicht
gedrängten, auffallend grossen Nessel-
kapseln bestehen; sie sind der Grund,
weshalb alle Siphonophoren nesseln,
manche in so empfindlicher Weise, das»
sie wegen der ausgedehnten Verbrennun-
gen, die sie erzeugen, selbst von den
Menschen gefürchtet werden. Ebenfalls
an Polypen erinnern die Taster (/>),
mundlose geschlossene Schläuche, welche
durch ihre grosse Reizbarkeit und Be-
weglichkeit ausgezeichnet sind. Von allen
Thieren der Colonie entwickeln sich end-
lich am spätesten die meist prächtig ge-
färbten G e s c h 1 e c h t s t h i er e. Sie
gleichen den Gonophoren der Tubularien,
verbleiben meist als mehr oder minder
rückgebildete Sporosacs in der Colonie
und lösen sich nur äusserst selten als
kleine tentakellose Anthomedusen, {Chry-
somilren) ab.
Dem Gesagten zu Folge sind die
Siphonophoren ein ausgezeichnetes Bei-
spiel für Arbeitsteilung und den da-
durch bedingten Polymorphismus
der Individuen ; letzterer kann innerhalb
der Ordnung einen so hohen Grad er-
reichen , dass manche Siphonophoren
durchaus den Eindruck einheitlicher Individuen mit einer Vielheit von
Organen machen.
1) Chlyeopkoreen (Oalyconecten). Keine Luftflasche, vorderes Ende der
Colonie durch 1 — 2 grosse Schwimmgloeken eingenommen (Fig. 106),
die übrigen Individuen sitzen in Abständen von einander zu kleinen
Gruppen vereint, welche häufig vor Eintritt der Geschlechtsreife sich ab-
ablösen und eine Zeit lang — früher unter dem Namen Eudoxien als selb-
ständige Thiere beschrieben — herumschwimmen. Praya maxima Gegnb.
2) Physopliorcru (Physonecten). Luftflasche vorhanden, aber klein; auf
die Luftflasche folgt eine Säule von Schwimmglocken, dann die übrigen
Fig. 172. Schema einer Sipko-
nophbre (aus Lang), sb Luftkam-
mer, sy Sehwimmglocken, </.s Deck-
atüeke, t Tentakeln, y» CJonopho-
ren, hy FrexspolyjMH, n Taster,
*/ Sduum, A — // versclüeuene Arten
der Ausbildung und der Gruppi-
rung der Individuen.
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II. Ifydrozoen. Scyphomedusen. 2< ) 1
Individuen der Colonie. Physophora hyrfroshtfiea Forsk., Apokmia uvaria Less.
äusserst schmerzhaft nesselnd.
3) Physakcn (Ci/stottcrten). Luftflasche stark vergrössert, füllt den ge-
saminten Coenosarkcanal aus, auf dessen untere Seite der Ursprung der
Einzelthiere beschränkt bleibt. Die Thiere schwimmen stets an der Ober-
flüche des Wassers und treiben, zum Theil über den Wasserspiegel her-
vorragend, wie Segel vor dem Wind. Physnlin arcthum Til.
Den bisher genannten Formen werden vielfach unter dem Namen Dis-
conanthcn als eine vollkommen abweichende Gruppe gegenübergestellt: Vc-
Idia spirans Eschz. und Porpita mediterranen Eschz., Luftflasche eine chiti-
nöse Scheibe mit concentrischen Luftcanälen.
II. Untcrclassc.
Scyphomedusen.
Die Scyphomedusen bilden eine Parallelgruppc zu den Hydrome-
dusen, insofern sie sich ebenfalls häutig durch Generationswechsel ent-
wickeln. Die Amme ist der Scyphopolyp oder das Scyphostoma,
das Geschlechtsthier die acraspede Meduse. Im Gegensatz zu den
Hydromedusen spielt jedoch die Amme, der Scyphopolyp, eine
untergeordnete Rolle ; er ist bei den verschiedensten Arten sehr gleich-
förmig gebaut und kommt häufig sogar ganz in Wegfall, während die
Medusengeneration sehr mannichfaltig und stets wohl entwickelt
ist Wenigstens ist zur Zeit kein Fall bekannt, dass bei den Scypho-
medusen die Meduse vermisst werde oder die rudimentäre Gestalt eines
Sporosacs annehme.
Das Scyphostoma (Fig. 174, 175) hat eine äussere Aehnlichkeit
mit unserer Süsswasserhydra, unterscheidet sich aber von ihr äusser-
202
Coelenteraten.
Fig. 175.
B»u der
lieh durch einen kleinen Peridermnapf, in welchem das hintere Ende
festsitzt, innerlich hauptsächlich durch 4 Längsfalten, welche in den
Magen hineinragen und von dem hinteren Ende bis zum Rand der
Mundöffnung reichen. Diese „Gastralfalten" oder „Septen" geben sich
Fig. 174.
Fig. 174. Scyphostoma von
Aurelia aurita (aus Korschelt-
Heider). pb Peristomrüssel, tr
trichtcrförinigp Einsenkuiigen
des Peristoms, / Gastralfalten,
at Stiel, k Pendenanapl
Fig. 175. Querschnitt durch
ein Scyphostoma (ausllatschek).
gr Magen, .« Gastralfalten, sm
Muskel in demscll>en.
auf Querschnitten als kleine von einem Fortsatz der Stützlamelle ge-
stützte Entodermfalten zu erkennen : sie sind morphologisch wichtig,
indem sie bei der Knospung der Medusen die Gastraltentakelchen der-
selben liefern, ferner als erste Anlage des bei den Anthozoen so hoch
entwickelten Septensystems.
Die a c r a s p eilen M e d u s e n , meist grosse. 0,1 — 1 Mtr. messende
Thiere, besitzen einen flach gewölbten Schirm von oft knorpelartiger
Consistenz; sie unterscheiden sich von den Craspedoten äusserlich
Fig. 1 7*5.
Fig. 17G. Ephyra von Votylorhixa
iuherculnta. yt ('iastraltentakelehen,
rk -KandkörjM r (nach ( laus).
Fig. 177. Ulmari* protntifpns (aus
Batsehek). / Radien erster Ord-
nung (Perradien), mit den Mand-
arinen (o), welehe rechts entfernt
sind , // Radien zweiter Ordnung
(Interradien) . in ihnen liegen die
Geschlechtsorgane, / Tentakeln, be-
zeichnen die Adradien, / Kandlappen.
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II. Hydrozoen. Scyphomedusen.
203
sofort durch die Einkerbungen des Schirmrands, welche die
Peripherie in Lappen abtheilen. Wenn wir uns zunächst an die ge-
wöhnlichen Formen halten, so sind mindestens 8 Lappen vorhanden
(Fig. 1 7 t», 177), von denen ein jeder wieder tiefeingekerbt ist, in dieser
Fig. 178. Pohjrlnnia frondosa in seitlicher Ansicht, daneben ein Mundnrm von
unten, um die Verästelungen :zu zeigen; d die Endlüjmchen, welche die kleinen Oeff-
nungen tragen, welche in die "zum Darm leitende, eanalartig geschlossene Annrinne (a)
ffthren (nach Agassi/,).
Kerbe einen Sinneskör-
per trägt und dalier Sinncs-
körperlappen heisst. Die
B Binneskörperlappei) (Fig.
1771 u. II) schliessen bei
manchen Medusen dicht an-
einander, bei anderen wer-
den sie durch eine „inter-
mediäre", ebenfalls gekerbte
und gelappte Strecke von
einander getrennt und sind
dann oft nur durch genaue
Untersuchung herauszufin-
den (Fig. 17*). In den Ker-
ben zwischen den Sinnes-
körperlappen oder in den
Kerben der intermediären
Strecke entspringen die
Tentakeln, sofern sie nicht
rückgebildet sind.
Durch die Sinneskör-
per werden in der Me-
duse 8 Hauptradien gekenn-
zeichnet, von denen 4 die
Pe r r a di en, 4 mit ihnen
alternirende die Interra-
dien heissen (Fig. 176).
Adradien endlich nennt
man Linien, welche die Win-
kel der Hauptradien halbiren.
Fig. 17!>. Randkör|>»T von Aunliit attn'ta, „
Othohthen. oc Auge, n Nervenschicht, ya Gastral-
canal, * Stützlamelle, ttk SiniK'skörj>er.
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2(>4
Coelenteraten.
Die Lappung des Sehirmrands übt einen fundamentalen Einthiss
auf alle übrigen Organe aus; zunächst bedingt sie den Mangel des
Veluin, welches functionell durch eine dicke circulare Muskclmasse
(Fig. Kim, S. 104) auf der Subunibrella des Schirms ersetzt wird; da-
her der Name „Acraspeden". Anstatt eines Nervenrings bilden sich X
getrennte Nervencent reu. die schon genannten Sinneskörper,
welche vollkommen den Hau von Tentakeln (Fig. 179) besitzen lind
somit aus einer entodermalen Axe und einem cetodermalen Ueberzug
bestehen. Erstere schwillt an ihrem Ende stets zu einem Otolithen-
säckchen an ; in letzterem liegt ein dickes Polster von Nervenfasern
und Ganglienzellen, ab und zu auch ein Pigmenttleck, ein einfachstes
Auge. Minder deutlich ist der Einfluss der Lappung auf die vegeta-
tiven Organe. Das G astro vascularsyst cm beginnt mit der kreuz-
förmig gestalteten Mundöffnung; die Ecken des perradial gestellten
Kreuzes sind meist in lange, wie Fahnen aus dein Schirm herabhän-
gende Mundarme (Fig. 177) verlängert, welche zum Ergreifen der
Nahrung viel wichtiger sind, als die häutig verkümmerten Randten-
takeln. Der an die Mundöffnung schliessende Magen bildet alternirentl
mit den Mundarmen, d. h. interradial 4 Aussackungen, die Gastrogenital-
taschen. Das Epithel derselben erzeugt einerseits eine Gruppe kleiner,
in der Axe von Gallerte gestützter, äusserst beweglicher „Gastrai-
ten takeichen", andererseits die krausenartig gefalteten Bänder der
Geschlechtsorgane, welche somit ganz im Gegensatz zu
den Hydro med usen ent oder mal er Herkunft sind. Vom
Magen und seinen Aussackungen entspringt der periphere Theil des
Gefässsystems. Hei allen Medusenlarven, den Ephyren (Fig. 170),
vielfach auch bei erwachsenen Thieren, verlaufen s radiale Taschen
zu den * Randkörpern, dazwischen s weitere (adradiale) Taschen zu
den Tentakeln, falls letztere vorhanden sind. Indessen wird diese pri-
mitive Anordnung häutig durch ein complicirtes Gefässnetz ersetzt
Fig. 177).
Fig. 180. Entwick-
lung von Aurel ia
anrita aus dem Ei.
In der ersten Reihe
Umbildung «1er Pla-
nula zum Scyplutsto-
ma ; darunter Seypho-
ptonien in Strobila-
tion (AWhnürung
von Ephyren), linkt
ein Scyphostoiua vom
oralen Pnl gesehen,
recht.-* 2 Ephyren in
verschiedener Lage
(Hatsehek).
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II. Hydrozoen. Scyphomedusen.
205
Bei der Darstellung der Fortpflanzung der Scyphomedusen gehen ,:^k-
wir von den Formen mit Generationswechsel aus (Fig. 180). g^X*.
Die aus dem Ei der Meduse entstandenen Flimiuerlarven setzen sich
fest und werden zu Scyphostomen, welche stets zu terminaler, häufig
auch zu lateraler Knospung befähigt sind. Durch laterale Knospung
bilden sich immer nur neue Scyphostomen, durch terminale dagegen
Medusen. Im letzteren Fall entwickelt sich eine Strobila: durch
mehrere hinter einander gelegene ringförmige Einschnürungen zerfällt
das vordere Ende des Scyphostoma in scheibenförmige Stücke, die
Medusenanlagen, welche zunächst noch nach Art eines f assensatzcs in
einander stecken. Successive reifen nun die einzelnen Stücke, lösen
sich ab und schwimmen als „Ephyren" davon. Die Ephyren haben
anfänglich nur vier Gastralteutakeln, die abgelösten oberen Enden der
Gastralfalten des Scyphostoma ; sie besitzen noch keine Randtenüikeln,
wohl aber die 8 Sinneskörper und ihre Lappen. Indem sich die
Ephyren somit wesentlich von Medusen unterscheiden und erst ganz
allniählig zu geschlechtsreifen Medusen umgewandelt werden, combinirt
sich der Generationswechsel der Scyphomedusen mit einer ausgespro-
chenen Metamorphose. Diese Metamorphose bleibt nun auch dann
erhalten, wenn der Generationswechsel, was häufig geschieht, unter-
drückt wird ; aus dem Ei der Meduse entwickelt sich dann direct eine
Ephyra, die sich zur geschlechtsreifen Meduse umwandelt. Dagegen
scheint es niemals vorzukommen, dass die Medusengeneration ausfällt
und dass geschlechtsreif werdende Scyphostomen auf geschlechtlichem
Wege direct wieder Scyphostomen erzeugen.
Von den bisher besprochenen typischen Scyphomedusen weicht eine
Reihe von Formen im Bau und wahrscheinlich auch in der Entwick-
lungsweise ab; dieselben haben höchstens vier Randkörper, wäh-
rend die Stellen der vier übrigen von Tentakeln eingenommen werden.
Entweder stehen dann die Randkörper auf gleichen Radien mit den
Geschlechtsorganen, d. h. in den Interradien, und die Tentakeln in den
dazwischen gelegenen Perradien: Peromeduscn, oder es ist das Umge-
kehrte der Fall : Cubomidusen. Endlich kommt es auch vor, dass gar
keine Randkörper vorhanden sind und ihre Stellen durch acht primäre
Tentakeln eingenommen werden oder ganz leer bleiben : Stauromedusen.
Wir sehen somit, dass Randkörper und Tentakeln für einander vica-
riiren können; da sie ausserdem im Wesentlichen gleichen Bau be-
sitzen, kann man den Satz aufstellen, dass die Randkörper der Scypho-
medusen wie die Hörkölbchen der Trachymeduscn umgewandelte Ten-
takeln sind.
I. Ordnung. Stauromedusen.
Die bekanntesten Sfaurowalusot sind die Lnrrrnaricn. deren aborales
Ende in einen stielartigen Fortsatz, mit welchem sie festsitzen, ausgezogen
ist. Die Stellen der 8 Sinneskörper sind durch kleine Tentakelchen oder
eigentümliche Haftapparate eingenommen, die dazwischen gelegenen Strecken
in armartige Fortsätze verlängert, an deren Enden Büschel von Tentakeln
sitzen. Lucernaria pyramidalis H. (Fig. 181).
II. Ordnung. Peromedusen.
Die mit 4 interradialen Siuueskörpem versehenen Pcrotnedusen sind
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2UÜ
Coelenteraten.
Tiefseeformen und waren daher alle ungenügend bekannt; die grösste und
am meisten untersuchte Form ist die PeriphyUa mirabilis H.
Dl. Ordnung. Cabomedusen.
Auch die Medusen mit 4 perradialen Sinnesorganen, die Oubomedusen,
gehören vornehmlich der Tiefsee an ; unter ihnen wurde die Charybdea
marsttpialis PeV. et Les. als Bewohnerin des Mittelmeers schon vor längerer
Zeit beschrieben (Fig. 182).
IV. Ordnung. Discomeduseo.
Unter den Scyphomedusen stehen die Discomedusen durch den grossen
Reichthum an Arten so sehr im Vordergrund, dass wir bei der allgemeinen
Besprechung ihren Bau und ihre Entwickluugsweise zunächst allein be-
rücksichtigt haben. Namentlich gehören fast alle im freien Meere lebenden
Acraspedcn zu den Discomedusrn.
Sie werden nach der Beschaffen-
heit der Mundöffnung eingetheilt.
1 ) Die Cannostomen haben ein vier-
kantiges Magenrohr ohne Mund-
arme: Nattsithoc albida Köll. (Fig.
83. S. 108) merkwürdig dadurch,
dass ihr unter dem Namen Stcpha-
noscyjrftus mirabilis beschriebener
Scyphopolyp in Schwämmen
schmarotzt. 2) Die Scmaeostomen
(Fig. 177) zeigen die Ecken der
Mundöffnung in 4 lange Muudanne
ausgezogen, welche wie äusserst
bewegliche Fahnen aus der Glocken-
mündung heraushängen. Aurelia
aurUa L., die Ohrenmeduse von
Nord- und Ostsee ; Pelagia noetiluca
Per. et Les. stark meerleuchtend:
miliaris prototypus H. 3) Die Riii-
xostmneen (Fig. 178) haben ebenfalls
4 lange Mundarme : dieselben sind
ein- oder mehrmal dichotom ver-
ästelt. Mundöffnung und Armfurchen sind durch Verwachsung geschlossen
bis auf viele kleine Stomata, die zum Aufsaugen der Nahrung dienen.
Rhixostvma Pulmo Les.; Polyclonia fromtosa L. Ag.
Fig. 181 . Lucernaria Fi)». 182. Charybdea
pyramidalis (aus Hat- marsupialis (aus
schek). Hatsehek).
III. C lasse.
Anthozoen, Corallenthlerc.
Die ausschliesslich im Meer lebenden und hier hauptsächlich durch
die Coraüen und Seerosen vertretenen Anthozoen sind mit wenigen Aus-
nahmen auf dem Boden festgewachsen und bilden individuenreiche
Colonien von oft colossaler Grösse. Sie gleichen hierin den Hydroid-
polypen, mit denen sie auch in der Erscheinung der Einzelthiere eine
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III. Anthozoen.
207
grosse Aehnlichkeit haben (Fig. 183). Wie der Hydroidpolyp, so ist
auch der Anthozoen- oder Corallenpolyp mit Fusscheibe, Mauerblatt,
Mundscheibe und einem Kranz von Tentakeln, welche an dem Ueber-
gang von Mauerblatt und Mundscheibe entspringen, versehen ; er unter-
scheidet sich von ihm durch die grössere Vervollkommnung
in der histologischen und organologischen Sonderung.
Der Corallenpolyp besitzt ein
gut entwickeltes Mesoderm,
indem die Stützlamelle der Hy-
droiden bei ihm durch eine
Schicht zellenreichen Bindege-
webes ersetzt wird, welches den
Thieren zumeist einen derberen,
fleischigen Habitus verleiht; vor
Allem aber besitzt er einige Ein-
richtungen, welche den Hydroid-
polypen vollkommen fehlen und
beim Scyphopolypen nur eben
angedeutet sind: das Schlund-
rohr und die mit den Ge-
schlechtsorganen und Mesente- Fi 183
rialfilamenten versehenen Sep- Sagittalaxe.'
ten.
Wir betrachten zunächst das Schlundrohr und seine Be- Schiundrohr.
Ziehungen zu Mundscheibe und Mundöffnung. Der Mund liegt im
Centrum der Mundscheibe, ist aber in einer Richtung meist zu einem
Oval oder einer Spalte ausgezogen. Man kann daher — ein Zeichen
für die zweistrahlige Symmetrie der Thiere — durch ihn zwei für die
Architektonik des ganzen Corallenpolypen wichtige, auf einander senk-
rechte Durchmesser legen, die in der Längsrichtung der Spalte ver-
laufende Sagittalaxe (Fig. 183 s — s) und die dazu senkrechte
Trans versalaxe. Von den Mundrändern hängt in das Innere des
Thiers das Schlundrohr hinab, ein in transversaler Richtung zu-
sammengepresster Schlauch, der am unteren Ende mit weiter Mündung
in den Centraimagen führt (Fig. 184 s). Entwicklungsgeschichtlich ist
Antheomorplit äajam. S S
Fig. 1S4.
Fig. 185.
7tt
Fig. 1S4. Paracds
excacata. ms Ring-
muski 1. k Mauer-
blatt , * Mund-
»cheibe, *• Schlund-
rohr, sr Schlund-
rinnen, w/nSeptum,
/ Fussschcibe.
Fig. IS."». Cereus spinosus. Keilförmige Lüngs-
stücke. herausgeschnitten, um den Unterschied von
vollständigen und unvollständigen Spten zu er-
läutern, /*' Septen I. Ordnung, /<', h', /** unvoll-
ständige Scpten II., III., IV. Ordnung mit Ge-
schlechtsorganen, tx— t* die zugehörigen Tentakeln,
a Aeontien, b Mesenterialfilamente, < Septalstoma,
ms Ringmuskel.
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208
L'oelcnteraten.
das Schlundrohr ein eingestülpter Theil «1er Mundscheibe; es ist
daher auf seiner Innenseite mit Kctoderm bekleidet; seine untere
Mündung ist dein Mund der Hydroidporypen zu vergleichen,
sppten. Das Schlundrohr wird in seiner Lage befestigt durch radiale
Scheidewände, die Septen, welche von Mauerblatt. Fuss- und Mund-
scheibe ausgehen und an (Ins Schlundrohr herantreten (Fig. 185 A1)« I)ie
Septen springen wie Coulissen in den Centraimagen vor und theilen
den peripheren Abschnitt desselben in zahlreiche Nischen, die Radial-
kammern, welche unterhalb des Schlundrohrs mit dem Central-
zusammenhängen. nach oben dagegen abgeschlossen sind und
niageu
Mpwntrrial.
sich hier in das Innere der Tentakeln fortsetzen. Die Tentakeln sind
demgemüss Ausstülpungen der Kadialkammern und meist in gleicher Zahl
mit ihnen vorhanden. Ausser den „vollständigen Septen", welche das
Schlundrohr erreichen, giebt es häutig noch „unvollständige", welche
halbwegs mit freiem Rande aufhören (Fig. Inf» ä2 h*).
Die Septen sind die Träger einer
Anzahl wichtiger Organe: der Mesen-
terialtilamente , der Geschlechtsorgane
und der Muskelfahnen. Die Mese n-
t e r i al f i 1 a m e n t e sind dicke Streifen
eines an Drüsen- und Nesselzellen rei-
chen Epithels; sie fassen die Ränder
der Septen ein wie der Hesatz den
Saum eines Kleides. Da sie viel länger
sind als die Septen, zwingen sie die
Ränder derselben, sich krausenartig zu
falten und gewinnen dadurch einige
Aehnlichkeit mit dem vielfach gewun-
denen, ebenfalls an einem krausenartig
gefalteten Mesenterium befestigten
Säugethierdann. Unterhalb der Mesen-
terialfilamente entspringen bei gewissen
Arten noch die A conti en, Fäden, die
mit Nesselkapseln dicht besetzt sind
und zur Vertheidigung. sei es durch
die Mundöffnung, sei es durch Poren
des Mauerblatt« (Cincliden) heraus-
geschleudert werden. — Die (ie-
°üffS?tt*Bchlcchts organe — nur ausnahms-
weise Hermaphrodit — liegen einwärts
von den Mesenterialtilamentcn als band-
artige, vielfach gefaltete Verdickungen
(Fig. 1>C>7i* A3). Ihre Elemente entstehen
wie bei den Scyphumeduscn aus dem Ento-
derm. werden aber frühzeitig in die
Septum verlagert ( Fig. l*bV). von wo sie bei der Reife durch Platzen
der Hüllen in den Magen entleert werden. Die Brut verlässt den
Magen auf verschiedenen Stadien der Entwicklung, sei es als Planulae
(Fig. ist) III), sei es als kleine, mit Tentakeln versehene Thiere.
MNVM1i!n"d ^ur M°rphologie des Corallenpolypcn am wichtigsten sind
Altern, endlich die Muskelfahnen der Septen. Muskeln und Nerven
rinden sich sowohl im Entoderm als im Ektoderm. Während aber das
Nervensystem sich besonders im Ektoderm entwickelt und namentlich
Fi^'. lsii. Querschnitt durch ein
feteptum von E'lintnhia tttbrrcitlata.
t nYLuU *\i>xi\\, rk KctfKlorm, »*rMe*o-
derni, »>f Mu*kelfahne, o Ovar, r
Mrsmtcriulfilnnunt.
mesodennale Stützschicht des
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III. Anthozoen.
209
auf der Mundscheibe eine subepitheliale, dicke Schicht von Nerven-
fasern und Ganglienzellen erzeugt, ist die Muskulatur im Ektodenn
meist schwach ausgebildet und hier auf Mundscheibe und Tentakeln
beschränkt Um so mächtiger ist die entodermale Muskulatur. Am
oberen Ende des Mauerblatts findet sich meist ein kräftiger Ringmuskel,
der das Mauerblatt über der nervenreichen Mundscheibe zusammen-
ziehen kann. Die Septen endlich sind beiderseits mit Muskelfasern
bedeckt, auf der einen Seite mit transversalen, auf der anderen
mit longitudinalen. Nur letztere sind kräftig entwickelt und erzeugen
eine vielfach gefaltete Muskellamelle, die wegen ihres Querschnittsbildes
die „Muskelfahne" heisst.
Bei den UexacoralUen (Fig. 187) sind die Septen paarweise grup-
pirt, indem zwei benachbarte Septen einander nicht nur genähert sind,
sondern ihre Zusammengehörigkeit auch darin bekunden, dass sie sich
gleichwerthige, d. h. mit gleich gerichteter Muskulatur ausgerüstete Seiten
zukehren. Die Regel ist, dass die Septen eines Paares die „Muskelfahnen1-
auf zugewandten Seiten tragen. Von dieser Regel machen nur 2 Septen-
paare eine Ausnahme, welche sich an den Enden der Sagittalaxe des
Schlundrohrs befestigen, die Muskelfahnen auf abgewandten Seiten tragen
Septen-
itellimf.
a) Uexa-
coralUen.
Fig. ISN. Querschnitt
einer Oetoeorallie
ci/oniuni); x Schlund«
rinne, 1, 2, 3, 4 die
Septen der einen Seite,
welche genau symme-
trisch mit denen der
anderen Seite angeord-
net sind und sämmtlieh
die Muskelfahnen auf
der gleichen Seite tra-
gen.
Fig. IST. Querschnitt einer Aetinie (Adamsia dinjthana). A, B Rieh-
tungsfäeher, zugleich Enden der Sagittalaxe, welche die eine Synunetrie-
ebene des Körpers bezeichnen, während die zweite dazu senkrecht steht.
I— IV Cyclen der Septenpaare I.— IV. Ordnung,' Ii Hinnentach I. Ordnung,
Z Zwisclienfach L Ordnung, in welchem neuangelegt sind Peptenpnare und
Binnenfäeher II., III., IV. Ordnung (y* g* y*).
und Richtungssepten heissen, da sie eine bestimmte Richtung im
Körper, nämlich die Sagittalaxe, anzeigen. Vermöge der paarigen Grup-
pirung der Septen kann man zweierlei Radialkammern unterscheiden: die
innerhalb eines Septenpaares gelegenen Binnenfächer und die zwischen
zwei Septenpaaren gelegenen Z w i s c h e n i'ä c h e r. Zum verschiedenen
morphologischen Charakter der Radialkammern kommen Unterschiede in
der Rolle, welche sie beim Wachsthum der Aetinie spielen, indem eine
Vergrösserung des Mauerblattes und eine Vermehrung der Septen-
paare sich nur in den Zwischen fächern vollzieht. So haben
Hertwij, Uhrbuch der Zoologie. 3. Auflage. 14
»
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210
Coelenteraten.
b)OctO-
cunilliea.
fast alle Actinien auf einem bestimmten Stadium der Entwicklung 6 Septen-
paare (2 Paar Richtungssepten und gleichmässig dazwischen links und
rechts vertheilt 4 weitere Septenpaare) ; sie sind die Septen erster
Ordnung oder die Hauptsepten. Wenn die Septenzahl weiter zu-
nimmt, so treten neue Septen, Septen zweiter Ordnung, nur in den
Zwischenfächern paarweise auf: zu den 6 Paaren erster Ordnung treten
6 weitere Paare zweiter Ordnung. Da das hier kurz angedeutete Princip
des Wachsthums dauernd beibehalten wird, so muss sich die Vermehrung
der Septen und demgemäss auch der Tentakeln nothgedrungen in Multiplen
von 6 bewegen; es entwickeln sich weiter 12 Paare dritter Ordnung, später
24 Paare vierter Ordnung etc.
Sehr viel einfacher verhalten sich die aehtxähHgen Anthoxoen, bei denen
nie mehr als 8 einzelne Septen vorkommen (Fig. 188). Dieselben ver-
theilen sich gleichmässig zu beiden Seiten des Schlundrohrs derart, dass
4 auf der linken, 4 weitere auf der rechten Seite der Sagittalaxe stehen.
Auch hier sind die transversalen und longitudinalen Muskelfasern voll-
kommen gesetzmässig vertheilt, so dass man, je nachdem man von dem
einen oder dem anderen Ende der Sagittalaxe ausgeht, nur zugewandte
oder nur abgewandte Muskel fahnen vor sich hat.
Fig. 180.
Fig. 190.
Fig. 189. CoraUium rubrum (aus
HuxTcy nach Lacaze Duthiers). I.
Stück eines Siöekchens mit ganz
und halb (A, Ii) zurückgezogenen
und vollkommen entfalteten (C)
Polypen. « Coenosark-Kclch zur
Aufnahme des Polypen. b Tentakel-
krone. II Stück eines Astes; der
Weichkörper (A) gespalten und eine
Strecke zurückgeklappt. Skeletaxe
ilr) mit ihren Canellirungeu frei-
gelegt; f grössere Coenosarkröhxeu,
die die Oanellirung veranlassen,
// <1;ls Netz feinerer Coenosarkröhren.
LI die zum Theil in das Coenosark
zurückgezogenen Polypen; a Ein-
stülpun^srand, c Rand der einge-
gestülpten Tentakeln (if), b eingestülpter Theil des .Mauerblatts, k Mund, m Schlund-
rohr, i Magen, j Septen. III und YV Flimmerlarven.
Fig. 190. Scleropltylliu luurtjariticula (nach Klunzinger).
Kno.pung. Ausser der geschlechtlichen Fortpflanzung besitzen fast säinmt-
liche Anthozoen die Fähigkeit, sich durch Knospung zu vermehren.
Nur selten lösen sich die Knospen ab ; meist bleiben sie mit dein
Mutterthier zur Bildung von Colonien (Fig. 189) verbunden, welche
III. Anthozoen.
211
gewöhnlich aus vielen Hunderten und Tausenden von Individuen zu-
sammengesetzt sind. Der Zusammenhalt wird dann bewirkt durch
ein reichliches, vorwiegend aus Mesodenn bestehendes Coenenchym
oder Coenosark, weichesauf seiner Oberfläche von Ectoderm über-
zogen, im Innern von reich verästelten und anastomosirenden Ento-
dermcanälen durchsetzt wird. Bei Beunruhigung können sich die
Einzelpolypen blitzschnell in das Coensosark zurückziehen.
Die stockbildenden Anthozoen haben fast stets ein vom Ectoderm speiet,
aus entstehendes Skelet von kohlensaurem Kalk oder einer orga-
nischen Substanz, welche man Hornsubstanz nennt, obwohl sie nicht,
mit dem Keratin der Wirbelthiere identisch ist. Auch kommt es vor,
dass sich das Skelet aus altemirenden Kalk- und Hornstücken aufbaut.
Der Anordnung nach unterscheidet man Axen- und Rindenskelete.
Die Axenskelete beschränken sich auf die innersten Partien des
Coenosarks, lassen dagegen die weiche Rinde, in welcher die Polypen
wurzeln, wie auch die Polypen selbst, unverkalkt. Die Rindenskelete
gehen dagegen von den Polypen aus und wiederholen die complicirte
Structur derselben bis zu einem gewissen Grade (Fig. 1!H), 191). Stets
ist eine Theca vorhanden, ein Kalkcylinder, welcher an das Mauer-
blatt des Einzelpolypen erinnert; meist kommen dazu radiale Scheide-
wände, welche man im Gegensatz zu den Scheidewänden des Weich-
körpers Sklerose pten nennt.
Fi*;. 191. Schliff durch das Skelet von Linie ab ist der Schnitt durch das
Caryophyttia Cyathus (nach Koch). Nach Bchlundrohr, unterhalb der Linie ah
aussen 'fheca, weiter Septen (/ — XIII. und 2. unter dem Schlundrohr jrefiihrt. Das
Cvclus), Pali und im Centrum die Columella. Skelet schwarz, ;• Rieht ungssepten.
Die Sklerosepten können über den Mündungsrand der Theca herüber-
greifen und auf der Aussenwand als Costae herablaufen. Ein dem
Schlundrohr vergleichbarer Abschnitt fehlt, dagegen erhebt sich aus dem
Grund des Ealkcylinders ein Haufen von kleinen Säulchen, welche in ihrer
Gesammtheit die Columella darstellen (Fig. 191). Wenn zwischen dein
freien inneren Rand der Septen und der Columella besondere Kalkpfeiler
stehen, nennt man dieselben Pali. Feinste Kalkstäbchen, Synaptikeln,
können die Septen quer untereinander verbinden. Besondere Skeletstücke,
die T a b u 1 a e , endlich werden durch die Wachsthumsverhältnisse des Po-
lypen veranlasst. Dieser baut am oberen Rande der Theca «las Skelet immer
weiter und verlässt in gleichem Maasse die tieferen Partien desselben.
14*
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212
Coelentcraten.
Gegen den verlassen»'» Theil grenzt er sich durch horizontale Scheide-
wände ab, die je nach ihrer Structur Tabulae oder Dissepimente genannt
werden.
Früher glaubte man. dass die Corallenskelete nichts Anderes seien
als die mit Kalk imprägnirten einzelnen Theile des Weichkörpers, und
hat von crsteren ohne Weiteres einen Rüekschluss auf die Anordnung
der letzteren gemacht. Dies hat sich als ein vollkommener Irrthuni
herausgestellt: die Sklerosepten bilden sich zwischen den Sarko-
septen in den Radialkammern und ebenso die Theca innerhalb und
in einiger Entfernung vom Mauerblatt (Fig. 1i>2). Von vorn-
herein ist es daher wahrscheinlich, aber nicht durchaus nothwendig. dass
der Numerus der Sklerosepten dem der Sarkosepten entspricht : hei
manchen Corallen fehlt sogar diese rebereinstimmung, wie z. B. bei
den Hclioporidcn, welche man nach ihrem
Skelet früher für Hcxacornllien hielt, wäh-
rend ihr Weichkörper sie unzweifelhaft
unter die Octocorallien verweist.
cor*iiem,if, Vermöge ihrer Skeletbildung legen die
Antlwzocn grosse Mengen von kohlensaurem
Kalk in gewaltigen, aus dem Grund des
Meeres aufsteigenden Hauten, den Corallen-
riffen, fest, welche aus verschiedenen Arten
bestehen, unter denen aber die Mmlre-
porarien die dominirende Rolle spielen.
Wenn die Riffe die Meeresoberfläche er-
reichen, können sie zur Bildung von kleinen
Inseln Veranlassung geben , die durch
eigenthümliche Gestalt ausgezeichnet sind:
am merkwürdigsten sind die Atolle, Ringe, ^ m Oadocora ro«m-
in deren Innerem sich ein Recken von to«a (nwh Heider). Verhältnis
Meerwasser befindet. Die Entstehung von Skelet und Weichkftrper.
solcher Atolle, wie die Entstehung der
Strand- und Rarriereritte ist Gegenstand vieler Theorien geworden,
unter denen Darwin s Theorie vom Corallenwachsthum lange Zeit
über am meisten Anklang gefunden hat.
I. Ordnung. Octocorallien, Alcyonarien.
Die Alcyonarien^ anatomisch durch die Anwesenheit von 8
Einzelsepten charakterisirt (Fig. lssj, lassen sich äusserlich sofort
daran erkennen, dass nur S Tentakeln vorkommen und dass diese 8
Tentakeln gefiedert sind , d. h. ausgerüstet mit zwei Reihen kleiner
Ausstülpungen, die von der Rasis nach der Spitze des Tentakels kleiner
werden (Fig. lHU). Die Thiere ziehen im Allgemeinen die grossen
Meerestiefen dem Aufenthalt an der Küste vor.
I. Unterordnung Altyonßccen. Das meist ansehnliche, fleischige,
festgewachsene Polypar ist durchsetzt von zahlreichen, inesodermalen Kalk-
stücken, den Sklerodermiten, welche aber nicht zu einem zusammenhängen-
den Skelet verkleben. Ahyonhnn jxjlmatmn Pall.
II. Unterordnung. Uoryoniacren. Eine fest aufgewachsene, reich
verästelte Skeletaxe wird von einem Weichkörper überzogen, in den sich
die weichen Polypen zurückziehen können. Bei den Goryoninen ist die
Skeletaxe rein hornig: Goryonio mrueosa Pall.; bei den kidinen besteht
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III. Anthozoen : Octocorallien. Hexacorallien.
»
213
sie aus alternirenden Horn- und Kalkstücken: Isis clonyata Esp. ; bei den
CoraUinen ist sie rein kalkig: Corallium rubrum Lam., Edelcoralle, lebt in
Tiefen von ca. 100 Mtr. an den Küsten von Algier, Corsica, Sardinien
und den Cap-Verdischen Inseln, auf sogenannten Corallenbänkon. Der Erlös
der besonders von Neapel aus betriebenen Fischerei wird jährlich auf
2 Millionen Francs geschätzt.
III. Unterordnung. Penuatidaecen. Die rein hornige Skeletaxe
bleibt unverästelt; der Coeuosarküberzug besteht aus einem unteren und
oberen Abschnitt; ersterer kann zu einer Blase aufgebläht werden und
gräbt sich locker in den Meeresboden ein ; letzterer trägt allein die häufig
in Fiederblättchen angeordneten Polypen. Pennatula phosphorea Ellis hat
wie viele andere Alcijonarien ein intensives Leuchtvermögen.
IV. Unterordnung. Tufn'/jornecen. Das" Skelet besteht aus zahl-
reichen Kalkröhren, die wie Orgelpfeifen neben einander stehen und durch
quere Wände verbunden sind. Tubipora Hemprichi Ehrbg., Orgelcoralle.
V. Unterordnung. Heliojtonmen. Das Skelet ist wie bei manchen
Hexacorallien eine massive Kaikniasse, in welcher Aushöhlungen für die
zahlreichen Polypen enthalten sind. Die Anwesenheit von Sklerosepten
war lange Zeit Ursache, die Thiere für Hexacorallien zu halten. IMUnntm
caerulea Blaiuv.
II. Ordnung. Hexacorallien» Zoantharien.
Für die Hexacorallien sind in erster Linie die .schlauchförmigen,
nicht gefiederten Tentakeln charakteristisch; erst in zweiter Linie
kann, die oben erläuterte seehszählige und paarige Oruppirung der
Septen zur Charakteristik benutzt werden. Denn wenn dieselbe auch
für die überwiegende Mehrzahl der Formen gilt, so giebt es doch Aus-
nahmen von der Regel. Einerseits kennen wir die achtzähligen, mit
gewissen Larvenstadien der Actinien übereinstimmenden Edwardsien,
bei denen die typische Hexucorallienstructur noch nicht erreicht ist,
andererseits die Zoanthcen, Ceriantkeen und Antipatharien, bei denen
die sechszählige Anordnung eine wesentliche Abänderung erfahren hat.
I. Unterordnung. Mfilneodrrmen, Aetiuiarien, Seerosen. Die hierher
gehörigen Anthoxocn sind skoletlose, meist einzellebende Thiere mit zahl-
reichen Cyclen von Septen und Tentakeln ; sie finden sich in allen Klimaten
und in allen Meeresschichten, von der Fluthgrenze bis zu den grössten
Meerestiefen, selten frei schwimmend, meist an Steinen festsitzend. Mit
Ausnahme der gänzlich unbeweglichen, colonialen Zoanthcen vermögen die
Actinien auf ihrer zum Ansaugen dienenden musculösen Fussscheibe zu
kriechen wie Schnecken auf ihrem Fuss. Den deutschen Namen „ Seerosen u
verdanken die Thiere theils ihren lebhaft bunten Farben, theils der grossen
Zahl der Tentakeln, welche wie Blumenblätter einer gefüllten Kose in
vielen Reihen hinter einander vom Rand der Mundscheibe entspringen.
Bei Beunruhigung werden die Tentakeln verkürzt und der obere Rand des
Mauerblatts durch den Sphinkter über ihnen und der nervenreichen Mund-
scheibe zusammengezogen. Anemonin enuina L. Adnmsia pallititn Forb.,
bekannt durch die Symbioso mit «lein Einsiedlerkrebs Popirus Prideouxi.
II. Unterordnung. Antipftfhnrien. Die Antipnthnrien vertreten unter
den Hexacorallien die Goryonien; sie haben eine glänzend schwarze, hornige,
verästelte Axe, überzogen von Coenenchym, in welchem kleine Polypen
mit rudimentären Septen sitzen: durch ihre schlauchförmigen Tentakeln sind
sie als llcsacorullien charakterisirt. AntijHiIhes lanjux Ellis.
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214
Coelenteraten.
III. Unterordnung. Sklerodermm. Corallen. Diese umfangreichste
Gruppe der Aiühoxocn zeichnet sich durch die ganz vorzügliche Entwick-
lung des Kalkskelets aus. Stets sind Tbeca und Septen vorhanden, meist
Collumella, Synapticulae, Pali und Dissepimente, sehr häufig auch Costae.
Selten sind einzellebende Formen, wie die Fungim, Caryophyllien und Fla-
hellen, meist sind zahlreiche (nicht selten Tausende) Einzelthiere durch
reichliches Coenenchym zu einer Colonie verbunden, welche entweder rasen-
artige Ueberzüge oder verästelte Bäumchen bildet. Zwischen Colonien und
einzellebenden Formen giebt es alle Uebergänge (Fig. 190, 193, 194, 195).
Eine Colonie entsteht von einem Einzelthier aus durch fortgesetzte Thei-
lung oder Knospung; wenn Theilung und Knospung nicht zum Abschluss
kommen, können sich mäandrisch verschlungene Reihen äusseret unvoll-
kommen gegen einander abgesetzter Individuen bilden, wie das bei den
Mdandrinrn der Fall ist, bei denen es gar nicht möglich ist, die Zahl der
in einer Colonie enthaltenen Thiere zu bestimmen; eine Mnandrinc- könnte
man als ein einziges, in mäandrisch verschlungene Verzweigungen ausge-
wachsenes Thier auffassen (Fig. 196).
Fig. 194. Faria rarer nom (nach Klun- Fijr. 19."». Corloria arabira (nach
zinger). Klunzingcrj.
Da nur von wenigen Corallcn die Weichtheile genauer bekannt sind,
ist man bei der Systematik ausschliesslich auf die Structur des Skelets
angewiesen. Die Eporosen haben ein compactes Skelet. Zum Theil sind
sie einzellebend: Caryophyttia eyathus Lmx. (Fig. 191), Srjrrophyllia marga-
rüicota Klzgr. (Fig. 190) j zum Theil bilden sie verästelte Stöcke: Amphi-
Itciia oculata L., die
weisse Coralle :
zum Theil haben
die Stöcke die Ge-
stalt von rasen ar-
tigen Ueberzügeu
oder Knollen : ( 'In-
docora caespitosa E.
H. (Fig. 193). Mus-
sa eorymbosa Dana,
Cochria arnbim
Klzgr. (Fig. 195);
Furia mvernosn
Klzgr. (Fig. 194),
L— M* ;•' > r»
Fijr. 19*1. Mtidrrpttm cn/tfiram (nach Klunzingcr).
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IV. Ctenophoren.
215
Astraea radians Ok. — Bei den Perforaten dagegen ist das Skelet porös
nach Art eines feinen Schwammgerüsts. Madrepora erythraea Klzgr. (Fig.
196). Dendrophyüia ramca L. Astroidcs calycutoris Pall.
Gewisse fossile, vorwiegend auf die palaeozoischen Formationen be-
schränkte Corallen unterscheiden sich von den recenten Formen durch die
vierzahlige Anordnung der Septen, sie bilden die ausgestorbene Ordnung
der Tetracorallien oder Rugosen.
IV. C lasse.
Ctenophoren, Rippenquallen.
Die Ctenophoren übertreffen alle pelagischen Organismen, selbst u«*»".
die Medusen, an Durchsichtigkeit und Zartheit der Gewebe; manche
unter ihnen sind so ausserordentlich weich, dass schon ein heftiger
Wasserstrahl genügt um sie zu zerreissen, und dass alle Versuche, sie
zu conserviren, bis jetzt gescheitert sind. Fast stets ist ihr Körper
(Fig. 199) zweistrahlig symmetrisch, d. h. er kann nach der Richtung der
Transversal- und Sagittalaxe in symmetrische Hälften zerlegt werden.
Indem für gewöhnlich die Längsaxe die untereinander gleichen Ncben-
axen an Grösse etwas übertrifft, ist der Körper meist oval oder birn-
förmig: selten ist er durch starkes Wachsthum in der Sagittalaxe
bandförmig verlängert, wie bei dem Venusgürtel.
Grundlage des Körpers bildet eine weiche Gallerte mit
Bindegewebszellent die nach allen Richtungen durchsetzt wird von
glatten, an den Enden verästelten, vielkernigen Muskelzellen, welche
wahrscheinlich von besonderen Nervenfasern gekreuzt und innervirt
werden. Auf der Oberfläche wird dieses gallertige Substrat von den*
E et o denn bedeckt, im Innern von den reichlich verästelten Ento-
dermcanälen durchzogen.
Im Ectoderm befindet sich am aboralen Pole (Fig. 199 Bp) am sinne».
Grunde einer Vertiefung eine verdickte Stelle, der Sinneskörper, körp*r'
welcher die grösste Aehnlichkeit mit einem Hörbläschen hat Das
hohe Sinnesepithel bildet eine flache Grube (Fig. 200 B); starre Haare,
welche vom Rand der Grube sich erheben, fügen sich zu einem glocken-
artigen Aufsatz zusammen, welcher die Grube, wenn auch unvoll-
kommen, zu einem Bläschen schliesst Im Innenraum liegt ein
kugeliger Haufen von kleinen Otolithen, balancirt auf 4 in zitternder
Bewegung begriffenen S-förmig gekrümmten Büscheln von Wimpern,
die unter einander verklebt einen federnden Trageapparat darstellen.
Von den Wimperbüscheln gehen, anfangs paarweise vereint später
divergirend, nach dein oralen Ende zu 8 Streifen verdickten Epithels
aus. welche wir in Anbetracht ihres meridionalen Verlaufs Meridian- Rudmeiheo.
streifen nennen wollen (Fig. 199 A tos); sie bestehen zum Theil
aus Wimperepithel, zum Theil aus den charakteristischen Ruder-
plättchen, welche die Fortbewegung der Ctenophoren vermitteln
und als quere Reihen langer, verklebter Wimpern aufgefasst werden
müssen. Die Ruderplättchen (Fig. 197) entspringen von dicken Epithel-
wülsten, welche quer zur Richtung der Meridianstreifen gestellt und
so weit von einander entfernt sind, dass die freien Ränder der oberen
Blättchen die Basen der unteren dachziegelartig decken. In Folge
ihrer faserigen Structur irisiren die Ruder im Sonnenlicht in den leb-
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21 G
Coelenteraten.
härtesten Farben und erzengen bei der Bewegung ein prachtvolles
Spiel von metallischen rothen, blauen und grünen Glanzlichtern, welche
den Meridianstreifen entlang fliessen. Von den zahllosen kleinen
Fig. 199.
Fig. 197. Rudcrplattehen mit Epithelpolster (nach Chan).
Fig. 198. Hormiphora plumosa (nach Chan).
Fig. 199. Plcurobrachia rhodmlactyla (nach Chun). A Ansicht vom aboralen|Pol,
B Ansicht von vorn , C Ansicht von der Seite, nc Siiuioskörper , p Polplatten ,
v Ruderreihen, n Flinunerrinncn, tb Tcntakelbasis, ist Tentakelstarain, / Fangfaden,
seh Tentakelscheide, sclto Oeffnung derselben, o Mundöffnung, /« Magen, tr Trichter,
tr.g Trichtcrgefasse, ex Oeffnungen derselben, c.pr linker und rechter Gefüssstamm, der
sich in die mtcrradialcn Gefässe (c.ir) und die Rippenge fasse (c.adr und g) theilt,
mg Magongefiis.se , tg.sch Tentakelgefässo , sp Hodcnstroifen , ov Ovarialstreifen der
Rippengofame j 1-T Transversalaxe, M Sagittalaxe.
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IV. Ctenophoren.
217
Ruderehen getrieben, vermag das Thier sich in Bewegung zu setzen.
Da die Ruderreihen erst in einiger Entfernung vom aboralen Pole
beginnen, sind sie mit dem Sinneskörper durch Streifen Wimper-
• epithels, die Flimmerrinnen (Fig. 200 A ws) , in Verbindung
gebracht.
Aus dem Ectodermepithel entstehen noch 2 weitere Organe, die
2 Pol platten und die 2 Tentakeln. Erstere sind Epithelzungen,
welche in sagittaler Richtung vom Sinneskörper aus eine kurze Strecke
weit reichen und vielleicht Riech- oder Gcsehmacksorgane darstellen ;
letztere entspringen am Ende der Transversalaxe am Grunde von tief
eingestülpten Säcken, in welche sie zurückgezogen werden können. Am
Grunde des Tentakelsackes befindet sich die Tentakelwurzel; von ihr
erhebt sich der lange Tentakelstamm, von dem wiederum die seitlichen
Senkfäden herabhängen. Tentakelstamm und Senkfäden haben eine
Axe von Längsmuskeln, welche von Epithel überzogen wird. Der
epitheliale Ueberzug besteht, abgesehen von wenigen Sinneszellen,
ausschliesslich aus den Klebzellen, kugeligen Körperchen, welche ein
äusserst klebriges, in Körnchen abgelagertes Serret enthalten und
ähnlich dem Körper einer Vorticelte mit ihrem basalen Ende auf
einem spiralen Stielmuskel sitzen (Fig. HU). Die Function der eigen-
thümlichen Zellen ist so zu verstehen, dass Beutethiere, welche von
dem klebrigen Secret festgehalten werden, zunächst die Stielmuskeln
ausdehnen können, dann aber durch die spirale Zusammenziehung der-
selben wieder in das Niveau der EpitheloberHäche gebracht werden.
Das Ectoderm hat endlich noch Antheil an der Bildung des n»™. uod
Gastro v asc ula r syst e ms (Fig. 1 *.»*»)- An der Mundöffnung, welche (iVor?i£hu~
bei normaler Haltung des Thieres das untere Ende der Hauptaxe be-
zeichnet, schlägt es sich in das Innere ein und kleidet einen ansehn-
lichen Hohlraum aus, der dem Schlundrohr der Actinien verglichen
werden kann, aber allgemein noch Magen genannt wird. Erst am
hinteren Ende dieses Hohlraums beginnt der eigentliche entodermale
Magen, der sogenannte Trichter, von dem aus zahlreiche, meist
Fip.'J'N» A. Al>«»nUYr K«'ir|MT|M»l von
(lall in in im hinhün um-. Lan^i. im
Wiini« r-tn iffii . / Federn, welche
den Otolithcnhanfen </ trafen. $k
Sinne«k«"irjMT. /<// l'olplnttcn, t<> Oeff-
nongen der TrichtergofSiwc.
Fig. '_'<>0 H. Qnersehnitt dnreh den
Sinneskürjier von ('ulliiniira, links (.1)
dnreh das Cent nun, rechts [B) etwas
t xrrntriseh geführt, f Federn, welehe den
< >tolithenhauf<'n 0 tragen, tl Dach der Sin-
nes|Lrrnl»e. >■<• Sinneszellen. // Piirtneiit/ellen.
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218
Coelenteraten.
blind geschlossene Canäle sich in der Gallerte verbreiten, um die
einzelnen Organe zu versorgen. Zwei (selten vier) Canäle. die
Trichtergefässe, verlaufen nach dem aboralen Pole und münden
hier in gekreuzter Stellung neben dem Sinneskörper: ein zweites Paar
Canäle tritt an die Tentakelwurzel heran, ohne jedoch in sie ein-
zudringen, ein drittes Paar begleitet den Magen. Die wichtigsten
unter sämmtlichen Canälen sind aber die Rippen gefässe, welche
aus dem Trichter mittelst eines linken und rechten zweimal dichotom
verästelten Hauptcanals entspringen ; 8 an der Zahl, verlaufen sie unter
den Meridianstreifen und dienen nicht nur diesen, sondern auch den
Geschlechtsorganen zur Ernährung. Jedes Rippengefäss enthält nämlich
in seinem dem Ruderplättchen zugewandten Epithel 2 Längsstreifen
von Geschlechtszellen, von denen der eine männlich, der andere
weiblich ist; dieselben stammen trotz ihrer Lagerung im Entoderm
wahrscheinlich aus dem Ectoderm. Die Vertheilung der Geschlechts-
strcifen ist sehr gesetzmässig, indem 2 Rippengefösse auf den einander
zugewandten Seiten stets gleichartige Geschlechtsorgane tragen. Die
Entleerung der Geschlechtsproducte erfolgt durch das Lumen der
Gastrovascularcanäle.
Die artenarme Gruppe wird nach dem Vorhandensein oder dem Fehlen
der Tentakeln eingetheilt. Mit Tentakeln versehen (Tenlamlata) sind die
theils kugelig, theils birnfbrmig gestalteten Cydippiden: Plcurobrachia rhodo-
daciyla Ag. (Fig. 1W>), Ilormiphora plumosa Ag. (Fig. 198) und die band-
förmigen Ccstidm: Cestus Vcneris Les., Venusgürtel. Tentakellos (Nuda),
mit weitem Magen ausgerüstet sind die kosmopolitischen Beroiden: Btröt
Forshili M. E. — Kleine, auf Unterlagen kriechende Ctenophoren Cwloplana
metschnikoirii Kow. und Ctcnoplana koualcwskii Kort, werden in der Neu-
zeit von manchen Zoologen als IJebergangsformen zu den TurMlarien ge-
deutet.
Zusammenfassung der Resultate über Coelenteraten.
1) Die Coelenteraten wurden früher Radiaten genannt, weil sie
meist eine radiale Grundform haben : dieselbe ist bei niederen Formen
noch nicht gut ausgeprägt: bei den höheren kann sie in die zwei-
strahlige, manchmal sogar in die bilateral -symmetrische
Grundform übergeführt werden.
2) Die Coelenteraten heissen vielfach auch Pflanzentniere,
weil die meisten unter ihnen festgewachsen und dadurch äusserlich
prlanzenähnlich geworden sind: die Pflanzenähnlichkeit wird gesteigert,
indem unvollständige Theilung und Knospung zur Coloniebildung
führt, was den meisten Coelenteraten ein buschartiges Aussehen ver-
leiht.
3) Der Name Coelenteraten wurde gewählt, weil die Thiere nur
ein Hohlrauinsystem haben, einen einfachen oder mit Verästelungen
ausgerüsteten Magen, der gleichzeitig den Darm und die morphologisch
noch nicht entwickelte Leibeshöhle vertritt
4) Der coelenterische Apparat heisst auch Gastro vas-
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Zusammenfassung.
219
cularsystem, weil verästelte Ausläufer des Magens die Nahrung
überall hin vertheilen und so die Function der Blutgefässe erfüllen.
5) Die Fortpflanzung ist entweder geschlechtlich oder unge-
schlechtlich, sehr häufig cyklisch (Generationswechsel).
6) Die Coelenteraten werden in Spongien und Cnldarien ein-
geteilt.
7) Der Körper der Spongien ist eine Bindesubstanzmasse, durch-
setzt von Canälen, welche von einem auch die Körperoberfläche über-
ziehenden Plattenepithel ausgekleidet sind (Bindesubstanz -\- Platten-
epithel = Meso- Ectoderm). Ein aus Gcisselzellen (Kragen-
zellen) bestehendes Entoderm findet sich nur im Bereich der
Geisseikammern, welche in den Verlauf der Canäle eingeschaltet
sind (bei den Asconen im Bereich des Centraimagens).
8) Die Thiere nehmen die Nahrung durch feine Poren der
Körperoberfläche, Dermalporen, auf und geben das Unverdauliche
durch ein oder mehrere Oscula ab.
9) Da Nerven, Muskeln, Sinnesorgane fehlen oder ganz unvoll-
kommen ausgebildet sind, zeigen die Thiere so gut wie keine Be-
wegungen.
10) Nach dem Skelet zerfallen die Spongien in Calci spongien
und Silicispongien.
11) Die Cnldarien sind höher organisirt und thierähnlicher, da
sie mit Nerven, Muskeln, Sinnesorganen ausgerüstet sind und daher
eine grössere Reizbarkeit und Bewegungsfähigkeit besitzen.
12) Besonders charakteristisch für die Cnidarien ist die Anwesen-
heit von Tentakeln und von kleinen, in besonderen Zellen sich
bildenden Nesselorganen, den Nesselkapseln.
13) Fast alle histologischen Differenzirungen gehen vom Ectoderm
und Entoderm aus, indem ein Mesoderm entweder vollkommen fehlt
oder nur als Stützgewebe erscheint (Diblasterien, zweiblättrige Thiere).
14) Man unterscheidet 3 Classen: Hydrozoen, Anthozoen, Ctono-
1» hören.
15) Bei den Hydrozoen findet man 2 im Generationswechsel
stehende Formen, die sessilen Polypen (Ammen) und die frei beweg-
lichen Medusen (Geschlechtsthiere).
16) Nach dem Bau von Polyp und Meduse unterscheidet man
2 Unterlassen : 1) Hydromcdusen, 2) Scyphomedusen.
17) Für die Hydromcdusen ist der Hydroidpolyp und die cras-
pedote Meduse charakteristisch.
18) Der Hydroidpolyp ist ein aus Ectoderm. Entoderm
und Stützlamelle bestehender Schlauch mit einem Tentakelkranz ;
bei coloniebildenden Formen kommt noch ein cuticulares Ausscheidungs-
produet des Ectoderms, das Periderm, dazu.
19) Die craspedote M ed u se hat einen glockenförmigen Körper
mit glattem Schirmrand, an dem der Schwimmsaum oder das Velum
entspringt. Die Geschlechtsorgane sind ec toder mal.
20) Die Meduse entsteht am Polyp durch laterale Knospung.
21) Der Generationswechsel kann in Polymorphismus
übergehen, wenn die Meduse als Sporosac im Stock verbleibt; er
kann unterdrückt werden, indem entweder die Hydroidengeneration
oder die Medusengeneration ausfällt.
22) Für die Scyphomedusen ist das Scyphostoma und die
acraspede Meduse charakteristisch.
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220
Vennes oder Würmer.
23) Das Scyphostoma unterscheidet sich von dem Hydroid-
polypcn vornehmlich durch vier longitudinale Gastralfalten oder
Septen.
24) Die acraspede Meduse unterscheidet sich von der craspe-
doten durch den Mangel des Velum, die gelappt e Beschaffenheit
des Glockenrandes, die Anwesenheit der Gastraiten takeichen,
die entodcr malen Geschlechtsorgane.
25) Die Meduse entsteht am Polyp durch terminale Knospung.
20) Häutig wird der Generationswechsel unterdrückt, aber
nur in der Weise, dass das Scyphostomastadium ausfallt.
27) Bei den Anthozoen findet sich als einzige Grundform der
Corallenpolyp ; derselbe unterscheidet sich vom Hydroidpolyp durch
das Schlundrohr, die radialen, an das Schlundrohr tretenden
Septen, durch die Anwesenheit eines Mesoderms, durch entoder-
male, früh in's Mesoderm übertretende Geschlechtsorgane.
28) Die meisten Anthozoen sind colonicbildend und erzeugen ein
Skelet. das gewöhnlich aus kohlensaurem Kalk, seltener aus „Horn-
substanz" besteht.
29) Das Skelet kann entweder ein Axenskelet sein oder kann
sich auch auf die einzelnen Polypen erstrecken (Rinden skelet).
30) Nach der Zahl der Septen theilt man die lebenden Antho-
zoen in Hcxacoralllen und Octocorallien ein, denen sich die fossilen
Tetracorallien anschliesscn.
31) Die Hcxacoralllen haben sechs Septenpaare oder Multipla
davon, sie haben ferner zahlreiche schlauchförmige Tentakeln.
32) Die Octocorallien haben acht Finzelsepten (nie mehr) und
acht gefiederte Tentakeln.
33) Die Ctenophoren sind stets freischwimmend und haben einen
aus einem muskelreichen Mesoderm bestehenden Gallcrtkörper.
34) Nesselzellen fehlen und sind durch Klebzellen ersetzt.
35) Am meisten charakteristisch sind acht meridional verlaufende
Ruder reihen, deren Bewegungen von einem gemeinsamen Centrai-
organ, dem nach Art eines Hörbläschens gebauten Sinneskörper,
regulirt werden.
30) Der Dann besteht aus einem durch Ectodermeinstülpung ent-
standenen M a g e n und reich verästelten e n t o d e r m a 1 e n Gefässen.
III. Stamm.
Vennes oder Würmer.
rrafri*^ Der Stamm der Würmer hat in der Geschichte der systematischen
, mumm». Zoologie am meisten Wandlungen durchzumachen gehabt, und noch
heute gehen bei der Beantwortung der Frage, was man unter dem
Namen „Würmer" Alles zusammenfassen soll, die Ansichten der For-
scher weit auseinander. Viele Zoologen wollen sogar den Würmer-
stamm ganz aufheben und ihn in mehrere Stämme auflösen. — Es
giebt gewisse Gruppen, welche lange Zeit allgemein dem Stamm ein-
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Vennes oder Würmer. 221
gereiht wurden, wie die umfangreichen Classen der Blatt-, Hund- und
Gliederwürmer und die kleinen Abtheilungen der Pfeil- und Eichel-
würmer; sie bringen das Charakteristische in der Erscheinungsweise
der Würmer am meisten zum Ausdruck und verdienen daher bei der
Besprechung in erster Linie Berücksichtigung. Ferner gehören un-
zweifelhaft hierher die liädcrthierc ; denn so sehr sich dieselben auch
in ihrer Erscheinungsweise von typischen ausgebildeten Würmern, wie
Blutegel, Regenwurm etc. unterscheiden, so gross ist die Ueberein-
stimmung mit vielen Wurmlarven, eine Uebereinstimmung, auf welche
bei der jetzigen hohen Werthschätzung der Entwicklungsgeschichte
besonderes Gewicht gelegt werden muss. Dagegen werden von den
meisten Zoologen einige Thiergruppen, welche in diesem Lehrbuch, wenn
auch nur in Form eines Anhangs, dem Stamm angefügt worden sind,
von den Würmern ausgeschlossen und vielfach zu selbständigen Stämmen
erhoben, die Brachiopoden und Bryozoen zum Stamm der Mollus-
coideen, die Ascidien und Salpcn zum Stamm der Tunicaten. Für den
hier eingenommenen Standpunkt war zunächst die Erwägung maass-
gebend, dass es nicht zweckmässig ist, so einförmig gebauten, an Fami-
lien und Arten armen Gruppen den Rang eines Thierstammes einzu-
räumen. Dazu kamen Erwägungen über die systematische Stellung
der Würmer im Allgemeinen. Allseitig wird anerkannt, dass wir in
den Würmern die Urformen der höheren Thierstämme zu suchen haben,
dass aus ihnen die Echinodermcn. Mollusken, Arthropoden und Verte-
braten durch einseitige Specialisirung des Baues hervorgegangen sind.
So sind auch Bryozoen, Brachiopoden und Tunicaten jedenfalls Ab-
kömmlinge wurmartiger Urformen und daher eng mit dem Würmer-
stamm verknüpft. Dagegen ist es mehr als zweifelhaft, ob Brachio-
poden und Bryozoen mit einander verwandt sind und ob sie, wie der
Name Molluscoidcn sagt, mit den Mollusken irgend etwas zu thun haben.
Die Tunicaten sind zwar sicher nahe Verwandte der Wirbelthiere,
immerhin aber doch von ihnen so enorm verschieden, dass es ganz
unstatthaft ist, sie mit ihnen unter dem Namen Chordonier zu vereinen.
Von den Coelenleratcn unterscheiden sich die Würmer durch ilue£Xri^?frrV
Bilateralität, welche in der inneren Anatomie stets auch da nach-
weisbar ist, wo sie bei Betrachtung der äusseren Gestalt, wie bei den
drehrunden Nematoden, zu fehlen scheint, ferner durch die Form des
Nervensystems, die Anwesenheit besonderer E x c r e t i o n s-
organe und anderweitige Anzeichen höherer Organisation. Von
Unterscheidungsmerkmalen gegen die übrigen bilateral symmetrischen
Formen möge als wichtigstes der H a u t m u s k e 1 s c h 1 a u c h vorangestellt "^5™*™-
werden, von dessen Anwesenheit namentlich die eigenthümliche Be- ,c
wegungsweise, welche man die wurmförmige nennt, bestimmt wird.
Man versteht unter Ilautmuskelschlauch die innige Vereinigung der
Haut des Körpers mit der darunter gelegenen Muskulatur (Fig. 201,
202, 203). Die Haut ist ein einschichtiges Epithel, welches bald Flim-
mern trägt, bald eine dicke Cuticula als Schutzorgan ausscheidet. Das
Epithel sitzt auf einer structurlosen Stützlamelle oder einer zellen-
haltigen Bindegewebssehicht auf, mit welcher die nach der Tiefe zu
folgenden Muskelfasern so innig verbunden sind, dass sie ihre An-
griffspunkte an ihr finden. In der Muskelschicht sind stets longitu-
dinale Fasern vorhanden; häutig treten zu denselben eine oder meh-
rere Lagen cireulärcr Fasern, ferner isolirte, dorsoventral verlaufende
Muskeln.
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222
Würmer.
Darm. Unter den Organen des Wiinnkörpers muss als das ansehnlichste
in erster Linie der Darin genannt werden. Zwar giebt es Würmer,
welche entweder gänzlich darmlos sind, wie die Bandwürmer, oder wie
manche Nematoden nur einen geschlossenen, offenbar functionsunfähigen
Canal besitzen ; das sind dann aber stets Parasiten, welche, wie Ueber-
gangsfornien deutlich lehren, den Darm in Anpassung an die verein-
fachten Ernährungsbedingungen des Parasitismus verloren haben. Im
Bau des Darms schliessen sich die niedersten Würmer noch voll-
kommen an die höheren Coelenteraten (Anthozoen und Ctenophoren) an, in-
dem sie ausser dem entodcrmalen Urdarm (Mesenteron, Gastrula-
säckchen) nur noch den durch Ectodermeinstülpung entstandenen
Vorderdarm (Stomodaeum) besitzen, während der Enddarm (Procto-
dacum) und damit eine Afterölfnung noch fehlt (cfr. S. 84, Fig. 55).
Bei den meisten Würmern ist jedoch der Darm durch eine Ectoderm-
einstülpung am hinteren Ende (Proctodaeum) zu einem beiderseits
durch Mund und After geöffneten Rohr geworden. Vielzellige An-
hangsdrüsen werden bei den typischen Würmern {Platt-, Rund- und
Ringelwürmern) noch vermisst, nur hie und da finden sich blindsack-
artige Ausstülpungen des Mitteldarms (Leber der Tunkaten und
Brachiopoden).
i.tlb«»höhie. Der Darm ist entweder direct in das von Muskeln durchsetzte
Körperparenchym eingelassen und kann dann nur schwer oder über-
haupt nicht herauspräparirt werden (Fig. 201); oder er liegt in einem
Hohlraum, dem Goelom oder der Leibeshöhle, welche ihn vom
Hautmuskelschlauch trennt und in welcher man ihn leicht durch Durch-
schneiden des Muskelschlauehs frei legen kann (Fig. 202, 203). Wir
können daher parenchymatöse und Leibeshöhlen-Würmer, Scoleciden
und Coelhelminthen, einander gegenüberstellen und kommen so zu 2
Typen der Wurmorganisation, die scharf auseinandergehalten werden
müssen, da die Thiere in ihrem gesammten Aussehen, im Bau ihrer
Körpermuskulatnr und der meisten vegetativen Organe ganz erheb-
liche Unterscheide zeigen, je nach dem sie eine Leibeshöhle haben
oder nicht. Die Coelhelminthen sind im Allgemeinen rundlich, ihr
Körperquerschnitt ist nicht selten genau kreisförmig. Die Körper-
muskeln werden vom äusseren (parietalen) Epithel der Leibeshöhle
geliefert (Fig. 202, 20-J) und bestehen somit ans „Epithelmuskelzellen".
Die parenchymatösen Würmer sind dagegen meist in dorsoventraler
Richtung abgeplattet (Fig. 201); ihre Körpermuskeln sind moditicirte
Parenchymzollen, „contractile Faserzellen" (vergl. hierüber S. 74, 75).
Fig. 201. Querschnitt durch eine Planarir (nur die rechte Hälfte dargestellt i. e
Eetodermepithcl mit Flimmern , die Körnchen darunter (/»*) sind die Querschnitte
von Längsmiukclll, de dorsoventrale Muskelfasern, y Blindsäcke des Darms, d Dotter-
stock, h Hodeufollikel, n Nervensystem (Längsstrange).
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Coelhelminthen und Scoleciden.
223
Bei den Coelhelminthen sind die Nieren Verbindungscanäle J^h^lf°
der Leibeshöhle mit der Aussenwelt und heissen Nephridien, früher nePhridi«o.
auch Schleifencanäle oder „Segmentalorgane" (cfr. Seite 03, Fig. G6);
sie beginnen in der Leibeshöhle mit einer trichterförmigen, flimmern-
den Oeffnung, dem Wimpertrichter, und münden nach vielfach ge-
wundenem Verlauf nach aussen, nachdem sie noch vorher zu einer
Art Harnblase angeschwollen sind. Bei den Scoleciden müssen Wimper-
trichter selbstverständlich fehlen ; ihr excretorischer Apparat, die Pro-
ton ephridien oder das „W asser gefä sssy stein", ist ein System
verästelter, gegen das Parenchym abgeschlossener Canäle (cfr. S. (J3,
Fig. 64, G5), welche mit kleinen Blindschläuchen beginnen, an deren
Grund ein Flimmerbüschelchen sich wie eine im Winde flackernde
Kerzenflamme bewegt. Dieses „Wimperläppchen" dient offenbar zur
Bewegung der excretorischen Flüssigkeit, welche aus den feineren, oft
nach Art von Blutcapillaren anastomosirenden Gefässen durch einen
oder mehrere Hauptstämme nach aussen geleitet wird. Ehe die
Hauptstämme durch den Porus excretorius nach aussen münden,
können sie eine contractile Blase bilden. Die Flüssigkeit, welche durch
die Contractionen der letzteren entleert wird, ist wasserklar, enthält
aber ab und zu Körperchen, welche mikrochemisch sich wie Guanin
verhalten.
Fig. 202. Querschnitt durch Ascaris lumhricoidcs auf der Höhe des Pharyngeal-
bulbus ; daneben ein Stück Hautinuskelschlauch stärker vergrössert. r Cuticula," h Hy-
podermis ; Verdickungen denselben = d dorsale , v ventrale , s seitliche Längslinie,
DD letzterer ic der Excretionscanal, m Liingsmuskebi, p Muskelzellen, n deren Kerne.
Bei den Coelhelminthen ist der Geschlechtsapparat einfach
gebaut; die Geschlechtszellen (Fig. 203 o) entstehen aus dem Epithel
der Leibeshöhle und gelangen durch die Nephridien, seltener durch
besondere Ausführwege nach aussen, so dass gewöhnlich eine an das
Urogenitalsystem der Wirbelthiere erinnernde Vereinigung von Ge-
schlechts- und Nierenorganen vorhanden ist. Bei den Scoleciden fehlen
analoge Einrichtungen; die Geschlechtsorgane haben hier meist ihre
eigenen, sehr complicirten Ausführwege.
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224
Würmer.
Biuiircfj«c Ein geschlossenes Blut g e f ä s s s y s t c in kann in beiden Gruppen
der Würmer vorkommen oder fehlen. Wo es fehlt, dient bei den
(Joelhelminthen als Ersatz die Leibeshöhle; bei; den Scoleciden dagegen
können Einrichtungen getroffen sein, welche vollkommen an das
Gastrovascularsystem der Coelenternten erinnern (cfr. S. 88, Fig. 60,
S. 230, Fig. 210» ; der Darm verästelt sich und sucht zum Zweck der
Nahrungsvertheilung mit seinen Endzweigen die entferntesten Gegen-
den des Körperparenehyms auf.
r 1¥-
Fig. 203. Querschnitt
durch Sag Uta Lij>untiata
auf der Höhe des Ovars,
daneben ein Stück llaut-
inufkelschlauch stärker
veigrössert. c eetoder-
mal.s Epithel, tu Haut-
faserblatt (Uingsniuskeln
und zugehörige Epithel-
zellen), tlf Pnrmfnserblatt,
dd I>arin<lrii>fnblatt, o
Ovar. ( Coelom mach O.
Hertwig).
^m Grundplan des Nervensystems stimmen Scoleciden und
Cnclhelminthen überein : ein Ganglienpaar liegt dorsal vom Schlund
(ojb e r e Sehl u n d - oder H i r n ga n g 1 i e n) und entsendet nach rück-
wärts 2 kräftige Stränge, die zum Centrainervensystem gerechnet
werden müssen, da sie einen Beleg von Ganglienzellen haben. Diese
Hauptstränge, zn denen sich bei Trcmntoden noch weitere Längsstränge
hinzugesellen, verlaufen bei allen Plattwürmem seitlich; bei den ge-
gliederten Würmern dagegen sind sie ventralwärts zur Bildung des
Bauch marks verlagert; hier kommen sie in der Mittellinie zur Ver-
einigung und nehmen die Form des Strickleiternervensystems
an (vergl. S. OU, Fig. 72). das mit den ihre dorsale Lage beibehal-
tenden Hirnganglien durch die Sehiundcommissuren verbunden ist.
Vielfach liegt das Nervensystem noch im Ectoderm, d. h. im Epithel
der Haut ; bei manchen Würmern ist es aus der Haut ausgeschieden
und auf der Grenze von Ectoderm und Mesoderm nach aussen von
dem Muskelschlauch angelangt. Am häutigsten rindet man jedoch die
nervösen Centralorgane entweder inmitten der Muskulatur oder sogar
einwärts von ihr in der Leibeshöhle. Man kann somit bei den
Würmern die Verlagerung des Nervensystems aus seiner Bildungs-
stätte, der Haut, in die Tiefe vergleichend-anatomisch auf das schönste
verfolgen. — Die Sinnesorgane sind sehr variabel, am verbreitetsten
sind einfache Augen und Tastorgane, seltener Hörbläschen.
Eatwkkionf. Unter den F o r t p f 1 a n z u n g s w e i s e n überwiegt die geschlecht-
Trochophor5'- liehe, doch kommt auch noch Paedo genese und ungeschlechtliche
Fortpflanzung durch Theilung und Knospung vor. Damit sind
die Bedingungen zu Generationswechsel und Heterogonie gegeben,
welche beide thatsächlich auch in einigen ("lassen beobachtet werden.
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Scoleciden. L Plathelminthen.
225
Die Eier schlagen ebenso häufig den Weg der direeten Entwicklung
wie den Weg der Metamorphose ein. Bei letzterer treten sehr
charakteristische Larven auf, welche hier gleich ihre Besprechung
finden mögen, da sie bei verschiedenen Classen der Würmer in ähn-
licher Weise vorkommen. Man führt die mannichfaltigen Gestalten
auf eine gemeinsame Urform, die Trochophora, zurück (Fig. 204).
Dieselbe ist von grosser morphologischer Bedeutung, da sie in ihrem
Bau den Räderthierchcn gleicht, da ferner ähnliche Larvenformen bei
Echinodermen und Mollusken vorkommen ; sie ist ein Gallertklümpchen
mit einem aus Vorder-, Mittel- und Enddarm bestehenden Darm-
canal. Anfänglich ist die Haut gleichmässig bewimpert, bei vor-
geschrittener Entwicklung findet jedoch eine Beschränkung der Wimpern
Fig. 204. Trochophora - Larve
(Loven'sche Larve) von Polyijordins
(aus Hatsehek). Wkr praeoraler,
trkr postoraler WiinjK'rkranz , irx
ailorale Wimperzone, FPi Wimper-
schöpf der Scheitelplatte SP, <t
Mund, Oe Oesophagus, ./ Magen,
Jl Dann , ED Entldann , .1 After,
Xeph Kopfniere, Mstr Mesmlenn-
streifen, v.LM, d.LM ocLM Munkeln,
r.LX n Nerven.
auf bestimmte verdickte Partien des Epithels, die Wimperschnüre,
statt. Eine Wimperschnur ist namentlich eonstant ; sie verläuft ring-
förmig vor der Mundöffnung und umgiebt ein einheitliches Feld, das
Stirnfeld: inmitten desselben liegt als Anlage des Nervensystems eine
oft mit einem Wimperschopf ausgerüstete Epithelverdickung, die
Scheitelplatte. Von Organen können dazu ausser Muskeln noch eine
linke und rechte Niere kommen, die neben dem Darm münden und,
wie die Nieren der parenchymatösen Würmer, blind geschlossene, ver-
ästelte Canäle, ächte Protonephridien sind. Bei den Scoleciden ist
die Larve noch nicht vollkommen entwickelt, indem der Enddarm
und die Protonephridien noch fehlen ; man spricht hier von einer P ro-
troch ula (Fig. 20* u. 220).
I. Unterstamna.
Scoleciden, parenchymatöse Würmer.
I. C 1 a s s e.
Plathelminthen, Plattwürmer.
Die Classc ist schon zur Genüge durch den Namen gekennzeichnet;
mit wenigen Ausnahmen (rhabdocoele Turbellarien) sind die nahezu
plane Bauchseite und der schwach convexe Rücken einander stark ge-
liert w ig, Lehrbuch der Zoologie. 3. Au(l.<se. ly
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220
Würmer.
nähert und gehen an den Seitenrändern mit mehr oder minder scharfen
Kanten in einander über: ausserdem ist der Unterschied von Rücken
und Bauch meist schon durch die lichtere Färbung des letzteren aus-
gedrückt. Da die Plattwürmer die charakteristischsten Vertreter der
Scoleciden sind, gelten für sie alle oben schon hervorgehobenen Merk-
male dieser Gruppe ; wir fassen sie kurz noch einmal zusammen : eine
Leibeshöhle fehlt; die Grundlage des Körpers ist ein Muskelparenchym.
eine bindegewebige, von longitudinalen, transversalen und dorsoven-
tralen Muskelfasern durchsetzte Masse, in welcher die einzelnen
Organe: Darm, Nervensystem, Niere, Geschlechtsapparat, wie in einem
festen Kitt eingebettet sind. Während die Beschaffenheit des Darms
äusserst wechselnd ist, besteht das Nervensystem stets aus einem
die Niere (Protonephridium) ist ein verästeltes Wassergcfässsystein mit
Flimmerläppchen und mit einem oder mehreren Ausführgängen. Den
meisten Raum im Körper nehmen die in der Mehrzahl der Fälle
zwittcrigen Geschlechtsorgane für sich in Anspruch. Namentlich
ist der weibliche Apparat sehr voluminös und gewöhnlich dadurch
ausgezeichnet, dass zur Bildung der Eier zweierlei Drüsen zusammen-
wirken, der kleine, unpaare Eierstock, auch Keim stock genannt,
und die paarigen, reich verzweigten Dotterstöcke. Im Keimstock
entstehen die „Keimzellen" als kleine, dotterarme Körper; im Dotter-
stock bilden sich die mit Nahrungsbcstandtheilen (Dotterplättchen)
reich beladenen Dotterzellen. Da wo die Ausführgänge beider Drüsen,
die Dottergänge und der Eileiter, zusammentreffen, wird je eine
Keimzelle mit vielen Dotterzellen zu einem ovalen Körper zusammen-
gefügt, welcher weiterhin durch besondere Schalendrüsen noch mit
einer festen Hülle versehen wird (Fig. 2U5 A). So entsteht ein zu-
sammengesetztes Ei; dasselbe macht von dem Gesetz, dass das
thierische Ei stets eine einzige Zelle ist, nur scheinbar eine Aus-
nahme. Denn die Entwicklung lehrt, dass nur die Keimzelle an der
Bildung des Embryo directen Antheil hat und allein als die eigent-
liche Eizelle angesehen werden kann, dass die Dotterzellen dagegen
allmählich zerfallen und einen dem Embryo zur Speise dienenden
Nahrungsklumpen liefern (Fig. 20;") B).
Gewöhnlich werden die Plattininner in 4 Ordnungen eingetheilt r
1) Twrbdlaricn, 2) Trcmatodr/i, 3) Ccstoden, 4) Xeniertiucn. Von ihnen sind
unzweifelhaft die Turbrllaritn die Ausgangsfornien für die 3 übrigen Ord-
nungen. Aus den Tktrbellaricn sind durch höhere Entwicklung die Netner-
lunH hervorgegangen, die Trematoden und Cestoden dagegen durch mehr
und mehr zunehmende Rückbildung, eine Folge parasitischer Lebensweise.
Fig. 205. Eier von Distomm/t
hrpaiivum (nach Schauinsland). .1
vor der Embryonalentwieklung , H
Einbryonalcntwicklung im Gang,
Dottorzollen zerfallen, et YAzoUv,
</ Dotterzelle, en Entodermzellen.
ek Ectodenn, p Pigmcntfleek.
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I. Plathelminthen. Turbellarien.
227
Mau kann sogar die Beziehung der 4 Ordnungen noch bestimmter aus-
drücken und von den beiden Unterordnungen der Turbellarien die Iihabdo-
coelm als Vorläufer der Xemcrtinen, die IhndrtHttrfru als Vorläufer der
Treinatoden und Cestoden bezeichnen. Rüchsichtlich der Xrmertinen wird
von manchen Zoologen allerdings die Ansicht vertreten, dass sie überhaupt
nicht zu den Plattwürmcrn gehören, sondern den Anneliden verwandt sind.
Die Turbellarien sind Thiere von geringer Körpergrössc; nur
wenige Arten erreichen eine Länge von mehreren Centimetern, während
es viele Arten giebt, welche dauernd microscopisch klein bleiben. Der
Name „Strudelwürmer" bezieht sich auf das wichtigste systematische
Merkmal der Gruppe, das dichte Wimperkleid, welches die Ober-
fläche des Körpers überzieht und von einem einschichtigen Cylinder-
epithel seinen Ursprung nimmt (Fig. 206). Dasselbe dient zur Ath-
mung, indem es neuen Sauerstoff der Körperoberfläche zuführt, ausser-
dem aber auch vielfach zur Fortbewegung. Man findet nämlich die
Turbellarien vorwiegend im Wasser (im Meer- wie im Süsswasser),
seltener auf dem Land in feuchter Erde (tropische Landplanarien).
Im Wasser kriechen sie entweder ähnlich gewissen Nacktschnecken
auf ihrer Bauchseite an Steinen und Pflanzen, oder sie tummeln sich
frei schwimmend im Wasser herum. Im letzteren Falle machen die
grösseren Formen undulirende Bewegungen des Körpers ; den kleineren
dagegen genügt der Ruderschlag ihrer Wimpern.
I. Ordnung. Turbellarien oder Strudelwürmer.
Fig. 206.
Flg. 207
■ .
Kig. '206. Stnmstomum leueops in
Tbeüang. a ectodennaler Anfangsdnrm bei
a für das hintere Thier neugebüdet, m blind-
geschloßt nt r entodennaler Mitteidann, e ecto-
uermalc!» Flimmerej>ithel , g Ganglion mit
Flirnmergrub«- f.ir \\ asserp-fii.-sainuC Gang-
lion dt-)* hinteren Thieree.
Fig. 207. (lundn Inhata (nach O. Schmidt).
ff Ganglienknotehen mit Augenflpcken, «Mund
(Eingang in das lanpe Sehlnndrohr), p Poms
genitalis , davor der weil »liehe , dahinter der
männliche GeflchlechÜMtppftrat.
15*
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228
Wüfmer.
Aufenthaltsort, Wimperkleid und allgemeiner Habitus verleihen
den kleinen Turbcllarien eine überraschende Aehnlichkeit mit In-
fusorien, so dass es jetzt noch den Anfängern in der Zoologie wie
einst den Begründern der mieroscopischen Forschung schwer füllt,
Infusorien und Turbellarien auseinander zu halten. Da nun der
für sich allein schon ausreichende Nachweis der Vielzelligkeit ohne
Reagentien nicht leicht zu führen ist, leitet am sichersten heim
Erkennen lebender Turbellarien die Beobachtung eines mit eigenen
Wandungen versehenen Darmcanals. Derselbe besteht nur aus
Anfangsdarm und Mitteldarm und ist am hinteren Ende blind ge-
schlossen, da Enddarm und After noch fehlen. Die Mundöffnung liegt
in einiger Entfernung vom vorderen Ende auf der ventralen Seite, ist
aber nicht selten bis in die Mitte des Körpers verschoben und kann
sogar dem hinteren Ende genähert sein (Fig. 207); sie führt in einen
musculösen Schlundkopf, welcher häufig in einer besonderen Scheide
eingeschlossen ist und dann wie ein Rüssel nach aussen hervor-
gestossen werden kann. Der auf den Schlundkopf folgende, blind-
geschlossene, entodermale Darm liefert einige systematisch wichtige
Unterschiede: so ist er bei den Ehabdocoelen ein einfacher stabförmiger
Schlauch, bei den Dendrocoelen dagegen bildet er einen Centralniagen,
von dem aus weiterhin verästelte Blindschläuche ausgehen. Die Zahl
derselben ist bei den Volycladen (vergl. S. *8, Fig. <'»()) eine sehr an-
sehnliche, bei den Tricladen sind 3 Hauptzweige vorhanden, ein un-
paarer medianer nach vorn, 1 laterale nach rückwärts gerichtet. Von
jedem der ;\ Hauptzweige gehen weiterhin zahlreiche verästelte Blind-
säcke aus. Unabhängig von den verschiedenen Stellungen des Mundes
bewahren die oberen Schlund ganglien ihre Lage am vorderen
Ende des Thieres. Letzteres dient auch zum Tasten und kann in
fühlerartige Spitzen ausgezogen werden; fast stets trägt es zwei oder
mehr einfach gebaute Augen, während ein unpaares Hörbläschen nur
bei wenigen Arten beobachtet wurde.
In der Haut mancher Turbellarien finden sich Nesselkapseln, welche
vollkommen wie bei den Coelenteraten gebaut sind. Viel verbreiteter
sind jedoch die Rhabditen, kleine Stäbchen, welche in Epithel-
zellen entstehen, die nicht selten nach Art einzelliger Drüsen in das
Mesoderm hineinragen. Sie
finden sich in der schleimigen
Spur, welche kriechende Tur-
bellarien auf der Unterlage
hinterlassen.
Der her m a p h r o d i t e
Geschlechtsapparat ( Fig.
70) und «las Wassergefäss-
system zeigen in den ein-
zelnen Unterordnungen und
Familien eine sehr verschie-
denartige Ausbildung. Die
Eier der Turbellarien sind
gewöhnlich sehr gross und
werden mittelst kleiner Stiel-
chen an Wasserpflanzen be-
festigt. Manche Arten bilden
Fig. 208. Larve von Stylorhns pilidium (aus
Kc.rschelt-Heider nach Goettc). S Schlund, iestlgt. Manclie Arten bilden
h Dam», En i'u-t- von l .1, . i ■ •,,/ iL n. auch Coccons , deren Inhalt
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I. Plathelniinthen. Trematoden.
229
aus zahlreichen Dotterzellen und wenigen Eiern besteht. Bei mari-
nen Turbcllarien kann aus dem Ei eine frei schwimmende Larve
mit lappigen Anhängen hervorgehen , welche durch Metamorphose
zur kriechenden Turbellarie wird (Fig. 20*). Nur selten findet sich
neben der geschlechtlichen auch die ungeschlechtliche Fort-
pflanzung. Die Microstomeen und einige Planarien besitzen die
Fähigkeit der Quertheilung und bilden bei guter Ernährung durch
rasche Wiederholung der Theilung eine Kette hintereinander ge-
reihter Individuen, welche sich erst allmählig von einander lösen. Für
jedes hintere Thier werden Schlundkopf und Ganglien neu gebildet
(Fig. 2W).
I. Unterordnung. RhalxUx-orlen. Die meist microscopisch kleinen,
im Aussehen und in der Lebensweise den Infusorien ähnlichen Thiero
haben einen einfachen, stabförmigen Darmblindsack. Vortex viridis Max
Schultze ; Mesostomum Elircnfurgi 0. Scbm. Im Süsswasser sind am ver-
breitetsten die Minostomcni, bei denen die ungeschlechtliche Fortpflanzung
durch Theilung so sehr überwiegt, dass man äusserst selten Geschlechtsthiero
trifft Microstomum lineare Oerst. ; Stenostomnm leurops 0. Scbm. (Fig. 206).
II. Unterordnung. Tkiulrtjertelen. Die Thiere sind meist ein oder
mehrere Centimeter gross, haben einen deutlich dorsoventral abgeplatteten
Körper und einen reich verästelten Darm. Bei den ausschliesslich marinen
Pobjeladcn entspringen unmittelbar vom Centralmageo zahlreiche Blindsäcke :
Thysanoxoon Dies inen 'Gr., Lepftnilana laevi/jata Qf. (Fig. b'O). Bei den auch
im Süsswasser und in fouchter Erde vorkommenden Triehulen sendet der
Centralmagen 3 weiterhin sich verästelnde Blindsäcke aus, einen medianen
nach vorwärts, zwei laterale nach rückwärts. Zu den „Siissuasscrpfanarien"
gehört das milchweisse DrudrocoehnH lavteum Oerst. und die schwärzlichen
lUi/rrlis nvjm 0. Schm. und Planati« [toh/rhroa 0. Schni., zu den meist
tropischen „Lanrfplannrien'' das vielfach in Gewächshäusern beobachtete,
35 cm lange DipdiHm h'raensc Moseley. Marin ist (iunda loUda 0. Schm.
(Fig. 207).
II. Ordnung. Trematoden, Saugwürmer.
Die Saugwürmer sind ausschliesslich Parasiten, welche entweder
auf der Haut und den Kiemen (Ectoparasiten) oder in den inneren
Organen (Entoparasiten) anderer Thiere leben; in ihrem Bau schliessen
sie sich den dendrocoelen Turbellarien aufs engste an und sind von
ihnen vornehmlich durch Merkmale unterschieden, welche sich unmittel-
bar auf ihre parasitische Lebensweise zurückführen lassen. Zunächst
fehlt den Trematoden das für den Wasseraufenthalt berechnete Wimper-
kleid der Turbellarien oder tritt nur während des im Wasser sich ab-
spielenden Larvenlebens auf. Dafür ist die Haut mit. Apparaten zur
Befestigung am Wirth bewaffnet, mit Saugnäpfen und Haken. Die
Saugnäpfe sind flache, von dicker Cuticula ausgekleidete Gruben der
Körperoberfläche, ausgerüstet mit einer dicken Muskelschicht, welche
durch ihre Contraction die Grube vertieft und ihr Lumen erweitert.
Eine Erweiterung des Lumens muss, wenn die Ränder des Saugnapfs
fest schliessend auf die Haut des Wirths gepresst werden, ansaugend
wirken und eine Befestigung des Parasiten herbeiführen. Bei den
Trematoden ist mindestens ein solcher Saugnapf vorhanden, welcher
das vordere Ende des Thieres einnimmt und indem er an seinem
Grund von der MundöfTnung durchbohrt wird, auch die Xahrungsauf-
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230
Würmer.
nähme begünstigt. Dazu kommt bei fast allen Formen noch ein
zweiter bauchständiger Saugnapf (Fig. 209) oder eine grössere Zahl
von Saugnäpfen und Haken, welche am hinteren Körperende zu einer
grossen Haftscheibe vereint sind (Fig. 210). Ob zahlreiche Haft-
apparate vorhanden sind ( Polystomeen) oder nur 1—2 Saugnäpfe (Disto-
meen), hängt von der Lebensweise ab, wie wir sogleich sehen werden.
Weitere Folgen des Parasitismus sind die schwache Entwicklung
des Nervensystems und die rudimentäre Beschaffenheit der Sinnes-
organe. Augenflecke finden sich nur noch bei den Ectoparasiten und
den im Freien lebenden Larven mancher Entoparasiten. selten bei aus-
gebildeten Entoparasiten. Auch der Darm ist meist zu einem Gabel-
darm vereinfacht und nur selten noch, wie bei Distomum hepaticum
(Fig. 210) mit den dendritischen lilindsäcken bedeckt. Mit dem Parasi-
tismus hängt endlich die starke Entwicklung des Geschlechts-
apparats zusammen, welcher zur Zeit der Geschlechtsreife den Körper
Fig. 205». Distomum laucco-
Uttum. $' vorderer, s" hinterer
Saugnapf ; an sl schlieft der
Pharynx mit dem Galieldanu
an: h die beiden Huden mit
den 2 Vasa deferentia, dir sieh
zum Gurt» (c) vereinen daneben
mündet der stark gewundene
Uterus (//», o Ovar, dahinter
SehalendrÜÄe mit Laurer'schein
Gang (/), tl die paarigen Potter-
stöcke mit den zur Sehalendrfise
ziehenden Ausführgangen , w
WaÄsergi'fasse, g Ganglion.
Fig. 210. Distomum hrj,a-
tirum (aus Ilona), s1 vorderer.
*7 hinterer Saugnapf, in Darm-
Bchcnkel mit verästelten Blind-
Bücken (»/).
des-Thieres zum grössten Theil ausfüllt. Von seiner Beschaffenheit
giebt beistehende Zeichnung von Distomum lanceolaium eine Vorstel-
lung (Fig. 209). Aus zwei Hoden ih) führen zwei Vasa deferentia
nach vorn, um sich zu vereinigen und eine Samenblase zu erzeugen :
der Endabsclmitt des vereinigten Ganges kann als ein mit Widerliaken
bewaffneter Penis oder Cirrus (c) ausgestülpt werden, ist aber für ge-
wöhnlich in einem besonderen Behälter, dem Cirrusbeutel, einge-
schlossen. Im weiblichen Apparat ist das Ovar (o), oder der Keim-
stock sehr klein, da er nur kleine, dotterarme Eier liefert. Dafür
sind die Dotterstöcke (d) stark entwickelt; ihre Ausführgänge ver-
einigen sich mit dem Eileiter an einer erweiterten Stelle, der Schalen-
drüse oder dem Ootyp. Hierhin gelangen vom Keimstock her die im
Keimgang befruchteten Keimzellen einzeln, von den Dotterstöcken da-
gegen Haufen von Dotterzellen. In der Schalendrüse wird jede Keim-
zelle gemeinsam mit einer grösseren Zahl Dotterzellen von einer Schale
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I. Plathelminthen : Termatoden.
231
umschlossen und so das „zusammengesetzte Ei"
fertig gestellt. Die Schale hat die Gestalt eines
ovalen Rechers. dessen Mündung durch einen
calottenförmigen Deckel geschlossen ist (Fig.
206). Von der Schalendrüse führen zwei Wege
nach aussen; der eine, welcher dicht neben
dem männlichen Geschlechtsapparat oder bei
I). hepaticum gemeinsam mit ihm durch den
Porus genitalis mündet, füllt sich mit den be-
fruchteten, in Embryonalentwicklung begriffe-
nen Eiern und heisst Uterus («). Der zweite
Canal ist viel kürzer und heisst der Laurer-
Bche Canal oder die Scheide (/). Bei vielen
Polystomeen ist der Laurer'sche Canal doppelt
(Fig. 210 m;) und dient hier sicher zur Be-
gattung; bei den Distomecn ist er dagegen ein
functionslos gewordenes, daher manchen Arten
fehlendes Gebilde. Indem hier der Uterus zu-
gleich auch zur Begattung dient, ist die Mög-
lichkeit der Selbstbefruchtung gegeben. Bei
vielen Trematodcn findet sich noch ein dritter
Canal, Ductus vitello-intestinalis, der in den
Darm mündet
Die Trematoden zerfallen in zwei grosse
Gruppen, die Polystomeen und die Distomcen;
die ersteren sind Ectoparasiten , die letzteren
Entoparasiten, ein Unterschied in der Lebens-
weise , welcher weitere Unterschiede im Bau
und in der Entwicklungsweise bedingt.
X. Unterordnung. Polystomeen.
Die Polystomeen (Fig. 211) leben auf der
Haut von wasserbewohnenden Thicren, nament-
lich von Fischen und Crustaceen, wo sie die
zarthäutigen, blutreichen und daher zum Aus
i • •, V. <u er'
Jh
I
Fig. 211. Vohjztomum in-
taurrimum (nach Zcller).
2Thiere in wechselseitiger
Begattung, darunter ein
Thier stärker vergri^sert.
m Mundöffnung, ;>// Pha-
rynx , d verästflter , voll
für Vit* lieferen« (vi) und
Uterus (»), sie die Mün-
düngen der paarigen
Scheiden (r), )/ Hoden-
Mäschen , nr Ovar , (ist
Dotterstoek , »/// Dotter-
gänge.
saugen besonders geeigneten Organe, die Kie- gjj, »«ffi
men, bevorzugen. Da sie bei ihrer oberfläch-
lichen Anheftung in höherem Maasse als die
Entoparasiten Gefahr laufen, abgestreift zu
werden, besitzen sie kräftige Klammerorgane,
eine reichliche Anhäufung von Saugnäpfen und
Haken am hinteren Körperende ausser dem
Mundsaugnapf. Ihre Verbreitung von einem
Wohnthier auf das andere bietet keine Schwierigkeiten: daher ist auch
die Entwicklungsgeschichte nicht complicirt. Die gestielten Eier
werden am Aufenthaltsort des Mutterthiers abgesetzt und liefern Lar-
ven, welche schon bald nach dem Auskriechen dem fertigen Thiere
ähnlich werden.
Zu den interessanteren Polystomeen gehört der auf den Kiemen von
Karpfen schmarotzende Qyrwlaetylus rlrynm Nordm. Er gebiert lebendige
Junge , welche schon vor ihrer Geburt in ihrem Inneren eine neue Gene-
ration erzeugen. Noch auffallender ist das ebenfalls auf Cyprinoiden-
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2o2
Würmer.
Kiemen lebende Ihjilo\<Mm paiwbjon Nordm., welches seinen Namen dem
Umstände verdankt, dass man stets zur Zeit der Geschlechtsreife die Thiere
über Kreuz nach Art der Siamesischen Zwillinge verwachsen findet (vergl.
Seite 135, Fig. 105). Aus den Eiern kriechen die früher unter dem Namen
Jtijiorjm beschriebenen Einzelthiere aus, welche erst nachträglich unter
einander verwachsen. Jede Diporpa hat zu diesem Zweck einen Rücken-
zapfen und eine ventrale Sauggrube. Eine paarweise Vereinigung findet
statt, indem ein Paarliug den Rückenzapfen des anderen mit seiner Saug-
grube packt. Dabei verwächst zum Zweck der gekreuzten Befruchtung
die Scheide des einen Paarlings mit dem Samenleiter des anderen. Den
Uebergang zum Entoparasitismus vermittelt das rohjsiomnm inteyr-rrimutn.
Rud. aus der Harnblase des Frosches. Dasselbe lebt anfänglich auf den
Kiemen der Kaulquappe; wenn bei der Metamorphose des Frosches die
Kiemen verloren gehen, sucht der Parasit noth^edrungen in der Harnblase
einen neuen weichhäutigen Nährboden (Fig. 211).
n. Unterordnung. Diatomeen.
Für die entoparasitischen Trematoden, die Distomeen, welche meist
im Darm und in dessen Anhangsorganen bei Wirbelthieren und
anderen Thieren leben, sind zunächst gewisse anatomische Merk-
male charakteristisch; als Dunkelbewohner haben sie mit wenigen
Ausnahmen die Augentieeke verloren, welche nur noch während des
Larvenlebens und auch da nicht immer auftreten. Da sie nicht so
sehr Gefahr laufen, aus den von ihnen bewohnten Organen abgestreift
zu werden, haben sie entweder nur den zur Nahrungsaufnahme dienen-
den Mundsaugnapf (Gattungen Monostomum, Holostomum) oder höchstens
noch einen zweiten Bauchsaugnapf (Gattungen Distomum, Amphisto-
mum). Am meisten aber unterscheiden sich die Distomeen von ihren
Verwandten durch ihre E n t w i ck 1 u n g s w eise; der durch den Ento-
parasitismus nothwendig gewordene Wirthswechsel hat zu einem durch
Metamorphose complicirten , äusserst interessanten Generations-
wechsel, richtiger gesagt zur II e te r o g o n i e, geführt (Fig. 212).
Wenn die Eier aus dem Uterus entleert werden, sind die ersten
Stadien der Entwicklung schon abgelaufen und ist ein zum Aus-
schlüpfen reifer Embryo vorhanden. Derselbe hat zu seiner Weiter-
entwicklung nothwendig, dass er mit den Fäcalien oder Excreten des
Wirths entleert wird und in das Wasser gelangt. Im Wasser wird
der Deckel der Eisehaie abgeworfen und es kriecht eine Larve („Mira-
cidium") aus (A), welche entweder wie ein Turbellar über und über,
oder nur am vorderen Ende oder überhaupt nicht bewimpert ist.
Kriechend oder mit den Wimpern schwimmend suchen sich die jungen
Thiere ein neues Wohnthier aus dem Stamme der Mollusken, eine
Muschel oder Schnecke, auf, um sich unter Verlust des Wimperkleides
einzubohren und durch reichliche Nahrungsaufnahme zu einem Körper
heranzuwachsen, den man je nach seinem Bau Sporocystis (B. C) oder
Bedia (D. E) nennt. Die Rcdia ist höher organisirt, hat einen Darm
mit musculösem Pharynx, zwei stummelartige Fortsätze am hinteren
Körperende und eine in*s Körperinnere führende Geburtsöffnung, Ein-
richtungen, die dem Keimschlauch oder dem Sporocystis fehlen.
Beiden Formen gemeinsam ist das Wassergefässsystem und ein Haufen
kleiner, das Körperinnere hauptsächlich füllender Eier oder Keim-
körner. Letztere furchen sich und werden zu den Cercarien {F),
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..I
I. Plathelminthen : Trematoden. 233
welche in ihrer Körpergestalt an Kaulquappen erinnern, da sie wie
diese einen rundlichen Körper mit einem Ruderschwanz haben. Ihr
Körper hat schon vollkommen den Bau eines geschlechtslosen
Distomum. Stets ist ein vorderer Saugnapf vorhanden, an welchen
sich ein musculöser Pharynx mit einem Gabcldarm anschliesst; da/u
kommt noch bei den meisten Arten ein ventraler Saugnapf. Ferner
Fig. 212. Ent wicklung von Distomum hepaticum (aus Korschclt-Hcider nach Lcuckart).
A Larve, B junge Sporocyate aus der Athenihöhle von Linmaeus, C ältere Sporo-
cvste mit Bedien im Inneren. D Redie, welche im Inneren wieder Redien erzeugt.
£ Redie, welche Cercarien erzeugt, F Cerearie, 0 emgekapeeltes Distomum. .1 Au-
genfleck, D Darm, Dr Drüsen, Ex Flimmerläp|>ehen des Wassergefässsystems, (/ Gc-
burtsöffnung, A't Keimzellen, X Nervensystem.
zeigt das Wassergefässsystem und das Nervensystem schon die An-
ordnung wie bei dem reifen Thier; nur die Geschlechtsorgane sind
unentwickelt und bestehen aus einem indifferenten Zellenhaufen. Die
Cercarien müssen auf's Neue das Wohnthier verlassen. In Aquarien
sieht man daher manchmal Schnecken und Muscheln von einer Wolke
kleiner Körperchen umgeben; das sind die ausgewanderten Cercarien,
2.-J4
Würmer.
welche im Wasser schwimmend sich einen neuen Wirth aufsuchen, je
nach der Art ein Reptil, Amphibium, einen Fisch, ArÜiropoden oder
wiederum ein Mollush. Sie dringen unter Verlust des Ruderschwänz-
chens ein, umgeben sich mit einer Hfille und werden zum ein-
gekapselten Distomum (Fig. 211 G). Dieses bleibt im Ruhestand, bis
es auf passivem Wege, durch Verbitterung, wieder in das erste Wohn-
thier gelangt in welchem es die zur Erlangung der Geschlechtsreife
günstigen Bedingungen vorfindet.
Wie nachstehendes Schema (b) lehrt, vertheilt sich der typische Ent-
wicklungsgang eines Distomum auf 3 Wohnthiere mit Einschaltung eines
doppelten Wasseraufenthalts; er setzt sich ferner aus zwei Generationen zu-
sammen, von denen die eine vom befruchteten Ei des Distomum bis zur
Redie, resp. Sporocystis reicht, die zweite mit dem unbefruchteten Ei der
letzteren beginnt und sich durch Cercarie und eingekapseltes Distomum
zum geschlechtsreifen Distomum entwickelt. Eine ungeschlechtliche Fort-
pflanzung durch Knospung oder Theilung kommt nicht vor; es wechselt
eine befruchtete und eine purtheuogenetische Generation; somit liegt bei
den Trematoden die besondere Form des Generationswechsels vor, welche
man Heterogonie nennt.
Entwicklungs weisen der Distomeen.
n) vereinfachte b) ^ewöhiiliclic n roiaplicirtcre
'2 1
- \
1-arsr,
jj
Larve
I. Generation
Lurve
SjiorocystJ .•»
oder Uedi.x
WohiuhierT
( Mulluskj
Spoioc vstis
oder Redi.i
Wohnthier I
Sporocystis
Wohnthier l
iMollusk)
===i
Utdia
r ■ '■ *t
c
I
-
c
J
Cercarie
Wasser
§
Cercarie
•*
J ciiifickati-
Sfltt-h Oi*to-
ii i Li in
Wohn-
;hler 1
eingekap-
seltes
Distomum
Wohn.
Thier Jl
Distotnuru
YVohu-
thler n
schlechls-
reife* LÜsto-
nmm
Woht j -
ihii-r |]
c«- 1
Nclilfchts- Wotm-
rcllce 1 tlüer III
Distomum i
tfe-
SChleChtS-
^ reifes
Wohn-
Die soeben gegebene Schilderung passt nicht für alle Distomeen. Bei
manchen Formen kann die Entwicklung eine Vereinfachung, bei anderen
eine Complication erfahren. So fällt z. B. bei Monostomum mutabik das
Cercarion8tadium aus und aus dem Ei des Sporocystis entstoht direct ein
geschlechtlich unreifes Distomum, welches ohne den Zwischen wirth zu ver-
lassen sich einkapselt (Tabelle a). Umgekehrt ist bei Distomum hepaticum
die Zahl der Generationen vermehrt, indem der aus der Larve entstandene
Sporocystis mehrere Generationen von Redien erzeugt, deren letzte erst
Cercarien zur Entwicklung bringt (Tabelle c).
Am bekanntesten sind :
Distomum hejxiticum L. (Fig. 210^ der Leberegel, ein 2 — -3 cm grosses
Thier von der Gestalt eines Kürbiskerns. Der Wurm lebt in den Gallen-
gängen des Schafes, äusserst selten in denen des Menschen (sicher con-
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i
I. Plathelminthen: Cestoden. 235
statirt sind etwas über 20 Fälle), verstopft dieselben und bedingt durch
die Verhinderung des Gallenabflusses und die damit zusammenhängende
Entzündung eine unter dem Namen „Leberfäule" bekannte, heftige, all-
mählig zum Tode führende Krankheit. Zwischenwirth ist eine auf feuchten
Wiesen mancherorts häufige Schnecke, der Lhmuiens tmncalulua. womit es
zusammenhängt, dass die Schafe von der Krankheit hauptsächlich nur da
zu leiden haben, wo sie im Sommer zur Fütterung aus dem Stall auf
feuchte Wiesen getrieben werden; die Cercarien scheinen in keinen neuen
Zwischenwirth einzudringen, sondern sich an Wasserpflanzen einzukapseln.
Ferner erklärt sich aus der Entwicklungsweise der Umstand, dass regen-
reiche Jahre zur Ausbreitung der Erkrankung wesentlich beitragen. So
sind z. B. in England im regenreichen Jahre 1830 ca. l*/s Millionen, 1812
nur in der Umgegend von Arles 3(X>000 Schafe dem Uebel erlegen. Ein
häufiger Begleiter des D. heputiemn ist das
I). lanceolatunt Mehlis, nur 1 cm lang und wenige mm breit, in Folge
seiner geringen Körpergrösse nicht so gefährlich wie das vorige (Fig. 209).
D. (DUharxia) haematohium Bilharz (Fig. 213) ist ein Parasit des
Menschen, welcher in heissen Klimaten. besonders häufig bei den Fellahs
Aegyptens beobachtet wird. Das Thier ist getrennt ge-
schlechtlich ; das ca. 1 cm lange Männchen bildet durch
Einrollen seiner Seitenränder einen unvollkommen ge-
schlossenen ventralen Canal, den Canalis gynaecophorus,
in welchem meist das schlankere Weibchen eingebettet
liegt. So findet man die Thiere paarweis vereint im
Blut der Pfortader und der mit ihr anastomosirenden
Venen. Sie steigen dem Blutstrom entgegen in den
Capillarbezirk, um in der Schleimhaut der Ureteren und
der Blase ihre Eier abzusetzen. In Folge der dadurch
entstehenden eitrigen Entzündung bildet sich der so-
genannte Milchharn, oder der Harn sieht in Folge von
Blutungen roth aus; als sicheres Kennzeichen der
Krankheit findet man im Harn die sehr charakte-
ristischen Eier vor. In den Menschen gelangt der
Parasit vielleicht durch Genuss von Amphijforlm und
Ephemeridenlarvm, in welche die Larve, ohne eine Hete- Fig. 213. Distnwum
rogonie durchzumachen, eindringen soll (?). hasmalnhium (aus
Hier seien noch einige weitere menschliche Para- ^Uq^j]'s ^Ynawo1
siten aufgeführt: Das in der Katze lebende D. felincum »ru^ 't-s^Miuni^
wurde in Sibirien (D. sibiricum Winogradoff) wieder- chens.
holt in der Menschenleber gefunden. In Nord-Amerika
wird das D. hepaticum durch D. carnosum Hassall ersetzt. In Aegypten
wurde D. helciophycs Sieb, im Darm des Menschen beobachtet. Aus Asien
kennt man aus der Lunge des Menschen I). pulmonale Bälz, aus Darm
und Leber D. crassum Busk., D. spnlhidntiun Leuck. (1). sinnisc Cobb.), D.
conjutxlum Cobb. Als eingekapselte Jugendzustände traten gelegentlich im
Menschen auf: D. opldhalmobium Dies, in der Linsenkapsel, Motiostomum
kntis Nordm. in der Linse. Die bei Unyulnten besonders verbreitete Gattung
Amphistomum ist im menschlichen Darm (Indien) durch A. hominis vertreten.
III. Ordnung. Cestoden, Bandwürmer.
Von den entoparasitischen Tremaloden unterscheidet sich die
Mehrzahl der ebenfalls entoparasitischen Cestoden. namentlich alle im
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230
Würmer.
Bau de*
UajMl«umif>
menschlichen Dann vorkommenden Arten, in ganz auffälliger Weise. Die
Grenze beider Gruppen wird jedoch durch gewisse in niederen Wirbel-
thieren oder in Wirbellosen lebende Formen, wie Archigetes, Caryo-
phyUaeus und Amphilina verwischt, welche bald zu den Trematoden,
bald zu den Cesioden gerechnet worden sind. Um hier eine feste
Abgrenzung zu ermöglichen, stellen wir als wichtigstes Merkmal der
Cestoilm in den Vordergrund, dass sie in
Folge der parasitischen Lebensweise auch die
letzten Spuren des Darms verloren haben.
Die Cestodcn sind darin los und ernäh-
ren sich von den Gewebssäften oder dem
Speisebrei ihrer Wirthe, indem sie die flüssige
Nahrung durch die Haut direct in ihr Körper-
parenehym aufnehmen. Ihre oberflächlichste
Schicht, welche man Cuticula nennt, obwohl
sie wahrscheinlich eher als Basalmembran
eines verloren gegangenen Körperepithels
aufzufassen ist , besitzt zu diesem Zweck
feine Porencanäle. welche die Resorption der
Nahrung ermöglichen.
Erst innerhalb der Ordnung kommen
zwei weitere Merkmale zur Ausbildung, welche
allerdings so autfällig sind, dass man an sie
zunächst denkt, wenn von Bandwürmern die
Rede ist: 1) die Differenzirung von zweierlei
Entwicklungszuständen : der im Bindegewebe
parenchymatöser Organe (Muskel, Leber, Hirn
etc.) lebenden Finnen ( Blasenwürmer oder
Cystieerken) und der im Darm schmarotzen-
den geschlechtsreifen Thiere, 2) die Glie-
derung der letzteren in zahlreiche auf ein-
ander folgende Stücke, den Kopf oder Sco-
lex und die Glieder oder Proglottiden.
Da wenigstens das letztere Merkmal für alle
im menschlichen Darm lebenden und daher
am meisten untersuchten Formen gilt, wollen
wir bei unserer Darstellung mit derartigen
typischen Formen beginnen.
Die Zusammensetzung des geschlechts-
reifen Randwurms (Fig. 214) aus zahlreichen
Stücken bringt es mit sich, dass derselbe die
ausserordentliche Länge von vielen Metern
erreichen kann ; die Stücke sind in einer
Linie bandförmig hinter einander gereiht, zu-
vorderst der stets in Einzahl vorhandene
Fig. 214.
(aus Boas
Tuen ia say inata
nach Lcuckart).
»f mit Reihen von I*ro-
glottiden .welche verschiedeneu
Gegenden der Strobüa ent-
Scolex, dahinter die Proglottiden, deren nonmien sind.
Zahl bei manchen kleinen Formen (T. echino-
coccus) auf ;\ beschränkt ist, bei den grösseren (den Menschentaenien) weit
über KXK) betragen kann. Die Proglottiden sind die Abkömmlinge des
Scolex. indem sie durch eine Art Knospimg vom hinteren Ende desselben
al»geschnürt werden. Diese Entwicklungsweise erklärt uns die auch
in weiteren Kreisen bekannte Thatsache, dass ein Bandwunnleiden
nicht gehoben ist, so lange der Scolex noch im Darm verbleibt und
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I Plathelminthen Ocstoden. 237
neue Proglottiden zu bilden vermag ; ferner erklärt sie uns die eigen-
tümliche Gestalt des Bandwurms, welcher am vorderen Ende dünn
wie ein Wollenfaden ist nach rückwärts dagegen zu einem breiten
Band wird. Denn bei ihrer ersten Bildung sind die Proglottiden klein,
sie wachsen erst vermöge selbständiger Ernährung zu ansehnlicher
Grösse heran, um sich am hinteren Ende abzulösen und allein weiter
zu leben, wenn ein bestimmtes Maass des Wachsthums erreicht ist.
Bei der im Menschendarm schmarotzenden Taenia solium sind z. B.
die neugebildeten Proglottiden in der Nähe des Kopfes queroblong,
»>,5 mm breit und O.Ol mm lang, die gereiften Proglottiden des hinteren
Endes dagegen sind längsoblong, 5 mm breit und 12 mm lang.
Kopf und Proglottiden haben eine Summe gemein-
samer Merkmale. Ihr bindegewebiges Parenchym enthält zahl-
reiche, rundliche Kalkconcretionen und besteht aus zwei Schichten,
einer Rinden- und einer Marksubstanz. Erstere enthält vor-
wiegend die Muskulatur, letztere die übrigen Organe. Durch die
ganze Länge des Bandwurms erstrecken sich das Nerven- und das
Wassergefässsystem. Im Kopf lassen sich noch die paarigen
Hirnganglien der Plattwürmer erkennen, wenn sie auch häufig durch
starke Entwicklung der Commissur zu einer unpaaren Masse ver-
schmolzen (Fig. 216) oder durch accessorische, durch die Haftorgane
bedingte Theile einigermaassen verdeckt sind. Nach rückwärts ent-
senden sie zwei Stränge, welche durch sämmtliche Proglottiden nahe
den Seitenkanten verlaufen (Fig. 219). Die beiden Seitennerven
werden in ganzer Länge von zwei Längscanälen des Wrassergefäss-
systems begleitet, welche im Kopf sowohl wie am hinteren Rand einer
jeden Proglottis durch quere Stämme verbunden sind. Sie münden
meist nur in der letzten Proglottis nach aussen und führen die Ex-
cretstoffe aus dem vortrefflich entwickelten, mit Flimmerläppchen
reichlich versehenen Capillarsystem ab. Bei vielen Arten werden mehr
als zwei, selbst bis zu zehn Längsgefässe beobachtet.
In allem übrigen unterscheiden sich S c o 1 e x und
Proglottiden: die Proglottiden enthalten die Geschlechts-
organe, der S co lex dagegen ist mit Haftorganen aus-
gerüstet, weil er ausser der Aufgabe, Proglottiden zu erzeugen,
noch die Function hat, den
Wurm im Darm zu befesti-
gen. Die wichtigsten Haft-
organe sind die Saug-
näpfe; weniger kräftig wir-
ken Haken, welche ent-
weder in grösserer Zahl in
einem Hakenkranz vereinigt
stehen oder von besonderen
Fig.
»l.">. Kopf von
tihinii von olx'ii
aus- und einstülpbaren Rib
sein getragen werden (Fig. g«'*'hen(ausHat*chek).
215—217).
Wo ein Hakenkranz vor-
handen ist, liegt derselbe um
das vordere Ende herum auf
dem Stirnfeld und wird von einem besonderen Apparat, dem Rosteilum,
bewegt; das letztere ist ein Muskelzapfen, welcher durch die Contractionen
einer musculösen Scheide hervorgepresst werden kann und dabei das Stirn-
Fig. LMM. Kopf von
Irfra rh t/>icltns r iriii ig,
geöffnet, um drn im
Innern verlaufenden
Theil der Itütwel (o")
und »las Ganglion ig) zu
zeigen (naeh Wagener).
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238
Würmer.
feld emporwölbt, bei Erschlaffung der Scheidt dagegen in das Parenchyni
des Kopfes zurückgleitet und sich zusammenzieht, Jeder Haken ist mit seiner
Spitze nach auswärts gekrümmt und geht an seiner Basis in 2 Wurzeln aus,
von denen die eine auf dem Rosteilum ruht. Wird
dieses hervorgepresst, so muss es auf die nach innen
gewandte Hakenwurzel wirken ; der bis dahin aufrecht
stehende Haken wird umgelegt und in die Darm-
schleimhaut dos Wirt lies eingeschlagen (Fig. 217).
i'rogi( n.don. Die Geschlechtsorgane sind Herma-
phrodit und in ebenso grosser Anzahl vorhanden
als die Proglottiden, so dass diese früher als die
mit eigenen FortpHanzungsorganen ausgerüsteten
Geschlechtsindividuen eines Thierstocks angesehen
wurden. In der Ausbildung der Organe muss
man zwei Grundformen unterscheiden, von denen
die eine sich vermöge der Anwesenheit eines
Dotterstocks und der getrennten Mündung von
Uterus und Scheide an den Geschlechtsapparat
der Trematoden aufs engste anschliesst, während
bei der zweiten Form der Uterus blind endet und
die Dotterstöcke durch die kleine Eiweissdrüse
ersetzt sind. Da männliche und weibliche Geschlechtswege gemein-
sam münden, ist eine Selbstbegattung der Proglottiden ermöglicht.
Ausserdem wurde eine gekreuzte Begattung abgelöster Proglottiden
beobachtet.
uothrioco- Als Beispiel der ersten Form sei hier der Geschlechtsapparat der
Phaiu*. Bothrioccphalülen geschildert (Fig. 218). Bei demselben liegen zahlreiche
Hodenbläschen im Parenchym zerstreut. Die kleinen Vasa deferentia ver-
einigen sich nach und nach zu einem Hauptcanal, welcher nahe dem vorderen
i
Fig. 217. Schema
der Rosteilumwirkung.
Rechts von der Lüne
ist das Rosteilum vor-
gestossen, der Haiken-
kranz umgelegt , links
ist das Rostcllum zu-
rückgezogen, der
Uakenkranz aufge-
richtet, r RosteUum.
s Scheide, / longitu-
dinale Muskeln.
cd
dt
- O ■* * "iW
SÄ
-. -4 * •* > '
£ ^ Mg «j? jtf
ov
dt
Fig. 218. Proglottis
von Bothriovrpltaliut
latus (nach Sommer),
rechts ist nur der
Dotterstock, links nur
der Hoden dargestellt .
dt Dotterstock, dg
Dottergang, oe Eier-
st<»ck, od Oviduct, «J
Sckalendrüse, ra Va-
S'na, « Uterus; //
odenblaschcn . rd
dunkel schrafßrtes
Vas deferens, cb Cir-
msl)eutcl gemeinsam
mit der Vagina mün-
dend; tc Wassergefäss-
canäle.
Rand in der Mittellinie der Proglottis mündet. Der Endabschnitt des Canals
funetionirt als Penis und kann aus einer besonderen Umhüllung, der Penis-
tasche oder dem Cirrusbeutel, ausgestülpt werden. Im weiblichen Geschlechts-
apparat haben wir zunächst Keimstock und Dotterstock auseinanderzuhalten.
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I. Plathelminthen : Cestoden.
230
Der Keimstock ist eine zweilappige Drüse am hinteren Rand der Proglottis
und producirt kleine, dotterarme Eier ; der Dotterstock dagegen besteht aus
zahlreichen Läppchen, welche ähnlich den Hodenbläschen im Parenchym
zerstreut liegen. Der unpaare Ausführweg des Keimstocks und die paarigen
Sammelcanäle der Dotterstöcke vereinigen sich zu einer drüsenreichen Aus-
weitung, der Schalendrüse, in welcher je eine Keimzelle mit einer grösseren
Zahl Dotterzellen zu einem zusammengesetzten Ei vereinigt und mit einer
gedeckelten Schale versehen wird. Von der Schalendrüse führen 2 Canäle
nach aussen, der eine, die Scheide, mündet mit dem männlichen Geschlechts-
apparat gemeinsam durch den Porus genitalis, der andere, der Uterus,
mündet etwas weiter zurück selbständig; er enthält die reifen und in Ent-
wicklung begriffenen Eier, welche zur Zeit der Geschlechtsreife sich so
massenhaft anhäufen, dass der Uterus sich in viele Windungen legen muss.
Bei der zweiten Form des Geschlechtsapparats, welche vornehmlich tmi»i»
den Taenien zukommt (Fig. 219), ist der männliche Apparat im Wesent-
lichen so wie bei Bothriocrphalus gebaut, nur ist die Ausmündung gewöhn-
lich seitenständig bald auf der rechten, bald der linken Kante des Körpers.
Von den weiblichen Organen ist der Keimstock zweilappig wie bei Bothrio-
cephahts, die Dotterstöcke dagegen fehlen und sind durch eine unpaare
Fig. 219. Pro-
glottis von Taetiia
saginata in Reifung
der Geschleehtaor-
gane begriffen (au»
Hatschek nach
Sommer). N Ner-
venstrang, Ncph
Wassergefäss, t
Hoden, rd Vas de-
fereus, cb Cirrus-
bentel, k Porus ge-
nitalis, rag Vagina,
ov Ovar, rs Kecep-
taculum seniinis,
sdr Schalendrüse,
dt Eiweissdrüse, ti
Uterus.
Eiweissdrüse ersetzt, welche sich dicht am hinteren Proglottisrand zwischen
die Lappen des Keimstocks einschiebt. Die Ausführwego von Keimstock
und Eiweissdrüse vereinigen sich in der Schalendrüse, von welcher — zu-
nächst noch in Uebereinstimmung mit Bothriocrphalus — 2 Canäle, Scheide
und Uterus, ausgehen. Während nun aber die Scheide im Bogen zum
seitlich gelegenen Porus genitalis verläuft und mit dem Cirrusbeutel ge-
meinsam in einer kleinen Nische, dem Antrum genitale, mündet, besitzt
der Uterus keine Oeffnung nach aussen. Er ist ein Blindschlauch, welcher
in der Mittellinie der Proglottis verläuft und, wenn er sich mit Embryonen
füllt, seitlich Blindsäcko treibt, anstatt sich wie bei Bothrioccphulu« in Win-
dungen zu legen. (Vergl. S. 245, Fig. 226).
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240
Würmer.
Der Unterschied im Geschlechtsapparat hat auch Einfluss auf die
Beschaffenheit der Eier (Fig. 220). Bei Bothriocephalus sind dieselben
gross (fr), haben eine derbe Schale mit Deckel und enthalten eine
kleine Keimzelle nebst zahlreichen Dotterzcllen; die Taenieneier (h,i)
sind klein, von einer Eiweisshülle mit feiner Schale umgeben, welche
frühzeitig verloren geht. Statt ihrer bildet sich eine Embryonal-
schale, ein radialgestreifter Saum, welcher vom Embryo auf einem
ziemlich vorgerückten Stadium der Entwicklung ausgeschieden wird.
In diesem Zustand bekommt man die Taenieneier meistens zu Gesicht.
Fig. 220. Eier von IIi liuinllu;ii «l< * incn^hliclicti Danas bei 400facher VcrsTos-
BCrung (nu* Leuckart). a Asraris lumhricnidcs b und c von Oxyuris rirmicularis,
d 'Irii hnccphulus dispar, e Dovhmius duodenal is, f Ih'stomum hepaticum, g Jiistomum
lawrolatum, h Tanna xolittm, i Taenia sayinaia. k liothriorephalus latus.
aJaffito? Mit der verschiedenen Beschaffenheit des Gcsehlechtsapparats geht
ccrhako. weiter Hand in Hand eine verschiedene Entwicklungsweise. Auch hier
erinnern die Bothriocephalen an die Trematoden; ihre Eier müssen zur
weiteren Ausbildung in das Wasser gelangen; im Wasser tritt aus
ihnen eine Flimmerlarve hervor, welche einen ovalen Körper mit sechs
Haken, den „sechshakigen Embryo" (Onkosphaera), enthält (Fig. 221).
Die Flimmerhülle ist vergänglicher Natur und wird wie das Flimmer-
kleid der Trematodenlarven abgestreift ; die „sechshakige Larve" dringt
in Fische ein, um sich in den Muskeln und Eingeweiden derselben
mit einer dünnen Cyste zu umgeben (Plerocercoid) und sich direct in
den Kopf eines Bothriocephalus zu verwandeln, welcher, durch Ver-
fütterung in den Dann eines geeigneten Wirtlis gebracht, zum ge-
schlcchtsreifen Thier heranwächst.
E?i£S2 Wesentlich davon verschieden ist der schon seit längerer Zeit
' festgestellte und in weiteren Kreisen bekannte Entwicklungsgang der
Taenien. Der Unterschied ist schon früh erkennbar, indem der auch
hier vorhandene sechshakige Embryo kein Flimmerkleid erhält sondern
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I. Plathelniinthen : Cestoden.
241
Fijr. 221. Entwicklung von Bothrion phalus (aus Leuekart), Fliinmcrlarvc. Flim-
nierlarve mit herausgepresster sechshakiger Larve, eingekapselter junger Bnthrioce-
phalus.
von der oben erwähnten, dem Fliininerkleid entsprechenden Embryo-
nalschale umhüllt wird. Aus diesem selbstgefertigten Behälter, welchen
es selbst nicht sprengen kann, muss das junge Thier durch die Ver-
dauungssäfte im Magen eines
geeigneten Zwischenwirths
befreit werden. So müssen
die Eier von Taenia solium
in den Magen des Schweins
gelangen, indem das Schwein
durch Verunreinigung seiner
Nahrung die mit Embryonen
gefüllten, mit den Fäealien
abgehenden reifen Proglot-
tiden oder auch die durch
Platzen der Uterusblindsäcke
frei gewordenen Eier ver-
zehrt. Aus ihrer Schale be-
freit, bohren sich die mikro-
skopisch kleinen Larven mit
ihren sechs Haken durch die
Darmschleimhaut . nvandern
durch das lockere Bindege-
webe vornehmlich in die
Muskeln, seltener in andere
Organe ein und setzen sich
hier fest, um zu F i n n e n
(Cysticerken) zu werden (Fig.
'J'2'Jl Sie lassen dabei die
eigentliche Muskelsubstanz,
die Sarkolemmsehläuehe, un-
berührt und bleiben im
Bindegewebe des Muskels.
Bei der Umwandlung zur
Finne nehmen sie eine ovale
Gestalt an und scheiden eine
r r
Fig. '-2'2. Hau und Entwicklung der Finne von
Tamia solium (Cysticercus cellulosae), a reife
Finne mit ausgestülptem Kopf (schwach ver-
grossert). /> reife Finne mit eingestülptem Seolex,
t junge Finne mit Anlage des Sculex und mit Wa>-
sergefässnetz. rfu.e zwei Ausbildung>stufen desSco-
lex allein dargestellt hei stärkerer Vergrößerung.
Cyste aus, zu welcher das
Schwein noch eine den Fremdkörper abkapselnde, bindegewebige
Hülle liefert. Die Finnenanlage wächst durch Zunahme der Zellen,
Bvrtwlf, Lehrbuch der Zoologie. 3. Aufl»«r.
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242 Würmer.
mehr aber noch durch Infiltration mit einer serösen Flüssigkeit,
welche alle Gewebsbestandtheile nach der Peripherie zu einer
zarten durchscheinenden Membran zusammendrängt und so reichlich
sein kann, dass bei Taenia solittm das anfangs microscopisch kleine
Thier zu einem Bläschen von Erbsen- oder Bohnengrösse, bei anderen
Taenien sogar von der Grösse eines Hühnereies wird. Die Wandung
des Bläschens bildet durch Einstülpung die Anlage des Scolex (Fig.
222 b, c) ; letzterer hat anfangs die Gestalt eines Säckchens, wächst
aber bald zu einem Schlauch aus, welcher an seiner Ausdehnung
durch eine Hülle, das Receptaculum scolicis, behindert wird und sich
daher winkelig einknicken muss (<7, e). In der Finnenwand erscheint
deswegen der Scolex als eine weissliche Anschwellung.
Am Grund des eingestülpten Blindsacks entsteht die charak-
teristische Bewaffnung des Scolex, welche es ermöglicht, mit Sicher-
heit vorauszusagen, welcher Bandwurm aus der Finne hervorgehen
wird ; speciell bei T. solium bilden sich vier Saugnäpfe und ein
Hakenkranz. Diese Theile sind zunächst einwärts geschlagen und
kommen erst in richtige Lage auf die Aussenseite des Scolex, wenn
die Anlage des letzteren wie ein Handschuhtinger umgestülpt wird.
Die Umstülpung tritt jedoch in der Cyste nicht ein, sowie auch zu-
meist die Bildung der Proglottiden und damit der Eintritt der Ge-
schlechtsreife unterbleibt. Die Weiterentwicklung setzt voraus, dass
die Finne als Nahrung mit dem Fleisch, in welchem sie enthalten ist.
in den Magen eines geeigneten, neuen Wirths gelangt. Wenn der
Mensch z. B. finniges Schweinefleisch geniesst, so werden durch die
Einwirkung der Magensäfte die Finnen befreit und im weitereu Ver-
lauf die Seoliees ausgestülpt. Den letzteren hängen eine Zeit lang
noch die eigentlichen Finnen als sogenannte Schwanzblasen an, bis
auch diese den Verdauungssäften erliegen, worauf der Scolex mit der
Bildung der Proglottiden beginnt.
M...MC- Wenn die Finnen eine bedeutende Grösse erreichen, ao erhalten sie
iieuiunK ii.r damit zugleich die Fälligkeit, mehr als einen Scolex zu erzeugen. Die im
Tr" "itnT Hirn der Schafe lebenden Finnen von Cociitmts rarl/ralis sind auf ihrer
vu.rmrr. I,menwan(i mit Hunderten von Scolices bedeckt; noch grösser ist die Zahl
bei Tue nia frhiwMi-orus, bei welcher die Finne sich längere Zeit durch
Knospuug vermehrt und durch Abschnürung zahlreicher Tochterblasen
eine bedeutende Geschwulst besonders in Lunge und Leber von Haus-
thiereu und Menschen erzeugt, ehe die Bildung der Scolices beginnt. Zu-
nächst entstehen hier im Innern einer Tochterblase mehrere Brutblasen,
von welchen eine jede wiederum mehrere Scolices producirt, so dass aus
einem G-hakigen Embryo Tausende von Scolices hervorgehen können (Fig.
227\ Diesen extremen Fällen zunehmender Complication des Finnen-
stadiums stehen Zustände gegenüber, welche zu dem Entwicklungsgang
von ßothrioeephalus überleiten, indem das Finnenstadium durch das
Cysticercoid ersetzt wird. Da hier die Infiltration mit Flüssigkeit
unterbleibt, wird der Scolex von seiner der Finnenwand entsprechenden
Hülle direct und eng umfasst. Was man Finne nennt, gewinnt den
Charakter des hinteren vergrösserten Scolexendes, in welches das vordere
zurückgezogen worden ist (Fig. 223).
Das Gesagte ist für die richtige Beurtheilung der Entwicklung der
Bandwürmer von grosser Wichtigkeit. Früher deutete man die Entwick-
lung als einen complicirten Generationswechsel: die Finne sei die
Grossamme, welche durch endogene Knospung den Scolex erzeuge; der
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I. Plathelminthen : Cestoden.
243
Scolex wiederum sei eine Amme, von welcher durch terminale Knospung
die Geschlechtsthiere, die Proglottiden, gebildet würden ; der Bandwurm-
körper selbst sei eine Kette von Individuen, eine Strobila. Diese Vor-
stellung, so praktisch sie auch für den Anfanger ist, um sich den Entwick-
lungsgang einzuprägen, und so sehr sie auch auf den ersten Blick einleuchtet,
ist doch nicht aufrecht zu erhalten, da sie an zwei Fehlern leidet. Erstens
ist die Finne, wie oben gezeigt wurde, keine selbständige Generation, son-
dern nur das verfrüht sich anlegende hintere Ende des Scolex. Zweitens
ist der Bandwurmkörper keine Colonie, sondern ein einheitliches Thier;
die Proglottiden sind nicht Individuen , sondern individualisirte Stücke
dieses einheitlichen Thieres. Man kann diese Auffassung durch Vergleich
Fig. 223.
Fig. 224.
Fig. 223. Cysticereoid im ein-
gestülpten und ausgestülpten
Zustand (aus Hatsehek).
Fig. 224. Cnryophyllaeus
mutabilis (nach M. Schnitze).
k Scolex, t Hoden, df Vaa de-
ferens, r* Vesicula seininalis,
jm Penis , ri Dotterstock , dv
Dottergänge, OV Ovarien, tä
Uterus, rs Receptaculuni se-
ininis.
der einzelnen Bandwurmfamilien beweisen. Die CanjophyUnrukn sind ein-
heitliche Körper, deren vorderes Ende sich verlängert und die Stelle des
Scolex vertritt, während das hintere verbreiterte Endo einen einzigen herma-
phroditen Geschlechtsapparat enthält (Fig. 224). Ihnen schliessen sich die
Liguliden an, bei denen der Geschlechtsabschnitt des Körpers noch unge-
gliedert ist, an Grösse aber zugenommen hat, weil zahlreiche Geschlechts-
apparate in ihm entstanden sind. In dieser Vervielfältigung des Geschlechts-
apparats ist der Grund zu suchen, dass das hintero Ende des Bandwurms
sich in viele Stücke, die Proglottiden, abgetheilt hat.
Ueber die besprochenen Entwicklungserscheinungen der Bandwürmer Hi*u>ri«eh*»
hat vornehmlich das Experiment Klarheit verschafft. Nachdem v. Sie-
16*
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244
Würmer.
b o 1 d und Andere schon früher bewiesen hatten, dass die Scolices mancher
Finnen den Scolices vieler geschlechtsreifer Bandwürmer genau entsprachen,
z. B. der Scolex von Cysticercus cellulosae des Schweins dem Scolex von
Tacnia solium des Menschen, haben Küchenmeister und Leuckart
die Frage experimentell entschieden. Zum Tode verurtheilte Verbrecher,
welche frei von Bandwürmern waren, wurden einige Wochen oder Monate
vor der Enthauptuug mit finnigem Schweinefleisch ernährt und enthielten
beim Tode die mehr oder minder weit entwickelten Individuen von Tnenia
solinui ; ferner wurden Schweine finnig gemacht, indem man sie Proglottiden
von Tue nia solium verzehren Hess. Nachdem die Ungefahrlichkeit des zu-
erst genannten Experiments festgestellt war, haben viele Experimentatoren
an sich selbst die Versuche weiter fortgesetzt. Durch ähnliche Experimente
wurde von Braun bewiesen, dass Heclttr, welche eingekapselte Ihthrin-
eephuleu enthalten, den Menschen mit dem breiten Bandwurm, B. Intus.
inficiren können.
1. Farn. Cun/ophylhteiu'cu. Bandwürmer ohne Saugnäpfe, mit einfachem
Geschleehtsapparat, bei denen Scolex und Proglottis noch nicht gegen ein-
ander abgesetzt sind. — Die Thiere sind den Trematoden sehr ähnlich
und unterscheiden sich von ihnen vorwiegend durch den Mangel des
Darms ; ihre Jugendformen leben wahrscheinlich in wirbellosen Thieren,
die Geschlechtsformen fast stets in Fischen. ( 'nry(ß]>hylhu us mutnbilis Rud.
(Fig. 224) im Darm der Cyprinoiden : Amphiliua folinan Wagen, in der
Leibeshohle des Sterlet; Are/t iyetis Siehohl i Leuck. in Ringel Würmern
tSueuuris).
2. Farn. Liyululen. Bandwürmer ohne Saugnäpfe mit multiplem Ge-
schlechtsapparat, Scolex und Proglottiden noch nicht gegen einander ab-
gesetzt. Die geschlechtlich unentwickelten Thiere leben in der Bauchhöhle
von Fischen, die geschlechtsreifen im Darm von Wasservögeln (Schnepfen-
dreck, vorwiegend von Bandwürmern gebildet). Beiderlei Zustände sind
breite riemenartige Bänder, in deren Innerem die multiplen Geschlechts-
organe den Zerfall in Proglottiden vorbereiten, ohne dass derselbe äusser-
lich zum Ausdruck kommt. Liyuhi simplieissinm Rud.
X. Farn. Trtrnrhynchhh n. Bandwürmer mit Scolex und Proglottiden.
Kopf mit 4 aus- und einstülpbaren, hakenbewaffneten Rüsseln (Fig. 216).
Die Bandwürmer leben sowohl im geschlechtsreifen wie im geschlechts-
losen Zustand in Fischen. Trfruehyuihus yiyns Bened.
4. Farn. Jiothriocephalhleu. Bandwürmer mit Scolex und Proglottiden:
Kopf spatelartig mit 2 Sauggruben auf den schmalen Kanten.
Aus der Familie interessirt uns besonders der JJothriocephnlus Infus
Brems, i Fig. 225} , der grösste Bandwurm , welcher sich im Darm von
Menschen (auch von Hund und Katze) findet, da er bis zu 12 Meter lang
werden und mehrere Tausend Proglottiden enthalten kann. Die quer-
ovalen, etwa 1 cm breiten und etwas weniger langen , reifen Proglottiden
sind gequetscht oder eingetrocknet leicht an der durch die Windungen
des Uterus veranlassten Zeichnung zu erkennen. Der spatelartige Kopf
ist in einer Richtung abgeplattet, welche senkrecht zur Richtung steht, in
welcher der Rumpf abgeplattet ist. Aus den Eiern schlüpft im Wasser eine
bewimperte Larve aus. welche einen G-hakigen Embryo umschliesst; dieser
wandelt sich in Fischen zum geschlechtslosen Bothriocephalus um. Der
Mensch erhält den Parasiten durch den Genuss von ungekochtem und un-
genügend gesalzenem, inficirtem Hechtfleisch; ausserdem können noch
Barsch, Quappe und einige Salmoniden (Huchen, Aesche, Forelle, Seeforelle.
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I. Plathelminthen: Cestoden.
245
Felchen) Zwischenwirthe sein. Daher die Erscheinung, dass der Bothrio-
ccphahis seinen Verbreitungsbezirk vorwiegend in wasserreichen und in
Folge dessen auch fischreichen Gegenden besitzt, wie in den Ostsee-
provinzen und in der Schweiz. In Grönland findet sich Ii. cordatus Leuck.,
1 m lang, in Japan und China als Plerocercoid des Menschen, Ii. liyn-
loidc.s Cobb.
5. Farn. Tacniadcn. Bandwürmer mit Scolex und ablösbaren Proglot-
tiden : am Scolex stets 4 Saugnäpfe , bei einem Theil ausserdem noch ein
Rostellum mit Hakenkranz; in den Proglottiden ist der Dotterstock durch
die kleine Eiweissdrüse ersetzt, der Uterus blind geschlossen; der Poms
genitalis, die gemeinsame Mündung für Vas deferens und Scheide, liegt
gewöhnlich seitlich in den Proglottiden, alternirend rechts und links, selten
nur einseitig (Hymenolcpis Anoplocrphalusj, selten ist er in jeder Proglottis
doppelt (Dipylidium Monicxia). Cysticerken und Cysticercoide fehlen nur
selten.
Fig. •>>.>.
8 A
Fig. 2J">. Kopf von Bothriocephalu*
ln(n.« A von »1er Fläch«'. D von der eine
Sandgrube tragenden Kante gesehen , C
eine Reihe von Proglottiden mit der
durch den Uterus bedingten Zeichnung.
Fig. Kopf und reife Prnglottis:
A von Turnki »aginota, ff von Tacnia so-
ll um.
Fig. 22a
* B
Wir stellen zunächst die im Menschen vorkommenden Tacnicn zu-
sammen, wobei wir unterscheiden müssen, ob sie als geschlechtsreife Thiere
oder als Finnen im menschlichen Körper beobachtet werden.
a) Tarnten, welche geschlochtsreif im Darm des Menschen
vorkommen.
Hier müssen in erster Linie Tacnia. sali um Rud. und Tacnia myinata
Goeze (7'. nicd'nxancllata Küchm.) genannt werden, deren Unterscheidung mit
Hilfe beistehender Abbildungen und der Tabelle auf der folgenden Seite leicht
zu bewerkstelligen ist (Fig. 226). Für die Praxis ist es nicht unwichtig, dass
Tacnia sayinata trotz des mangelnden Hakenkranzes vermöge ihrer derberen
Saugnäpfe schwieriger abzutreiben ist. Bei Tacnia soliutn verdient Beachtung,
dass man sie wiederholt schon im Menschen auch als Finnen beobachtet
hat, und zwar häufig an Stellen wie Hirn und Auge, wo dieselben schwere
Schädigungen veranlassten; dieses Vorkommen erklärt sich z. Th. wohl
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240 Würmer.
aus Verunreinigung der Nahrung mit Eiern, möglicherweise aber auch
durch eine innere Selbstinfeetkm : dass bei starken Brechbewegungen
Stücke des Bandwurms in den Magen gelangten und hier verdaut wurden,
wodurch die Embryonen befreit und zum Auswandern veranlasst wurden.
Kopf
Zahl der
Froglotti-
den
Uterus
Lange des
Wurms und der
reifen Proglot-
tiden
Beschaffen-
heit der
Finne
Taenia
soliutn
mit Kostelluui
und Haken-
kranz (30 lia-
keuin 2 Keilien)
4 schwache
Sauguapfe
8-0OO
mit jederseits
7 — 0 plumpen,
vcräsi eltcn
Aussackungen
a. 3— 3< j Meter
b. 9— 11 mm
lang
0—7 mm
breit
6—20 mm,
reich an
Flüssigkeit
im Schwein, ab
und su auch in
•Jen Muskeln,
dem Illrn, Aug-
apfel des Men-
schen
Taenia
saginata
kein Kostellum,
kein Haken-
kraus, 4 starke
Saugnüpfe
I7O0-I30O
mit jederseits
20—30 zier-
lichen. twcnig
verästelten
Aussackungen
a. 7—8 Meter
b. 18—20 mm
lang
5-7 mm breit
4—8 mm
derb, mit
wenig Flüs-
sigkeit, da-
her kleiner
im Rind
Manche Taenien sind anderen Säugethicren eigentümlich, kommen
aber auch im Darm des Menschen vor. Bei Mäusen und Ratten finden
sich die Taenia (Jhfmcnokp'm) murina Duj. und die T. (Ilf/menolepis) Irpfo-
trpfiala Creplin. Erstere soll mit der 7. nana Siob. identisch sein, welche
in der Neuzeit namentlich in Italien häufig im menschlichen Darm nach-
gewiesen wurde (Fig. 107, S. 138). Der 2—4 cm lange Wurm kann zu
Tausenden auftreten und nicht unbedenkliche Beschwerden verursachen ;
er entwickelt sich ohne Zwischenwirth, indem Eier durch Verunreinigung
der Nahrung in den menschlichen Darm gelangen und hier zu Bandwürmern
werden. T. Irptwrphah ist als T fJaropundata Weiul. und T. diminuta Rud.
aus dem Menschen beschrieben worden. Den Zwischenwirth stellen hier
Insecten in analoger Weise wie bei T. (Dipylidinm) cueumerina Rud., die
sehr häufig Hunde und Katzen, ab und zu auch den Menschen befällt.
Eine tropische Form ist T. (Daiainm) madayunwirifusia Dav.
b. Taenien, welche als Cysticerken im Menschen
schmarotzen.
Ausser dem Cysticercus cellulosae von Taenia sali um hat man die
Cysterken von Taenia aeanthoirias Weinl. ( wahrscheinlich mit T. solium
identisch) im Menschi n beobachtet. Ein häufiger und für die practische
Medicin äusserst wichtiger Parasit ist jedoch nur der Cysticercus der
Taenia eehinoromis Sieb. (Fig. 227). Der ausgebildete Bandwurm lobt im
Darm des Hundes und ist wegen seiner Kleinheit leicht zu übersehen. Er
ist höchstens 5 mm lang und besteht aus einem Scolex mit 3 — 4 Pro-
glottiden. Der Scolex hat ausser den vier Suuguäpfen ein Rosteilum mit
Hakenkranz. Werden die Eier in den menschlichen Darm verschleppt,
wozu das Streicheln und Küssen inficirter Hunde die günstigen Vor-
bedingungen liefert, so wandern die ausschlüpfenden Embryonen in Lober,
Lunge, Hirn oder andere Organe und erzeugen hier Geschwülste, welche
in der Leber bis zu Kindskopfgrösse und zur Schwere von 10, ja selbst
30 Pfund heranwachsen können. Diese aussergewühnliche Grösse wird
dadurch bedingt, dass der aus dem Embryo hervorgegangene Cysticercus
durch Knospung nach innen und nach aussen (endogener und exogener
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I. Plathelminthen : Cestoden.
247
Echinococcus) viele, manchmal Hunderte, selten Tausende von Tochter-
blasen erzeugt, bevor die Bildung der Brutblasen beginnt, an denen die
Scolicos (meist je 5 — 10) entstehen. Wenn letzterer Process ganz aus-
bleibt, so entstehen Blasen ohne Köpfe, die Acephalocysten Häufiger
als beim Menschen iE. hominis) sind die Echinococcen im Rind, Schaf,
Schwein (E. reterinorum). Auch bei Affen,
Nagern , ja selbst finuf>- und BeuteUhieren
wurden Echinococcen beobachtet.
Im Anschluss an obige Parasiten des
Menschen seien hier noch die wichtigsten
Taenien genannt, welche nur in Thieren be-
obachtet werden. Im Hundedarm leben
ausser T. cueumerinn und T. echinoeoccus : T.
coenurwt Sieb. (Finne Coenurus ccrebralis im
Hirn der Schafe erzeugt die Drehkrankheit);
T. serialis Baillet, beide ca. V, Meter lang
(Finne Coenurus scriali* im Kaninchen) : T.
srrrata Goeze (auch in Wolf und Fuchs)
V2— 2 Meter lang (Finne C. pisiformis in
Leber und Mesenterium von Hase und Ka-
ninchen); T. marginata Batsch, 2 — 5 Meter
lang (Finne C. tenuicollis in Peritoneum und
Pleura von Wiederkäuern). Im Katzendarm :
T. crassicollis Rud., ca. '/2 Meter lang (Finne
C. fasciolaris von Mäusen und Ratten). Im
Darm der Wiederkäuer: 71 {Manie xia) expansu
Bud. und (hntietdata Rud., erstere 4 — 5 Meter,
letztere ca. Meter lang. Im Pferdedarm: T. (Anoplocephala) plicata
Zeder, V2 Meter lang.
Fig. 227. Taenia echinoroccus
(aus Hatschek nach I>euckart).
Geschlechtsreife» Thier, daneben
ein Stück einer Brutblaae mit
ansitzenden Scoliees.
IV. Ordnung. Nomertinen, Schnurwürmer. '
Die letzte Ordnung der Vlattwürmer bilden die Schnurwürmer
oder Nemertincn, Thiere, welche gewöhnlich ansehnlich gross sind und
öfters die Länge von fast 1 m erreichen. Sie leben selten im Süsswasser
und auf dem festen Land in feuchter Erde, sind dagegen häufig im
Meere, wo sie unter Steinen oder Tangwurzeln zusammengerollt liegen.
Von den rhabdocoelen Turbcllaricn, denen sie am nächsten stehen, unter-
scheiden sie sich vornehmlich durch drei Charaktere:
1) Durch die Bildung eines ectodermalen Enddarms hat der Darm
eine Aftermündung erhalten und ist zu einem durchleitenden Rohr
geworden (Fig.
2) Ein Schlundkopf fehlt, dafür ist ein besonderer Rüssel vor-
handen, welcher dorsal über dem Darm liegt und getrennt von dem-
selben mündet» Der Rüssel ist ein blind geschlossener, weit nach
rückwärts reichender Schlauch, welcher von einer musculösen Rüssel-
scheide eng umschlossen und an den Grund derselben durch einen
Rfickziehmuskel befestigt ist. Durch Contractionen der Scheide wird
der Rüssel wie ein Handschuhfinger umgestülpt und zum Angriff
oder zur Verteidigung in ganzer Länge über die Körperoberfläche
hervorgestossen, während der Rückziehmuskel die Aufgabe hat, die
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248
Würmer.
Fig. 'J'JS. Junges Tetrastci/twa
uh.tr ii nun (suis Hatschek nach
M. Schult ze . Rüsselöffnung,
r Rüssel, st Haupt- und N'eben-
stilets. r'Dnisensaek de* Kussels,
rm Ketraetur des Rü»els, or
Augen , f Flimniergruben , ry
Hirngangl ion . i c dor*ale Coin-
misftUT, nl Seilenstränge, ncph
Wassergefüsse. deren Mündung,
tnr dorsales , Ig xeitlichc Blut-
gefäsxe, i Dann, a After.
Waffe nach dem Geltrauch wieder irr
die Ruhelage zurückzuführen. Bei vielen
Neniertinen wird die Gefährlichkeit dieser
Waffe noch durch zwei Einrichtungen
wesentlich gesteigert: Erstens findet sich
am Grund des Sacks ein Stil et, welches
die Spitze des ausgestülpten Rüssels krönt
und neben dem noch einige Reservestilets
liegen, zweitens mündet an der Basis des
Stilets ein bei stiletlosen Nemertinen
fehlender hinterer Giftsack, der nicht mit
ausgestülpt wird.
3) Ein drittes Merkmal höherer Orga-
nisation ist das B 1 u t gef ä s ss y s t e in ,
welches aus einem dorsalen und zwei seit-
lichen Längsstämmen besteht, die vorn
und hinten durch Schlingen unter ein-
ander zusammenhängen.
Das ('entralnervensystem — oft durch
Hämoglobin roth gefärbt — gleicht dem
der TurMlnrkit. Zwei obere Schlundganglien
sind durch eine dorsale Commissur verbun-
den, welche von dem durchtretenden Rüssel
in einen oberen und unteren Strang getrennt
wird; sie verlängern sich nach hinten in
zwei Seitennerven, welche auf der Bauch-
seite durch zahlreiche Quercommissuren zu-
sammenhangen. An die oberen Schlund-
ganglien legen sich zwei seitliche flimmernde
Gruben an, tiefe Einsenkungen der Haut,
deren oberflächliche Mündungen vom Thier
nach Belieben geöffnet und geschlossen wer-
den können. Früher für Respirationsorgane
gehalten, gelten sie jetzt mehr für Geruchs-
grübchen, wie sie auch bei anderen Wür-
mern {%. B. Mlcrostomem) vorkommen. Von
unzweifelhaften Sinnesorganen sind nur
Ocellen und Tasthaaro häufiger, Hörbläschen
dagegen äusserst selten beobachtet worden.
Während die Wassergefässo an die Zier«
hrllurim erinnern, haben die Geschlechts-
organe einen Bau eigener Art ; sie bilden
jederscits eine Reihe hinter einander gela-
gerter Säckchen, welche auf dem Rücken
nach aussen münden und mit ßlindsäcken
des Darms alterniren. In der Regel herrscht
Gonochorismus.
Die Entwicklung ist selten eine directe,
häufiger eine Metamorphose, bei welcher die
Fechterhutlarve, das Pilidium (Fig. 22J»)
oder die aus dem Pilidium durch Rück-
bildung entstandene Desor'sche Larve
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I. Plathelminthen : Nemertinen.
249
auftritt. Das Pilidium ist ein Gallertkörper von der Gestalt eines Napoleons-
hutes, von dessen unterem Rand links und rechts 2 Mundlappen herunter-
hängen, welche an die Schutzklappen eines Fechterhutes erinnern. Der Rand
der Lappen und des übrigen Hutes ist von einem Wimperreif eingefasst,
einer verdickten Epithelpartie, welche Flimmern trägt. Ein Flimmerbusch
auf der Spitze des Hutes geht von einer Epithelverdickung (Scheitel-
platte) aus, welche wahrscheinlich als Centrainervensystem functionirt. Im
Inneren findet sich ein am hinteren Ende geschlossener zweitheiliger Darm,
welcher zwischen den Mundlappen nach aussen mündet. Bei der Meta-
morphose wird er allein in den fer-
tigen Wurm mit hinübergenommen
und durch einen complicirten Fal-
tungsprocess aus dem sich rückbil-
denden Gallertkörper der Larve her-
ausgeschält.
Systematisch unterscheidet man
zwei Unterordnungen : 1 ) Enojila
(Hoploncmertinfn): Nemertinen, deren
Rüssel ein Stilet besitzt, deren Ent-
wicklung eine directe ist. Xcmerlcs
grarilis Johnst., Tetrasfruuna obtCWUtn
M. Schultze (Fig. 228), im Süsswasser
TetrasUmma laeustn du Ples., auf dem
Land Geonemrrtrs chalicophOTQ GrafF.
2) Anopfa (neuerdings in Vnhmmrwf r-
tinen und Sthixonemcrtinen gesondert), (aunTLang
Thiere mit Metamorphose und mibe- platte, »t Munddan«, mä Magcndanu, es
warfnetem Rüssel; hierher Linens Einstülpungen wolohr ..pätor die Haut
xr j.p i ✓ . i i Mermertme liefern, m .Mundlappen ,•• wk
winnits Alonti. und < rreorntulUi mnr-
ginatus Leuck.
Fig. 229. Pilidium- Larve einer Nemcrtine
nach Salcnsky). sp Scheitel-
Wiinprr>ehnur, rn Ringnerv.
II. C lasse.
Kotatoricn, Räderthierehen.
Die im Wasser lebenden Räder thierchen gehören zu den kleinsten
vielzelligen Thieren und sind von Infusorien, mit denen sie die Lebens-
weise theilen. nur mit Hilfe des Mikroskops zu unterscheiden. Ihr
Körper zerfällt in drei Abschnitte: Kopf, Rumpf und Schwanz; der
R u m p f ist von einer derben Cuticula fest gepanzert und dient ähnlich
der Schale einer Schildkröte den beiden anderen Abschnitten zur Zu-
flucht (Fig. 220 A). Der Schwanz ist oft aus mehreren Ringen zusam-
mengesetzt, welche wie Glieder eines Fernrohrs in einander geschoben
werden können und durch die oberflächliche Aehnlichkeit mit Segmen-
tirung manche Zoologen veranlasst haben, die Räder thiere irrthümlich
zu den Arthropoden zu stellen. Der letzte Schwanzring trägt eine
Zange, mit deren Hilfe sowie mit Hilfe von Klebdrüsen die Thiere
sich festsetzen können. Das Kopfende ist am zarthäutigsten und
verbreitert sich nach vorn zur Radscheibe, einem Apparat von sehr
wechselndem Aussehen, dessen kräftige Bewimperung sowohl zum
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250
Würmer.
Schwimmen dient, als auch die Nahrung zum ventral gelegenen Mund
herbeistrudelt. Der Darm besteht aus Oesophagus, Kaumagen, Drüsen-
magen und Enddarm und ist mit Ausnahme des Kaumagens von
Wimpern ausgekleidet; der Kaumagen dagegen trägt zwei mit Kau-
leisten bedeckte Chitinplatten, welche beim lebenden Thiere zum Zer-
kleinern der Nahrung beständig gegen einander klappen. Oberhalb
des Oesophagus liegt das paarige
Hirnganglion, mit welchem häutig
einfachste Ocellen und eigenthüm-
liche Sinnesorgane, die Nackenten-
takeln etc., zusammenhängen. Mit
dem Enddarm mündet das meist
unpaare, sackförmige Ovar und die
paarigen W a s s e r g e f ä s s c a n ä 1 e,
deren Seitenäste am blindgeschlos-
senen Ende kleine Flimmerläpp-
chen tragen. Zum Wassergefass-
system gehört ferner noch eine
grosse contractile Blase.
Lange kannte man nur weibliche
Thiere, bis Dalrymple die Ent-
deckung machte, dass die zuge-
hörigen Männchen sehr viel sel-
tener und kleiner sind, sogenannte
Z w c r g m ännchen, und eine
stark rückgebildete Organisation
besitzen. Meist ist der Darm zu
Fig. 230. Rrmhionus urccolari«. A ^om soliden Gewebsstrang redu-
Wcibchtn mit 4 Eicm auf verschiedenen cirt, in welchem der Hoden ein ge-
Stufen der Entwicklung, Ii Männchen, C bettet liegt ( Fi*7. 2IJ0 B).
ein FümnicrläjMK'hcn d„s Wawergeftoos Räderthi'cre haben zweierlei
starker vergrößert. / lentakel, ti danghon , . . .... .
mit Auge. //• W a.ßergefä.sssv.tem, k Kau- kier. grosse dotterreiche Winter-
magen. ti Magendrüsen, m Magen, o Ovar, ei er, welche von einer festen
c Cloakenr.ffnung, b Harnblase, h Hoden, Schale umgeben sind, und kleine
P Pen18- dünnschalige S o in m e r e i e r. Letz-
tere entwickeln sich parthenogene-
tisch und dienen durch ihre grosse Zahl und rasche Entwicklung der
Verbreitung der Art. Jene sind seltener, bedürfen der Befruchtung und
haben eine lange Buheperiode; sie erhalten die Art wahrscheinlich
während ungünstiger Zeiten, wenn das Wasser einfriert oder ein-
trocknet (Dauereier). Ein gewisses Maass von Eintrocknen vertragen
übrigens die ausgebildeten Thiere ebenfalls; in feuchtem Moos, in
den Residuen von Dachrinnen findet man sie zusammengezogen in
einer Art Winterschlaf befangen, aus dem sie erst bei Zusatz von
Wasser aufwachen.
Die Schilderung vom Bau der Iift/ntorirn lüsst erkennen , dass die
Thiere ausserordentlich den Wurmlarven vom Trochophora-Typus gleichen.
Wir müssen sie daher für äusserst primitive Formen erklären, welche den
Urahnen des Würmerstammes am nächsten stehen. Damit gewinnen sie
trotz ihres abweichenden Aeusseren nahe Verwandtschaft mit den Würmern,
unter denen sie sich nach dem Bau ihres Nerven- und Excretionssystems
den Plattwürmern anschliessen. Die meisten Räderthiere leben im Süss-
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II. Rotatorieu. Coelhelminthen. III. Chaetognathen. 251
wasser: Brach ionus urceolaris Ehrbg. (Fig. 320), Conochilus rolrox Ehrbg.,
letzterer eine kugelige Colonie radial angeordneter Einzelthiere.
n. Unterstamm.
Coelhelminthen.
III. C las sc.
Chaetognathen , PfeilwUruier.
Um in das Studium der Leibeshöhlenwürmer einzuführen, sind
am meisten geeignet die Chaetognathen, glashelle, 1—5 cm lange Würmer,
welche an der Oberfläche des Meeres Jagd auf andere pelagische
Thiere machen und ihren blitzschnellen Bewegungen und zum Theil
auch ihrer Körpergestalt den Namen Sagitten oder Pfeilwürmer ver-
danken. Die Thiere schwimmen mit horizontal gestellten, von. beson-
deren Strahlen gestützten Flossen, deren eine das Schwanzende um-
greift, während 1 oder 2 weitere Paare seitlich am Rumpf sitzen
(Fig. 231). Zum Ergreifen der Beute dienen ihnen 2 Lappen, welche
vorn links und rechts von der Mundöffnung gelegen und mit kräftigen
hakenartigen Borsten (daher Chaetognathen , Borstenkiefer) be-
waffnet sind. Innerlich ist der Körper deutlich in drei Segmente ge-
schieden, Kopf, Rumpf und Schwanz, weil die Leibeshöhle durch
quere Scheidewände in drei Kammern zerfallt: Kopf-, Rumpf- und
Schwanzleibeshöhle. Jede Kammer wiederum bestellt aus einer linken
und rechten Hälfte, da ein Mesenterium in sagittaler Richtung aus-
gespannt ist, in welchem der gerade gestreckte Darm verläuft. Letz-
terer mündet am Ende des Rumpfsegments, ohne in den Schwanz-
abschnitt einzutreten.
Das Nervensystem (Fig. 232) ist noch vollkommen ectodermal;
im Kopfabschnitt bildet es ein dorsal gelegenes Paar Hirnganglien,
wie wir sie schon von den Blattwürmern her kennen, im Rumpf-
abschnitt ausserdem noch ein grosses ventrales Ganglion, die erste
Anlage des bei den Anneliden höher entwickelten Bauchmarks. Kopf-
und Bauchganglien sind durch lange Schlundcommissuren unter ein-
ander verbunden (Fig. 231). Sehr interessant, weil auch für Nema-
toden und manche Anneliden charakteristisch, ist die Beschaffenheit
der Muskulatur, welche nur aus longitudinalen Fasern besteht. Die
Leibeshöhle wird von einem Epithel ausgekleidet, welches parietales
Mesoderm heissen mag, soweit es an das Ectoderm grenzt, viscerales
Mesodenn, soweit es das Darmrohr überzieht (Fig. 203 a u. b). Das
parietale Mesodermepithel hat die Muskelfasern ausgeschieden, deren
Masse in 4 Felder abgctheilt ist, ein rechtes und linkes dorsales und
ein rechtes und linkes ventrales. Die Chaetognathen wie auch die
Nematoden und Anneliden führen somit die uns von den Coelenteraten
her bekannte Einrichtung der Epithelmuskelzellen fort. Im Epithel
der Leibeshöhle entstehen auch die (i e s c h 1 ec h t s z e 1 1 e n : im Rumpf-
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Würmer.
Fi>r. L':il. Üti/ifhi
hcra/ttira (aus Lllllg
nach O. Hcrtwig) von
der Hau<-Iis.it«' p>-
wheii. Mund,
Dann . sc ScMund-
commixflur, hy Bauch-
ganglion, //. *fl Flos-
sen, oc Ovar, otd
Oviduct. ii» weibliche
Geschlecht soft nunir.
UV
Fijr. '»32. Kopf von SnyiUo
biptwctata in dorsaler Ansicht
(nach ( ). Hertwij; aus Lanjr).^
llirn^iinirlion , yh Horsten, sr
Schliiinlconiinissur. m Kioch-
orjnui mit Nerv ( rn), au Auge
mit Nerv (an).
segment die Eier, welche
durch besondere Ovi-
dukte narh aussen
geleitet werden, im
Sehwanzsegment da-
gegen die Anlagen der
Hoden. Frühzeitig lö-
sen sich die Samen-
bildungszellen ab, fallen
in die Leibeshöhle und
reiten hier zu Sperma-
tozoon , die durch Ca-
näle ausgeleitet werden,
welche durch ihre Ver-
bindung mit der Leibes-
höhle an die Segmental-
organe der Anneliden
erinnern.
Die Entwicklungsgeschichte der Sagitkn ist nach
zwei Richtungen hin von Bedeutung: 1) Der Urdarm
zerfallt durch zwei seitliche Falten in einen unpaaren
mittleren und zwei paarige seitliche Räume; ersterer
ist der bleibende Darm, letztere sind die Anlagen der
Leibeshöhle oder die Coelomdivertikel ; die Leibeshöhle
ist somit eine Ausstülpung der Darmhöhle (S. 129,
Fig. 104). 2) Die Geschlechtsorgane lassen sich auf
ein Paar Zellen im primitiven Entoblast zurückführen,
die später in die Epithelauskleidung der Leibeshöhle
gelangen. Jede Zelle t heilt sich in eine vordere und
hintere; da die vordere das Ovar, die hintere den
Hoden liefert, so sind bei iSagitta die männlichen und
weiblichen Geschlechtszellen unzweifelhaft Abkömm-
linge einer gemeinsamen Mutterzelle.
Die einzelnen Arten der Cfiaetopuühen lassen sich
wenigen Gattungen einreihen, von denen die über alle
Meere verbreitete Gattung Smjitta am bekanntesten ist.
Sayift'i hrjunti in d'( )rb.
IV. Classe.
N'eniathelmiiithcn, Knndwürnier.
Wie die Plattwürmer, so sind auch die Rund-
ivürmer {Nemathebninthen) schon durch den Namen,
der sich auf die faden- oder walzenförmige Körper-
n!Jw*n%?i*Ä*n- -(>stalt «ur Genüge gekennzeichnet. Die
blase. Gestalt ist bedingt durch die Anwesenheit einer
Leibeshöhle, in welche sämmtliche Eingeweide so
locker eingebettet sind . dass sie beim Spalten des Hautmuskel-
sehlauehes sofort herausfallen. Da die Rundwürmer den Besitz einer
Leibeshöhle mit den meisten Anneliden theilen, so muss zur Unter-
scheidung
von letzteren noch ein
negatives
Merkmal hervorgehoben
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IV. Nematholminthen : Nematoden.
253
werden, der Mangel der Gliederung und demgemäss auch der Mangel
der in regelmässigen Abständen sich wiederholenden Einkerbungen
oder Ringelungen des Körpers.
Zu den Nemathelminthen gehören nur 2 Ordnungen, von denen
die eine, die Gruppe der Nematoden, bei Weitem die wichtigere ist.
I. Ordnung. Nematoden, Faden würm er.
Die Nematoden sind eine artenreiche Gruppe fadenförmiger, o«uit.
O.Ol — 1,0 m langer Würmer, die durch die grosse Zahl bei Pflanzen,
Thieren und Menschen weit verbreiteter, zum Theil äusserst gefähr-
licher Parasiten ein ganz hervorragendes Interesse besitzen. Die Ober-
fläche ihres Körpers wird von einer derben Cuticula gebildet, welche
von der darunter gelegenen Hypodermis ausgeschieden wird (Fig. 202,
S. 223), einer histologisch noch ungenügend verstandenen Schicht,
welche auf dem Querschnitt gesehen 4 Verdickungen zeigt, 2 laterale
(links und rechts) und 2 mediale (dorsal und ventral). Erstere schim-
mern deutlich durch die Cuticula als zwei Längsleisten, die Seiten-
linien, durch: letztere sind schwach ausgeprägt und veranlassen die
minder deutlichen Rücken- und Bauchlinien. In den Seitenlinien ver-
laufen die Excretionsgefässc (wahrscheinlich in die Leibeshöhle mün-
dende Nephridien), gewöhnlich 2 Längscanäle, welche unweit des vorderen
Endes durch einen Quercanal verbunden sind und in der Bauchlinie durch
einen unpaaren Porus exeretorius nach aussen leiten. Durch Seiten-
linien, Rücken- und Bauchlinie wird die Muskulatur, welche auch hier
nur aus Längsfasern besteht, in 4 Felder abgetheilt, ein dorsales und
ventrales rechtes und ein dorsales und ventrales linkes. Die Bildung
der longitudinalen Muskelfasern geht vom parietalen Peritonealepithel
aus, einer Schicht blasiger Zellen, welche durch ihre Grösse die
Leibeshöhle so sehr einengen, dass kaumPlatz genug für den Darm
und die Geschlechtsorgane übrig bleibt.
Der Darm beginnt mit der genau endständigen Mundöffnung und i..v.m.
endet mit einem After, welcher vom hinteren Ende auf die Bauchseite
verschoben ist. Diese Lagerung ist besonders auffällig, da sonst bei
den Würmern umgekehrt der After terminal angebracht, die Mund-
öffnung dagegen durch den Kopf läppen überwölbt und auf die Bauch-
seite gedrängt zu sein pflegt. Der an den Mund anschliessende muscu-
löse, zum Saugen dienende Oesophagus schwillt an seinem Ende zu
dem Pharyngealbulbus oder Magen an und ist in ganzer Ausdehnung
von einer Cuticula ausgekleidet; von da bleibt sich die Beschaffenheit
des Darms bis zum After gleich (Fig. 233). Umfasst wird der Anfang
des Oesophagus von einem mit Ganglienzellen bedeckten Nerven- »rv.-.i
ring; auch dieser ist bemerkenswert)!, da wohl umschriebene An- *>>Um
Schwellungen. Ganglienknötchen, wie sie sonst bei den Würmern stets
vorkommen, bei den Nematoden fehlen.
Sehr einfach ist der Bau der Geschlechtsorgane der nur «.rtchicM-w»-
ausnahmsweise hermaphroditen Thiere. Männchen und Weibchen sind, (,r*iac
abgesehen von den Copulationsorganen, dadurch leicht zu unterscheiden,
dass die Geschlechtsorgane des ersteren von vorn und unten in den
Enddarm münden, welcher hierdurch zur Cloake wird (Fig. 234).
während die Weibchen (Fig. 233) eine besondere Gesehlerhtsöffnung
haben, die ventral zwischen Mund und After je nach den Arten bald
mehr nach vorn, bald mehr nach hinten liegt. Im Uebrigen ähneln
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2Ö4
Würmer.
4
1
sich beide Geschlechter im Hau der Fortpflanzungs-
organe. Beidesmal handelt es sich um lange, bei
grosser Fruchtbarkeit in vielen Windungen auf- und
absteigende Röhren, deren blindes, in einen feinen
Faden ausgezogenes Ende die Keimzellen liefert
(Hoden, Ovar), während der Rest als Samenblasc und
Ausführweg 'dient Reim Mannchen ist die Genital-
röhrc stets einfach; beim Weibchen kann sio eben-
falls einfach sein, ist aber häufiger doppelt, wobei
dann linke und rechte Röhre erst kurz vor der Mün-
dung sich vereinigen (Fig. 22'Ava). Als Copulations-
organe funetioniren beim Männchen am häufigsten
Spicula, d. h. gekrümmte Stacheln, welche hinter dem
Darm in einer Scheide eingeschlossen sind und durch die
Cloakenspaltehervorgestossen werden können; Retrac-
toren, welche sich an das hintere Ende der Spicula be-
festigen, ziehen sie in die Ruhelage wieder zurück.
Dazu kommen ab und zu linke und rechte Klappen
zum Festhalten des Weibchens, oder es ist, wie bei
den Trichinen, die ganze Cloakc vorstülpbar.
tni»^..nc. Da eine Begattung stattfindet, werden die Eier
im Innern des Eileiters befruchtet und machen häufig
einen Theil der Entwicklung im Uterus des Weib-
chens durch; manche Nematoden, wie die Trichinen,
sind sogar lebendig gebärend. Die Entwicklung ist
vielfach eine directe, kann aber auch unter dem
Bild einer mehr oder minder ausgesprochenen Me-
tamorphose verlaufen. Endlich kommt auch He-
terogonie vor, insofern als hermaphrodite oder
parthenogenetische Generationen mit getrennt ge-
schlechtlichen Generationen alterniren. Die ver-
schiedene Art der Entwicklung wird in hohem Grade
von der Lebensweise beeinfiusst Sehr verbreitet
sind Nematoden im süssen und salzigen Wasser; an-
dere leben in organischen Flüssigkeiten ; eine dritte
Gruppe wiederum schmarotzt im Körper von Pflanzen
und Thieren. Nur die Parasiten zeigen die Neigung zu Metamorphose und
Heterogonic, Einrichtungen, welche mit dem durch Entoparasitismus
bedingten Wirthswechsel zusammenhängen. Auch sind bei parasi-
tischen Nematoden Encystirungen sehr verbreitet Diese wenigen
orientirenden Worte mögen hier genügen ; Genaueres über die ver-
schiedenen Entwicklungsweisen findet der Leser bei der Besprechung
der einzelnen Arten und Familien, von denen im Folgenden nur die-
jenigen Berücksichtigung finden sollen, welche als weitverbreitete
Parasiten von Pflanzen, Thieren und Menschen eine aussergewöhnliche
Wichtigkeit besitzen.
1. Familie. Aiiynilhdidcn. Kleine, fadenförmige Nematoden meist
mit doppelter Pharyngealanschwellung, welche im Schlamm oder in orga-
nischen Flüssigkeiten, oder in Pflanzen, seltener in Thieren leben; Männ-
chen mit 2 Spicula. AmjuiUuh arrti 0. Fr. M., Essigälchen im Kleister und Essig
als ein weisslicher, geschickt schwimmender, 2 mm langer Wurm. Rhabditis
niffrotrnusa f Rhuhdnnrittn ni'/rotrNosiuti}, noch nicht 1 mm lang, im Schlamm
lebend, steht in Heterogonie mit einem zweiten Thier, welches in der
Fig. 223. Ana-
tomie einer jungen
weihlichen Ascart*
(zu (»runde gelegt
eine Zeichnung von
Leuckart). p Pha-
rynx , d Dann , r
ventrale Linie , 8
Seitenlinien, ta Va-
gina, o Ovar.
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IV. Nemathelminthen: Nematoden.
255
Lange des Frosches wohnt und wegen der Mundpapillen früher zu den
Ascariden gestellt wurde. Die Rhabditis ist getrennt geschlechtlich, die
Ascarisform hermaphrodit. Sehr ähnlich ist der Entwicklungsgang des
1 mm grossen Wtatxlonenia stcrcoraJe (R. strotigyloides Leuck.), welche eben-
falls in feuchter Erde, aber, wie es scheint, nur in wärmerem Klima lebt;
ihre Nachkommenschaft entwickelt sich im menschlichen Darm zu der
*2 mm langen AnyuilJula intestinalis, welche junge, mit den Faeces den
Darm verlassende IHiaM. stercorale erzeugt, ob parthenogenetisch oder her-
maphroditisch ? ist noch zweifelhaft. In vielen Fällen scheint nun die frei
lebende Generation ganz ausfallen zu können, indem die nach aussen ge-
langten Rhabditiden sich in die Intestinalisform verwandeln und erst im
Darm des Menschen ihre Geschlechtsreife erlangen. Der Parasit, früher
nur aus den Tropen bekannt, ist in der letzten Zeit häutig in Norditalien
beobachtet worden.
Zu den Anyuilluliden gehören endlich zahlreiche Pflanzenparasiten :
die kleinen auf Pilzen schmarotzenden Nematoden, vor Allem aber der
Tylenchus tritici Neidh. und die Ikterndcra Schacht i Schmidt, von denen der
erstere dem Weizen, die letztere den Rüben grossen Schaden anthut. Ihre
rapide Vermehrung ist Ursache der Rüben- und Weizenmüdigkeit, der
Erscheinung, dass Boden, welcher Jahre lang hindurch ausschliesslich mit
einer dieser Pflanzen bestellt wurde zunehmend schlechte Ernten liefert,
weil immer mehr Pflanzen dem Parasiten erliegen. Tylenchus devastatrix
Kühne befällt Roggen und Hyacinthen.
2. Familie. Ascariden. Mundöftnung von 3 Lippen (einer dorsalen,
zwei ventralen) umstellt ; Männchen mit 2 Spicula. Ausser den zahlreichen
Ascariden, welche man eingekapselt oder freibeweglich und goschlechtsreif
in Fischen und anderen Wirbeithicren findet, gehören hierher die 2 ver-
breitetsten Parasiten des Monschen, der Spulwurm oder Ascaris lumbriemihs
und der Spring- oder Madenwurm, die Oxyuris rermieuhtris.
Die auch bei Schweinen vorkommende Ascaris lumbrieoides L. (Fig.
234) bewohnt den Dünndarm . öfters in enormen Mengen (Wurmknoten) ;
ihren Namen hat sie der Aehnlichkeit mit dem Regenwurm zu verdanken,
von dem sie sich jedoch durch den Mangel der Gliederung sofort unterscheidet.
Auch ist der Spulwurm grösser und schlanker, das WTeibchen 20 — 25,
selten sogar 40 cm, das Männchen nur 15 — 17, .selten 25 cm lang. Die
Thiere sind von enormer Fruchtbarkeit, indem das Weibchen ca. 64 Millionen
Eier enthält. Die Eier sind leicht an ihrer Gestalt zu erkennen (Fig. 220a);
a/ a2 a 3 a4
Fig. 234. Ascaris lumbrieoides
(aus Ilatschek). a-1 dorsale, a* ven-
trale Ansicht de« Kopfendes , «*
Kopfende von oben betrachtet , a*
Hinterende des Mftnnrheiw.
sie werden mit den Fäcalien aus dem Dann entleert, entwickeln sich aber
ohne Zwischenwirth, wenn sie nach einiger Zeit in den menschlichen Darm
zurückgelangen. Die gleiche Entwicklungsweise gilt für Oxyuris vertu icularis
L. Das weissliche Thier lebt im Rectum besonders bei Kindern und erzeugt
beim Auswandern aus dem After heftiges Jucken ; das 1 cm lange Weibchen
verlängert sich rückwärts in einen pfriemenförmigen Schwanz, der den
Namen veranlasst hat. Das Männchen ist etwa halb so gross. Bekannte Thier-
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256
Würmer.
-b
parasiten sind ferner die A. Hir;/alwj>hah Clocjuet , (h i/uris rtjul Schrank
des Pferdes, A. mysUar Zed. des Hundes und der Katze.
3. Familie. Strongylhlcn sind im männlichen Geschlecht leicht an
der mit 2 Spicula ausgerüsteten Bursa zu erkennen, einer aus 2 Hügel-
artigen Fortsätzen bestehenden Verbreiterung des hinteren Korperendes;
häutig, jedoch nicht constant, ist die Erweiterung des Aufangsdarms zu
einer von Papillen umstellten Mundkapsol.
Strongylus gigus Rud., 1 Meter lang, lebt im Nierenbecken des Wolfes,
Hundes etc., äusserst selten des Menchen. - — Sir. filaria Rud. in der Lunge
von Schaf, Ziege, Gemse und anderer Wiederkäuer, 5 — 10 cm lang. — Synga-
wus titirliealis Sieb., 1 — 2 cm, in der Trachea der Hühner und anderer Vögel,
Männchen und Weibchen stets in Copula. — Sdtrostonia tqumum Müll.,
2 — 5 cm, in Aorta und Darm des Pferdes. — Dwhmitis (Ankylostoma) »hio-
denalis Dub. (Fig. 235), im weiblichen Geschlecht etwas grösser, im männ-
lichen Geschlecht etwas kleiner
als 1 cm, lebt im Dünndarm des
Menschen und erzeugt durch sein
Saugen starke Blutverluste und
daran sohliessende Bleichsucht
i Chlorosis aegyptiaca). Er besitzt
eine geräumige Mundkapsel, deren
Rand mit Zähnen zum Festhalten
an der Darnischleimhaut, deren
(inind mit Stilets zum Ver-
vvundeu bewaffnet ist. Die Ext
entwickeln sich in Schlamm und
feuchter Erde zu kleinen rhab-
ditisartigen Larven, welche sich
wiederholt häuten, von der letzten
Larvenhülle wie von einer (Vste
geschützt, das Eintrocknen vertragen, und in den Darm des Menscheu zurück-
gekehrt direct zum geschlechtsreifen Thier werden. Die Krankheit tritt beson-
ders auf bei Leuten, die gezwungen sind, schlammiges Trinkwasser zugeniessen
^Fellahs von Aegypten), oder die viel mit feuchter Erde zu thun haben
(Ziegel- und Erdarbeiter). Nachdem sie schon lange aus Aegypten und
den Tropen bekannt war, trat sie bei den Arbeitern des Gotthardtunnels
endemisch auf und hat sich seitdem auch in Deutschland verbreitet.
4. Familie. Trtrhofrncltefiden. Die Trichotraclwliden verdanken ihren
Namen „Haarhälse" dem Umstände, dass ihr vorderes Körperende, d. h.
der Kürperabschnitt, welcher den Oesophagus enthält, sehr stark haarartig
verlängert ist. Der Oesophagus ist ferner zu einem dünnen Faden ausge-
zogen , welcher inmitten einer Reihe grosser Zellen verläuft , die an ihm
wie Perlen an einer Perlenkette aufgereiht sind. Am längsten bekannt ist
aus der Familie der
P e i t s c h e n w u r m , lYirhfxrjihultis ilisjtnr Kud. dos Menschen (Fig. 236 1.
Das Weibchen 3 — 5 cm gross, das Männchen nur wenig kleiner. Hinterer
Körperabschnitt sehr viel dicker als das peitschonschnurartig verlängerte
Vorderende. Letzteres wird korkzieherartig in die Darmschleimhaut ein-
gebohrt oder zwischen die Schleimhautfalten eingelagert, hauptsächlich im
Bereich des Blinddarms. Da der Wurm seinen Aufenthaltsort nicht ändert,
macht er keinerlei Beschwerden : seine Anwesenheit wird aber leicht an
den ovalen Eiern erkannt , welche mit den Fäcalien entleert werden
I Fig. 220'/); sie besitzen eine bräunliche doppelte Schale, die innere ist
an den beiden Enden etwas verdickt und hat daher eine citronenförmige
ffFig. -35. Vorderes Ende von Ihtthmiu*
(hituh nalin. m Mundkap>cl , w- Oesophagus,
(i innere, A äußere dor-nlc Zähne, r ventrale
Zähne des Mundrands, tl Stilet am Grund
der Mundkapx l, < ventrales Lüngsriff.
0O£
IV. Nemathelminthen : Nematoden.
257
•Gestalt. Die Infection wird direct durch Import entwicklungsfähiger Eier
herbeigeführt. Im Blinddarm von Wiederkäuern : Trichoccphalus afßnis Rud.
Fig. m.
Fig. 238.
Fig. 236. Trichoccphalus disjiar. Männchen,
mit dem vorderen Ende in die Darmschleini-
hant eingelassen (aus Leuekart).
Fig. ->K.
Fig. 237. Männchen von Trichina npiralis
(aus Hatschek). cl Cloake. / Hoden.
Fig. 238. Muskeltrichine (aus Boas nach
Iycuckart).
Die zweite Trichotrachelide, die Trichina sjnralls Owen (Fig. 237, 238)
ist viel kleiner als der Trictiorephaius, zugleich aber viel gefährlicher. Man
unterscheidet zwei Zustände, die eingekapselte Muskcltriehine und die ge-
schlechtsreife Darmtrichine. Erstere wurde schon im Jahre 1835 von dem
Studenten der Medizin Paget auf dem Präparirsaal in einer Leiche ent-
deckt und von Owen als Protoxoe beschrieben. Die Darmtrichine wurde
sehr viel später durch Leuekart und Virchow aufgefunden, ihr Ent-
wicklungsgang durch diese beiden Forscher und Zenker festgestellt; das
Verdienst, ihre grosse Bedeutung für die Krankheitslehre aufgeklärt zu
haben, gebührt dem letztgenannten Forscher und Virchow.
Die Mtuskdtrichine findet sich in den Muskeln von Schwein, Ratte,
Maus, Mensch, Kaninchen, Meerschweinchen, seltener von Fuchs, Katze,
u. a. (nie bei Vögeln) eingeschlossen in einer ovalen , citronenförmigen
Kapsel, welche 0,4 — 0,6 mm lang ist und daher eben noch von einem ge-
übten Beobachter mit bloßem Auge erkannt werden kann; etwas leichter
zu scheu sind die Kapseln, wenn sie verkreiden und, mit kohlensaurem
Kalk imprägnirt, eine weissliche Farbe annehmen. Zum sicheren Nach-
weis bedarf es des Mikroskopes, wenn auch nur schwacher Ver-
größerungen. In der Kapsel liegt der ca. 1 mm lange Wurm in spiralen
Windungen aufgerollt, zunächst noch nicht geschlechtsreif, wenn auch mit
der Anlage der Geschlechtsorgane versehen. Zur Erlangung der Ge-
ll «rtwis , Uhrbuch der Zoologie. 3. Autlayc.
17
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2ä8
Würmer.
scblechtsreife muss die Trichine in den Dann eines neuen Wirths trans-
portirt werden ; wenn z. B. ein Mensch trichinöse» Schweinefleisch verzehrt,
so werden die Trichinen durch die Einwirkung des das Schweinefleisch
und die Kapsel lösenden Magensaftes befreit; sie gelangen in den Dünn-
darm und werden innerhalb einiger Tage geschlechtsreif: das Weibchen
(3 — 4 mm lang, das Männchen 1,5 mm) gebiert im Laufe eines Monats über
1500 lebendige Junge. Während die Muttertrichinen absterben, bohren
sich die jungen Thiere in die Darmwand ein und wandern, die Lücken
des Bindegewebes, vielleicht auch die Blutbahnen benutzend, in die Muskeln
ein; daher die Erscheinung, dass bei der Trichinose die von lockerem
Bindegewebe umhüllten Muskeln besonders stark inficirt werden und zum
Nachweis der Trichine sich am besten eignen (Halsmuskeln, Glutaeen,
Zwerchfell). Am Orte der Bestimmung angelangt, bohren sich die Thiere
in deu Sarkolemm schlauch selbst ein, bedingen einen Zerfall
der Muskelsubstanz und nähren sich vom Detritus, bis sie eine gewisse
Grösse erreicht haben und sich einkapseln. Die Wanderungen der jungen
Trichinen fallen in die zweite und dritte Woche nach der Infection , die
Encystirung in den Verlauf des dritten Monats. Die Krankheitssymptome
gehen zunächst von dem stark gereizten Darm aus, später tritt die Ent-
zündung der Muskeln in den Vordergrund. — Aus vorstehender Beschreibung
haben zwei Punkte in der Neuzeit eine abweichende Darstellung erfahren.
1) Die Muttertrichinen sollen in die Darm wand eindringen und hier ihre
Embryonen in die Lymphspalten absetzen : 2) die jungen Muskeltrichinen
sollen nicht die Sarkolemmschläuche anbohren, sondern sich im Bindege-
webe des Muskels encystiren.
5. Familie. Die Filaridm sind XniHtt<nhn von sehr langgestreckter
fadenartiger Gestalt: ihr bekanntester Vertreter ist der Drantiiculius Mräi-
nensiii L., ein fast 1 m langer Wurm, welcher die Dicke einer starken
Bassseite besitzt und eine schon den Griechen als Dracontiasis bekannte
Krankheit verursacht. In der Haut bilden sich Beulen, welche aufplatzen
und zu Geschwüren werden , auf deren Grund aufgerollt der Wurm liegt.
Die Embryonen desselben — man kennt nur Weibchen — werden durch
Platzen des Mutterthiers frei, müssen ins Wasser gelangen und dringen
hier in kleine Critstnctrn der Gattung Cyrlops ein. Der Mensch erkrankt
wahrscheinlich , indem er mit dem Trinkwasser die Parasiten träger ver-
schluckt. Der Medinawurm ist am längsten aus dem Orient bekannt:
findet sich weit verbreitet in den Tropen (Asien, Afrika, in der Neuzeit
auch nach Amerika verschleppt).
Eine zweite tropische Filaride ist die in Lymphdrüsen wohnende
8 — 15 cm lange FHaria suuyninis hominis Lewis (Filan'a Bankrofii Cobbold),
so genannt, weil sie ihre Brut in die Blutgefässe des Menschen absetzt, so
dass das Blut dann von ca. 140,000 0,3 mm grosser Würmer wimmelt.
Diese wandern öfters durch die Nieren aus, heftige Beschwerden (Milch-
und Blutbarnj veranlassend. Nach beendeter Auswanderung hören die
Beschwerden auf, wiederholen sich aber, wenn ein neuer Satz Eier zur
Reife gelangt ist und auswanderungsfähige Embryonen erzeugt hat. Man
vermuthet, dass Moskitos den Zwischenwirth bilden. — W7eitere Filariden
des Menschen sind: F. lentis Dies, aus der Linse, F. loa Gujot aus der
Conjunctiva , F. labialis Pane aus der Mundschleimhaut, etc. Von Thier-
parasiten seien genannt Filaria cquina Gmd. im Peritoneum des Pferdes,
F. haetaoirfuif/ira Raill. (ähnlich dem rhacuneulus) in der Haut des Pferdes,
/•". intmitis Leidy im Herz des Hundes, setzt Embryonen ins Blut ab.
6. und 7. Familie, (iordiden und Menaithidcn sind langgestreckte
Würmer, die in ihrer Gestalt an die Fitariden erinnern, sich aber durch
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IV. Nemathelminthen: Acanthocephalen.
259
ihren Bau und ihre Lebensweise wesentlich von ihnen sowie von allen
übrigen Nematoden unterscheiden. Sie schmarotzen in der Leibeshöhle der
Insecten und verlassen dieselbe bei feuchtem Wetter, um im Wasser ihre
Eier abzusetzen. Ihr zeitweiliges massenhaftes Auftreten nach schweren
Regengüssen hat zur Sage des Wurmregens Veranlassung gegeben. Oordius
aquaticm Duj., Mcnnis nigre.sce.ns Duj.
//#
V,
Ha
I
II. Ordnung, Aoanthooephalen, Kratzer.
Die Arten der Acanthocephalen, lange Zeit der einzigen Gattung
Echinorhynchus eingeordnet (Fig. 239), leben im Darm von Wirbel-
thieren: so z. B. häufig E. (Gigantorhynchus) gigas Goeze im Darm
des Schweins, E. proteus Westr. in Fischen, äusserst selten E. hominis
Lambl im Darm des Menschen. Sie gleichen den
Ascariden in der Erscheinung, unterscheiden sich
aber leicht von ihnen durch die Anwesenheit des
Rüssels, eines Zapfens, welcher durch Retraetoren
zurückgezogen und durch eine muskulöse Scheide
ausgestülpt werden kann. Der Rüssel bohrt sicli in
die Darmwand ein und ist zum Festhalten mit Wieder-
haken besetzt, die in Quer- und Längsreihen stehen.
In der inneren Anatomie sind wichtige Unterschiede
zu den Nematoden der gänzliche Mangel des Darms,
der eigenartige Bau der Geschlechtsorgane und ein
im Hautmuskelschlauch liegendes geschlossenes Ge-
fässnetz, welches sich auch auf zwei neben der Rüssel-
scheide gelegene Anschwellungen, die Lemniscen,
ausdehnt; zwischen den Lemniscen und mitten auf
der Rüsselscheide liegt das unpaare Ganglion. Zu
ihrer Entwicklung bedürfen die Echinorhynchen eines
Zwischenwirths; man findet ihre Larven in Arthro-
poden, die des E. proteus in Crustaceen (Wasser-
asseln , Flohkrebsen), die des E. gigas in Insekten
(Maikäfern).
Ueber die Bildung des Geschlechtsapparats sei Fol-
gendes bemerkt: Die Thiere sind getrennt geschlechtlich.
Die Männchen (Fig. 239) besitzen paarige Hoden und paa-
rige Samenleiter, die in einen unpaaren Abschnitt des Go-
schlechtsapparats münden ; letzterer kann als ein glocken-
förmig gestalteter Penis bei der Begattung ausgestülpt
werden. Beim Weibchen lösen sich die Ovarien früh-
zeitig in zahlreiche Gruppen von Eizellen auf. welche
frei in der Leibeshöhle herumflottiren. Die reifen Eier
werden auf höchst merkwürdige Weise nach aussen be- rhyncku* \ngusta-
fordert : es existirt ein musculöser Uterus, der mittelst tus. Männchen (am
einer verengten Stelle mit der nach aussen mündenden Hatwhekl. r Rüssel
Scheide zusammenhängt; der Uterus nimmt ohne Wahl "!j«0j|(!j||^n'
reife befruchtete und unreife Eier mittelst einer weiten Muskeln y Gang-
Mündung am oberen Ende (Uterusglocko) auf. Nur die ihm, lig Ligament,
langgestreckten , mit einer glatten Schale versehenen ' Hoden , rd Vas
befruchteten Eier vermögen die verengte Stelle zu d<;ferens, </;• prö^n,
, j. o , .j i i "c Sainenblase , /*
passiren und so in die Scheide und nach aussen zu p,,,,^ \, Beut(>i ,i,;s
gelangen; die unreifen, rauhen und rundlichen Eier Penis! / Lemniscen.
17*
V
\
de
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260
Würmer.
müssen in die Leibeshöhle zurückwandern, und zwar durch zwei untere
Oeffnungen. Neben dem Geschlechtsapparat münden Excretionsorgane
vom Bau der Wassergefässe der I'lathciirmer (Protonephridien).
V. C lasse.
Anneliden, Ringel wttrmer.
Im Stamm der Würmer nehmen die Anneliden oder Ringelwürmer
die höchste Stufe ein: sie führen die bei den Chaetognathen ange-
bahnte Organisation zu höherer Vollendung. Die dort nur durch die
Dreitheilung der Leibeshöhle ausgedrückte Gliederung des Körpers
gewinnt bei ihnen Einfluss auf die äussere Erscheinung — Ringe-
lung oder äussere Gliederung des Körpers — und auf die An-
ordnung der wichtigsten Organsysteme — metamere Anordnung der
Excretionsorgane. des Nervensystems, des Blutgefässsystems: innere
Gliederung. Dazu kommt die ausserordentliche Vermehrung
der Zahl der Segmente, welche weit über Hundert betragen kann.
Wir können somit die Anneliden detiniren als Würmer mit Leihes-
höhle und mit äusserer und innerer Gliederung. Voll
und ganz passt diese Definition jedoch nur auf einen Theil der hier
zu besprechenden Formen, auf die Chaetopoden und die denselben
nahestehenden ArchianneUden oder Uranneliden. Bei anderen Formen
fehlt eines der beiden wichtigen Merkmale, bei den Gephyreen fehlt die
Gliederung, bei den Hirudineen meistens die Leibeshöhle. Wenn wir
trotzdem beide Unterclassen zu den Anneliden rechnen, so geschieht
es, weil wichtige anatomische und entwicklungsgeschichtliche Merkmale
es mindestens in hohem Grad wahrscheinlich machen, da*s Hirudineen
und Gephyreen von typischen Anneliden abstammen und die fehlenden
Merkmale — die Hirudineen die Leibeshöhle, die Gephyreen die Gliede-
rung — früher besessen und nur durch Rückbildung verloren haben.
I. Unterciasse.
Chaetopoden, Borstenwürmer.
Als Leibeshöhlenwürmer theilen die Chaetopoden mit den Nema-
toden die rundliche, auf dem Querschnitt annähernd einen Kreis er-
Fig. 240. Seitliche Ansicht des
Kegcnwurnis und vorderes Ende
desselben stärker vergrößert und
von unten betrachtet. 1 Erstes .Seg-
ment mit Mund und Kopflnppen.
15 fünfzehntes Segment mit männ-
licher Gcsehlcchtsöffnung, 33—37
Clitellum (nach Vogt und Yung).
V. Anneliden: Chaetopoden.
261
gebende Körpcrgestalt : sie unterscheiden sich von ihnen sofort durch
ihre Gliederung. Tiefe, ringförmige Kerben inarkiren äusserlicli
die Grenzen der Segmente (Fig. 240); innerlich zerfällt die Leibes-
höhle durch die Dissepimen tc, zarte schleierartige Membranen,
die vom Hautmuskelschlauch an den Darm treten, in ebensoviel
Kammern, als Metameren vorhanden sind (Fig. 241 d). Auch der Darm
kann zur äusseren Unterscheidung dienen ; derselbe ist zwar je nach
der Ernährungsweise bei den einzelnen Thieren sehr verschieden,
stimmt aber stets darin überein, dass der After am hinteren Ende
genau terminal liegt, während die Mundöffnung ventral verschoben
und von einem ansehnlichen Kopflappen überdacht ist.
Für. 241.
Fig. 242.
m > ! i
Fig. 241. Vorderes Ende von Xai* rlinyuis. h Hirn
(oberes Sehlundganglion), durch die Schlundcommissur mit
dein Bauchmark (n Strickleiternervcnsystem) verbunden, dy
contractiler dorsaler, ry ventraler BlutgetäWtainm. /// Mus-
keUehieht der Haut . db dorsale , rb ventrale Borsten , d
Dissepbnente , Kopflappen, o Mundöffnung.
Fig. 242. Pontodrilus Marion ix. vorderes Körjterende
vom Kücken geöffnet inaeh Perrier). />// Pharynx mit
Küekziehmuskeln lh, oe Oesophagus; <je Hirnganglinn, st
Pharynxganglion . co Sehlunuring, b Bauchmark; dg, ly,
ry dorsale, laterale, ventrale Gefässstänune. a Anastomosen
derselben, c Herzen ; ds Dissepbnente , rd Vas defcreiis
mit Flimn»ertriehtern ipt) , o Ovarien, j> Keeeptacula se-
minis, s Segmentalurgane.
St
pk
t9
d.j
oe
Unter dem EinHuss der Gliederung stehen nun weiter fast sämmt-
liche übrigen Organsysteme, das Nervensystem , die Blutgefässe und
die Excretionsorgane. Das Nervensystem ist ein typisches Striek-
leiternervensystem : es beginnt mit den im Kopflappen liegenden
oberen Schlundganglien: dann lenken die Schlundcommissuren auf die
Bauchseite über, um das Bauchmark zu bilden, welches fast aus ebenso
vielen durch Längscommissuren verbundenen Ganglienpaaren besteht,
als Segmente vorhanden sind. Diese gleichförmige Anordnung des
Nervensystems ist von besonderem Interesse, indem in ihr am deut-
lichsten ein Grundzug der Annelidengliederung zu Tage tritt, durch
den sich die Rinifelwiirmcr wesentlich von den ebenfalls gegliederten
Wirbelthieren und den meisten Arthropoden unterscheiden. Die Seg-
mentirung ist eine homonome, indem es noch nicht zu einer
verschiedenartigen Entwicklung, einer Arbeitsteilung, der Metameren
gekommen ist. 1 Im Kopflappen liegen stets Tastapparate und meistens
Nerven -
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262
Würmer.
BluUelJSt-
*)»'*«'•
auch Augen, die jedoch nur bei einigen marinen Formen eine höhere
Ausbildung (Linse, Glaskörper, Retina) erfahren; Gehörbläschen sind
selten, weit verbreitet dagegen, wenn auch nicht in allen Abteilungen
beobachtet: Wimpergrübchen am Kopf (Geruchsorgane ?), becher-
förmige Organe am Rumpf (Geschmacksorgane) und endlich Seiten-
organe, Sinnesapparate, die durch ihre genau segmentale Anordnung
ausgezeichnet sind.
Von Blutgefässen sind constant nur zwei Hauptstämme vor-
handen, die häutig, wie z. B. bei den Regenwürmern (Fig. 242), von
Haemoglobin roth gefärbtes Blut führen ; der eine Stamm, der dorsale,
liegt auf dem Darm, der andere, der ventrale, in einiger Entfernung
unter demselben , beide hängen durch linke und rechte Anastomosen
zusammen, die sich segmentweise regelmässig wiederholen. Das Blut
strömt im dorsalen Stamm von hinten nach vorn, im ventralen in um-
gekehrter Richtung: es wird durch contractu« Abschnitte der Blut-
bahn getrieben, und zwar pulsirt gewöhnlich der dorsale Gefässstamm,
seltener wie bei den Regenwürmern einige besonders kräftige Anasto-
mosen im vorderen Rumpf, die „Herzen" (Fig. 242 c). Ausnahms-
weise fehlen Blutgefässe und circulirt das Blut in der Leibeshöhle
( CnpileUiden).
Die Excretionsorgane (Fig. 24.' V) oder Nephridien der Ch/ieto-
poden haben von ihrer Anordnung den Namen „Segmentalorgane" er-
halten, da sie paarweise in jedem Segment auftreten: jedes Orgau
gehört streng genommen, zwei Segmenten an: es beginnt in einem
vorderen mit dem Wimpertrichter, durchbohrt das Dissepiment und
mündet nach complicirten Windungen in dem folgenden nach aussen
(Fig. <><j). Die in ganzer Ausdehnung flimmernden Canäle dienen meist
auch zum Ausleiten der Gesch 1 eeh t spr od u cte, welche bei allen
Chaetopoden im Epithel der Leibeshöhle gebildet werden. Selten sind,
wie bei unserem Hegenwurm, neben den Segmentalorganen in den
Genitalsegmenten besondere Oviduetc und Samenleiter vorhanden,
welche dann aber ebenfalls nach dem Schema der Schleifencanäle ge-
baut sind (Fig. 249).
Fig. 243. Bchemnti*her
Querschnitt durch einen
Kingelwurin <nach Lang).
k Kioinc . ir ventrale, (lc
ilnrxnle ("irre, f/p, rp dor-
sales , ventralen Para-
nodiuin. ac, h Borsten, Im
Jünpinuskoln , rm Riii«-
inuskcln , im transversaTf
Muskeln. //» fSejnnental-
eanal, tr Wimpertrichter.
or Ovar, rd , er dorsales
und ventrales IMuteeftU*.
hm Hauchmnrk. rml l>ara>.
Die Entwicklung ist bei den marinen Anneliden eine Meta-
' morphose, bei welcher pelagische Larven auftreten, die sich trotz
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V. Anneliden: Chaetopodeii.
263
der Mannichfaltigkeit ihres Aussehens auf die Loven'sche Larve, die
schon früher besprochene „Trochophora" Ivergl. S. 2.Y». Fig. 1*04)
zurückführen lassen. Die Unterschiede beruhen vornehmlich auf Medi-
kationen des Wimperapparats. entweder auf einer Vermehrung der
ringförmigen Wimperschnüre (polytroche Larven) oder auf einer Ver-
lagerung derselben in die Mitte oder an die Enden des Körpers (meso-
troche und telotroche Larven). Die Larve wird zu einem gegliederten
Wurm (Fig. 244), indem das hintere Ende bedeutend in die Länge
wächst und sich gliedert. In dem gegliederten Abschnitt entsteht
die Leibeshöhle als eine Neubildung, von Anfang an durch Scheide-
wände in zahlreiche Kammern abgetheilt Auch die Segmentalorgane
(Xephridien) bilden sich neu, unabhängig von dem Wassergefäss>vstem
(Protonephridien) der Larve, welches vielfach auch Kopfniere heisst,
da der Haupttheil der Larve den Kopflappen des Wurms liefert
Die Süsswasseranneliden entwickeln sich zwar direct, besitzen alter
als Embryonen noch Hinweist' auf ein früheres Larvenleben, indem
der Kopflappen sehr ansehnlich ist und auch vorübergehend eine Kopf-
niere enthält. Man kann daraus schliessen, dass die Thierc früher
ebenfalls eine Metamorphose besessen haben. Aus der Aehnlichkeit
der Trochophora mit Iiotatorien schliesst man ferner, dass die Anne-
liden von Rotatorien-artigen Urformen abstammten, indem das hintere
Ende unter Neubildung der Leibeshöhle zum gegliederten Wurme
auswuchs.
-Vi1)* Neben der geschlechtlichen Fortpflanzung besteht bei manchen
Süsswasser- und Meeresformen noch die Fähigkeit zur u n g e -
schlech tli che n Vermehrung, welche durch die grosse Homo-
nomie der Körpergliederung ermög-
licht wird. Das hintere Körperende
\ gerfith in lebhaftes Wachsthum und
erzeugt zahlreiche Glieder, welche
B.
/
Knoipunr
Und Irene
ratloni-
Fig. '244. A Larve des Polyijnnlius. Fig. 2-15. Kii .-j»uiig von Myrin-
B beginnende Umwandlung in den ge- nidc (nach Milne-Edwarda au-* Hut -
gliederten Wurm (aus KorscJielt»Heiaer Bchek). IMe Aufeinanderfolge der
nach Hat*ehek). sp ScheiN-lplaite, /// Buchstaben bezeichnet das Alter der
Mund, a After. NM* gegliederte* Meso- Thiere.
derm, kn Kopfniere.
sich gruppenweise als junge Thiere von dem Mutterthier abschnüren
(Fig. 24f>). Bei lebhafter Knospung können die Neuhildungsprocesse
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2C4
Würmer.
rascher verlaufen, als es zur Ablösung kommt, wodurch dann vor-
übergehend Stöcke hinter einander gereihter Individuen entstehen.
Während der Zeit der ungeschlechtlichen Fortpflanzung fehlen ge-
wöhnlich die Geschlechtsorgane. Da nun ferner sich das Aussehen der
Thiere häufig mit Deginn der Gesehlechtsthätigkeit erheblich ändert,
kann die Fortpflanzung den Charakter des Generationswechsels
annehmen. So alternirt die geschlechtliche Sacconereis helgolandica
mit dem ungeschlechtlichen Autolytus prolifer. — Die Homonomie des
Annelidenkörpers macht weiterhin die grosse Regenerationsfähigkeit,
bei Verstümmelungen verständlich: wenn man gewisse Lumbriciden
durchschneidet, bleiben beide Theile am Leben und ergänzen die ver-
loren gegangenen Abschnitte, weil die anatomisch sehr gleichartigen
Segmente vorübergehend für einander eintreten können.
Wir haben bisher ein wichtiges Merkmal der Gruppe, welches so-
gar den Namen veranlasst hat noch nicht berücksichtigt, die Borsten
oder Chaetae. Dieselben entwickeln sich in besonderen Follikeln
einzeln oder zu mehreren vereint und bilden Büschel, von denen es
in jedem Körpersegment gewöhnlich vier giebt : zwei liegen links und
rechts dorsal, zwei weitere ebenso ventral. Jeder Follikel ist ein von
Epithel ausgekleidetes und auf der Haut mündendes Säckchen, an
dessen Grund jede Borste von einer besonderen Zelle gebildet wird
(Fig. 24(1). Die entwickelten Borsten ragen aus dem Follikel hervor
Fijr. '2Wk (Querschnitt durch Körper-
waud und Borsteufollikel eines Oligorhar-
tat (aus Hatechck mich Vejdov.*kil. r
Epithel, mit Cuticida, rm Kiii£inu*keb).
Im IJingsmuskcln, bl Borstenfollikel, nun
«lrsseii Muskeln. />* Ersatzfollikel mit
Ersatzborste , an deren Basis noch die
Bildung/eile zu sehen ist.
und können durch besondere Muskeln, welche sich an den Grund
des Follikels befestigen, hervorgestossen, zurückgezogen und um-
gelegt weiden; sie sind kleine, zur Fortbewegung dienende Hebel.
Ihre Zahl und Befestigungsweise ist verschieden und giebt Veran-
lassung zur Unterscheidung von Pofychaeten und Oligochaeten.
I. Ordnung. Polychaeten.
Die Polychaeten haben ihren Namen zwar von der grossen Zahl
und der mannichtachen Gestalt der zu einem Büschel vereinten Borsten
erhalten ; wichtiger ist jedoch der Umstand, dass jedes Borstenbündel
von einem Höcker der Körperoberflächc, einem Parapodium (Fig.
24;.}, 24* B), getragen wird. Die Parapodien sind Fussstummeln und
somit die ersten Anfänge echter Extremitäten ; immerhin sind sie noch
von den Extremitäten, der Arthropoden wesentlich unterschieden, in-
dem sie weder vom Körper abgegliedert noch auch selbst wieder
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V. Anneliden: Chaeiopoden. Polychaeten. 2< if>
gegliedert sind. Sie können daher gewöhnlich keine selbständigen
Bewegungen ausführen, sondern nur die Bewegungen des (iesammt-
körpers unterstützen.
Auch sonst ist die Haut der l'olycliacten höher entwickelt als die
der ülifjochneten, indem sie namentlich auf der Rückenseite mannich-
fach geformte Anhänge trägt, welche man nach ihrer Gestalt, Function
und Lage als Girren, Palpen. Elytren, Kiemen etc. unterscheidet. Die
Cirren sind lange von den Parapodien entspringende Fäden, welche
wie die auf das Kopfseginent beschränkten Palpen zum Tasten dienen
(Fig. 248): die Elytren sind dünne Lamellen, welche sich dachziegel-
artig decken und ein schützendes Kleid über dem Kücken erzeugen
(Fig. 247).
Fast alle Polychaeten sind getrennt geschlecht-
lich und besitzen eine mehr oder minder ausge-
sprochene Metamorphose ; sie sind ausschliess-
lich Meeresbewohner, nach ihrer Lebensweise
werden sie in festsitzende und freibeweg-
liche Formen eingetheilt. Krstere loben von
pflanzlicher Kost , bauen sich Röhren aus
einer organischen, lederartigen Substanz, die
dazu noch mit Fremdkörpern incrustirt oder
mit Kalk imprägnirt sein kann, und ragen aus
der Röhrenmündung mit den vordersten Seg-
menten hervor; letztere scheiden zwar auch
öfters Gallerthüllen aus, in die sie sich zurück-
ziehen können, verlieren aber ihre Bewegung»- Fig. 247. Köpfend«' von
fähigkeit nicht und verlassen zeitweilig ihre PalynoV tpinifera (nach
Schlupfwinkel, um geschickt herumzuschwim- Fh'<»). Rücken ganz mit
j i »• i n- i e j mi_- hlvtn u Im <l*rkt , darunter
men und als gelahrhche Rauber auf andere Thiere Hdlauen ( .jrmi uml Pun|.
Jagd zu machen. Beide Gruppen unterscheiden podien hervor.
sich in Folge ihrer Lebensweise auch im Bau.
Bei den freischwimmenden sind Kopf und Rumpfsegmente wenig ver-
schieden, der Anfaugsdarm kann als Rüssel hervorgestossen werden und
zeigt dann eine der räuberischen Lebensweiso entsprechende Bewaffnung
mit kräftigen Kiefern 'Fig. 248 A). Bei den festsitzenden Formen fehlt
die SehlundbewarTnung. dagegen ist ein grosser Unterschied zwischen den
Fig. -2 ls. ,1 Kopf von
Sereis n r*ii>€ilatu mit BUS-
gestülptem Sehlundkopf
inaeh F.hk-rs). k Kiefer,
/ Tentakeln , p Pal[>cn . /
Kopflap|M*n mit 4 Augen.
r Kopfeirren. / ParajMMlien.
Ii ein Parapodienpaar ver-
grös^ert.
vorderen und hinteren Körperse<;n)euten vorhanden: an letzteren sind die
Körperanhänge meist sehwach entwickelt, so dass der Körper Aehnlichkeit
mit dem Körper eines Oh't/ochnili n erhalt: dafür ist gewöhnlich der Kopf
nnd der Anfangstheil des Rumpfes (Thorax mit reichlichen, zum Athmen
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•JGO
Würmer.
und zum Herbcistrudeln der Nahrung dienenden Anhängen, den Kiemen
und Tentakeln (Fig. i>9, S. 87). ausgerüstet; die unter gewöhnlichen Ver-
hältnissen wie ein Fedorbusch ausgebreitete Tentakelkroue wird blitzschnell
bei Beunruhigung in die Röhre zurückgezogen. — Die Unterschiede
werden systematisch benutzt zur Bildung der beiden Gruppen Knautien
und Tuhitokn.
I. Unterordnung. Frraidim sind räuberische Formen mit starker
Kielerbewartnung des Schlundes. Die grossen Kindridm, welche in manchen
Arten eine Länge von ca. 1 m erreichen, können selbst Fische an-
greifen. Ilaila Purtheiinprn 0. Costa (fast einen Meter lang). Die Ahiopiden
sind pelagische Räuber, durchsichtig wie alle pelagischen Thiere, mit
grossen , hochorganisirten Augen , Akiopr Co/ilraini Clap. Die lohjnoidrn
sind Bewohner des Meeresgrundes, gedrungene Thiere mit einer Rücken-
decke von Elytren : die bekannteste Form ist die Seemaus, die Aphrodite
ncttkfita L.. ausgezeichnet durch seidenglänzende und metallisch schillernde
Borsten : Pohjnw sphtifera Ehl. (Fig. 247).
II. Unterordnung. Die Tubholen oder Sednttarieu könuon ihren Platz
nicht beliebig verändern , da sie in einer i'ostgewachsenen Röhre stecken.
Die Röhre ist rein membranös bei den SaMlitlm iSpirographis Sjudhunani
Viv.), bei den Tcrcftcllidcn mit Sand incrustirt (TercMln eonchikya Fall.), bei
den Strpitliden verkalkt und mit einem Deckel verschliessbar {Scrpula nor-
ivcrjica Gnnn., Spirorhis xpirälum L. Röhre schneckenhausförmig). Aus der
Röhre kann der Wurm zwar herauswandern, er thut es aber nur. um un-
günstigen Lebensbedingungen zu entgehen, meist kurz vor dem Absterben ;
gewöhnlich kommt vom Thier nur das vordere Endo mit der Tentakel-
krone zum Vorschein (Fig. 59). Von den typischen Tubicolen weichen
wesentlich die im Sand bohrenden, von den Fischern als Köder benutzten
Arenirolidfn ab. Airnfcola ttmrina L.
An die Pohj< hatten reihen sich die Arch'umncliden au, welche noch
keine Borstt-n und Parapodien besitzen und auch sonst in Bau und Ent-
wicklungsweise sich am meisten als ursprüngliche Formen zu erkennen
geben : Poli/yonliits lartnis Sehn.
If. Ordnung. Oligochaeten.
Den das Meer bewohnenden I'ofych'ietcn stehen die Oligochaeten
gegenüber als Thiere, welche meist im süssen Wasser, vorwiegend im
Schlamm (Limicoten), oder in feuchter Erde (Terricoten) leben; sie sind
niedriger organisirt als ihre marinen Verwandten, wahrscheinlich in
Folge von Rückbildung, welche durch ihre vereinfachten Lebensbe-
dingungen veranlasst wurde. Die Augen sind rudimentär oder fehlen;
ebenso fehlen die Palpen, ('irren, Tentakeln, Kiemen, vor Allem die
Parapodien. so das> die vier Borstenbüschel jedes Segments direct aus
dem Hautmuskelschlaiich hervortreten. Die Geschlechtsorgane sind
her m a p h r o d i t , Hoden und Ovarien liegen in verschiedenen Seg-
menten. In der Nähe der Mündungen der Geschlechtsorgane ist die
Haut einige Segmente weit durch Einlagerung von Drüsenzellen ver-
dickt (S. 2<iO, Fig. 240); diese Verdickung, «las Clitellum genannt,
dient bei der Begattung, welche trotz der hermaphroditen Be-
schaffenheit der Geschlechtsorgane nothwendig ist. Die Clitellen
scheiden Bänder aus, welche die Körper der copulirten Thiere gegen
einander pressen. Bauch gegen Bauch, so dass nun das Sperma des
einen Wurms in den anderen überströmen kann: hier wird es in be-
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V. Anneliden : Chaetopoden. Gephyreen.
L><37
sondere Behälter, die Receptacula seminis, aufgenommen. Die Eier
werden zu mehreren in einen Coeon eingeschlossen.
L Unterordnung. Limieolm. Im Schlamm unserer Bäche und Tümpel
findet man die Tuhificiden (Saenuris riruhmim Lam.), die in Folge der Farbe
ihres Bluts roth erscheinen und bei massenhaftem Auftreten den Boden
roth färben; es sind scheue Thiere, welche beunruhigt sich tief in ihre
im Schlamm gebauten Röhren zurückziehen. An Wasserpflanzen leben die
durchsichtigen Xoideen, die man fast das ganze Jahr in ungeschlechtlicher
Fortpflanzung antrifft: Xnis jirohosrimn Müll., X. rlimjuis Müll.
II. Unterordnung. Tbrrtcolen. Zu den erdbewohnenden Formen gehören
die Regenwürmer, die einheimischen Arten Ltnulirinis aijrirnln Hotfm.. L. com-
munis Hoffni. etc. von mittlerer Grösse, die tropischen Formen mehrere
Fuss lang, von der Gestalt mittlerer Schlangen. Mcyascolides australis Spencer
Meter lang. In der Lebensweise stimmen die meisten Arten überein : in-
dem sie sich durch die Erde hindurch fressen und die gefressene Erde als
Fäcalien auf die Oberfläche tragen, lockern sie den Boden mit ihren Gängen
und tragen die gute Erde aus der Tiefe zur Oberfläche; sie sind daher
dem Pflanzenwuchs nicht nur nicht schädlich, sondern befördern denselben
und tragen zur Urbarmachung des Bodens bei. Die Geschlechtsdrüsen
unseres Regenwurms sind wegen ihrer Kleinheit schwierig zu finden. Die
Eier (Fig. 249 o) entwickeln sich im vorderen Abschnitt des 13. Segments
und werden durch Flimmertrichter (to) ausgeleitet, welche in kurze, das da-
hinter liegende Dissepiment durchbohrende und im 14. Segment mündende
(.'anäle führen. Zum weiblichen Apparat gehören ausserdem noch die
zwei Paar Receptacula seminis (st1 u. st*), welche im 9. und 10. Segment
liegen. Von Hoden findet man zwei Paare, ein Paar im 10., ein zweites
im 11. Segment fhl h2): jedem Hoden gegenüberliegt ein Flimmertrichter,
der Anfang eines durch das Dissepiment hindurch nach rückwärts ver-
laufenden Vas deferens (ixlj. Die Vasa deferentia einer Seite vereinigen
sich zu einem im 1">. Segment mündenden Hauptcanal. Die zwei Hoden
Fig. 249. Ge-
scblechtBorgane von
/, u m hr int* mir irn/n
iam Lang nach
V«<ct uiid Yunjrt.
I>i< Suinenldäselien
der rechten Seite
find abgeschnitten.
Ith Kauchmark. hr
n.bl ventrale u. late-
rale Borgten reihen,
*tl *f* Soincntasehcn
K< ptaculii «i mi-
ni«), sbl sb* sb* die
»Samenhläsehen der
linken Seite, welehe
auf 8 im paaren Sa-
menkapseln [s/m)
sitzen. In letzteren
« ingesehloroen A' h*
die vorderen und
hinteren Hud«*n und
ll f* die vorderen
und hintercnSamen- I f
trichter, die in das dt CW
Vas deferena pd leiten; o Ovarien, to Fix
di Jtt'nw der Disäcpimente. VI II— XV 8
hm
brru dz>» t&
di
iinnertiirhter, die in die Ovidurte »r leiten.
15. Segment.
2(18
Würmer.
und Flimmertrichter eines jeden Segments sind eingeschlossen und voll-
kommen verborgen in einer gemeinsamen Umhüllung, der Samenkapsel
(ubii', in welche frühzeitig die männlichen Geschlechtszellen hineingelangeL,
um hier ihre Reife durchzumachen. Um hierfür genügend Platz zu ge-
winnen, bildet jede Samenkapsel links und rechts Ausstülpungen oder
Vesiculae seminales (.«bl — *•//'), welche vom ganzen Geschlechtsapparat
am meisten in die Augen fallen. Zwei Paare Vesiculae seminales gehören
der Samenkapsel des 10. Stgments an. 1 Paar der Samenkapsel des 11.
Segments.
IL Untcrclasse.
Gephyreen.
Die ausschließlich im Meere vorkommenden Gephyreen unter-
scheiden sich von den Chaetopoden auf den ersten Blick durch den
gänzlichen Mangel d e r G 1 i e d e r u n g. ihr Körper ist ein plumper,
ovaler oder walzenförmiger Sack, dessen Rundung durch eine ge-
räumige Leibeshöhle veranlasst, dessen vorderes Ende durch die Lage
der Mundötfnung bezeichnet wird. Um die Mundöffnung herum steht
entweder ein Kranz von Tentakeln < Sipunculiden) (Fig. 250), welche
durch besondere Retractoren (r) tief in den Schlund zurückgezogen
werden können, oder der Mund ist dorsal von einem spateiförmigen
Kopflappen überdacht, der 5— 10 Mal so lang wie das Thier und am
Ende in 2 Zipfel gegabelt sein kann (Fig. 251 A).
Wie im Acussern, so fehlen auch im Innern Zeichen der Gliede-
rung: vor Allem fehlen die Disscpimcnte. Die Segmentalorgane sind
an Zahl reducirt; im Maximum sind 3 Paare vorhanden; häufig findet
sich sogar nur ein einziges unpaares Organ; sie haben gewöhnlich
die Aufgabe, die im Epithel der Leibeshöhle entstandenen Gesehleehts-
produete mit ihren Flimmertrichtern aufzunehmen und auszuleiten.
Zur Excretion dienen dagegen 2 Schläuche, die in den Enddarm mün-
den und reich mit verästelten Canälen bedeckt sind, welche bei den
Chaetiferi durch Flimmertrichter mit der Leibeshöhle communiciren
(Fig. 251 </). Diese Schläuche haben einige Aehnlichkeit mit den Wasser-
1-ungen der Holothurien und haben dadurch die irrige Ansicht einer
näheren Verwandtschaft mit den Echinodermen veranlasst, worauf der
Name Brückenthiere, überleitende Thiere (;«•'</ i g«, die Brücke), zurück-
zuführen ist.
Von allen Organen erinnern am meisten das Blutgefässsytem
und das Nervensystem an die Anneliden. Ersteres besteht aus
einem ventralen und" dorsalen Längsstamm, letzteres aus Hirnganglien
und Bauchmark; freilich besitzt das Bauchmark keine Gliederung
in Ganglien und ist ein continuirlicher Nervenstrang geworden
(Fig. 250*1).
Für die Entscheidung der systematischen Stellung der Gephyreen
ist die Entwicklun g s g e s c h i c h t e von grosser Bedeutung gewesen.
Bei einem Theil {Chaetiferi) findet sich die Troehophoralarve: aus ihr
entsteht der Wurm wie bei den Chaetopoden durch Auswachsen des
hinteren Endes, welches anfänglich auch eine gegliederte Leibeshöhle
und ein gegliedertes Bauclunark hat, später aber die Gliederung ver-
liert (Fig. 251 B).
I. Ordnung. (>ip)njr>-i iluutifni. Würmer mit spateiförmigem, nicht
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V. Anneliden: Gephyreen. Hirudineen.
2G9
Fig. 250.
Fig. 250. Phasrohsnma Punta arenar (nach Kefcrstein). 7" Tentakelkranz, y obere«
Schlundganglicnpaar, n Banchmark, r die 4 durchschnittenen Retraetoren, * Scgmental-
organe, a After.
Fig. 251 A. Boneil ia viridis, a Weibchen (an» Huxley). Koptlappen, t Dann,
m einzigem Segmentalorgan, welehcs als Eileiter funetionirt . m Muskeln, welche sich
an den Dann in.*eriren, r C'loake, y Exeretionsorgane. ß Männchen stark vergrößert
mach Sjiengel). d rudimentärer Darm, rd Segment alorgan mit Flimmertrichter. welches
als Va* def eren.» funetionirt; c die in der Leil>e>diöhle reifenden Samenballen.
selten am Ende gabelförmig getheiltem
Kopflappen , mit Besten von Anneliden-
Borsten ; Entwicklung mittelst der Trocho-
phora. Aus der Gruppe hat Bondlia viridis
Rol. besonderes Interesse durch ihren G e -
schlechtsdimorphismus erregt. Lange
Zeit kannte man nur das grüngefärbte
Weibchen, einen 5 — 8 cm langen Sack mit
einem 20 — 30 cm langen, am Ende gegabel-
ten Kopflappen; erst in der Neuzeit wurde
das etwa 1 mm lange Männchen entdeckt,
welches eine ganz andere Gestalt und
Farbe besitzt, im Anfangsdann des Weibchens
schmarotzt und nur zur Begattung in den
Oviduct überwandert (Fig. 251 A ß). Fshi-
nrtis pallasii Guerin.
II. Ordnung. Gejihyrei inermes (Fig. 250).
Die Thiere unterscheiden sich nicht nur
durch den Mangel der Borsten von den
Chaelifcri, sondern auch durch die ein- und
ausstülpbare Tentakelkrone und die rücken-
ständige Lage der weit nach vorn verlager-
u
Fig. 251 B. Larve von Krhiurus
mit Andeutung von Gliederung
(nach Hätschele aus Korschelt-
Heider). a After, ab Analblaten,
d Darm, kn Kopfniere, m Mund,
nies Mesodennst reifen, n Hauch-
mark . st- Schlundeommisaur, *p
Scheitelplatte.
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270
Würmer.
ten Afterörftmug ; ferner fehlt während des Larvenlebens jede An-
deutung von Gliederung. Die in den Enddarni mündende Niere
ist ein Protonephridium mit blindgeschlossenen Enden und mit Flimmer-
läppchen. Daher ist es zweifelhaft, ob für die G. inermcs die für die
G. chaeti/hi geltende nähere Verwandtschaft mit den Chaetopodcn eben-
falls Berechtigung besitzt. In der Neuzeit überwiegt die Neigung, die
„Inamcs" von den Anneliden zu trennen und wegen des rückenständigen
Afters unter dem Namen Prosopygier mit den TJryoxorn und Brachiopoden
zu vereinigen. Sipunmlus nudtts L., Priapnlua eandatun Lam., beide im
Meeresschi am m bohrend.
III. Unterclas.se.
Hirudineen. Egelwüroier.
i«uh' ''er äusseren Betrachtung der Hirudineen verdienen zur Unter-
scheidung von den Chaetopoden drei Merkmale besondere Beachtung.
Erstens ist die Haut vollkommen frei von Borsten, dagegen bewaffnet
mit zwei Saugnäpfen, von denen der eine das hintere Ende des
Körpers einnimmt und nur zum Festhalten und zur Fortbewegung
dient, der andere am vonleren Ende liegt, von der Mundöffnung
durchbohrt ist und daher auch zum Ansaugen der Nahrung verwandt
wird. Bei der Fortbewegung befestigen die Blutegel abwechselnd den
vorderen und hinteren Saugnapf und kriechen in dieser Weise ziem-
lich rasch nach Art der Spannerraupen; ausserdem vermögen sie ge-
wandt mittelst schlängelnder Bewegungen des ganzen Körpers zu
schwimmen.
Ein zweites Merkmal der äusseren Erscheinung ist die ausser-
ordentlich feine R i n g e 1 u n g des Körpers. Eine genaue Untersuchung
derselben hat zu dem Resultat geführt, dass bei manchen Arten 3mal,
bei anderen 5-, selbst 12mal so viel Ringel als Segmente vorhanden
sind, weil jeder ursprüngliche Segmentring durch secundäre Ein-
kerbungen in eine Gruppe von Ringeln zerlegt ist In jeder solchen
Gruppe von Ringeln ist öfters der vorderste ausgezeichnet, in-
dem er besonders stark entwickelte „becherförmige" Sinnesorgane
trägt — Wie bei den Regenwürmern können bei den Blutegeln ge-
wisse Ringel durch reichliche Drüsenbildung zum .,Clitellum" an-
schwellen, welches hier dazu dient, die Eier mit einem Cocon zu
umgeben.
i'»"» Ein dritter äusserlich wahrnehmbarer Unterschied der Hiru-
dineen von den Anneliden ist die ausgesprochene dorso- ventrale
Abplattung der K ö r p e r g e s t a 1 1 , welche vollkommen an die
bei Plathelminthen herrschenden Verhältnisse erinnert ; auch hier hängt
dieselbe mit dem Mangel der Leibeshöhle zusammen. Die meisten
Blutegel haben ganz wie die Planarien und Leberegel ein aus Längs-.
Quer- und dorsovcntralen Muskeln durchsetztes Körperparcnchym, in
welches die Organe unmittelbar eingebettet sind (Fig. 252).
Für den Darm (Fig. 254) der Blutegel gilt allgemein, dass er mit
einer linken und rechten Reihe von Blindsäcken ausgerüstet ist, welche
— beim medicinischen Blutegel 10 an der Zahl — während des
Saugens sich mit Blut füllen. Zwischen den zwei letzten und grössten
Blindsäcken liegt der Enddarm, der über dem hinteren Saugnapf nach
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V. Anneliden: Hirudineen. 271
aussen mundet. Im Bau der Mundhöhle ergeben sich wichtige Unter-
schiede zwischen Rüssel- und Kieferegeln. Bei den Rüsselegeln erhebt
sich vom Grund der Mundhöhle ein fein zugespitzter, conischer Zapfen,
der aus dem Mund hervor gestossen werden kann und dann zum Ver-
wunden und Saugen benutzt wird. Bei den Kieferegeln dagegen, z. B.
dem medicinischen Blutegel, liegen in der Mundhöhle drei Kiefer
(Fig. 253); dieselben sind halbkreisförmige Chitinplatten, deren ge-
krümmter freier Rand mit zahlreichen, spitzen Zähnen besetzt ist,
während an die Basis zweierlei Muskeln herantreten: die einen ziehen
die Kiefern in die Ruhelage, in die Kiefertaschen, zurück, die andern
ziehen sie heraus und schlagen, indem sie den Rand wie eine Kreissäge
bewegen, die Wunde /um Saugen, welche aus drei von einem Mittel-
punkt divergirenden feinen Einschnitten besteht. Die Blutung aus
der Wunde ist schwer zu stillen, da einzellige Drüsen, welche an den
Lippen und zwischen den Kieferzähnen münden, durch ihr Sccret das
Gerinnen des Blutes verhindern. Das Blutgcfässsystem enthält
meist rothes Blut und besteht aus vier mit einem complicirtcn Capillar-
systera verbundenen Längscanälen : zwei contractilen Seiten gefässen,
einem dorsalen und einem ventralen das Bauchmark umschliessenden
Gefassstamm.
Flg. 2S2. Fi*. 253,
Fig. 252. Querschnitt durch Hirttdö nudiemalü (aus Lang\ dm, l>n. rm dorso-
ventrale, longitudinalc. ringförmige Munkeln, rl. rd, rr laterales, dorsalen , ventrales
Blutgefäss, in letzterem das Bauclunark Inn, h Hoden. ni Vas deferens, mit Mittel-
darm, np Sohleifeneanal, '■///< HarnMaac.
Fig. 253. Hiruflo medirinalia (nach I^enekart aus Claus), n vorderes Ende mil
ventral geschlitzter Mundhöhle, um die Kiefer (A') zu zeigen, b ein einzelner Kieler
mit seinen Muskeln »tiirker vcrgriWert.
Am Nervensystem unterscheidet man die beiden Hirnganglien und
meist 23 Paar Bauchganglicn , von denen das erste und letzte aus . «"l-hiSiu.
mehreren Paaren verschmolzen ist. Das Hirn liefert die Nerven für die
am Kopf gelegenen Augen, welche aus der Moditication von „becher-
förmigen Sinnesorganen" entstanden sind. Links und rechts vom
Bauchmark liegen die zwitterigen Geschlechtsorgane: bei unserem
Blutegel 9 Paar Hoden (Fig. 2öö A). deren Ausführwege auf jeder
Seite sich zu einem Vas deferens (vd) vereinen. Die Vasa deferentia
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272
Würmer.
verlaufen nach dem vonleren Ende des Thieres, bilden durch Ver-
knäuelung die sogenannten Nebenhoden (nh) und münden schliesslich
in den un paaren, birnförmigen. ausstülpbaren Penis ( p). Im Zwischen-
raum zwischen den Nebenhoden und dem ersten Hodenpaar trifft man
den weiblichen Geschlechtsapparat: ein Paar Ovarien iov) und eine
unpaare Vagina (u). — Lateralwärts von den Geschlechtsorganen liegen
die Nephridien (sc), bei //. medicinalis jederseits 17 complicirt ge-
wundene Canäle, deren Secret sich in einer nach aussen mündenden
Harnblase (hb) sammelt.
Fig. _':»4.
Fig. 2.V».
Dass man die Ilirndinecn
zu den Anneliden und somit zu
den Leiltcshöhlrntriinnern stellt
und nicht ihrem Habitus
nach für gegliederte Sooltciden
(Plathelminthes) erklärt, gründet
sich auf den Nachweis, dass ihre
Leibeshöhle rückgebildet ist,
indem sie durch Parenchym-
wucherung eingeengt und zu
Längscanälen, die mit dem Blut-
gefässsystem in Verbindung
traten , umgewandelt wurde.
Jedenfalls sind Bauch- und
Darm von llinidn Seitengefasse als Reste des Cö-
o Oe- loms zu deuten. Blutegel der
Gattung Clepsine haben noch das
dorsale und ventrale Blutgefäss
der ( 'htuniojwlcn und auserdem
4 longitudinale Cölomsinus, die
durch quere Anastomosen in
Der dorsale
Fig. 254.
weiht inn/is (au8 Irsing)
.Miphagns, dl, d1 BliwWieke . h
Enddarm mit Atter.
Fig. 2."». Nervensystem, Blut-
gefässe. GeHchltrhtMirgane und
Schlrifencanäle des Blutet/efx.
von der Bauchseite gesehen.
// Bauchmark im hinteren Theil Verbindung stehen,
nicht sichtbar, weil es hier im Cölomsinus umschliesst das dor-
BnuyWfäss liegt, sc Schleifen- 8ale Blutgefäss, der ventrale die
canale. hb dazu gehonge Harn- . Eingeweide, darunter
blaue, p Penis, nh >>ei>enh<>den, """o ««.»•«.,
or Ovar, // I terns und Seheide, auch — ähnlich dem ventralen
/'/ Va.H deferens , h Hoden, lg, Blutstamm der übrigen Hirudi-
ra latentes und ventrales Blut- neen _ das Bauchmark. Der
gefa» mit A crastchmgen. ^ ^ ^
höhle ausserdem dadurch charakterisirt, dass in ihm die Nephridien mit
Flimmertrichtern beginnen. Flimmertrichter, allerdings in mehr oder
minder rudimentärer Form, sind auch bei anderen Himdinern aufgefunden
worden; sie münden hier in ampullenartige Erweiterungen der Blut-
gefässe ein.
I. Ordnung. GnathoMelkcn Kieferegel. Der bekannteste Repräsentant,
der Hirudo medicinalis L., findet sich noch in Ungarn, ist dagegen bei
uns in Deutschland so gut wie ganz ausgerottet und wird nur noch in
manchen Gegenden in besonderen Teichen gezüchtet. 'Mit ihm wird leicht
der Pferdeegel Hnemopis vorax M. Td. und das Aulostomum giäo M.
Td. verwechselt, deren Kiefer zu schwach sind, um die menschliche
Haut durchzubeissen ; sie sind daher beim Saugen auf Schleimhäute ange-
wiesen. Im Süsswasser ist ferner sehr verbreitet die kieferlose Nephelis
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VI. Enteropneusten.
273
vulgaris M. Td. In den Tropen sind der Schrecken der Reisenden die
Landblutegel der Gattung Hannodipsa (H. japohica Whyt.j.
II. Ordnung. RhijtwhobdrUeen, Rüsselegel. Bei uns sind einheimisch
die sich von Schnecken ernährenden Clepsinen (Cl. complatiata Sav.), die
auf Fischen schmarotzende Pixcirola geometrica L. In Amerika findet man
■die Uaemcntarien , deren Rüssel ebenso wirksam ist wie die Kiefer des
medicinischen Blutegols und die menschliche Haut durchbohren kann.
Haementaria offmtiniin de Fil.
VI. C lasse.
Enteropneusten.
Die wenigen hierher gehörigen Meerthiere (am bekanntesten Ba-
Innoglossus (Ptychoderä) minutus Kow. und B. (Ft.) claviger Chiaje)
wurden früher in der Gattung Balanoglossus vereinigt, jetzt aber auf
mehrere Genera (Ptychodera, Schi-
zocardium, Glandiceps, Balanoglossus)
vertheilt. Die Thiere haben noch voll-
kommen den Habitus von Würmern
und bohren auch wie viele derselben
im Sehlamm. Ihr Körper besteht aus
drei Abschnitten, aus Rüssel. Kragen
und Rumpf ( Fig. 25U). Der R ü s s e 1,
welcher im Kragen eingelassen ist
wie die Eichel in der Cupula, um-
schliesst einen Hohlraum, der auf
der Rückenseite nach aussen mündet
und ebenso wie die beiden gleichfalls
dorsal, aber getrennt mündenden
Kragenhöhlen mit Meerwasser gefüllt
werden kann. Vermöge ihrer Schwell-
barkeit dienen Rüssel und Kragen zum
Kriechen im Sand und sind somit
Loeomotionsorgane ähnlicher Art, wie
das später zu besprechende ambu-
lacrale Gefässsystem der Echinoder-
men. Die Aehnlichkeit würde noch
mehr in die Augen springen . wenn
es sich bestätigen sollte, dass Rüssel-
höhle, Kragenhöhle und Cülom des
Balanoglossus, wie die Vasoperitoneal-
blasen der Echinodennen als Diver-
tikel des Darms entstehen.
Der Name „Enteropneusten"' „Darm-
athmer" ist durch eine zweite Eigen-
thümlichkeit des ßalanoglossus verursacht. Die ventral vor dem
Kragen gelegene Mundöffnung führt in einen Darm, dessen vorderer
Abschnitt in seiner dorsalen Wand von einer linken und rechten
Reihe von Kiemen spalten durchbrochen wird, während der
darauf folgende Mittcldarm mit Leberblindschläuchen bedeckt ist. Der
Hertwtf . Lchrtmch der Zoologie. 3. Auflag«. , \tf
dl).
Fijf. 25U. litilaHotjlussus Koirairtcski
(aus K«>rschclt-Hriil<'r nach Ajra.->?<iz).
e Kitrhrl. kr Kraben, k Ki<*iuenrefri«»n,
g Gegend der GeschkfhLsoiyane, db,
rh dorsales und ventrales Imitat fäss.
*
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274
Würmer.
Fi);. 2."»7. Tornaria-
Larve des Iialaiioylosm*
(aus Balfour naeh Met-
schnikoff». /// Mund,
an After, tr Anlage der
RiWIhÖhlc.
dung an die
Darm ist in eine Leibeshöhle eingeschlossen un<l
wird von einem dorsalen und ventralen Blut-
gefäss begleitet, zu welchem als Theile der Blut-
bahn noch laterale Canäle und reichliche Ver-
ästelungen kommen. Sehr eigenthümlich ist das
zum Theil noch im Ectoderm lagernde Nerven-
system : ein ventraler und ein den Kragen durch-
bohrender dorsaler Längsstrang, beide in der
Gegend des Kragens unter einander verbunden.
Die Geschlechtsorgane endlich sind zahlreiche
Follikel , welche zwischen Leber - und Kiemen-
region, zum Theil noch in diese hineinreichend,
liegen und direct nach aussen münden.
Die Larve des Balanoglossus, die Tornaria
(Fig. 257) gleicht den Echinodermenlarven so sehr,
dass sie früher hierfür gehalten wurde. Die Aehn-
lichkeit wird besonders durch die Anordnung der
Flimmerschnur und des Darms bedingt Ferner
erinnert die Rüsselhöhle mit ihrer dorsalen Mün-
Ambulacralblase und den Steincanal der
Anhang zu den Würmern.
VII. Classe.
Tunicaten, Mnntelthicrc.
Vom Bau und von der Erscheinungsweise der Würmer entfernen
sich die ausschliesslich im Meere lebenden Tunicaten in ganz erheb-
licher Weise; dafür besitzen sie im ausgebildeten Zustand eine äussere
Aehnlichkeit mit den siphoniaten Muscheln und während ihrer Ent-
wicklung eine Uebereinstimmung im Bau wichtiger Organe mit den
Wirbelthieren. Ersteres war Veranlassung, dass man lange Zeit die
Thiere als Molluscoiden den echten Mollusken anschloss, ein Verfahren,
welches nach unserm jetzigen Wissen vom Bau und von der Entwick-
lung beider Abtheilungen gar nicht mehr vertheidigt werden kann.
Die ontogenetische Uebereinstimmung dagegen hat dazu geführt,
Wirbelthiere und Tunicaten als Chordonier zu vereinigen. Wenn man
nun auch zugeben muss, dass viele Merkmale eine Verwandtschaft mit
den Wirbelthieren beweisen, so sind doch die vorhandenen Unter-
schiede so ausserordentliche, dass kein besonnener Systematiker sich
so leicht dazu entschliessen wird, die Tunicaten unter die Wirbelthiere
aufzunehmen, weil ein solcher Schritt die Charakteristik des so ein-
heitlichen Wirbelthierstammes unmöglich machen würde.
Ihren Namen haben die Tunicaten der Tunica zu verdanken,
einer Hülle, welche wie eine Cuticula durch Ausscheidung vom Haut-
epithel gebildet wird; von gewöhnlichen Cuticulae unterscheidet sie
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VII. Tunicaten.
275
sich jedoch durch ihre feinere Structur, welche mit der Struktur der
Bindesubstanzen übereinstimmt, indem Zellen aus dem Mesoderm in die
Grundsubstanz einwandern. Die Grundsubstanz ist bald faserig, bald
homogen und hat noch die weitere interessante Eigentümlichkeit, dass sie
bei der Elementaranalyse die gleiche Zusammensetzung aus C, O und H
ergiebt, wie die Celluiose (C6H100&) und auch mit diesem specifisch
pflanzlichen Stoff im microchemischen Verhalten übereinstimmt (Blau-
färbung bei Behandlung mit Jodjodkalium und Schwefelsäure, Violett-
färbung bei Chlorzinkjodzusatz). Aus keiner Thierabtheilung kennt
man so reichliche Cellulosebildung.
Ein weiteres Merkmal der Tunicaten ist die Umwandlung des
Vorderdarms in eine Kieme, indem seine Wandung von Spalten
durchbrochen wird, welche entweder direct nach aussen oder häufiger
in einen Vorraum, den Perithoracalraum leiten. Während das
Athemwasser durch die Kiemenspalten ahfliesst, werden die gleich-
zeitig mit ihm aufgenommenen Nahrungsbestandtheile von einem ring-
förmigen Flimmerband erfasst und dem Oesophagus zugeleitet, um-
hüllt von Schleim, welcher vom Endostyl ausgeschieden wird, einer
flimmernden, für alle Tunicaten charakteristischen ventralen Rinne
des Kiemendarms.
Zwischen dem hinteren Ende des Endostyls und dem Magen liegt
auf der ventralen Seite der Herzschlauch, eingeschlossen in
einen Herzbeutel; er besitzt die sonst nirgends wieder vorkommende
Eigentümlichkeit, dass die Richtung der Contra ctionen
innerhalb kurzer Zeit wechselt; nachdem das Herz einige
Zeit alles Blut in der Richtung zum Endostyl getrieben hat, ruht es
auf kurze Zeit aus und beginnt dann seine Thätigkeit in entgegen-
gesetzter Richtung, indem es das Blut von dem Endostyl weg nach
dem Magen pumpt.
Wenn wir zu der vorstehenden Schilderung noch hinzufügen, dass
ein dorsal gelegenes Ganglion und ein hermaphroditer Geschlechts-
apparat vorhanden ist, so sind die allgemein giltigen Merkmale der
Classe erschöpft: im Ucbrigen unterscheiden sich die Endglieder der
Reihe wesentlich von einander, werden aber durch Mittelformen einander
so sehr genähert, dass an einer nahen Verwandtschaft nicht gezweifelt
werden kann. An dem einen Ende der Reihe stehen die Appendtcu-
larien, an dem anderen die Salpen mit den ihnen nahe verwandten
Doliolen; vermittelnde Formen sind Ascidien und Pyrosomen.
I. Ordnung. Appendioularien.
Die ein oder wenige Cm. grossen Appendicularien leben ineist an
der Oberfläche des Meeres, mit dem vorderen Ende in ein gallertiges
Gehäuse eingelassen, welches sie ohne Schädigung verlassen können;
wie Kaulquappen schwimmen sie geschickt mittelst eines Ruderschwänz-
chens, das vom hinteren Ende des Rumpfes entspringt. Im Rumpf
(Fig. liegt der hufeisenförmige Darm, der nur zwei grosse Kiemen-
spalten besitzt, welche ebenso wie der After im Gegensatz zu allen
übrigen Tunicaten direct nach aussen münden. Unter dem Darm
treffen wir das Herz, oberhalb die Hermaphroditen Geschlechtsorgane
und das Nervensystem. Letzteres besteht aus einem Hirnganglion.
welchem ein höchst einfach gebautes Gehörorgan anliegt, und einem
18*
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270
Würmer.
Strang- gangliöser Knötchen, {der sich in den Schwanzabschnitt hinein
erstreckt. Die feste Axe des Schwanzes bildet die Chorda dorsalis,
ein von einer Zellenscheide umschlossener (iallertstrang, der den
Muskeln zur Insertion dient und eine kurze Strecke weit in den Rumpf
eindringt. Dieses Eindringen sowie der Umstand, dass die Reihe der
Schwanzganglien wie das Rückenmark der Wirbelthiere dorsal von der
Chorda lagert, muss jetzt schon besonders betont werden. Oikopteura
eophocerca Ggbr.
A B
Fig. '_'.">S. Oikopleura copfweerea Ggbr. mach Fol). A das ganze Thier niii*
seinem Gehäuse herausgenommen vom Kücken gesehen. B der Rumpf mit der Basis
de* Schwanzes in seitlicher Ansieht besonder» tiargestellt und stärker venrrössert,
ausserdem im Vergleich zu A um !M> Grad gedreht), m Mund, o (or) Ovar, h Hoden,«/'
Kiemendarm. //" nutritorischer Darm mit I^-herhlindsack, cn Endogtyl, f Flüimicrbögen,
Kiemenspalte, n After, e Chorda, </ obere« Schlundganglion mit anliegendem Hor-
hläschen und Yerbindungsnervcn zu y' erstem Ganglion des Schwanzes. Die Pfeile
lM'zeichnen die Richtung der Wassereirculation, durch die Mundöffnung hinein, zum
Theil durch die Kiemenspalten, zum Theil durch den After heraus.
II. Ordnung. Thethyodeon, Ascidineformes.
Mit Ausnahme der im Wasser frei flottirenden Pyrosomen sind
alle Ascidien an Felsen, Pfählen, Hafenbauten oder am Grund des
Meeres festgewachsen. Das mit der sitzenden Lebensweise zusammen-
hängende erhöhte Schutzbedürfniss hat zu einer enormen Entwicklung
der Cellulosehülle geführt, welche, alle inneren Organe verdeckend,
den Ascidien ein plumpes und unförmliches Aussehen verleiht. Zwei
meist auf erhabenen Stellen angebrachte Öffnungen, die Egestions-
und I n ge s t i o n s öf f n u n g, führen in das Innere des Körpers hinein
und spritzen Wasserstrahlen aus. wenn man die Thiere aus dem Wasser
herausnimmt (Fig. 2bi) A).
Nach Entfernung des Cellulosemantels findet man einen voll-
kommen an die Würmer erinnernden Hautmuskelschlauch von longi-
tudinalen und circulär zu den beiden Oeffnungen angeordneten Muskel-
fasern. Eingeschlossen in dem Muskelschlauch liegen die Eingeweide,
unter denen der Anfangs- oder Kiemendarm den ansehnlichsten Theil
ausmacht Der Kiemendarm, in den man durch die von kleinen
Tentakeln umstellte Mundöffnung oder die Ingestionsöffnung
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VII. Tunicaten: Tethyodeen.
277
hineingelangt, ist ein weiter Sack, der einen ansehnlichen Hohlraum,
die innere Kiemenhöhle, umschliesst und selbst wieder in einem ihn
allseitig umhüllenden Raum, dem Peribranchial- oder Perithoracal-
raum (äussere Kiemenhöhle), längs einer die Bauchseite bezeichnenden
Linie aufgehängt ist (in der Figur A auf der linken Seite). Die Wand
des Kiemendarms ist netzförmig durchbrochen von .feinen flimmern-
den Kiemenspalten, die in Längs- und Querreihen gestellt sind (Fig.
25!» (7): durch sie fliesst das durch den Mund aufgenommene Athem-
wasser in den Perithoracalraum und von diesem durch die Egestions-
öffnung nach aussen ab ; letztere ist somit nicht mit der Afteröflnung
identisch.
mm
Fig. 259. Ast'itlia (Cione> inte-
stinalis. A von der linken Seite ge-
sehen , linke Seite des Olllllose-
mantels und des Hnutmuskel-
schlauehs entfernt. B von der
rechten S ite gesehen ; ( Vllulose-
niantel ganz entfernt . Kietnendnnn
von cler Ingcsttonsoffnung n,ls geöff-
net, / lng< -st ionsöff nung, t Tentakel-
kran/,. >■ Egestionsöffnung . // Mün-
dung der..Hypophvsis-\ y Ganglion,
et Cloake (Penthoraealrauin). <nl 0\i-
duet (die sehwar/.e Linie danel>cn das
Vasdefercns), a After, ff Enddarin, tu Hautmuskelschlaueh, k Kieinensaek. * Seheidewand
zwischen Cloake und Lcilieshöhle , w Oesophagus, st Magen , Im verästelte Hoden-
schläuche am Magen und Dann, 09 Ovar, Itc Herz mit Pericard , > n Endost yl oben
an dem Flinnnerl>ogen endend, r Cellulosemantel am unteren Ende mit 1 1 aftfäden.
C Ein Stück des kiemennetzes von Cinne intestinalis starker vergrüssert . um die
Kiemenspalten zu zeigen.
Während das Athemwasser durch die Kiemenspalten direct in den
Perithoracalraum gelangt, schlagen die Nahrungsbestandtheile den
weiteren Weg durch den hinteren oder nutritorischen Darm-
abschnitt ein. Durch Vermittlung der den Eingang zur Athem-
höhle umgreifenden Flimmerbögen und umhüllt vom Schleim des
Endostyls (wegen der ventralen Lage auch Hypobranchialrinne genannt)
kommen sie in den am Grund des Kiemensacks beginnenden Oeso-
phagus, von da in den Magen, welcher meist mit einer Leber versehen
ist, und endlich durch ein gewundenes Dannrohr durch den After in
den Perithoracalraum; da in letzteren auch die (ieschlechtsproducte
entleert werden, so heisst der unter der EgestionsötTnung gelegene
Theil desselben auch Cloake. Wie die Kieme im Perithoracalraum,
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278 Würmer.
so kann der übrige Darm in einer besonderen Leibeshöhle eingeschlossen
sein, welche dann durch eine zarte Scheidewand von dem Perithoracal-
rauni getrennt wird (Fig. 2;V.) A, s).
In der Leibeshöhle, welche bei Ascidien mit gedrungener Körper-
gestalt fehlt, finden sich ferner noch die Geschlechtsorgane und
das Herz, letzteres als ein S-förmiger Schlauch zwischen Magen und
Endostyl ausgespannt Dem Endostyl gegenüber in der dorsalen Wand
des Kiemendarms liegt das Ganglion zwischen Ingestions- und
Egestionsöttnung; unter, selten über ihm liegt eine verästelte Drüse,
welche in den an die Ingestionsöffnung grenzenden Darmabschnitt
mündet und, weil sie dadurch an einen rasch vorübergehenden Ent-
wicklungszustand der Hypophysis der WirbeUhiere erinnert, mit zweifel-
haftem Recht Hypophysis genannt wird.
Aus den Eiern der Ascidien gehen kleine, lebhaft bewegliche
Larven hervor (Fig. 260), welche wie Appendicularien aussehen und
dem entsprechend aus Rumpf und Ruderschwanz bestehen ; sie haben
ferner e i n e ü b e r r a s c h e n d e A e h n 1 i c h k e i t m i t E m b r y o n a l -
und Larvenstadien niederer WirbeUhiere , vor Allem des
Amphioxus. Dorsal von dem auf den Rumpf beschränkten Darm
liegt das röhrige Nervensystem, an dem man drei Abschnitte unter-
scheiden kann: zuvorderst das bläschenförmige Hirn, in dessen Wan-
dungen ein primitives Auge und eine Art Gehörorgan eingebettet sind,
weiterhin eine verjüngte Partie (verlängertes Mark), schliesslich ein in
den Schwanz eintretendes Rückenmarksrohr. In der Axe des Schwanzes
liegt ein festes Stützorgan, die Chorda dorsalis, welche sich eine
kurze Strecke weit in den Rumpf zwischen Darm und Nervenrohr
einschiebt.
i
Fig- 'JM>. Ascidictn-ntwicklung (nach Kupffer und Kowalewski). 1 oben ausge-
schlüpft«"- Larve, 1 Querschnitt «Kirch th-n Schwanz einer etwas jüngeren Larve, 3 ein
erheblich früheres Kntwieklungsstadium: Bildung der Chorda und de* Nervensystem*,
4 vorderes Ende einer Larve kurz vor dem Festsetzen. (1 Phallusia mentuln, 2 — l
Phallusia mominillntn). e Chorda, rl Cellulo*emantel. >i Neurairohr, // Anschwellung
desselben: Hirn mit Auge (auf und Gehörorgan fo) . »r Canali* neurentericus, 1
Dann (>/' nutritorischer . </" respiratorischer Theil), i Mnndeinstülpung (Ingestion/-
Öffnung), e Cloakcnbhlschcn (Egcstionsöffnung), m Muskeln des Schwanzes, p Haft-
Itapillen, ek, Ectodorm, <» Entodexm.
VII. Tunicaten: Tethyodeen.
279
Die besprochenen Wirbelthiercharaktere der Ascidienlarve (An-
wesenheit der Chorda dorsalis und ihre Einfügung zwischen Darm
und Nervensystem, die röhrige Beschaffenheit des letzteren, seine Zu-
sammensetzung aus Hirn und Rückenmark, seine rein dorsale Lage)
gewinnen noch weiter an Bedeutung durch den Nachweis, dass die
Chorda dorsalis und das Nervensystem der Ascidicn sich embryonal
in einer Weise anlegen, wie es nur bei den Wirbelthieren beobachtet
wird, die Chorda durch Abschnürung vom Entoderm aus der dorsalen
Wand des Urdarms, das Nervensystem dagegen aus dem Ectoderm
durch Einfaltung. In beiden Gruppen communicirt vorübergehend das
hintere Ende des Rückenmarksrohrs durch den Canalis neuren-
tericus mit dem Darm. Auf Grund dieser entwicklungsgeschicht-
lichen Befunde kann man mit Recht den Satz aufstellen, dass unter
allen Wirbellosen die Ascidien den Verlebraten am nächsten
stehen. Man kann diesen Satz noch weiter damit stützen, dass auch
die ausgebildete Ascidie durch die Anwesenheit des Kiemendarms,
die ventrale Lage des Herzens, wahrscheinlich auch durch die An-
wesenheit des der Thyreoidea vergleichbaren Endostyls den Wirbel-
thieren trotz abweichender Körpergestalt ähnlich ist
Bei der Metamorphose der beweglichen Larve in die festsitzende
Ascidie spielen 4 Processe eine wichtige Rolle. 1) Die Larve be-
festigt sich mittelst dreier am vorderen Ende befindlicher Papillen.
2) Der Ruderschwanz wird eingezogen und nach vorhergegangener
fettiger Degeneration resorbirt .'i) Die Gestalt wird unförmlich durch
Ausscheidung des Cellulosemantels. 4) Vom Rücken her bilden sich
2 Hauteinstülpungen, die Perithoracalbläschen ; dieselben umwachsen
den Vorderdarm und verschmelzen zu dem einheitlichen Perithoracal-
raum.
Ausser der geschlechtlichen Fortpflanzung besitzen viele Ascidien
noch die Fähigkeit zu ungeschlechtlicher Vermehrung durch Knospung.
Wo letztere besteht, führt sie zur Coloniebildung, welche von grosser
systematischer Bedeutung ist.
I. Unterordnung. Monnsridien. Einzelascidien von meist ansehnlicher
Grösse, bald mit durchsichtigem Mantel (Cione. intestinalis L., PhaUusia
mammillata Cuv.), bald mit faserigem, lederartig trübem Mantel (Cynthia
microtosmus Cuv.). Die Gattung Clarellina {('l. lejtadiformis Sav.) treibt an
der Basis Wurzelausläufer , an denen
neue Thiere zu einer locker verbünde- /
nen Colonie hervorsprossen ; sie leitet
dadurch über zu der nächsten Gruppe.
H. Unterordnung. Synascidien. Die
zusammengesetzten Ascidien bestehen aus
sehr kleinen Einzelthieren , welche zu
Hunderten in einem gemeinsamen Cellu-
losemantel eingebettet sind und daher an-
sohnliche Krusten auf Steinen, Pflanzen p,g ofJl. Bothnjllus violaeem
und Thieren erzeugen. Meist sind die (nach Carpentcr). A eine kleine aus
Thiere einer Colonie auf viele kleine JJ Imlividnengrunpeu 1h stehende
Gruppen vertheilt, ven ie.eo eine jede ^ J^t"'^''"
ihre gemeinsame Cloake besitzt, um
welche herum die Ingestionsötfnungen der G — 12 der Gruppe zugehörigen
Thiere eine Rosette bilden. Botryllus dolore us Edw. (Fig. 261).
280
Würmer.
III. Unterordnung. Pyrosomen sind freischwimmende, pelagischo Synas-
citlicH. Die walzenförmige Colonie umschliesst einen nach abwärts mün-
denden Raum, die Centralcloake ; die einzelnen Thiere stehen zur Längsaxe
derselben senkrecht, und zwar so, dass die Egestionsöffnung nach aussen
schaut. Das aussergewöhnlich intensive Leuchtvermögen hat den Namen
veranlasst: P. gigantenm Lea. Feuerzapfen.
III. Ordnung. Thaliaceen, Salpaeformea.
Wie die Pyrosomen, so gehören auch die salpen artigen Tunicatctt,
die echten Salpen und die Doliolen, der pelagischen Thierwelt an; in
derselben spielen sie sogar eine hervorragende Rolle, einige trotz
ihrer geringen Körpergrösse durch ihr massenhaftes Auftreten, andere,
namentlich die coloniebildenden Formen, durch ihre ansehnlichen
Dimensionen. Ihrer Körpergestalt nach kann man eine Salpe mit einer
an beiden Enden geöffneten Tonne vergleichen, deren Wandung nach
aussen vom Cellulosemantel, nach innen vom Hautmuskelschlauch ge-
bildet wird (Fig. 262). Die Muskeln sind sämmtlich cireulär und bilden
6 — 8 nicht immer vollkommen geschlossene Ringe, die wie Reifen den
Innenraum umgürten. Ihre Contractionen treiben das die Tonne er-
füllende Meerwasser durch die hintere oder Egestionsöffnung aus,
worauf durch die vordere Ingestionsöffnung neues Wasser einströmt.
Die Thiere schwimmen auf diese Weise durch Rückstoss mit dem
vorderen Ende voran.
Fig. 2C>2.
Fig. 263.
Fig. -JiU.
Fig. 'J<i'J. Salpa tlemorratiea mit Knospen-
zapfen (Ä tnvrronata) A in ventraler, B in
seitlicher Ansieht,
Fig. 263. Salpa wucromila . Theil einer
jungen noch nicht lange abgelösten Kette.
Fig. 2t>4. Doliolum flentirulatiim.
i Ingestionsöffnung, /"FUnunerbögen, y Ganglion mit hufeisenförmigem Auge und
davor gelegenem Tentakel und IfyjMipIiysengruhe, /, Kieme, rn Endostyl , d Dann.
*•/ Stolo prolifer, r Forest ionsöffming, a After, // Hoden, in Muskelreifen, c Celluluse-
mantel; die Pfeile deuten die Kiehtung der Wasserströmung beim Schwimmen au;
die Richtung des schwimmenden Thieres ist entgegengesetzt.
Der Hohlraum der Tonne entspricht sowohl dem Kiemendann
wie dem Perithoracalraum der A seidien. Bei den Doliolen sind
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VII. Tunicaten : Thaliaceen.
2*1
beide Räume noch durch eine von Kiemenspalten durchbrochene
Scheidewand getrennt (Fig. 2<>4); bei den gewöhnlichen Snlpen ist die
Scheidewand zu einem schmalen, stark bewimperten Balken rück-
gebildet, so dass Kiemenhöhle und Pcrithoracalraum in einen einheit-
lichen Raum zusammenfliessen. Als weitere Reste des Kiemendanns
der Ascidien erhalten sich ausserdem noch eonstant der ventrale En-
dostyl und die den Kienieneingang umhüllenden Flimmerbögen.
Die Eingeweide des Thieres liegen im llautmuskelschlauch, da,
wo Kiemenbalken und Endostyl sich nähern, meist zusammengedrängt
zu einem Knäuel, dem „Nucleus" (Darm, Geschlechtsorgane, Herz).
Nur das Ganglion erhält sich gesondert und liegt dem Endostyl gegen-
über dorsal kurz vor dem Anfang des Kiemenbalkens; es steht in Zu-
sammenhang mit einem hufeisenförmigen Ocellus.
Schon seit Langem kennt man zweierlei Snlpen: die einen leben
als Einzelthicre isolirt für sich ; bei den anderen sind viele Individuen
hinter einander zu einer Kette oder neben einander zu einer Rosette
vereinigt Am Anfang dieses Jahrhunderts entdeckte Chamisso,
dass die Kettensalpen von den solitären erzeugt werden und dass diese
umgekehrt wieder von jenen abstammen, eine eigenthümliche Ent-
wickluugsweise, für welche Steens trup später den Namen Gene-
rationswechsel eingeführt hat. Die solitäre Salpe ist die Amme,
sie hat keine Geschlechtsorgane, wohl aber nahe dem hinteren Ende
einen Knospenzapfen oder Stolo prolifer, welcher an seinem Ende
mehrere Salpencolonien hinter einander hervorsprossen lässt Während
die erste sich ablöst, reift eine zweite heran und beginnt eine dritte
sich aus dem Knospenzapfen heraus zu differenziren. Die colonialen
Salpen werden geschlechtsreif ; jedes Thier einer Colonie producirt nur
ein Ei, welches sich wieder zur solitären Salpe entwickelt
Da nun sowohl die Kettensalpen wie die aus ihnen hervorgehenden
Einzelsalpen schon besondere Namen erhalten hatten, ist man in der Neu-
zeit gezwungen worden, Doppelnamen anzuwenden. So bedeutet der Aus-
druck .S. tlrniorratica-nnicronata Forsk., dass die demmratica die Amme,
die .*\ Hntcromta das geschlechtliche Kettenthier ist; in derselben Weise
sind die Namen N. Afrirana - mcuiitia Forsk., >'. nuwinala - fusifonnis Cuv.
gebildet. Von den eigentlichen Salpen unterscheiden sich die Tonnchen
oder Uoliolrn durch die besser ausgebildete Kieme und einen noch mehr
complicirten Generationswechsel. JfaUohun drutindatttm Quov u. Gaim.
(Fig. 2G4).
VIII. C lasse.
Bryozoen, Moosthierehen.
In ihrer äusseren Erscheinung haben die Bryozoen oder Moos-
thierchen eine überraschende Aehnlichkeit mit Hydroidpolypen, so dass
ein ungeübter Beobachter sie schwierig von ihnen unterscheidet; wie
diese bilden sie auf dem Wege der Knospung Colonien, welche mit
gallertigen Ucberzügen oder harten, kalkigen Krusten Felsen, Wasser-
pflanzen, Thiere, Pfähle etc. überziehen oder sich von ihnen als kleine
Büsche oder Bäumchen erheben. Ferner besitzen sie eine mit dichten
Flimmern bedeckte Tentakelkrone, welche weit ausgebreitet und blitz-
schnell zurückgezogen werden kann. Gleichwohl ist der Unterschied
282
Würmer.
im Bau ein ganz erheblicher. Man achte zunächst darauf, das* die
Bryozoen einen mit eigenen Wandungen versehenen, aus 3 Abschnitten
bestehenden Darm besitzen, welcher derart hufeisenförmig gebogen
ist, dass der After ganz in die Nähe des Mundes zu liegen kommt
Zwischen Mund und After liegt das Centrainervensystem in
Form eines Ganglion, und münden zwei Nieren c an äle in einem ge-
meinsamen Poms.
Ueber das Gesagte kann man bei einer allgemeinen Charakteristik
nicht hinaus gehen, da es zwei Gruppen der Bryozoen giebt, die Ento-
procten und die Ectoprocten^ die sich in so auffälliger Weise von einander
unterscheiden, dass man zweifeln kann, ob sie überhaupt zusammen-
gehören; die Entoprocten haben keine Leibeshöhle und ähneln somit
den kleinen Scoleciden, den Rotatorieny während die Ectoprocten sich
den Coelhelminthen ansehlie>sen und durch Vermittelung der Gattung
Phoronis mit den unbewaffneten Gepliyreen {Prosopytuern) und auch
den Anneliden Fühlung gewinnen.
I. Ordnung. Entoprocten.
Die Einzelthiere der Entoprocten haben die Gestalt eines Wein-
glases (Fig. 26b) und sitzen auf Stielen, welche sich meist aus ver-
ästelten, am Hoden hinkriechenden Stolonen er-
heben. Die den Kelchrand einnehmende Tentakel-
krone umschliesst das Peristomfeld, auf welchem
sowohl Mund wie After und zwischen beiden die
Excretions- und Geschlechtsorgane münden. Der
Zwischenraum zwischen dem hufeisenförmigen
Dann und der Körperoberfläche ist vollkommen
von einem Muskelzellen enthaltenden Parenchym
ausgefüllt. Dem gemäss sind die Excretionscanäle
Protonephridien nach Art der Wassergefässe der
Scoleciden. Hei der das Süsswasser bewohnenden
VrnatelUi gracilis Dav. sind sie verästelt und be-
ginnen mit Flimmerläppchen. PedicelUna echinata
Sars., Loxosoma singulare Kef.
II. Ordnung. Ectoprocten.
Fig. 2i m. Losifsoma . . . ...
singulare (nach Kit- Hei den Ectoprocten ist eine geräumige, von
bch'r). KinzcIttnVr mit Fliiiimeiepithel ausgekleidete Leibeshöhle zwischen
dem optU-hcn liing*- Darm und Haut vorhanden, wodurch die letzteren
kränz X'ua ciundilm l't auseinander gedrängt und bis zu einem gewissen
Knddarm, ./ Darm.' V Grad unabhängig von einander werden. (Fig. 266.)
Magern. Daher ist man zu einer eigentümlichen Auffassung
der Organisation gelangt, welche, morphologisch
zwar gänzlich unhaltbar, für die Schilderung manche Vortheile
bietet: es sei nämlich jedes Hryozoenindividuum aus zwei in einander
gesteckten Individuen zusammengesetzt. Cystid und Polypid. Als Polypid
wird dann Darm mit Tentakelkrone, als Cystid das Uebrige, vor Allein
der Hautmuskelschlauch gedeutet
Das Cystid hat die Gestalt eines Hechers oder einer oblongen
oder ovalen Schachtel: man unterscheidet an ihm eine Endocyste
und eine Ectocyste. Erstere ist der Hautmuskelschlauch, letztere
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VIII. Bryozoen: Ectoprocten.
283
ein vom Epithel der Körperoberfläche ausgeschiedenes, nieist stark
verkalktes CuticularskeleL Die Oberfläche der Endocyste ist constant
nur an der Basis und an den Seiten Wandungen von der Ectocyste
bedeckt, das periphere Ende bleibt zum Theil weichhäutig und
bildet eine Art Kragen, in den der aus dem Cystid hervortretende
Theil des Polypiris summt seiner Tentakelkrone durch blitzschnell
sich contrahirende Muskeln zurückgezogen werden kann. In der
Ectocyste befindet sich dem Gesagten zufolge eine mehr oder minder
grosse Oeffnung, die bei vielen Bryozoen {Chilostomen) durch einen
Deckel geschlossen werden kann. Auch in den Seitenwandungen
finden sich Oeffnungen, durch welche benachbarte Individuen einer
Colonie in Verbindung treten. Die Tentakelkrone umgiebt nur die
Mundöffnung, während der After ausserhalb in der Nähe des Kragens
liegt Zwischen beiden Oeffnungen beschreibt der Darm, die Grund-
lage des Polypiris, einen weit nach abwärts reichenden Bogen, dessen
hinteres Ende durch einen Strang, den Funiculus, mit dem Grund
des Cystiris verbunden ist Zwischen Mund und After liegen ferner
das Ganglion und die Niere, letztere aus 2 flimmernden Canälen ge-
bildet, welche in der Leibeshöhle getrennt beginnen, aber gemeinsam
nach aussen münden. Die Geschlechtsorgane entstehen aus dem Epithel
der Leibeshöhle, die Hoden am Funiculus, die Ovarien meist an den
Wandungen des Cystiris.
Fig. 2VA). FlnMrn wembranarra (mich Nifc*che), oin einzelnes Thier, rn Emlo-
eyste, ek Ectoeyftte, k Krügen, welcher die völlige Einntül|>ung des Thiere* stattet ,
f Funiculiia , a After, in Magen, u Oesophagus, y (iiuiglioti, m HautmiiHkrUchlauch.
A Avicularien, B Vibracularien von Bwjula (nach t'la|>arcdr).
Hunderte oder Tausende von microscopisch kleinen Einzelthieren
bilden Colonien (Fig. 207) von mannichfaltigstem Aussehen, in denen
sich Cystid unmittelbar an Cystiri anreiht Die Colonien wachsen durch
Knospung; von einem Cystid schnürt sich ein Theil ab als Tochter-
Cystid, in welchem durch Neubildung der Darm mit Tentakelkronc.
das Polypid, entsteht.
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2*4
Würmer.
Fip. '2<i7. Ein Steekehen v<>n Lof hnj.tig
cryttallfNUH Pall, mi< jüngeren und alter«'»,
tlicils ausgestreckten, theib halb oder Ranz
autückgezogcnen Thieren : «Ii«- dunklen Kör-
1MT im Innern sind Statohln.stcn (nach
Kraenelin).
Sehr häufig rindet sich bei
den Rryozoen Arbeitsteilung
oder P o 1 y m o r p h i s in u s vor.
Ausser den bisher beschrie-
benen vorwiegend zur Ernährung
dienenden Thieren können noch
dreierlei Individuen vorkommen,
die Ovicellen, Vibracu-
larien und Avicularien:
alle .*> sind Cystide, welche das
Polypid verloren haben. Die
Ovicellen sind rundliche Kapseln,
welche zur Aufnahme der be-
fruchteten Eier dienen, die Vi-
bracularien (Ii) lange tastende
Fäden, die Avicularien (A) sind
Greifapparate, welche Nahrun gs-
körper festhalten, damit sie zer-
fallen und in den Bereich der
Tentakelkrone der Fressthiere
gerathen. Das Avicularcystid
hat die Gestalt eines Vogel-
kopfes, indem es mit einem Ende in einen schnabelartigen Fortsatz
ausgezogen ist, dem ein beweglicher Fortsatz am anderen Ende wie
ein Unterkiefer entgegenwirkt.
Unter ungünstigen Bedingungen kann in einem Cystid das Polypid
zu (i runde gehen und lange Zeit fehlen, bis günstigere Verhältnisse
eine Neubildung gestatten. Ausserdem kommt es vor, dass in den
verödeten Cvstiden eigenthümliche, zur Verbreitung der Art dienende
Ruhezustände, die Stntoblnsfen, angetroffen werden, vielzellige, innere
Knospen von linsenförmiger Gestalt, welche von einer festen Hülle
umgeben werden. Der Rand des Körpers ist von einem Gürtel ge-
schlossener Käinnierchen unigeben, welche sich beim Eintrocknen mit
Luft füllen und den Statoblasten schwimmen machen, wenn er aufs
Neue in das Wasser geräth. Aus dem Statoblasten tritt dann ein
kleines lirvozoenindividuum hervor, welches eine neue Colonie liefert.
1. Unterordnung. IStetmatopoden f Kreiswirbler, Hryoxocn, bei denen
die Tentakeln einen Ring um die Mundöffnung bilden. Zu den fast aus-
schliesslich marinen Thieren gehören als die bekanntesten Arten die Flwstrnt
und die Bugulen, Fluni ra mn/tbmnacea L. (Fig. 26C), Biu/ula aricularia L.
2. Unterordnung. LojihojifHirn, tragen die Tentakeln auf dem Lophophor.
Derselbe besteht aus zwei links und rechts von der Mundöffnung gelegenen
hufeisenförmigen Fortsätzen, an deren Rand die Tentakeln stehen. Die
Lophopoden sind Süsswasserbewohner. Aln/onella funyosa Pall. PhimakUa
rcjitaus L. Lophqptta rrystaüinus Pall. (Fig. 267).
IX. C lasse.
llrachiopodcn.
Die Brachiopodon wurden wegen ihrer zweiklappigen Schale lange
Zeit für Muscheln gehalten; sie wurden später von den Muscheln ge-
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IX. Brachiopoden.
285
trennt und für eine besondere Classc der Mollusken erklärt, als man
auf die ganz abweichende Lage der Schalen aufmerksam wurde: dass
nämlich die Schalen nicht links und rechts zur Symmetrieebene des
Körpers liegen, sondern die) dorsale und ventrale Seite des Thieres
bedecken. Zu einer Loslösung von den Mollusken entschloss man
erst in der neuesten Zeit, als man erkannte, dass die Thiere im
des Nervensystems, der Excretions- und Geschlechtsorgane, in
Beschaffenheit der Leibeshöhle und in der Entwicklungsweise
sich
Bau
der
den
Coelhelminthen viel näher stehen als den Mollusken.
Der Körper eines Brachiopoden hat eine stark verkürzte Längs-
axe (Fig. 268) und ist in Folge dessen ein querovaler Eingeweidesack;
Fig. 2IVS.
Fig. 20S. Anatomie von
R/wnchoneUa psittaeea, beide
Schalen, die körperwand und
ilie Lelier der linken Seite
sind entfernt, «' linker, a1
rechter Ann, a1 die Eingänge
in den Hohlraum der Anne ;
«» Oesophagus , ij Magen mit
Leber /, il Darm , r blindes
Ende fdes,«ell>en ; ni Muskeln
zum Oeffnen und Sehliesaen
der Sehale,' w1 jt1 dorsaler und
ventraler Mantellappen , st
Stiel . 7 und 2 erst««* und
/.weites Dis*epiment. an dem
/weiten Di>sepiment Mündung
i ines Segment nlorgans (naeh
Haneoek).
Fig. 209. Waldhcimia
ffarrsrcntt iau> Zittel). Sehale
mit Armen und Muskeln, a
Ann mit seinein gefransten
Saum (hj. d Sehliessmuskeln,
r und r' Muskeln zum Oeff-
nen der Sehale, D Sehl..— -
f-Ttsatz. Dieseukreehte Linie
bezeiehnet die taige des
Schlusses.
Fig. 209.
von seinem hinteren Ende entspringt bei den meisten Arten ein mus-
eulöser Stiel, mit Hilfe dessen die Thiere festgewachsen sind ; ferner
gehen* von ihm zwei ansehnliche, an ihrem freien Rand mit Borsten
besetzte Falten aus, die Man te 1 1 ap pe n , von welchen fast stets der
eine wie eine Kapuze über den Bücken gezogen ist, der andere sich
in ähnlicher Weise über die Bauchseite schlägt. Jeder Mantellappen
scheidet mittelst des Epithels seiner äusseren Oberfläche eine Schale
aus, welche der Hauptmasse nach aus kohlensaurem Kalk besteht.
Selten haben dorsale und ventrale Schale gleiche (iestalt; gewöhnlich
ist die ventrale — bei manchen Arten festgewachsene — stärker kahn-
2*>
Würmer.
artifi gewölbt und zum Durchtritt des Stieles an ihrem hinteren Ende
von einer Öeffnung durchbohrt. Die dorsale, flachere Schale ihrerseits
besitzt eine charakteristische Einrichtung in dem Annskelet, das frei-
lich nicht immer vorhanden ist und, wenn es vorhanden, ist eine ver-
schiedene Ausbildung zeigt (Fig. 269, 270). Seine Grundlage besteht
aus zwei Kalkstäben, welche symmetrisch zur Medianebene von der
dorsalen Schale aus senkrecht in den Schalenraum abwärts steigen;
sie können durch einen gebogenen Querbügel verbunden sein; von
ihren Enden kann dann noch weiter jederseits ein spiral gewundener
Fortsatz entspringen. Das beschriebene Skclet ist ein Trageapparat
für die spiralen Mundarme.
Heide Schalen umhüllen im geschlossenen Zustand den Weich-
körper vollkommen; wenn sie sich öffnen, weichen sie mit den vor-
deren Rändern auseinander, während die hinteren Ränder verbunden
bleiben. Die Bewegung vollzieht sich um einen festen Punkt, das
Schloss, welches ein wenig einwärts vom hinteren Rande liegt; zur
Bildung desselben trägt die ventrale Schale mit zahnartigen Vor-
sprüngen bei, welche in besondere Vertiefungen der dorsalen Schale
passen. Oeffnen und Schliessen ist (im Gegensatz zu den Lamelli-
branchiern) beides ein activer Vorgang; von der ventralen Schale ent-
springen Muskeln, welche sich an der dorsalen Schale entweder nach
hinten vom Schloss an dem Schlossfortsatz befestigen und dann zum
Oeffnen dienen (Divaricatoren) oder nach vorn davon ihren Angriffs-
punkt rinden und den Schalenschluss herbeiführen (Adductoren). Sie
hinterlassen auf beiden Schalen Muskelabdrücke, welche namentlich
für die Unterscheidung fossiler Formen wichtig sind.
Den Hauptthcil des Schalenraums füllen die beiden spiral
gewundenen Arme, welche links und rechts von der Mundöffnung
liegen und Ursache zur Namengebung, „Brachiopoden" oder „Spiro-
branchier", gewesen sind. Sie besitzen auf ihrer von der Spiralaxe
nach aussen gewandten Seite eine Längsfurche, die bis an die Spitze
des Arms reicht und von einer Reihe kleiner Tentakelchen eingefasst
ist. Der Armapparat erinnert ausserordentlich an den Lophophor der
lophopoden Bryozoen (Fig. 2(57); man kann ihn aus demselben ableiten,
wenn man sich vorstellt, dass jeder der beiden Lappen des Lopho-
phors stark gewachsen sei und dabei sich spiral eingekrümmt habe.
Thatsächlich gleicht auch vorübergehend der Armapparat eines jungen
Brachiopoden dem Lophophor der Bryozoen.
Fig. 270. Waldheim in
flare.tcenH (aus Zittcl). A die
dorsale, B die ventrale Schale.
n, b, r Abdrücke der Muskel -
insertionen , a der Sehliess-
inuskcln (Adductoren), r' , r
der Muskeln zum Oeffnen
(Divaricatoren), s Sehlos*-
gruben der oberen Schale, in
welche die Schloswzähne / der
unteren Schale passen, / Stütz-
apparat der Anne, f < Mfnung
für den Stiel.
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Zusammenfassung.
2*7
Im Rumpf der Braehiopoden findet sich eine Leibeshöhle,
welche sich bis in die beiden Mantelfalten hinein erstreckt Sie um-
schliesst Darm, Leber und Geschlechtsorgane und zerfällt durch ein
dorsales und ventrales, an den Darm tretendes Mesenterium in eine
linke und rechte Hälfte; jede Hälfte wiederum ist durch zwei quere
Scheidewände in eine vordere, mittlere und hintere Kammer abgetheilt,
ähnlich wie wir es für die Sagitten kennen gelernt haben. Wenn die
Anordnung der Scheidewände nicht so klar und übersichtlich ist wie
bei diesem Wurm, so ist es eine Folge der starken Verkürzung der
Längsaxe und der dadurch bedingten Windung des Darms. Letzterer
besteht aus Oesophagus, einem die Gallengänge aufnehmenden Magen
und einem Enddarm, welcher bei einem Theil der Braehiopoden blind-
geschlossen ist
Leber und Geschlechtsorgane liegen hauptsächlich in den Mantel-
lappen. Die Geschlechtsproducte werden durch die Segmentalorgane
entleert, welche mit weiter Mündung in einer Leibeskammer beginnen,
das Dissepiment durchbohren und in der nächstfolgenden Kammer
nach aussen münden. Da gewöhnlich zwei Dissepimentc vorhanden
sind, können auch zwei Paar Segmentalorgane vorkommen; indessen
ist meist eines der beiden Paare rückgebildet. Als Nervensystem
funetionirt ein Schlundring, in welchem eine schwache dorsale An-
schwellung das obere Schlundganglienpaar, eine stärkere ventrale das
Bauchraark vertritt Im Blutgefässsystem verdient ein dorsal vom
Magen gelegenes Herz Beachtung.
In der Entwicklungsgeschichte erinnern die Braehiopoden einerseits
an Sagitta, andererseits an die Anneliden. Mit Sayilta haben sie gemein-
sam, dass die Leibeshöhle durch Ausstülpung vom Darm aus entsteht und
durch quere Scheidewände in 3 Höhlen zerlegt wird; annelidenähnlich ist
die Gestalt der Larven und das Vorkommen von Borsten, welche in be-
sonderen Follikeln gebildet werden. — In früheren Erdperioden war die
Thierclasse sehr reich an Individuen und Arten entwickelt, so dass ihre
Schalen zu den wichtigsten Leitfossilien gehören. Jetzt lebt nur ein spär-
licher Rest, zum Theil in grossen Meerestiefen. Die wenigen Gattungen
und Arten vertheilen sich auf zwei Ordnungen. Die Ecardines haben
gleichförmige Schalen ohne Schloss, welche zwischen ihren dorsalen Enden
den Stiel durchtreten lassen. IJngnla anatina Lam. Die Tesfieardines
haben ein Schloss und ungleich entwickelte Schalen, von denen die ven-
trale allein die Oeffnung für den Durchtritt des Stiels bildet. Der After
ist rtickgebildet. Waldheimia flarexcens Lam. (Fig. 209). Terebratula
ritrea Lam.
Zusammenfassung der Besnltatc über Würmer.
1) Die Würmer sind bilaterale Thiere mit einem Haut-
muskelschlauch und einem meist aus Ganglienknötchen be-
stehenden Centrainervensystem.
2) Die Fortpflanzung ist vorwiegend geschlechtlich, doch
kommt auch Paedogenesis und Knospung und demgemäss Heterogonie
und Generationswechsel vor.
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288
Zusammenfassung.
l\) Je nach Anwesenheit oder Mangel einer Lei I» esh oh 1 e unter-
scheidet man p a rene Ii y m a t ö s e W fl r in e r, Seoleelden. und Leibes-
h ö h 1 e n w ü r in e r, Coeilichninthen.
4) Die typischen Vertreter der Scoleeiden sind die Plattwttrmer,
Thiere von dorsoventral abgeplatteter Gestalt, deren Nervensystem
nur aus den oberen Sehlundganglien und den Seitensträngen, deren
Xierensystem aus den verästelten Wassergefässen (Proto-
nephridien) besteht.
f>) Die ursprünglichsten Plattwürmer sind die Turbetlarien, aus
denen sich einerseits die Trematoden und Cestoden, andererseits die
Nemertinen ableiten lassen.
6) Die Turbetlarien sind durch ihr flimmerndes Körperepithel
i Strudelkleid) charakterisirt ; sie haben keinen After und keine
Blutgefässe; ihr Darm besteht aus dem octodermalen Schlundkopf
und dem entodcrmalen Magen, welcher bei Rhabdocoelen ein stabförmiger
Blindsack, bei Dendrocoelen reich verästelt ist.
7) Bei den parasitischen Trematoden ist das Flimmerkleid vertoren
gegangen oder auf das Larvenleben beschränkt, dafür finden sich
Haftapparate zum Festhalten am Wirth, Haken und Saug-
näpfe, bei den ectoparasitischen Polystomeen zahlreiche, beiden ento-
parasitischen Diatomeen 1 2 Saugnäpfe.
8) Bei den Diatomeen kommt es zum W i r th s w cch sei und zur
Hcterogonie. Aus den Eiern eines Distomum entsteht eine stets
in Mollusken (1. Wohnthier) schmarotzende Redia oder ein Spo-
roeystis; aus deren partheiiogenetiseh sich entwickelnden Eiern wird
eine Cercarie, welche sich zum eingekapselten Distomum
< im 2. Wohnthier) und endlich zum g c s c h 1 e c h t s r e i f o n D i s t o ni u m
(im 3. Wohnthier) umwandelt.
9) Die bekanntesten Distomeen sind D. hepaticum und D. lanceo-
latum (selten im Menschen, häutig im Schaf), Distomum haematobium
in der Pfortader des Menschen, aber nur in wärmeren Klimaten.
10) Von den Trematoden sind die Cestoden unterschieden vor
Allem durch den Verlust des Darms, wozu meistens noch die
Sonderung des Körpers in Scolex und Proglottiden kommt
11) Der Seolex ist das Haftorgan der Bandwürmer und als solches
mit Saugnäpfen und öfters auch mit Haken versehen; er hat
ferner die Aufgabe, die Proglottiden durch terminale Knospung
zu erzeugen.
12) Die Prosrlottidcn enthalten den Hermaphroditen Ge-
schlechtsapparat
1.')) Die in den Eiern sich bildenden «5 -hakigen Embryonen
müssen in einen Zwischenwirth gelangen, indem sie entweder passiv
durch die Nahrung in dessen Darm verschleppt werden oder indem
sie als Flimmerlarven im Wasser schwimmend denselben activ auf-
suchen.
14) Im Zwischenwirth kapseln sie sich im Bindegewebe von Mus-
keln oder anderen Organen ein und verwandeln sich direct in den
Seolex (Plerocercoid) oder in eine Blase (Finne, Cysticercus), die
in ihrem Innern ein bis viele Scolices erzeugt.
1;">) Der Scolex wird aus der Cyste befreit, wenn er durch Ver-
bitterung in den Darm eines geeigneten Wohnthiers gelangt, und er-
hält dadurch die Fähigkeit, einen Bandwurm zu bilden.
IG) Im Menschen kommen besonders häufig vor: als Finnen die
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Zusammenfassung. 289
Taenia echinococcus (Bandwurm im Hund) und Taenia solium, als ge-
schlechtsreife Thierc T. sag in ata (Finne im Rind), T. solium (Finne im
Schwein), T. nana, Bothriocephalus latus (Plerocercoid im Hecht, Barsch,
Quappe, einigen Salmoniden).
17) Die Nemertinen unterscheiden sich von den Turbellarien durch
die Anwesenheit eines Afterdarms, eines besonderen neben dem
Darm existirenden Rüssels und der Blutgefässe.
18) Von den Piattwürmern entfernen sich wesentlich in ihrer Ge-
stalt die Rotatortcn; sie gleichen ihnen in der Beschaffenheit des
Wassergefässsystems; durch ihre Rad Scheibe erinnern sie an die
bei Würmern weit verbreitete Trochophoralarve.
10) Die Merkmale der < oelhelmlnthcn. sowohl die anatomischen
wie die entwicklungsgeschichtlichen, sind am schönsten bei den Chae-
tognathen ausgeprägt: dieselben sind hermaphrodite Würmer
mit 3-getheilter Leibeshöhle, mit Flossen und zum Kauen dienenden
Borsten.
20) Die Nematoden sind meist getrennt geschlechtliche,
meist parasitische, fadenförmige Würmer mit drehrundera,
ungegliedertem Körper, mit Nervenring (keine Ganglien), paa-
rigen Excretion s gcf äss en, deutlichen Seitenlinien, röh-
rigem Gcschlechtsap parat.
21) Die wichtigsten Arten sind die im Dünndarm, resp. Dickdarm
des Menschen lebenden Ascaris lumbricoides und Oxyuris vermicularis,
der aus dem Darm Blut sangende Dochmius duodenalis, der im Coecum
unschädlich angesiedelte Trichocephalus dispar, die berüchtigte Trichina
spiralis: heissen Klimaten gehören an: Rhabdonema stercorale, Füaria
sanguinis hominis und Dracunculus Medinensis.
22) Wichtige Ptlanzenparasiten sind Heterodera Schachii und
Tylcnchus tritici, welche die als Rüben- resp. Weizenmüdigkeit be-
kannten Erscheinungen veranlassen.
2i|) Von den Nematoden unterscheiden sich die ebenfalls parasi-
tischen, ascarisartigen Aeanthoeephalen (Echinorhynchen) durch den
Mangel des Darms, durch die Anwesenheit eines bestachelten
Rüssels und eines sehr complicirten Geschlechtsapparates.
24) Die ehaetopoden Anneliden haben mit den Nematoden die
dreh runde Gestalt gemeinsam; sie unterscheiden sich von ihnen
durch die Gliederung: durch die Ringelung des Körpers, durch
die segmentale Wiederholung der Dissepimente, Seg-
mentalorgane und Blutgefässanastomosen, durch das
Strickleiternervens y stein.
25) Das wichtigste Merkmal der Chaetopoden sind die in be-
sonderen Follikeln entstehenden Borstenbüschel (4 in einem Seg-
ment); die Borsten sind spärlich bei den hermaphroditen Oligochaeten,
zahlreich und von besonderen Parapodien getragen bei den
meist gonochoristischen Polycftaeten.
20) Den chaetopoden Anneliden sind nahe verwandt die Gephyreen;
dieselben sind ovale Schläuche mit Tentakelkronc oder spatel-
förmigein Kopf läppen; sie haben die Gliederung und die Borsten-
bewaffnung mehr oder minder vollständig eingebüsst. Andeutungen
der Gliederung treten während der Entwicklungsgeschichte auf und
sind auch anatomisch in der Anwesenheit eines Bauchmarks und
von Segmentalorganen nachweisbar.
27) Zu den Anneliden gehören endlich noch die Hirudineen,
Hertwic. Lehrbuch der Zoologe. 3. Auflage. 19
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290
Zusammenfassung.
hermaph rodite Würmer, welche anstatt der Borsten mit Saug-
näpfen ausgerüstet sind. Ihre abgeplattete Gestalt, paren-
chymatöse Beschaffenheit, der Mangel der Leibeshöhle
verleihen den Thieren Aehnlichkeit mit den Plattwürmern.
28) Die Hirudineen haben zum Verwunden entweder einen Rüssel
(BhynckoOdelleae) oder 3 längsgestellte, gezähnte Kiefer Gnathob-
delleae); zu den Kieferegeln gehört der medicinische Blutegel, Hirwio
medicinalis.
29) Die Enteropneusten (Balanoglossus) sind äusserlich gekenn-
zeichnet durch die Anwesenheit des in einem Kragen steckenden
Rüssels, anatomisch durch die Umbildung des Vorderdarms zur
K i e in e.
.'MD) Die Tunicaten besitzen zwar noch den Hautmuskel-
schlauch der Würmer, unterscheiden sich aber im übrigen Bau er-
heblich von ihnen. Ihr wichtigstes Merkmal ist die aus C eil u lose
bestehende Tunica; weiter ist constant, dass der Vorderdarm zum
Kiemensack geworden ist, dass derselbe den Endostyl enthält,
dass sich ein ventralesHerz mit wechselnder Contractions-
rich tu n g vorfindet.
31) Die Tunicaten sind durch 2 weitere Merkmale besonders
interessant: 1) Die Salpen haben einen typischen Generations-
wechsel zwischen den ungeschlechtlichen solitären und den ge-
schlechtlichen K etten- Salpen. 2) Die Tunicaten sind Nfichst-
verwandte der Wirbelthiere, indem die Ascidien als Larven die
Chorda dorsalis besitzen, welche bei den Appendicularien dauernd
vorhanden ist. Entwicklungsgeschichtlich bildet sich das Nerven-
system wie bei den Wirbelthieren als ein Rohr, das durch den
Canalis neuron tericus mit dem Darm zusammenhängt, rein
dorsal liegt und aus Hirn und Rückenmark besteht.
32) Die Bryozoen sind ähnlich den Hydrozoen stockbildende
Thiere mit einer Tentakel kröne; sie unterscheiden sich von ihnen
durch das gangliose Nervensystem und den hufeisenför-
migen Darm, zum Theil auch durch die Anwesenheit einer Leibes-
höhle.
33) Nach der Lage des Afters innerhalb oder ausserhalb der
Tentakelkrone unterscheidet man Entoprocten und Ectoprocten.
34) Die Brachiopoden haben eine zweiklappige Schale,
welche Analogien zu den Schalen der Muscheln bietet, nur dass an
Stelle linker und rechter Schalenklappen dorsale und ventrale
vorhanden sind.
3ö) Die geräumige Leibeshöhle wird durch 2 Scheidewände in
3 Kammern zerlegt, von denen stets eine, seltener zwei mit Segmental-
organen versehen sind.
3(5) Die Brachiopoden sitzen meist mittelst eines Stieles fest; nach
dem Vorhandensein oder dem Mangel eines Schalenschlosses zerfallen sie
in die afterlosen Testicardines und die mit After versehenen
E c a r d i n e s.
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Stachelhäuter.
291
IV. Stamm.
Echinodernien, Stachelhäuter.
Durch ihre radialsymmetrische Gestalt entfernen sich die Echino- 8ymmewe.
dermen von den meisten ührigen Thierstämmen und nähern sich dafür
den Coelenteraten; sie wurden daher auch mit letzteren seit Cuvier's
epochemachender Typentheorie unter dem Namen „Radiateni% vereint,
bis Lcuckart eine Trennung auf Grund ihres abweichenden Baues,
namentlich wegen der Anwesenheit einer Leibeshöhle herbeiführte. In
der That hat auch die radiale Symmetrie der Echinodernien einen ganz
verschiedenen Werth. Während bei den Coelenteraten die Zahl 4 oder
(wahrscheinlich von 4 abgeleitet) die Zahl 6 zu Grunde liegt, sind die
Echinodernien mit wenigen Ausnahmen fünfstrahlig. Während ferner
die radiale Symmetrie bei den Coelenteraten als ein ursprünglicher,
niederer Zustand der Körperform angesehen werden muss, ist sie bei
den Echinodernien, wie namentlich ihre Entwicklungsgeschichte lehrt,
aus der bilateralen Symmetrie abzuleiten ; mit anderen Worten, die
Echinodernien sind von bilateral-symmetrischen, wahrscheinlich wurm-
artigen Stammformen durch Rückkehr zu einer niederen Grundform
hervorgegangen.
Den Thieren verleiht die Beschaffenheit ihrer Haut ein H.nt-.kei<
charakteristisches Aeussere. Unter dem Epithel im mesodermalen
Bindegewebe bilden sich Kalkplatten, welche wie Knochenplatten den
Körper panzern und, da sie meist in Spitzen und Stacheln sich erheben,
den Namen „Echinodernien", „Stachelhäuter" veranlasst haben. Das
mesodermale Hautskelet kann zwar einer Rückbildung unterliegen, wie
bei den Holothurien. schwindet aber auch dann nicht vollständig, son-
dern erhält sich in Resten, den Kalkankern und Kalkrädchen. Eigen-
thümliche Anhänge der Haut, welche jedoch nicht überall vorkommen,
sind die Sphaeridien und Pedicellarien (Fig. 295). Erstere sind Sinnes-
organe, letztere Greifapparate, die im Bau an Zangen erinnern und
gewöhnlich von besonderen Stielen getragen werden; sie sind im Leben
äusserst beweglich und scheinen zur Reinigung der Haut oder zur
Verteidigung zu dienen ; im Innern haben sie ebenfalls ein Kalkskelet
Nicht minder charakteristisch als das Skelet ist das zur Fort- ^J^*1"
bewegung dienende Ambulacralgefässsystem, auch Wassergefäss-
system genannt (Fig. 272). Dasselbe beginnt zumeist auf der Ober-
fläche der Haut mit der Madre porenplatte, einer Kalkplatte, welche
von feinen Oeffnungen siebartig durchbrochen wird und zur Aufnahme
von Seewasser dient. Das Wasser gelangt in einen Canal, welcher wegen
der bei Seesternen vorhandenen starken Verkalkung seiner Wandungen der
Steincanal heisst (Fig. 271a) und abwärts zu einem den Mund um-
gebenden Ringcanal leitet. An letzterem sitzen gewöhnlich mehrere
(bis zu 5 Paar) Polfsche Blasen, welche man neuerdings ebenso wie
die Tiedemann'schen Körperchen der Seesterne als Anhänge deutet,
die nach Art der Lymphdrüsen Leucocyten liefern. Vom Ringcanal
strahlen ferner 5 Ambulacralgefässe aus, um links und rechts Seiten-
V)*
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292
Stachelhäuter.
äste abzugeben, welche über die Körperoberflüche hervortreten und die
Ambulacralfüsschen darstellen, die höchst merkwürdigen Fortbewegungs-
organe der Echinodemien. Jedes Füsschen ist ein Schlauch mit mus-
culösen Wandungen, welcher durch Einpumpen von Wasser prall ge-
füllt und in die Länge gedehnt, andererseits durch Contraction seiner
Muskeln verkürzt werden kann ; meist trägt es am Ende zum Festhalten
eine Saugscheibe; an seiner Basis ist es mit einem kleinen Reservoir
versehen, der in der Leibeshöhle liegenden Ambulacralampulle. 'Will ein
Echinoderm in einer bestimmten Richtung sich bewegen, so schickt es
in derselben seine Füsschen aus, verankert sich mit den Sangseheiben
und zieht dann den Körper durch Verkürzung der Füsschen nach.
Fig.
"1 a.
H
Fig. 271. Schema des Ambulacral-
gef&B8Bystema eines Seesterns (aus Boas).
ma Madreporen platte , st Steincanal,
k Ringcanal, /> Poli'schc Blasen, r Am-
bulacralgt'fäsfH», Füsschen, ap Amhula-
cralainpullen.
Fig. 271 a. Querschnitt durch den
Stebicanal von Astropecteit anrantiacM
(nach Ludwig).
Ambulacrale
Org»nc.
Die
Intmmbu-
hcrale Or-
gine.
Anordnung des Ambulacralgefässsvsteins bestimmt die An-
ordnung der übrigen Organe. Neben dem Steineanal kann ein früher
mit Unrecht „Herz" genanntes schlauchförmiges Organ verlaufen,
welches jetzt als lymphoide Drüse („glande ovoidc'4) gedeutet wird. Den
Ringcanal begleitet ein Blutgefässring, die Ambnlacralgefässe begleiten
5 radiale Blutgefässe, zu denen sich oft noch weitere am Darm hinzie-
hende liefässe gesellen. Auch das Nervensystem beginnt mit einem
perioralen, häutig noch im Ectoderm lagernden Nervenring und setzt
sich in 5 Ambulacralnerven fort. Ausserdem soll ein vom Peritoneal-
epithel abstammendes „enterocoelisch.es Nervensystem" vorhanden sein.
Die vom Centrum geineinsam ausstrahlenden Ambulacralgefässe,
Blutgefässe und Nerven markiren im Körper gewisse Hauptlinieu, die
Radien erster Ordnung oder die A m b u 1 a c r a 1 r a d i e n ; zwischen den-
selben intcrambulacral oder in den Radien zweiter Ordnung
mündet dagegen der Steincanal mit der Madreporenplatte und liegt
das „Herz". Ebenfalls in terambulacral sind die Geschlechtsorgane
angebracht, welche entweder 5 einzelne oder 5 Paar traubige Drüsen
resp. Drüsengruppen darstellen ; sie sind in der geräumigen Leibes-
höhle an besonderen Aufhängebändern befestigt In der Leibeshöhle
rindet sich ausserdem noch der durch ein Mesenterium an der Körper-
wand aufgehängte Darmcanal.
Stachelhäuter.
29:'.
Die Echinodermen sind ausschliesslich Bewohner <les Meeres, welches
sie in ganz aussergewöhnlicher Individuenzahl bis In die grössten Tiefen
hinein bevölkern ; manche Gruppen, wie die meisten Haarsterne, sind
vorwiegend Tiefseebewohner, andere bevorzugen die felsigen Küsten.
Namentlich zur Fortpflanzungszeit sammeln sich am Meeresufer See-
igel, Seesterne und Holothurien, um die (ieschlechtsproducte in das
Wasser zu entleeren, wo ihre Vereinigung und die Befruchtung erfolgt
Aus den Eiern schlüpfen Larven aus, welche frei schwimmend an vntwickiuos.
der Oberfläche des IVassers pelagisch leben und sich von den ausge-
bildeten Thieren ganz wesentlich unterscheiden, einmal durch ihre
weiche, gallertige und durchsichtige Beschaffenheit, zweitens durch ihre
bilaterale Symmetrie (Fig. 212). Durch Entwicklung von lappigen
Fortsätzen und dünnen, von Kalkstäben gestützten Armen gewinnen
sie ein höchst abenteuerliches und verschiedenartiges Aussehen (Plutei
der Seeigel und Ophiuren, Brachiolarien und Bipinnarien der See-
sterne, Auricularien der Holothurien); sie lassen sich aber alle auf
eine gemeinsame Ausgangsform zurückführen, welche durch die^An-
wesenheit eines dreitheiligen Darms und einer den Mund umgebenden
Flimmerschnur an manche Wurmlarven, besonders an die Tornaria
des Balanoglossus, erinnert. Die Unterschiede im Aussehen der Larven
sind einerseits bedingt durch die Art der Ausbuchtungen der Wimper-
schnur, andererseits dadurch, dass dieselbe in zwei oder mehrere sich
von Neuem schliessende Stücke zerlegt wird (Fig. 272 V).
Fig. 272. rxhinodenn«'n-
larvcn (nach Johannes
Müller), m Mund, a After.
/ gemeinsame Ausgangs-
form aller Larven. //, ///
Entwicklung&sUtdien »' der
Holothurien - Aurieularia.
IV, rEntwieklungsstadien
der Asteriden-Hipinnaria.
VI Pluteus eines Spatan-
giden. Die schwarze Linie
bezeichnet den Verlauf
der Wirapersehnur.
Die Umwandlung der bilateralen Larve in das radial gebaute Echino-
denn ist sehr complicirt; sie wird frühzeitig vorbereitet durch Ausstülpungen
des Darms, welche sich abschnüren und die „Vasoperitonealblasen", die An-
lagen der Leibeshöhle und des Ambulacralgefässsystems liefern (Fig. 272).
Von der Anlage der Leibeshöhle, welche entweder von Anfang an paarig
ist oder doch bald paarig wird, trennt sich das unpaare, linksseitige Ambulacral-
säckchen und giebt den Anstoss zur Umwandlung der streng bilateralen Larve
in das radialsymmetrische Eckmoderm] es dehnt sich zu einem *len Oesophagus
umschliessenden Ring aus, welcher 5 radiale Ausstülpungen, die Anlagen
der Ambulacralgefasse bildet. Indem diese die Körperoberflüche vor sich
hertreiben, entstehen bei den Scestrmcn, welche die Verhältnisse am klarsten
erläutern, die Arme als Auswüchse, welche an Knospen erinnern (Fig 274).
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294
Stachelhäuter.
Dies hat dazu geführt, die Arme eines Seesterns als Individuen für sich,
den ganzen Seestorn und so auch jedes andere Echinoderm als eine Colonie
von 5 Individuen aufzufassen. Die Kntwicklung würde dieser Auffassung
zufolge eine Art Generationswechsel sein, die Echinodermenlarve eine Amine,
welche durch Knospung einen Stock von 5 Geschlechtsthieren erzeugt.
So bestechend diese Ansicht auch ist, so entspricht sie doch nicht den
tatsächlichen Verhältnissen, indem sie einen nicht durchführbaren Gegen-
satz zwischen Larve und fertigem EchiHoderm annimmt. Mit ihren wich-
tigsten Organen geht erstere in letzteres über; das Echinoderm bringt die
Anlagen nur zu weiterer Entfaltung, wie auch ein IfiStd viele in der Larve
noch fehlende oder unvollkommen entwickelte Organe im Laufe seiner
Metamorphose erzeugt ; wie die Insectenentwicklung, ist auch die Echino-
dermenentwicklung eine Metamorphose.
Fig. 27-1. Bildung der Opkiure von der Plutciwlarve au> (nach Juli. Müller aus
1 leider- Korsi hell .
Schon bei einer oberflächlichen Betrachtung kommt man dazu,
die Echinodcnnen in 4 (Massen zu thcilen, die Asteroideen, Crinoideen
( l'elmatozocn), Echinoideen und Holothurien; dagegen kann man getheil-
ter Meinung sein, ob man die Crinoideen oder die Asteroideen als
die ursprünglicheren Formen an die Spitze stellen soll. Die schwer-
wiegenderen Gründe sprechen zu Gunsten der Crinoideen: dagegen
sind die Asteroideen unzweifelhaft geeigneter, um in das Studium der
Echinodermen einzuführen.
Am Körper eines Seesterns kann man zwei Bestandteile unter-
scheiden, die centrale Kör per sc heibe und die von ihr meist in
Fünfzahl ausstrahlenden Arme (Fig. 281). Das Verhältniss, in dein
beide Theile zu einander stehen, schwankt zwischen zwei Extremen:
bei manchen Seesternen spielen die Arme die Hauptrolle und die
Körperscheibe sieht nur wie die Yerwachsungsstelle ihrer proximalen
Enden aus (Fi,Lr. 27."). l'7i>) : auf der anderen Seite kann die Körper-
Fig. 273.
Fig. J74.
I. C 1 a s - e.
Asteroideen, Seesterne.
I. Asteroidt en.
295
scheibe an Bedeutung gewinnen, sich auf Kosten der Anne vergrößern
und diese gleichsam in sicli aufsaugen, so dass sie nur als die fünf
Ecken der pentagonalen Scheibe zur Geltung kommen (Fig.
277, 279).
Ferner unterscheiden wir am Seestern, und zwar sowohl an den
Armen wie an der Körperscheibe, eine dorsale und eine ventrale Seite,
welche mit schmalen Randpartien in einander übergehen. Die ven-
trale Seite ruht bei normaler Stellung des Thieres auf dem Boden ;
sie trägt die im Centrum angebrachte Mundöffnung und die von
<lieser beginnenden, bis in die Armspitzen reichenden fünf Ambula-
cralfurchen; dorsal dagegen lagert nahezu im Centruin der After
(sofern er nicht zurückgebildet ist) und excentriseh in einem der Inter-
ambulacra die Madreporen platte (Fig. 277 a).
Fig. 275. Fig. •_':<;. Fig. •_>::.
Fig. 277. CulcHa pcnlniiiiulnrii* vom Rüeken gesehen. /> aufgebogene Enden der
Ainbulaersilfurrhcn, a Madrvi>orcnj>|jUto [ans Ludwig).
Die Haut eines Seesterns ist überall von grossen und kleinen an
einander gefügten Kalkplatten geschützt : dieselben machen den Körper
eines todten Secsicrns hart und starr; während des Lebens aber sind
sie so sehr verschiebbar, dass der Seestern in ganz überraschender
Weise seine Arme einrollen und umbiegen und seinen Körper durch
enge Oeffnungen und Spalten hindurchschieben kann. Unter den
Skeletstücken verdienen besondere Beachtung die Am bulacralia,
welche das Dach der Ambulacralfurche bilden und, wie man am besten
auf Querschnitten durch einen Arm sieht, diese Furche gegen die
Leibeshöhle der Arme abschliessen (Fig. 27H). In jedem Arm sind
zwei Reihen von Ambulacralia vorhanden, welche wie Dachsparren in
der Mittellinie zusammenstossen. Ein in dieser Weise zusammenge-
fügtes Paar nennt man einen Ambulacralwirbel, weil die Paare in der
Längsrichtung des Armes wie Wirbel auf einander folgen. Als minder
constante Theile können sich an die seitlichen Enden eines „Wirbels"
die Adambulacralia ansetzen und an diese wieder die Marginalia,
welche die Seitenwände der Arme panzern (Fig. 27H ad. m1. m*).
Die Organe eines Seesterns liegen zum Theil in der Leibeshöhle,
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296
Stachelhäuter.
Fijr. -Ts. Links Querschnitt ilurch den Ann von A*trnpcrteti aunitiHacit.t , in
der Mitte .'] aus je zwei Ainhulacralien l»est«honde Wirbel dessellwn Thiercs von oben
gesehen, rechts Querschnitt durch den Ann von Ophiothrix frayiUs. in {in1 m1) Mar-
'nalia, a Ainlmlacralia (l>ei Astropreini auf der linken Seite zum Theil dureh den
üsschencanal verdeckt), ad Adamhuhicrnlia , b Hauchplatten, r Rückcnplatten oVr
Ophiuren; n Ainbulacnilnorv, y Blntpefäas, w Wassergef iiss ; b Aniridie, c Leibes-
höhle, d Dannhlindsäcke.
zum Theil in der Anibulacralfurche. Der Leibeshöhle gehört der
Darm an, welcher als ein kurzes, weites Kohr vom Mund zum Rücken
emporsteigt, um dort den After zu bilden oder blind geschlossen zu
endigen (Fig. 270, 2*0); in die Leibeshöhle der Arme entsendet er
fünf Paar Blindsäcke, die reich
mit Ausbuchtungen besetzten
Leberschläuche. Neben den
Leberschläuchen liegen die lan-
gen, traubigen Geschlechts-
d r ü soll, welche im Winkel
zwischen zwei Armen münden
(Fig. 270, 280). In der Leibes-
höhle sind endlich noch die An-
fänge des Ambulacralgefäss-
systems eingeschlossen ; der
S t e i n c a n a 1 , begleitet von der
ovoiden Drüse, dem „Herze n'\
(Fig. 2*0), steigt in einem der
Interambulacra von der Madre-
porenplatte zu dem die Mund-
öffnung umgebenden Ringcanal
herab.
Am G r und der A m b u 1 a -
c raifurche zwischen den
Füsschen findet man die ambu-
lacralen Nerven. Blutgefässe und Wassergefässe. Die Ambulacralnerven
enden an der Spitze der Arme mit einem Pigmcnttieck, der den Bau eines
sehr vereinfachten Facettenauges hat. Von den ambulacralen Wasser-
gefässen (Fig. 27s ) treten durch den Zwischenraum zwischen zwei Am-
bulacralwirbeln die Seitenäste wieder in die Leibeshöhle, schwellen
daselbst zu Ampullen an und kehren dann in die Furche zurück, um
in die aus der Furche hervortretenden Füsschen einzudringen. Wie die
Ampullen, so liegen auch die Anhänge des Ringcanals, die Poli'schen
Blasen (f> Paar) und die Tiedemann'schen Körpereben in der Leibeshöhle.
Da die Arme eines Seesterns fast alle wichtigen Organe enthalten,
vom
Kijtr. -'TO.
Rücken aus i'<-
Lel»crblin«lschlänche , t rosettenförmiper
Magen mit After. >j Geschlechtsdrüsen.
Axter ix ftt* rrmtriilatus
geöffnet (nach Gegcnbaur).
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I. Asteroideen.
2117
erklärt sich ihre grosse physiologische Selbständigkeit ; abgelöste Arme
leben nicht nur weiter, sondern regeneriren sogar das ganze Thier, indem
sie zuerst die Körperscheibe bilden, an welcher dann die neuen Arme als
kleine Knospen herauswachsen (Kometenform) (Fig. 275, '276); die Ablösung
kann entweder durch Verletzung herbeigeführt oder, was nicht selten vor-
kommt, spontan eingetreten sein. Bei manchen Ophiurcn der Gattungen
Ophiocnida. Ophiothda, Ophioet/ma, namentlich aber bei jungen Thieren von
Ojihiartis rirens. kommt es geradezu zu einer ungeschlechtlichen Fort-
pflanzung (Schizogonie) indem der Seestern sich quer durch die Körper-
scheibe hindurch in zwei Thiere theilt. Es ist begreiflich, dass diese
ausserordentlich auffallende Erscheinung benutzt worden ist, um zu be-
weisen, dass die Secsterue Tbiercolonien sind.
Fig. 280. Ein durch ein Ainbulacruni und da* entgegengesetzte Intcramlmlacmin
geführter Radialschnitt von Solavtrr emleca. s Steineanal mit Madrejtorenplatte, da-
neben das „Herz",o Mund, r Magen, c Leberschlauch, y (jewhleehtsdrüsen.p Füssehen.
Die hier gegebene Schilderung passt vornehmlich auf die erste Ord-
nung der Astrroideen, die Stellenden oder die Seesterne im engeren Sinne;
dagegen weichen die Ophiuridcn oder Schlangensterne, welche vielfach als
eine besondere ('lasse angesehen werden, in wichtigen Punkten von ihr
ab. Die Arme der Ophiuriden (Fig. 282) sind sehr schlank und gegen
die Körperscheibe scharf abgesetzt; sie werden def Hauptmasse
Fig. 281. Fig. 282.
Fig. 281. Pythonastcr Murray i (nach Staden) in ventraler Ansicht, f die von
der Mundöffnung ausstrahlenden Ainhulaeralfurehcn mit den Fitesehenreihen. (Die
Anne sind nur zum Theil dargestellt.)
Fig. 282. Opkioglypha bullata vorn Kücken gesehen (nach Wyville Thomson).
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2!>8
Stachelhäuter.
nach von den zu einheitlichen Armwirbeln verschmolzenen Ambulacralien
gebildet, welche die Leibeshöhle der Arme zu einem unansehnlichen Canal
eingeengt haben. Fig. 281 rechts.) In Folge dessen fehlen die Leber-
schläuche und sind Darm und Geschlechtsorgane ganz auf die Körperscbeibe
beschränkt. Ferner sind die Ambulacralfurchen durch ventrale Kalkplatten
geschlossen und so zu Canälen geworden. Die Füsschen besitzen weder
Saugplatten noch Ampullen und dienen nur zum Tasten, während die Anne
durch schlängelnde Bewegungen die Ortsveränderungen bewirken. Die
Arme, welche bei den Stellenden alle wichtigen Organe enthalten und den
Kindruck von colonial verbundenen Eiuzelthieren machen, sind bei den
Ophinridcn zu Anhängen der Körperscheibe geworden.
Unter den beiden Gruppen der Seenterue giebt es nun Formen, welche
zu zwei anderen Echinodermenclassen überleiten. Bei einigen Stellenden
sind die Arme so sehr in die Körperscheibe eingezogen, dass der Körper
nur eine peutagonale Scheibe ist (Fig. 277, 271)). Stellt man sich diesen
Körper kugelig aufgeblasen vor und lässt man ferner das Rückenintegument
auf ein kleiues Areal schrumpfen und die ventrale Seite mit ihren Ambu-
lacren sich in gleicher Weise bis nahe zum Rückenpol ausdehnen, so er-
hält man den Bau der Seeigel. Durch Umgestaltungen im entgegengesetzten
Sinne könnte man von denOphiuriden die Crinoideen ableiten. Die schon
dort zu Anhängen gewordenen Arme verlieren bei den Crinoideen noch mehr
den Charakter der Selbständigkeit und werden zu tentakelartigen Fortsätzen,
welche sich so^ar wiederholt verästeln können.
I. Ordnung. Stelleroideon.
Bei den Strlhroidcen enthalten die Arme eine sehr geräumige Leibes-
höhle, in welche der Darm mit je einem Paar Leberblindschläuchen ein-
dringt; die Ambulacralfurche bleibt offen. Die Ambulacralwirbel bestehen
aus linken und rechten, nicht verschmolzenen Stücken. Ein Beispiel für
ansehnlich entwickelte Arme mit kleiner Körperschoibe liefern die Asteriaden
mit AMerias glacialis J. Müll, als Typus, einem der verbreitetsten Seesterne,
der durch 4reihige Anordnung der Füsschen charakterisirt ist. Mittleren
Ausbildungsgrad der Arme zeigen die afterlosen Asteropeel iniden (Asterojxcten
aurantiacus Gray). Reduction der Arme zu Gunsten der pentagonalen
Körperscbeibe findet sich bei Ptntticerontiden (Cideita coriacea M. Tr.,
Fig. 277).
II. Ordnung. Ophiuroideen.
Bei den Ophiuroideen ist die Leibes-
höhle in den Armen fast ganz rückgebildet,
so dass in ihnen weder Geschlechtsorgane
noch Darmblindsäcke Platz finden. Die
Ambulacralfurche ist durch Bauchschilder
geschlossen , die Ambulacralien sind zu
massiven Armwirbeln verschmolzen. Die
Madreporenplatte liegt auf der ventralen
Seite. Die Arme sind unverästelt bei den
(Jphiuriden (Ophioglypha bullata Wyv. Th.;
Ophiothrix fmgilis Düb.); sie sind dichotom
Fig.2N3. Astroph,,to,,arb„rcsccn* verästelt bei den Euryaliden (Astrophyton
nus Ludwig). arborweem Ag. Fig. 283).
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II. Crinoideen.
299
II. C lasse.
Crinoideen oder Haarsterne.
Die Crinoideen oder Haarsterne bilden einen Zweig der Echino-
dermen, welcher im Aussterben begriffen ist. In früheren Erdperioden,
namentlich im paläozoischen Zeitalter, waren sie massenhaft vertreten ;
jetzt lebt eine ziemlich beschränkte Zahl von Gattungen und Arten in
sehr grossen Meerestiefen weiter, und nur die kleine Familie der
Comatuliden gehört der oberflächlichen Küstenfauna an. Auf dem
Meeresboden sind die Cri-
noideen mittelst eines lan-
gen von einem Central-
canal durchsetzten Stie-
les festgewachsen (Fig.
284); derselbe besteht aus
rundlichen, scheibenförmi-
gen Stücken, welche über
einander geschichtet sind
und oft seitlich entsprin-
gende, in fünf Reihen an-
geordnete , rankenartige
Ausläufer, die Cirren, tra-
gen. Die Befestigung mit-
telst eines Stieles fehlt den
Comatuliden (Fig. 285),
welche entweder mit ihren
später zu besprechenden
Armen im Wasser schwim-
men oder sich mit ihnen
an Tangen anranken. In-
dessen haben diese Thiere
während ihrer Entwicklung
das sogenannte Pentacri-
nusstadium zu passiren,
während dessen sie mit
einem Stiel angewachsen
sind, ein sicherer Beweis,
dass die festsitzende Le-
bensweise für die Crinoi-
deen der ursprüngliche Zu-
stand war (Fig. 286). Bei
den Comatuliden erhält
sich, wenn sie sich später
ablösen, wenigstens ein Best
des Stiels, das oberste Glied mit seinen Cirren, das „Centrodorsale'*;
es verwächst mit den untersten Kelchplatten, den Infrabasalien.
Auf dem obersten Stielglied balancirt ein kelchf örmiger
Körper, dessen Rand 5—10 meist verästelte Arme trägt. Die
Seitenwandungen des Kelchs sind von polygonalen Kalkplatten fest
gepanzert. Zunächst folgt gewöhnlieh auf den Stiel ein Kranz von
Fig. 284. Prntarrinns marlenraittts (muh Wvville
Thomson).
300
Stachelhäuter.
fünf riattcn, die Basalien (Fig. 2876); mit ihnen alternirt ein zweiter
Kranz von Platten, die Radialien O); dazu kann noch ein Kranz von
Infrabasalien kommen, welche unterhalb der Basalien mit den Radialien
auf gleicher Linie stehen.
Flg. 285.
Fig. _'s<i.
Fig. 2N">. Ausgebildetes Thier von Antcdon macroncma inaeh Carpenter).
Fig. 286. a, b, c verschieden alte Pentacrinusftadien von AnterJon rosacea.
1 Anne, 2 Cirren, 3 Stiel.
An die Radialien schliessen sich vielfach direct die Stücke
des Armskelets, die Brachialien an (Fig. 287). Sehr häufig kommt
es aber vor, dass die Arme sich ein- oder mehrmal dichotom
verästeln, dass ferner die Basis der Arme und ihre erste Gabelung
in den Kelch hinein bezogen wird, was dann zur Folge hat, dass zehn
A
Fig. 2n~. ffyttcn'iitts Ikthlcyonus. A oberes Ende des Stiels
mit dem Kelch und der Basis der "i Arme, br BrachinUa, r Ra-
dialia, b Basalia. Ii Kelch von der oralen Seite gesehen mit
Basis der Arme, Mundöffnung. 5 amlndacralen r-urehen. In
einem Intcrradius der After. Zum Vergleich der Kelch einer
Antedon marrouema mit ."> verästelten Amhulaeralfurchcn und
10 nur im basalen Abschnitt dargestellten Armen.
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II. Crinoideen.
301
Anne von der Kelchperipherie zu entspringen scheinen. Im letzteren
Fall rechnet man die untersten Brachialien zum Kelch und nennt sie
ebenfalls Radialia, und die nach der Gabelung entstehenden Doppel-
reihen Radialia distichalia (Fig. 284, 285). Von den Armen entspringen
in einer linken und rechten Reihe diePinnulae, lancettförmige, von
Kalkstücken gestützte Blättchen, in denen die Geschlechtsorgane reifen,
bis sie durch Platzen frei werden.
In der Mitte der Mundscheibe, welche den Kelch nach oben ab-
schliesst, findet sich die Mundöffnung. Dieselbe ist im Gegensatz zu
den übrigen Echinodermen, welche mit der Mundöffnung nach abwärts
kriechen, vom Boden abgewandt; sie führt in einen geräumigen Nah-
rungsschlauch, an dem man Anfangsdarm, Magen- und Enddarm unter-
scheiden kann; letzterer mündet interambulacral nahe der centralen
Mundöffnung. Vom Mund aus beginnen fünf Ambulacralfurchen,
welche bei den fünfarmigen Crinoideen (Fig. 287 ß) sich direct auf die
Anne fortsetzen und bis an das äusserste Ende der feinen Pinnulae
reichen : bei den zehnarmigen Formen erfahren sie noch im Bereich
der Mundscheibe ihre erste Gabelung (Fig. 287 Ö). Im Umkreis des
Mundes beginnen Amhulacralgefässsystem, Blutgcfässsystem und Nerven-
system mit einem Ring: sie verlaufen dann ähnlich wie bei den Asieroideen
am Grund der Ambulacralfurche und treten sogar auf die Pinnulae
über, um sich zu verästeln. Unterschiede zu den Seesternen sind
darin gegeben, dass die Saugfüsschen, welche bei der sitzenden Lebens-
weise werthlos sein würden, durch zarte, zum Tasten dienende
Schläuche oder Tentakeln, an denen die Ampullen fehlen, ersetzt sind.
Ferner fehlt ein typischer Steincanal: an Stelle desselben gehen vom
Ringcanal fünf oder viele hundert Röhrchen aus, welche in die Leibes-
höhle münden: ihren Mündungen liegen feine Oeffnungen in der
Mundscheibe, die Kelchporen, gegenüber, durch welche das Wasser in
die den Steincanal ersetzenden Röhrchen eingeleitet wird. Endlich ist
auch das ambulacrale Nervensystem schwach entwickelt; es wird sogar
von manchen Forschern ganz in Abrede gestellt Dagegen ist das
enterocoele Nervensystem auffallend stark; es bildet ein antiam-
bulacrales Centraiorgan, Faserstränge, die in der Axe der
Radialia und Brachialia verlaufen und sich im Centrodorsale zu einem
Ring vereinigen. Im Centrodorsale beginnt auch ein räthselhaftes Or-
gan, «las in der Kelchaxe nach der Mundscheibe zu aufsteigt, das so-
genannte Dorsalorgan.
Die Crinoideen — vielfach im Gegensatz zu den Blastoideen und
Cystideen auch Eucrinoidetn genannt — zerfallen in zwei Gruppen: Die
Palaeocrinoidccn (Tesselaten) haben einen Kelch, dessen Seitenwandungen
aus unbeweglich aneinander gefügten dünnen Platten bestehen, dessen Am-
bulacralfurchen durch Kalkplüttchen meist vollkommen gedeckt sind ; sie
lebten ausschliesslich im paläozoischen Zeitalter. Cuprassocrimuj orassits
Gldf. — Die Neocrinoidecn (Arlvnüaten), ausgezeichnet durch offene Am-
bulacralfurchen und derbe, zum Theü gelenkig verbundene Kelchplatten,
lösten die I\üaeocrinoideen im mesozoischen Zeitalter ab; einige Familien
haben sich bis auf die Neuzeit erhalten. In der Tiefsee leben die gestielten
Phixocriniden (Fig. 287) (Ä lofotcmis G. O. Sars) und PenUuriniden (P. capui
viedusae Lam.). Der Küstenfauna gehören die Comaiuliden (Fig. 285) an,
welche in der Jugend noch festsitzen, später unter Rückbildung des Stiels
frei beweglich werden: Antcdon roswea Norm.
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302
Stachelhäuter.
Anhang.
In Kürze seien hier die von den echten Crinoideen sehr abweichenden
Cystoideen und Dlastoideen erwähnt. Die ausschliesslich paläozoischen, be-
sonders im Silur vertretenen Cystoideen gehören zu
den ältesten Versteinerungen. Ihr kugeliger Körper
wird von zahlreichen polygonalen Platten gebildet,
welche häufig durch die Porenrauten ausgezeichnet
sind. Stiel- und Annapparat sind rudimentär und
können ganz fehlen. Echinosjdtaerites aurantium Hin
(Fig. 288).
Die Blastoidcen treten am Ende der Silurzeit
auf, um schon zum Schluss der Steinkohlenperiode
F' ' °88 Eeh* zu verschwinden. Arme fehlen vollkommen, dagegen
np/uuritrs aurantium *at ^ie Mundöffnung von fünf blumenblattartigen
(aus Zittel). Ambulacra umgeben. Pentrcmitcs ftoreali* Say (Fig. 289 1.
III. Clus sc.
Echlnoideen. Seeigel.
Um den Bau der Seeigel zu verstehen, gehen wir
von den regulären Formen aus, welche eine annähernd
kugelige Gestalt besitzen (Fig. 2iH), 291). Bei ihnen
liegen Mund und After einander gegenüber an den
Enden der Hauptaxe, jede Oeffnung inmitten eines
bei den einzelnen Familien in verschiedener Weise von
Kalkplatten getäfelten Feldes, der After innerhalb des
Periproets. der Mund innerhalb des Peristo m s.
welch letzteres ausserdem die Sphaeridien und bei den
regulären Seeigeln 5 Paar interambulacralc Kiemen
trägt. Der zwischen Peristom und Periproct gelegene
Haupttheil der Körperwand besteht aus fünfeckigen
Kalkplatten, welche fest zu einer unnachgiebigen Kapsel
zusammengefügt sind und nur ausnahmsweise eine ge-
ringe Verschiebbarkeit gestatten. Die Platten sind —
wenn wir von den ausgestorbenen Perischoechiniden
absehen — in 20 meridionalen Reihen angeordnet oder,
genauer ausgedrückt, in 10 Doppelreihen, da immer
zwei Reihen in einem engeren Zusammenhang stehen,
in seitlicher, b in Fünf Doppelreihen heissen nach ihrer Lage in den
oraler, e in abo- Radien erster Ordnung die Ambulacren, die da-
At^ieht. zwischen gelegenen fünf übrigen die Interambulacren.
Beiderlei Platten, die ambulacralen wie die inter-
ambulacralen , tragen kleine halbkugelige Gelenkhöcker, auf denen
nadelartig zugespitzte oder kolbig verdickte Stacheln äusserst beweglich
durch GelenkbJinder und Muskeln befestigt sind, um so nicht nur
wirksame Schutzorgane, sondern auch einen zur Fortbewegung dienen-
den Hebelapparat zu bilden. Von den Interambulacren unterscheiden
sich die Ambulacren vor Allem durch ihre Beziehungen zu den Füss-
chen; sie werden, da die Ambulacralampullen auf ihrer Innenwand
Fig. 289. Pen-
trenn fcs f Inreal /.s
(aus Zittel). a
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IIJ. Echinoideen. 303
liegen, von den Füsschencanälen durchbohrt und tragen je nach der
Zahl der Füsschen entweder ein oder mehrere Paare von Ambulacral-
poren. Diese für die Seeigel charakteristische paarige Gruppirung
der Poren hängt damit zusammen, dass die Verbindungen zwischen
Füsschen und Ampullen durch doppelte Canäle hergestellt werden.
Wenn man einen Seeigel in Bewegung von einem seiner Pole betrachtet,
so sieht man aus dem Wald von Stacheln die zarten Füsschen tastend
hervortreten in Reihen, welche durch ihre Anordnung in fünf meri-
dionalen Streifen die Ambulacra bezeichnen.
Fig. 290. Fig. 291.
i
Fig* -*.k>. Corlopleuru* fUiritlaiius (nach Agassi/) seiner Stacheln berauht, vom
al>oral«'n Toi betrachtet, a Ambulacra mit den Oeellarplatten, h Interambulaera mit.
den Genitalplatten endend, im Centrum das aus 4 Platten bestehende Periproct.
Fig. 201. Körper einer Cidaridr in halb seitlicher, halb oraler Ansieht. / Peristom
mit Zähnen nach aufwärts gewandt, a Ambulacra, »' Interambulaera: darunter einer
der von den Uelenkhikkern entfernten Stacheln (nach Ryiner Jones).
In der Beschaffenheit der Ambulacra unterscheidet man zwei syste-
matisch wichtigo Modificationen, die Bandform und die p e t a 1 o i d e (blumen-
blattartige) Form. Bei ersterer reichen die Füsschen in gleicher Ausbildung vom
Periproct bis zum Peristom (Fig. 290, 291); bei letzterer kann man einen
dorsalen oder periproctalen und einen ventralen oder peristomialen Ab-
schnitt unterscheiden (Fig. 292). Nur im ventralen Bereich sind stets
locomotorische Füsschen vorhanden, aber so unregelmässig gestellt, dass
keine auffällige Figur entsteht. Auf dem Rücken sind die Füsschen ge-
wöhnlich zu Tentakeln modificirt. Die Ursprünge derselben sind äusserst
regelmässig vertheilt und begrenzen 5 blumenblattartige Figuren um das
Periproct herum, welche nach Entfernung der Stacheln besondere deutlich
werden.
Die fünf Ambulacra und die fünf Interambulaera enden am Peri-
proct mit jedesmal einer Platte ; die fünf ambulacralen Platten nennt
man die Oeellarplatten, die fünf interambulacralen die Genital -
platten; jene tragen kleine, früher als Augen gedeutete Flecke,
diese die Mündungen der Geschlechtsorgane. Eine der Genitalplatten
zeichnet sich durch besondere Structur aus und ist zugleich die
Madreporenplatte (Fig. 290).
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Stachelhäuter.
von einem einzigen
Das Innere des [kapselartigen Körpers wird
geräumigen Hohlraum, der Leibeshöhle (Fig. 293), eingenommen. An
den Wandungen desselben ist der sehr dünnwandige Darm mittelst
eines Mesenteriums befestigt. Der Darm bildet bei den Clypeastriden
eine einfache Spirale, sonst bildet er eine Doppelspirale : er steigt in
Flg. 292.
Fig. 293.
Fig. ->1.»->. Cttfpeaater subdepressH* vom Kücken gesehen, um die petaloiden Enden
der Amhulaera zu zeigen (nach Agassi/.).
Fig. ■_>!,3. Horizontaler Schnitt durch Stronyi/lortHtrottts liridus (aus Sehmarda).
i> Amhulaera, \>» Anlu'inge des Blutgcfässrings (früher Poli'schc Klagen genannt), m
Muskeln des Kaugerüstes (.s), ur Oesophagus, / Darm, a Atter mit ra (iefiissring,
C „Herz-4, ov Ovar.
der unteren Hälfte der Sehale in einer Spiralwindung auf, kehrt dann
um und gelangt mittelst einer rückläufig gewundenen Spirale in der
oberen Hälfte zum After. Meist wird die Mundöffnung von fünf
scharf zugespitzten Kalkplatten umstellt, den Zähnen, welche durch
ein äusserst complicirtes System hebelartiger Kalkstäbchcn und daran
sich inserirender Muskeln bewegt werden. Man nennt den Apparat
in seiner Gcsammtheit die „Laterne des Aristoteles", da er in
die Leibeshöhle hinein einen Aufbau erzeugt, der einige Aehnlichkeit
mit einer Laterne besitzt (Fig. 2(J4).
Auf der Laterne des Aristoteles liegen der
Blutgefäss- und A m b u 1 a c r a 1 r i n g : von
ihnen steigen in der Axe des Schalenraumes zum
Periproct ovoide Drüse (Herz) und Steincanal empor.
Der Blutgefässring giebt ferner zwei den Darm beglei-
tende Gefässe ab, der Ambulacralring die fünf Ambu-
lacralgefässe. Letztere verlaufen auf der Innen-
seite der Amhulaera gemeinsam mit den Nerven,
welche im Umkreis der Mundöffnung unter einan-
der durch «len Nervenring vereint sind. In der
dorsalen Hälfte der Schalen liegen die fünf un-
paaren Geschlechtsdrüsen, welche auf den
Genitalplatten wie bei Seesternen interradial mün-
Fig.
294. Kau-
apparat f Laterne des
Anstoteles)von Stron-
ijulovcntrotus l ii iilua.
m \ ügels t ücke ,k K i e f e r ,
Zahne, m Inserti-
onen der Muskeln
(nach Sehmarda).
den (Fig. 25)3).
Bei der Systematik müssen wir zunächst die
ausschliesslich fossilen, dem Silur, Devon und der
Steinkohle angehörigen Perisefiocchiniden ausscheiden , bei denen zwar
5 Paar ambulacrale Plattenreihen vorhanden waren, die einzelnen Inter-
j
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III. Echinoideen.
305
nmbulacra dagegen von mehr als 2 Plattenreihen gebildet wurden. Die
übrig bleibenden, theils fossilen, theils recenten Seeigel zerfallen dann in
die beiden Gruppon der Reguläres und Irreguläres.
I. Ordnung. Reguläres.
Die regulären Seeigel haben bandförmige Ambulacra, eine nahezu
kugelige Körpergestalt und polar gelegene Mund- und Afteröffnung. Zu
ihnen gehören vornehmlich die an den europäischen Küsten so weit ver-
breiteten Echiniden: Echinus esetdcntus'L., E. mierotuforculatus Blainv., ferner
die Eehinometriden : Sphaenchinus granularis A. Ag., der zu entwick-
lungsgeschichtlichen Untersuchungen so viel benutzte Strongylocentrotus
liiidus Brdt.
II. Ordnung. Irreguläres.
Bei den irregulären Seeigeln ist der Körper abgeplattet, entweder
schwach wie bei den Spatangidcn, oder stark scheibenförmig bei den
Clypeastridcn. Von den Ambulacren sondern sich die dorsalen Hälften und
nehmen die petaloide Gestalt an. Aus dem Periproct, welches dauernd
inmitten der petaloiden Rosette liegt, rückt der After in ein Interambu-
lacrum, welches nach der Bewegungsrichtung der Thiere als das hintere
bezeichnet werden kann; bei manchen Thieren ist die Verlagerung so be-
deutend, dass der After auf dem Rand der Körperscheibe, ja sogar auf
der ventralen Seite liegen kann (Fig. 296). Umgekehrt kann die Mund-
Fig. 295. Fig. 296.
Fig. 295. Pedicellaricn. a geschlossen ,
1 geöffnet.
Fig. 29(3. Junger Spatangus pur-
jmreus nach Entfernung der Stacheln
von der Bauchseite gesehen; vorn die
Mundöffnung in Form eines Querspalt«,
am hinteren Ende der After, zwischen
beiden das Bivium, welches keine
Stachelhöcker hat (nach Agassiz).
Öffnung auf der ventralen Seite nach vorn rücken; da sie bei dieser Ver-
schiebung nach wie vor der Ausstrahlungspunkt der funetionirenden Füss-
chenreihen bleibt, so müssen 3 von diesen, die nach vorn gewandt sind,
immer kleiner werden, die zwei nach rückwärts gewandten, welche das
After-Interambulacrum begrenzen, müssen sich dagegen verlängern; sie
dienen daher hauptsächlich zur Fortbewegung: man sagt daher, dass die
irregulären Seeigel auf dem Bivium kriechen.
Bei den Clypca&tridm (Fig. 292) unterbleibt die Lageveränderung des
Mundes; dieser behält daher die Gestalt einer runden OefFnung und zugleich
auch den Kauapparat bei: Gypeaster suhdepressm A. Ag.. Echinocyamus
pwrillm Gray, Encope emarginata L. Ag. Bei den Spatnngiden (Fig. 296)
dagegen : Spatangm purpureum Leske, Echinocardiutn cordatum Gray, Brisnw
unicolor Klein, rückt die Mundöffnung nach vorn, wird eine von queren
Lippen begrenzte Spalte und besitzt keine Zähne mehr. Bei den Spatan-
II er tw lg, Mirlwh der Zoologe. 3. Auflage. an
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906
Stachelhäuter.
giden ist daher die ursprünglich radial symmetrische Grundform der Echioo-
dermen vollkommen zu einer bilateralen geworden.
IV. Clas.se.
Holothurlen, Seewalzen.
Die Holothurlen entfernen sich von dem typischen Habitus des
Echinodermenstamines am meisten. Auf den ersten Blick scheinen
sie vollkommen nackt zu sein und des sonst so auffallenden Haut-
skelets zu entbehren ; nur bei genauer Untersuchung findet man in der
Haut noch Reste von Verkalkungen in Form kleiner Platten, Rädchen oder
Anker. Dafür besitzen sie einen stark entwickelten, mit der Haut
fest verwachsenen Muskelschlauch, gebildet von longitudinalen und
circulären Faserzügen, welche den Thieren etwas Derbes, Lederartiges
verleihen.
Gewinnen die Thiere schon durch den Hautin uskelschlauch eine
grosse Aehnlichkeit mit den Würmern, so wird dieselbe noch weiter
dadurch gesteigert, dass die den After und den Mund verbindende
Hauptaxe des Körpers stark ver-
längert ist und bei der Fortbewe-
gung nicht wie bei allen übrigen
Echinodermen senkrecht, sondern
parallel zum Boden gerichtet ist.
Damit hängt eine hochgradige
Störung der radialen Sym-
metrie zusammen. Der auf dem
Boden aufliegende Theil der Kör-
perwand wird zur Bauchflächc; er
unterscheidet sich in mehr oder
minder auffälliger Weise vöm
Rücken durch lichtere Färbung und
ausgesprochene Abplattung. Von
den 5 Ambulacren , welche vom
oralen zum aboralen Pol ziehen,
sind meist nur die 3 ventralen (Tri-
vium) mit locomotorischen Füss-
chen ausgestattet (Fig. 297) , die
2 dorsalen besitzen gewöhnlich nur
tentakelartige Füsschen.
In der Leibeshöhle (Fig. 298)
liegt ein S-förmig gewundener
Darm, welcher mittelst eines
Mesenteriums am Hautmuskel-
Fig. 297. Oucumaria ptanci (aus schlauch befestigt ist; in seinen
Ludwig), von der Baueliseitc gönnen , b Endabschnitt, in die durch radiale
fakeln " ^ " Muskeln ausdehnbare Cloake, mün-
den 1 — 2 Wasserlungen; das sind
prall mit Flüssigkeit gefüllte Säcke, welche mit kleinen verästelten blinden
Ausläufern bedeckt sind. Da die Wasserlungen in ihrer Gestalt etwas an
die Excretionsorgane der Gephyreen erinnern, haben sie vorübergehend
zu der irrigen Auffassung verleitet, dass die Brücke von den Würmern
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IV. Holothurien: Pedaten. Apodes.
307
zu den Echinodermen einerseits durch die Gephyreen, andererseits
durch die Holothurien gebildet würde. Functionen sind die Wasser-
lungen als Respirationsorgane zu deuten, da sie sich periodisch mit
frischem Wasser füllen und ausserdem von Blutgefässen reichlich um-
sponnen werden, welche von 2 den Darm begleitenden Hauptgefassen
ausgehen. Häufig münden neben den Lungen noch die Cuvier'schen
Organe, welche morphologisch als besonders differenzirte Theile der
Wasserlungen, physiologisch als Vertheidigungsorgane aufgefasst werden,
theils wegen ihrer klebrigen Beschaffenheit, theils weil sie durch den
After ausgestülpt werden können.
« g
Fig. 298. Anatomie und Querschnitt
von Holuthuria tttbulosa (halbschematisch
nach Ludwig). T Tentakeln, rm Ring-
munkeln , Im Längstnuskcln , bei * eine
Strecke weit entfernt, um die Wasser-
gefässe zu zeigen. Ic Kalkring, trr Wasser-
gefässring, /< Puli'sche Blas*', st Steincanal,
f Geschlechtsorgan . m Mesenterien , d
)ann, rb, dh ventrales und dorsales Blut-
gefäss, nr, lir rechte und linke Wasscr-
hinge, rl Cloake, b Muskeln, a After, cu
( 'uvicr'sche Organe, mj Ambulacralgefiis.se,
/" Fiisschencanäle , h Haut, r' — rs die 5
t'omplexe von Ambulacralorganen (Am-
bulacralgefäss , Ambulacralnerv).
Der Anfangsdarm wird von 5 radialen und 5 interradialen Kalk-
platten gestützt, welche als Angriffspunkte für die longitudinalen
Muskelstränge dienen und ausserdem den Nervenring und den Ambu-
lacralring bedecken. Beide Ringe geben wie sonst bei Echinodermen
5 radiale Stämme ab, die auf der Innenseite des Muskelsehlauchs ver-
laufen. Vom Ambulacralring oder den Anfangen der Radialcanäle gehen
Ausstülpungen ans. welche im Umkreis des Mundes über die Körper-
oberfläche als äusserst sensible, zurückziehbare Fühler hervortreten und
bald wie krausenartig gefaltete Blätter (Aspidochiroten) (Fig. 20*), bald
wie zierlich verästelte Bäumchen (Dendrochiroten) (Fig. 297) aussehen.
Endlich sind als Anhänge des Ambulacralrings noch die meist unpaare
Poli'sche Blase und der Steincanal zu nennen; letzterer ist verästelt
und mündet mit mehreren Oeffnungen in die Leibeshöhle und nur aus-
nahmsweise auf der Körperobcrfläche. — Vom Gesehlechtsapparat
20*
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Zusammenfassung.
existirt nur eine einzige Drüse, welche sich dorsal und interambulacral
dicht neben dem Mund nach aussen öffnet.
Von besonderem Interesse ist die grosse Regenerationsfähigkeit
der Holothurien. Unter ungünstigen Verhältnissen oder auf starke
Reize hin (z. B. bei Conservirung in Spiritus ohne vorangegangene Be-
täubung durch Chloral) spucken die Thiere fast sämmtliche Eingeweide,
namentlich den Darm aus; trotzdem bleiben sie am Leben und können
sogar unter günstigen Verhältnissen das Verlorene wieder ersetzen. —
Im Innern gewisser Arten leben einige Parasiten; in die Cloake und
Wasserlungen von Stichopus regalis Cuv. schlüpft Schutz suchend ein
kleiner Fisch. Fierasfer acus; in den Eingeweiden von Synapta digitata
lebt die Entoconcha mirabilis, lange Zeit über die einzige bekannte
parasitische Schnecke. Eine parasitische Muschel, Entovalva mirabilis,
Völtzk. lebt im Oesophagus einer Synapta.
I. Ordnung. Pedaten.
Die Pedaten sind die typischen Holothurien, indem sie mindestens im
Bereiche des Triviums die Saugfüsschen bewahren. Ihre Tentakeln sind
verästelt: Ikndrochiroten (Oucumaria Planet v. Marcnz. Fig. 297) oder
schildförmig: Aspidociiiroten (Holothuria tubulosa Gm. (Fig. 298) und IL edulis,
letztere im getrockneten Zustand bekannt als „Trepang", der von den
Chinesen gegessen wird und einen wichtigen Handelsartikel des indo-
malayischen Archipels bildet). Eine besondere Gruppe bilden die Tiefsee-
holothurien, die mit Hörbläseben und mit eigenthümlichen dorsalen Am-
bulacralfortsätzen versehenen Elasipoden (Deima validum Theel).
II. Ordnung. Apodes.
Am fremdartigsten nehmen sich unter den Eciiinodermen die fusslosen
Holothurien aus ; sie kriechen im Schlamm wie Würmer, haben vom Wasser-
gefasssystem nur die Tentakeln bewahrt und sind meist hermaphrodit. Die
}fulpadiden besitzen noch die Wasserlungen (Molpadia australis Semp.), die
Synaptiden (Synapta digitata J. Muell.) haben auch diese verloren ; sie besitzen
Hörblii.schen.
Zusammenfassung der Resultate Uber Echinoderinen.
1) Die Eehinodcrnien theilcn mit den Coeleuteraten den radial
symmetrischen Bau, unterscheiden sich aber von ihnen
a) durch den Numerus der Radialsymmctrie (5),
b) dadurch, dass sie, wie die Larvenformen lehren, aus bilateral
symmetrischen Formen abgeleitet werden müssen.
2) Weitere Unterschiede sind a)die Anwesenheit der Leibes-
höhle, b) das Ambulacralgefässsystem , c) das mesodermale
stachelige Hautskelet, welches den Namen Echinodermen ver-
anlasst hat
3) Das Ambulacralgefässsystem ist eine Einrichtung, welche
zur Fortbewegung dient und in gleicher Weise nirgends vorkommt:
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Zusammenfassung.
30!)
man unterscheidet an ihm die siebartig durchbrochene, zur Wasser-
aufnahme dienende MadTeporenplatte, den das Wasser weiter
leitenden Steincanal, von dem aus der Ringcanal und dieöAm-
hulacralgefässe mit ihren Ampullen sich füllen; Seitenäste der
Ambulacralgefässe versorgen die Tentakeln und Füsschen und ermög-
lichen deren Ausstülpung.
4) Ambulacral, d. h. auf gleichen Radien mit den Anibulacral-
gefässen liegen die Blutgefässe und die Nervenstränge interambulacral
die Madrcporenplatte, der Steincanal, das „Herz" (ovoide Drüse) und
die Mündungen der Geschlechtsorgane.
5) Die Echinodermen zerfallen in 4 Classen: 1. Asteroideen.
2. Crinoldeen, 3. Echlnoideen, 4. flolothnrien.
6) Die Asteroideen bestehen aus der Körperscheibe und den 5 von
Ambulacralwirbcln gestützten Armen ; je nachdem die Arme Darm-
blindsäcke enthalten oder nicht, zerfallen sie in Stelleroideen und
Ophiuroideen.
7) Die Crinoidecn bestehen aus einem kelchförmigen Körper,
davon ausgehenden meist verästelten, Pinnulae tragenden Armen und
einem meist Cirren tragenden Stiel; mit Hilfe des letzteren sind sie
entweder dauernd festgewachsen oder nur im Laufe der Entwicklung,
während das freibewegliche Thier nur einen Rest des Stiels (Centro-
dorsale) bewahrt. Man unterscheidet 1) echte Crinoideen,
2) B lastoideen, 3) Cystideen.
8) Die Echhioidcen haben einen meist kugeligen oder ovalen
Körper, der von Kalkplatten gepanzert ist, welche meridionale, vom
Peristom zum Periproct reichende Reihen bilden, 5 Paar ambulacrale
Plattenreihen und 5 Paar interambulacrale.
9) Am Periproct enden die ambulacralen Plattenreihen mit den
unpaaren Ocellarplatten, die interambulacralen mit den ebenfalls
unpaaren Genitalplatten; eine der letzteren ist zugleich Madre-
porenplatte.
10) Reguläre Seeigel zeigen den After im Centrum des Periprocts
und die Mundöffnung im Centrum des Peristoms; sie haben bandförmige
Ambulacra.
11) Bei den irregulRren Seeigeln rückt stets die Afteröffnung in
einem Interradius nach rückwärts (C lypeast r id en), häutig auch die
Mundöffnung nach vorn (Spatan giden); stets sind petaloide Ambu-
lacra vorhanden.
12) Die Holothurien sind wurmförmig verlängerte Echinodermen
mit einer bis auf kleine Reste rückgebildeten Verkalkung; sie sind
bilateral symmetrisch geworden, indem sie zur Fortbewegung nur 3
Füsschenreihen benutzen, indem sie ferner meist nur eine Geschlechts-
drüse und 1 — 2 Wasserlungen besitzen.
13) Man unterscheidet Pedata, welche ausser Mundtentakeln noch
zum Kriechen dienende Füsschen haben und Apodes, bei denen nur
noch die Mundtentakeln vorhanden sind.
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:uu
Woichthiere.
Kopf.
Mantel,
Kos».
V. Stamm.
Mollusken, Weichthiere.
Fig. 299.
Fig. 300.
Wenn wir die Gesammtheit ihrer Organisation überblicken, so
machen die Mollusken — ähnlich wie die Plathelminthen und Hirudineen
unter den Würmern auf den Beobachter den Eindruck parenchyma-
töser Thiere. Eine geräumige Leibeshöhle fehlt; was früher als
Leibeshöhle gedeutet wurde,
hat sich als ein System
sinuöser Hohlräume heraus-
gestellt, welches mit dem
Blutgefässsystem zusam-
menhängt und sich inner-
halb eines Grurulgewebes
von Bindesubstanz und
Muskeln ausbreitet, das be-
sonders deutlich bei den
Muscheln die Eingeweide
durchsetzt. Gleichwohl ge-
winnt in der Neuzeit die
AutfasNiing mehr und mehr
an Boden, dass die Mollus-
ken von Leibeshöhlenthiereo
abgeleitet werden müssen,
und zwar von Formen, bei
denen durch starke Wuche-
rung eines bindegewebigen
und musculöseii Paren-
chyms die Leibeshöhle bis
auf unbedeutende Beste,
die Lumina des Herzbeu-
tels und der Geschlechts-
drüsen , eingeengt wor-
den ist.
Wo die Molluskenorga- y. 20a__901
nisation in allen Theilen pj
wohlentwickelt ist, wie bei Schnecke UHix), Fig. 301 einer Muschel (Atmtonta),
den meisten Schnecken, letztere seitlich und auf dem Durehsehm«. Einge-
♦ - „i, am U' /,.• weideknäuel punktirt, Mantel schrafhrt , Sehale
unterscheidet man am hui- M.lnvarz r <Whralgaiudion , v Pcdalganglion , r
per 4 Abschnitte (Hg. 299, Visecralganglion. a Atter, fit Ftuw, m Mantelhöhle,
300,301). Die Hauptmasse seh Sehale, / Trichter. •
des Körpers bildet der
Ein ge weide sack, in welchem die Muskulatur weniger reichlich ist,
weil sie von der Leber, dem Darm, der Niere und dem Geschlechts-
apparat auf eine dünne periphere Lage verdrängt wird. Nach vorn
verlängert sich der Eingeweidesack in den Kopf, welcher je nach den
Arten mehr oder minder scharf durch eine halsförmige Einschnürung
Fig. 301.
Schemata der 3 Molhwkenclaswen.
halopmkn (Sepia), Fig. 300 einer
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Weichthiere.
311
abgesondert ist und ausser dem Mund auch die Fühler und Augen,
somit die wichtigsten Sinnesorgane, trägt Nach abwärts schliesst
sich eine unpaare dicke Muskelmasse an, der gewöhnlich zur Fort-
bewegung dienende Fuss. Vom Rücken endlich erhebt sich der
Mantel, eine Hautfalte, welche einen grossen Theii des Körpers um-
hüllt. Die Muscheln (Fig. 301) haben eine doppelte Mantelfalte, eine
rechte und linke, welche beide von der dorsalen Mittellinie entspringen
und sich nach rechts und links über Fuss und Eingeweidesack aus-
breiten; die Tintenfische (Fig. 2t»9) und Schnecken (Fig. 300) dagegen
haben eine unpaare Falte, welche von einer nahezu central gelegenen
Region des Rückens ihren Ursprung nimmt und von hier aus nach
allen Richtungen hin dachartig vorspringt oder sich wie eine Kapuze
einseitig nach vorn oder nach hinten über den Körper herüberlegt.
Der Mantel der Mollusken ist nach zwei Richtungen hin von Bedeutung;
seine Aussenfläche ist mit einem Epithel bedeckt, welches im Zu-
sammenhang mit dem Epithel der angrenzenden Körperoberfläche die
Fähigkeit hat, eine Schale zu bilden, indem es cuticulaartige, dicke
Lagen einer reichlich mit kohlensaurem Kalk imprägnirten organischen
Substanz (Conchiolin) ausscheidet. Die Innenfläche der Mantelfalte da-
gegen begrenzt mit der Körperoberfläche gemeinsam einen Raum, die
Mantelhöhle, welche nach ihrer wichtigsten Function auch die Athem-
höhle heisst. Da die meisten Mollusken Wasserbewohner sind, liegen
in ihr besondere blutgefässreiche Erhebungen der Haut von ver-
schiedener Gestalt, die Kiemen, während bei den Landbewohnern die
Wandung der mit Luft sich füllenden Athemhöhle (Lunge) zur
Respiration verwandt wird.
Unter den erörterten Verhältnissen ist es begreiflich, dass die
Beschaffenheit der Mantelfalten sowohl auf die Beschaffenheit der
Schalen, wie auch der Athmungsorgane einen Einfluss ausüben muss.
Paarige Mantelduplicaturen haben zur Folge, dass auch die Schale eine
doppelte ist und aus einer linken und rechten Hälfte besteht, dass man
eine linke und rechte Athemhöhle und demgemäss eine linke und rechte
Kieme unterscheiden kann. Bei unpaarer Mantelfalte ist die Schale
und die Mantelhöhle stets unpaar, während die Kiemen sehr häufig auch
dann noch ihre paarige Anordnung beibehalten.
Die Mantelhöhlenkiemen der Mollusken nennt man Kammkiemen oder
Ktenidien, weil sie in ihrem Bau an einen Kamm mit zwei Reihen von
Zinken erinnern. Jede Kieme besteht nämlich aus einem bindegewebigen,
die Hauptblutge lasse enthaltenden Axenstrang und zwei Reihen von Kiemen-
blättchen; mit dem Axenstrang ist sie an der Wand der Athemhöhle
fcstgewachsen (Fig. 339). Bei manchen wasserathmenden Mollusken
fehlen die Ktenidien. Dann wird dem Athembedürfniss anderweitig ge-
nügt, entweder durch die diffuse Hautathmung oder durch accessorische
Kiemen, welche von den Ktenidien sich durch andere Structur und ihre
Lage ausserhalb der Mantelhöhle unterscheiden.
An den Stellen, an welchen der Körper der Mollusken nicht von
der Schale befleckt ist, besitzt er ein Cylinderepithel, das häufig Flim-
mern trägt und mit einzelligen Schleimdrüsen durchsetzt ist. Diese
bedingen die weiche, schlüpfrige Beschaffenheit der Haut, die den Namen
„Mollusca", Weichthiere, veranlasst hat ; sie sind am Mantelrand be-
sonders reichlich. Auch vielzellige Drüsen kommen vor, wie die
Purpurdrüsen, Fussdrüsen etc. mancher Schnecken, die ßyssusdrfisc
der Muscheln.
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Weichthiere.
So wichtig nun auch für die Charakteristik der Mollusken die An-
wesenheit von Kopf, Fuss und Mantel sein mag, so sind die genannten
Körperanhänge doch keineswegs überall vorhanden. Bei keiner Muschel
ist ein besonderer Abschnitt vom übrigen Körper als Kopf unterscheid-
bar; bei vielen Schnecken vermisst man die Mantelfalte und damit
auch die Mantelhöhle und die Schale. Bei den Cephalopoden fehlt der
Fuss oder er ist vielmehr zu anderweitigen Anhängen (Trichter und
Armen) umgewandelt. Wenn mau nun auch in allen diesen Fällen
mit Sicherheit behaupten kann, dass der Mangel der wichtigen Mol-
luskenorgane durch Bück- und Umbildung zu erklären ist, so bleibt
die Thatsache, dass die Organe beim ausgebildeten Thiere fehlen,
gleichwohl bestehen. Daher ist es von ganz ausserordentlicher Wichtig-
keit, dass die Beschaffenheit des Nervensystems uns ein
Merkmal an die Hand giebt, welches von keinem Mol-
lusken verleugnet wird. Dasselbe besteht aus 3 Knötchen-
paaren, von denen ein jedes zu wichtigen Sinnesorganen in Be-
ziehung steht. Ein Paar liegt dorsal vom Schlundkopf und entspricht,
den oberen Schlundganglien der Würmer; es sind die Hirn- oder
Cerebralganglien, welche die Fühler und die Augen versorgen.
Unterhalb des Darms liegen vorn auf der Muskelmasse des Fusses
die Pedal ga n gl ien und auf ihnen oder in ihrer Nähe die Hör-
bl äse hen. Weiter rückwärts linden sich, ebenfalls ventral, die Vis-
ceralganglien und in ihrem Umkreis ein drittes, bei den Mollusken
weit verbreitetes Sinnesorgan, welches im Epithel der Mantelhöhle eine
mit Flimmern bedeckte Verdickung darstellt und nach Lage und Bau
als Geruchsorgan (0 sp h ra d i u m) gedeutet werden muss. Die Pedal-
ganglien und Visceralganglien hängen mit den Cerebralganglien mittelst
der Cerebropedal- und Cerebrovisceralconiniissuren zusammen. Je
nachdem diese Commissuren lang ausgezogen oder stark verkürzt sind,
sind die Ganglienknötchen in dem Molluskenkörper weit zerstreut
oder zu einer gedrungenen Nervenmasse im Umkreis des Schlund-
rohrs vereint.
Genauere Besprechung verlangen die Verhältnisse der Cerebral- und
Visceralganglien. In den Verlauf der Cerebrovisceralcomtuissuren sind
nämlich bei den meisten Schnecken jederseits zwei Ganglien eingeschaltet,
ein vorderes, das Pleuralganglion, welches mit dem Pedal ga n g 1 i o n
durch die Pleuropedalcommissur verbunden ist, und ein hinteres, das
Parietalganglion (Fig. 3(J2 A). Das Parietalganglion ist bei Lungen-
Fijr. 302. Verschiedene
Formen des Ncrvensv-tcins
bei Mollusken. A Mehrzahl
der ( 'ep/mluphorcH , Ii
La null ihm iah /< , (' Cr-
phulnpiulm und l'nhtto-
riatni; r Hirnjranirlion, pf
Pleural-, pu Parietal-, v
Visceral-, pf Pedaljranj:-
lion.
Schnaken, ('vphalupwhn und Muscheln mit dem Visceralganglion verschmolzen
(B, Cj; das Pleuralganglion zeigt in den genannten Gruppen ein wechselndes
Verhalten ; bei den Muscheln (Ii) ist es dem Cerebralganglion zugefügt und
verstärkt mit seiner Pedalcommissur die Cerebropedalcommissur; bei
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Weichthiere.
Lungenschnecken und Cephalopoden (C) verschmilzt es dagegen ebenso wie
das Parietalganglion mit dem Visceralganglion ; seine Pedalcommissur be-
wirkt in Folge dessen eine bei anderen Mollusken fehlende Brücke zwischen
Pedal- und Visceralganglien. — Obwohl Gehörorgan und Geruchsorgan
ihre Nerven vom Pedalganglion, resp. vom Visceralganglion (genauer aus-
gedrückt dem Parietalganglion) empfangen, so scheint das Centrum ihrer
Innervation dennoch im Cerebralganglion enthalten zu sein.
Nächst dem Nervensystem ist für die Mollusken die Beschaffen- H]y,t"£!*"
heit des Herzens am meisten charakteristisch; dasselbe ist ein
dorsales arterielles Herz mit Kammer und Vorkammer. Die
Kammer ist stets unpaar, die Vorkammer dagegen paarig, solange die
Kiemen, von denen aus das Blut dem Herzen zuströmt, paarig sind,
während bei unpaarer Beschaffenheit der Kiemen nur eine einzige
Vorkammer vorhanden zu sein pflegt. Stets finden sich besondere
Arterien und Venen ; Capillaren kommen dagegen nur den Cephalopoden
zu, während bei den niederen Mollusken, namentlich den Muscheln, die
feineren Arterien sich in lacnnäre Bahnen öffnen, deren Gesammtheit
früher Leibeshöhle genannt wurde. Ein vollkommen geschlossenes
Blutgefässsystem scheint selbst bei den Cephalopoden nicht vorzu-
kommen.
Das Molluskenherz ist in einen geräumigen Herzbeutel w«t.
eingeschlossen, welcher fast ausnahmslos durch einen flimmernden ojÄSu
Canal, die Nieren spritze, mit der Niere in Verbindung steht und org*,w
bei manchen Mollusken {Cephalopoden und einigen Muscheln) ausser-
dem auch mit der Geschlechtsdrüse zusammenhängt. Auf diese
Thatsachen gründet sich die oben schon erwähnte Ansicht, dass
bei den Mollusken Beste einer Leibeshöhle im Herzbeutel und im
Lumen der Geschlechtsdrüse enthalten sind. Man erklärt nämlich die
Beziehungen, welche zwischen Pericard einerseits, Geschlechtsorganen
und Nieren andererseits bestehen, aus den Verhältnissen der Coelhel-
minthert, besonders aus denen der Anneliden, bei denen die Segmental-
organe durch Flimmertrichter in die Leibeshöhle münden und die Ge-
schlechtsproducte aus dem Epithel der Leibeshöhle oder abgeschnürter
Theile derselben entstehen. Wichtig für die Begründung der Ansicht
ist ferner der Nachweis geworden, dass bei Paludina vivipara sich eine
Leibeshöhle (Enterocoel) durch Divertikelbildung des Darms anlegt. - -
Nieren und Geschlechtsorgane sind bei einem Theil der Mollusken noch
paarig, bei einem anderen sind sie durch einseitige Bückbildung un-
paar geworden. Die Geschlechtsorgane sind bald hermaphrodit, bald
gonoehoristisch , stets aber ausserordentlich umfangreich. Noch mehr
Kaum beansprucht im Eingeweideknäuel der Verdauungstractus, welcher
Oesophagus, Magen, einen gewundenen Enddarm und eine gewaltige
Leber, meist auch Speicheldrüsen erkennen lässt.
Die F ortpflanzung der Mollusken ist eine a u s - Entwicklung
schliesslich geschlechtliche; weder Knospung, noch Theilung,
noch Parthenogenesis sind je beobachtet worden. Die Eier werden
meistens in grösseren Mengen vereinigt in Gallerten abgelegt und sind
entweder selbst dotterreich oder mit nährenden Eiweisshüllen umgeben.
Wenige Mollusken (z. B. Paludina vivipara) sind lebendig gebärend.
Sehr verbreitet ist die Metamorphose: bei derselben schlüpft aus dem
Ei die „Veligerlarve" (Fig. 303), an welcher man Kopf, Fuss und
Mantel auch dann unterscheiden kann, wenn das zugehörige Thier im
ausgebildeten Zustand den einen oder den anderen Abschnitt ver-
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314
Weichthiere.
missen lässt. Diese Beobachtung verdient besondere Beachtung, da sie
lehrt, dass der Mangel des Kopfes oder des Mantels oder der Schale,
welchen wir bei grossen (i nippen der Mollusken feststellen können, kein
ursprünglicher Zustand ist, sondern nur durch Rückbildung dieser Theile
Fig. 'Mi. Veligerlarve 1T10-
chophora) von Tcrtdo natalit
(ans Hat.«ehck) mit schon gel>il-
dcter /.weiklappiger Schale (&),
Sehl Schlossrand rlcr Schale,
SMr vorderer , SMh hinterer
Bchliewmnskcl , Mrs Mesoderni,
MP Urzcllen de* Mcsodernifl,
/. lieber, Wirr. Wl{, wirr Wimper-
tnit
kränz, Sp Scheitel platte
Wimperschopf ws, O Mund, .1
After. Oc Oesophagus, •/' Dann.
Ii Enddann, Xr/,li Xiere , LMd
und LMr Längsnuiskeln.
erklärt werden kann. Der Name Veliger bezieht sich auf das Velum,
einen kräftigen Kranz von Wimpern, welcher ein vor der Mundöffnung
gelegenes Feld, das Stirn- oder Velarfeld, umgrenzt, der Larve zur
Fortbewegung dient und bei starker Entwicklung nicht selten ähnlich
der Radscheibe eines
-1 ,{ Räderthiers gelappt ist
(Fig. 304). Die Ve-
ligerlarve erinnert
sehr an die Trocho-
phora der Würmer,
dient zur Verbreitung
der Mollusken und ist
daher für festsitzende
oder wenig bewegliche
Formen wie die Mu-
scheln von grosser Be-
deutung. Wenn die
Metamorphose fehlt
(Cephalopoden , Pul-
monaten etc.), ist trotz-
dem das Veligerstadium häutig noch während der Kmbryonalentwicklung
an einem rudimentären, ein präorales Feld umgrenzenden Zellenwulst
zu erkennen.
Systematisch .theilte man die Mollusken lange Zeit über in 3 Olassen,
1) die Muscheln, LamcUihrancIticr oder Acrphalcn. 2) die Scimecken. Gaslro-
jtod&l oder O phalojihon n, 3) die Tintenfische oder ('cphalojtodcn. Von den
Schnecken hat man in der Neuzeit die Käferschnecken oder Chitonen ab-
getrennt und mit einigen höchst eigentümlichen, wurmartigen Formen
Fig. 304. Veligerstadien : A einer Srlnwrke . Ii eines
Pteropodcn (aus Uegcnbaun. o Schale, p Fuss mit Oper-
calum (op), r Vclum, t Tentakeln.
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I. Amphineuren.
315
iOuwiofkmm, Xeomenia) unter dem Namen Amphiueuren vereint. Da die
Thiere in vieler Hinsicht die ursprünglichsten Verhältnisse unter den
Mollusken bewahrt haben, mögen sie an erster Stelle besprochen werden.
Die den Kern der Amphineuren bildenden Chitonidcn oder Käfer-
schnecken (Fig. 305) wurden früher zu den Cephalophoren gestellt, weil
sie wie diese auf einein breiten sohligen Fuss kriechen und eine Radula
(vergl. S. 329) besitzen ; sie nahmen aber stets innerhalb der Classe eine iso-
lirte Stellung ein, schon in ihrer äusseren Erscheinung vermöge der höchst
rudimentären Beschaffenheit des Kopfes, der bilateral
symmetrischen Gestalt ihres Körpers und des abweichenden
Baues der Schale. Letztere besteht aus acht dachziegelförmig sich
deckenden, beweglich mit einander verbundenen Platten, welche über
dem Kücken quere Schienen bilden und durch ihre scharfe Abgrenzung
an die Gliederung der Insecten (daher der deutsche Namen) erinnern.
Schalenstücke und Mantel bilden links und rechts ein vorspringendes
Dach über den zahlreichen Kiemen, welche jederseits in einer Reihe
hinter einander liegen.
Die Symmetrie des Körpers drückt sich auch in der An-
ordnung der Eingeweide aus. Der After mündet genau terminal;
links und rechts von ihm liegen die paarigen Mündungen der Nieren
und der gonochoristischen Geschlechtsorgane. Den paarigen
Kiemen entsprechen endlich paarige Vorkammern des Herzens.
Alles dies sind primitive Charakterzüge, welche die Chitoniden den
hypothetischen Urformen des Molluskenstammes nähern, freilich sich
in ähnlicher Weise auch bei den Muscheln vorfinden. Was nun aber
den Thieren mehr als allen übrigen Mollusken das Gepräge grosser
Ursprünglichkeit verleiht, ist der äusserst interessante Bau des Nerven-
systems. An Stelle von Ganglienknötchen finden wir lang ausge-
zogene Nervenstränge: ein Cerebralstrang bildet über dem Anfangs-
<larm einen durch eine ventrale Gommissur geschlossenen Bügel, der
nach rückwärts zwei Paar Nervenstränge aus>cndet. Das eine Paar
repräsentirt die Pedalganglien, das andere Paar die Visceralganglien
I. Classe.
Amphineuren, Urmollusken.
Fig. 30.">. Chittm sqiiit-
uiosus, links ganzes Thier
vom Rücken gesehen,
rechts ein Thier mit prä-
pari rt eni N e rve n sy s t e 1 1 1
und Kiemen. V Hirn. P
I'edalstrang, /'/ Pleurovis-
ci ralstrang des Nerven-
systems, A* Kiemen, o
•Mund . n After (nach
Haller).
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310
Weichthiere.
(sammt den Ganglien der Cerebrovisceralcommissuren, den Pleural-
und Parietalganglien). Somit fehlt die bei allen übrigen Mollusken
durchgeführte Sonderuug des Centrainervensystems in Ganglienknötchen
und Commissurcn.
Wegen der Beschaffenheit der Scliale nennt man die Chiton'ukn (Chiton
squamosus L.) Plaeophorcn ; man unterscheidet von ihnen andere Amphi-
neuren als Aplaeophoren oder Sofeuogastres. Bei denselben fehlt die Schale
ganz, die Kiemen und die Radula können ebenfalls gänzlich fehlen, der •
Fuss, der Mantel und die Kierueuhöhle sind rudimentär. Im Habitus
gleichen die Thiere eher Würmern als Mollusken. ('haetoderma nitidulum
Loven, Xcomcnin eurinata Tullberg.
II. C lasse.
Laniellibranehler, Acephalen, Muscheln.
Unter sämmtlichen Mollusken haben die Muscheln das geringste
Maass von Ortsbewegung; viele sind ganz festgewachsen; die meisten
kriechen ; äusserst wenige vermögen sich springend mit Hilfe ihres
Fusses oder schwimmend durch Zusammenschlagen der Schalen fort-
zubewegen. Mit dieser Lebensweise hängt es zusammen, dass die
Thiere ein viel grosseres Schutzbedürfniss haben als die übrigen
Mollusken und dem entsprechend auch eine viel kräftigere Schale aus-
scheiden, in welcher der Körper meist vollkommen geborgen liegt
Die Schale einer Muschel erinnert an die eines Brachiopoden,
indem sie aus 2 Stücken besteht ; während aber die Stücke einer
Brachiopodenschale auf der dorsalen und ventralen Seite des Körpers
entstehen und als obere und untere unterschieden werden, sind die
Schalenhälften einer Muschel symmetrisch zur Sagittalebene des Körpers
links und rechts angeordnet und besitzen daher für gewöhnlich
auch einen im Wesentlichen symmetrischen Bau. Nur wenn das Thier
mit der rechten oder linken Schale auf felsigem Grunde dauernd an-
wächst, entwickelt sich die betreflende Schale kräftiger und führt zu
einer geringen Asymmetrie, an welcher auch der Weichkörper An-
theil hat.
Für das Verständniss des Baues der Schalen sind ihre Be-
ziehungen zum Weichkörper, vor Allem zu den Mantellappen und den
Muskeln von entscheidender Bedeutung, so dass man alle drei Theile
nur im Zusammenhang besprechen kann. Die beiden Mantel 1 appen.
welche auf ihrer Oberfläche die Schalen ausscheiden und nur aus-
nahmsweise (Ephippodonla, Chlamydoconcha) sie allseitig umwachsen,
nehmen ihren Ausgangspunkt vom Bücken der Muschel (Fig. 313) und
erstrecken sich von da abwärts nach vorn und hinten, so dass sie das Thier
vollkommen umhüllen. In der Nachbarschaft des Rückens findet sich
daher auch der älteste Theil der Schale, zugleich auch der am stärksten
gewölbte, der Schal en nahe 1 oder Umbo (Fig. 306); um denselben
ordnen sich annähernd concentrisch die Anwachsstreifen an, Linien,
welche zeigen, wie allmahlig beim Wachsthum der Mantellappen auch
die Schale eine Vergrößerung erfahren hat. Am Rücken sind die
beiden Schalen einander am meisten genähert und bei der Mehrzahl der
Muscheln durch das „Sc bloss4' beweglich verbunden. Ein Schloss
entsteht, indem Vorragungen der einen Schale, die Schlosszähne,
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II. Lamcllibranehier.
317
chariiierartig in Vertiefungen der anderen Schale eingreifen. Bei den
Brachiopoden war Oeffnen und Schliessen der Schale ein activer,
durch Muskeln vermittelter Vorgang. Bei den Lamellibranchiern wird
das Oeffnen der Schale passiv durch ein dorsal und meist hinter dem
Schloss angebrachtes elastisches Band besorgt; der Verschluss
der Schalen wird dagegen durch Muskeln, die Adductoren, bewirkt,
welche quer durch den Muschelkörper von Schale zu Schale ziehen
und auf diesen durch ihre Insertionen deutliche Eindrücke hinterlassen
<Fig. :306). Gewöhnlich findet man einen gleich starken vorderen und
hinteren Adductor (Dimyaricr), selten ist der vordere rudimentär
( Heteromyarier) oder ganz geschwunden ( Mnnomyarier). Wenn die Ad-
ductoren erschlaffen oder gar absterben, müssen die Schalen unter
dem Einfluss des elastischen Bandes klaffen, was dem gemäss bei todten
Thieren sets zutrifft.
Fig. 900. Fig. 307.
Fig. 30li. Linke Schale von Crassntclla plumltea von innen und aussen (auf Zitlel).
letztere Ansieht mit Anwachsstreif en. (Mantellinie ohne Ausbuchtung.)
Fig. 307. Rechte Schale von Maetra stnltorum (aus Leunis-Ludwig) von innen
iMantelünie mit Ausbuchtung).
Für beide Figuren gelten folgende Bezeichnungen: a' vorderer, a" hinterer Aduc-
toreneindruck. tu Mantellinie, .s sinuöse Ausbuchtung derselben, o Schloss, / innere
Bandgrulie.
Die typische Form des Muschelschlosses ist das hetcrodonte Schloss
(Fig. 307): jede Schalenhälfte besitzt in der Gegend des Umbo eine Gruppe
von Schlosszähnen, wobei die Zähne der linken Schale mit denen der
rechten alterniren. Ausser diesen „Cardinalzähnen" findet man noch vor-
dere und hintere, oft zu Leisten ausgezogene „Lateralzähne". Das Ligament
liegt hinter dem Schloss, gewöhnlich äusserlich sichtbar (äusseres L.),
selten offenbar durch Einfaltung in das Innere verlagert (inneres L.) (Fig.
306). Das sogenannte sdiixodonte und desmodonte Schloss sind wohl nur
als Modifikationen des heterodonten Schlosses anzusehen. — Ausser „hetero-
donten" Muscheln giebt es nun aber noch Muscheln von offenbar primi-
tivem Bau, bei denen entweder jegliches Schloss noch fehlt (dysodont) oder
das Schloss durch zahlreiche, in einer Reibe symmetrisch zum Umbo ge-
stellte Höckerchen {taxodont) oder durch zwei kräftige ebenfalls symmetrisch
zum Umbo angeordnete Vorsprunge ersetzt ist (isodont). In diesen Fallen
ist das Ligament gewöhnlich auch symmetrisch zum Umbo ausgebildet, so
dass ein Theil vor, ein Theil hinter dem Umbo äusserlich sichtbar lagert,
wenn es nicht durch Einfaltung zu einem inneren Ligament geworden ist.
Eine besondere Zeichnung auf der Innenseite der Schale wird
noch durch die Beziehungen zur Manteloberfläche herbeigeführt. Da
am Mantelrand die Ausscheidung der Schale am lebhaftesten vor
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318
Weichthiere.
sich geht, hängen beide Theile hier fester zusammen ; auch dienen hier
kleine Muskelchen zu einer innigeren Vereinigung. So entsteht ein
Randbezirk, welcher ein anderes Aussehen als der Rest der Schale hat
und gegen diesen durch eine dem Schalenrand parallele Linie, die
Mantel linie, abgegrenzt ist (Fig. 306). Bei vielen Muscheln, den
Simipalliaten, zeigt die Mantellinie eine Einbuchtung am hinteren Ende
(Fig. 307 s), indem der Bezirk inniger Verwachsung sich auf Kosten
des übrigen Theils der Schalenobertiäche vergrössert. Auch dazu
geben gewisse Structuren des Mantels Veranlassung, die wir daher zu-
nächst betrachten müssen. Ihrer Entstehung nach müssen die beiden
Mantelfalten Membranen mit freien Rändern sein, welche bei geschlos-
sener Schale fest gegen einander gepresst werden. Damit nun das
Wasser auch dann noch ungehindert aus- und einströmen kann, besitzt
jede Mantelhälfte am hinteren Ende zwei Ausbuchtungen, eine obere
und eine untere, welche den Ausbuchtungen der anderen Seite genau
entsprechen, so dass bei geschlossener Schale zwei Oetfnungen ent-
stehen (Fig. 306). Die obere Oeffnung ist die Cloakenöffnung.
da sie zur Entleerung der Fäcalien und des gebrauchten Athemwassers
dient ; die untere, welche das Einfliessen des frischen Athemwassers
vermittelt, ist die B r a nc h i a 1 öf f n u ng.
Bei vielen Muscheln verwachsen die beiden Mantellappen mit ihren
freien Rändern in der ventralen Mittellinie unter einander bis auf drei
Oetfnungen, welche ausgespart bleiben: einen Schlitz für den Durch-
tritt des Fusses und die beiden schon erwähnten Oetfnungen, welche man
nunmehr B r a n c h i a 1 - und A f t e r - ( Kloakal-) S i p h o nennt (Fig. 309).
Eine weitere Vervollkommnung dieser Einrichtung wird dadurch herbei-
geführt, dass die Umrandung beider Siphonen sich zu langen Röhren, den
Siphonairöhren verlängert, welche durch besondere Muskeln zurückge-
zogen und wieder in die Länge gestreckt werden können (Fig. 310). Die
Rückziehmuskeln der Siphonairöhren sind die Ursache der Einbuchtung der
Mantellinie, indem sie ihren Ursprung von der inneren Schalenwand
nehmen und so Veranlassung werden, dass der Randbezirk der
engeren Vereinigung von Mantel und Schale sich einwärts vergrössert
(Fig. 307).
Fig. 3(16—310. Sipkonier und
Asiphonier von rückwärts ge-
sehen. Fig. 308. Anwhnta cyy-
ttea. Fig. 309. hocaniia cor.
Fig. 310. Lvtrttria clliptira. a
Afteraipho, b Branchiakipho, kJ
äussere»*, k" inneres Kiemenblatt.
m Mantel,*« Schale. / Fuss.
Fig. 310. Fig. 309. Fig. 306.
Dünnschliffe durch die Schale (Fig. 311) lassen an derselben drei
Lagen erkennen, zu äusserst die Cuticula, eine -nur aus organischer
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II. Lainellibranchier.
31!>
Masse bestehende Schicht, darunter zwei weitere Lagen, die im Wesent-
lichen aus kohlensaurem Kalk bestehen, von denen die äussere die
Prismen Schicht, die innere die Perlmutterschicht heisst Die
Prismenschicht hat ihren Namen von kleinen, zur Oberfläche senkrechten
viclkantigen Prismen, die wie die Pflaster-
steine dicht zusammengefügt sind; die
Perlmutterschicht dagegen zeigt dflnne La-
mellen, welche im Grossen und Ganzen
der Oberfläche parallel geschichtet sind
und um so schöner irisiren, je feiner sie
beschaffen sind. Namentlich bei den tech-
nisch verwerthbaren Perlmutterschalen,
welche von zwei Arten, der Melagrina und
der Margaritana margaritifera , stammen,
sind die einzelnen Lagen von ausserordent-
licher Feinheit. Wenn zwischen die Schale
und die mit der Schalenbildung betraute
Oberfläche des Mantels Fremdkörper ge-
rathen, so reizen sie das Epithel zu stär-
kerer Ausscheidung von Perlinuttersubstanz
und werden von zahlreichen Schichten der-
selben umhüllt und abgekapselt. Auf diese
Weise entsteht eine Perle; Perlen sind
somit krankhafte Producte, deren Bildung
künstlich durch Einführen von Fremdkör-
pern veranlasst werden kann.
Zwischen dem Mantellappen und der
Körperoberfläche liegen die Kiemen,
deren lamellöse Gestalt den Namen La-
mellibranchier veranlasst hat (Fig. 312, 313).
Auf jeder Seite des Körpers sind zwei
Kiemenblätter vorhanden, von denen
selten das äussere durch Rückbildung
verloren geht. Indem zumeist die Kiemen
der linken und rechten Seite hinter dem
Körper der Muschel verwachsen, erzeugen
sie eine Scheidewand, welche den Mantel-
raum in eine kleine obere und eine geräumige untere Etage theilt
(Fig. 312). Erstere ist die Cloake, da in sie der After mündet und
aus ihr der Aftersipho ableitet ; letztere ist die Athemhöhle, sie erhält
durch den Branchialsipho das Athemwasser zugeführt, Einwärts
und nach vorn von den Kiemen liegen zwei Paar Lappen, welche
ebenfalls stark mit Flimmerepithel bedeckt sind, die Mundöffnung
umfassen und Mundsegel heissen.
Die Kiemen der Lamellibranchier besitzen verschiedene Grade der Aus-
bildung. Die Nuculiden — unter den lebenden Formen die primitivsten —
haben noch ächte Ktenidien wie die meisten Mollusken, und zwar jederseits
des Fusses eine Kammkieme, an der man eine dem Körper angewachsene
Axe und eine äussere und innere Reihe von Kiemenblättern unterscheiden
kann. Aus der Kammkieme lässt sich ohne Schwierigkeit die Faden-
kieme ableiten. Indem jedes Kiemenblättchen in einen langen Faden aus-
wächst, entstehen sowohl in der linken wie rechten Mantelhöhle 2 Reihen
von Fädchen, eine innere und eine äussere; die Fädchen einer Reihe sind
Fü
311.
von
Schliff durch die
Anoihmla. I Perl-
iniitterschicht, p Prisnienschicht,
c Cuticula.
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4
320 Weichthiere.
so dicht aneinander gefügt, dass sie den Eindruck eines zusammenhängenden
Blattes hervorrufen. Eine ächte Blattkieme entsteht jedoch erst, wenn be-
Fig. 312. Bau der Ttichmutchel, Hantel und Kiemen dor rechten Seite ab-
getragen, I'cricani geöffnet, Leber der rechten Seite entfernt gedacht; Einpeweide
hihI Nervensystem etwa* Bchematüch eingezeichnet. / vorderer, 2 hinterer Auductor,
/ Gerebral-, // Pedal-, H/Visceralgangtt'on, a Afterupho, Irr Branchialsipho, by oberer,
/-■' unterer Schenkel de* BojanusWhen Orpans, r Mündunp desselben nach aussen,
daneben Mümlunp <!<•>< ;<'r.ehleehtsup]»arats. sp Niercnsnritze (Communication der Niere
mit dem Pcricard), '/ Darm. wo er das Herz durchbohrt, //'Kammer, //* rechte Vor-
kammer «Ii s Herzens, g Geschlechtsdrüse, / linke I^clicr. /' Mündunp der rechten Ix?ber,
tu Mapen, fu Fuss, ml Mantellinie, rx vorderer, r! hinterer Ketraetnr, A'1 Insertionen
der beiden Lamellen des inneren rechten Kiemenblatts. K* innere linke, A'* äussere
linke Kieme, r Mundsegel.
nachbarte Fädchen in Zwischenräumen mit einander verwachsen, wobei
zwischen den Verwachsungsstellen Hoffnungen oder Kiemenspalten übrig
bleiben. Zum genaueren Verständniss der Faden- und Blattkiomen muss
noch hervorgehoben werden, dass jedes Kiemenfädchen am freien Rand
der Kieme umbiegt und nach der Basis zurück läuft, so dass man an ihm
einen absteigenden und aufsteigenden Schenkel unterscheiden kann. So
erklärt sich, dass bei den Blattkiemen jedes Kiemenblatt aus 2 einen
Binnenraum umschliessenden Lamellen besteht, von denen die eine Lamelle
aus den absteigenden, die andere aus den aufsteigenden Schenkeln der
Kiemenfäden durch Verwachsung entstanden ist. Der Binnenraum der
Kieme dient öfters zur Aufnahme der jungen Brut,
»u»! and Der vollkommene Einschluss des Körpers in Mantellappeu und
ttJmZ Schalen hat bei den Muscheln zu einer gänzlichen Rückbildung des
Kopfes und seiner Anhänge geführt; man kann daher am Körper nur
zwei Abschnitte unterscheiden, dorsal den Eingeweideknäuel, ventral
den Fuss. Der Fuss, welcher bei manchen Arten ebenfalls rfick-
gebildet wird, ist eine beilförmige Muskelmasse, welche enorm an-
schwellen und dann wieder zusammenschrumpfen kann. Vielfach er-
klärte man das Anschwellen des Fusses durch Aufnahme von Wasser
in das Blut: jetzt wird allgemein angenommen, dass das Anschwellen
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II. Lamellibranchier.
321
des Fusses damit zusammenhängt, dass Blut aus anderen Körper-
provinzen in ihn hineingepresst wird. Kann der Fuss durch seine ver-
schiedene Anfüllung mit Blut zum Kriechen dienen, so besitzt er bei
vielen Muscheln ausserdem noch die besondere Bedeutung eines Haft-
organs ; in ihm liegt dann eine ansehnliche Drüse, welche seidenartige
Fäden, den Byssus, zu erzeugen vermag (Fig. 314); ein fingerförmiger
Fortsatz des Fusses dient zum Anheften der Fäden, deren anderes Ende
mit dem Fuss in Zusammenhang bleibt. Muscheln, welche eine Byssus-
drüse besitzen, findet man mittelst eines dicken Bausches von Byssus-
fäden an Steinen, Pfählen etc. fest verankert.
Fig. 314. Mytilu.« ctlaHs (aus Blan-
eharm. a Mantelrand , b Spinnfinger
des Fusses, r Byssus, d, e Retractoren
den Fusses, f Mund , y Mundlappen,
h Mantel, i innere, j äussere Kieme.
Fig. 313. Die Figur giebt in schematischcr Weise 2 auf eine Ebene projicirte
Querschnitte wieder, deren I^ige durch die Pfeile der Figur 312 bezeichnet wird.
/ Schalenband, ach Schale, tu Mantel, bl ol>erer, b1 unterer Schenkel des Bojanus'schen
Organs, sp Nierenspritze, 0 Mündung der Niere nach aussen, daneben die Geschleehts-
«"»ffnung, y Geschlechtsorgane. //' Herzkammer, den Enddarm umschliessend, h* Vor-
kammer, d Darm, klt innere, k- äussere Kieme, n Cerebrovisceraleommissur, /• Venen-
sinus, fit Fuss.
t\ Im Eingeweideknäuel liegt am meisten dorsal das ansehnliche,
vom Pericard umhüllte Herz: eine Kammer mit einer linken und
rechten flügeiförmigen Vorkammer (Fig. 312 A1 u. Ä*). Die Vorkammern
empfangen das Blut direct von den Kiemen: die Kammer leitet es
weiter durch eine vordere und hintere Aorta an die Körperprovinz
(Fig. 312).
Dicht unter dem Herzbeutel stösst man bei der Präparation auffloi*«"*»^«
die Nieren oder die Bojanus'schen Organe. Die Organe der 0tf*a''
linken und rechten Seite tretfen in der Mittellinie zusammen und können
mit ihren Ausführwegen sogar eine Strecke weit verwachsen sein. Jede
Niere besteht aus einem oberen glattwandigen und einem unteren, von
Balkenwerk durchzogenen Hohlraum, welche beide am hinteren Ende
in einander übergehen, sonst aber durch eine dünne Scheidewand von
Her t wir, Uhrbuch der Zoolofte. 3. Auflage. 0\
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322 ( Weichthiere.
einander getrennt bleiben. Der untere Hohlraum, die Bojanussche
Höhle im engeren Sinne, hängt an seinem vorderen, sonst blind ge-
schlossenen Ende durch einen flimmernden Canal, die Nierenspritze,
mit dem Herzbeutel zusammen; der obere Hohlraum dagegen, die
„Vorhöhle", mündet durch einen kurzen Canal, den Ureter, an der Seiten-
wand des Körpers im Bereich des Binnenraums der inneren Kieme nach
aussen. Eine Communication führt somit vom Herzbeutel in die Bo-
janus'sche Höhle, von hier in die Bojanus'sche Vorhöhle und schliess-
lich durch den Ureter in die Mantelhöhle. Diesen Weg benutzen
öfters die Geschlcchtsproducte. indem Hoden und Ovarien, sei es in
den Herzbeutel, sei es in die Niere münden. Doch gilt im Allgemeinen
die Regel, dass eine selbständige Geschlechtsöffnung neben dem Nieren-
porus lagert. Hoden und Ovarien der meist gonochoristischen Thiere
sind acinöse Drüsen mit einfachem Ausführweg ohne weitere Hilfs-
organe. — Der D a r in beginnt mit einem kurzen Oesophagus, erweitert
sich zu einem ansehnlichen Magen und behält dann nach abermaliger
Verengerung bis zum After den gleichen Durchmesser bei; er bildet
viele in einander geschlungene Windungen. Der Endabschnitt tritt
merkwürdiger Weise von vorn und unten in den Herzbeutel ein und
durchbohrt die Herzkammer, um schliesslich dorsal und rück-
wärts aus dem Pericard auszutreten und in die Cloake zu münden.
In seinem Verlauf ist der Darm, abgesehen von den Geschlechtsdrüsen,
noch von den Lappen einer ansehnlichen Leber umhüllt, deren
Seeret durch je einen Ausführweg von links und rechts in den Magen
entleert wird.
Die drei Molluskenganglien sind ungewöhnlich weit von ein-
ander entfernt. Die beiden Hirnganglien (Cerebro -Pleuralganglien)
liegen beiderseits der Mundötfnung dicht unter dem vorderen Ende
der Mundlappen und ventral von den vorderen Adductoren: sie sind
durch eine lange Quercommissur, die dorsal die Mundhöhle umgreift,
verbunden und auffallend klein, da Kopfaugen und Tentakeln fehlen.
In geringer Entfernung vom After ventral vom hinteren Adductor
findet man die Visceralganglien (Parieto-Visceralganglien) zu einem
einheitlichen Körper vereint. Auch die Pedalganglien der beiden
Seiten sind dicht an einander gefügt; sie ruhen ziemlich weit vorn
auf der Muskelmasse des Fusses. Von höheren Sinnesorganen
sind constant nur die II örblä sehen, welche auf den Pedalganglien
liegen ; als Sinnesorgane sind dann ferner noch die nervenreichen
Mundlappen anzusehen und zwei kleine Epithelanschwellungen an der
Basis der Kiemen (Geruchsorgane, Osphradien). Wenn Augen vor-
kommen, so sind sie, wie bei den Pectenarten, in grosser Zahl wie
Perlen am Mantelrand aufgereiht und somit vollkommen andere Bil-
dungen als die Kopfaugen der übrigen Mollusken. Kleine Tentakel-
chen, welche ausser den Augen am Mantelrand besonders in der
Gegend der Siphonen vorkommen, zeigen, dass auch sonst der Mantel-
rand als Sinnesorgan verwandt wird.
Während der Entwicklung beobachtet man sehr häufig das zur
Ausbreitung dienende Veligerstadium (Fig. 303); aber auch wenn
dasselbe fehlt, kann die Entwicklung den Charakter der Metamorphose
nehmen, wie z. B. bei unseren Anodontcn. Die junge Brut unserer Teich-
muscheln, die in den mütterlichen Kiemen aufwachsenden Glochidien,
unterscheidet sich vom Mutterthier durch die Anwesenheit der Byssus-
faden ; ferner ist anstatt zweier Adductoren nur einer vorhanden ; endlich hat
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II. Lainellibranchier : Protoconchen. 323
der freie Schalenrand jederseits einen Haken , mit denen sich die jungen
Thiere an vorbeischwimmenden Fischen festhaken (Fig. 315). Sie er-
reichen die Fische, indem sie, wie manche andere Muscheln es ebenfalls
thun, durch Zusammenklappen der Schalen
schwimmen; in der Fischhaut erzeugen
sie einen Entzündungsherd, in dessen Inne-
rem sie heranwachsen und unter Erneue-
rung der Schale und der Schliessmuskeln
die definitive Gestalt annehmen. Nach
beendigter Metamorphose fallen die jungen
Muscheln ab, um im Schlamm halb ver-
graben weiter zu leben.
Für die Systematik der Lamellibran-
ckier sind der Bau der Kiemen, des Mantel- Fig. 315. Glochidium von Ano-
randes und der Adductoren wichtig. Ein don*.a (a™ Balfour). *w Byssus,
A . . . i _ -j* Bumeahaare , ad Adductor, sh
jeder dieser Apparate zeigt höhere und Schale.
niedere Entwicklungsstufen. Bisher hat
man meist einseitig das eine oder das
andere Merkmal benutzt. Zu einem natürlichen System wird man
jedoch nur gelangen, wenn man die verschiedenen Apparate möglichst
gleichmässig berücksichtigt, wie dies im Folgenden geschehen soll. Es
sollen hier die Muscheln, welche besonders in der Bildung der Kiemen und
des Schlosses auf einer niederen Stufe verharren, als Protoconchen von den
höher entwickelten Heteroconchen unterschieden werden.
I. Ordnung. Protoconchen.
Der primitive Charakter der Protoconchen giebt sich vor Allem
im Bau der Kiemen zu erkennen, welche entweder Kammkiemen (Proto-
branchier) oder Fadenkiemen (Filibranchicr) sind. Doch wird hier
und da schon die Verwachsung der Kiemenfäden zu Blättern angebahnt
(Pectiniden, Ostreiden). Schloss und Ligament sind symmetrisch zum
Umbo entwickelt oder weichen wenig von der Symmetrie ab. Ersteres
kann fehlen, letzteres ist öfters ganz oder zum Theil in 's Innere ver-
lagert Die Mantelränder sind frei, selten finden sich die ersten Spuren
von Verwachsung.
I. Unterordnung. Dimyarier oder Homomyaricr. Mit zwei gleich starken
Adductoren sind ausgerüstet: die taxodonten Nuculiden {Nucula rostrata Lam.)
und Arciden {Area Noae L.). Die Xuculiden (auch Protobranckier genannt)
sind janter den lebenden Muscheln am ursprünglichsten gebaut, indem sie
Kammkiemen und einen zum Kriechen dienenden sohlenförmigen Fuss be-
sitzen. Auch sind Pleural- und Cerebralganglien noch von einander ge-
trennt. —
II. Unterordnung. Anisomyarier. Vorderer Adductor rudimentär (Hctero-
myarier) oder gar nicht vorhanden (Monomyarier). Mit Ausnahme der
iaodonten Spondyliden ($p. yarderoptis L.) sind alle hierher gehörigen Familien
ohne Schloss (dysodont). Zu den Iletcromyaricm gehören die MyliUden,
Muscheln mit starkem Byssus und herzförmiger, nach dem vorderen Ende
zu einer Spitze ausgezogener Schale: Pinna nobüu L., über einen Fuss
gross, Byssus lang und seidenartig, zu Gespinnsten verwerthbar. Mytihts
edulis L., Miessmuschel (Fig. 313), eine etwa 3- -5 cm lange, schwarzblaue
Muschel, die sich in Massen im Meer an Pfählen und Mauerwerk der
Hai'enbauten ansiedelt; wegen ihres Wohlgeschmacks vielerorts (besonders
21*
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Weichthiere.
in Tarent) cultivirt; zeitweilig wie die Auster giftig. Drcyssena polymorj>ha
Pall. (von Mylihis im Bau der Kiemen, des Blutgefäss- und des Nervensystems
wesentlich unterschieden), leht im Brakwasser und dringt in das Süsswasser
vor; aus ihrer Heimath (caspisches Meer, schwarzes Meer; in die Flüsse
Russlands verschleppt, langt sie seit einiger Zeit an, sich vom Norden aus
auch in Deutschland zu verbreiten. JAthodomus dactylus L., essbar. bohrt
Steine an; am bekanntesten sind die Bohrlöcher am Serapistempel in der
Neuzeit als Fischbehülter gedeutet) von Pozzuoli. — Kine zweite Familie. ,
die Aviculiden, hat ihren Namen von den flügelartigen Fortsätzen, welche
den Schlossrand einnehmen. Am bekanntesten ist Mekagrina margaritifcra L..
die echte Perlmuschel des indischen und stillen Oceans, auch in West-
indien heimisch ; die Perlmutterschicht besonders fein structurirt und an-
sehnlich dick, vielfach zu Schrauckgegeuständen verwandt, liefert allein die
feinen theuren Perlen. — Monomyarier sind die Ostrciden oder Austern.
Muscheln, welche mit der linken, seltener mit der
rechten Schalenklappe am Meeresgrund festgewacbsen
sind (Austernbänke): Östren edulis L. zuweilen giftig.
Ferner gehören hierher die Peetinidm, deren kamrn-
t förmig geriefte Schalen vielfach an Stelle von Tellern
benutzt werden . deren Mantelrand reichlich mit Ten-
takeln und smaragdgrünen Augen besetzt ist. Pccftn
Jivuharns L.
Fig. 31«. Tnrdo
(atalis. A das Thier
in der geöffneten
Kalkröhre mit her-
ausgezogenen Si-
phoneu. B einige
Zähne der Kopf-
platte stark vergrös-
eert. a Aftcrsipho,
l> Branchiabipho, k
Kopfplatten (beha-
lt •), r Köhre.
II. Ordnung Heteroconcben.
Die llcteroconchen haben stets lamellöse Kiemen,
deren Oberfläche häufig eingefaltet ist (Riff kiemen).
Das Schloss — in seltenen Fällen (Anodonia) durch
Rückbildung verloren gegangen — ist heterodont
oder durch Umbildung aus dem heterodonten Schloss
entstanden. Nur selten sind die Mantelränder in
ganzer Ausdehnung von einander getrennt, meist
sind Siphonen vorhanden, bei einem Theil der Arten
klein, so dass sie keinen Einfluss auf die Mantel-
linie gewinnen Integripalliata — , in anderen
Fällen gewaltig, so dass eine deutliche Mantelbucht
vorhanden ist — Sinupalliata. Vorderer und hinterer
Adductor sind gleich stark.
L Unterordnung. InkijrijmUiaten. Die Siphonen
fehlen meist gänzlich bei den Najadcn, welche in Hun-
derten von Arten im Süsswasser verbreitet sind. Die
europäischen Formen vertheilen sich auf die Gattungen
Anodonta und TJnio. Die Anodonten oder Teichmuscheln
haben dünne Schalen ohne Schlosszähne; die Unionen
dagegen besitzen eine dicke Perlmutterlage und an-
sehnlich entwickelte Schlosszähne. Am schönsten ist
die Perlmutterschicht bei Unio {Margarüana) margariti-
fcra L., welche zur Perlmutterfabrikation verwandt
wird und die minderwerthigen deutschen Perlen liefert;
das Thier lebt besonders häufig in Bächen des Fichtel-
gebirges, des bayrischen und Böhmerwaldes, findet
sich aber auch in Sachsen, Hannover, Schottland etc.
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II. Lamellibranchier: Heteroconchen.
325
i
Fig. 317. Röhrn
von Aspert/illum ta-
— Mit kleinen Siphonen sind ausgerüstet die Tridacntden , zu denen die
grösste Muschel, die Trulacna gigas Lam. gehört, deren Schalen über
4 Fuss gross und 3 Ctr. schwer werden können. Eine
weitere marine Familie sind die Carduten, Herz-
muscheln: Cardium cduie L. Im Süsswasser sind die
Cycladiden verbreitet, kleine, erbsen gross© Muscheln, die
sich von jungen Najaden durch ihre dünnen Schalen
und die daraus hervortretenden, zarten Siphonen unter-
scheiden. Cyclas Cornea L. lHsidium atnnicum Müll.
An die wahrscheinlich ebenfalls hierher gehörigen f.-ha-
midcn reihen sich an die ausgestorbenen, der Kreide
angehörigen Rudisien, deren rechte Schale festgewachsen
und zu einem thurmartigen Kegel verdickt war, trotz-
dem aber nur einen sehr kleinen Binnenraum ent-
hielt, welcher von der linken deckelartigen Schale ge-
schlossen wurde.
II. Unterordnung. SinupaUiaten. Typische Reprä-
sentanten sind die von der schönen Färbung ihrer
Schalen den Namen führenden Vener ülvn und die Telli-
niden mit ovaler, flach gewölbter Schale: Venus paphiu
L. und Teüina baltica L. — Bei vielen SinupaU taten
werden die Siphonen so lang und kräftig, dass sie in
die relativ kleinen, an beiden Enden stets klaffenden
Schalen nicht zurückgezogen werden können: Myidni, gint forum, «Schale
Klaffmuscheln, und Soleniden Messermuscheln {Solen (awLiidwigLeunto.
cag'tna L.). — Das leitet uns Über zu Muscheln,
deren vereinigte Siphonen den übrigen Körper bei Weitem an Ausdeh-
nung übertreffen, so dass die Thiere die Gestalt eines Wurmes an-
nehmen (Fig. 316). Da die beiden Schalenklappen nicht ausreichen, den
Körper zu bedecken, so werden sie in verschiedenem Grade rudimentär
und können durch accessorische Stücke ergänzt werden, oder der wurm-
förmige Körpor erzeugt eine Kalkröhre, ähnlich der Röhre eines Röhren-
wurmes, in welcher die Schalenrudimente noch eingeschlossen sind : Pkola-
diden, Bohrmuscheln genannt, weil sie in Holz und Stein ihre Gänge bauen.
Pholas dactylus L. mit ansehnlichen Resten der Muschelschale und grossen
accessorischen Schalenstücken, vermag im härtesten Stein zu bohren, ausge-
zeichnet durch starkes Meerleuchten. Tercdo naralis L., Schiffsbohrwurm (Fig.
31 G), sieht wie ein weichhäutiger Wurm aus, da sowohl die Muschelschale
als auch die accessorischen Stücke äusserst klein sind ;, er bohrt im Holz
Gänge, die er mit Kalk auskleidet; dadurch wird er Schiffen, sofern sie
nicht mit Kupferplatten bedeckt sind, und hölzernen Hafen- und Damm-
bauten gefährlich; er war Ursache von den grossen holländischen Damm-
brüchen, die sich in vorigem und diesem Jahrhundert mehrfach wiederholt
und grosse Opfer an Menschenleben gefordert haben. Bei den Gastro-
cftaeniden, Giesskannenmuscheln, endlich steckt der Weichkörper in einer
nahe dem hinteren Ende verbreiterten Röhre, in welcher die beiden Schalen-
klappen noch deutlich zu erkennen sind ; das schmale Ende der Röhre ist
offen, das breitere durch eine durchlöcherte, an eine Giesskannenbrause
erinnernde Platte geschlossen (Fig. 316). Asprgillnm iivjinifWmn Lam.
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Weichthiere.
III» C la.>se.
(Vphalophorcn, Gastropoden, Schnecken.
Die Ccphalophoren bilden die umfangreichste Gruppe unter den
Mollusken, welche daher auch einer einheitlichen Charakteristik die
meisten Schwierigkeiten bereitet. Unsere Landschnecken nnd die vor-
wiegend marinen Prosobranchier und Opisthobranchier zeigen das Wesen
der Classe am vollkommensten ausgeprägt und müssen daher bei der
Schilderung zu Grunde gelegt werden; bei manchen Formen wie den
FissureUen etc. sind die Merkmale gleichsam in Entwicklung begriffen:
bei den Hcteropoden und Pteropodcn und, wenn man die Thiere über-
haupt zu den Ccphalophoren rechnen will, den Scnphopoden dagegen
sind sie schon wieder verwischt und inoditicirt.
Bei typischen Schnecken (cfr. Fig. 3<)0) finden wir einen musculösen
F u s s , einen E i n g e w e i d e s a c k , einen unpaaren Mantel mit
Schale und einen deutlich abgesetzten Kopf.
Die Muskelmasse des Fuss es ist auf der ventralen Seite zu einer
Sohle abgeplattet, auf welcher die Thiere kriechen. Man unterscheidet
an ihm zwei nach vorn und hinten ausgehende Fortsätze, Propodium
und Metapodium : auch ist in ihm öfters eine besondere Drüse, die
Fussdrüse, eingeschlossen.
Der Kopf ist mit Ausnahme weniger Formen durch die Anwesen-
heit der Fühler ausgezeichnet; dieselben sind musculöse Fortsätze, an
deren Basen die sehr einfach gehauten Augen liegen. Bei unseren
Landschnecken und manchen anderen Formen ist dies Verhältniss in
zwei Punkten modificirt: erstens werden die Fühler rückziehbar,
zweitens erhebt sich die Umgebung der Augen und wächst zu den
Augenstielen oder den hinteren längeren Fühlern aus, welche bei den
marinen Schnecken nur selten vorkommen. Die Augenfühler sind
Schläuche, in deren Innerem ein aus dem Fuss abzweigender Rück-
ziehmuskel bis zur Spitze eindringt; durch die Contractionen des
Muskels werden sie wie Handschuhfinger umgestülpt und in das
Körperinnere zurückgezogen, so dass man dann ihr äusserstes Ende
und das daselbsf angebrachte Auge mitten unter den Eingeweiden
antrifft. Eine Ausstülpung der Fühler wird herbeigeführt, indem
ihr Inneres durch Contraction der Körpermuskeln mit Blut ausge-
spritzt wird.
Die Munt elfalte beginnt auf dem Rücken der Schnecke und
schlägt sich von hier nach vorn über den Rumpf bis in die Gegertd,
wo der Kopf beginnt. Sie überdeckt die Mantel- oder Athemhöhle,
einen ansehnlichen Raum, welcher unter dem Mantelrand durch einen
mehr oder minder weiten Spalt nach aussen klafft Der Spalt kann
eingeengt werden, indem die Mantelfalte in einiger Entfernuug von
ihrem freien Rande mit dem Rückenintegument verwächst, bis schliess-
lich von der weiten Connnunication nur ein kleines, durch einen
Muskel vollkommen verschliessbares Athemloch, das Spi rac u 1 u m ,
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III. Cephalophoren. 327
übrig bleibt. Eine weitere für das Verständniss der Schale wichtige
Bildung ist der Sipho, ein lang ausgezogener, auf seiner unteren
Seite rinnenförinig ausgehöhlter Fortsatz des Mantelrandes, der zum
Einleiten des Athemwassers dient.
Der E i n g e w e i d e s a c k der Schnecken gewinnt in Folge der
starken Ausbildung der Geschlechtsorgane und der Leber eine be-
deutende Ausdehnung. Eine Vergrösserung nach abwärts wird durch
die feste Muskelmasse des Fusses unmöglich gemacht und so drängen
die Organe gegen den Rücken und buchten die Ursprungsstelle der
Mantelfalte, den Ort des geringsten Widerstandes, bruchsackartig aus;
manche Organe können dabei sogar in die Decke der Mantelhöhle
hineingerathen, wie Niere und Herz. Ist der Eingeweidebruchsack,
was zumeist zutrifft, enorm entwickelt, so bildet er keinen gerade auf-
steigenden Höcker, sondern rollt sich von links nach rechts spiralig
ein. Je älter das Thier ist, um so mehr Spiralumgänge müssen ge-
bildet werden und um so ausgedehnter müssen die zuletzt entstan-
denen Umgänge sein. Der Eingeweideknäuel beginnt daher an der
Spitze mit engen Windungen, welche nach abwärts immer ansehnlicher
werden.
Nach dem Vorstehenden ist die Beschaffenheit der Schnecken- sch*ic
sch ale leicht verständlich; als ein Ausscheidungsproduct des Mantels
wird sie in ihrer Gestalt von der Form, die der Mantel unter dem
Einfluss des Eingeweideknäuels annimmt, vollkommen bestimmt. Bei
geringer Ausbildung des Eingeweideknäuels hat die Schale die Ge-
stalt eines chinesischen Hütchens (Pateila) (Fig. 318), oder einer nur
an der Spitze ein wenig spiral eingerollten, flachen Mütze (Haliotis)
(Fig. 310). Ist der Eingeweideknäuel lang gestreckt, so wird auch die
umhüllende Schale im Allgemeinen eine lange, nach dem blinden Ende
zu verjüngte Röhre sein. Dieselbe ist selten unregelmässig gewunden,
wie die an Röhrenwürmer erinnernden Vcrmetiden zeigen (Fig. 320) ;
raeist ist sie nach Art einer Uhrfeder in einer Ebene oder wendel-
treppenartig aufsteigend eingerollt. Im letzteren Falle nimmt die
Schale eine mehr oder minder ausgesprochene Kcgelgestalt an (Fig.
321), und man kann an ihr nun eine Spitze (Apex) und eine Basis
unterscheiden; inmitten der letzteren findet sich zumeist eine Ver-
tiefung, der Nabel (Urabo). Wenn die einzelnen Windungen locker
gefügt sind und in der Umbo und Apex verbindenden Spindelaxe nicht
zusammenstossen, so ergiebt sich hier (bei den Perspectivschnecken,
Sealarien) ein Raum, durch den man hindurchsehen kann : meist
schliesscn jedoch die Windungen fest zusammen und verschmelzen
zur Bildung einer festen Kalkspindel, der Columella (Fig. 322 c),
um welche die Umgänge herum verlaufen.
Die Schneckenschale wächst bis zu einer bestimmten Grösse am
Mantelrand weiter; da der Mantelrand die untere Schalenöffnung be-
zeichnet, müssen notwendigerweise die Anwachsstreifen der Schalen-
mündung parallel gestellt sein. Am Mantelrand werden auch die Pig-
mente bereitet, welche bei der Bildung der Schale in diese mit über-
gehen und ihre nicht selten prächtige Färbung bedingen. Wenn der
Mantelrand in eine lange Rinne, den Sipho, ausgezogen ist, so erhält
auch die Schale einen entsprechenden Fortsatz : man unterscheidet da-
her holostome Schalen mit glattrandiger Mündung (Fig. 321) und
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328 Weichthiere.
siph'onostome Schalen, bei denen der Mündungsrand in eine
Siphonalrinne verlängert ist (Fig. 322s).
Fig. 3is. Fifr. 32a
Fig. 318—322. Verschiedene Schalcnfonnen. Fig. 318. Patrl/a lottf/trosta. Schale
vom Kücken gesehen (ans Sehmarda). Fig. 315». Hai tot is tuberculata. Fig. 320 Schale
von Vermrtu« deutiferus (aus Bronn). Fig. 321. Litltoglyphm naticoiihs. Schalen-
eingang durch Opercnlnin geschlossen (ans Clessin). Fig. 322. Schale eines Mttrrr
«öffnet durch Abschleifen <lcr unteren Schalenumgänge. C Columella, S Sipho
(nach Schm arda).
Im Allgeineinen ist der Contact zwischen Schale und Weichkörper
leicht zu lösen und das Thier durch geeignetes Drehen aus der Schale
herauszunehmen ; nur in der Gegend der Mündung ist ein engerer
Zusammenhalt, sowie weiter einwärts, etwa auf halber Höhe der Colu-
meila, wo sich ein besonderer Muskel, der Musculus columellaris
inserirt (Fig. 325 o. Derselbe zweigt selten unpaar, meist mit einem
linken und rechten Strang von der vorderen Fussmuskulatur ab und
steigt in der Nachbarschaft der Schalenspindel auf. So lange seine
Insertion nicht gelöst ist, kann man eine Schnecke nicht aus ihrem
Gehäuse unverletzt herausbekommen. Er zieht während des Lebens die
Schnecke in das Haus zurück, zunächst den vorderen Abschnitt mit
dem Kopf, dem dann weiter das hintere Ende, das Metapodium, folgt.
Da dabei das Metapodium umgelegt wird, kommt die Sohle desselben
einwärts, die Rückenseite nach der Mündung zu liegen. Auf dieser
beim retrahirten Thier allein noch nach aussen schauenden Stelle er-
zeugen die meisten marinen und manche Süsswasserschnecken eine
dicke Kalkplatte, das Operculum, welches bei eingeschlagenem
Metapodium den Schaleneingang vollkommen schliesst. Da beim
Wachsthuni die Schalenmündung sich vergrössert, muss auch das Oper-
culum (Fig. 321) sich vergrössern; um vollkommen der Schalenöffnung
III. Cephalophoren.
zu correspondiren, muss es ein spirales Waehsthuni wie die gesammte
Schale einhalten, weshalb das Operculum auf seiner Oberfläche
nicht selten eine charakteristische Spirallinie zeigt Unsere ein-
heimischen Schnecken haben meist kein Operculum, wohl aber können
sie, wenn sie sich zum Winterschlaf verkrochen haben, die Schalen-
mündung durch eine dicke Kalkschicht, das Epiphragma, absperren;
im Frühling fällt das Epiphragma ab, indem seine Ränder wieder ge-
löst werden.
Die meisten Schnecken haben eine dexiotrope Schale, d. h.
die Schale ist derart spiral gewunden, dass, wenn ein Körper sich in
ihren Umgängen von der Spitze abwärts nach der Basis, also in der
Richtung des Wachsthums bewegen würde, er die Richtung von links
nach rechts, wie der Zeiger einer Uhr, einhalten würde; der Körper
würde dabei die Spindelaxe stets zu seiner Rechten haben. Laeotrope,
links gewundene Schalen (Fig. 323) sind bei wenigen Arten vorhanden
und finden sich als seltene Ausnahmen auch bei
Thieren, welche sonst dexiotrope Schalen besitzen.
Auf einem Schliff unterscheidet man an der Schale
2 Schichten, die innere lainellöse Schicht, die zu-
weilen schönen Perlmutterglanz hat und eine
äussere Lage, welche trüb ist und auch die Pig-
mente enthält, die Porcellanschicht In seltenen
Fällen fehlt der Mantel und dem gemäss
auch die Schale gänzlich; oder der Mantel s«hiUV von ^aui?sU\s
ist vorhanden , die Schale aber rudimentär und ran'nnfus {am I^unis-
äusserlich nicht sichtbar, weil sie von Mantelfalten Ludwig),
ganz umwachsen ist. In solchen Fällen sind die
Eingeweide nicht zu einem Bruchsack ausgestülpt. Da bei schalen-
losen Arten die Larven einen Mantel und eine Schale besitzen, so ist
wohl stets der Mangel der Schale und des Mantels durch Rückbil-
dung zu erklären.
Bei der inneren Anatomie der Schnecken muss man be- A,T°^",ic
achten, dass nur wenige Formen nach Art der Amphineuren und Ha««weWc.
Lamellibranchier bilateral symmetrisch sind ; gewöhnlich hat eine der
Drehung des Eingeweideknäuels conforme spirale Drehung der Organe
von links hinten nach rechts vorn stattgefunden und zu einer ver-
schiedengradigen Asymmetrie des Darms, der Niere, der Kiemen, des
Herzens und des Nervensystems geführt. Beim Darm rückt der After
nach rechts und vorn in die Athemhöhle oder in die Nähe des Kopfes:
Nieren, Herz, Kiemen und das mit den Kiemen verbundene Geruchs-
organ (Osphradium) wandern mit In Folge der Drehung kommen die
linken Theile rechts, die rechten links vom After zu liegen ; sie zeigen eine
Tendenz zur asymmetrischen Entwicklung, indem die Organe der einen
Seite (zumeist die ursprünglich links gelegenen) vollkommen schwinden.
Nimmt auch das Nervensystem an der Drehung Theil, so entsteht eine
merkwürdige, unter dem Namen „C h i a s t o n e u r i e" bekannte Kreuzung
der Cerebro-Visceralcommissur.
Der Darm beginnt im Kopf mit einem musculösen, nach aussen
vorstülpbaren Schlund köpf; am Grunde desselben erhebt sich die
Zunge, ein dicker, oft von einer Art Knorpel gestützter Muskelwulst,
der von einem euticularen Blatt, der Radula, überdeckt ist. Die
Oberfläche der letzteren ist mit spitzen, nach rückwärts gekrümmten
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330
Wcichtbiere.
Zähnen bewaffnet (Fig. 324 B u. (7). welche im Allgemeinen in Quer-
und Längsreihen gestellt sind, im Uebrigen aber eine so grosse
Mannichfältigkeit der Form, Grösse und Anordnung erkennen lassen,
dass sie mit Vortheil systematisch verwerthet worden sind. Obwohl
die Kadula die Zunge bedeckt, wird sie doch nicht vom Zungenepithel
gebildet, sondern vom Epithel des Radulasacks irs), einer ventralen,
hinter der Zunge liegenden Ausstülpung des Schlundkopfs: von hier
aus wächst sie über die Zunge hinüber wie der Nagel über das Nagel-
bett, in gleichem Maasse. als sie sich beim Gebrauch am vorderen
Ende abnutzt. Beim Fressen dient ferner ein unpaarer. dorsaler oder
ein Paar lateraler Überkiefer. Der auf den Schlundkopf folgende
Darm bildet eomplieirte Windungen, ehe er durch den After meist
»r»«n-
»> stein.
Flg. 3"24 A ii. Ii. Schlundkopf von lMijr uomatia,
A in seitlicher Ansicht, öder hänge nach aufge-
schnitten, or Oesophagus .»;> Speichelgantr. rs Hu-
dttlasttck, r Hnduhi. i Zungcnknorpcl, k Kiefer, m
Muskeln, <> Mundöffnung.
Fig. V24 C. Eine Querroihe der Raduln von 7ro-
chw* riwrarius (nach Sehmarda).
rechts vorn neben oder in der Mantelhöhle, selten am hinteren Ende in
der Mittellinie nach aussen mündet (Fig. 326). In ihm sind Magen,
Oesophagus und Dünndarm wenig von einander gesondert, da der Magen
(m) sich ganz allmählig in die beiden angrenzenden Darmabschnitte ver-
jüngt. Die Windungen des Darms sind umhüllt von der Leber (f),
welche vermöge ihrer starken Ausbildung den Hauptbestandteil des
Eingeweidesacks ausmacht. In den Schlundkopf mündet ausserdem noch
ein Paar Speicheldrüsen (sp)y die bei den Doliiden die physio-
logische Merkwürdigkeit zeigen , dass sie ein freie Schwefelsäure ent-
haltendes Secret produciren.
Das N e r v e n syst e m der Ccphnlophoren unterscheidet sich da-
durch von dem der übrigen Mollusken, dass sich meistens in der
Visceralcommissur gewisse, sonst mit Visceral- und Cerebralganglien
verschmolzene Nervenknötchen, die Pleural- und Parietalganglien,
gesondert erhalten. Sind die einzelnen Conunissuren kurz, die Ganglien-
knötchen in Folge dessen im Umkreis des Pharynx vereinigt und da-
durch dem EinHuss der Spiraldrehung entrückt, so erhält sich die
symmetrische Vertheilung der Ganglien, die Orthoneurie (Fig. 325 II).
Sind dagegen die Cerebro -Visceralcominissuren lang ausgezogen, so
bildet sich fast stets die C h i a s t o n e u r i e heraus. Pleural- und
Visceralganglien bewahren zwar ihren Ort, dagegen rückt das Parietal-
ganglion der rechten Seite über den Darm herüber (daher auch G.
supraintestinale genannt) nach links, das linke unter dem Darm hindurch
(G. subintestinale) nach rechts ; die gesammte Cerebro-Visceralcommissur
erfährt hiermit eine Kreuzung und beschreibt eine Achter -Tour
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III. Ccphalophoren.
331
(Fig. 325 II). Mit der starken Entwicklung des Schlundkopfes hängt
die Anwesenheit besonderer Bucealganglien zusammen.
Kiemen, Niere und Herz werden am besten im Zusammenhang*'**^1*'6«
besprochen. Gewisse Schnecken erinnern noch sehr an die Lamclli-
hranchier, indem das Herz vom Mastdarm durchbohrt wird, indem
ferner linke und rechte Kiemen, linke und rechte Nieren und 2 Vor-
höfe des Herzens vorhanden sind. In der Regel
findet man jedoch nur eine einzige kammförmige
Kieme, und zwar die allerdings meist nach links
verschobene rechte, und in entsprechender Weise
auch nur 1 Niere, 1 Geruchsorgan und 1 Vor-
kammer. Wie in anderen Fällen, so wird auch
hier die Beschaffenheit des Herzens von der Be-
schaffenheit der Kieme bestimmt. Die hierin sich
äussernde Corrclation beider Organe wird bei
den Schnecken noch nach einer anderen Hinsicht
bedeutungsvoll. Man unterscheidet Opisthobran-
chier und Prosobranchier , je nachdem die Kie-
men der hinteren oder vorderen Körperhälftc
angehören. Bei den Opisihobranchicrn (Fig. 327)
ist das Herz annähernd in die Körperaxe ein-
gestellt; da es von rückwärts die Kiemenvene
aufnimmt, liegt die Vorkammer nach rückwärts
und vor ihr die Herzkammer: diese giebt in
der Richtung des Kopfes die Körperarterie ab.
Bei der Verlagerung der Kieme nach vorn da-
gegen (Fig. 32»)) hat das Herz eine Drehung von
mehr als 90° erfahren, so dass nun umgekehrt
die Vorkammer am meisten nach vorn lagert, die
Herzkammer und die Arterie aber nach rückwärts
schauen. Was die sonstige Beschaffenheit des
Blutgefässsystems anlangt, so ist dasselbe zwar
höher als bei den LamelUbranchicm entwickelt,
gleichwohl kein geschlossenes, da die feineren
Verästelungen der Arterien mit den sinuösen
Räumen communiciren, welche die Eingeweide
umgeben und mit Unrecht Leibeshöhle genannt
werden.
Der wohl entwickelte Herzbeutel zeigt bei
allen ächten Schnecken die als Nierenspritze be-
kannte Verbindung mit der Niere. Letztere
liegt (mit Ausnahme der Zygoltranchicr und Cyclo-
branchier, bei denen sie paarig ist) als ein un-
paarer, drüsiger, häufig mit Kalkeoncretionen
gefüllter Sack neben dem Enddarm und mündet
entweder direct in den Grund der Athemhöhh
telst eines am Enddarm hinziehenden Ureters im Spiraculum neben
dem After (Fig. 328). Auch kann die Niere eine reichlich verästelte,
baumartige Anordnung gewinnen.
Der bei einigen Formen (Cyclobranchicm und manchen Zygo-
branchiem) in die Niere mündende G e s c h 1 e c h t s a p p a r a t zeigt zwei
Extreme: auf der einen Seite vollkommenen Gonochorisnius. auf der
anderen Seite den höchsten Grad von Hermaphroditismus derart, dass
Fijr. .m I Chiasto-
neures Nervennystem
von Pal ml hin (nach
lh< riiiLr au* ( Jcgenbaur).
II Orthom-ures Nerven-
system von Limnaeus
(iuu li Laeaze-Dut liiere).
C Orebralfianglion , P
IVdaljianglion, PI Plen-
ralgaiiL'lif n , sh Subm-
testinaljranglion, ,s/> Su-
nraintrstinuliritii^lkm
(Parietalganplim) , .4.
Vi*ivrnljraiij:lion . B
Huceulganglien.
(Fig. 320) oder mit-
or»»ne.
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332
Weichthiere
männliche und weibliche Organe fast der ganzen Länge nach zu
zwitterigen Bildungen vereint sind. Dazwischen kommen Uebergänge
vor, bei denen zwar männliche und weibliche Organe in demselben
Fig. iL'»!. Anatomie von Cijorara tiijrin (nach Qnoy et Gaimard). oc Auge,
/>// Pharynx mit herausgezogener Hadula. m Hagen, r Enddarm, h Leber, re Niere,
t Hoden, df Vu deferens, Pennt, br Kieme, e I[<tz (da« neben der Kieme ge-
legene Organ ist wahrscheinlich da»* Geruehsorgan). X Olwres Sehlumlpin^liiin.
Thier auftreten, aber nicht die enge Vereinigung zeigen, welche wir
im Folgenden von unseren Lungenschnecken beschreiben wollen
(Fig. 328).
Die Lungenschnecken, ein Beispiel hochgradigsten Hermaphrodi-
tismus, besitzen eine einzige Zwitterdrüse, die in einem der ersten
Schalenumgänge mitten in das Lebergewebe eingelassen ist (jr); auf
sie folgt ein luannichfach geschlängelter Zwittergang. Derselbe erweitert
sich zum sogenannten Uterus (u), einem dickwandigen Canal, an welchem
ein besonderer zweiter Canal für den Samen herabzulaufen scheint.
Thatsächlich ist im Innern aber nur ein einziges Lumen vorhanden
und das verschiedene Aussehen nur dadurch bedingt, dass auf der einen
Peripherie die Wandungen des Canals durch ansehnliche eingelagerte
Drüsen verdickt sind. Eine Trennung der beiden Hauptcanäle in Vas
deferens und Scheide findet erst am Ende des sogenannten Uterus
statt. Das Vas deferens (vd) windet sich als dünner Canal auf Umwegen
zum Porus genitalis; hier schwillt es zum ausstülpbaren Penis (p) an,
mit welchem ein merkwürdiger Anhang, das Flagellum (/?). und ein
Musculus retractor verbunden sind. Die Scheide (v) ist breiter und
verläuft geraden Wegs zum Porus genitalis, wo sie mit dem Penis zu-
sammentrifft. Dem weiblichen Geschlechtsapparat sind noch einige
weitere Anhänge zuzurechnen, zunächst die grosse Eiweissdrüse (ei),
welche am Uterus aufsitzt, da wo dieser aus dem Zwittergang hervor-
geht ; ferner ein Iteccptaculum seminis (r). ein rundliches Bläschen,
welches durch einen sehr langen Canal mit der Scheide in Verbindung
III. Cephalophoreu.
333
steht schliesslich zwei „fingerförmige Drüsen", welche indessen nicht
überall vorkommen (/"). Ein merkwürdiger dickwandiger Blindsack der
Scheide ist endlich noch der Liebespfeilsack (ps), welcher in seinem
Innern ein aus Arragonit bestehendes Stilet, den Liebespfeil, ausscheidet
Dasselbe wird bei der Begattung in die männlichen Geschlechtstheile
als Reizmittel eingestossen. Trotz des Hermaphroditismus findet näm-
lich bei den Pubnonaten eine mehrere Tage lang dauernde wechsel-
seitige Begattung statt
Fig. 328, Anatomie von
Helix pomatia, die Decke
der Athemhöhle ist auf
der linken Seite abgetrennt
und nach reehts hinflber-
geschlageu ; darauf das
l'erieard und der Einge-
weidesack geöffnet und
die Eingeweide ausein-
ander gelegt. Darm:
.* Schlundkopf, m Magen,
sp Speicheldrüse, / Leber,
'/ Dünndarm , a After ;
G e s c h 1 e c h t » a p parat :
; Zwitterdrüse mit Zwit-
tergang, y Uterus, ei Ei-
weissdrüse , r Recepta-
euliun seminis. r Vagina,
jus Pfeilsack . f fingerför-
mige Drüse, nl Vas defc-
rens, p Penis, // Flagellum.
n Niere mit n' Nieren-
mündung, lu Lungenge-
flecht, h Herzvorkammer,
rückwärts davon die Kam-
mer, g Orebralganglion ;
rCohimellarinuskel./'«Fu8s.
Die Geschlechtsöffnung liegt fast ausnahmslos auf der rechten Seite
des Thieres, vielfach vor dem After dicht am Kopf; ihre Lage kann
sowohl bei Hermaphroditen, wie auch bei gonochoristischen männlichen
Schnecken durch einen rinnenförmig ausgehöhlten ansehnlichen Haut-
lappen, der als Penis benutzt wird, ausgezeichnet sein (Fig. 326 pe).
Freilich rückt derselbe nicht selten von dem Porus genitalis eine
Strecke abseits und bleibt mit ihm dann nur durch eine flimmernde
Rinne verbunden.
Bei den Landschnecken werden die Eier als grosse hartschalige
Körper in die feuchte Erde vergraben; bei allen Wasserbewohnern
finden sich dagegen Laiche, meist durchsichtige Gallerten, in denen
viele Einzeleier liegen, jedes Ei von einer Eiweissschicht und einer
weiteren festen Hülle umschlossen. Selten findet eine Art Brutpflege
statt wie bei Janthina nitens, welche ihre Eierqualster, in Form eines
Flosses am Fuss befestigt, mit sich herumträgt.
Entwicklungsgeschichtlich ist vor Allem die grosse Constanz, miUatwickiunr.
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334
Weichthiere.
welcher das Veli gerstadi um auftritt, wichtig (Fig. 303 und 304).
Die meisten Schneckenlarven schwimmen mit dem oft zweigeteilten Velum
an der Wasseroberfläche, ehe sie auf dem Boden zu kriechen anfangen.
Aber auch da, wo die Schnecke gleich in ihrer definitiven Gestalt die
Eischale verlässt, ist das Velum während des Embryonallebens ent-
wickelt, häufig so kräftig, dass der Embryo mit Hilfe der Flimmern
lebhaft in der umgebenden Eiweissschicht rotirt
Bei der Systematik verwerthet man in erster Linie Bau und Lage
der Athmungsorgane, sowie die damit zusammenhängende Anordnung der
einzelnen Herzabschnitte ; zur weiteren Charakteristik der grösseren Gruppen
wird dann noch die hermaphrodite oder gonochoristische Beschaffenheit
des Geschlechtsapparats und die Orthoneurie oder Chiastoncurie des Nerven-
systems herangezogen. Auf diesem Wege kann man sehr gut 3 Gruppen
charakterisiren : Prosobranchier, Opiathobranchirr und Pitlmonatm. Durch be-
sondere Gestaltung des Fusses sind dann ferner noch die Hetrropoden und
Pteropoden ausgezeichnet, von denen die ersteren mit den ProsobranchUrn
sehr nahe verwandt sind, während letztere sich den Opiathobräncltiern an-
schliessen. Eine merkwürdige Mittelstellung zwischen Lamrllibranchicrn und
Ophalophomt nehmen endlich die Smphopoden ein.
L Or dnun g.r ^Opisthobranchier.
Von der bei den Amphineuren vorhandenen bilateralen Symmetrie
weichen die Opisihobranchier nur wenig oder doch nicht in so erheb-
licher Weise wie die Prosobranchier, Pulmonaten und Heteropoden ab.
Der After bleibt in der Symmetrieebene des Körpers liegen oder wird
nur unbedeutend nach rechts verschoben, wenn er auch vom hinteren
Ende des Körpers weit nach vorn rücken kann ; das Nervensystem ist
bilateral symmetrisch, indem die Kreuzung der Visceralcommissur unter-
bleibt (o r t h o n e u r e M o 1 1 u s k e n). Freilich ist es zweifelhaft geworden
ob es sich hier nicht um eine Pseudo-Orthoneurie handelt, die sich erst
secundär aus der — bei Actaeon noch erhaltenen — Chiastoneurie
entwickelt hat. Auch das Herz, obwohl es nur eine Vorkammer hat.
bewahrt ursprüngliche Verhältnisse, indem es von rückwärts das Blut
empfängt und nach vorn durch die Aorta an den Körper abgiebt (Fig.
327). Alles dies, namentlich der letzterwähnte Punkt, ist für die
Charakteristik der Opisthobranchier viel wichtiger, als die äusserst
variable und inannichfaltige Beschaffenheit und Lage der Kiemen, wenn
auch letztere den Namen veranlasst hat. Die Kiemen können ganz
fehlen oder sind als 2 Längsreihen von Anhängen symmetrisch zur
Mittellinie gestellt oder bilden eine Rosette um den After oder sind
endlich durch eine unpaare, rechts gelagerte Kammkieme vertreten.
Nur letztere kann als ein den Kiemen der übrigen Mollusken ver-
gleichbares Organ angesehen werden ; die Rücken- und Afterkiemen
sind dagegen Neubildungen, accessorische Kiemen. Daher wird auch
nur die Kammkieme, wenn auch in unvollkommener Weise, von einer
Mantelfalte bedeckt, welche eine papierdünne, rudimentäre, meist von
Hautlappen überwachsene Schale ausscheidet Den meisten Opistho-
branchiern fehlt mit dem Mantel auch die Schale. Von grossem In-
teresse ist es, dass dann die Larven wenigstens vorübergehend Mantel
und Schale besitzen. Für die systematische Charakteristik der Opistho-
brnnchier ist noch wichtig, dass ihre auf der rechten Seite
mündenden Geschlechtsorgane z w i 1 1 e r i g sind.
ogle
III. Cephalophor6n : Opisthobranchier, Prosobranchier. 335
I. Unterordnung. Abranchier. Mantel, Schale und Kammkiemen fehlen ;
Elysia viridis Montg.
II. Unterordnung. Xudibranchier. Mantel und Schalen fehlen, die
Kammkiemen sind durch accessorische Kiemen ersetzt. Dieselben bilden
bei den Dorididen im Umkreise des Afters eine Rosette zurückziehbarer
Bäumchen (Fig. 327, 329) : Doris tuk rculata Cuv. ; bei den Tritoniaden stehen
Fitr. 329 a. Doris Johnstoni mit ausge- Fijr. 329 b. Aeolülia papulosa
strecktem, perianalem Kiomcnbü^chel und (aus Leuuis-Ludwig),
2 Tentakeln am vorderen Ende (auw (_'ar-
penter).
die accessorischen Kiemen in einer linken und rechten Längsreihe auf dem
Rücken: Tethys fimbriata L., bekannt durch merkwürdige Anhänge, die
abgerissen lange Zeit weiter leben und wiederholt als besondere Thiere
( Veriutnnus) beschrieben wurden ; bei den Aeolididen sind mehrere Reihen
Rückenanhänge vorhanden, in welche Darmblindsäcke eintreten (Phkben-
teraten). Aeolidia papulosa L. (Fig. 329 b).
III. Unterordnung. Tectibranchier. Kammkieme, Mantel und Schale
sind vorhanden ; der Fuss zieht sich oft links und rechts in Fortsätze aus
(Parapodiallappen). Plcurobrandnts Mcckeli Cuv. ; Aplysia depilans L. ; Actae/m
tontat ilis L.
II. Ordnung. Prosobranchier.
Bei den Prosobranchiern ist die für die meisten Schnecken charak-
teristische Drehung des Eingeweideknäuels von links hinten
nach rechts vorn eingetreten und hat dazu geführt, dass der After
rechts in der Nähe des Kopfes mündet, die Visceralcommissur die
achterförmige Kreuzung erfahren hat (Chiasto neurie) und die Or-
gane der rechte Seite, Niere und Kieme, auf die linke übergewandert
sind, wo sie weit nach vorn liegen. Dabei hat auch das Herz eine
Drehung erfahren ; es empfängt von vorn das Kiemenblut und giebt
es nach rückwärts durch die Aorta ab. Wie bei den Opislhobrancniein
ist auf die Lagerung des Herzens grösseres Gewicht zu legen, als auf
die Lage der Kiemen. Weitere Unterschiede zu den Opisthobranchiei n
ergeben sich daraus, dass die Prosobranchier getrennt geschlecht-
lich, und dass ihre Mantelfalten und Schalen kräftig entwickelt sind.
Je nachdem der Mantel in einen häufig äusserst langen Sipho ausge-
zogen ist oder nicht, sind die Schalen siphonostom oder holostom.
Gewisse Prosobranchier schliessen sich den Amphineuren, diesen
Unnollusken, dadurch an, dass sie doppelte Vorkammern des Herzens
haben ; in diesen Fällen sind gewöhnlich 2 Kiemenbüschel, ein linkes
und ein rechtes, manchmal auch symmetrische Nieren vorhanden. Bei
der überwiegenden Mehrzahl der Prosobranchier findet man aber nur
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336
Weichthiere.
1 Kieme, und zwar die nach links verschobene rechte, dann ist ge-
wöhnlich auch nur die entsprechende Vorkammer vorhanden : selten
erhält sich noch die zweite Vorkammer als rudimentärer Anhang.
I. Unterorordnung. Cyclobranchirr. Kammkiemen rückgebildet und
durch eine ringförmige Mantelkieme ersetzt. 2 Nieron (1 rudimentär).
Hierher gehört nur die artenreiche Familie der Napfschnecken, Patclliden.
Die Thiero leben mit Vorliebe an der Ebbegrenze, festgesaugt am Fels,
geschützt durch eine Schale von der Gestalt eines chinesischen Hütchens.
Patelbi vulgata L. (Fig. 318).
II. Unterordnung. Zygobranehier. 2 Kiemen, 2 Vorkammern, Herz-
kammer vom Darm durchbohrt. Die Fi.ssurelliden (Fig. 330) haben ähnlich
den Patelliden eine napfförmige Schale, nur dass
sie von einer Oeffnung an der Spitze durchbohrt
ist; eine zweite Niere ist entweder gut entwickelt
(Ccmorin) oder rudimentär (Fissuirlla nodosa JL.);
bei den Haliotiden oder Meerohren ist dagegen die
Schale schwach spiral eingewunden. Hnliotis tubcr-
culata L. (Fig. 310).
III. Unterordnung. A z yyobrancJiier. Nur eine
Kieme (die nach links verschobene rechte) ist vor-
handen. Ein Theil der Thiere — Diotoemdicr —
hat noch zwei Vorkammern : die marinen Troehiden
oder Kreisseischnecken Trochus rarius L. Gewöhn-
lich ist aber nur eine Vorkammer vorhanden.
FV am Fismnlta Zu den M,notocordictn gehört die bei Weitem
Äri- dfe ;>aa^n Zahl BämmUfcher im Wasser lebender,
Kiemen. // der Fvim namentlich mariner Schnecken ; man unterscheidet
(aus Bronn). Tausende von Arten, die sich auf einige hundert
Gattungen vertheilen; um die Bestimmung zu er-
leichtern, hat man ein auf die Zahnstructur der Radula gestütztes System
entworfen und die Gruppen der Toxoglossen, liiiaciiiglossen, Taenioglossen,
Hamiglusscn, (Montoglossen gebildet, oder man hat nach der Schalenmündung
holostome und siphonostomc Arten gegenüber gestellt. Hier sollen nur
wonige besonders interessante Familien Erwähnung finden.
Siphonostomc Formen sind die einander nahe verwandten Muriciden
und Purpur ide.n, deren Arten durch die im Alterthum geübte Purpur-
färberei berühmt geworden sind : sie besitzen die Purpurdrüse, eine acinöse,
im Mantel eingebettete Drüse, welche ein zunächst farbloses, an der Luft
aber purpurn werdendes Socret liefert. Murcx brandaris L. und M. trun-
cuhts L. Durch schöngefärbte porzellanartige Schalen sind ausgezeichnet
die Cypracidcn; die Schale von Cyprnea moneta L. wird in Afrika unter
dem Namen „Caori" als Geld benutzt. Ferner gehören hierher die Ampul-
lariden, Schnecken, welche aufs Land gehen und die Athemhöhle als Lunge
benutzen können, dabei aber noch Kiemon besitzen. Ampullaria Cele-
bmaia Quoy.
Zu den holostomen Prosobranchiern gehören die Paludiniden und Val-
raiiden , Süsswasserschnecken mit Kiemenathmung. Pahulina vivipara L.
Valvata piscinalis Müll., letztere hermaphrodit. Ausschliesslich Landbe-
wohner sind die Cifclostotniden, welche wie die Pulmonaten die Athemhöhle
nur als Lunge benutzen, im übrigen Bau aber sich von ihnen unterscheiden
und den Prosobranchiern gleichen - Cgclostoma clcgans Drap.
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III. Cephalophoren : Heteropoden.
337
III. Ordnung. Heteropoden, Kielschnecken.
In der Bildung der Kiemen, des Geschlechtsapparats, des Herzens
und des Nervensystems verhalten sich die Heteropoden (Fig. 331) wie
echte Prosobranchier ; sie dürften auch von denselben systematisch nicht
getrennt werden, wenn nicht ihre ausschliesslich pelagische Lebens-
Fig. 331. Carinaria mediterranea (nach Gegenbaur). Schale entfernt. A Meta-
podium, B Eingeweideknäuel, P Propodium mit Saugnapf, o Mund, ot Oesophagus,
oc Auge mit Ten takeln, / Cerebral-, //Pedal-, /// V isceralganglion , ps Penis, df
Vas deferene. ar Aorta, br Kiemen (darüber das Herz), a After.
weise ihnen ein sehr abweichendes Gepräge verliehen hätte. Wie bei
<len meisten pelagischen Thieren ist ihre Bindesubstanz gallertig weich
und der Körper mit seinen sämmtlichen Organen von glasartiger Durch-
sichtigkeit. Durch das reichlich entwickelte Gallertgewebe haben Kopt
und Fuss im Vergleich zum Eingeweideknäuel eine bedeutende Grösse
gewonnen und können daher gewöhnlich nicht in der Schale geborgen
werden. Der Kopf hat grosse Aehnlichkeit mit einem Pferdekopf,
in Folge der schnauzenartigen Verlängerung des Vorderkopfes; im
Hinterkopf liegen die auffallend grossen Augen und benachbart die
Hörbläschen. Am charakteristischsten ist der durch eine Einschnürung
in Pro- und Metapodium abgetheilte Fuss. Das Metapodium bildet
eine schwanzartige Verlängerung des Rumpfes, die ab und zu in einen
dünnen Faden ausläuft. Das Propodiuni. eine senkrechte Platte ohne
Sohle, führt undulirende Bewegungen aus und dient zum Schwimmen,
wobei es durch schlängelnde Bewegungen des Gesammtkörpers unter-
stützt wird. Die Heteropoden schwimmen auf dem Rücken, den Ein-
geweideknäuel nach abwärts, sie sind äusserst gefrässige, räuberische
Thiere.
Bei den HeterojHxlen kann man Schritt für Schritt die Rückbildung
der Schale verfolgen. Die Atalantiden können sich vollkommen in ihr
spirales Gehäuse zurückziehen und dasselbe mit einem Deckel schliessen:
Atalanta Peronii Les. Die Carinariden haben eine hütchenfbrmige, kaum
den Eingeweideknäuel deckende Schale: Carinaria Mediterranea Per. und
Les. (Fig- 331). Schalenlos sind die Pterotracheiden: IVcrotrachca coronata
Forsk.
Hertwlg, Lehrbuch der ZoologlA. 3. Auflage. 22
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338
Weichthiere.
IV. Ordnung. Pteropoden, Flügalschneoken.
Mit den Heteropoden in der pelagischen Thierwelt vereint findet
man die Flügelschnecken oder Pteropoden (Fig. 332), die sich von
sämmtlichcn Schnecken wesentlich dadurch unterscheiden, dass
ihnen ein besonderer Kopfabschnitt und demgeinäss zumeist auch
Fühler und Augen fehlen und dass die Mantelhöhle mit den Kiemen
ähnlich wie bei den Cephalopoden nach rückwärts vom dorsalen Mittel-
punkt oder, wie man sich auch
ausdrückt, „ventral44 angebracht ist :
unter den Schnecken sind ihnen
am nächsten verwandt die Opi-
sthobranchier vermöge ihres Her-
maphroditismus, der Lage der
Herzvorkammer und des ortho-
neuren Baues des Nervensystems.
Das wichtigste Merkmal der Gruppe
ist in den ..Flügeln44 gegeben,
zwei von der ventralen Seite ent-
springenden, breiten Lappen, welche
in der That wie Flügel auf und
ab bewegt werden und die Orts-
bewegung vermitteln. Sie reprä-
sentiren den Fuss und sind ab
mächtig entwickelte Parapodial-
fort sätze zu deuten, wie sie schon
bei den tectibranchiaten Opistho-
Fiir. 'J3J. Hyahra romptanata von oben branchiern vorkommen,
jttwhfin. //PwIalirftiiKlion mit Hörblä^heii, Auch bei den rtrropodcn zeigt
or 0. *opbagi«, r Mag«, n After, h Leber, diß s h , dj verschiedensten Grade
hr Kieme, r Herz, rc >iere, G Gt-Khlecht*- , . , , "
apparat, .1/ Mantel (naeli G. yenbaur). der Rückbildung. Bei den Wteco-
sttmrn. den beschälten Formen, haben
die Lhnacimdm und Hifalcidrn noch verkalkte Schalen, die ersteren spiml
gewundene, die letzteren gerade gestreckte pyramidenförmige: Limacina
aretica Cuv. Ihjnhca cwnplanata Gegnb. (Fig. 332). Eine crystallklare
Schale von knorpeliger Consistenz findet sich bei den Ct/mbuliden: Ct/mbtdht
Prronii Cuv. — fiyninosom, d. h. schalenlos und am vorderen Ende mit
Tentakeln bewaffnet, die durch die Anwesenheit von Saugnäpfen an die
Cephalopoden erinnern, ist Pimtmtttlermon rioherum d'Orb.
V. Ordnung. Pulmonaten, Lungenschnecken.
Die Lungenschnecken oder Pulmonaten halten in mancher Hinsicht
zwischen Prosobranchiem und Opisthobranchiern die Mitte. Wie diese
sind sie orthoneur und hermaphrodit; ihre männlichen und
weiblichen Geschlechtsorgane zeigen die hochgradige Verschmelzung,
welche oben schon genauer geschildert wurde. Dagegen ist die Lage
der Athmungsorgane weit vorn, benachbart dem Kopf, Ursache, dass»
wie bei den Prosobranchiem, am Herzen die Vorkammer nach
vorn, die Aorta nach hinten gewandt ist. Eine Ausnahme
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■
III. Cephalophoren : Pulmonaten.
339
machen die opisthopneumonen Testacelliden (Daudebardia rufa Hartm.),
bei denen die Lungenhöhle an das hintere Ende des Körpers ver-
lagert ist.
Die Lunge, das Hauptmerkmal der Gruppe, ist ein durch Rück-
bildung der Kieme aus der Mantelhöhle entstandener geräumiger Sackt
welcher auf der rechten Seite beginnt und halbmondförmig weit auf
die linke Seite übergreift Auf der rechten Seite mündet sie im Mantel-
wulst mit einer verschliessbaren Oeffnung, dem Spiraculum, in dessen
Umrandung auch After und manchmal auch der Ureter mündet Die
Lungendeckc ist eingenommen von einem zierlichen Netz von Blut-
gefässen, welche ihr Blut aus einem Randsinus beziehen und in eine
Hauptvene sammeln, die nach dem Herzen zurückleitet (Fig. 328).
Manche Pulmonaten leben dauernd im Wasser; da sie aber keine
Kiemen haben, müssen sie zeitweilig an die Oberfläche aufsteigen, um
ihre Athemhöhle mit neuer Luft zu füllen. So machen es die meisten
Arten der Gattung Limnmus , welche in flachen Tümpeln und Bächen
leben; nun giebt es aber auch Limnaeen am Grunde der grossen Binnen-
seen (Bodensee, Genfer See), von wo sie nicht schnell
genug an die Oberfläche aufsteigen können; diese be-
nutzen ihre Lungen zur Wasserathmung, indem sie
durch das Spiraculum Wasser ein- und austreten lassen.
Nach der Zahl der Fühler und der Lage der
Augen theilt man die Pulmonaten ein in Stylommato-
phorm und Basommatophurm. Erstere haben 4 zurück-
ziehbare Fühler und tragen die Augen an den Spitzen
der hinteren längeren Fühler. Die Augen können daher
mit den Fühlern eingestülpt werden. Dagegen haben
die Bammmatopharm nur 2 Fühler, die zwar verkürzt,
aber nicht eingestülpt werden können ; die Augen liegen
an der Fühlerbasis unbeweglich.
I. Unterordnung. Stylotnmatophoren. Die Hrliciden
haben eine vortrefflich entwickelte Schale, welche sie
während des Winterschlafes mit dem Epiphragma
schliessen: Helix pomatia L., Weinbergschnecke. In
den Tropen zahlreiche Arten der Gattung Achatina.
Hie Limacidcn haben eine kleine, vielfach nur aus
Kalkkrümeln bestehende, im Mantel ganz verborgene
Schale. Limas cinereus Lister (Fig. 333). Arion nnpi- Fig 333 Umax
ricarum Fer., Wegschnecke. cinernts, 's Spira-
II. Unterordnung, liasommatophomi. Hierher ge- culum (aus Leunie-
hören die Sumpfschnecken IJmnaehhn : Limnaeus xta- Ludwig).
fjnalis L., Planorbis carinatus Müll.
VI. Ordnung. Soaphopoden.
Eine Mittelstellung zwischen Muscheln und Schnecken nehmen
die Scaphopoden ein mit der einzigen Gattung Dentalium, dem „Ele-
phantenzahn". Der Name erklärt sich aus der Gestalt der Schale,
welche eine grosse Aehnlichkeit mit dem Stosszahn eines Elephanten
hat, nur dass sie einen beiderseits geöffneten Hohlraum umschliesst
(Fig. 334). Man findet die Schalen häufig an sandigen Meeresküsten,
wo die Thiere im Boden graben. Beim lebenden Dentalium kommt
22*
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340 Weichthiere.
aus der weiteren Schalenmündung der lange dreilappige Fuss hervor;
der übrige Körper bleibt vom Mantel umhüllt, welcher, links und rechts
vom Rücken entspringend, ventral wie der Mantel einer siphoniaten Muschel
geschlossen ist. Die Kiemen fehlen und werden vertreten von zahlreichen
j Tentakeln, die im Umkreis der Mundöffnung stehen.
Nieren und Leber sind paarig und wie Darm und
Nervensystem symmetrisch ; während hierin wie in
der Bildung des Mantels sich Anklänge an die
Muscheln ergeben, erinnert die Anwesenheit von
Kiefern und Radula an die Schnecken. Dentalium
clephantinum L.
IV. Classe.
Ophalopoden, Tintenfische.
Im Stamme der Mollusken zeichnen sich die
Fi tu Thnta- Ctyhdopoden sowohl durch ihre Organisationshöhe,
lium dephantintim, a^s auch durch ihre meist ansehnliche Körpergrösse
linka Thier, rechte aus. Die meisten Tintenfische haben, wenn man
Schale, f Fu»*, / die Länge ihrer Arme mit einrechnet, eine Grösse
tw'fSfSun ° ^cä von etwa °'2"1 Meter; seltener sind kleinere, nur
Mantelpack». g 08 etwa & — 20 cm lange Arten, besonders selten die
riesigen Ungeheuer von etwa 15 Meter. Letztere
waren lange Zeit nur durch die Berichte der Seefahrer bekannt, welche
erzählten, dass die Thiere mit ihren gewaltigen, muskelstarken Armen
Schiffe angegriffen hätten, um sie in's Meer herabzuziehen. An der
Käste von Neufundland sind in letzter Zeit in Folge von Stürmen
solche Riesenpolypen, der Gattung Architeuthis angehörig, gestrandet
Ein Exemplar war 6 Meter lang, seine Arme hatten den Durchmesser
eines Männerarms und eine Länge von 11 Meter. Da jeder Arm nur
aus Muskelmasse besteht, wäre es wohl denkbar, dass die Thiere ein
kleineres Schiff bewältigen könnten.
Koi»r und Der Körper eines Cephalopoden zerfällt durch eine deutliche Ein-
Trntmin. schnörung in den Kopf und den RUmpf (Fig. 335, 336). Ersterer
trägt genau terminal die Mundöffnung und in einem Kranz um dieselbe
herum die Tentakeln. Seiner Gestalt nach kann man einen Tentakel
einer Schlange vergleichen; nur besteht er ausschliesslich aus glatter
Muskelmasse ohne Skelet und ist auf der oralen Seite mit einigen
Reihen kräftiger Saugnäpfe bewaffnet Die Octopoden (Fig. 335) haben
nur 8 unter einander gleiche Tentakeln, 4 rechte und 4 linke; die
Decapoden (Fig. 330) haben ausser diesen 8 noch 2 weitere Arme, die
sich durch Gestalt und Anordnung von den übrigen unterscheiden ; sie
besitzen Saugnäpfe nur an dem spatelartig verbreiterten Ende und
können in besondere Tentakeltaschen vollkommen zurückgezogen werden.
Ihren Platz nehmen die accessorischen Tentakeln, wenn wir jederseits
die Haupttentakeln von der dorsalen nach der ventralen Seite zählen,
zwischen dem 3. und 4. Tentakel ein (Fig. 336).
Unterhalb des Tentakelkranzes liegen links und rechts die beiden
grossen Augen, welche schon äusserlich an das Wirbelthierauge er-
innern, indem sie eine durchsichtige Cornea und eine grosse, von einer
Iris umgebene Pupille besitzen. Im inneren Bau (Fig. 337) ist die
"Oigitized by Google
IV. Cephalopoden.
Ul
Aehnlichkeit nicht minder ausgesprochen. Hinter der Iris folgt eine
Linse und ein Glaskörper; an den Glaskörper grenzt die Retina und
Fig. 335. Ortopus Tonganus
(nach Hoyle) in seitlicher An-
sicht, recht« der Trichter und
die Mantelfalte, links der
Rücken mit den Augen.
an diese eine pigmen-
tirte, silberglänzende
Haut, welche als Argen -
tea oder Chorioidea be-
zeichnet wird und von
knorpeligen, die Sclera
ersetzenden Stücken
durchwachsen ist. Zwei
auffällige Eigentümlich-
keiten unterscheiden das
Auge der Cephalopoden
von dem der Wirbel-
thiere, zum Zeichen, dass
beide Organe unabhängig
von einander entstanden
sind und einen ganz
verschiedenen Entwick-
lungsgang genommen ha-
ben : 1) die Cornea ist
von einer Oeffnung durch-
bohrt, welche Meerwasser
in die vordere Augen-
kammer treten lässt: 2)
die Retina grenzt mit der
Stäbchenschicht direct an
den Glaskörper, während
Fig. 330. Loligo Kobiensis
von
tet.
(nach Hoyle) von der Buneh
seite betrach
Fig. 337 Schematischer Längsschnitt durch das
Cephalopodenauge (aus Gegenlmurl. € Cornea, ik
Iris«, ac Argcntea (Chorioidea), L Linse, ei Ciliarfort-
satz , k eingesprengte Theile des Kopfknorpcls , KK
Konfknorpel, Ri Sliibchenschicht der Retina, Re
ZcllenBchicht der Retina, p Pigmentschicht, go Gan-
glion opticum, o Opticus, ic weisser Ki'.qier.
bei den Wirbelthieren die Stäbchenschicht an
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342
Weichthiere.
JVqp
Fig. Schematicher
Längsschnitt des Nautilu*-
augos (aus Ralfour). -1
Eindrang in den Augcn-
becher, Ii Hotina. Int iris-
artige Hautfalte. X. op
N»rv.
die Chorioidea anschliesst und von dem Glaskörper durch die übrigen
Retinaschichten getrennt bleibt. — Die gegebene Schilderung passt nicht
auf die auch sonst höchst abweichend gebauten NautiHden. Anstatt
Tentakeln mit Saugnäpfen besitzen dieselben
eine grössere Anzahl lappiger Anhänge am
Kopf. Ihre Augen sind tiefe, nach aussen
mündende (iruben, deren Grund von der Retina
eingenommen wird, während Glaskörper, Linse,
Iris, Cornea etc. fehlen (Fig. MH).
•* Am Rumpf der Cephalopoden kann man
eine vordere und eine hintere Seite . welche
links und rechts abgerundet in einander über-
gehen, unterscheiden. Die vordere Seite, welche
nur theilweise der ventralen Seite der übrigen
Mollusken entspricht, für gewöhnlieh aber
kurzweg Bauch genannt wird, ist ganz vom
Mantel bedeckt, einer muskelstarken Falte,
welche von der gesammten Peripherie des
Rumpfes ihren Ursprung nimmt, manchmal
auch auf den Rücken übergreift und stets an
der hinteren Grenze des Kopfes
mit freiem Rande aufhört (Fig. 299
u. 331); in letzterer Figur ist die
Mantelhöhlc durch einen ventralen
Längsschnitt geöffnet, und sind
die Mantelhälften nach links und
rechts zurückgeschlagen). Am Kopfe
würde die Mantelhöhle mit einem
queren Spalt nach aussen münden,
wenn nicht der Rand der Falte
angepresst und durch verschieden-
artige Verschlussapparate (bei Sepia
z. B. durch einen knopfartigen
Vorsprung (rf), der in eine Ver-
tiefung des Körpers (//) passt) noch
weiter befestigt wäre. So muss
die Communication der Mantel-
höhle nach aussen durch ein be-
sonderes Organ, den Trichter
(7V>, bewerkstelligt werden, eine
musculöse conische Röhre, welche
auf der vorderen Seite des Körpers
festgewachsen ist und mit einer
weiten Oeffnung in die Mantel-
höhle mündet. Indem die Cephalo-
poden durch Contraction der Man-
telwand das Wasser mit grosser
Heftigkeit aus der Atheinhöhle
durch den Trichter herauspressen,
können sie, durch Rückstoss schwim-
mend, sich schnell fortbewegen.
Auch hier hat Nautilus seine Be-
sonderheit, indem der Trichter
Fig. XVx
Sepia offirinnlin. Mantel-
cinen Medianschnitt geöff-
köhli1 durch
not . um die Kiemen (k) , Nieren in),
After (a) , Mündung des Geschlechts-
apnarats (yl zu /eigen, d die Vorsprünge,
welche in die Vertiefungen b eingeknöpft
werden. Trichter i Tr) Hondirt. Der linke
Nierensaek geöffnet, um iu ihm die zum
Kiemenherz leitende Vena eava mit
Yencnanhäiigcn zu zeigen. Durch die
Wand schimmert die Vorkammer des
Kör|>erherzeits hindurch,«» Nierenspritze,
M Mantel, / Tintenbeutel, A" Kopf.
Jd by G
IV. Cephalopoden.
343
dauernd aus 2 zusammengefügten Hautfalten besteht, eine Besonder-
heit, welche dadurch an Bedeutung gewinnt, dass auch bei den
übrigen Cephalopoden sich der Trichter entwicklungsgeschichtlich in
Form zweier getrennter und erst später sich zu einer Röhre schlies-
sender Hautfalten (Fig. 348/*) anlegt. Ein typischer Fuss fehlt den
Cephalopoden , doch weisen vergleichend anatomische Erwägungen
darauf hin, dass die Trichterfalten aus seitlichen Fortsätzen des Fusses
(Epipodialfortsätzen) hervorgegangen sind; auch werden die Arme als
Differenzirungen des Fusses gedeutet.
Rumpf und Kopf der Cephalopoden sind von einer dünnen schlei- JJJgj
migen Haut bedeckt, welche in hohem Maasse das Phänomen des
Farben wechseis zeigt. Ein gereizter Oetopus schillert in allen
Farben wieder; eine Sepia sieht bald schwärzlich, bald gelblich-weiss
aus. Ursache der Erscheinung ist die Anwesenheit von verschieden-
farbigen Chro in atop hören, pigmentreichen Zellen, an deren Peripherie
sich kleine (musculöseV) Fäden inseriren. Wenn letztere sich zu-
sammenziehen, so wird das Pigment weit ausgebreitet und gewinnt da-
durch Einfluss auf die Färbung ; umgekehrt zieht sich die Zelle beim
Erschlaffen der Muskelchcn (?) zu einem kleinen Pigmentkörper
zusammen. Die Hautfarbe hängt zum Theil von der Farbe der je-
weilig ausgedehnten Chromatophoren ab , zum Theil wird sie von
einer irisirenden Schicht bedingt, die tiefer als die Chromatophoren-
schicht liegt.
Trotz der weichen Körperbeschaffenheit kommt eine wohlentwickelte Sch*'°-
Schale unter den lebenden Cephalopoden nur dem Nautilus (Fig. .340)
und der Argonauta zu. Aeusserlich gleicht die Nautilusschale den in
einer Ebene aufgewickelten Schalen mancher Schnecken, wie z. B. der
Planorben. Legt man dagegen die einzelnen Windungen durch einen
Sagittalschnitt frei, so sieht man, dass das Innere kein einheitlicher
Raum ist, sondern durch regelmässig gestellte Scheidewände in zahl-
reiche, in der Spiralaxe hinter einander folgende Kammern abgetheilt
wird. Die Kammern nehmen nach der Schalenmündung rasch an Grösse
zu. Nur die letzte beherbergt den Weichkörper des Thieres; die vor-
hergehenden sind verlassen und von Luft erfüllt. Durch sie hindurch
erstreckt sich ein vom Thier ausgehender und in der Anfangskammer
Fig. 340. XautHwt Pompilius,
Weibchen mit Schale, letztere
der Lange naeh aufgeschnitten.
/ Mantel. 2 Rückculap|>cn , 3
Kopfluppcn, (Tentakeln), / Kopf-
kappe, J Auge mit Pupille, G
Trichter, 7 Lage der Nidamen-
taldrüsse , <S' Schalenmuskel , .9
Wohnkammer, U> Scheidewände
zwischen den unbewohnten Kam-
mern , // Sipho (aus Leunis-
Ludwig).
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Weichthiero.
I-irm.
endender Gewebsstrang, der Sipho, welcher es nöthig macht, dass jede
Scheidewand von einer zu einer kleinen Röhre ausgezogenen Oeffnung
durchsetzt wird.
Unter den fossilen Cephalopoden hatten viele Arten, die Nautiliden
und Ammoniten, ebenso schön entwickelte Schalen ; bei den recenten
Formen und auch vielen ausgestorbenen ist jedoch die
Schale rückgebildet. Bei der äusserst seltenen Spirula
Peronii (Fig. 341) findet man zwar noch eine gekammerte
Schale , dieselbe ist aber so klein , dass sie ganz im
Mantel des Thieres verborgen liegt Bei den Decapoden
ist ein Aequivalent der Schale der sogenannte Rücken -
scbulp, ein lamellös geschichtetes, bei den Sepien noch
verkalktes, bei den Loligen dagegen rein organisches Blattr
welches im Innern des Körpers, im Schalensack, verborgen
liegt, so dass ein Einschnitt in die Rückenhaut nöthig ist,
um es zu Gesicht zu bekommen. (Vergl. Fig. 299.) Wie
echte Schalen entstehen diese Rückenschulpen als Aus-
scheidungen der äusseren Haut; nur hat sich das die Bil-
Fig.34i. Spi- dung übernehmende Epithel, das Schalenfeld, während
nila Prronü der Embryonalentwicklung eingesenkt und durch Um-
mit Schill« ^y. wacj,sen <|er Ränder zum Schalensack geschlossen (Fig.
348 mt).
Mit den bisher betrachteten Schalen, welche den Schalen der übrigen
Mollusken gleichwertig sind, hat das Gehäuse der weiblichen Argonauta
nichts zu thun. Der papierartig dünne, an einem Ende spiralig einge-
wundene Kahn ist wahrscheinlich nur zum Theil Product der Rumpfober-
fläche, zum Theil wird er von 2 Tentakeln ausgeschieden, welche zu
diesem Zweck blattartig verbreitert sind. Der Aryaruiuta wie den ihr
nahestehenden Octopodcn fehlt die typische Cephalopodenschale vollkommen
(Fig. 349).
Oeffnet man nun durch einen ventralen Einschnitt die Mantelhöhle
(Fig. 339), so findet man im Hintergrund derselben 2 (bei Nautilus 4)
Kiemenbüschel, weiter vorn davon in der Medianlinie die Afteröffnung
und links und rechts zu dieser gestellt die Nierenraündungen (bei
Nautilus ebenfalls 4). Am weitesten seitlich liegen ilie bald paarigen,
bald unpaaren Geschlechtsöffnungen (Fig. 342). Durch den Einschnitt
in den Mantel ist selbverständlich der Eingeweidesack selbst noch nicht
geöffnet; man muss erst noch die hintere Wand der Athemhöhle
spalten, um den Darm und die übrigen inneren Organe zu Gesicht zu
bekommen.
Die Mundöffnung wird bei den Cephalopoden von 2 kräftigen
Kiefern eingefasst, welche die Gestalt von den Hornscheiden eines
Papageischnabels haben und gefährliche Angriffswaffen bilden (Fig. 344).
Der dann folgende musculösc Schlundkopf enthält im Inneren eine
Radula und setzt sich in einen langen, öfters mit einer kropfartigen
Ausstülpung versehenen Oesophagus fort: am Ende des letzteren be-
findet sich eine Ausweitung, der Magen, und dicht daneben ein öfters
spiralig eingewundener Blinddarm. Das Darmrohr wendet sich von
hier bogenförmig nach vorn und beschreibt in seinem Verlauf zum
After einige Windungen (Fig. 342).
Anhangsorgane des Darms sind 1 oder 2 Paar Speicheldrüsen
(obere und untere) und 2 häufig zu einem einheitlichen Körper ver-
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IV. Cephalopoden.
345
schniolzene Leberlappen. Die von der Leber ausgehenden paarigen
Gallengänge münden in den Blinddarm und können in ihrem Verlauf
mit accessorischen Drüsenträubchen, die man dann Pancreas nennt, be-
setzt sein. Dicht neben dem After öffnet sich endlich noch der Tinten-
beutel, welcher zu dem Namen „Tintenfische" geführt hat; derselbe
ist ein mit langem Ausführweg versehener Sack, der im Innern eine
schwärzliche Masse secernirt. Wenn der Tintenfisch verfolgt wird, so
spritzt er das Secret seines Tintenbeutels aus und trübt dadurch weit-
hin das Wasser. Am stärksten entwickelt ist das Organ bei der Sepia
Fig. 342. Anatomie von OetopuM
rulyaritt. T Basis des Tentakel-
kranzes durch einen ventralen Ein-
schnitt auseinander gebreitet. A'
Kopf, -V Mantel (Kumpfregion)
ventral durch einen IJuigsschnitt
gespalten, s Schlundkopf mit an-
liegenden oberen Speicheldrüsen, *
Kropf, (Anhang des Oesophagus),
»p untere Speicheldrüsen, sy Magen
mit sympathischen Ganglien, 1 Spi-
ralblindsack, / Lcl>er und /' Gallen-
gänge (die J^age der Leber ist nur
durch eine punktirte Linie ange-
deutet, die Gallcngängc durch-
schnitten), </ Darm, a After, t Tin-
tenl>cutol (in der Leber eingelassen) ;
h Kürperherz, rk Vorkammern des-
selben, ao Aorta, kh Kiemenherzen,
rr Vena cava mit Nicrenanhfingcn,
k Kiemen; o Ovar, od üviduetc;
p Pedalganglion, v Visccralgan-
glion. ao G. opticiun, «im Auge mit,
Augenlid, *t G. stellatum, kn Kopf-
knorpel.
officinalis, bei welcher es technisch zur Bereitung der unter dem Namen
Sepia bekannten Farbe verwerthet wird.
Dicht hinter dem Schlundkopf wird der Darm von den eng ver- ffgy
einigten Hauptganglien des Nervensystems umfasst (Fig. 343) : eine *ytttaL
dorsale einheitliche Masse repräsentirt die Hirnganglien; durch breite
Commissuren mit denselben vereint und auch von einander wenig ge-
sondert liegen ventral die Pedal- und Visceralganglien (Yiscero-pleuro-
arietalganglien) ; dazu gesellen sich die auch bei Schnecken vorhan-
enen oberen und unteren Buccalganglien. Was aber das Nervensystem
der Cephalopoden ganz besonders auszeichnet, sind die G. optica, welche,
in den Verlauf des vom Hirn kommenden Opticus eingeschaltet, die
grössten Nervenknoten des Körpers darstellen (Fig. 342). Ebenfalls
sehr ansehnlich sind die Ganglia stellata oder Mantelganglien, welche
an der Basis der Mantelfalten links und rechts angebracht sind und
ihren Namen den in die Mantelmuskulatur ausstrahlenden Nerven ver-
danken. Ein unpaares sympathisches Ganglion endlich nimmt die Stelle
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Weichthiere.
ein, wo Magen und Spiraldarm zusammentreffen. Cerebral-, Pedal-,
Visceral- und Augenganglien sind vollkommen von Knorpel umhüllt,
der einen Ring mit Hügelartigen Anhängen darstellt. In der ventralen
Spange des Knorpelrings liegen die ansehnlichen Ilörbläschen. Als
Geruchsgrühchen werden zwei Einsenkungen gedeutet, die hinter den
Augen münden.
ftn-m*' I,n Blutgefässsy stein der Cephalopoden ist das Merkwürdigste
das Vorkommen von zweierlei Herzen (Fig. 342); das Körperherz
besteht aus zwei (bei Nautilus vier) von den Kiemen das arterielle
Blut beziehenden Vorkammern und einer medianen unpaaren Kammer,
welche vor- und rückwärts Aorten abgiebt. Zum Körperherzen kommen
weiterhin die paarigen Kiemenherzen, welche an der Basis der Kienien-
büschel gelegen das venöse Blut in diese hineinpumpen. Sie erhalten
das Mut vorwiegend durch ein unpaares grosses Blutgefäss zugeführt,
welches Vena cava heisst und sich in einen linken und rechten, die
correspondirendcn Herzen versorgenden Ast gabelt. Diese von vorn
kommenden Venen, sowie einige von rückwärts ebenfalls zu den Kiemen-
siere. herzen verlaufenden Gefässe sind für die Bildung der Niere von grosser
Bedeutung. Die oben schon erwähnten Nierenmündungen führen in
zwei geräumige Säcke, durch deren Inneres die Venen schräg hindurch
ziehen (Fig. 330). Soweit letztere in den Nierensäcken eingeschlossen
sind, sind sie mit den Venenanhängen bedeckt, Aussackungen des
Venenlumens, deren Oberfläche von einem dicken Belag excretorischer
Zellen überzogen ist. Sie sind der Lieblingsaufenthalt höchst merk-
würdiger Parasiten, die unter dem Namen Dicyemidcn bekannt sind
und ihrem Bau nach zwischen Protozoen und Coelenteraten stehen.
Nahe seiner Ausmündung communicirt jeder Nierensack durch eine
kurze Röhre (Nierenspritze) mit einem Hohlraumsystem, welches
unzweifelhaft als echtes Coelom angesehen werden muss, da es mit dem
Körperherz und Kiemenherz umschliessenden Pericard zusammenhängt.
Seine Deutung als Rest einer echten Leibeshöhle gewinnt an Wahr-
scheinlichkeit durch die Wahrnehmung, dass der Hohlraum ferner mit
der Geschlechtskapsel in Verbindung steht.
SSST r)ic Geschlechtskapsel, das Ovar oder der Hoden, ist bei
allen Tintenfischen ein unpaarer, ansehnlicher Körper, der am meisten
Fig. '.\\'.\. Nervensystem von Sepia offirinnlin in seit-
licher Ansicht; ntb öchlundkopf, oe Oesophagus, yr Gan-
glion cerebrale, yp G. pedale, yr G. viscerale, yhs G. bnc-
cale sujjerius, fi'tu'O. buccale inferins, <>p Opticus.
Fig. .'{11. Kiefer von Sepia offieinalis.
Fig. 344.
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IV. Cephalopoden.
347
rückwärts am hinteren Ende liegt. Bei männlichen und weiblichen
Nautiliden, sowie bei den Weibchen der
Ociopoden und einiger Decapodcn (Oegopsiden)
geht von ihm ein linker und ein rechter Aus-
führweg aus ; sonst findet sich nur e i n Aus-
führgang auf der linken Seite. Beim Weib-
chen können unabhängig von den Geschlechts-
wegen accessorische Drüsen ( N i d a m e n t a 1 -
drüsen) vorkommen. Der Oviduct selbst
ist ein einfacher Canal mit drüsigen Ein-
lagerungen ; das Vas deferens des Männchens
dagegen ist complicirter (Fig. 345) und zeigt
Anschwellungen, welche als Samenblase, Pro-
stata und Spermatophorenbehälter unterschie-
den werden. In letzterem werden die
Spermatophoren oder N eeil ha m 'sehen
Schläuche gebildet, welche einen so ver-
wickelten Bau haben und im Wasser in
Folge von Quellung so merkwürdige Be-
wegungen ausführen, dass sie eine Zeit lang
für parasitische Würmer gehalten wurden
<Fig. 346).
Die Uebertragung der Spermatophoren
auf das Weibchen wird durch die zu diesem
Zweck mehr oder minder umgestalteten Ten-
takeln des Männchens bewirkt. Bei einigen
wenigen Gattungen wird der betreffende Ten-
takel zum ,,H e et o c o ty 1 u s" ; er schwillt an
seiner Basis zu einem Sack an, in welchem das
periphere Ende geborgen wird (Fig. 347).
Letzteres erhält einen Canal zur Aufnahme der Spermatophoren, löst
sich ab und kann so Tage lang in der Mantelhöhle des Weibchens
herumkriechen. Da es den Eindruck eines selbständigen Thieres
b
Fig. 341». Spennatophoro (Needhanv scher Schlauch) eines* Cephalopoden (aus
Hatsehek). a Austreihcapparat, b Sperniatozoenkapwl, e äussere Hülle
macht, wurde es lange Zeit unter dem Namen „H ect oc o t yl u s" als
ein Parasit, später als das rudimentäre Männchen der Cephalopoden
beschrieben.
Die Eier der Cephalopoden werden einzeln an Wasserpflanzen be- Estottfaif.
festigt oder in grossen Qualstern abgesetzt; sie sind sehr dotterreich
und erleiden in Folge dessen nur eine partielle, discoidale Furchung (Fig.
99, S. 125). Die Masse der Embryonalzellen bildet eine Keimseheibe an
einem Ende des ovalen Eies, in welcher lange Zeit die Anlagen der ein-
zelnen Organe (Augen, Tentakeln, Trichter, Schalensack) flächenhaft neben
t
Fig. 345. Männliche Ge-
schlechtsorgane von Sepia
off) final V.s (aus IIiLxley). t
Huden durch Spalten der
Hodenkapsel freigelegt, rtl
gewundenes Vas deferens.
rs Vesicula seminalis (der
Länge nach aufgeschnitten),
pr Prostata (geöffnet), bsp
Sperniatophorentasche
(Ncedhain'scne Tasche), p
Gesehlcehtsöffnung.
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348
Weichthiere.
einander ausgebreitet sind (Fig. 348). Später hebt sich der Embryo-
nalkörper vom Dotter ab. welcher eingeschlossen in eine Zellenhülle
Fig. 347. Männchen
von Argnuaufa Argo. Ir
Trichter. 1—4 die Arme
d&r rechten Seite , 1, — 4,
die Arme der linken Seite,
3, der hectocotyliairte Arm ,
links noeh in der Hülle
eingeschlossen, recht« aus
ihr ausgestülpt (aus Hat-
schek).
als Dottersack nahe der Mundöftnung mit dem Kopf in Verbindung
bleibt, bis sein Material zum Wachsthum des Embryo gänzlich aufge-
Fig. :t4s A und B. - verschieden alte Kcinischeihcn von Sepia offieiualis (aus
Balfour nach Köllikcr). mt Mantel mit Schalendrüse, br die Kiemennnlagcn , f die
paarigen Anlagen des Trichters, oc Auge, p Kopflappen, an After, m Mund, /, 2, 3,
4, 5 die Anlagen der fünf Arme der einen Seite.
braucht und das Thier zum Ausschlüpfen reif ist (Fig.
348 C).
Die Cephalopoden sind ausschliesslich • Meerthiere;
theils bewohnen sie felsige Küsten, theils suchen sie das
freie Meer auf. Ihre systematische Eintheiluug basirt auf
der Zahl der Kiemen und der Zahl und Beschaffenheit der
Tentakeln.
I. Ordnung. Tetrabranchiaterj.
Cephalopoden mit 4 Kiemen, 4 Nieren, 4 Vorkammern
des Herzens, zahlreichen Tentakellappen, einer wohl ent-
wickelten, gekammerten Schale (Fig. 340): Trichter aus
Fig. 3480. Em- zwei Klappen, Auge ein einfacher Retinabecher (Fig. 338).
bryo von Sepia Von lebenden Cephalopoden kennt man nur 4 der-
onicinalts. ■#■ se]})en Gattung Nautilus angehörige, tetrabranchiate Arten,
gen"''/ Dotter" unter denen der NautÜM Fompilius L. am verbreitesten
sack. ist. Die Schalen der Thiere werden an den malayi sehen
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IV. Cephalopoden: Tetrabranchiaten.
349
Inseln sehr häufig vom Meer ausgespült, während das lebende Thier
schwer zu erhalten ist. In früheren Perioden der Erdgeschichte waren
die Tetrabranchiaten weit verbreitet. Die Nautüiden werden am meisten
in den paläozoischen Schichten gefunden , während die Ammoniten in
dem mesozoischen Zeitalter ihre Blüthe hatten; da von letzteren keine
lebenden Repräsentanten mehr existiren, kann man nur aus der Structur
ihrer Schale ihre Zugehörigkeit zu den Tetrabranchiaten erachliessen.
II. Ordnung. Dibranchiaten
Cephalopoden mit 2 Nieren, 2 Kiemen, 2 Vorkammern, mit 8 — 10
kräftigen, mit Saugnäpfen bewaffneten Armen, hochorganisirten Augen,
mit rudimentärer Schale oder schalenlos.
I. Unterordnung. Decapoden
mit 10 Armen, Schale rudimen-
tär, aber vorhanden. Bei den
Spiruliden ist die Schale ein
kleines, posthornartig gekrümm-
tes, gekammertes Gehäuse, wel-
ches im Mantel verborgen liegt:
Spinda Peronii Lam. (Fig. 341);
sonst ist sie ein bei einem
Theil der Arten verkalkter, bei
einem anderen unverkalkter
„R ü c k e n s c h u 1 p" : Myopsiden
und Oegopsiden. Zu letzteren
gehören die Riesentintenfische
der Gattung Arehiteuthis , zu
ersterer die schlanken Calamai
der Italiener Loligo ndgarLs
Lam. und die plumpen Sepien
N. officinaiis L., so genannt,
weil früher der Rückenschulp
als Arzneimittel diente; der
mächtige Tintenbeutel liefert Fig. 349. Weibchen von Argonaiäa argo
die Sepia (Fig. 299). (nach R>'mcr J°uef0-
II. Unterordnung. Octopoden, ohne Schalenrudiment, mit nur 8 an
der Basis durch eine Schwimmhaut verbundenen Tentakeln (Fig. 335).
(tctopodiden : Octoptis vulgaris Lam., PhUonexiden : Argonauta argo L. (Fig.
349), Papiernautilus. Das Weibchen besitzt eine wie ein Kahn auf dem
Wasser treibende Schale (Fig. 349); die Männchen sind sehr viel kleiner
und haben keine Schale; ein Arm löst sich als Hectocotylus ab (Fig. 347).
Zusammenfassung; der Resultate über Mollusken.
1) Die Mollusken oder Welchthlere sind parenchymatöse
Thiere mit rückgebildeter Leibeshöhle; ihr Körper besteht aus Fuss,
Eingeweideknäuel, Mantel und Kopf.
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350
Zusammenfassung.
2) Der Fuss ist eine zur Fortbewegung dienende unpaare, ven-
trale Muskelmasse.
3) Der Kopf trägt die Augen und die Tentakeln.
4) Der Mantel umschliesst die Mantelhöhle, welche stets zur
Athmung in Beziehung steht, entweder indem sie selbst als Lunge
funetionirt, oder indem sie die Kiemen beherbergt; der Mantel bildet
durch Ausscheidung auf der Oberfläche die Kalkschale.
ö) Der Fuss, der Kopf, der Mantel und mit ihm die Schale
können in manchen Gruppen durch Rückbildung verloren gehen.
6) Ausnahmslos stimmen die Mollusken in der Bildung des
Nervensystems überein.
7) Constant sind drei Ganglienpaare, die mit drei Sinnesorganen
in Verbindung stehen: a) die Cercbralganglien mit den Augen,
b) die Pedalganglien mit den Hörbläschen, c) die Visceral -
ganglien mit den Geruchsorganen.
H) Das Herz ist dorsal und arteriell, eingeschlossen in einen
mit der Niere durch die Nierenspritze communicirenden Herz-
beutel (einen Rest der Leibeshöhle).
0) Stets ist eine Kammer vorhanden und je nach der Zahl der
Athmungsorgane eine p aarige oder unpaare Vorkammer.
10) Der Darm ist hoch entwickelt, mit sehr grosser Leber, meist
auch mit Speicheldrüsen versehen ; der Mehrzahl der Mollusken kommt
ein Schlundkopf mit Kiefern und Radula zu.
11) Während der Entwicklung tritt häufig dieVeligerlarve auf.
12) Nach der Bildung der Athmungsorgane und der Körperanhänge
theilt man die Mollusken in 4 Classen : 1 ) A m p h i n e u r e n , 2) A c e .
phalen oder Lamellibranchier, 3) C ephalophoren oder
Gastropoden, 4) Cephalopoden.
13) Die Amphineuren haben ein äusserst primitives Nervensystem,
indem die typischen drei Molluskenganglien durch Nervenstränge er-
setzt sind.
14) Die Accphalen oder Lainelllbranchier entbehren des Kopfs
und der Kopfaugen.
15) Sie sind bilateral symmetrisch und haben demgemäss paarige
Organe: linke und rechte Mantelfalten, Schalen, Nieren und
Geschlechtsorgane.
16) Bei manchen Muscheln, den Asiphoniern, sind die Mantelfalten
ventral in ganzer Ausdehnung durch einen Schlitz getrennt
17) Bei den Siphoniaten ist der Mantelschlitz durch Verwachsen
der Ränder bis auf 3 OefTnungen geschlossen, 1) einen vorderen
Schlitz für den Fuss, 2) eine obere, hintere Oeffnung zur Entleerung
der Fäcalien und des Athemwassers, Aftersipho, 3) eine untere,
hintere Oeffnung zur Einführung der Nahrung und des Athemwassers.
Branchialsip h o.
18) Jederseits finden sich 2 Paar Kiemen, selten Kammkiemen.
häufiger Fadenkiemen, am häufigsten Blattkiemen.
10) Demgemäss hat das Herz zwei Vorkammern: die unpaare
Kammer wird vom Mastdarm durchbohrt.
20) Der Fuss ist eine häutig byssustragende, beilförmige Muskel-
masse.
21) Die Schale besteht aus Perlmutterschicht, Prismen-
se nicht und Cuticula; sie wird durch 1—2 Adductoren ge-
schlossen, durch ein elastisches Ligament geöffnet.
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\
Zusammenfassung. 351
22) Systematisch wichtig ist, dass viele Muscheln im Bau der
Kiemen, des Schalenschlosses primitive Verhältnisse bewahren : Proto-
eonchen, andere eine höhere Entwicklungsstufe erreichen : Heteroconchen.
23) Die Cephalophoren oder Schnecken haben einen besonderen,
Augen und Tentakeln tragenden K opf, einen zum Kriechen dienenden
sohlenförmi gen Fuss, einen selten fehlenden u n p a a r e n Mantel
und eine unpaare Schale.
24) Die gewöhnlich unpaare M a n t e 1 h ö h 1 e enthält selten 2, meist
1 Kiemenbüschel oder ist unter Rückbildung der Kieme zur
Lunge geworden.
2f>) Niere und Herz Vorkammer sind nur selten (bei doppelter
Kieme) paarig; die bald hermaphroditen , bald gonochoristischen Ge-
schlechtsorgane sind stets unpaar.
215) Unpaar ist stets auch die Schale, gewöhnlich ein Spiral und
zwar dexiotrop gewundenes, durch ein Operculum verschliessbares
Gehäuse.
27) Nach der Beschaffenheit des Nervensystems, des Geschlechts-
apparats, nach Lage und Bau des Herzens und der Respirationsorgane
theilt man die Cephalophoren in 1) Opisthobranchier, 2) Proso-
branchier, 3) Heteropoden, 4) Pteropoden, 5) Pulmo-
naten, 6) Scaphopoden.
28) Die Opisthobranchier sind hermaphrodit, orthoneur (vergl.
Seite 330), haben gar keine oder sehr mannichfach gestaltete Kiemen,
eine stets hinter der Herzkammer gelagerte Vorkammer;
Schale und Mantel sind rudimentär oder fehlen.
29) Die Prosobranchier haben ein weit nach von gelagertes Kiemen-
büschel (ausnahmsweise 2), in Folge dessen eine vor der Herzkammer
gelagerte Vorkammer, sind chiastoneur (vergl. Seite 330) und ge-
trennt geschlechtlich; Schale und Mantel sind gut entwickelt
30) Die Heteropoden sind pelagische Prosobranchier mit einem in
Schwanz und Flosse gespaltenen Fuss, mit rudimentärer Schale
oder nackt.
31) Die Pteropoden sind pelagische Opisthobranchier, deren Fuss
in 2 flügelartige Fortsätze umgewandelt ist ; Schale rudimentär
oder fehlend.
32) Die Pulmonaten sind in einem Theil ihrer Organisation
op i st hob ran chi erahn 1 i ch (orthoneur und hermaphrodit), im an-
deren Theil prosobranchierähnlich (Lage der Vorkammer, Ent-
wicklung von Schale und Mantel); sie besitzen eine als Lunge func-
tionirende Mantelhöhle.
33) Die Scaphopoden sind Mittelformen zwischen Lamellibranchiern
und Cephalophoren.
34) Die Cephalopoden haben keinen echten Fuss, dagegen
als homologe Theile den -Trichter und die an den Kopf verlagerten,
meist mit Saugnäpfen besetzten Tentakeln; sie haben einen un-
paaren Mantel und eine unpaare oder gar keine Schale.
35) Die unpaare Mantelhöhle enthält 1 oder 2 Paar
Kiemenbüschel. Aus der Mantelhöhle wird das Wasser durch
den Trichter, eine unpaare Röhre, entleert
3<>) Entsprechend der Duplicität der Kiemen sind 2 Vorkammern
und 2 Nierensäcke vorhanden; ausser dem Körperherz finden sich
2 bei Mollusken sonst nicht vorkommende Kiemenherzen
37) Der Geschlechtsapparat ist gonochoristisch.
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352
Gliederfüssler.
38) Ein den Cephalopoden eigenthümliches Organ ist der Tinten-
beute 1.
39) Besonders hoch entwickelt ist das Auge (Retina, Chorioidea,
Iris, Cornea, Glaskörper, Linse) und das Nervensystem (Ganglia optica,
G. stellata, G. syinpathicum).
40) Die Eier zeichnen sich durch discoidale Furchung aus.
41) Man theilt die Cephalopoden ein in Tetrabranchiaten
und Dibr anchiaten.
42) Die Tetrabranchiaten (mit Ausnahme des Nautilus ausgestorben)
haben 4 Kiem en, eine gekam merte Schale, anstatt der Tentakeln
zjahl reiche Kopflappen.
43) Die Dibranchiaten haben 2 Kiemen, eine rudimentäre
oder gar keine Schale, 8—10 Tentakeln.
VI. Stamm.
Arthropoden. Gliederfüssler.
Bei der Besprechung der Arthropoden gehen wir davon aus, dass
die unter diesem Namen zusammengefassten Spinnen, Krebse, Tausend-
füsse und Insecten von Cuvier früher mit den Anneliden zum Stamm
der Articulatcn vereinigt wurden und dass es jetzt noch viele Zoologen
giebt, welche an dieser Vereinigung festhalten. Da sich hieraus ent-
nehmen lässt, dass Arthropoden und Anneliden in vielen Punkten über-
einstimmen, wollen wir die gemeinsamen Merkmale voranstellen und
daran erst die Besonderheiten anreihen, welche für uns maassgebend
sind, beide Thiergruppen zu trennen.
«h7rt"iit Anneliden und Arthropoden sind gegliederte Thiere
Äonen*», und unterscheiden sich gemeinsam von den ebenfalls gegliederten Wirbel-
thieren durch die Deutlichkeit der äusseren Segmentirung oder
Kingelung des Körpers. Die Grenzen zweier auf einander folgen-
der Segmente, welche in der Haut eines Fisches oder eines anderen
Wirbelthieresnicht wahrnehmbar sind, markiren sich bei den „Articu-
laten" durch Einkerbungen der Körperoberfläche, worauf die alten
Namen : „tVro/ia", „Inseeta", „Kerbthiere" Bezug nehmen. Ferner
haben sämmtliche Articulatcn ein Strickleiternervensystem,
indem sich zu den bei den meisten wirbellosen Thieren vorhandenen
Hirnganglien noch die metamer angeordnete Ganglienkette des Bauch-
marks hinzugesellt. Was nun vornehmlich* die Arthropoden von den
Anneliden unterscheidet, ist zweierlei: 1) die besondere Art der
Gliederung, 2) die Anwesenheit gegliederter Extremi-
täten.
tmet^hiedc Schon bei äusserer Betrachtung der Gliederung eines Arthropoden
am«*», fallt zumeist auf, dass die Segmentgrenzen viel tiefer einge-
») p.niening. s c h n i 1 1 e n sind als bei einem Ringelwurm. Die Ursache hierzu ist
in der Beschaffenheit der Haut zu suchen, welche zu einem äusserst
festen Panzer erstarrt und 2 Schichten unterscheiden lässt: die Epi-
dermis (vielfach auch Hypodermis, Chitinogenmembran genannt) und
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Gliederfüssler. 353
die Chitinschicht (vergl. Fig. 24 f, S. 59). Die Epidermis ist eine
meist unscheinbare Lage eines einschichtigen Platten- oder Pflaster-
epithels. Die Chitinschicht ist dagegen von ansehnlicher Dicke und,
da sie als eine Cuticula von der Epidermis ausgeschieden wird, der
Oberfläche parallel geschichtet; ihre grosse Festigkeit hängt mit der
chemischen Beschaffenheit des Chitins zusammen, welches sich von
den meisten organischen Verbindungen durch seine Widerstandsfähig-
keit gegen Säuren und Alkalien unterscheidet und nur beim Kochen
mit Schwefelsäure in Zucker und Ammoniak zerlegt wird.
Der harte . derbe Chitinpanzer würde dem
Thiere jede Bewegung des Körpers unmöglich machen,
wenn er nicht aus einzelnen gelenkig verbundenen
Theilen bestände (Fig. 350), deren Grenzen mit
den Segmentgrenzen zusammenfallen. Während die
Segmente gepanzert sind, verdünnt sich das Chitin
an den Grenzen zu einem zarten Gelenkhäutchen ;
dasselbe ist aber verborgen, damit die weichhäutige
Stelle dem Thiere nicht zum Verderben gereiche,
indem jedes hintere Segment mit seinem Anfang
unter das Ende des vorderen Segments geschoben
ist. So kommt eine an ein Fernrohr erinnernde
Verbindungsweise der Segmente zu Stande, welche
tiefe Einkerbungen der Körperoberfläche veranlasst.
Da die Deutlichkeit der Ringel tmg mit der Pan-
zerung des Körpers zusammenhängt, verwischt sie sich,
sowie das Bedürfnis» nach Panzerung des Körpers auf-
hört. Ein lehrreiches Beispiel sind die Payurm oder
Einsiedlerkrebse, die sich mit ihrem Hinterleib in ein
Schneckenhaus einnisten : nur so weit als der Körper aus der Schale heraus-
tritt, ist er gepanzert ; der Hinterleib ist weichhäutig und demgeinäss auch
ohne jede Spur von Ringelung (Fig. 397).
Der Chitinpanzer der Arthropoden bedingt einige weitere Eigenthüm-b)
lichkeiten, welche wir, obwohl sie mit der Gliederung nicht im Zusammen-
hang stehen, hier gleich anschliessen Wullen ; zunächst die periodischen
Häutungen der Thiere. Das Chitinkleid, einmal fertig gestellt und er-
härtet, ist keiner weiteren Ausdehnung fähig und würde ein Wachsthum
unmöglich machen, wenn es nicht entfernt werden könnte. Hat daher die
Körpermasse eines Arthropoden so weit zugenommen, dass sie das Chitin-
kleid vollkommen ausfüllt, so platzt letzteres an bestimmten Stellen, den Naht-
linien: das weichhäutige Thier zieht sich aus demalten Hemd, der „Exu vie",
heraus und kann sich nun innerhalb des neuen Kleides, das sofort gebildet
wird, zunächst aber noch weich und dehnbar ist, vergrössern. — Eine
weitere Folge des Panzers ist die eigenthümliche Beschaffenheit der
Haare, sowohl der gewöhnlichen Körperhaare, als auch der zu Sinnes-
empfindungen dienenden Tast- und Hörhaare : auch sie sind cuticularo Ge-
bilde, die häufig nur von einer einzigen Epidermiszelle ausgeschieden und
bei der Häutung erneuert werden. Ein Chitinhaar sitzt im angrenzen-
den Chitin beweglich mit einem Gelenkkopf in einer Art Gelenkpfanne
eingelassen und enthält im Innern einen Canal, in den ein Ausläufer der
unterliegenden Matrixzelle eindringt: soll das Haar zu Sinneswahrneh-
mungen dienen, so steht die Matrixzelle mit einem Nerv in Zusammenhang
(Fig. 74, S. 101).
Fig. 350. Schema
der Arthropoden-
ringelung. 1—4 4
Ringe mit ihren
Gelenkhäuten. A im
ausgedehnten, B im
contrahirten Zu-
stand (nach Graber).
H er t w ig. Uhrbuch der Zoologie. 3. AuHage.
23
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354
Gliederfüssler.
llr5K?:e' ^in weiteres wichtiges Merkmal der Arthropodengliederung ist die
Heteronomie der Segmente, welche bei den niedersten Formen
(Peripatus und Myriapoden) noch wenig auffällig
ist, bei den höher organisirten dagegen zu einer
ausserordentlichen Ungleichwerthigkeit der Körper-
abschnitte und demgemäss auch zu einer grösseren
Centralisation des Baues führt. Man kann verschie-
dene Körperregionen unterscheiden. Stets sind
einige wenige Segmente am vorderen Ende unter
einander verschmolzen und bilden den Kopf (Fig.
351 C)\ darauf folgt gewöhnlich ein weiterer Seg-
J^T^. mentcomplex, der Thorax oder die Brust (jT), und
j/^a^- em dritter, das Abdomen oder Pleon (A). Eine
" scheinbare Vereinfachung der Körperregionen kann
eintreten, wenn Kopf und Thorax unter einander zu
einem einheitlichen Stück, dem Kopfbrustschild
oder Cephalothorax ( Fig. 352 Ct ) verschmel-
zen ; umgekehrt kann die Zahl der Regionen sich
vermehren, wenn das Abdomen in 2 Unterregionen
sich gliedert, eine vordere, das Abdomen im enge-
ren Sinne, und eine hintere, das Postabdomen
(Fig. 353 P). Bei manchen Arthropoden endlich,
wie den Milben (Fig. 354), ist es ganz unmög-
lich, Körperregionen oder auch nur Ringelung zu
erkennen, weil hier eine innige Verschmelzung
der Körpertheile die äusseren Merkmale der Glie-
derung vollkommen verwischt hat.
Um nun die Unterschiede zu verstehen, welche
E»irro.iu«a. durch die Namen Kopf, Thorax, Abdomen etc. ausgedrückt werden sollen,
müssen wir zuvor noch das an zweiter Stelle genannte Merkmal, welches
die Arthropoden vor den Anneliden voraus haben, die gegliederten
Extremitäten, besprechen. Dieselben sind systematisch von so
grosser Bedeutung, dass auf sie sich der Name „Arthropodes",
„Gliederfü ssler", bezieht der an die Stelle von,, Arti culata".
,.G liederthier e", getreten ist. Die Arthropodengliedmaassen sind höher
entwickelte Parapodien der Anneliden; während aber die letzteren
Auswüchse sind, welche in den Rumpf noch continuirlich übergehen
und daher die Bewegungen desselben zwar unterstützen, aber meist keine
Eigenbewegungen ausführen können, sind die Extremitäten der Arthro-
poden 1) gegen den Körper gelenkig abgesetzt, 2) selbst wieder aus
einzelnen gelenkig verbundenen Stücken gebildet, 3) endlich mit einer
eigenen Muskulatur versehen, so dass sie einen selbständig beweglichen
Hebelapparat darstellen. .Jedes Körpersegment besitzt nur 1 Paar
Extremitäten, welches der ventralen Seite angehört; wenn an einem
ungegliederten Stück mehrere Paare vorhanden sind, so kann man mit
Bestimmtheit daraus schliessen, dass das betreffende Stück auch aus
mehreren Segmenten, mindestens aus so viel Segmenten, als es Glied-
maassenpaare trägt, verschmolzen ist. Der ungegliederte Kopf eines
Insectes enthält z. B. 4 Segmente, der Cephalothorax unseres Fluss-
krebses 13 Segmente, weil jener mit 4, dieser mit 13 Extremitätenpaaren
ausgerüstet ist. Die Entwicklungsgeschichte liefert hierfür sichere Be-
weise, da am Embryo die Segmentgrenzen noch erhalten sind. — Es
ist nun keineswegs iiöthig. dass jedes Segment sein Extremitätenpaar
Fiir. 3">1. Camnoilca
stfiphylinns. CKojif,
T Thorax, J Abdomen
(aus Huxk'y).
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Gliederfiissler.
356
besitzen m u s s , da die Gliedmaassen vielfach rückgebildet werden, ohne
Spuren zu hinterlassen.
Fig. 352.
Fig. 353.
Fig. 354.
Fig.
Palaemou xerrafus (au» Leuais-Ludwig). Ct CVphalothorux, -4 Abdomen.
Fig. 353. Amtrortnnus aitxtralis (aut> Hlanchard). Ct Cephalothorax, A Abdomen.
P Poxtabdomen, .st Giftstachel ; / Kieferfühler, 2 Kiefertaster , 3—6 vier Beinpaare.
Fig. 354. (iammasus Culeoptratontm (aus Taschenberg).
Die Extremitäten dienen bei den Arthropoden sehr m a n n i c h - f »nc«on a&
fachen Functionen (Fig. 355). Ihre primäre Aufgabe ist die
Ortsbewegung; locomotorische Gliedmaassen oder „Füsse" sind
lang gestreckt und aus einer grossen Zahl gut entwickelter Glieder
gebildet, die entweder zu Rudern abgeplattet, oder zum Zwecke des
Kriechens mit Krallen am Ende ausgerüstet sind (<*). Ausser loco-
motorischen Extremitäten giebt es aber noch tastende oder An-
tennen (/), kauende oder Kiefer — 4), Extremitäten von
variablen Functionen, Pedes spurii oder Pleopoden (9) und
endlich Uebergangsformen zwischen Beinen und Kiefern, die Kiefer-
füsse oder Pedes m axillares (S — 7).
Die Antennen sind abgesehen von ihrer Tastfunction vornehm-
lich durch ihre Lage und Innervirung charakterisirt; sie entspringen
vor der Mundöffnung von der Stirne und empfangen ihre Nerven dem-
gemäss auch vom oberen Schlundganglion, während alle übrigen
Gliedmaassen vom Bauchmark aus innervirt werden. In ihrer Gestalt,
sind die Antennen den Beinen nicht unähnlich, indem sie langgestreckt
bleiben, nur haben sie keine Endklauen, obwohl es schon als Miss-
bildung beobachtet wurde, dass Antennen wie echte Beine Klauen
tragen.
•23*
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Gliederfdssler.
Auffälliger ist die Gestalt der kauenden Extremitäten uiodi-
hcirt. Zur Zerkleinerung der Nahrung dient stets nur die aus 1 oder
2 Gliedern bestehende Basis : die basalen Glieder werden kräftige Stücke
und bekommen auf der der Medianlinie zu-
f**>v \\ gewandten Seite eine derbe, in Zähne und
- 2 Höcker erhobene Chitinbekleidung (Fig. 355
361 III, V, 423). Die übrigen Glieder können
ganz schwinden oder erhalten sich als ein
beinartiger Anhang, der Taster oder Pal-
pus. Da mehrere Extremitäten zu Kiefern
ausgebildet sein können, nennt man die erste
in der Reihe M and i bei, die zweite Maxille.
welcher dann noch eine zweite Maxille folgen
kann. Die Pedes maxillares sind Zwi-
schenformen , welche bald mehr an Beine,
bald mehr an Kiefer erinnern (Fig. 355, ö—7).
Pedes spurii ( Pleopoden) oder Afterfüsse
endlich sind kleine unscheinbare Extremitäten,
die zur Aushilfe für die verschiedensten Leistun-
gen herangezogen werden ; sie können als Kie-
men oder Kiementräger functioniren, als Träger
der Eier oder zum Uebertagen des Sperma:
sie können auch das Schwimmen und Kriechen
unterstützen.
Die genannten Extremitäten haben im
Fig. 355. Die wichtigsten Körper der Arthropoden eine constante An-
^Wtot/n KT Antenne Ordnung, welche durch die Natur der Vcr-
mit dem Eingang in da« hältnisse bestimmt wird. Zuvorderst am Kopf
Hörbläwhen, 2 Mandibel , .? stehen die Antennen, dann folgen im Umkreis
und -/ erste und zweite Ma- fies Mundes die Kiefer und, sofern sie über-
SfsÄÄK'Ä h»upt vorhanden sind die Kieferfflsse; eine
dritte Gruppe bilden die eigentlichen Beine,
eine vierte die Afterfüsse, welche indessen sehr häutig fehlen. Auf diese
regelmässige Anordnung gründet sich auch die Unterscheidung der ein-
zelnen Körperregionen. Zum Kopf rechnen wir alle Seg-
mente, welche Antennen und Kiefer tragen, zum Thorax
die mit Beinen ausgerüsteten Segmente; das Abdomen
endlich ist durch die Anwesenheit der Pedes spurii oder
den gänzlichen Extremi täten mangel ausgezeichnet.
Demzufolge würde Cephalothorax ein Körperabschnitt sein, von welchem
ausser den Antennen und Kiefern auch noch die Beine entspringen.
Die Extremitäten der Arthropoden haben verschiedene Streitfragen ver-
anlasst. Viele Zoologen sprechen von einer prae-antennalen Extremität und
demgemäss auch von einein prae-antennalen Segment. Die betreffende Ex-
tremität sei nur bei einem Theil der Orustaceen als gegliederter Augenstiel
erhalten, sonst rückgebildct und in ihrer Lage durch die Facettenaugen
markirt Wer diese Auffassung theilt, muss die Segmentzahlen, welche in
diesem Lehrbuch für den Kopf und den gesammten Körper angegeben sind,
überall um Eins erhöhen. Eine zweite Theorie behauptet, dass die An-
tennen ventrale, vom Bauchmark innervirte Extremitäten seien, welche
erst secundär auf die Stirne der Arthropoden verlagert wurden. Demgemäss
sei auch das Innervationscentrum erst secundär vom Bauchmark auf das
Hirn übertragen worden. Letztere Anschauung kann besonders für die
zweite Antenno der Orustaceen genauer begründet werden.
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Gliederfüssler. 357
Die Verschmelzung oder engere Vereinigung gleichwertiger Seg-
mente zu Körperabschnitten übt ihren Einfluss auch auf die innere
Anatomie aus, vornehmlich auf die Beschaffenheit des Nerven-
systems (Fig. 356). Ein Strickleiternervensystem besteht, wie in der
allgemeinen Zoologie (S. 99) gezeigt wurde, aus dorsalem Hirn und
ventralem Bauchmark, welche durch die links und rechts den Schlund
.1 H C D
Fig. 350. Verschiedene Grade der Concentration des Bauchmarks von Arthro-
poden (ans GegcnbaurV. A einer Termite (nach Lespite), D eines W^asserkäfera (nach
Blanchard), C einer Fluqe (nach Blanehard), D einer Spinne (nach Blanchard).
</s oberes, gi unteres Schlundganglion , qr, q1, <j 3 Ganglien de» Bauchstranga , tl— t*
Bnwtseginente, a Abdomen, o Augen, tr Tracheenlungen, />i-/jiv Beine, / Kieferfflhler,
2 Kiefertaster.
umfassenden Commissuren mit einander verbündten sind. Das Bauch-
mark sollte nun ebenso viele durch Längscommissuren verbundene
Paare von Ganglienknötehen zählen, als Segmente vorhanden sind.
Indessen ist das bei keinem Arthropoden, ausser zur Zeit des Em-
bryonallebens, der Fall; die Regel ist vielmehr, dass mehrere Ganglien-
paare zusammenrücken und verschmelzen, und zwar mit Vorliebe
Ganglienpaare, deren Segmente ebenfalls enger vereinigt oder ganz
verschmolzen sind. Man findet die verschiedensten Stufen dieser Ver-
schmelzung bei den einzelnen Arten ; bei Krabben und Spinnen können
sogar sämmtliche Ganglien des Bauchmarks zu einer einzigen Ganglien-
masse vereinigt sein. Von der Verschmelzung ausgeschlossen ist stets
das Hirn, da es vermöge seiner dorsalen Lage von dem Bauchmark
durch den Schlund getrennt bleibt (Fig. 304, S. 391).
Von den Sinnesorganen der Arthropoden kennen wir amsrnneiorgan*
besten die Augen, von denen man zwei Typen unterscheidet, das ein-
fache Auge oder Stemm a (Ocellus) und das zusammengesetzte
Auge oder das Facettenauge. Das einfache Auge (Fig. 357)
ist sehr klein und betest in Folge dessen auch Punktauge ; wo es den
höchsten Entwicklungsgrad erreicht, wie bei den Spinnen, besteht es
aus Linse, Glaskörper und Retina, von welchen Theilen die Linse aus
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358
Gliederfüssler.
der Chitinschicht des Körpers, der Rest des Auges aus dem Epithel
der Epidermis stammt. Wo sich in der Epidermis ein Auge entwickelt
hat, hat die Chitinschicht ihre bräunliche Farbe verloren, ist glashell
durchsichtig geworden und meist zu einem biconvexen Körper (/) ver-
flickt, der die Lichtstrahlen auf die Retina sammelt. Hinter der Linse
liegt eine Schicht ansehnlicher, durchsichtiger Zellen, der Glaskörper (2),
und weiterhin die Retina (■'>), gebildet von Zellen, welche meist an ihren
peripheren, dem Glaskörper benachbarten Enden die Stäbchen tragen
(4), am anderen Ende dagegen in Nervenfasern übergehen. Glaskörper
und Retina erzeugen gemeinsam eine scharf umschriebene, von Pig-
ment umhüllte, kugelige Verdickung im Epithel.
Fijf. 357. I>ureh>chnitt durch ein vorderes und hinteres Stenima von Kpfirn
tlidiiima (nach Greulicher au» Carricre). / Linse, 2 (ilaskörper, H Epidermis, 4
Stäbehensehieht . Sehzellensehicht der Retina, H umhüllende Basalmembran, 7 Stäbchen,
die sich im Inneren der Sehzellen anstatt am vorderen Ende entwickelt haben.
Die zusammengesetzten Augen (Fig. :-J58) sind sehr viel
grösser als die OceHen; sie verdanken ihren Namen „Facetten-
a ugen4' dem Umstand, dass die Chitinschicht im Bereiche des Sinnes-
organs eine zierliche hexagonale Fclderung oder Facettirung besitzt. Jede
Facette entspricht einer kleinen Chitinlinse: die Gesammtheit aller
Linsen, deren Zahl je nach den Arten zwischen einigen Dutzend und
mehreren Tausenden schwankt, bildet die Begrenzung des Auges nach
aussen und heisst in Folge dessen auch Cornea. Der unter der
Cornea gelegene, aus weichen vergänglichen Zellen bestehende Theil
des Auges wird an der von der Cornea abgewandten Basis von einer
zarten Haut umschlossen, welche man Sclera nennt: er setzt sich aus
radial gestellten, keilförmigen Stücken zusammen (Fig. 359), die in ihrer
Zahl und Lagerung genau den Facetten entsprechen und mit ihrem
peripheren breiten Ende sich einer Linse anfügen, während das schmalere,
centrale Ende mit dem vom Hirn an den Augenhintergrund heran-
tretenden Nervus opticus in Verbindung steht. Jeder der vielen hundert
Augenkeile (Fig. 3t>0) hat denselben Bau wie seine Nachbarn, nämlich
den Bau des Stemma's: wir unterscheiden an ihm 1) Linse (Facette,
Theil der Cornea) mit zugehörigen Epithelzellen (l), 2) Glaskörper
(kz), 3) Retin ula (rz). Der Glaskörper bestellt fast überall aus
4 Zellen, welche bei den sogenannten eueonen Augen da, wo sie zu-
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Gliederi'üssler.
3Ö9
Fig. 353. Kopf der Hinte (Drohne)
von oben gesehen (nach Swaramer-
dam aus Uatsehek), links und rechts
die grossen Facettenaugett, dazwi-
schen 3 Stemmata und die Fühler.
i \
rj.ti 5
Fig. 35U. Querschnitt durch das Facetten-
auge und das Hirn eines Ohrwurm* (nach Car-
riere aus Hatschek). 1 Chilincuticula , die im
Bereich des Auges die Cornea (die Summe sümmt-
licher Linsen) erzeugt, 2 Epidermis, welche sich
an der Grenze des Auges in die einzelnen Augen-
keile verwandelt , H Basalmembran, / ein-
springende Chitin lamelle, 5 rudimentäres Lar-
venauge.
saminenstossen, gemeinsam einen völlig durchsichtigen
Körper, den Crystallkegel ( k) ausgeschieden haben. Eben-
so ist die Zahl der Retinulazellen meist auf 7 normirt;
ihre 7 Rhabdome (r) liegen gleichfalls mitten inne.
wo die Zellen zusammenstossen, und sind sogar häufig
unter einander verwachsen. Jeder Augenkeil ist schliess-
lich noch eingehüllt in eine Pigmentscheide, durch welche
er optisch isolirt wird: letztere ist an zwei Stellen be-
sonders stark entwickelt und erzeugt 2 durch das ganze
Auge sich erstreckende Pigmentanhäufungen, die man
Iris und C h o r i o i d e a nennt (Fig. 359). Einmal ist
der Hintergrund des Augenkeils dicht pigmentirt (Cho-
rioidea), zweitens greifen Pigmentaellen an der hinteren
Grenze des Crystallkegels tief zwischen die Zellen ein
und lassen nur eine kleine OefTnung zum Durchtritt
<ler Lichtstrahlen frei (Iris).
Aus dem Gesagten erhellt, dass man das Facetten-
auge aufTassen kann als einen dicht zusammengedrängten
Complex von keilförmig gestalteten, einfachen Augen.
Diese anatomisch berechtigte Auffassung lässt sich aber
nicht auf die Physiologie des Auges übertragen. Wie
Joh. Müller zuerst ausführlich begründete, entwirft
das Facettenauge nur ein einziges aufrechtes Bild, dessen
einzelne Bildpunkte von den Augenkeilen geliefert wer-
den. Man nennt die Müller sehe Theorie die Theorie
des musivischen Sehens gegenüber der jetzt verlasse-
nen Bildchentheorie, welche annahm, dass
Fig. 3ü0. the-
matische Darstel-
lung vom einzelnen
Keil eines Facetten -
auges. / Linse mit
1 1 vpodennis.Ä- Cr>>-
tallkör
»rper mit Glas-
jeder Augen- körperzellen //; (da-
keil schon für sich ein kleines umgekehrtes Bild erzeuge, neben auf dcmQuer-
Während die Zahl der Stemmata wechselt, ist R^iS^mit
die Zahl der Facettenaugen im ganzen Stamm der Khabdomen /• da-
Arthropoden auf 2 normirt. Wo scheinbar nur ein neben Querschnitt).
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360
Gliederfüssler.
zusammengesetztes Auge vorkommt, wie bei den Daphniden, ist das-
selbe durch Verschmelzung von zwei Augen entstanden. Für das
Facettenauge ist ferner constant, dass der Nervus opticus ausserhalb
des Auges ein sehr grosses Ganglion opticum bildet.
Gleichartigkeit des Baues zeichnet abgesehen von den Augen nur
noch die Tastorgane aus, welche von Tasthaaren gebildet werden. Da-
gegen scheinen Gehör, Geruch, Geschmack durch sehr verschiedenartige
Einrichtungen vermittelt zu werden. Leider wissen wir noch immer
wenig von diesen Sinnesorganen, selbst bei Arthropoden, die unzweifel-
haft gut riechen, hören und vielleicht auch schmecken. Der Geruchs-
sinn scheint seinen Sitz hauptsächlich an den Antennen und den Tastern
der Kiefer zu besitzen,
imm. yom Darm der Arthropoden ist nur die ganz aussergewöhnliche
Ausbildung des ectodermalen Anfangs- und Enddarms zu erwähnen,
denen gegenüber der entodermale Mitteldarm klein bleibt, indem er
gewöhnlich nur etwa '/s der Gesammtlänge liefert. Bei den periodi-
schen Häutungen wird die Chitinauskleidung der ectodermalen Darm-
abschnitte, so namentlich des weit verbreiteten Kaumagens mit ab-
geworfen.
"St*'? ^ 01,1 Hlutgefässap parat ist am constan testen das Herz,
meistens ein dicht unter der Rückenhaut gelegener Schlauch, welcher
in einem mehr oder minder abgegrenzten Abschnitt der Leibeshöhle
(Herzbeutel) eingeschlossen ist und aus ihm das Blut durch eine linke
und rechte Reihe von Spalten aufnimmt. Indem die Ränder der Spalten
weit ins Hcrzlumen vorspringen ' und so dünne, als Klappen funetio-
nirende Falten erzeugen, wird der Hcrzschlauch in eine Anzahl auf-
einanderfolgender Kammern abgetheilt, welche sich von hinten nach
vorn contrahiren. Die Kammerung schwindet, wenn bei Thieren von
gedrungener Körpergestalt der Herzschlauch zu einem Säckchen ein-
schrumpft. — Bei kleinen Arthropoden kann das Herz, wie das übrige
Gefässsystem gänzlich fehlen. Dieser Mangel besonderer Circulation.s-
organe kann, da schon die Anneliden hoch entwickelte Blutgefässe
haben, nur auf Rückbildung beruhen und erklärt sich daraus, dass sich
im Allgemeinen bei geringer Körpergröße die Organisation vereinfacht.
Daher finden sich Arten ohne Herz sowohl bei kleinen Crustacecn
(vielen Copepoden) als auch bei kleinen Arachnoideen (vielen Milben),
während verwandte Arten noch das Herz besitzen.
Von den grossen Körperarterien kann das Blut entweder direct in
die Leibeshöhle gelangen, oder es muss erst einen mehr oder minder
complicirten Weg durch Körperarterien, Capillaren und Venen, sowie
durch die Athmungsorgane beschreiben. Man findet hierbei die ver-
schiedensten Abstufungen in der Vollkommenheit des Blutgefässsystems.
Indessen auch da, wo die höchste Stufe erreicht wird, ist kein völlig
geschlossener Blutkreislauf vorhanden, da stets ein als Pericard fune-
tionirender Theil der Leibeshöhle eingeschaltet ist, aus welchem heraus
das Herz das Blut aufsaugt. Die verschiedene Ausbildungsweise des
Blutgefässsystems hängt vorwiegend von der Beschaffenheit der Re-
spiration sorga n e ab, welche wir genauer erst bei den einzelnen
Abtheilungen besprechen werden, liier genüge die Bemerkung, dass
je mehr sich die Athmung an bestimmten Orten und in bestimmten
Organen localisirt, um so besser Arterien, Venen und Capillaren ent-
wickelt sind, dass dagegen bei diffus durch den ganzen Körper ver-
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Gliederfüssler.
361
breiteter Athmung das Gefässsystem bis auf das Herz redurirt sein
kann.
Vergleichend anatomische und entwicklangsgeschichtliche Gründe
machen es wahrscheinlich, dass das Coelom der Arthropoden bis auf kleine
Reste rückgebildet ist, dass die sogenannte Leibeshöhle ein Theil der sinuös
erweiterten Blutbahn ist. So würde es sich erklären, dass das Herz sein
Blut aus dem „Pericard" bezieht, welches als ein Theil der aus Blutsinus
hervorgegangenen „Leibeshöhle" mit dem Pericard der Mollusken und
Wirbelthierc nicht verglichen werden dürfte.
Der Raum der Leibeshöhle ist bei den Arthropoden abgesehen J2kK-
von anderen Eingeweiden häufig durch den Fettkörper eingeengt; uo!»argaM.
derselbe ist eine Art Bindegewebe, dessen reichlich mit Fett beladene
Zellen ein Nahrungsreservoir für den Körper bilden. Daneben hat man
Harnbestandtheile wie Harnsäure aufgefunden und vermuthet, dass
Excretstoffe vorübergehend hier aufgehäuft werden, bevor sie durch
die Excretionsorgane nach aussen gelangen. Was letztere anlangt, so
sind sie in den einzelnen Abtheilungen verschieden: echte Segmental-
organe beim Peripatus, Schalen- und Antennendrüsen bei Crustaceen,
Malpighi'sche Gefässe bei Spinnen und Insecten.
Die Geschlechtsorgane sind äusserst selten hermaphrodit. ti«»ch,fcM»-
Bei den getrennt geschlechtlichen Formen kann man fast stets Mänri- orc*ne
chen und Weibchen schon äußerlich von einander unterscheiden, sei
es an Grösse oder Färbung oder an der Beschaffenheit bestimmter
Extremitäten, namentlich der bei der Begattung in Function tretenden.
Die Eier sind durchgängig gross und • dotterreich und haben in der
Regel die Fähigkeit zur totalen Furchung verloren. Bei den meisten
Arthropoden finden wir die specielle Form der par-
tiellen Furchung, die man die superficiale nennt (S. 120,
Fig. IC«)). Während die oberflächliche Schicht des Eies in die Em-
bryonalzellen zerlegt wird, welche das Blastoderm erzeugen, erhält
sich lange Zeit über oder sogar dauernd im Inneren eine ungefurchte
Dottcrkugcl. Diese Furchungsweise der Eier hat ein systematisches
Interesse, da sie ausser bei den Arthropoden nirgends mehr im Thier-
reich beobachtet wird.
Entsprechend ihrer Organisationshöhe kommt bei den Arthropoden^ fl-
echte ungeschlechtliche Fortpflanzung durch Theilung oder Knospung"" p aB,lsn**
gar nicht mehr vor. wohl aber Parthenogenese und Paedo-
genese. Bei vielen Arthropoden facultativ, hat die Parthenogenese
bei anderen eine den Lebensverhältnissen der Art besonders angepasste
Bedeutung gewonnen. Bei niederen Krebsen und Pflanz enläusen tritt
Parthenogenesis ein, wenn es gilt, die Art rasch in grossen Mengen
über ein Nährgebiet zu verbreiten. Bei den Bienen bestimmt Par-
thenogenesis das Geschlecht, indem unbefruchtete Eier nur Männchen
liefern. Vielleicht wird ein genaueres Studium uns noch mit weiteren
Aufgaben der Parthenogenesis vertraut inachen.
Da neben der Parthenogenesis — vielleicht mit äusserst spärlichen
Ausnahmen — die Fortpflanzung durch Befruchtung fortbesteht, so
stellt sich nicht selten der regelmässige Cyklus parthenogenetischer
und streng geschlechtlicher Generationen ein, die H eterog en i e, wenn
dieselbe auch nie in so typischer Weise ausgeprägt ist, wie wir sie
schon bei Würmern (J)istonieen) kennen gelernt haben.
Systematik. Einer der hervorragendsten französischen Entomo-
logen, Latreille, theilte die Arthropoden in 4 Classen, Cntat»u-mi, Mipria-
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Gliederfüssler.
j>o(hn, Araehnokkea und Iiisrctcn. Diese Eintheilung wird im Wesentlichen
auch jetzt noch beibehalten, nur bedarf sie der Vervollständigung nach 2
Richtungen hin. Durch die Zoologen der Challengerexpodition wurde er-
mittelt, dass die bis dahin räthselhafte Gattung Prrijmttm unzweifelhaft
zu den Arthropoden gehört und unter denselben als Repräsentant einer
fünften besonderen Classe. der Profratheatcn . angesehen werden muss.
Ferner hat sich immer mehr herausgestellt, dass J 'rotracheaten, Mt/riajxxiev,
Sjntmen und Insrrfcn in der Bildung ihrer Extremitäten und Athmungs-
organe einander viel näher stehen als den Crustarca. Man thut daher
gut, sie als Trachratrn zusammenzufassen. Da der Perijmfus mit Um-
gehung der Oiistarwn direct zu den Aanrli/lcn überleitet, ist es wahr-
scheinlich geworden, dass die Trachea! ru einerseits, die Crustaceen anderer-
seits sich unabhängig von einander entwickelt haben, wenn auch aus
Urformen, die beide der Classe der Anmlhlcn zuzurechnen wären. Das ist
einer der wichtigsten Gründe, die man für Einverleibung der Annclhleu in
den Stamm der Art iculatm geltend machen kann, weil nur auf diesem Weg
der Stamm zu einer phylogenetischen Einheit abgeschlossen wird. Schliess-
lich sei hier noch erwähnt, dass die Stellung der Arachnohhcn Gegenstand
lebhafter Discussion geworden ist. Viele Zoologen wollen sie ganz von
den Tracheaten ausschliessen und mit gewissen Crustaceen {Ghjantostraken,
Xiphoaurm) vereinen; sie fassen ProtracheaJen, Mijria jtoden und Insectrn als
AutaiitfUrn zusammen. Ich werde dieser Eintheilung nicht folgen, wenn
auch au ihr richtig ist , dass die einzelneu Classen der Antcnnatcn unter
einander näher verwandt sind, als mit den Arachnohhcn.
I. Unterstamm und I. Classe.
(nistaccen, Krebsthiere.
pmter. Ihren lateinischen Namen „Crustaceen" haben die Krebsthiere
dem Umstand zu verdanken, dass ihre Chitinpanzerung durch Ein-
lagerung von kohlensaurem Kalk eine bedeutende Festigkeit erhalten
hat; die Chitinschicht hat dadurch die ihr von Natur zukommende
Elasticität cingebüsst, ist spröde geworden und splittert leicht;
sie wird wiederum weich, wenn bei Zusatz von Essigsäure oder Salz-
säure der kohlensaure Kalk unter Aufbrausen gelöst wird.
Kiemen. Weitere systematisch wichtige Merkmale der Crustaceen hängen
mit ihrem Aufenthaltsort zusammen ; die Crustaceen sind typische
Wasserbe w ohne r und athmen demgemiiss durch Kiemen. Diese
Athmung wird auch beibehalten, wenn die Thiere, wie z. B. unsere
Flusskrebse, längere Zeit im Trocknen zu leben vermögen. Die Fluss-
krebse behalten, um dies zu ermöglichen, in ihrer Kiemenhöhle stets
Wasser zurück, so dass ihre Athmungsorgane dauernd von Wasser
befeuchtet bleiben. Nur wenige Ausnahmen giebt es von der Regel;
Landkrabben, Mauer- und Kellerasseln athmen trockene Luft entweder
mit denselben Organen, die sonst als Kiemen funetioniren, oder mit
besonderen, später zu besprechenden Einrichtungen an den Schutzorganen
der Kiemen. Die Kiemen der Krebse finden sich stets an Stellen,
wo ein rascher Wasserwechsel ermöglicht ist. Diesen Bedingungen
genügen besonders die Extremitäten; daher findet man die Kiemen
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I. Crustaceeu.
363
als za r thäu t i ge , blutreiche Büschel (Fig. 58, S. 87) oder Platten ent-
weder an den Extremitäten selbst oder in ihrer Nähe am Körper an-
geheftet, oder ganze Extremitäten sind zu zarthäutigen Platten und
somit zu Kiemen geworden (Seite 370, Fig. 3(58, Seite 3*5, Fig. 384).
Ausser den Kiemen dient die übrige Körperoberfläche zur Athmung;
die Hautathmung kann sogar bei kleinen dünnhäutigen Formen , bei
denen besondere Kiemen häufig fehlen oder nur als Rudimente auf-
treten, die allein wichtige werden, so dass wir dann anstatt localisirter
Athmung eine diffuse Athmung mit allen ihren Folgen auf die Circu-
lationsorgane erhalten. Während bei localisirter Athmung Herz, Ar-
terien, Venen und Capillaren hoch entwickelt sind, findet sich bei den
durch die Haut athmenden niederen Formen gewöhnlich nur das Herz,
und auch dieses häufig in stark reducirter Gestalt ; oder es ist mit
dem Herzen der letzte Rest eines Circulationsapparats verloren ge-
gangen.
Da vom Aufenthalt im Wasser ausser der Athmung auch dieE**«»«***.
Fortbewegungsweise bestimmt wird, so besitzen die Crustaceen auch
eine besondere Extremitätenform, den Spalt- oder Schwimmfuss,
durch den sie sich von sämmtlichen Tracheaten unterscheiden. Während
bei diesen, wie jedes Insect lehrt, die Glieder eines Beines in einer
einzigen Reihe hinter einander liegen, bilden sie bei den Krebsen
zwei Reihen oder zwei Aeste, einen äusseren Schwimmfussast
und einen inneren Gehfussast (Fig. 3(11 I). Zunächst beginnt aller-
dings die Extremität mit einer einreihigen aus zwei Gliedern bestehen-
den Basis (1 u. _), dann aber gabelt sie sich sofort in die beiden
Aeste (a u. i), deren Namen folgende Betrachtung verständlich machen
wird.
Fijr. 'M>1. Co|>epi>dcnextreinitäten I—IY von Diaptnmus Castnr. I ein Paar
Spalt tü •*!«.• , II zweite rechte Antenne . /// rechte Mandibel, IV rechte Maxille: I'
rechte Mandibel von Ct/rlops ronmalus. 1 und - erstes und zweites; (Mied der Basis.
n Aussenast, /' Innenast.
Der Spaltfuss findet sich nur so lange, als die Extremität zum Schwim-
men verwandt wird; bei Krebsen, welche vorwiegend auf dem Boden der
Gewässer kriechen , wie Flusskrebs und Wasserassel , fehlt der äussere, zum
Schwimmen besonders dienende Ast gänzlich und es rindet sich nur der
innere Gehrussast, welcher allein die Verlängerung der Basis und mit ihr
ein Gangbein nach Art der Tracheatenextremität bildet. Auf den ersten
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864
Gliederfüssler.
Blick scheint damit die Beschaffenheit der Extremität die ihr beigemessene
systematische Bedeutung zu verlieren; allein eine genauere Betrachtung
lehrt, dass diese Umwandlung sich stets nur an einem Theil der Extre-
mitäten äussert. Die Abdominalfüsse, die Pedes spurii, behalten den Spalt-
fusscharakter bei ; ebenso kann man an den Tastern der Mandibeln, Maxillen
und an den Maxillarfüssen häutig noch Innen- und Aussenast erkennen. Endlich
lässt sich vielfach sogar für die Gangbeine die Entstehung aus Schwimm-
füssen mit Sicherheit nachweisen, wie z. B. die meisten marinen Ver-
wandten unseres Flusskrebses schwimmende Larven besitzen (das Mysis-
stadium), bei welchen der Schwimmfussast vorhanden ist und erst verloren
geht, wenn bei der Metamorphose die schwimmende Lebensweise mit der
kriechenden vertauscht wird. Man kann somit mit vollem Recht den Satz
aufstellen, dass die Urform der Crustaceenextremität der
Bpaltfuas ist.
Die Extremitäten liefern uns noch ein weiteres, zum Erkennen der
Crustaceen äusserst werthvolles Merkmal, dass nämlich zwei Paar
Antennen vorhanden sind. Man muss dabei freilich die Charak-
teristik der Antennen hauptsächlich auf morphologische Merkmale
stützen, dass sie vor der Mundöffnung liegen und vom Hirn oder der
Schlundcommissur aus innervirt werden; denn die zweiten Antennen
mancher Entomostraken dienen keineswegs zum Tasten, sondern sind
mächtige Rüderorgane, Ruderantennen, geworden.
Ueber die innere Organisation ist wenig Allgemeines zu
sagen. Am Darm fällt der gänzliche Mangel der Speicheldrüsen auf:
dagegen ist häutig der Vorderdarm zum Kaumagen erweitert und der
darauf folgende Theil mit einer Leber ausgerüstet. Letztere findet
man auf den verschiedensten Stufen der Ausbildung, von den zwei
einfachen Blindsäcken oder Leberhörnchen der Daphniden (Fig. 3<>1»)
bis zu den gewaltigen Leberlappen der Deca-
poden (Fig. 31K)). Als Niere werden zwei
Drüsen gedeutet, welche Schalendrüse und An-
tennendrüse heissen. Die Schal endrüse
— fälschlich so genannt, weil man glaubte,
die Bildung der Schale ginge von ihr aus —
mündet jederseits neben der vierten Extremi-
tät, der Maxille, die Antennendrüse an
der Basis der zweiten Extremität, der grossen
Antenne. Beide haben denselben Bau (Fig.
362) und sind vielfach gewundene Canäle, die
mit einer Blase beginnen und öfters auch mit
einer Art Harnblase enden. Durch das Auf-
treten von schleifenförmigcn Canälen in zwei
Segmenten erinnern die Drüsen an die Seg-
mentalorgane der Anneliden ; es ist sehr wahr-
scheinlich, dass sie modificirte Segmentalorgane
Fig.302. Äntennendrüsc sind; freilich findet man Schalendrüse und An-
r'ulfan-bl-re1 "Äit" tenncn«,n,se nur bei Crustaceenlarven gleich-
lacun.m ffarum.' rr Nieren- zeitig; sonst scheinen sie für einander zu vi-
canal, // Harnbla.«- mit earürcn.
Mündung >n. j)as Auge der Crustaceen ist entweder ein
dem Hirn aufgelagerter, mit drei Linsen aus-
genisteter unpaarer Piginentficck, das sogenannte X au p Ii u sauge,
oder es ist ein paariges zusammengesetztes Auge; jenes tritt vor-
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I. Crustaceen.
365
wiegend bei niederen Krebsen, dieses bei den höheren Formen auf;
viele Arten haben beiderlei Augen gleichzeitig. Geruchs- und
Tastapparate finden sich in Form von chitinösen Stiftchen und
Haaren, besonders an den ersten
Antennen. Ein Gehörorgan
(Fig. 363) kommt nur den höhe-
ren Krebsen zu: dasselbe ist sel-
ten ein Bläschen, häufiger ein von
Chitin ausgekleidetes Grübchen
in der Basis der ersten Antenne.
Am Grunde des Grübchens be-
findet sich die Crista acustica,
eine Reihe beweglicher Chitin-
haare, die mit ihren Spitzen in
einen Haufen von Hörsteinchen
hineinragen, während an ihre ba-
salen Enden der Hörnerv tritt.
Stärkere Haare decken den Eingang zum Grübchen zu.
Bei den periodischen Häutungen wird natürlich auch die Chitinaus-
kleidung des Hörorgans nebst seinen Schutzhaaren, Hörhaaren und Hör-
steinen erneuert. Man kann jetzt durch ein einfaches Experiment fest-
stellen, dass die Hörsteine kleine Partikeln sind, die von aussen in das
Hörgrübchen gesammelt werden. Denn wenn man einen frisch gehäuteten
Krebs in einem vollkommen reinen Glashafen züchtet, so bleibt das Thier
ohne Otolithen, zeigt aber, wenn man gekörnelte Substanzen von einer
leicht erkennbaren Beschaffenheit, wie Harnsäurekrystalle, einstreut, bald
einen Theil der betreffenden Körper im Hörgrübchen.
Im Geschlechtsapparat, der nur ausnahmsweise hermaphrodit
ist, fällt vor Allem die merkwürdige G rösse der Sperma to-
zoen auf, welche bei manchen Ostracodeif fast ebenso lang werden
wie das ganze Thier. Stets sind die Spermatozoon ohne Geissei und
daher unbeweglich ; ihr kugeliger oder langgestreckter Körper pflegt
mit starren spitzen Ausläufern bedeckt zu sein, welche in ihrer Form
an die Pseudopodien eines Actinosphaerium erinnern (Fig. My d,
S. 65).
Die typische Entwicklung eines Crustaceen ist die Metamor- g*jffi
phose, in deren Verlauf mancherlei Larvenformen auftreten, unter gewehte,
denen der Nauplius und die Zoea besonderes Interesse bieten.
Der Nauplius (S. 30, Fig. 8) besitzt einen ovalen Schild, der vom
Rücken die drei Segmente, aus denen sein Körper besteht, bedeckt;
darunter kommen jederseits drei zum Schwimmen dienende Extremitäten
zum Vorschein. Die erste einreihige Extremität liefert später die erste An-
tenne; die beiden folgenden sind Spaltffisse und wandeln sich bei der
Metamorphose in die zweite Antenne und in die Mandibel um, ein
sprechender Beweis, dass in der That Antennen und Kiefer nur modi-
ficirte locomotorische Gliedmaassen sind. Im Innern liegt ein dreithei-
liger Darm, ein oberes Schlundganglion und darauf das unpaare Nau-
pliusauge, ventral das Bauchmark. Die Zoea (Fig. 364) hat einen
viel complicirteren Bau, indem sie schon aus Cephalothorax und Ab-
domen besteht, von denen der erstere mehrere Schwimmfüsse trägt,
das letztere noch extremitätenlos ist. F'erner finden sich zwei grosse
zusammengesetzte Augen (o) und dorsal vom Darm ein Herz (/»). Viel-
fach ist der Cephalothorax mit enorm langen Stacheln versehen, welche
Fig. '.Mi. Hörgrübehen de» Flusskrebses
aus der Antenne herauspräparirt. a Ein-
gang , r Mündungsrand , as Hörleiste , b
Blindes Ende der Grube, n Hörnerv, n'
Verästelungen desselben an der Hörleiste
(aus Huxley).
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M6
Gliederfüssler.
vom Rücken, von der Seite und von der Spitze desselben wie Balancir-
stangen in das Wasser hineinragen und wohl bestimmt sind, das Thier
gegen seine Feinde zu sehtttzen.
Nauplius und Zoea sind von
systematischer Bedeutung und wer-
den zur Unterscheidung der Ento-
mostraken oder niederen Krebse
und der Malakostraken oder höhe-
ren Krebse benutzt. Bei den Ento-
mostraken findet sich der Nauplius.
dagegen niemals die Zoea: bei den
Malakostraken dagegen beginnt die
Metamorphose gewöhnlich mit der
Zoea und nur ausnahmsweise tritt
als niederes, vorbereitendes Stadiuni
der Nauplius auf. Die systematische
Vorwerfbarkeit des erläuterten Un-
, terschieds wird erheblich dadurch
dt ÄfilJ beeinträchtigt dass es sowohl ft-
dornen:», II'— VIII die Bnistnepnent«-. tonwstraken, als auch Malakostraken
/ und 2 die Antennen, /, //, /// die giebt, welche überhaupt keine Larven
Kieferfüss«-. besitzen, sondern sich direct ent-
wickeln. Daher ist es nothwendig.
die Unterscheidung der beiden Unterlassen auf anatomische Merk-
male zu begründen. Bei den Entomostraken herrscht eine grosse
Variabilität in der Zahl der Segmente und in der Vertheilung der-
selben auf die einzelnen Körperabschnitte. Bei Branchiopoden z. B.
schwankt die Segmentzahl zwischen ca. 10 bei Daphniden und ca. 4f>
bei Apusiden. Bei den Malakostraken dagegen ist die Segmentzahl
im Ganzen auf 20 fixirt,*von denen stets sieben auf das Abdomen
kommen, während in der Verwendung der 13 vorderen Segmente, welche
Kopf und Thorax ausmachen, Unterschiede zwischen den einzelnen
Ordnungen vorhanden sind. Auch die Mündungen der Geschlechts-
organe sind bei den Malakostraken an bestimmte Segmente gebunden,
die weibliche Geschlcchtsöffnung an das 11., die männliche an das V\
Segment. Endlich unterscheiden sich höhere und niedere Krebse noch
durch die Niere ; als Niere der Entomostraken funetionirt die Maxillar-
drüse (Schalendrüse), als Niere der Malakostraken die Anten nendrüse
(grüne Druse).
Zum Scbluss noch einige Bemerkungen zu den Namen „Entomostraea- .
-Gli&lerschakr" und „Malacostraca", „Hcirlischaler" . Wenn wir nämlich
beide Gruppen auf Härte und Deutlichkeit der Gliederung des Chitin-
panzers prüfen, so kommen wir zu dem merkwürdigen Resultat, dass die
„Gliederschaler" eine viel undeutlichere Segmentirung haben als die
„Weichschaler", dass umgekehrt die „Weichschaler" ausserordentlich viel
härter gepanzert sind als die „Gliederschaler". Hätte man, wie es auf den
ersten Blick den Eindruck macht, mit den Namen einen Gegensatz beider
Gruppen ausdrücken wollen, so wären die Bezeichnungen geradezu ver-
tauscht; es müssten die niederen Krebse Malacostram, die höheren Ento-
mostraca heissen. Indessen haben sich die Namen historisch gar nicht im
Gegensatz zu einander entwickelt, sondern wurden zu ganz verschiedene»
Zeiten, bei des mal im Gegensatz zu den Ostr/tkodermcn, in die Zoologie ein-
geführt. Aristoteles nannte den Flusskrebs und seine Verwandten
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I. Entomostraken : Copepoden.
367
mit Recht „Malacostraca" , da ihr Kalkpanzer an die Festigkeit des Kalk-
panzers einer Muschel oder Schnecke (Ostracodermata) nicht heranreicht;
er kannte die niederen Krebse noch gar nicht ; diese wurden mit Ausnahme
der CHirijmikn erst im 17. und 18. Jahrhundert beschrieben, darunter
die mit zweiklappigen Schalen versehenen Ostracoden und Dapknidcn, welche
O. F. Müller „Entomostraca seu Insecta testacea", gegliederte Schal-
thiere, nannte.
I. Unterclasse.
Entomostraken.
L Ordnung. Copepoden, Ruderfüssler.
Um in das Studium der Crustaceen einzuleiten, sind die Copepoden
am geeignetsten, da sie nicht nur einfacher, sondern auch ursprüng-
licher gebaut sind als die übrigen Entomostraken (Fig. 365). Die 16
Segmente ihres Körpers sind auffallend gleichförmig auf die einzelnen
Körperabschnitte vertheilt (Kopf 6, Thorax 5, Abdomen 5), nur dass
ab und zu wie bei den Cyclopiden des Süsswassers das erste Thorax-
Fig. 'Mi'). Diaptomus Caxtor. y olieres Schliimlganglioii mit Xaupliunaugc, //
Bauchraark, h Herz, sp Spormatophoren, Dann und Ovar nicht bezeichnet. / erste
Antenne, 2 zweite Antenne, .VMandibel, / Maxille, ö Pedca maxillarew, 6— 10 Schwimin-
fibse.
segment mit dem Kopf und die ersten 2 Abdominalsegmente unter
einander verschmolzen sind (Fig. 8 S. 30). Sehr charakteristisch ist
das letzte Abdominalsegment, das sich zur Furca gabelt. Während
das Abdomen keine Extremitäten besitzt, trägt der Thorax 5 Paar
typische Spaltfüsse (das letzte Paar meist rudimentär), wie sie
in gleicher Ursprünglichkeit nur noch bei Larven von Krebsen
vorkommen (Fig. 361). Auch die Kopfextremitäten lassen vielfach
noch deutlich erkennen, dass sie aus Umbildung von Spaltfüssen ent-
standen sind.
Von den 6 Paar Kopfextremitäten sind die beiden vordersten, die
Antennen, häufig einander sehr ähnlich und stehen über den vordersten
Rand des Kopfschildes wie Hörner hervor, worauf die alte Speciesbezeich-
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Gliederfüssler.
nung „Oyclops quadricornis" Bezug nimmt. Die erste Antenne ist stets
einreihig und kann beim Männchen unweit der Basis hakenartig zum Fest-
halten des Weibchens während der Begattung eingeschlagen werden. Die
zweite Antenne kann dagegen den Charakter des Spaltfusses bewahren
(Fig. 361 H). Sehr interessant ist die Mandibel, indem sie oft noch
einen spaltfüssigen Palpus mandibularis tragt und somit von Art zu Art
verglichen durch zahlreiche Uebergänge (Fig. 361 III, V) lehrt wie sie
aus dem Schwimmfuss hervorgegangen ist. Auch der Palpus der Max ille
zeigt noch Reste eines Innen- und Aussenastes (Fig. 361 IV). Den Ab-
schluss des Kopfes bilden link* und rechts 2 zum Ergreifen der Nahrung
dienende Pedes maxillares; früher als die auseinandergerückten Aeste
e i n e 8 Fusspaares gedeutet, gelten sie jetzt für die Reste von 2 Extre-
mitätenpaaren.
Aeusserst einfach ist auch die innere Anatomie (Fig. 365),
der Darm hat noch keine Leber und verläuft fast gleichförmig bis zu
dem zwischen den beiden Aesten der Furca gelegenen After. Als
Auge functionirt das unpaare, dem Hirn dicht aufgelagerte Nauplius-
auge, welches der bekanntesten Copepodengattung den Namen „Cyclopf
verschafft hat. Kiemen fehlen stets, Herz und Blutgefässe meistens;
nur bei wenigen parasitischen Gattungen hat man ein System com-
municirender Röhren gefunden, die man als Blutgefässe deutet, bei
anderen frei lebenden Gattungen ein kleines, gedrungenes, lebhaft pul-
sirendes Herz. Beim Männchen und Weibchen sind die G eschl e chts-
drüsen unpaar. ihre Ausführwege dagegen, welche am Anfang des
Abdomen meist getrennt links und rechts münden, sind paarig. Neben
dem Oviduct besitzt (las Weibchen ein Receptaculum seminis, an dem
das Männchen seine in Spermatophoren verpackte Samonmasse an-
klebt. Wenn die Eier den Oviduct verlassen, werden sie durch Sperma,
welches vom Receptaculum aus an sie herantritt, befruchtet und gewöhn-
lich gleichzeitig mit anderen Eiern gemeinsam in eine Gallerte gehüllt
So entstehen am Abdomen des Weibchens je nach den
Arten paarige oder unpaare „Eiersäckchen", an denen man
die Weibchen leicht erkennen kann (vergl. Seite 30, Fig. 8). Aus den
Eiern kommt ein Nauplius heraus, der zum ausgebildeten Copepoden
heranwächst, indem am hinteren Ende die fehlenden Segmente und
Extremitäten hervorsprossen und die 3 Paar vorhandenen Extremitäten
sich in die Antennen und die Mandibeln verwandeln.
Die hier geschilderten Copepoden sind in vielen Arten und in ganz
enormen Mengen von Individuen im Süss- und Meerwasser verbreitet und
bilden hier den ansehnlichsten Theil des „Plankton", d. i. der herum-
treibenden Organismenwelt. Im Süsswasser können mit ihnen nur die
sogleich zu besprechenden Brauch iopoden rivalisiren. Gewisse Arten ( Ctto-
chilus septentrionalis) entwickeln sich im Eismeer zu solcher Menge, dass
das Meer von ihren dichtgedrängten Schaaren röthlich gefärbt wird (Wal-
fischbänke der Seefahrer). Durch diese einzig dastehende Fruchtbarkeit
bilden die niederen Crustaceen die wichtigste Nahrungsquelle der Fische,
und auch der Riesen unter den Säugethieren, der Bartenwale.
In die Ordnung der Copepoden gehören ferner Thiere, auf welche die
bisherige Schilderung gar nicht passt (Fig. 366, vergl. auch S. 29, Fig. 6
u. 7), Thiere von so merkwürdigem Aeusseren, dass sie lange Zeit für
. Würmer gehalten worden sind. Sie wohnen, mit den zu einem Saug- und
Stecbrüssel umgebildeten Mundglied maassen in das Gewebe eingebohrt, auf
den Kiemen oder der Haut der Fische und habon einen unförmlichen Körper,
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I. Entomostraken : Copepoden.
309
an welchem man vielfach nichts mehr von Gliederung und nur Spuren von
Extremitäten finden kann. Man würde die Thiere zunächst nicht einmal
für Arthropoden halten dürfen, wenn nicht drei Merkmale die systematische
Stellung klar bewiesen. 1) Die meisten Thiere haben am hinteren Ende
die 2 Eiersäckchen der Copepoden; nur sind sie häufig in spiral auf-
gerollte Schnüre verlängert. 2) Im Laufe der Jahre hat man eine voll-
ständige Kette von Zwischenformen aufgefunden, die Schritt für Schritt
verfolgen lassen, wie allmählig die zierliche Gestalt eines frei beweglichen
Copepoden in den plumpen Körper eines Parasiten übergeführt wird.
3) Am überzeugendsten ist die Entwicklungsgeschichte; jeder parasitische
Copepode verlässt das Ei als Nauplius und durchläuft das T.Cyclopsstadiumt,
ehe er sich auf den Fischen festsetzt und zum hochgradig rückgebildeten
Parasiten wird (Fig. 6, S. 29). Die angesaugten Thiere sind stets Weib-
chen. Die Männchen haben andere Gestalt; sie überschreiten vielfach da3
Cyclopsstadium nicht, sondern vollziehen auf diesem Stadium die Begattung
und sterben ab (Fig. 7) ; oder sie machen ebenfalls eine Metamorphose durch,
bleiben aber dabei klein und von ganz absonderlicher Form. Man findet sie in
der Nähe der Geschlechtsöffnung am Körper des Weibchens festgeklammert,
L Unterordnung. Eucojjcpoden. Zu den frei lebenden Copepoden ge-
hören im Süsswasser vor Allem die CycJopiden : Oyclops coronatus Claus (Fig. 8),
ferner die mit einem Herz versehenen, theils im Meer, theils im Süsswasser
lebenden Calaniden: Cctochüns septeiitrioncdis Goods.; Diaptomus Castor Jur.
(Fig. 305). Den Uebergang zu den Parasiten vermitteln die Corycaeiden
{auf pelagischen Thieren lebt die durch leuchtenden Metallglanz ausge-
zeichnete Snpphirina ftüyens Thomps.) und die im Kiemenkorb von Ascidien
schmarotzenden Notodelphidcn {Xotodelphys agilis Thor.).
II. Unterordnung. Paramiica. Hochgradige parasitische Degeneration
findet sich bei den Lemaciden: Lernaeti branchialis L., auf Dorsch und
Flundern, Leniacocera esocina Burm. auf dem Hecht (Fig. 366), und bei den
jAmaeopodiden : Achtheres percarum Nordm. (Fig. 6).
Fig. 3*50.
>
Fig. 367.
Fig. 366. Lemaeocera esocina.
Weibchen (aus Lang nach Claus).
ua Stirnauge, tl — t* rudimentäre
Thoraxextremitäten, d Dann, od
Oviduct, es Eiersäckchen, A arm-
artige Fortsätze am vorderen
Körperende.
Fig. 367. Argulus foliaceus
(aus Leunis-Ludwig). a Stachel,
ax Antenne, pml, pur erster und
zweiter Pes maxillaris, b Mund,
e Darm mit Leber, d Abdomen,
p*— p* Spaltfüsse des Thorax.
c
Hertwjj, I.-hrbuch dw Zoologie. 3. Auflag*
2i
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370
Gliedert'üsslor.
III. Unterordnung. Branehiuren, mit der kleinen Familie der Argxdidm
oder Karpfenläuse (Fig. 387), Krebsen von etwa 1 cm Länge, die sich mit
Hilfe von Saugnäpfen und Krallen, welche aus umgewandelten Pedes
maxillares hervorgegangen sind, an der Haut von Cyprinoiden und anderen
Fischen festhalten. Sie sind zugleich vermöge der 4 Paar wohl ent-
wickelten Ruderfüsse vorzügliche Schwimmer. Der Körper hat die Gestalt
eines herzförmig ausgeschnittenen Schildes, unter dem nur die letzten Thorax-
segmente und das Abdomon horvorschauen. In vieler Hinsicht erheben
sich die Aryulidcn über den Bau der übrigen Copepoden und nähern sich
den Branchiopoden , indem sie ein Paar zusammengesetzte Augen, einen
Darm mit verästelten Leberblindschläuchen und ein im Bauchabschnitt ge-
legenes Herz besitzen. Argulm foliaceus L.
II. Ordnung. Branchiopoden, Kiemen füssler.
Obwohl die Branchiopoden eine im höchsten Grade einheitliche
Gruppe bilden, ist es nicht möglich, auch nur einen auf die Ordnung
beschränkten, systematisch brauch-
baren Charakter ausfindig zu
machen, welcher unverändert durch
die ganze Gruppe hindurch sich
erhielte. Das auffälligste Merk-
mal ist die eigenthümliche Gestalt
der Beine; dieselben verlieren
aber ihre charakteristische Be-
schaffenheit und werden zu ge-
wöhnlichen Spalt- oder Gehfüssen,
je mehr in der Gruppe ein zwei-
tes Merkmal, die mächtige Rü-
de ran tenne, an Bedeutung ge-
winnt. Sehr verbreitet sind paa-
rige oder unpaare II a u t d u p 1 i -
caturen, aber sie fehlen am
Anfang der Reihe und können
andererseits auch am Ende der
Reihe wieder verschwinden. Trotz
alledem fügen sich die einzelnen
Familien der Branchiopoden ver-
wandtschaftlich zu einer so fest
geschlossenen Ordnung an einan-
der, dass die systematische Zu-
sammengehörigkeit auch der Emi-
formen nicht zweifelhaft sein kann.
Der Branchiopodenfus*
(Fig. 368) lässt sich aus dem Co-
Fig. 3G8. Brniuhioi)odenfü«se. /und// pepodenfuss durch 2 Umformun-
zweites und sechstes ik-in von Brauchiims gen leicht ableiten : erstens müssen
Grubri (nach G< r*täcker). /// viertes Bein wjr uns vorstellen, dass sich an
von Duphua *nna (nach Glau»), b BSMB, , Ttncic rlor TTtromitSt nin k'Jf»
a Au^nast, t Innenast, k Kiemen.äckchen. (,ei ^af 1SU (ler Extremität ein hie-
mensackchen durch Ausstülpung
entwickelt hat; zweitens müssen wir annehmen, dass der Innen-
und Aussenast zu breiten Platten geworden sind, die man Ruder-
platte und Branchialplatte nennt. Die Zahl der Beine und dem-
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I. Entomo8traken : Branchiopoden.
371
gemäss auch die Zahl der Thorax-
segmente schwankt ausserordent-
lich zwischen 4— t; bei den l)a-
phniden und 10—40 bei den
Esther i den und Apuaiden; ebenso
inconstant ist die stets geringe
Zahl der extremitätenlosen Ab-
dominalsegmente; dagegen haben
alle Branchiopoden 4 (selten 5)
Kopfsegmente, welche die 2 Paar
Antennen, 1 Paar Mandibeln, 1
(selten 2) Paar Maxillen tragen.
Unter diesen können die zweiten
Antennen zu ganz gewaltiger
Grösse heranwachsen und fast
ausschliesslich das Schwimmen be-
sorgen ; eine kräftige, zweigliedrige
Basis trägt dann wie beim Ruder-
fuss einen langen und reich mit
Borsten ausgerüsteten äusseren
und inneren Ruderast ; umgekehrt
sind die ersten Antennen klein,
häufig nur Höcker, welche durch
reichlichen Besatz mit Riechröhr-
chen sich als Sinnesorgane zu
erkennen geben (Fig. 369).
Wo Mantelfalten vorhan-
den sind, bilden sie nur selten
ein unpaares Rückenschild über
den in dorso-ventraler Richtung
abgeplatteten Körper (Fig. 371);
gewöhnlich ist der Körper in
querer Richtung zusammenge-
presst und in einer linken und
rechten Schalenklappe geborgen
(Fig. 300).
Die innere Organisa-
tion ist wesentlich höher als die
der Copepoden. Zum unpaaren
Naupliusauge gesellt sich das
paarige Facettenauge; der
Darm ist mit zwei (selten ver-
ästelten) Leberblindschläuchen
ausgerüstet, den „Leberhörn-
chen"; dorsal vom Darm liegt
stets das Herz, bei den segment-
reichen Formen ein langer geglie-
derter Schlauch mit vielen seit-
lichen Spaltöffnungen, bei den ge-
drungenen Cladoceren dagegen
ein Säckchen mit nur einem Paar
Spalten. Sehr gross ist ferner
die Schalendrfis e.
5. yo Ganglion op-
nu zi
Fig. 3< >9. Dapknia pulcx.
ticum, darüber Opticus und zusammenge-
setztes Auge, g olx-res Schlundganglion mit
Naupliusauge, s Schalendrüse , h Herz, o
Ovar, e Eiunlagen, k Keinistätte. Die Eian-
lagen lösen sich aus der Keinistätte ab, bil-
den bei e Gruppen von 4 Zellen, aus diesen
entsteht 1 Ei (o) mit 3 abortiven Eiern ; das
wachsende Ei mit seinen 3 abortiven Eizellen
(I)otterzellen) rückt (wiederum bei c) rück-
wärts, um in den Brutraum zu gelangen, h
Brutraum mit Embryonen. 1 vordere, J? hin-
tere (Ruder-) Antenne, :t Mandibel. (Maxille
/ ist rudimentär und nicht sichtbar), ~>-H
die '} Heinpaare.
24*
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Gliederfüssler.
In den weiblichen Geschlechtsorganen liegen die Eikeime zu
Gruppen von 4 zusammen ; aus jeder solchen Gruppe oder einem Eifach
entwickelt sich nur ein Ei weiter, die anderen gehen zu Grunde und dienen
dem bevorzugten Ei zur Nahrung. Noch grössere und dotterreichere Eier
entstehen, wenn mehrere (2 — 12) Fächer verschmelzen und von den somit
vereinten 8 — 48 Zellen nur eine sich weiterentwickelt, welche die übrigen
7 — 47 als Nährmaterial aufverbraucht. Die nur aus einem Eifach ent-
standenen Eier sind die relativ dotterannen „Sommereier"; die Eier, zu
deren Aufbau mehrere Eifacher dienten, sind die grösseren „Winter-
eieru. Die Sommereier bilden nur einen Richtungskörper und ent-
wickeln sich parthenogenetisch ; die Winter ei er dagegen, welche stets
beide Richtungskörperchen erzeugen, bedürfen der Befruchtung, wenn sie
nicht zu Grunde gehen sollen. Die parthenogenetischen Sommereier sind
dünnschalig und werden meist in besonderen Bruträumen der Mutter ein-
geschlossen; ihre Embryonen kriechen nach verhältnissmässig kurzer Zeit
aus. Die Wintereier dagegen sind mit festen Schalen umgeben, werden
abgesetzt und bedürfen lang dauernder Ruhe ; sie können eintrocknen und
einfrieren, ohne die Keimfähigkeit zu verlieren, und können noch nach
Jahren, unter günstige Bedingungen gebracht, junge Thiere liefern. Für
manche Arten ist es sogar erwiesen, dass Eintrocknen und Einfrieren zu
den für die Entwicklung nöthigen Vorbedingungen gehört. So erklärt sich,
weshalb in Tümpeln oder Pfützen, die Jahre lang unbelebt waren, plötz-
lich die grossen Ajms und Branchipus in überraschenden Mengen auftreten
können. Die merkwürdige F o r t p f 1 a n z un g s w e ise der Branchio-
poden wird verständlich, wenn wir bedenken, dass dieselben vorwiegend
Süsswasserbewohner sind ; die Wintereier schützen die Existenz der Art
während der ungünstigen Zeiten der Dürre und des Frostes; die Sommer-
oier haben den Zweck, die günstigen Bedingungen des Frühjahrs und des
Sommers zu rascher Vermehrung und Ausbreitung der Art zu benutzen.
Durch diese Regelung der Fortpflanzungsweise ist es dahin gekommen,
dass bei allen Branchiojxjden die Männchen spärlich und nur zu Zeiten
auftreten ; sie sind bei manchen Arten noch unbekannt.
I. Unterordnung. Die Phyüopoikn, Blatt fiissler, sind segmentreiche, meist
mehrere Centimeter grosse Thiere mit langgestrecktem Herz und deutlichen
Kiemen-Blatt-Füssen, welche zu einer halb schwimmenden, halb kriechenden
Bewegung dienen, während die zweite Antenne zur Fortbewegung nicht
benutzt wird. Die Thiere gewinnen ein ganz verschiedenes Aussehen je
nach dem Vorhandensein und der Beschaffenheit der Mantelfalten. 1) Die
Jiravchijxxlühn haben einen nackten Körper ohne jegliche Mantelduplicatur
(Fig. 370), Brandiijms stagnalis L., 1 — 2 cm gross, in Bächen und Tümpeln.
Artemia salitia L. in Salzlaken. Die Unterschiede beider Thiere sind
wahrscheinlich durch den verschiedenen Aufenthaltsort bestimmt. Denn
Artemia wird BrancJiipus ähnlich durch allmählige Versüssung des Salz-
Fig. 370. Brauch iput
stagnalis (nach LeuruV
Ludwig). ax erste, o! zweite
Antenne, o Facettenauge,
d Dann, c Herz.
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I. Entomostraken: Branchiopoden.
373
wassers, und umgekehrt nähert sich Branchipus der Artemia, wenn man
ihn in leicht salzigem Wasser züchtet. — 2) Die Apitsiden (Fig. 371) haben
eine breite Rückentalte, welche den dorso-ventral abgeplatteten Körper
zum grössten Theil von oben zudeckt : Apits cancriformu J. C. Schaff., der
grösste Phyllopode des Süsswassers, 3 cm
lang (ohne die Schwanzfäden). — 3) Die
Estkervlen besitzen eine linke und rechte
Schale, welche den in querer Richtung zu-
sammengepressten Körper vollkommen um-
hüllen. Limnadia Hermanni Brongn.
II. Unterordnung. Cladoceren. Wie bei
den Estheriden ist auch der Körper der sehr
viel kleineren und segmentärmeren Cladoceren
in eine Art Muschelschale eingeschlossen
(Fig. 369). Die betreffende vom Kopf ent-
springende Mantelfalte ist bei vielen Clado-
ceren sehr klein und reicht wie eine Kapuze
nur über die ersten Segmente, so dass man
kaum von Schale reden kann; bei anderen
ist sie rückwärts über den ganzen Körper
ausgedehnt und durch eine scharfe, in einen
Stachel auslaufende Knickung in der media- Fig. 371. Apus cancriformis
nen Rückenlinie in eine linke und rechte (nach Leunia-Lmlwig); der
Schalenklappe abgetheilt, welche vom Kopf größte Thcil «kr Sepnente von
, , . TT v u j einer impaarcn Kuckenfalt<>
durch eine Kerbe abgegrenzt werden; aus ZUgedeckt.
dieser Kerbe treten die starken Ruder-
antennen hervor, welche ausschliesslich das Schwimmen besorgen ; neben
ihnen findet man auch die kleinen ersten Antennen, die nur als Träger
von Riechborsten — beim Männchen auch eines zum Festhalten des Weib-
chens bestimmten Hakens — dienen.
Auf die Anwesenheit der Schale sind wohl die meisten übrigen Merk-
male der Cladoceren zurückzuführen: die gedrungene Beschaffenheit des
segmentarmen Körpers, womit wiederum die Säckchen form
des lebhaft pulsirenden Herzens zusammenhängt, die nnpaare
Beschaffenheit des Face tten auge s, welches aus Verschmelzung
einer linken und rechten Anlage entsteht und demgomäss dauernd von
einem linken und rechten Opticus versorgt wird.
Bei den Cladoceren dient die Schale, auch da, wo sie rudimentär ist,
als Brutraum für die Sommereier. Der dicht hinter dem Herzen in den
Schalenraum frei herunterhängende Körper kann den obersten Theil dieses
Raums vollkommen abscbliessen, wenn er mit einem nahe dem hinteren
Ende vorhandenen Vorsprung gegen das Schalengewölbe gepresst wird.
In dem so geschaffenen Brutraum werden die Sommereier häufig von der
Mutter ernährt, indem in ihn eine eiweisshaltige Flüssigkeit ausgeschieden
wird. Die grösseren Wintereier verweilen, 1 oder 2 an Zahl, bei vielen
Cladoceren ebenfalls wenn auch nur kurze Zeit im Schalenraum, um ausser
der eigenen festen Schale noch mit einer weiteren Hülle, dem E p h i p p i u m,
versehen zu werden. Das Ephippium besteht aus 2 länglichen, uhrglas-
artig gewölbten Chitinplatten, die mit ihren Rändern fest aufeinander ge-
presst sind. Der Raum, welchen sie umschliessen , wird zum grössten
Theil vom Ei erfüllt, im Uebrigen von zelligen Räumen mit chitinösen
Wandungen, die sich mit Luft füllen und eine Art Schwimmgürtel bilden.
Eingetrockneter Schlamm, in welchem Ephippien enthalten sind, ist ge-
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374
Gliederfüssler.
eignet, um Cladocerenculturen anzusetzen. Durch den Schwimmgürtel ge-
tragen gelangen die Eier an die Wasseroberfläche und finden so die
günstigsten Entwicklungsbedingungen.
Cladoesren mit gut entwickelter Schale sind die Daphniilcn : Daphnie
pulex Geer (Fig. 309). Bei den Poli/pheniiden dagegen ist die Schale rudi-
mentär und nur als Brutraum von Bedeutung. llythotrophes lonyimanus
Leyd. Leptodora hyalin« Lillj., ein lichtscheuer, nur Nachts in grossen
Schwärmen an der Oberfläche erscheinender Siisswasserbewohncr.
III. Ordnung. Oatracoden, Muschelkrebse.
Die Ostraeoden (Fig. ."»72 ) haben mit den Estheriden und Clado-
ceren das Gemeinsame, dass ihr Körper von einer linken und
rechten Schale umschlossen ist; dieselbe
ist in ganz überraschender Weise muschel-
ähnlich; geschlossen bedeckt sie nicht nur
den Körper, sondern auch den Kopf mit den
Antennen ; beim Schwimmen treten am
deutlichsten die letzteren zwischen den
Schalenrändern hervor. Der Schalenschluss
wird durch (juer verlaufende Adductoren
vermittelt, denen ein dorsales, elastisches
Ligament entgegenwirkt. Genügen die Scha-
lenmerkmale schon zur Unterscheidung von
Estheriden und Daphniden, so wird dieselbe
noch weiterhin durch die Extremitäten be-
gründet. Die vorderen einästigen und hin-
teren, häutig zweiästigen Antennen dienen
beide zum Schwimmen oder Kriechen und
sind nach abwärts gebogene, reich geglie-
derte und reich mit Borsten versehene Fä-
den. Die nun folgenden Extremitäten (Man-
dibel, Maxille und :\ Beine) haben fast jede
ihre besondere Structur und sind auch von
Gattung zu Gattung sehr verschieden ge-
staltet; variabel ist auch der innere Bau.
Cypridiniden, die ersten 2 Beinpaare ma-
xillenartig, das letzte zum Putzfuss entwickelt,
Herz vorhanden. Cypridina mediterranen Costa.
Oypridcn, erstes Beinpaar maxillenartig, Herz
fehlt. Cypris fttsnita Jur.
Fig. :'»72. Junge Cyjui.s
(aus Balfoor nach Claus). /
er.-te . - zweite Antenne, .7
Mamliliel. •/ Maxille, .5 — 7
Beine|(zum Theil aneh ina-
xillenurl ig) . .>■ di« ■ zw« 'iklappigc
Sehale, </ Sehalendriise , /
Leber, f Linea.
IV. Ordnung. Cirripedien, Rankenfüssler.
Von allen Crustaceen weichen die Cirripedien dadurch ab, dass
sie die freie Ortsbewegung aufgegeben haben und nach
Art der Brachiopoden festgewachsen sind. Zur Ansiedelung benutzen
die Thiere mit Vorliebe Felsen, Holzpfähle und Tange, welche im Be-
reiche der Ebbe- und Fluthbewegung gelegen sind, oder auch, wenn
sich die Gelegenheit dazu bietet, die Körper anderer Thiere, die Ge-
häuse von Schnecken und Muscheln oder die Panzer von Krebsen ;
wenige Arten sind sogar an ein ganz bestimmtes Thier als Aufent-
haltsort gebunden, wie die auf Walfischen lebenden Coronulen und
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I. Entomostraken : Cirripedien.
375
Tubicinellen, ein Raumparasitismus, der bei Anelasma sguaUcola und
den Rhizocephalen zu einem ganz ausgeprägten Parasitismus führt,
indem das Wohnthier zugleich zum Zweck der Ernährung ausge-
saugt wird.
Die Anlieft ung erfolgt mit dem Rücken ganz in der Nähe des
vorderen Kopfendes; die ersten Antennen bedingen die erste Be-
festigung, die eine dauernde wird, indem eine Cementdrüse einen rasch
erhärtenden Kitt liefert. Die Anheftungsstelle liegt bei den Balaniden
(Fig. 374; in einer Ebene mit dem Kopf : bei den Lepadiden (Fig. 373)
wird sie zu einem langen musculösen Stiel ausgezogen.
Die festsitzende Lebensweise ist das Punctum saliens, von dem
aus alle übrigen Eigentümlichkeiten der Cirripedien erklärt werden
müssen. Es ist klar, dass festsitzende Thiere ein viel höheres Be-
dürfniss nach Schutz haben als Thiere, welche sich den Feinden durch
die Flucht entziehen können. Daher finden wir nicht nur wie bei den
Ostracoden linke und rechte Schutzhüllen (Mantel), sondern in diesen
noch besonders erhärtete Kalkplatten, die man Scuta und Terga
nennt (Fig. 373, 374 9 t), erstere dem Kopf, diese dem hinteren Ende
Fig.
Fig. ;i74.
Fig. 'M'\. L* i>as anati-
fera i^naeh Schmorda), r
Carina, / Tergum, * Sen-
ium.
Fig. \u\. Gehäuse von
Balamu Homert (was I>ang
nach Darwin) in seitlicher
Ansicht, gebildet von Ro-
struin, Lateral ia und Ca-
rina, der Deckel besteht
aus Scuta (s) und Tcrga
(0-
benachbart beide nur durch einen schmalen Zwischenraum getrennt.
Dazu kommen noch weitere Theile, die der dorsalen Nahtlinie der
Ostracodenschale entsprechen. Bei den gestielten Lepadiden findet
sich ein unpaares, kahnartiges Stück, die Carina (c), selten noch
weitere Stücke, darunter vor dem Stiel das ebenfalls unpaare Rostrum.
Bei den ungestielten Balaniden sind Rostrum und Carina nicht nur
kräftiger geworden, sondern es sind auch im Zwischenraum zwischen
ihnen weitere paarige Stücke, die Lateralia, eingeschaltet. Late-
ralia, Rostruin und Carina erheben sich von einer gemeinsamen Kalk-
basis, wie Zinnen einer Mauerkrone, und bilden eine Kapsel, deren
oberer Zugang durch einen zweiklappigen Deckel, die Scuta und Terga
der linken und rechten Seite, vollkommen geschlossen werden kann.
Werden die beiden Klappen des Deckels geöffnet, so klafft zwischen
ihnen ein weiter Spalt, durch den man an den Körper des Thieres
gelangt.
Der Körper der Lepadiden und Balaniden hat im Wesentlichen
denselben Bau ; ventralwärts stark zusammengekrümmt, so dass die
Mundöffnung der Afteröffnung genähert ist, trägt er meist 0 Paar
Rankenfüsse (Fig. 373), die bei geöffneter Schale sich weit aus-
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376
Glieder füssler.
einander breiten und, indem sie zeitweilig zusammenschlagen, einen
lebhaften, Nahrung zur Mundöffnung leitenden Strudel unterhalten. Die
Rankenfüsse sind Spaltfüsse mit geringeltem und dichtbehaartem
Innen- und Aussenast ; zwischen ihnen verlängert sich das Abdomen
in einen langen Penis. Von anderweitigen Extremitäten sind die vor-
deren Antennen, die Mandibeln und 2 Paar Maxillen zu nennen.
In der inneren Anatomie fällt vor Allem auf, dass mit wenigen
Ausnahmen die Cirripedien im Gegensatz zu allen anderen Oritstaccen und
den meisten übrigen Arthropoden hermaphrodit sind, was wohl damit
im Zusammenhang steht, dass die sitzende Lebensweise zuweilen Selbst-
befruchtung nöthig macht; indessen sind alle Einrichtungen so getroffen,
dass eine Selbstbefruchtung möglichst vermieden wird. Der lange Penis
ermöglicht es, dass die fast stets in Colonien zusammenlebenden Thiere
sich gegenseitig befruchten. Für den Fall, dass ein getrenntes Vorkommen
den Austausch verhindert, finden sich bei manchen hermaphroditen Arten
die allen gonochoristischen Cirripedien zukommenden Zwergmännchen
(Fig. 375). Dieselben sind microscopisch kleine, rein männliche Thiere
mit äusserst vereinfachter Organisation, welche in der Mantelhöhle der
Cirripedien nahe der Geschlechtsöffnung leben. Der gänzlich ungegliederte
Körper ist in einen Sack die weichhäutig gewordene Schale, eingeschlossen
und mit den Antennen fest verankert; aus der Oeffhung des Schalensacks
tritt nur der lange Penis hervor.
Fig. 375. Männchen von Aleipttc lampas (aus Schniarda nach Darwin), an
Antenne / Mantcllappcn , ni, m Muskeln, oc Oeellus, p Penis , t Hoden, es Samen-
blase.
Fig. 376. Entwicklungs^tadien von Rhizocephalen (aus ßalfour). A X au plins
von Succuliua pur puren, Ii Cyprisstadiuin von Lcrnarodiscus pnrccllanae C auf-
gewachsene Saeculina purpunu. II— IV die 2 Antennen und die Mandibel , a
Mantelöffnung, b und v Stiel mit den Anfängen der wurzelförmigen Augläufer, ep
Rückenschild.
Da die äussere Erscheinung der Cirripedien mehr an die Muscheln
erinnert, ist es begreiflich, dass früher selbst wissenschaftliche Männer die
Thiere thatsächlich für Mollusken hielten. Klarheit verschaffte auch hier
wieder die Entwicklungsgeschichte (Fig. 376); diese lehrte, dass aus den
Eiern ein grosser Nauplius hervorkommt, welcher sich nach einiger Zeit
in ein Thier mit zweiklappiger Schale verwandelt. Da letzteres den
Ostracoden ähnelt, spricht man von einem C yp riss t adium. Die mit
Fig. 375.
Fi
ig. 370.
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I. Entomostraken : Cirripedien.
377
2 Facettenaugen ausgestattete Cyprislarve setzt sich fest, verliert die Fa-
cettenaugen und behält nur das Naupliusauge.
I. Unterordnung. Lepadiden. Cirripedien mit Stiel ; Schale haupt-
sächlich von Scuta, Terga und Carina gebildet, zu denen noch ein Rostrum
kommen kann. I^epas anatifera L., Entenmuschel. Der deutsche Name
nimmt Bezug auf eine Sage des Mittelalters. Da die Thiere sich haupt-
sächlich an Pfählen oder an Pflanzen festsetzen, hielt man sie für Aus-
wüchse oder Früchte derselben ; da ferner die Schale wegen der fiedrigcn
Extremitäten ihrer Einwohner mit einem Ei, in dem ein Vogelembryo liegt,
einige Aehnlichkeit hat, deutete man die vermeintlichen Pflanzenfrüchte
für die Eier der Bernikelgans, Anser tort/uatm, und zog die für die Fasten-
vorschriften wichtige Consequenz, dass die Bernikelgänse keine Thiere seien,
da sie aus Eiern stammen, die als Früchte an Bäumen reifen. Anelasma
squalicola Lov., ein weichhäutiger Cirriped, der auf Haien schmarotzt und
zu den Rliixocephakn überleitot.
II. Unterordnung. Balaniden. Cirripedien ohne Stiel , Skelet eine
Kapsel aus Rostruin, Carina und Lateralia gebildet, über die Oeffnung
legen sich Scuta und Terga als Deckel. TSalanus tintinnabtdum L. in zahl-
reichen Varietäten in allen Meeren vertreten. Coronula bafaenaris L. siedelt
sich auf der Walfischhaut an, welche die Gehäuse der Thiere bis zum
Mündungsrand umwächst.
III. Unterordnung. ffliizocephalülen. Die Rhizocephalen (Fig. 377)
weichen so sehr von allen Cirripedien ab, dass sie eine gesonderte Be-
sprechung verlangen. Man kennt nur wenige Gattungen, unter denen
Saceidhia, welche auf Krabben, Pclloyastcr, welcher auf Einsiedlerkrebsen
Fij.-. 377. Saccultua
carciui im Zusammenhang
mit ihrem Wirth, dem
Ta«chenkrel*t, dessen Ab-
domen zurückgeschlagen
ist (aus Lang naeh Dringe).
ks Körper der Saeculina,
p Stiel, mh Ausgangspunkt
des Wurzelgefleehtf, wel-
ches namentlich den Darm
(d) und die Leber (l) des
Wirths umspinnt und
durchsetzt , die Kinnen-
region (f/r) dagegen frei
hlsst.
schmarotzt, die bekanntesten sind. Die Smadinen und /V/foy^fcrarten
sitzen mit ihrem Stiel auf der ventralen Seite des Wirths an der Grenze
von Cephalothorax und Abdomen ; sie dringen mit dem Stiel in den
Cephalothorax ein und durchsetzen mit reichlichen, an Wurzeln erinnernden
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378
Gliederfüssler.
Verästelungen besonders die Leber des Wirths, welche sie aussaugen. Da
alle Ernährung durch den Stiel vermittelt wird, fehlt der Darm vollständig ;
der Körper, ein querovaler Sack ohne Gliederung und ohne Extremitäten,
ist im Wesentlichen von den voluminösen Geschlechtsorganen erfüllt und
wird von einem weichhäutigen Mantel umschlossen, welcher das Aequivalent
der Cirripedienschale ist; aus der Schaleuspalte ist eine kleine Oeffnung
geworden, die man leicht irrthümlich für einen Mund halten kann. In der
Mantelhöhle liegen in Gallertplatten verpackt die Eier. Da keines der für
die Arthropoden charakteristischen Merkmale sich erhält, kann die syste-
matische Stellung der Rliixoccphalen nur durch die Entwicklungsgeschichte
bewiesen werden. Die aus der Mantelötfnung ausschlüpfenden Larven
sind Nauplien, welche sich in das Innere ihres Wirths einbohren und so-
mit Entoparasiten sind; erst später kommen sie mit dem Eingeweidesack
wieder auf der Oberfläche zum Vorschein (Fig. 376). Pdtogaster Patjuri
Rathke auf Paynrus Bernhardt, Sacculina carrini Thomps. auf Carcinu*
maenas.
Von den typischen Oirrip&lkn weichen erheblich kleine, im Mantel
und den Schalen von Oirripedien und Muscheln parasitirende Formen ab,
welche man in den weiteren Ordnungen der Ablominalia (Alcipjw lampas
Hanc.) und Apwfcs (Prutokpas hirhteta Danv.) zusammenfasse
Anhang.
^ Im Anhang zu den Entomostrakcn wollen wir eine Reihe von
Formen besprechen, deren systematische Stellung sehr zweifelhaft ist.
Sicher ist nur ihre Arthropodennatur, dagegen wird darüber gestritten,
ob sie zu den Crustaccen gehören, wofür ihr Leben im Wasser
spricht, oder ob sie Verwandte der Arachnoideen sind, mit denen
sie in autfälliger Weise in der K örper gliedern ng und der Zahl
der Extremitäten übereinstimmen. Recent sind davon nur die
Xiphosuren, ausgestorben die Trilobiten und Giganto-
s t r a k e n.
V. Ordnung. Xiphosuren, Pfeilschwänze.
Als Xiphosuren oder Pfeilschwänze bezeichnet man 3 Thierarten,
die derselben Gattung Limulus angehören. Sie leben im Meer an
sandigen Küsten und zeichnen sich ebensowohl durch die Eigentüm-
lichkeit als auch durch die hohe Stufe ihrer Organisation aus ( Fig. ;378).
Der Körper besteht aus einem grossen halbmondförmigen Cephalo-
thorax und einem kleinen, mit seitlichen Stacheln besetzten Ab-
domen, welches in einen kräftigen Schwanzstachel endet. Jeder Haupt-
abschnitt des Körpers trägt sechs Extremitäten ; die 0 Extremitäten
des C ephalothorax sind um die Mundötinung herum gruppirt, be-
ginnen mit kräftigen, zum Kauen geeigneten, Geschmacksorgane tragenden
Basalgliedern und enden zum grössten Theil mit Scheeren; die erste
Extremität ist kleiuer und präoral, empfängt aber ihre Nerven vom
Bauchmark, so dass Antennen gänzlich fehlen. Die Abdominal-
gliedmaassen sind blattartig und aus einzelnen Stücken zusammen-
gesetzt, die sich bei genauer Prüfung als blattartig umgestaltete Theile
(Basis, Innen- und Äussenast) eines Spaltfusses zu erkennen geben.
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L Entomostraken : Xiphosuren. Trilobiten oder Palaeaden. 379
Die erste an ihrer Basis mit dem Cephalothorax verwachsene Abdo-
minalextremität ist ein derber Kiemen-
deckel; die darunter liegenden fünf
folgenden tragen zahlreiche feine Kie-
menblattchcn, die quer und senkrecht
zur Fläche in grossen Mengen wie
Blätter eines Buches stehen. Während
der Spaltfusscharaktcr und die Kiemen-
function der Abdominalextremitäten für
die Verwandtschaft mit Crustaceen
sprechen, ergeben der Mangel der An-
tennen , die Gruppirung und die Zahl
der vorderen Extremitäten Merkmale,
welche auf die Arachnoideen hinweisen.
Auf der dorsalen Seite des Cephalo-
thorax findet man dicht neben der Mit-
tellinie 2 kleine Punktaugen (o1),
viel weiter seitlich 2 grosse Facet-
tenaugen (o2). Die innere Organi-
sation steht auf gleicher Höhe mit dem
Bau der höchst entwickelten Malako-
straken, da ein gekammertes Herz mit
schön verästelten Arterien und Venen
und eine reich gelappte Leber vorhan-
den sind. Die am 5. Beinpaar bei jungen
Thieren mündende „Coxaldrüse'' wird
als ein Nephridium gedeutet.
Die Thiere kriechen und wühlen langsam
mit ihren Beinen im Sand, wobei der Schwanz-
stachel als ein Hebelapparat zur Aushülfe
dient. Die jungen aus dem Ei schlüpfenden
Thiere zeigen das sogenannte Trilobiten-
stadium: ihr Cephalothorax ist schon ein-
heitlich, ihr Abdomen zeigt aber noch 8 voll-
kommen gut gegen einander abgegrenzte
Segmente: durch letzteres Moment gewinnen
sie eine überraschende Aehnlichkeit, mit den
Repräsentanten der nächsten Gruppe. Limulus
moluccanus Latr.
Fig. 378 A. Limulus molttr-
0OIMM vom Rücken betrachtet.
a Abdomen, et Cephalothorax,
ox einfache, o* zusammenge-
setzte Augen
.Jones).
(nach Rymer-
VI. Ordnung. Trilobiten oder Palaeaden.
Die wichtigsten Fossilien aus der Gruppe
der Arthropoden sind die Trilobiten oder Palac-
eukn , Thiere, welche in enormen Mengen
im Silur auftreten , um schon im Carbon
wieder auszusterben; sie gleichen den Xipho-
suren durch die Gliederung des Körpers in
einen halbmondförmigen Cephalothorax und
Fig. 378 K. Limulus
mohtceanuB, ventrale An-
sicht nur zum Theil dar-
gestellt. 1 — <) die ICxtre-
mitäten des Cephalothorax,
6a Anhang am sechsten
Beinpaar, < Kiemendeokel,
.S' Kiemen , U Basis des
Stachels (aus Liuhvig-
Lcunis).
ein häufig mit Stacheln besetztes Abdomen
(Fig. 379); sie unterscheiden sich von ihnen dadurch, dass die Grenzen
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380
Gliederfüssler.
der Abdominalaegmente erhalten bleiben, dass ihre
Zahl wesentlich grösser ist und mit dem Alter des
Thiers eine Zunahme erfährt, dass ferner das letzte
Abdominalsegment durch besondere Gestalt ausge-
zeichnet ist, weshalb es Pygidium heisst. Links
und rechts von der Mittellinie verlaufen zwei Längs-
furchen und theilen ein Mittolstück von zwei Seiten-
stücken ab, sowohl am Cephalothorax (G lab eil a
und die beiden Genae) als auch am Abdomen
(Rhachis und die beiden Pleurae). Nahe der
Grenze von Glabella und Genae liegen 2 grosse
zusammengesetzte Augen.
Obwohl man Hunderte von Arten in zahlreichen,
auf der Rückenseite vorzüglich erhaltenen Versteine-
rungen kennt, ist man doch über die Beschaffenheit
der Bauchseite und der Extremitäten und damit auch
Fig 379. Ptirmlnn'i/e.i ÜDer Berechtigung, mit welcher man die Bezeich-
bohcmicuH (aus Zittel). nungen Abdomen und Cephalothorax eingeführt hat,
vollkommen im Ungewissen. Wahrscheinlich waren
die ventralen Theile sehr zart, womit auch stimmt, dass man viele Trilo-
biten wie Igel eingekugelt findet. Eine einzige an Querschliffen angestellte
Untersuchung sucht wahrscheinlich zu machen, dass die Extremitäten Spalt-
füsse waren, an deren Basis geringelte Anhänge (Kiemen?) lagen. Das
würde die Trilobiten in die Classe der Crustaceen verweisen. Paradoxides
Bohemicua Barr. (Fig. 379).
VII. Ordnung. Gigantostraken oder Eurystomen, Riesenkrebse.
Die (iiijantostrakai, welche ebenfalls auf die paläozoischen Formationen
beschränkt sind, glichen dem Limulus noch mehr als die Trilobiten, 1) in-
dem sie einen Cephalothorax („Kopf der Paläontologen) mit allerdings nur
5 Beinpaaren, 1 Paar zusammengesetzten und 1 Paar einfachen Augen be-
sassen, 2) indem weiterhin 6 Abdominalsegmente (Thoraxsegmente der
Paläontologen) folgten, an denen blattförmige, wahrscheinlich als Kiemen
oder Kiementräger funetionironde Anhänge befestigt waren. Zum Unter-
schied von XipUosurcn und Trilobiten verlängerte sich ihr Körper zu einem
ebenfalls 6-gliedrigen Postabdomen, das mit einem Schwanzstachel bewaffnet
war. Pterygotus aiußicus Ag. 1 m lang.
II. Unterlasse.
Malakostraken.
Wie wir gesehen haben, stimmen alle Malakostraken darin überein,
dass sie als ausgebildete Thiere anstatt der während des Larvenlebens
häufig noch funetionirenden Maxillardrüse die Antennendrüse besitzen,
d'a s s die Geschlechtsorgane im weiblichen Geschlecht
am 11. Segment, im männlichen Geschlecht am 13. Seg-
ment münden, dass vor Allem die Gesammtzahl der Seg-
mente stets 20 beträgt, von denen 7 dem Abdomen zu-
fallen. Innerhalb der Gruppe unterscheidet man 2 Legionen, die
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IL Malakostraken.
381
Arthrostraken (Fig. 380) und die Thoracostraken (Fig. 381), oder wie
man sie auch nennt, die Edriophthalmen und die Podophthalmen.
Man charakterisirt die beiden Gruppen am besten, wenn man sie ein-
ander gegenüberstellt und sich dabei von der gebräuchlichen Doppel-
benennung leiten lässt
Fig. 380. AmphUov (aus Gerstücker). a1 ernte, a- zweite Antenne, VU—XHl
die 7 freien Thoraxscgmento, 7 die 7 Abdotninalsegmente, au Auge.
Die Namen Arthrostraken und Thoracostraken beziehen sich auf
die Anordnung der 13 ersten Segmente. Bei den Thoracostraken
(Fig. 381) ist ein Cephalothor ax vorhanden, indem entweder sämint-
liche Brustsegmente oder doch der grössere Theil derselben mit dem
Kopf zu einein unbeweglichen, festgepanzerten Stück verbunden sind.
Bei den Arthrostraken dagegen (Fig. 380) sind 7 Thoraxsegmente selb-
ständig geblieben und verleihen dem Körper ein auffallend deutlich
geringeltes Aussehen, während die 6 ersten Segmente des Körpers zu
dem kleinen Kopfabschnitt verschmolzen sind.
Die mit der Bildung des Cephalothorax im Zusammenhang stehende
geringere Beweglichkeit des vorderen Körperabschnitts hat vielleicht
Fig. 381. Mysis elowjata (aua Gcretäcker).
a erste, p zweite Antenne, au Auge, o Hörbläschen,
a Auasenast, i Innenast der Schwinnuf üsse ; I—XJIl
die 13 Segmente des Cephalothorax, 1—7 die 7 At>
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382
Gliederfüssler,
zu dem zweiten systematisch wichtigen Merkmal geführt: bei den
ThoracostraJ:en werden die beiden zusammengesetzten Augen
von langen Stielen getragen, welche wie Extremitäten in einem
Gelenk beweglich mit dein Kopf verbunden sind und daher früher all-
gemein und auch neuerdings wieder von vielen Zoologen für präanten-
nale Extremitäten gehalten wurden. Der gestielten Augen wegen heissen
die Thoracostraken auch Podophthalmen, während man die Arthrostraken
Edriophthalmen nennt, weil ihre zusammengesetzten Augen in gleichem
Niveau mit der Umgebung liegen.
Der Gegensatz zwischen Thoracostrakm und Arthrostraken verliert an
Schärfe durch die Existenz der Cumaccrn,, welche eine Uebergangsgruppe
bilden, indem sie den Anfang zur Bildung des Cephalothorax, aber keine
gestielten Augen besitzen. Es sind nächtliche, im Sande lebende Thiers
(Diastyl is stygia Sars). — Noch wichtiger für die phylogenetische Be-
urtheilung der Crustaceen sind die Xcbalim (Xcl>alia Qeoffroyi M. E.), welche
auf der Grenze von Entontostrakcn und Malacostraken stehen und in der
Neuzeit als Lcptostraken zu einer den Thoracostraken und Arthrostraken
gleichwerthigen Abtheilung erhoben werden. Die Gesammtzahl (13) der
Segmente des Kopfes (5) und des Thorax (8), desgleichen die Ausmünduugs-
stelle der Geschlechtsorgane weisen auf eine nähere Verwandtschaft mit
den Malacostraken hin ; dagegen erinnern die lamellösen Brustfusse an die
Branchiopoden. Beim Studium der inneren Anatomie fällt die gleichzeitige
Anwesenheit der Antennendrüse und der allerdings rudimentären Schalen -
drüse auf, ferner der Bau des langgestreckten Herzens, welches sich durch
Thorax und Abdomen hinzieht und so einen indifferenten Ausgangspunkt
bietet für die so verschiedenartige Lage des Herzens bei Amphipoden und
hopoden. Eine zweiklappige Hautfalto deckt den Thorax und den Anfang
des Abdomens.
I. Legion.
Edriophthalmen oder Arthrostraken.
Trotzdem der Kopfabschnitt der Edriophthalmen aus 6 Segmenten
besteht, ist er ein auffallend kurzes Stück, welches 1 Paar sitzende
Facettenaugen und 6 Paar Extremitäten trägt, nämlich : 2 Paar faden-
förmige Antennen, 1 Paar Mandibeln, 2 Paar Maxillen und 1 Paar
Pedes maxillares. Die Kieferfüsse decken die übrigen Mundgliedmaassen
und bilden, indem sie in der Mittellinie dicht zusammengerückt sind,
den Abschluss des Kopfs. Die auf den Kopf folgenden, scharf gegen
einander gesonderten 7 Thoraxsegmente sind mit Extremitäten aus-
gerüstet, welche durch Verlust des Schwimmfussastes zu Gangbeinen
geworden sind und stets mit kräftigen Klauen oder Scheeren enden.
Dagegen sind die 6 Paar Pedes spurii des Abdomen Spaltfüsse. Stets
extremitätenlos ist am ganzen Körper nur das letzte Abdominalsegment.
Was die innere Anatomie anlangt (Fig. 382), so ist das Nerven-
system interessant, weil es in auffallend klarer Weise den Bau eines
Strickleiternervensystems veranschaulicht (vergl. auch Seite 99, Fig. 72).
Der Darm ist ein gerade gestrecktes Rohr mit einer als Kaumagen
dienenden Anschwellung nahe dem vorderen Ende. In den Darm
münden zweierlei Drüsen, einige Leberschläuche dicht hinter dem Kau-
magen. in den Endabschnitt 2 exeretorische Canäle, die man wie bei
den Insecten Vasa Malpighi nennt. Athmungs- und Circulationsorgane
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II. Malakostraken : Amphipoden.
383
sind verschieden und ermöglichen 2 Ordnungen einander gegenüber zu
stellen, die schon nach ihrer Körpergestalt leicht zu unterscheidenden
Amphipoden und Ispooden.
I. Ordnung. Amphipoden, Flohkrebse.
Die Amphipoden sind ausschliesslich Wasserbewohner, die im Sflss-
wasser vor Allem durch den in Bächen an Wasserpflanzen und unter
Steinen lebenden Gammarus pulex, im Meer durch die Phronimen,
Caprellen etc. vertreten werden (Fig. 380, 382). Ihre Bewegungen sind
lebhaft hüpfend, wobei ihnen die Gestalt ihres Körpers zu Gute kommt,
welcher von links nach rechts zusammengedrückt und über den Rücken
stark gewölbt ist. Beim Schwimmen wird das Abdomen gegen die Brust
eingeschlagen und kräftig gestreckt.
Fig. '.\X'2. Orehrslia carimaiia (nach Nel>e«ki). f- Herz mit Ostien, ao vordere,
aop hintere Aorta, o Ovar, // Hoden, rd Va* deferens , d Darm , m MaJpighi'sehes
Gefäas, / Lebereehläuche , y Himganglion mit Auge, n Bauchmark , k Kiemen, nx
erste, a* zweite Antenne, vi Mandriiel, kf KieferfUM, I— VII Beine des Thorax, 1 — 3
vordere, 1—6 hintere AMominalfüfwe.
Die Thoracalf üsse sind dadurch
bemerkenswerth , dass nach innen von
ihrer Basis zarthäutige Kiemenplatten
oder Kiemensäcke (Fig. 383 br) entsprin-
gen, ein Lieblingssitz vieler Infusorien
und Rotatorien, da sie beständig mit
frischem Wasser umspült werden. Beim
WTeibchen treten hierzu noch weiter die
Brutplatten (ort), feste Chitinlamcllen,
die von links und rechts unter dem
Bauch zusammenneigen und vermöge
ihrer Krümmung einen Raum zur Auf-
nahme der Eier und der jungen aus-
schlüpfenden Brut erzeugen. Zur Er-
neuerung des Athemwassers dienen die
drei ersten Abdominalfüsse, welche leb-
haft rudernd einen ständigen Wasser-
Fig. 383. Schematicher Quer-
schnitt durch den Thorax eines
lonyi-
d
Darm , // Herz , bin Bauehmark.
/ Leber, br Kieme, brl Brutlamelle,
ov Eier im Brutraum, bf Brustfüs.-e.
Amphipoden. Corophiuiu
corne (aus Lang nach Delage)
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384
GHederfüssler.
Strudel nach den Kiemen unterhalten ; sie sind Spaltfüsse mit schlanker
Basis, schlankem Innen- und Aussenast; die 3 hinteren Abdominal-
extremitäten sind zwar ebenfalls Spaltfüsse, aber von gedrungenem
Bau, sie sind kräftige Springstangen, mit denen die Thiere sich auf-
stützen und durch das Wasser schnellen.
Die Lage der Kiemen am Thorax ist Ursache, dass sich von dem
langgestreckten Crustaceenherz , wie es noch bei den Phyllopoden und
Leptostraken auftritt, nur der vordere thoracale Theil mit meist 3 Ostien-
paaren erhält, während der abdominale Abschnitt rflckgebildet wird.
Der Geschlechtsapparat ist bei wenigen Arten (Fig. 381) hermaphrodit.
Die 3 Unterabtheilungen zeigen eine fortschreitende Tendenz zu para-
sitischer Lebensweise.
I. Unterordnung. Die Orevettinen sind vollkommen frei lebende,
schlanke, geschickte Schwimmer mit kleinem Kopf. Cheluriden , marine,
holznagende Formen: Chelura terebrans Phil., den Pfahlbauten gefährlich.
Gammariden, vorwiegend Süsswasserformen : Gammarus pulex L. in Bächen,
Xiphargns puteanus Koch blind, in Brunnen und Seen.
II. Unterordnung. Die llypcrinen haken sich mit ihren kräftigen
Klainmerbeinen an pelagische Thiere, welche sie ausfressen, fest; sie haben
einen auffallend grossen Kupf mit autfallend grossen Augen. PhronimUen:
riironima sedentaria Forsk. nistet sich mit dem Vorderkörper in dem an-
gefressenen und zu einem Tünnchen abgerundeten Cellulosemantel von
Salpen und Pyrosoinen ein, während das hervortretende Abdomen zum
Rudern und Steuern dient.
III. Unterordnung. Bei den parasitischen Ijoemodipodcn verwachsen
die ersten Segmente mit dem Kopf, während andere die Extremitäten ver-
lieren. Auf Hydroidpolypen schmarotzen die langgestreckten Capreüiden:
Caprclla linearis L., auf Walfischen die gedrungenen Oyamiden: Oyamus
ceti L.
II. Ordnung. Isopoden, Aasein.
Die Asseln oder Isopoden unterscheiden sich von den Amphipoden
in erster Linie dadurch, dass ihr Körper dorso-ventral abgeplattet ist;
sie sind breit und flach, bewegen sich demgemäss auf dem Boden
nur langsam kriechend oder im freien Wasser gleichmässig rudernd.
Die Beine sind Schreitbeine und wie bei den Amphipoden im weib-
lichen Geschlecht mit Brutplatten ausgerüstet (Fig. 3*4), dagegen fehlen
an ihnen die Kiemenanhänge, da zur Athmung ein Theil der Afterfüsse
des Abdomens dient. Am Abdomen ist, wie bei allen Malacostraken,
das letzte Abdominalsegment extremitätenlos; am vorletzten befindet
sich eine Extremität , die je nach ihrer Verwendung verschieden aus-
sieht; bei schreitenden Asseln (Fig. 384) ist sie ein griffei-
förmiger Spaltfuss, bei schwimmenden A s s e 1 n dagegen sind
Innen- und Aussenast zu Ruder platten geworden (Fig. 385), welche
gemeinsam mit dem 7. Abdominalsegment einen breiten, zum Rudern
geeigneten Fächer abgeben. Die 5 vorderen Beinpaare sind endlich in
den Dienst der Respiration getreten, das erste, indem es den Kiemen-
deckel, die folgenden, indem sie die Kiemen liefern. Bei jeder respi-
ratorischen Extremität ist Innen- und Aussenast des Spaltfusses eine
breite Athemplatte geworden. — Infolge der abdominalen Lage der
Kiemen ist das mit nur 2 Paar Ostien ausgerüstete Herz
ebenfalls im Abdomen untergebracht.
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II. Malakostraken : Isopoden. 385
Fig. 3K4. Fig. 385.
Thoil zu Kiemen (kl modifizirt, br Rrutraum, / — TT die
t> verschmolzenen Kopfsegmente, VII— XIII die 7 Thoraxsegmente, XIV— XX dir
7 zum Theil verschmolzenen Abdominalsegmente.
Fig. 385. Cumothocca emanjinata vom Rücken gesehen (nach Gerstäcker). pr
die sechsten Pedcs spurii, welche Schwimm platten darstellen.
Die Kiemenlamellen der Abdominalfüsse dienen auch bei den land-
bewohnenden Asseln zur Respiration von feuchter Luft. Nur bei den
Gattungen PoredUo und Armadillio finden sicli besondere Einrichtungen,
indem sich im Kiemendockel ein System von Luftröhren entwickelt, welches,
wenn auch nicht anatomisch, so doch physiologisch den Tracheen der In-
secten vergleichbar ist.
Bei den Asseln ist die Neigung zu parasitischer Lebensweise noch
grösser als bei den Amphipoden: viele schwimmende Formen ernähren
sich, indem sie sich mit ihren zu Stechorganen umgewandelten Mundwerk-
zeugen in die Haut von Fischen einbohren, wobei sie sich mit den scharfen
Krallen ihrer Beine fest-
halten. Bei nicht weni-
gen Arten kommt es zu
einem typischen Parasi-
tismus. Die Bopyrvicn
wohnen in der Kiemen-
höhle von Garneelen, die
sie ausdehnen, und er-
halten, den Raum Verhält-
nissen sich anpassend, eine
ganz asymmetrische Ge-
stalt. Cnjptonisem ist ein
unförmlicher Schlauch, der
sich am St iel von Sarai -
lina ansaugt und, nach-
dem er das Abfallen
dieses Parasiten veranlasst
hat , dessen Stiel und
Wurzelgeflecht zur eigenen
Ernährung weiter benutzt.
Am merkwürdigsten sind die Entoniscuim (Fig. 380), welche, die Kurper-
haut von Decapoden vor sich einstülpend, in das Innere eindringen. Die
abenteuerliche Form, welche sie hier gewinnen, wird namentlich durch die
in viele Lappen entwickelten Brutlamellen bedingt. Vielfach sind die
Hartwig, Uhrbuch der Zoologie. 3. Aufl»gc. 25
Fig. 380. Entonisrus porrrllatiae (aus Gerstäcker
nach Müller). A Männchen , B Weibchen , la Brut-
lamellen, c Herz, ot Ovar, he lieber.
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386
Gliederfüssler.
Tbiere hermaphrodit, haben aber ausserdem supplementäre Zwergmännchen
(Fig. 386 .4).
Mit griffeiförmigen sechsten Afterfüssen sind ausgerüstet die Land-
asseln Oniitcitlen: Oniscits murariu* Cuv., Mauerassel, und Porceüio scaber
Leuck., Kellerassel, und die Wasserasseln Aselliden \: Asellus aquaitcits L. —
Dagegen sind die sechsten Pedes spurii Ruderplatten bei den Sphaero-
miden, Kugelasseln, und den Oymothoiden, Fischasseln. Zu den ersteren
gehört ausser typischen Formen, wie Sphaeroma scrratutn Fabr.. die früher
den AseU'ulm zugerechnete Limnoria terdtrans Leach, welche das Holz von
Schiffen und Hafenbauten zernagt und dadurch grossen Schaden anrichtet.
Die Oymotlioidm (Cymothocea eniarginaia, Fig. 385) sind Fischparasiten
und leiten zu den parasitisch hochgradig degenerirten Bopyridm (Bopynts
aquiüarum Latr.) und Cnjptonisciden über (Ckyjttoniseus pygmaeus Fr. Müll,
und Entoniscwt porcdlanae Fr. Müll., Fig. 386). — Eine Mittelstellung
zwischen Amphipoden und Isopoden endlich nehmen die Scheeren asseln
Tanaiden (Anisopodcn) ein: Tanais dulnm Kroy.
IL Legion.
Thoracostraken, Podophthaluien, Panzerkrebse.
Für die Thoracostraken haben wir 2 Merkmale als charakteristisch
hingestellt: 1) dass sie gestielte Augen besitzen, 2) dass
Kopf und Brust zum Cephalothorax verschmolzen sind.
Der Charakter der gestielten Augen lässt sich in gleichmässiger Aus-
bildung durch die ganze Ordnung hindurch verfolgen, dagegen ergeben
sich in der Ausbildung des Cephalothorax Unterschiede, je nachdem
alle 13 ersten Segmente verschmolzen sind oder einige frei bleiben.
Weitere Unterschiede betreffen die Extremitäten, von denen nur die
5 ersten bei allen Podophthalmen im Wesentlichen gleich sind, nämlich
2 Paar Antennen, 1 Paar Mandibeln, 2 Paar Maxillen. Was dagegen
die 8 folgenden anlangt, so können sie sämmtlich noch ihre ursprüng-
liche locomotorische Function beibehalten haben oder sie sind zum Theil
zu Kieferfüssen (Pedes maxillares) geworden. Auf die Unterschiede in
der Beschaffenheit des Cephalothorax und der Extremitäten gründet
sich die Eintheilung in H Ordnungen: 1) Schizopoden, 2) Stomatopoden,
X) Decapoden.
I. Ordnung. Schizopoden.
Die Schizopoden (Fig. .*>S1) besitzen schon den vollentwickelten
Cephalothorax der Thoracostraken, indem sich vom Kopf aus eine Chitin-
falte über den Rücken legt, welche bis zum Abdomen reicht und mit allen
oder den meisten Thoraxsegmenten verschmilzt; dagegen bewahren sie
in der Beschaffenheit der Extremitäten primitive Zustände. Von den
l."> Extremitäten des Cephalothorax sind die 8 letzten Schwimm-
füsse und de in gemäss mit Aussen- und Innenast versehen.
Beim Weihchen können einige derselben mit Brutplatten versehen sein.
Zum Schwimmen tragen ferner die Spaltfüsse des Abdomens bei, be-
sonders die des Paares, welche mit dem extremitätenlosen 7. Seg-
ment gemeinsam das Telson oder den Schwanzfächer erzeugen, wie er
bei sämmtlichen Podophthalmen mit Ausnahme der Krabben vorkommt.
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II. Malakostraken. Podophthalmen: Schizopoden, Stomatopoden. 387
Das Telson ist eine kräftig das Wasser vor sich hertreibende Ruder-
platte, die aus 5 Stücken besteht; die Mitte bildet das 7. Segment,
links und rechts davon liegen die lamellös umgestalteten Innen- und
Aussenäste der sechsten Abdominalextremitäten. Merkwürdigerweise ent-
halten die Innenäste ein fast vollkommen geschlossenes Hörbläschen.
Die zarte Beschaffenheit des Integuments ermöglicht eine ausgedehnte
Hautathmung; daher fehlen Kiemen ganz oder sind unbedeutende An-
hänge der Brust- oder Bauchextremitäten.
Am verbreitetsten ist die Familie der Mysidecn, in Nord- und Ostsee
sowie auch in anderen Meeren durch die wenige Centimeter lange Mysis
flexuosa Müll, vertreten. Weitere Familien sind die selteneren, mit Leucht-
organen versehenen Euphausiden und Lophogastriden.
II. Ordnung. Stomatopoden.
Die Stomatopoden mit der einzigen Familie der Heuschreckenkrebse
oder Squilliden sind in der Bildung des Cephalothorax nicht so weit
vorgeschritten wie die Schizopoden, da mindestens die 3 letzten Seg-
mente des Thorax vollkommen frei bleiben. Rücksichtlich der Extre-
mitäten sind sie dagegen höher entwickelt, da nur die :i letzten freien
Thoraxsegmente Schwimrafüsse tragen, während die 5 vorhergehenden
mit den für die Abtheilung äusserst charakteristischen Raubfüssen
ausgerüstet sind. Beim Raubfuss sind die beiden letzten Glieder
sehr lang und kräftig; das letzte, säbelartig gekrümmt und mit
scharfen Spitzen besetzt, kann in eine Rinne des vorletzten, wie die
Klinge eines Taschenmessers in das Heft, eingeschlagen werden und
dadurch schwere Schnittwunden hervorrufen. Der zweite Raubfuss ist
am kräftigsten und dient den selbst Fischen gefährlichen Thieren zum
Zerfetzen ihrer Beute (Fig. '587).
Fig. i{87. Si/uilla manti*.
af, af erste und zweite An-
tenne, pr und pr' Rnubfüsse.
p Spaltfüsse des Thorax , p#
Fii^se des Abdomens mit
Kiemenbüscheln ik), sa letztes
Abdoniinnlscgment , welches
mit dem sechsten Fes spurius
(f) das Telson bildet.
Da die thoracalen Extremitäten für die Fortbeweguug von unter-
geordneter Bedeutung sind, ist das Abdomen sehr lang und kräftig, be-
sonders der Schwanzlacher. Letzterer wird in seiner Wirkung unterstützt
von den 5 ruderartig abgeplatteten vorderen Afterfüssen, die zugleich die
ansehnlichen Kiemenbüschel tragen. Mit der Verbreitung der Kiemen am
Abdomen und der ganz aussergewöhnlichen Ausdehnung des letzteren
hängt es zusammen, dass auch das Herz sich als ein langgestreckter
Schlauch mit vielen Ostien bis in das Abdomen hinein erstreckt.
Die Familie der Squilliden ist in europäischen Meeren durch die
Stjuilla mantis Rond. vertreten, welche ihren Namen der Aehnlichkeit mit
Mantis religiosa, einer ebenfalls mit Raubfüssen ausgerüsteten Heu-
schrecke, verdankt. Die durchsichtigen pelagischen Larven der Squillen
wurdeu früher unter dem Namen Alima und Erichthus als besondere Arten
beschrieben.
t>5*
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Gliederfüssler.
HL Ordnung. Decapoden.
Ilirc höchste Organisationsstufe erreicht die Gasse der Crustaceen
in den Decapoden, einer Gruppe, die noch weiteres Interesse dadurch
gewinnt, dass die bekanntesten Krebse, unser Flusskrebs, der Hummer,
die Lanyustt :, die Cranialen und Krabben hierher gehören. Mit den
Schizopoden haben die Decapoden den vollkommen entwickelten , aus
13 verschmolzenen Segmenten bestehenden Ccphalothorax gemein; sie
unterscheiden sich von ihnen dagegen durch den Bau und die Ver-
wendung der Brn s t ext remi täten. Von den s Paar Spaltfüssen
der Schizopoden sind die 3 vordersten Paare zu Pedes maxillares ge-
worden. Nur die ;"> letzten Paare (daher der Name Decapoden) dienen
zur Fortbewegung; sie haben den während der Larvenstadien (Mysis-
stadium) (Fig. :»!>f>) häutig noch vorhandenen Schwimmfussast ver-
loren und sind kräftige Gangbeine geworden, welche entweder mit
Krallen oder mit Srhccren endigen. Eine Scheere findet sich gewöhn-
lich an dem durch bedeutendere (irösse ausgezeichneten ersten Bein-
paar; dasselbe wird dann nicht mehr zur Fortbewegung benutzt, son-
dern erhoben getragen und dient sowohl zur Vertheidigung wie zum
Krgreifen der Beute: beim Männchen besonders stark entwickelt, hilft
es auch, das Weibchen bei der Begattung festzuhalten.
Zur Bildung einer Scheere kommt es, indem das vorletzte Glied des
Beines einen Fortsatz nach vorn treibt, welcher neben und nach aussen
von dem letzten Glied vorbei wachst und ihm, als der beweglichen Branche,
gegenüber die teststehende Branche der Scheere liefert. Vor der Scheere
» xtremit ,t« ii liegen dicht gedrängt hinter einander die M u n d e x t re m i t ä t e n , im
Ganzen 3 Paar Kieferfüsse und 3 Paar Kiefer (Fig. 355): sie können,
wenn man in der Betrachtung von dem dritten Kieferfuss nach der Man-
dibel fortschreitet, vortreil'lich erläutern, in welcher Weise ein Spaltfuss
zu einem Kieler umgewandelt wird. Die dritten Kieferfüsse (7), welche
alle übrigen Mundgliedmaassen zudecken, haben noch vollkommen den
Spaltfusscharakter, indem eine zweigliedrige Basis einen kräftigen Aussen-
und Inneuast trägt. Dadurch, dass die zweigliedrige Basis den Charakter
von Kauladen gewinnt und die beiden Acste kleiner werden, leiten die
vorderen Kieferfus.se (5 u. zu den Maxillen über, die aus '2 Kauladen
mit rudimentärem Palpus bestehen (3 u. 4). Bei der Mandibel ist, wie
überall, nur das unterste Basalglied zu einem, dafür um so kräftigeren
Kauorgan umgebildet, an welchem stets ein Palpus mandibularis ansitzt
Hinter der Mandibel folgen ± Schüppchen, welche unter dem Namen
Paragnathon früher fälschlich als Rxtremitüten beschrieben worden sind.
Die erst en d) und zweit en An t «innen besitzen eine kräftige Basis,
welche bei der vorderen kleineren Antenne 2 — 3, bei der grösseren, hin-
teren nur einen geringelten Faden (Geissei) trägt. Das Basalglied der
ersten Antenne hat auf seiner oberen Seit«- eine ovale, von starken Haaren
geschlossene OefVnung, welche in die Hörgrubc einleitet ; das Basalglied
der zweiten Antenne ist durch einen Höcker, die Mündungsstelle der grünen
Drüse (Niere) ausgezeichnet (Fig. 392 yd).
So lange das Abdomen nicht wie bei den Krahlttn rudimentär ist,
sind die Extremitäten des sechsten Segments als äussere Platten des
Schwanzfächers Telson: breite, beim Schwimmen hauptsächlich thätige
Flossen (Fig. 39<>i; die übrigen Extremitäten (Fig. 355, 9) sind kleine
Spaltfüsse, au denen das Weibchen seine Eier mit sich herumträgt. Sie
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II. Malakostraken. Podophthalmen : Decapoden.
389
verkümmern beim Weibchen am ersten Segment, sind dagegen beim Männ-
chen hier gut entwickelt, besitzen wie die des zweiten Paares, einen
löffeiförmig ausgehöhlten Fortsatz und dienen zur Begattung. Da ausser-
dem die weibliche Geschlechtsöffnung in der Basis des 8. Gehfusses (11.
Segment), die männliche im Basalglied des 5. Gehfusses (13. Segment) an-
gebracht ist, und da die Scheeren des Männchens viel kräftiger sind, können
bei allen Decapoden die Geschlechter leicht unterschieden werden.
Die starke Panzerung der Körperoberfläche macht bei den Decapoden K,'^"-
eine ausgiebige Hautathmung unmöglich und bedingt die Anwesenheit zahl-
reicher schöner Kiemenbüschel, welche zum geringeren Theil an der Soiten-
wand des Cephalothorax , zum grösseren Theil an der Basis der Extremi-
täten (Pedes maxillares und Gangbeine) sitzen (Fig. 388). Aeusserlich
Fig. 388. Kiemen der* Fluss-
kreb.ses durch Abschneiden des
Kiemendeckels freigelegt. 1
Augenstiel mit Auge, 2 und .7
Antennen, 4—G Kiefern, " — .9
Kieferf üsse, 10 lt die basalen
Enden der Thoraxbeine mit den
Kiemenanhängen (pdb) , pt/bH,
p(lhl\ ptib** die Anhänge der
gleich numerirten Extremitäten,
AT, XVI erstes und zweites Al>-
dominalscgment , 7.7 erster Pes
spurius, r Rostrum.
gewahrt man von ihnen nichts, weil links und rechts vom Rücken aus
eine Falte entspringt, welche als ein hartschaliger Kiemendeckel sich über
die Kiemen herüberwölbt. Da der Faltenrand fest an die Extremitäten-
basis anschlies.st, entsteht eine nahezu vollkommen geschlossene Kiemen-
hohle. Nur am vorderen Rand klafft der Spalt und bildet eine Oeffnung,
welche durch einen lamellösen Anhang der zweiten Maxille geschlossen
wird, der durch seine lebhaften Bewegungen Wasser aus der Kiemenhöhle
aus- und einpumpt. Alle Decapoden können lange ausserhalb des Wassers,
namentlich in feuchten Pflanzen verpackt, leben. Das hängt damit zu-
sammen, dass die Thiere genügend Wasser in ihrer Kiemenhöhle bewahren,
um die Kiemen feucht und funetionsfähig zu erhalten. Bei manchen
Arten, die dauernd auf dem festen Lande leben, kommt aber auch eine
echte Luftathmuug vor, indem ähnlich wie bei den Lungenschnecken die
Kiemenhöhle ,zu einer Art Lunge verwandelt wird, deren Wandung von
einem respiratorischen Gefässnetz überzogen ist (Fig. 380). Ein sicher
Fig. 389. Lunge von Birgits
tatro, auf einem sehematisenen
(Querschnitt durch das Thier auf
der Höhe des Herzens darge-
stellt (aus Lang nach Semper).
/.</Kieinendeckel mit zuführenden
Gefä,«sen (<il — it*) und Lungen-
büscheln (lb) auf seiner Innenseite
umgiebt die Athemhöhle (ak); cl
Itlutgcfäs.-e. die zum Herzbeutel
lp) und Herzen (Ii) das Lungen-
blut leiten ; rudimentäre Kiemen
mit zum Herzen führenden Kie-
mengefässen (ekf; cl' Einmündung
der Lungen und Kiemengefä.-se
in den Hcrzl>eutel.
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390 Gliederfüsaler.
constatirtes Beispiel ist Birgits lalro, dessen Athemhöhle durch eine Ein-
schnürung in 2 Etagen getheilt ist, eine obere, welche als Lunge func-
tioniert, eine untere, welche die Reste von Kiemen beherbergt,
uiutsef^ Der hochgradig localisirten Athmung entspricht ein nahezu geschlos-
►)»t>:n.. genes Blutgelasssystem (Fig. 390, 391). Das Herz (h), ein gedrungener
Körper von der Gestalt einer Bischofsmütze, empfängt das arterielle Blut
Fig. 31i0. Fig. 391. Fig. 392.
Fig. 390- 392. Anatomie de.-* F/usskrrhsrs (nach Huxley und (iegenbaur). Fi g. 390.
Uückendecke d«:s Cephalothorax und Abdomens cnlfenit; /* Herz, oa, aa. saa davon aus-
gehende Arterien ; «//, py vordere und hintere Muskeln de* Magens, amm die grossen
Kaumuskeln der Mandibeln; < s Kaumagen. //// Enddarm. Lr Leiter, yd grüne Drüse, t
Hoden, rd Vasadeferentia. - F i g. 3 !t 1 . Anordnung des Blutgefäss* vstems; rfleR mit Spalt-
öffnungen, pc Perieard, an, na, u, ap, ac Kürperarterien , v Venensinus, weleher das
Blut aus dem Capillarlx'/irk de« Körper« sammelt und an die Kiemen <br/ abgiebt; rbr
Kiemenvenen, welche das arterielle Blut zum Perieard leiten, von wo es dureh die Spalt-
öffnungen des Herzens aufgenommen wird. Die Pfeile deuten die Richtung des Blutstroms
an. quere Sehraff irung den venösen Charakter der Blutbahn ; ai innere oder erste, ar äussere
oder zweite Antenne, </ Auge. -Fig. 392. Rüekendeeke von Cephalothorax und Abdomen
entfernt, alle Eingeweide mit Ausnahme des Nervensystems und der grünen Drüse heraus-
genommen; yit' oberes Schlund- oder Hirnganglion" yn,,yii9,yn'',gnl* (Janglien paare des
Bauchmarks, du, an Nerven der ersten und zweiten Antenne, on Sehnerv, o Eingang in die
Hörgrube, danel)cn Augenstiel mit Auge, r Commissurcn zum Bauchmark, *7h Sympa-
thien* (Nerven zum 1 >arm), OM durchschnittener < Ösophagus, a After, yd grüne Drüse, links
mit Ansatzstelleder abgeschnittenen Harnblase, rechts von der Harnblase (hl bedeckt.
durch 3 Paar Ostien aus dem Pericardialsinus (y*1), einem besonders ab-
gegrenzten Theil der Leibeshöhle, und giebt es durch zahlreiche Arterien
wieder in den Capillarbezirk des Körpers ab; das venös gewordene Blut
gelangt in einen grossen Venensinus an der Basis der Kiemen und nach
Durchströmung der letzteren mittelst zahlreicher Kiemen venen nach dem
Herzbeutel.
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IL Malakostraken. Podophtlialmen : Decapoden.
391
Der D arm der Decapoden (Fig. 390) ist gerade gestreckt und be- D»nu.
sitzt nur eine ansehnliche Erweiterung in dem Kaumagen (es), einem
Sack, der auf seiner Innenseite mit spitzzackigen Chitinleisten und Zähnen
zur Zerkleinerung der Nahrung versehen ist, der in seiner Wand ferner
die sogenannten Krebssteine oder Krebsaugen umschliesst. Letztere sind
Ablagerungen von kohlensaurem Kalk, welche schwinden, wenn der frisch
gehäutete Krebs, der sogenannte Butterkrebs, sich seine Schale neubildet,
weil der kohlensaure Kalk dann zur Erhärtung des Chitins verbraucht
wird. Hinter dem Kaumagen münden die beiden Leberlappen (Lr), die
aus fein verästelten Drüsenschläuchen bestehen und fast die ganze Leibes-
höhle füllen.
Ebenfalls sehr ansehnlich sind die beiden spangrünen Antennen^Jj™^
drösen (Fig. 392 gd)t die mit einer grossen Harnblase //) versehen sind, wwe!
Vom Geschlechtsapparat ist als interessant hervorzuheben, dass die
dorsal dicht unter dem Herzen gelegenen paarigen Geschlechtsdrüsen (Fig.
393> in ihrem hinteren Abschnitt verschmelzen, während die vorderen Ab-
schnitte und die Ausführwege paarig bleiben.
Der Bau des Nervensystems hängt von der Beschaffenheit des »rT«.-
Abdomens ab; nach letzterem unterscheidet man systematisch Macruren ,T*,'m'
und Brachyuren. Nur bei den Langschwänzen, wie z. B. unseren Fluss-
krebsen, ist das Abdomen (Schwanz) wohlentwickelt, bei den Kurzschwänzen
dagegen, den Krabben, ist es klein und in eine Rinne des Cephalothorax
eingeschlagen, so dass es auf den ersten Blick zu fehlen scheint und nur
mühsam herausgeklappt werden kann (Fig. 377). Bei den Macruren
(Fig. 392) ist das Bauchmark des Nervensystems eine gegliederte Ganglien-
kette mit G Ganglien des Cephalothorax, 6 Ganglien des Abdomens; bei
den Krabben (Fig. 394) dagegen fliessen alle Ganglien des Bauchmarks in
einen grossen Brustknoten zusammen, der mit dem Hirn durch 2 lange
Schlundcommissuren zusammenhängt.
Fig. 393 i
Fig. 393 b.
Fig. 393 a. Weibliche Geschlechtsorgane de* Flusskrrhsrs. ov Ovar, od Oviduet,
od1 Mündung de**ell>cn an der Basis der 11. Extremität (au* Huxley).
Fig. 393 b. Männlicher Gendüfichteapparat des Flusskrcbse*. t Hoden, vd Vas
deferens. rr/' Mündung denselben an «1er Basis der 13. Extremität (ans Huxley).
Fig. 394. Nervensystem einer Krablte (aus« Gegenbaur). ys oberes Schlund-
ganglion, o Opticus, a' Antennennerven, e Schlundcoininissurcn. yi Bauchmark zu
einem einzigen Ganglion verschmolzen.
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Gliederfüssler.
Die Entwicklungsgeschichte der meisten Decapoden ist durch die
grosse Zahl der Larvenformen interessant. Die Regel ist, dass aus dem
Ei eine Zoea {Fig. 301) ausschlüpft, die sich in das Mysisstadium
iFig. 395) verwandelt: auf letzterem ist der Thorax \T) sowohl vom Kopf
{C) wie vom Abdomen (A) abgesetzt und trügt zarte, an die Sdiizopotlm
erinnernde Spaltfüsso. Bei den Krabben wird das M\sisstadiuni von der
Megalopalarve ersetzt, bei welcher das Abdomen noch gut entwickelt
ist, die Fasse aber den Spaltfusscharakter schon verloren haben (Fig. 31M>|.
Fig. 30fi. PhyUowmialarvc (Mysisstadium) taten, a1 — die Segmente des
von Palhturus (naeh ( irrstäckor). CK«»pf, Abdomens (ae bezeichnet, anstatt
1 Thorax, A Abdomen, a Aussenast, i des sechsten , das siebente Ab-
Innenast der mnaxglioduiaassen. dotninalsegment) (aus Lang naeh
Claus).
Bei manchen Garurrkn (Pcnacua) wird die Metamorphose vervollständigt,
indem sich vor die Zoea noch der dreibeinige Nauplius und
der mit vielen Beinen versehene Metanauplius einschiebt. Dieses für
Schiwpfxlen (Enphausiri) ebenfalls geltende Auftreten des Nauplius ist eine
Thatsache von ganz hervorragender Bedeutung; sie zeigt, dass der Nauplius
als die ursprüngliche Larvenform aller Crutfwccn angesehen werden niuss.
Unser Flusskrebs und andere Decapoden haben die Metamorphose verloren ;
sie haben aber im Enibryonalleben ein lang anhaltendes Stadium, auf dem
nur 3 Extremitätenpaare vorhanden sind, das Nau p 1 i us s t adi u m. Der
unserem Flusskrebs nahe verwandte Hummer verlasst das Ei auf dem
Mysisstadium.
I. Unterordnung. Macrnrcn. Abdomen kräftig entwickelt, Bauchmark
langgestreckt.
1) Caridi'lcn, Gameckn. Die Thiere sind streng genommen keine
echten Dceapodm, da das letzte Kieferfusspaar noch vollkommen beinartig
ist und die Zahl der Beine auf 12 erhöht. Dieser ursprünglicheren Be-
schaffenheit entspricht das Auftreten des Nauplius während der Entwick-
lung bei einigen Arten, z. B. bei Pcnarus mramok Desm. Die bekanntesten
Garneelen sind die in Schwärmen auftretenden Curnyon vulgaris Fabr. der
Nord- und Ostsee, Palneuion squilln L. des Mittelmeers.
2) Astacülcn, Krebse im engeren Sinne, haben sehr kräftig entwickelte
Scheeren. Die Gattung Astacits ist in vielen Arten durch das Süsswasser
über die ganze Erde verbreitet: bei uns einheimisch Astaeus flnviatUis L. ;
in der Mammuthhühle in Kentucky der kleine Astacus pcllucidus Tellk.,
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II. Malakostraken. Podophthalmen : Decapoden. 393
der als Höhlenbewohner die Augen verloren hat. Nahe verwandt der
grösste Malacostrake, der Hummer, Homarus vulgaris M. E., Xephrops Nor-
wegicus L.
3) Palinuridcn, auch wegen ihrer besonders starken Panzerung Lori-
caten genannt, haben keine Scheeren ; ihre Mysislarven sind im Gegensatz
zum ausgebildeten Thier äusserst zart und wurden unter dem Namen
Phyllosoma (Fig. 395) früher als besondero Krebse beschrieben. Palinurus
qundricornis Latr., Languste des Mittelmeers, übertrifft den Hummer an
Wohlgeschmack. Scyllurus arctits F. Bärenkrebs.
4) Fayuriden, Einsiedlerkrebse, zeigen die ersten Anfänge von Ver-
kümmerung des Abdomens, welche durch ihre Lebensweise veranlasst wird
(Fig. 31»7). Sie fressen Schnecken aus ihren Gehäusen heraus und nisten
sich selbst in dio letzteren ein. Ihr Ab-
domen wird in Folge dessen zu einem
weichen, entsprechend der Asymmetrie des
Schneckenhauses asymmetrischen Sack ;
nur der Cephalothorax bleibt hart ge-
panzert. Payurus Bernhardt F. Viele Ein-
siedlerkrebse tragen auf ihren Schalen
Actinien mit sich herum, so der P. Pri-
deauxi Leach , die Adamsia palliata Boh.
(vergl. S. 139). Nahe verwandt ist Biryus
latro Herbst, der Cocosnussräuber , von
dem in den Tropen behauptet wird, dass FiS- 307- Pwjurua barbatus
m • r .... i , lT , , mit seinem behjuekcnhauR (aus
er Tags m Erdlochera wohne, Nachts scmiiarda).
Cocospalmen erklettere und von ihren
Früchten lebe. Seine Athenihöble ist in ihrem oberen Abschnitt zu einer Art
Lunge geworden , während im unteren die rudimentären Kiemen liegen
(Fig. 389).
II. Unterordnung. Brachyurrn, Krabben. Abdomen rudimentär und
gegen den Cephalothorax eingeschlagen; Bauchmark concentrirt.
1) Notopoden. Letzte Beinpaare auf den Rücken verschoben; sie dienen
den Dromiden zum Festhalten von Schwämmen oder zusammengesetzten
Ascidien, welche sie sich wie Masken über den Cephalothorax stülpen, um
sich unkenntlich zu machen. Droniia vulgaris M.-E.
2) Oxystomcn. Das Mundfeld bildet ein Dreieck mit nach vorn ge-
richteter Spitze. Calappa granulata L.
Die übrigen zahlreichen Familien der Krabben werden nach der vor-
deren Umgrenzung des Cephalothorax in folgenden 3 Gruppen angeordnet.
3) Oxyrhynehen. Cephalothorax nach vorn in eine Spitze ausgezogen.
Maja squinado Rond. sorgt, dass ihr Cephalothorax von Algen und Hydro-
iden dicht bewachsen ist, um sich im Tang leichter zu verstecken.
4) Oyclontdopcn. Der vordere Rand des Cephalothorax bogenförmig
abgerundet. Am bekanntesten sind die Taschenkrebse : Cancer payurus L.
und der kleine Tascheukrebs Carduus niaenas L.
5) Katotnctopcn. Der vordere Cephalothoraxrand bildet eine quere
Linie, welche mit den Seitenkanten in rechtem Winkel zusammenstösst, so
dass der gesammte Körper viereckig wird (Quadrilatera). Pinnothercs
pisum L. in der Schale von Mytilus. Manche Viereckskrabben verlassen
das Meer : die Gelasi musarten bewohnen Süsswassersümpfe ; die (Jiearcinülen
leben mitten in Wäldern der Südseeinseln ; zur Fortpilauzungszeit wandern
sie zur Eiablage in Schaaren zum Meer. Uerarcinus rurkola L.
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;;;m
Gliederfüssler.
II. Unterstamm.
Tracheaten.
Wenn man den Crustaccen alle übrigen Arthropoden unter dem
gemeinsamen Namen Tracheaten gegenüberstellt, so geschieht es mit
Rücksicht auf die Beschaffenheit ihrer Extremitäten und ihrer Respira-
tionsorgane. Die Extremitäten besitzen die einreihige Anordnung
der Glieder und sind somit niemals Spaltfüsse; ferner findet sich nie-
mals mehr als eine präorale Extremität, eine Antenne. Die Re-
spirationsorgane sind durchgängig auf die Luftathmung berechnet,
da die Tracheaten vorwiegend das feste Land bewohnen. Allerdings
siebt es unter den Spinnen und Insecten manche Arten, welche, wie
die Silberspinne, die Wasserkäfer und Wasserwanzen, ausschliesslich
oder den grössten Theil der Zeit über im Wasser leben: allein diese
hören nicht auf, Luft zu athmcn und müssen von Zeit zu Zeit an die
Oberfläche kommen, um ihre Athmungsorgane mit neuem Sauerstoff
zu versorgen. Eine Ausnahme bilden gewisse Insectenlarven und
einige degenerirte Spinnen (Wassermilben und Tardigraden). indem
erstere ihre Luftathmungsorgane in höchst eigenthümlicher Weise an
die Wasserathmung anpassen, letztere ausschliesslich durch die Haut
respiriren.
Die besonderen Athmungswerkzeuge der Tracheaten sind die
Tracheen (Fig. 398, 410). Mit der Trachea des Menschen haben
Fig. WS.
Fig. 309.
Fig. .'M>\ Traeheenbüschol oinor ttaitjir (ans
Gegenbaur). .1 Hauptstamm, Ii, C, I) Verästelun-
gen ; a Epithel mit Kernen (h), rf Luftinhalt der
Trachea.
Fig. - -J * *i *- Tracheeiwvstem der rechten Seite von
Macht Ii» maritima (aus Lang nach Oiulcmnns). s
Stigmen und Tnieheeiihüseheljfc Kopf, /— ///Thorax -
wginente, 1—10 Ahdomiiialsegmentc.
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Tracheaten.
395
dieselben nur gemein, dass sie Röhren sind, deren mit Luft gefülltes
Lumen von festen Wandungen stets klaffend erhalten wird ; sonst unter-
scheiden sie sich in jeder Beziehung, vor Allem dadurch, dass sie auf
der Oberfläche der Haut durch Oennungen, die Stigmata, münden.
Sie sind Einstülpungen der Haut und haben daher auch die
Structur derselben, ein Epithel und eine von demselben ausgeschiedene
Chitinschicht. Letztere heisst, da sie das Canallumen auskleidet,
„Tracheenintinia" ; sie bedingt das Klaffen der Wandung. Ihre Festig-
keit wird durch eine Chitinleiste, den Spiralfaden verstärkt, welcher
in so flachen Windungen aufsteigt, dass man zunächst den Eindruck
der Ringelung erhält und erst durch Dehnen der Trachee die Spiral-
touren nachweisen kann. Für die Anordnung der Tracheen kann man
im Allgemeinen die Regel aufstellen, dass jedes Segment ein linkes
und rechtes Stigma und ein linkes und rechtes Tracheenbüschel hat
(Fig. 50). Dieses Grundschema ist indessen bei keinem Tracheaten
vollkommen durchgeführt ; meist haben einige Segmente keine eigenen
Tracheen und werden von Nachbarsegmenten versorgt (Fig. 391)), oder
die segmentalen Büschel verbinden sich durch Längsstämme, was zur
Folge hat, dass sich nur an einem Theil der Segmente die Stigmen-
paare erhalten, welche das ganze einheitlich gewordene Canalsystem
mit Luft füllen. — Weit verbreitet sind bei den Tracheaten zweierlei
Drüsen am Anfang des Darms; die einen münden in die Mundhöhle
und sind die Speicheldrüsen; die anderen münden neben der
Mundütfnung auf einer der Mundextremitäten und heissen je nach
dem Secret, welches sie erzeugen, Gift-, Schleim- oder Spinn-
drüsen. Ausserdem besitzen fast sämmtliche Tracheaten die als
Niere funetionirenden Vasa Malpighi, Anhänge des Enddarms.
Wie der Enddarm sind die Malpighi'schen Gefässe, wie es für 1m-
secten sicher erwiesen ist, ectodermaler Herkunft und durch Einstülpung
der Haut entstanden. Ihre Mündungsstelle ist daher ein sicherer Be-
weis, wie ausserordentlich weit sich das ectodermale Proctodaeum (Fig.
427, 428) in das Körperinnere hineinerstreckt. Für Arachnoideen wird
ein entodermaler Ursprung der Vasa Malpighi behauptet.
II. C lasse.
Protracheatcn, Onychophoren.
Früher beschrieb man im Anhang zu den Anneliden einige der
Gattung Peripatus angehörige Arten unter dem Namen Onychophoren,
obwohl schon mehreren Forschern ihre Verwandtschaft mit den Arthro-
poden aufgefallen war. Die Sicherheit, dass die Peripatiden Tracheaten
.-eien. wurde jedoch erst gewonnen, als Zoologen auf der Challenger-
expedition zum ersten Mal Gelegenheit hatten, lebende Thiere zu be-
obachten und die kleinen silberweissen Tracheenbüschel aufzufinden,
welche im Spiritus luftleer, farblos und daher schwer nachweisbar
werden.
Die Peripatiden (Fig. 400) zeigen in ihrer Organisation ein merk-
würdiges Gemisch von Charakteren der Arthropoden und Anneliden
mit Merkmalen einer niedrigen Organisationsstufe, so dass man sie
als Vorläufer der Tracheaten bezeichnen kann, die sich von den Anne-
liden sehr frühzeitig abgezweigt haben. An die Anneliden werden
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396
Gliederfüssler.
wir erinnert durch die Anwesenheit typischer, bei Arthropoden in so cha-
rakteristischer Weise sonst nicht vorkommender Se gm en t al or ga n e.
in
Stigma
Fig. 400. Feripntm capensi« («us Ralfour nach Moseley).
(Fig. 401 so), die mit einer geschlossenen Isiase beginnen und Dach
kurzem Verlauf und nach Bildung einer Harnblase nach aussen
münden. Als ein unzweifelhafter Traehcat erweist sich der Peripa-
tus durch den Besitz von Tracheen (Fig. 401 fr), Diese sind lange,
unverästelte Köhren , weicht
grossen Mengen von einem
entspringen. In jedem Segment sind
zahlreiche solche Büschel vorhanden.
Die Mittelstellung des Peripatns
drückt sich ferner in den Ext re-
in i t ä t e Ii aus , welche beweglich
wie die Beine der Arthropoden an
dem weichhäutigen, nicht geringel-
ten Körper ansitzen und mit Krallen
versehen sind, dabei aber mit den
Parapodien der Anneliden noch eine
gewisse Aehnlichkeit bewahren, in-
dem sie weder deutlich geringelt,
noch scharf gegen den Körper ab-
gesetzt sind. Sämmtliehe Rumpf-
segmente sind mit Beinen ausge-
rüstet, der einheitlich erscheinende
Kopf mit drei Glicdmaassen, 1 Paar
geringelten Antennen, 1 Paar in der
Mundhöhle verborgenen Kiefer, deren
Endklauen das Kauen besorgen. 1
Paar Mundpapillen, auf deren Spitze
Schleimdrüsen münden, deren kle-
briges Secret weit herausgespritzt
wird und zum Einfangen von In-
secten dient (Fig. 401 sd).
Als Beweis für die niedrige Or-
ganisation des Peripntus kann das
Nervensystem dienen, welches
wie bei den Plattwürmern aus einem
Paar Hirnganglien (<hj) und davon
ausgelienden Längssträngen (hm) be-
steht. Erstere innerviren die sehr
Fig. 101. Anatomie eines weiblichen,
vom Kücken eröffneten Peripaitu (com-
hinirt ans Zeichnungen von Haltour.
und Moselev . nt Antennen, og Hirn.
bm Bauchmark, ji Pharynx, </ Dann,
sp Speicheldrüsen , Bfl Sehlcim<lrü>en.
0 Ovar, u l'tcrii*. f/o Geschlechts-
ÄÄIom.Ä;«.'r Tr'H,,l"enbibÄd' primitiven Augen und die Antennen ;
diese versorgen die übrigen Extremi-
täten und sind segmentweis schwach
angeschwollen, die Bildung des Strickleiternervensystems vorbereitend:
sie hängen hinter dem After zusammen.
Zur Vervollständigung der Schilderung sei noch hervorgehoben, dass
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III. Myriapoden.
397
das gerade gestreckte Darmrohr (p u. d) nur mit Speicheldrüsen (sp) ver-
sehen ist, dass es in ganzer Länge von einem dorsalen Herz begleitet
•wird, dass dicht vor dem Atter der gonochoi istische Geschlechtsapparat
mündet (yo). Die Thiere sind zum Theil lebendig gebärend, leben in
faulendem Holz am Tag vorsteckt, um Nachts ihre Beute zu erjagen.
Man kennt mehrere Arten aus weit entfernten Gegenden, z. B. aus Südafrika
PerijMtus capens-is Gr., aus Neuseeland P. novae Zealatvliae Hütt. etc.
III. Classc.
Myriapodeii, Tauscndfüssler.
Unter den seit Langem schon bekannten Tracheatenclassen stehen
die Myriapodeii den Protracheuien am nächsten, da ihre Gliederung
fast ebenso gleichförmig ist wie bei diesen. Der Kopf besteht aus
drei verschmolzenen Segmenten, zu denen sich bei den Chilopoden noch
das erste Kumpfsegment gesellt. Alle übrigen Körpersegmente,
höchstens mit Ausnahme der letzten, tragen Beine, welche demgemäss
in grosser Zahl vorhanden sind und den Namen Myriapoden veranlasst
haben. Ein Fortschritt giebt sich immerhin schon äusserlich darin zu
erkennen, dass proportional der grösseren Dicke der meist verkalkten
Chitinschicht die Gliederung sowohl des Körpers wie der Extremitäten
deutlicher ausgeprägt ist. Die Beine bestehen aus sechs Gliedern,
von denen das letzte als Klaue dient. Der Fortschritt in der inneren
Anatomie ist noch viel auffälliger. Anstatt der beiden longitudinalcn
Nervenstränge ist ein typisches Strickleitern er vensy stein vor-
banden, dessen einzelne Ganglienpaare in Zahl und Lage noch den
Körpersegmenten entsprechen. Segmentale Anordnung beherrscht auch
die Verthcilung der Tracheen und den Bau des Herzens. Jedes
Rumpfsegment — oder wie bei den Scolopendren wenigstens jedes
zweite Segment hat ein Paar Tracheenbüschel ; nur die Kopf-
segmente haben keine eigenen Stigmen und werden von dem an-
grenzenden Rumpf aus mit Luftröhren versorgt. Das Herz erstreckt sich
durch den grössten Theil des Körpers und bildet in jedem Segment
eine besondere Kammer mit zugehörigen Flügelniuskeln. Der Darm
der Myriapoden besitzt kleine Leberschläuche am Mitteldarm und zwei
lange Vasa Malpighi am Enddarm. Die Augen sind stets Stemmuta,
die in grösserer Zahl am Kopf stehen und nur bei Scutigera zu einer
Art Facettenauge näher zusammentreten.
Im Bau der Geschlechtsorgane unterscheiden sich die beiden Ord-
nungen der Myriapoden, die Chilopoden und Diplopoden, ebenso in der
Gestalt der Segmente, der Länge der Extremitäten und der Art der
Ernährung.
I. Ordnung Diplopoden oder Chilognathen.
Durch die grosse Zahl (oft 100) ihrer Segmente und Extremitäten
rechtfertigen die Diplopoden noch am meisten den Namen der ge-
sammten Classe (Fig. 402). Jedes Segment besteht aus einer Rücken-
und einer Bauchschiene, die durch eine feine, das Tracheenstigma
tragende Gelenkhaut verbunden sind. Gewöhnlich sind nun die äusserst
festen Kückenschienen hoch gewölbt und so gebogen, dass sie fast
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398
Gliederfüasler.
allein schon zu einem Ring zusammensehliessen und nur wenig Raum
ffir die kleinen, die Beine tragenden Bauehsehienen übrig lassen. Dies
hat zur Folge, dass der Körper der Thiere meist drehrund ist und
dass die Mündungen der Tracheen ganz auf die Bauchseite rücken.
In der Seitenlinie des Körpers vor-
handene, auf den Rückensehienen
angebrachte Punkte sind daher nicht
die Stigmen, sondern die Mündungen
von Vertheidigungsdrüsen (Foramina
repugnatoria).
Ein noch auffallenderes Merkmal
der Diplopoden ist die Doppel-
natur ihrer Segmente, welche,
durch Verschmelzung zweier Seg-
mentanlagen entstanden, je zwei
Herzkammern, zwei Paar Tracheen-
büschel, zwei Paar Bauchganglien
und vor Allem zwei Paar Extre-
mitäten haben. Nur die 4— .">
ersten Rumpfsegmente raachen eine
Ausnahrae, indem sie höchstens e i n
Beinpaar tragen. Die Diplopoden
fallen ausserdem noch durch die
abnorme Kürze ihrer Antennen und
Beine auf, welche letztere nur wenig
unter dem Bauch seitlich hervor-
ragen. — Da die Thiere von Pflanzen-
kost leben, sind ihre Kiefern (Fig.
4<>f>) sehr klein: am kräftigsten sind
noch die raehrgliedrigen Mandi-
beln (2)\ die Maxillen (ß) da-
gegen sind rudimentär und unter
einander zum (1 n a t h o c h i 1 a r i u m
letzteres auf zwei Extremitätenpaare
zu beziehen, welche den Maxillen und der Unterlippe (zweiter Maxillel
der Insekten entsprächen : allein die Thatsachen der Entwicklungs-
geschichte widersprechen dieser Auffassung.
Dk* Geschlechtsorgane sind paarige, in einen Sack eingeschlossene
Drüsen, welche weit rückwärts liegen und nach vorn zwei getrennt am
2. Segment mündende Ausführgänge entsenden. Dem Männchen dient das
Beinpaar des 7. Segments zur Begattung. Die aus dem Ei ausschlüpfenden
Thiere haben zunächst nur 3 Beinpaare wie die Insecten ; auch auf dieses
Merkmal hat man übertriebenen Werth gelegt, um eine Verwandtschaft
mit den Insecten zu beweisen.
1) Juliden, mit langgestrecktem, drehrundem Körper. Juhts foeti'bts
C. L. Koch, bei uns einheimisch. (Sjnrobolns) niaj-imns Br. (Fig. 40'2),
12 cm lang, in den Tropen. 2) (ilomcrklni mit gedrungenem Körper, der
wie bei den Kugelasseln ventral eingerollt werden kann. Ghmcris pnstn-
Inta Latr. 3) Pohjjrsmitlrn, Polyxnuts lagtmts L.
Fig. 40i
maxtmu».
.Infus
Fip. 403. Srnlo-
prnrfra mnrsitttns.
(Beide Zeichnungen nach ^chrnarda.)
verwachsen. Man hat versucht.
II. Ordnung. Chilopoden.
Die Chilopoden (Fig. 404) unterscheiden sich von den Diplopoden
durch ihre einfachen, dorso ventral abgeplatteten Segmente
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III. Myriapoden: Chilopoden.
399
und die auffallend langen Antennen und Beine. Da letztere ihnen
einen raschen Lauf ermöglichen, überfallen sie als gefährliche Räuber
andere, selbst an Grösse ihnen überlegene Thiere und tödten sie durch
die Giftigkeit des Bisses. Zum Verwunden benutzen sie nicht die
Fig. 404. Fig. 4435.
Fig. 404. MundlH'waffnung eines Julus
(nach Latzel). 2 Mandibeln von J. molybdiuus.
3 Gnathochilarium (verschmolzene Maxillen)
von J. furidu«.
Fig. 4<>"). Kopfgliedniaaswn und Kiefcrfüäsc
von Scolopeudra morsitam. 1 Antennen , 2
Mandibeln, 3 Maxillen (Onathochilarium), 4 erste
Kieferfusw (zweite Maxillen) , 5 zweite Kicfer-
fttme, o Oceüen, / Oberlippe.
Kiefern, Mandibeln (Fig. 405, 2) und Gnathochilarium ( V), welche an
die gleichnamigen Theile der Diplopoden erinnern, sondern die zur
Mundbewaffnung neu hinzugetretenen Kieferfüsse. Es giebt zwei Paar
Kieferfttsse : die ersten, welche vielfach auch zweite Maxillen heissen,
da das zugehörige Segment mit dem Kopf verschmolzen ist, sind schwach
und beinartig (4); die zweiten stärkeren (5) sind an der Basis ange-
schwollen und tragen eine scharfe Endklaue, an deren Spitze eine
Giftdrüse mündet ; sie decken den Kopf von unten wie mit einer
Maske zu und sind gefährliche AngrifTswaffen.
Im Gegensatz zu den Diplopoden liegen die Geschlechtsorgane weit
vorn, die unpaare Geschlechtsmündung im vorletzten Segment vor dem
After.
1) Die Ucfijihilulcn sind kleinere, lichtbraune Thiere, welcho in Europa
sehr häufig sind, wie der im Dunkeln leuchtende (kophihis ehctricm L.
2) Die Scolopcmiriden gehören vornehmlich den Tropen an; die in Indien
lebende 25 cm lange Scolopcndra gigantea L. wird selbst von den Menschen
wegen ihrer Giftigkeit gefürchtet. Sc. morsitam Gerv. (Fig. 403) in
Brasilien. 3) Scutigetiden mit auffallend langen Beinen Sc. eoleoptrata L.
Von den Diplopoden und Chilopoden werden neuerdings als zwei
weitere Ordnungen die Symphylm, ScohjjendreUa Immaculata Newp.) und
Pattropotlrn (Pauropus Hyxleyi Lubb ) abgetrennt, da sie wie jene keine
Kieferfttsse, wie diese keine Doppelsegmente haben. Die Geschlechtsmün-
dung liegt bei den Symphylen vorn, bei den Pauropoden hinten.
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400
Gliederfüßler.
IV. Ciasso.
Insecten, Hcxapoden.
Im Stamme der Arthropoden ist die Classe der Insecten bei
weitem die umfangreichste, da sie mindestens zehnmal so viel bekannte
Arten enthält, als Crustaceen, Arachnoideen und Myriapoden zusammen
genommen. Die Zahl der jetzt schon beschriebenen Formen ist eine
so enorme, dass man sie nicht einmal genau angeben kann: man
schätzt sie auf ungefähr 200 000. vermuthet aber, dass dabei vielfach
dieselben Arten unter verschiedenen Namen aufgeführt werden. Da
die an Insecten besonders reichen Tropen nur oberflächlich durchforscht
sind, ist es sehr wohl denkbar, dass die Welt etwa von einer Million
verschiedener Insectenarten bevölkert ist.
Mit der Artenzahl steht die Einförmigkeit der Organisation in
autfallendem Contrast. Mit grosser Zähigkeit behalten die Insecten
die Grundzüge ihres Baues, die Art der Körpergliederung und die
Zahl der Extremitäten unter den verschiedensten Lebensbedingungen
bei, so dass der Unterschied zwischen den extremsten Formen bei den
Insecten lange nicht so bedeutend ist wie bei den Arnr.hnoidr.cn und
ganz ausserordentlich geringer als bei den Crustaceen. Wenn dadurch
das vergleichend-anatomische Interesse der Gruppe in mancher Hin-
sicht leidet, so verdienen die Insecten auf der anderen Seite besondere
Beachtung durch ihre Lebensverhältnisse, durch die Art, wie sie nütz-
lich und schädlich in die Existenzbedingungen des Menschen eingreifen,
durch ihre Brutpflege und die mit ihr zusammenhängende auffallende
Intelligenzent Wicklung und Staatenbildung. Für die Deseendenztheorie
sind die Insecten durch ihre ganz vorzügliche Anpassung an ihre
Umgebung von Wichtigkeit geworden. Die grosse Artenzahl ist nur
möglich, wenn jedes Plätzchen im Naturhaushalt ausgenutzt wird, was
wiederum voraussetzt, dass das Insect den Bedingungen desselben in
möglichst vollkommener Weise entspricht.
nrinmt^ IM der systematischen Charakteristik ist besonders zu beachten:
1) die Gliederung des Körpers, 2) die Zahl und Verwen-
dung der Extremitäten. Am Körper unterscheidet man 3 Re-
gionen, die nicht selten durch besonders tiefe Einschnürungen von
einander getrennt werden: Kopf (Caput), Brust (Thorax) und
Hinterleib (Abdomen). Die Segmente des Hinterleibs sind
variabel an Zahl, je nach den Ordnungen oder sogar den Familien
und schwanken zwischen 1 1 bei manchen Orthopteren und i> bei manchen
Fliegen', sie bestehen aus Rücken- und Bauchschienen, Terga und
Scuta, die zum Zweck der Athmung längs der Seitenlinie in einer
weichen, das Tracheenstignia umsehliessenden Verbindungshaut gegen
einander verschiebbar sind. Die Brust und der Kopf dagegen ver-
halten sich bei allen Insecten in ihrer Seginentzahl gleich. Die
Brust ist deutlich in Ringe gegliedert: Pro-, Meso- und Meta-
thorax, von denen ein jeder (Fig. 4<m>) aus dreierlei unbeweglich
verbundenen Theilen bestellt, den paarigen Seitentheilen {pl Pleurae),
dem unpaaren Rückentheil (Not um t) und dem unpaaren Brusttheil
(Steinum st). Zur Abkürzung der Beschreibung hat man die Be-
zeichnungen Pronotum. Mesonotum, Metanotum etc. eingeführt.
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IV. Insecten.
401
Der Kopf endlich ist eine einheitliche Chitinkapsel, an der man
Regionen unterscheiden kann, die aber nicht auf Segmente beziehbar
sind: (nach vorn und
dorsal Frons [Stirne] und
Clipeus [Kopfschild], nach
hinten und dorsal Occi-
put [Hinterhaupt], ven-
tral Gula [Kehle], lateral
die beiden Genae [Wan-
gen]. Dass er trotzdem
aus 4 verschmolzenen
Segmenten besteht, lehrt
einestheils die Entwick-
lungsgeschichte, da der
Embryo noch 4 getrennte
Kopfringe hat, andern-
theils die Vierzahl der
vom Kopf entspringenden Extremitäten.
Die Extremitäten (Fig. 406) sind auf Kopf und Brust bc- **«■««•■.
schränkt und im Ganzen zu 7 Paaren vorhanden. Die 3 Thoraxseg-
raente tragen 3 Beinpaare, weshalb die Insecten vielfach auch „Hexa-
poderi* genannt werden. Die Beine sind am Uebergang des Stern um
in die Pleurae befestigt und beginnen mit dem häufig kurzen, in eine
Art Pfanne eingelenkten Hüftglied (Coxa c). Auf letzteres folgt ein
zweites ebenfalls gewöhnlich kurzes Glied, der Schenkelring (Tro-
c hanter fr). Die nun kommenden 2 Stücke sind stets langgestreckt;
das nächste, das dritte der Reihe ist stark verdickt, enthält haupt-
sächlich die Muskulatur und hcisst Femur (fc) ; das vierte ist die
schlanke, aber sehr feste Tibia (ti). Als fünften Abschnitt fasst man
unter dem Namen Tarsus (ia) eine Reihe kleiner Glieder zusammen,
von denen das letzte die beiden Klauen trägt; nach der Zahl der
Tarsalglieder spricht man von einem 3-, 4-, 5-gliedrigen Tarsus.
Von den K opf extrem i täten ist die erste, die Antenne, den
Beinen am ähnlichsten, nur dass sie normalerweise keine Klauen trägt ;
sie entspringt von der Stirn vor der Mundöffnung und wird gemäss
ihrer dorsalen Lage vom oberen Schlundganglion innervirt Die
Zahl und Gestalt der Glieder wechselt nach' den Ordnungen der In-
secten. Je nachdem einzelne Glieder verlängert oder verkürzt, ver-
dünnt oder verdickt, oder mit Anhängen versehen sind, je nachdem
derartige Besonderheiten der Form an der Basis oder an der Spitze
sich bemerkbar machen, unterscheidet man verschiedene Gestalten
der Antennen, die systematisch sehr gut verwerthet werden können
( gebrochene, geknöpfte, gekeulte, gezähnte, gekämmte Antennen etc.).
Viel interessanter ist die Morphologie der 3 Paar Mundglied-
inaassen (Fig. 407—410), der Mandibeln (wir/), der ersten
Maxillen (mx), die auch kurzweg Maxillen heissen, und der zweiten
Maxillen, welche man gewöhnlich Unterlippe, Labium (la) nennt,
da die zweiten Maxillen von links und rechts zu einem unpaaren Or-
gan verwachsen. Das Labium liegt hinter der Mundöffnung und bildet
einen Abschluss nach rückwärts; es steht dabei dem ebenfalls un-
paaren Labrum (lr) gegenüber, welches von oben sich über die Mund-
öffnung legt und wegen dieser Analogie mit der Unterlippe früher
fälschlich ebenfalls für ein Extremitätenpaar gehalten »wurde. Wie
Hartwig, Lehrbuch d*r Zoologie. 3. Auflage. v)|j
Fig. 40fj. Mesothnrox eines flirschkäfera mit
Elvtrcn und lleinon. t Notum,/>/ Pkuron, st Stcrnum,
el fclytn-n, r Coxa, tr Trochanter. fv Ffinur, ti Tibia,
ta Tarsus.
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4ü2
Gliederfüssler.
die Entwicklungsgeschichte lehrt, ist das Labrum eine von Anfang
an unpaare Bildung, eine gewöhnliche Chitinfalte, welche nur vom
angrenzenden Integument abgegliedert und dadurch beweglich ge-
macht worden ist.
Die verschiedene Art der f>nälirung bedingt einen verschiedenen
Charakter der Mundbewaft'nung : man unterscheidet kauende, leckende,
saugende und stechende Mundgliedmaassen, die sich aber auf eine ge-
meinsame Grundform, die kauenden Mundgliedmaassen, zurückführen
lassen, welche ihrerseits moditieirte Beine sind. Bei der Betrachtung
der kauenden Mundtheile (Fig. 4o7) stellt man am zweckmässigsten
die Maxillen voran, weil sie Anknüpfungspunkte sowohl an die
Brustextremitäten als auch an die übrigen Kiefer bieten. Dieselben
beginnen mit dem kurzen dreieckigen Angelglied, Cardo (c), auf
welches das ansehnliche Haftglied, Stipes (st) folgt. Der Stipes trägt
die Kauladen. Lnbus internus (Ii) und L. externus (/<?) genannt, welche
abgegliederte Fortsätze des Stipes sind. Bei den Orthopteren und
Küfern ist nur die innere Lade (Lacinia) in spitze Kauzähne verlängert:
die äussere Lade dient entweder als Galea zur Umhüllung der
Lacinia (Fig. 407) oder kann bei Käfern zum Tasten verwandt werden
und sich gliedern <Fig. 4:>1). Am Stipes sitzt ferner der aus :i 4
gleichförmigen Gliedern bestehende Palpus m ax i 1 1 a ri s ipm), der
am meisten beinähnlich gebliebene Theil der Extremität.
Die Unterlippe legt sich nach Art der Maxillen als ein Paar
Höcker an, die jedoch frühzeitig in der Mittellinie zusammenrücken
und hinter der Mundöffnung verwachsen. Man kann daher alle Theile
der Maxille erkennen, nur uiuss man berücksichtigen, dass die Basal-
stücke von links und rechts mit einander verschmolzen sind. Die ver-
schmolzenen Angelglieder bilden die unpaare Platte des Unterkinns,
Su Innen tum {sin), die verschmolzenen Haftglieder erzeugen das
Kinn, Mentum (m). welches an seinem Ende noch getheilt sein kann,
wenn die Verschmelzung (wie z. B. bei den Orthopteren) nicht in ganzer
Länge durchgeführt ist. Am Mentum sitzen die linken und rechten
Innenladen und Aussenladcn, die Innenladen Glossae (r/0» die Aussen-
laden Para glossae (pg) genannt, und als Hepräsentanten des peri-
pheren Extremitätcnstamnies die Palpi labiales (pl).
Für die Mandibeln imd) der Insecten ist äusserst charakte-
ristisch, dass nur das Basalglied zu einer kräftigen Beisszange wird,
dass dagegen der periphere Abschnitt ganz schwindet, weshalb im
Gegensatz zu den meisten Crustaceen kein Palpus mandibularis vor-
handen ist.
Den kauenden Mundgliedmaassen stehen am nächsten, mit ihnen
durch vielerlei Uebergänge verbunden, die leckenden Mundgliedmaassen
der Bienen und Hummeln (Fig. 408). Oberlippe (lr) und Mandibeln
(md) bleiben von den Umformungen ganz ausgeschlossen, dagegen
strecken sich Maxillen und Unterlippe sehr in die Länge und verbinden
sich an der Basis zu einem federnden Apparat, der nach Bedürfniss
unter den Kopf eingeschlagen und compendiös verpackt oder in die
Länge gestreckt werden kann. Die Unterlippe beginnt mit einem
kleinen herzförmigen Submentum (sm) und einem langgestreckten
Mentum (im); daran reiht sich der fuiietionell wichtigste Theil, die un-
paare Zunge, (ilossa (gl), die den verschmolzenen Glossen der kauen-
den Insecten entspricht, zum Saugen von Honig dient und zu diesem
Zweck die Gestalt einer fast zur Röhre geschlossenen Halbrinne an-
Digitized by Google
IV. Insecten.
403
genominen hat; neben ihr liegen noch Rudimente von Paraglossen (pg)
und gut entwickelte Palpi labiales (j>/). In entsprechender Weise sind
bei den Maxillen die Card in es (c) klein und herzförmig, die
Stipites (st) und Laden (() langgestreckt, während die Taster (pm)
rudimentär sind.
An die Mundgliedmaassen der Bienen lassen sich weiter anreihen
die stechenden Mundgliedmaassen der Dipteren (Fig. 410) und Rhyn-
choten, Fliegen und Wanzen, insofern auch hier die Unterlippe
Grundlage des Ganzen abgiebt. Der Rüssel (la) dieser Thiere (Ro-
strum, Proboseis oder Haustellum) entspricht der Unterlippe, vielleicht
mit Einschluss der Palpen; sie ist eine Rinne mit fleischigen, bieg-
samen oder mit festen und dann gegliederten Wandungen; die Rinnen-
ränder sind zusammengebogen und einander genähert bis auf einen
Fig. KiN. Leckende Mundglied-
Fig. 407. Kauende Mundglieiliuaassen der maa-ssen der Hummel (Bambus tcr-
Sehabe (Periplaneta otirntnlis). restrisß.
Für die Figuren -107 — llu gelten fnlgcnde Bezeichnungen: lr 01x;rlip|K*, md
Mnndibeln, c Card«», st Stipes, le und Ii Lobas extern ug und internus, pm ip) Palpua
inaxillaris der Maxille (ms)\ um 8ul»inentum, m Mentum, <jl Glossen, py Paraglossen,
pl Palpus labialis der Fnterlippe du). Inj Hypopharynx.
schmalen dorsalen Spalt, dessen Verschluss durch Einfügung der Ober-
lippe (lr) bewirkt wird. Im Innern des durch Ober- und Unterlippe
gebildeten Rohres liegen 4 Stilets, welche an der Spitze gezähnt oder
mit Widerhaken bewaffnet sind. Dieselben sind aus den Mandibeln
und Maxillen hervorgegangen, zu denen noch der lang ausgezogene
Hypopharynx (hy). ein Fortsatz an der Innenseite des Labiums, als
fünftes Stilet kommen kann. Die nur bei den Dipteren vorhandenen
Palpen (/>) gehören wahrscheinlich zu den Maxillen, werden aber von
26*
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404
Gliederfüssler.
manchen Forschorn der Unterlippe zugerechnet Eine Venninderuni:
der Zahl der Stilets auf 4 und 3 tritt ein, wenn Rückbildungen oder
Verwachsungen zu Stande kommen. Der Rüssel dient in allen Fallen
nur als Etui für das eigentliche Saugrohr; letzteres wird bei den
Wanzen von den fest an einander Beimessenden Mandibeln, bei den
Dipteren von Mandibeln und Oberlippe gebildet.
Vom Rüssel der Fliegen und Wanzen ist sehr wohl der aus den
Maxillen hervorgegangene Rüssel der Schmetterlinge (Fig. 400) zu unter-
scheiden. Derselbe ist eine lange Röhre, welche wie eine Uhrfeder
spiralig gewunden unter dem Kopf getragen wird, und besteht aus
2 Halbrinnen mit fest aufeinander gefügten Rändern, den linken und
rechten Maxillen, vornehmlich den Maxillarladen, welche allein unter
den Mundgliedmaassen gut entwickelt sind. Dagegen spielt die Unter-
lippe (In) eine ganz untergeordnete Rolle, keine wichtigere als die
Oberlippe (lr); da die beiden Maxillen an der Basis auseinander weichen.
Fit;. 400. Mundgliedmaassen eines Schmetterling*
(nach Suvigny). Anstatt der rechten MaxiHe ein Stück
des Rüspels dargestellt , um zu zeigen, wie die linke
inirt) und rechte Maxille (mxll) sich zu einem Kohr
vereinen (vergl. auch S. 40 ! .
Fig. 41<». Mundpliedmaasscn einer Mücke (Cnlcr
in'piens); die Rinne der l'nterlipjM- durch Zurück-
klappen der 01>erlippc geöffnet und die Steehborsten
herausgenommen (nach Muhr).
Fig. 410.
füllen die beiden Lippen den Spalt aus, die Oberlippe von oben, die
Unterlippe von unten mit einem dreieckigen Blatt. Von der Unter-
lippe sind nur die Palpi labiales (pl) gut entwickelt, welche an der
Basis des Schmetterlingsrüssels stehen. Die Palpi maxillares (pm)
liegen etwas höher als kleine Höcker, die bei den Motten zu ge-
gliederten Anhängen auswachsen. Kaum erkennbare Höcker links und
rechts vor dem Rüssel repräsentiren die Mandibeln (wirf). Alle diese
Einrichtungen gewinnen an Interesse, wenn wir bedenken, dass bei
den Raupen umgekehrt die Mandibeln kräftige Beisszangen sind, die
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IV. Insecten.
405
Maxillen nur kleine Höcker darstellen und die Unterlippe nur in den
mit den Spinndrüsen verbundenen Theilen l >esser ausgebildet ist; ein
schöner Beweis, wie die Lebensweise des Thieres bestimmend auf den
Bau der Theile einwirkt.
Im Gegensatz zu den beiden vorderen Körperabschnitten ist das Ab-
domen eines ausgebildeten Insects extremitätenlos. Nur bei manchen
niederen Formen, den Thysanuren, sind hinter den Brustbeinen und in
gleicher Linie mit ihnen kleine Höcker vorhanden, die wohl als Reste von
Abdominalfüssen angesehen werden dürfen. Zweifelhaft inuss man sich
äussern rücksichtlich der Anhänge der letzten Abdominalsegmente, welche
als Springstangen, Schwanzborsten und Griffel etc. beschrieben werden.
Afterfüsse oder Pedes spurii kommen bei den Raupen der Schmetterlinge
und Blattwcspcn vor; da sie aber fleischige, ungegliederte Anhänge sind,
muss es auch hier zweifelhaft sein, ob sie mit den typischen Bauchglied-
maassen der übrigen Arthropoden verglichen werden dürfen oder nicht
selbständig erworbene Gebilde sind.
Ausser ventralen Extremitäten besitzen die Insecten noch 2
Paar dorsale Anhänge am Mesothorax und Metathorax, die
Flügel; sie entstehen als seitliche Falten
des Chitinüberzugs des Notum und enthalten
in ihrem Innern Ausstülpungen der Leibes-
höhle und Tracheenverästelungen, welche die
netzförmige Zeichnung des Flügelgeäders her-
vorrufen (Fig. 429, 430). Beide Flügel können
elastisch, nachgiebig und zum Flug geeignet
sein; oder die Hinterflügel allein bewahren
diese Eigenschaften der echten „Alaek-; die
Vorderflügel dagegen werden zu harten, perga-
mentartigen Deckflügeln oder Elytren,
unter denen die eigentlichen Flugorgane ge-
borgen werden (Fig. 407). Ist nur die
Basis erhärtet so spricht man von Hemi-
elytren. Zwischen den Ursprungsstellen der
Vorderflügel findet sich häutig ein Chitin-
blatt, das Schildchen oder „Sc u teil um";
ein ähnliches Blättchen zwischen den Hinter-
flügeln heisst .,Postscutellum4\ Bei vielen
Insecten fehlt ein Flügelpaar, gewöhnlich ist
dann das vordere (Dipteren) (Fig. 442, 44:i),
nur ausnahmsweise einmal das hintere Paar
{StrepsijUeren) (Fig. 431) dasjenige, welches
erhalten bleibt. Ein solcher partieller Mangel
lässt sich nur durch Rückbildung erklären.
Der gänzliche Mangel der Flügel dagegen
kann eine doppelte Ursache haben : einerseits
giebt es Insecten, welche wahrscheinlich nie-
mals Flügel besessen haben (primärer Flügel-
mangel der Apterygoten) ; andererseits aber
giebt es Formen, bei denen man eine Rück-
bildung früher vorhandener Flügel annehmen
muss (secundärer Flügelmangel), weil ent-
weder nahe verwandte Arten ( Wanzen^ Läuse, Blattläuse) Flügel be-
sitzen, oder weil ein Theil der Individuen (Männchen der Schaben,
Fig. 411. Darm von Cara-
hus anralu* (aus Lang nach
Dufour). k Kopf mit Man-
dibcln, Antennen und Augen,
of Oesophagus, in Ingluvies
(Kropf) , pr Provcntriculus
(Kauinagen), cd Chylumlann
mit Hlindsäcken, >'/ Enddarai,
/• Rectum, rm Vasa Malpighi,
ml Analdrüsen, ab !*kentbla.*<'n.
Kltt£«l.
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4ÜÜ
Gliederfüssler.
Gesehlechtsthiere der Ameisen und Termiten) noch geflflgelt ist (Fig.
42.'}, 4:i<>, 440).
hm. In Folge der schon gelegentlich der Mundbewaffnung besprochenen
verschiedenen Ernährungsweise der Insecten zeigt auch der Darm ein
sehr mannigfaches Aussehen: bei Fleischfressern (Fig. 411) meist kurz,
ist er bei Pflanzenfressern (Fig. 412) ein in viele Windungen gelegtes
Rohr. Der Oesophagus gefrüssiger Thiere erweitert sich zu einem
Kropf (kr) oder Ingluvies (in), dem meist ein musculöser Kaumagen
(hm) (Proventriculus pv) folgt: bei saugenden Insecten ist der Kropf
(Saugmagen) eine mit einem feinen Canal in den Oesophagus mündende
Blase. Kropf-, Kau- und Saugmagen gehören dem ectodermalen
Vorderdarm au, welcher eine ansehnliche Länge erreicht, während der
nun folgende entodennale Mitteldarm (Magen m, oder Chylusdarm cd)
sehr kurz und von gleichförmigem Aussehen ist. Abermals sehr
lang ist der ectodermale Enddarm (cd), in welchem eine Anschwellung
(r) durch drüsige Beschaffenheit des Epithels (Rectaldrüsen) aus-
gezeichnet ist. Die Grenze von Mittel- und Enddarm ist gewöhnlich
nur durch die Einmündung von 2 3 Paar oder einem Büschel zahl-
reicher Vasa Malpighi (vm) bezeichnet, welche dem Enddann an-
gehören, ectodermaler Abstammung sind und die Function von Nieren
besitzen. Mit drüsigen, zur Verdauung dienenden Anhängen ist da-
gegen der Insectendarm schlecht versehen: constant sind nur die in
die Mundhöhle mündenden Speicheldrüsen (sp): hie und da finden sich
als Ersatz für die fehlende Leber Blindschläuche am Chylusdarm (ap\.
Sehr verbleitet sind Analdrüsen (ab), welche am After münden und
übelriechende, zur Verteidigung dienende Secrete liefern.
Fig. 412. Eingeweide einer männlichen Küehen*ehal>e i /"<■ riplanrta Orientalin)
durch seitliche Oi'ffnung der Ix'ibeshöhle priipnrirt (unter Zugrundelegung einer
Zeichnung von Huxlev . /— /// Thoraxseginente, / — /ö AlMloniinalsegnientc, at An-
tenne, n< l'alniis niaxillariä, / 1'. labialis. / /// Heine, <»j olx-res, wj unteres Schlund-
gnngliou, ig Brustganglien, ay Iiauehgaiiglieii, Oesophagus, sp Speicheldrüse mit
Speieliellilase ihli, kr Kropf, km Kaumagen, m Mapn (der Pfeil deutet die Ver-
bindung von km und m an1, np Magonlilimlschlüuehe, // Herz, r Rectum, a After,
ij Gctfcnlechteöffnung, rm Vasa Malpighi, mg männliche ( JesehleehUorgane.
Su,! Was ^as Nervensystem (Fig. ilöO) anlangt, so ist das Bauch-
EtonworKtH.mark, namentlich bei primitiven Formen (Fig. 412) (wie den Aptery-
yoten, Archipteren, Orthopteren) sowie bei fast allen Larven (Fig. 56)
langgestreckt und aus zahlreichen, einzelnen Ganglienpaaren zusammen-
gesetzt ; bei Käfern, Schmetterlingen, Bienen und Fliegen dagegen ver-
kürzt sich der Strang und verschmelzen die Ganglien theilweise unter
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IV. Insecten.
407
einander. Das Hirn (oberes Schlundganglienpaar) entwickelt sich
proportional der Intelligenz und zeigt namentlich bei den Staaten
bildenden Formen einen sehr complicirten Bau. Ks ist jederseits mit
* einem grossen Ganglion opticum verbunden, dessen Umfang wiederum
in Correlation zu den Augen steht. Die Insecten sind die einzigen
Trachcaten, welche fast ausnahmslos als geschlechtsreifc Thiere 1 Paar
vorzüglich ausgebildete, links und rechts angebrachte Facettenaugen
tragen, die nicht selten den grössten Thcil der Oberflache des Kopfes
für sich beanspruchen. Im Zwischenraum zwischen diesen Seitenaugen
finden sich häufig, namentlich bei gut fliegenden Insecten und dann
gewöhnlich in Dreizahl, kleine Ocellcn von einfachem Bau, die Stirn-
augen. Letztere fehlen bei den Larven gänzlich oder sie sind unvoll-
kommen entwickelt ; dagegen sind hier häufig die Facettenaugen durch
Ocellen ersetzt, welche, zu 2— 6 zusammengedrängt, ein gehäuftes Auge
bilden können. Von anderweitigen Sinnesorganen kennt man mit
Sicherheit nur noch die Tasthaare der Haut; man deutet ferner mit
sehr grosser Wahrscheinlichkeit gewisse Nervenendigungen an den
Fühlern als Geruchsorgane und solche in der Mundhöhle als Ge-
schmacksorgane, da unzweifelhaft viele Insecten einen ausgezeichneten
Geruchs- und Geschmackssinn haben. Auf Gehörorgane kann man
zur Zeit mit grösserer Wahrscheinlichkeit nur die tympanalen Organe
der Heuschrecken beziehen, dünne troinmelfellartige Partien im Chitin,
welche in einen festen Chitinring eingespannt sind und eine Tracheen-
blase auf der Innenseite besitzen; an die Trachcenblase tritt ein Nerv
heran, um hier an einer Crista acustica zu enden. Auf die Anwesen-
heit von Gehörorganen weist die bei Insecten weit verbreitete und
vielfach hoch entwickelte Fähigkeit, Töne zu erzeugen. Die hier in
Betracht kommenden Einrichtungen sind sehr mannichfacher Natur.
Reibegeräusche werden erzeugt durch Anstreichen der Flügel und
Beine entweder gegen einander oder gegen Reibleisten des Körpers;
zum Summen und Brummen dienen die Schwingungen der Flügel und
die durch die Tracheenstigmen aus- und einstreichende Atheinluft.
Die Stigmen sind zu diesem Zweck mit schwingenden Membranen aus-
gestattet, die auch zum Tracheenverschluss verwendet werden.
Die von den Stigmen ausgehenden Tracheen (Fig. 41. 5, .'iOO) Tr»rh#*n.
sind durch Längsstänmic verbunden, von denen feinere Verästelungen
ihren Ursprung nehmen, um alle Organe zu umspinnen und mittelst
zarter, silberglänzender Fäden untereinander zu verbinden. Die Com-
munication aller Theile des Tracheensystems bringt es mit sich, dass
die Stigmen in vielen Körpersegmenten rückgebildet werden. Am
eonstantesten finden sich die Stigmen am Abdomen in der Ueber-
gangshaut der Scuta und Terga ; am Thorax sind höchstens 2, am
Kopf gar keine Stigmen vorhanden. Bei gut fliegenden Insecten sind
manche Tracheenstäinme zu grossen Luftreservoirs, den Tracheenblasen,
ausgedehnt, deren Zweck wohl darin zu suchen ist, dass sie durch die
in ihnen enthaltene Reserveluft den Thieren während des Fluges die
anstrengenden Athembewegungen ersparen.
Eine interessante Anpassung des Tracheensystems an den Wasser-
aufenthalt fiudet sich bei den Larven vieler Archi fiteren. (Libellen und F.in-
tagsfUcyrn) (Fig. 114) und Xfuroptrrat. Die Stimmen sind hier geschlossen :
die Sauerstoflaufnahme erfolgt durch die so^en. Tracheenkiemen, büschel-
förmige oder blattartige, von Tracheenverästelungen reichlich durchsetzte
Anhänge der Körperoberfläclic oder des Enddarms. Im Tracheensystem
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408
Gliederfüssler.
Fig. 413. Anatomie der Honigbiene (au* I^ang nach Leuekart); au Facettenauge.
a Antenne, b'—b* Heine, tb Trachcenblasen mit ihren Hauntverästelungen, st Stigmen,
hm Honiginagen. cm Chvlusmagen, au Vasn Malpighi, rd Rertaldrüsen, cd Knddarm:
ausserdem ist in der Zeichnung das Nervensystem zu sehen.
ist in solchen Fällen eine Sonderung eingetreten in einen aus dem Wasser
Sauerstoff aufnehmenden und ebendahin Kohlensäure abgebenden Abschnitt
(Tracheengeäder der Kiemen) und einen an die Gewebe und Organe heran-
tretenden Abschnitt, welcher umgekehrt vorwiegend Kohlensäure gegen
Heri SauerstotV eintauscht. — Da die Tracheen mit ihren feinen Verzweigungen
die Gewebe direct mit Sauerstoff versorgen, ist das Blutgefässs ystem
rudimentär. Das gewöhnlich aus 8 — 9 Kammern bestehende, dicht unter
den Kuckenschienen des Abdomens gelegene Herz giebt das Blut durch
eine kurze Aorta an die Leibeshöhle ab; von da gelangt es durch linke
und rechte Ostien in die Herzkammern zurück. Für die Rückleitung des
Blutes spielen die dreieckigen Flügelmuskeln, die von links und rechts an
die Herzkammern herantreten, eine wichtige Rolle.
QmcUmM» Die Insecten sind getrennt geschlechtlich; Männchen und Weih-
org*ue. können schon an der Gestalt der Antennen, an Form und Farbe
der Flügel, an der Genitalbewatthung etc. unterschieden werden.
Die Genitalbrwatt'nung besteht aus Chitinstücken, welche beim Weib-
chen als Legebohrer zur Eiablage benutzt werden; dieselben sind mit
wenigen Ausnahmen (Legebohrer der Hymcnoptercn und Orthopteren)
in den Anfang der Geschlechtswege zurückgezogen und treten nur
während des Gebrauchs hervor. Die Geschlechtsmündung ist unp&ar
und liegt hinter dein letzten Bauchganglion dicht vor dem After: die
IV. Insecten.
409
Geschlechtsdrüsen dagegen sind paarig. Das Männchen (Fig. 415)
hat 2 einzelne oder 2 Gruppen ovaler Hoden (t), 2 Vasa deferentia
iva), die zu Samenblasen (vs) angeschwollen sein können und sich zum
unpaaren Ductus ejaculatorius vereinen, dazu ausserdem stark ent-
wickelte Anhangsdrüsen {gl). Beim Weibchen (Fig. 410) besteht
das Ovar auf jeder Seite aus zahlreichen Röhren (o), welche die reifenden
Eier in einen linken und rechten Oviduct (ov) entleeren. Aus den
beiderseitigen Oviducten bildet sich die Scheide (yj, neben welcher
eine besondere Begattungstasche (6c) liegen kann. Accessorische
Drüsen (<//) sind auch hier vorhanden, ausserdem noch das bei der
Begattung mit Sperma sich füllende, für die Biologie der Insecten
sehr wichtige Receptaculum seminis (rs). Bei vielen Arten wird das
Weibchen im Lauf seines Lebens nur einmal begattet; den Inhalt
seines Receptaculum seminis benutzt es dann, um die Eier, welche
bei der Ablage an der Mündung des Receptaculum vorbeigleiten, mit
Samen zu versorgen. Da das Ei schon in den Eiröhren mit einer
festen Hülle, dem Chorion, umgeben worden ist, muss letzteres, um
den Durchtritt der Spermatozoon zu gestatten, mit dem Micropyl-
apparat versehen sein, feinen Canälchen, welche die Dicke des Chorion
durchbohren. Je nachdem die Micropyle Spermatozoen enthält oder
nicht, lässt sich feststellen, ob ein abgelegtes Ei befruchtet wurde oder
unbefruchtet geblieben ist.
Fig. 41"). Fig. 410.
Fig. 415. Männlicher Ge.<chlechti*apparat von Meloloiüha vulgaris, t Hoden, rd
Vas» deferens, rs Venieula seminah's, gl Anhangsdrü.Hcn (aus (Jegenbaur).
Fig. 410. Weiblicher Grschlecht.-tanparat von Ilgrfrobius fuseipes. o Eirohrcn,
ov Oviduct mit Druw'nanhüiigcn, gl schlauchförmige Liriisen, rs Receptaculum seminis
mit Anhangsdrüse, r Vagina, bc liursa copulatrix (aus (Jcginbaur nach Stein).
Unbefruchtete Eier besitzen bei den Insecten häutig die Fähigkeit.
sich auf parthen o gen et i schein Wege in normaler Weise i^oS«n«*.
zu entwickeln. Blattläuse und Rindenläuse pHanzen sich viele Gene-
rationeil hindurch parthenogenetisrh fort; auch bei Schmetterlingen und
Netzflüglern ist Parthenogenesis weit verbreitet. Am interessantesten
ist ihr Auftreten bei den Bienen, da hier das Geschlecht der Thiere
vom Eintreten oder Ausbleiben der Befruchtung bestimmt wird (vgl.
Seite 424). — Viel seltener als die gewöhnliche Parthenogenesis ist
die besondere Form derselben, die Pädogenesis : man kennt sie nur
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410
Gliedorlüssler.
■I
■
von gewissen Dipteren, wie /. B. von der Gattung Miastor. In den
weibliehen Miastorlarven (Fig. 417) entwickeln sich die Eier noch vor
Anlage der Ausführwege. so dass die junge lirut nur durcli Platzen
der Mutter frei werden kann: nachdem mehrere pädo-
genetische Generationen sich wiederholt hahen , kommen
die zuletzt gebildeten Larven zur Verpuppung und liefern
ausgebildete männliche und weibliche Mücken.
Fmioouat. Aus obigen Erörterungen kann man entnehmen, dass
die Insecten — eine Ausnahme macht nur die kleine Gruppe
der Pupiparen und einige wenige andere Arten — ovipar
sind und dass die E m b r y o n a 1 e n t w i c k I u n g erst nach
der Eialdage beginnt. Während derselben kommt es zur
Bildung von 2 Embryonalanhängen, des Dottersacks
und des Amnion. Ersterer ist im Gegensatz zu der
gleichnamigen Bildung der Wirbelthicre. welche der Bauch-
seite angehört, rückenständig; letzteres dagegen ist bauch-
ständig: es ist eine dünne Zellenschicht, welche den Embryo
ventral bedeckt und ähnlich dem Wirbelthieranmion ent-
steht, indem das Blastodenn links und rechts, vorn und
hinten von der Embryonalanlage oder dem Keimstreif
Falten bildet, welche unter einander zu einer Hülle ver-
wachsen.
Mit dem Sprengen des Amnion und der
beginnt die postembryonale Entwicklung, die in
zelnen Ordnungen so verschieden ist, dass man
hole, hemimetabole und h olom et a hole
d. h. Insecten mit directer Entwicklung ohne
Mftimor-
Eischale
den cin-
a m e t a -
Insecten,
M e t a -
Fig. 417.
Larve einer
( »albiiüeko
t O /'/'>-
iiitjiai mit
pädoticno-
tiseh erzeug-
ten Tocht. r-
larven tau«
Hat schock
nach Pagon-
st<vher).
m o r p h o s e , solche mit u n v o 1 1 k o m m e n er M e t a m o r -
phose (M. incompleta) und solche mit vollkommener
Metamorphose (M. eompleta) unterscheidet. Bei der
d i r e c t e n E n t w i c k 1 u n g ist das junge ausschlüpfende
Insect dem geschlechtsreifen Thier im Wesentlichen gleich,
sodass es nur noch unter periodischen Häutungen zu wachsen
und seine Geschlechtsorgane zur Keife zu bringen nöthig
hat. Da kein Insect beim Verlassen des Eies Flügel hat, ist eine
solche Entwicklungsweise nur bei den flügellosen Formen möglich, z. B.
den Apteryyotcn und den Apteren.
Alle geflügelten und manche ungeflügelten Insecten (Flöhe. Ameisen
u. A.) besitzen dagegen eine mehr oder minder ausgesprochene Meta-
morphose, deren Ursache in letzter Instanz in der Notwendigkeit,
Flügel zu entwickeln, zu suchen ist. Denn auch die holometabolen, un-
geflügelten Insecten (z. B. die Flöhe) stammen unzweifelhaft von ge-
flügelten Formen ab und haben die Metamorphose von ihnen als eine
fest eingewurzelte und daher auch nach dem Flügelverlust fortbe-
stehende Entwicklungsweise ererbt.
Bei der M et a in o r ph o si s incompleta wird der Unterschied
zwischen dem frisch ausgeschlüpften Thier, der Larve, und dem ge-
schlechtsreifen Insect, der Imago, alluiählig ausgeglichen (Fig. 41-S).
Oft treten schon bei der ersten Häutung die Flügelanlagen als kleine
Falten im Chitinkleid des Meso- und Metathorax auf; sie wachsen
mit jeder Häutung, bis sie mit der letzten die Grösse, Form und
Beweglichkeit der funetionsfähigen Flügel gewinnen. Man nennt diese
Anlagen Flügelscheiden (B l u. :'), weil ihr Chitinüberzug eine Hülle
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IV. Insecten.
411
bildet, in welcher zusammengedrängt und gefaltet die Flügelanlage
des nächsten Stadiums und bei der letzten Häutung der definitive
Flügel eingeschlossen liegt. Da die Larven durch den Mangel von
Flugorganen unter andere Lebensbe-
dingungen versetzt werden, als die flie-
genden Insecten, unter Lebensbedingun-
gen, welche vielfach besondere Einrich-
tungen im Hau verlangen, so kann schon
bei der hemimetabolen Entwicklung der
Unterschied zwischen Larve und Imago
durch Ausbildung specifischer Larven-
organe gesteigert werden, wie die Li-
bellen und Eintagsfliegen lehren, deren
im Wasser wohnende Larven von der
Imago nicht nur durch den Flügel-
mangel unterschieden sind, sondern auch
durch abweichende (Jcstalt, vor Allem
aber durch die Anwesenheit der bei der
letzten Häutung meist wieder schwinden-
den Tracheenkiemen (Fig. 414).
Steigerung der Unterschiede in den
mit Hand in Hand gehende Vermehrung
zu der vollkommenen Metamorphose (holometabolen Entwick-
lung). Um die Vortheile ihrer besonderen Anpassung an die Um-
gebung zu gemessen, behalten die Larven möglichst lange ihre speci-
fische Gestalt bei; die allmählige Annäherung an die Imago unter-
bleibt und die zur Metamorphose nöthigen Veränderungen der Gestalt
und des Baues werden in das Endstadium des Larvenlebens, in den
Zeitraum zwischen den beiden letzten Häutungen, zurückgedrängt. In
diesem Zeitraum vollzieht sich eine so energische Umformung des
Organismus, dass die Fortführung der gewöhnlichen Lebensverrich-
tungen, namentlich der Fortbewegung und Ernährung, behindert oder
unmöglich gemacht wird. Das letzte Stadium des La r verl-
ieben b wird somit zu einem Stadium der Ruhe, zum
Puppenstadium, auf dessen Existenz daher bei der Definition der
vollkommenen Metamorphose das Hauptgewicht gelegt werden muss.
Je vollkommener der Zustand der Ruhe ist, um so ausgesprochener
ist auch der Charakter der holometabolen Entwicklung. Von diesem
Gesichtspunkt aus unterscheidet man nun verschiedene Formen der
Fig. 4 IS. Unvollkommene Meta-
morphose von l'rrla ui/fra (an*
Huxley). A Flügellose Larve, B
I>arve mit Flügelseheiden (/ u. 2\,
C ausgebildet** Thier, l-lll
The irax.-cpmonte.
Lebensbedingungen und da-
der Larvencharaktere führen
Fig. 419. Larve (En-
gerling) und Puppe (in
ventraler und seitlicher
Ansieht) vom Maikäfer;
0 Augen, at Antennen,/»'—
»"I Beine, aV Vorder- und
Hinterflügel, Stigmen,
an After.
Puppen: P. liberae, P. obtectae und P. coaretatae. Rei den
freien Puppen (P. liberae) (Fig. 411») erheben sich die Extremitäten
weit über die Körperoberfläche, so dass man nicht nur die Körper-
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412
Gliederfüssler.
gliederung, sondern auch die Antennen {at), Beine tp'-p'"), Flügel
(«', a"), vielfach auch die Mundwerkzeuge der Imago deutlich erkennen
kann. Solche freie Puppen können ein gewisses Maass von Orts-
bewegung besitzen, z. B. — namentlich bei den Neuropteren und vielen
Dipteren — im Wasser auf und nieder tauchen. — Die gedeckten
Puppen (P. obtectae) haben im Moment der Verpuppung noch frei
hervortretende Extremitäten, welche aber beim Erhärten der Chitin-
haut dem Körper dicht angepresst werden, so dass man selbst bei
genauem Zuschauen nur undeutliche Conturen (Fig. 420) wahr-
nehmen kann. Die Bewegungen beschränken sich auf Zuckungen des
ganzen Körpers, wie man sie z. B. bei den Schmetterlingspuppen durch
äussere Reize bewirken kann. Völlig unbeweglich endlich erscheinen
die Tönnchenpuppen (P. coarctatae), weil hier die Puppe (ihrem Bau
nach eine P. libera) noch von einer weiteren Hülle, der letzten Larven-
haut, umschlossen wird ( Muscarien).
1 2
Fig. 1*3 1. Pupjie von Sphinx
ligustri (nach I/eunis - Ludwig).
I Auge, 2 Kopf, \\ Fühler, 4—6
Thoraxsegniente, 7 hinter«', S vor-
dere Flügel, !» Heine, 10 Rüssel,
II AlMloniinaUeginente, 12 Stiir-
uien.
Fig. 421. RaujH* von
Sphinx lioustri, p Hrust-
fü*<e, ps redt* sjairii , n
Nachschieher , st Stigmen
(aus lVuni>-Lu(lwig).
Fig. 122. Lar-
ven von Mlt.ira
com itortti
(nach Leu-
ckart).
Noch grösser als bei den Puppen ist die Mannichfaltigkeit der
Gestalt bei den früheren Larvenstadien. Hier steht Bau und
Körpergliederung so vollkommen unter dem Einfluss der Existenz-
bedingungen, dass je nach der Gleichartigkeit oder Verschiedenartig-
keit derselben systematisch fernstehende Insecten ähnliche, verwandte
Arten dagegen sehr verschieden gestaltete Larven haben können. Die
. Blätter nagenden Larven der Schmetterlinge und Blatticespen sind leb-
haft gefärbte Baupen (Fig. 421), d. h. Larven, deren Brustextremitäten
klein bleiben und durch Bauchextremitäten, die fleischigen Pedes spurii
{]>. s.) und Nachschieber unterstützt werden. Die vom Raub lebenden
Larven vieler Käfer und Netz/lügler haben lange Brustheine und
kräftige Mandibeln, dagegen keine Afterfüsse. Andere Käferlarveu.
welche im Hol/, bohren oder in der Erde leben (Fig. 419), halten
einen plumpen, weissliehen Körper mit rudimentären oder gänzlich
fehlenden Beinen: sie leiten über zu den madenartigen Larven, bei
denen auch die Mundgliedmaassen undeutlich werden und selbst der
Unterschied von Kopf und Thorax schwinden kann. Solche weisse
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IV. Insecten.
413
weiehhäutige, geringelte Säcke finden sieh bei Bienen (Fig. 56) und
anderen Hymenopteren, ferner bei einem Theil der Dipteren (Fig. 422) ;
das sind Thiere, deren Larven in einem Ueberfluss von Nahrung leben,
weil sie entweder Parasiten sind oder durch die Brutpflege der Mutter ■
mit genügender Nahrung versehen werden.
Bei einer äusserlichen Betrachtung der holometabolen Entwick-
lungsstadien gewinnt man den Eindruck, als ob alle die besprochenen
Larvenformen das Gemeinsame hätten, dass nicht nur die Flügel,
sondern auch die Gliedmaassen der Imago gänzlich fehlen oder dass
letztere wenigstens eine völlig andere Gestalt besitzen, als ob ferner
die Flügel und vielfach auch die Fühler, Beine und Kiefer erst im
Moment der Verpuppung auftreten, dann aber gleich in einer auf-
fallenden Grösse und Vollkommenheit. Eine genauere Untersuchung
lehrt jedoch, dass die Anlagen zu allen diesen Theilen (den Flügeln,
Mundwerkzeugen etc.) schon lange vor der Verpuppung, vielfach schon
bei der ersten Häutung gebildet wurden. Die Flügel eines Schmetter-
lings sind schon in der Raupe vorhanden, als kleine, mit jeder Häutung
wachsende Höcker oder Falten der Oberfläche, die nur deswegen
uusserlich nicht wahrgenommen werden, weil sie durch Einstülpung
in die Tiefe verlagert und in ein auf der Haut mündendes Säckchen
eingeschlossen sind. Solche Anlagen nennt man „Imaginal Schei-
ben4'; durch ihren Nachweis wird der Unterschied zwischen voll-
kommener und unvollkommener Verwandlung einigennaassen ver-
wischt, indem auch bei ersterer der Bau der Imago, wenn auch in
verborgener Weise, von langer Hand vorbereitet wird. Trotz alledem
bleibt für das Insect während der Puppenruhe noch ausserordentlich
viel umzugestalten; die Muskeln müssen den neuen Fortbewegungs-
organen, der Darm der neuen Ernährungsweise angepasst, die Körper-
eintheilung und das Nervensystem vielfach umgegliedert werden. Da
demgeniäss ein grosser Theil der bisherigen Organisation eingeschmolzen
wird, damit das so gewonnene Material zum Neuaufbau der Organe
verwandt werden kann, erklärt sich die breiweiche Beschaffenheit des
Puppeninhalts; letzterer kann bei rapidem Verlauf der Umschmelzung
zu einem so gleichförmigen Material undeutlich abgegrenzter Zellen
werden, dass man eine Zeit lang fälschlich annahm, die Puppe sei
auf den indifferenten Zustand des Eies zurückgekehrt (Histolyse der
Fliegen.)
Bei der Systematik der Insecten verlangen 4 Momente besondere Be-
rücksichtigung: 1) die Körpergliederung, bei welcher zu beachten
ist, ob die Thorax- und Abdoniinalsegmento gleichförmig aufeinander folgen,
oder ob sich der Thorax namentlich vermöge engerer Vereinigung seiner
3 Ringe vom Kopf und Abdomen scharf abgegliedert hat: 2) dio Be-
schaffenheit der Flügel, welche bei niederen Formen fehlen oder
zarte, mit reichlichein Flügelgeädcr versehene, an beiden Thoraxsegmenten
gleichförmige Chitinblätter sind, während für höhere Formen theil weise
Rückbildung des Flügelgeäders oder lederartigo Erhärtung des Chitins,
divergente Entwicklung oder partielle Rückbildung der Vorder- und
Hinterflügel charakteristisch sind: 3) Bau der M u n d w e r k z e u g e und
4) Art der Entwicklung, 2 Moniente, über welche schon oben das
Nähere gesagt wurde. Unter gleichmässiger Berücksichtigung der ge-
nannten Verhältnisse fällt es leicht, 6 scharf umschriebene, auch dem Laien
ohne Weiteres verständliche Ordnungen herauszuheben: 1) LcpUlopUrm,
2) Dipteren, 3) Apluiniptereii, 1) lilnjin-hotcn. f>) Hywrnopt'mt . C.) n>lcoptrren.
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414
Gliederfüssler.
Der verbleibende Rest wurde früher auf die beiden Ordnungen der Ortho-
pteren und Xeuropterm vertheilt; jetzt hält man diese (.Truppen für wenig
natürlich und hat versucht, sie in mehr oder minder zahlreiche Orduungen
aufzulösen. Hier soll diesen Bestrebungen insofern Rechnung getragen
werden, als wir von den Neuropteren die Psntdnneuropteren oder Archipteren,
von den Orthopteren die ungeflügelteu Formen, die Apkryyoten , trennen
werden.
I. Ordnung. Apterygoten i Apterogenea), Urin Beeten.
An die Spitze der Insecten müssen wir Formen stellen, welche
keine Flügel besitzen, bei denen sich feiner keine Hinweise auf-
finden lassen, dass je Flügel bestanden hätten. Man hält sie daher
für Abkömmlinge von Urformen der Classe, bei denen es ebenso wie bei
Myriapoden und Arachnoideen noch nicht zur Flügelbildung gekommen
war. Man hat hierzu um so mehr Ursache, als die Thiere auch sonst einen
sehr primitiven Charakter zeigen : die Facettenaugen fehlen oder sind
unvollkommen entwickelt; das Tracheensystem (Fig. 30'.») bestellt meist
aus isolirten, selten durch Längscanäle verbundenen Fischeln; die
Mundgliedniaassen sind kauende, ähnlich denen der Orthopteren, wenn
sie nicht rückgebildet sind : die Entwicklung ist stets ametabol.
Manche Arten (Campodea) erinnern noch durch die Gleichförmigkeit
ihrer Gliederung und das Auftreten rudimentärer Bauchgliedmaasscn
an die Myriapoden.
I. Unterordnung. Tlnjmnuren. Korper langgestreckt, mit laugen
Borsten am hinteren Ende versehen. Oimpudm sUiphylinm Westw. mit
Resten abdominaler Gliedtnaassen (Fig. 351); IsjnsitHi mevharina L., Zucker-
gast, auch Silhertischchen genannt wegen seines silberglänzenden Schuppen-
kleides; MuchiUs maritim« Latr. (Fig. 395.»).
II. Unterordnung. Collnnhohn. Korper gedrungen, mit langen Borsten,
die als Springstangen benutzt werden, indem sie bauchwärts eingeschlagen
den 1 — -3 mm langen Körper vorwärts schleudern. Auf dem Wasser lebt
Podura nipmlini L., auf dem Schnee und Eis die Deyeeria nivalis L. (Schnee-
lloh) und Iksnrin t/hnalis Nie. (GletscherHoh).
II. Ordnung. Archipteren oder Pseudoneuropteren. Urflügler.
Die Archipteren zeigen uns den Urtypus beflügelter Insecten. Ihr
langgestreckter Körper besteht aus zahlreichen Segmenten und trägt
meist noch die Schwanzborsten der Thysanuren.' Die Flügel sind
zart häutig, glasartig, durchsichtig, von einem «lichten
Flügelgeäder gestützt und vollkommen gleich oder nahezu gleich an
Mittel- und Hinterbrust entwickelt. Die Kiefer sind rechte Typen
beissender Mundgliedniaassen : an den Maxillen und der Unterlippe
sind Innen- und Aussenlade (letztere an der Maxille als Galea) gut
entwickelt: an der Unterlippe weist ein tiefer Einschnitt im Mcntuni
auf die Verwachsung aus zwei Theilen (Stipites der zweiten Maxillen).
Dem ursprünglichen Bau entspricht auch die ursprüngliche Art der
Entwicklung, welche meist eine hemimetabole ist. Der Unterschied
der Larve von der Imago beschränkt sich auf den Mangel der Flügel,
wozu sich noch die Anwesenheit wenig auffallender Larvenorgane
(Kiemen der Amphibiotica) gesellen kann. Oefters wird die Eutwick-
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IV. Insectcn: Apterygoten. Arcbipteren.
415
lung eine directe, wenn nämlich die Imagines, wie das bei einem Theil
der Termiten zutrifft, flügellos sind.
Die Arcliipterrn wurden früher wegen der Aehnlichkeit ihrer Flügel
zu den holometabolen Xeuropteren gestellt, später auf Grund ihrer Mund-
gliedmaassen und hemimetabolen Entwicklung von ihnen getrennt und den
ihnen in beider Hinsicht gleichenden Orthopteren zugerechnet. Gegen eine
Vereinigung mit den Orthopteren spricht jedoch die Beschaffenheit der
Flügel, welche zum Namen „Orthopteren" gar nicht passt.
I. Unterordnung. Corrwlenlien. Die Larven unterscheiden sich von
den Imagines bei den geflügelten Formen, abgesehen von der Grösse, durch
den Flügelmangel, bei den ungezügelten Formen nur durch ihre Kleinheit.
— Die bekanntesten Vertreter sind die Termiten oder weissen Ameisen,
deren deutscher Name leicht über die systematische Stellung der Thiere
täuschen kann. Von unseren Ameisen (Htjinenoptere.n) unterscheiden sich
die Termiten durch ihre gleichförmige Körpergliederung, die Beschaffenheit
ihrer Mundwerkzeuge und ihre niemals holometabole Entwicklung: sie
gleichen ihnen in der Staatenbildung. Ein aus vielen tausend Thieren
bestehender Termitenstaat baut sich einen aus kunstvoll angelegten Gängen,
Vorrathskammern, Wochenstuben etc.
bestehenden Bau. Als nächtliche
Thiere graben sie sich, ohne je an
die Oberfläche zu kommen, in altes
Holz (Balkengerüst der Häuser, Mö-
bel, Bilderrahmen, Baumstämme des
Waldes etc.) ein, wobei sie den Ein-
sturz ihrer Wohnstätte veranlassen
können; sie tapeziren die Räume mit
einer festen, cementartigen Masse
aus. den gefressenen und durch den
After wieder entleerten Abraum. Viele
Arten bedürfen keiner Grundlage,
sondern errichten ihre domartigen,
3 — 5 m hohen, 6 — 8 m im Durch-
messer messenden Wohnungen aus
gekauter Erde frei auf dein Boden.
Im Termitenvolk unterscheidet man
zunächst flügellose und geflü-
gelte Thiere, jene mit directer,
diese mit hemimetaboler Entwicklung
(Fig. 423). Jene sind geschlechtslos
oder, richtiger gesagt, Thiere mit rudimentärem (»eschlechtsapparat, und zwar
im Gegensatz zu den Ameisen und Bionen sowohl rudimentäre Männ-
chen wie Weibchen; sie sind häutig blind, mit kräftigen Mandibeln
ausgerüstet und zerfallen in 2 Stände, die Arbeiter (3) und die gross-
köpfigen Soldaten (4). Die geflügelten Thiere (1) besitzen funetionsfähige
Geschlechtsorgane; sie schwärmen nach bestandener Metamorphose aus,
vereinigen sich mit den Schwärmen anderer Colonien und paaren sich.
Hat sich ein Paar zusammengefunden, so kehrt es zum Boden zurück, um
als „König" und „Königin" in einen verwaisten Staat seinen Einzug zu
halten. Im Stock werden die Flügel nahe der Basis abgeknickt und tindet
die Begattung statt, in Folge deren das Weibchen (2) unter enormer Ei-
produetion zu einem unförmlichen Sack anschwillt. Da die ausschwärmen-
den Termiten von Vögeln und anderen Thieren verfolgt werden, kommt
Fi<r. Ti t inr.'i Itiri/iif/us. 1
flü<r«"tt*-s < icsrhlr« htsthii-r , L' \Wil>chcn
nach Yrrhist der Flügel mit Kesten der-
H-Ilwii, ArlM-iter. / SoMitt (uns I^imi*-
Ludwijr).
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410
Gliederfüssler.
es vor, dass in manchen Stock kein Königspärchen zurückkehrt. In diesem
Fall wird die Fortpflanzung durch Reservemännchen und Weibchen be-
sorgt, Geschlechtsthiere, welche die Metamorphose nicht beenden, sondern
auf dem Stadium mit Flügelscheiden verharren. — Weiterhin interessant
sind die Termiten durch ihre erbitterten Kriege gegen die echten Ameisen.
Tcrmes lucifugus Rossi in Südeuropa hat namentlich in La Rochelle und
Rochefort in diesem Jahrhundert den Einsturz zahlreicher Häuser verur-
sacht. Termes fatalis L. in Afrika baut mehrere Meter hohe Erdhügel.
Den Termiten nahe verwandt sind die vielfach flügellosen Psociden,
Staub- und Bücherläuse. Troctes dmnatorius Müll., ein weissliches, im
Staub überall häufiges flügelloses Thier von circa 1 mm Länge. Wahr-
scheinlich reihen sich auch die Mallophagen an, flügellose, wie Läuse auf
der Haut von Säugethieren und Vögeln lebende Thiere, die vielfach auch
zu den Läusen gestellt werden, sich aber durch kauende Mundgliedmaassen
von ihnen unterscheiden. 'Pricbodectcs canis Deg., Hundelaus: Philttjrterus
communis Xitzsch., Federlaus, auf Finken.
II. Unterordnung. Amphibioiica. Drei Familien der Archipteren, die
Pcrliden, Ephemerülen oder Eintagsfliegen und die Libellulidcn oder Wasser-
jungfern haben das Gemeinsame, dass ihre Larven im Wasser leben und
hier mit Tracheenkiemen athmen (Fig. 414). Letztere sind ventral
gelagerte Büschel {Pcrliden) oder flügelartige Anhänge in den Seitenlinien
des Abdomens (Epltcmcriden) oder 3 blattartige Anhänge in der Gegend
des Afters, wenn nicht Tracheenverästelungen am Enddarm zur Athmung
dienen {Libellulidcn). Sämmtliche hierher gehörige Larven sind gefährliche
Räuber, besonders die Larven der auch als Imaginos äusserst gefrässigen
Libellen (Fig. 424j. Die Libellenlarven haben zum Einfangen der Beute
ein Labium mit stark
Fig. 424. Fig. 425. verlängertem Mentum
und Submentum, wel-
ches in der Ruhe als
„Maske" unter dem
Kopf zusammenge-
klappt liegt, zum An-
griff aber blitzschnell
hervorgescbleudert
werden kann. — Perto
' ,s. bicaudata L., im F rüh-
rt1 . , , ' .
s( jähr sehr verbreitet.
Epbcmera vuhjaui L.
(Fig. 425) nebst ande-
rn,, reu verwandten Arten
bis zeitweilig in solchen
Schwärmen auftretend,
dass die Leichen der
Thiere zum Dünger be-
nutzt werden (Uferaas). Die Imagines nehmen keine Nahrung zu sich,
sondern sterben nach der Begattung und Eiablage (wenige Stunden nach
Beendigung der Metamorphoso) ab. Libcllula drpratsa L., AescJma tjrandis
L., Coloptcnjx rinjo L. Männchen und Weibchen aller Libellen sind sowohl
an den eigen thümlichen Begattungswerkzeugen sowie an ihren verschie-
denen Färbungen leicht zu unterscheiden.
III. Unterordnung. Pbijsoprxlcn oder Tbysanojttcrcn, Thiere mit schmalen,
beiderseits bewimperten Flügeln, mit Haftblasen au den Füssen und rudi-
Fig. 424.
(nach Rösel
vordere, a
.Stimmen.
Larve von Aetchna <jmn
v. Rodenhof i. tu Maske,
hinten' Flügelseheiden ,
Fi^. 42."). Ephcmern ruli/nfa (,
Schmorda). SchwiInzbor*teu nicht
zum Ende ausgezeichnet.
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IV. Insecten: Orthopteren.
mentärer, zum Saugen eingerichteter Mundbewaffnung. Die Stellung der
Gruppe im System ist sehr zweifelhaft. Thrips cerealium Halid., dem Ce-
treide schädlich.
IH. Ordnung. Orthopteren, Gradflügler.
Die Orthopteren theilen mit den Archipteren zwei schon bei diesen
besprochene Merkmale : 1) die hemimetabolc Entwicklung, welche beim
Mangel der Flügel zur ametabolen wird; 2) die kauenden Mundglied-
maassen, an denen besonders auffällt, dass die Aussenlade der Maxillen
die Form der „Galea" hat, dass an der Unterlippe säinmtliche Laden
getrennt bleiben und dass das Mcntuin die Verschmelzung aus zwei
theilen noch erkennen lässt (Fig. 407, S. 4(0). Dagegen hat die bei
den Archipteren beschriebene primitive, zarte Beschaffenheit der Flügel
einer pergam entartigen Härte Platz gemacht, welche den Namen
„Orthopteren" veranlasst hat. Indem dieselbe sich an den schmalen
Vorderflügeln, welche die weicheren, meist einfaltbaren und zum Flug
besonders dienenden Hinterflügel decken, am meisten bemerkbar macht,
erhalten viele Orthopteren eine grosse Aehnlichkeit mit Käfern. Vor
einer Verwechslung schützt die Untersuchung der bei Käfern stark ver-
einfachten Unterlippe und der Entwicklung, welche bei den Käfern stets
holometabol ist In der inneren Anatomie (Fig. 412) fällt besonders
die grosse Zahl der Vasa Malpighi auf.
I. Unterordnung. Cursorien. Orthopteren mit mässig langen, zum
raschen Lauf geeigneten Beinen. — Zu den Cursorien gehört nur die Fa-
milie der Blattidcn. Die Thiere ähneln den Käfern, einmal durch die Ge-
stalt des Prothorax, zweitens durch die eigenartigen Vorderflügel, welche
aber ebenso wie die Hinterflügel bei vielen Arten ganz fehlen oder min-
destens bei den Weibchen schwach entwickelt sind. Pcriplamta Orientalin L.,
Brotschabe, schwarzbraun, besonders in Bäckerhäusern ; Blattei germanica L.,
Küchenschabe, kleiner und lichter gefärbt. Blaltcra gvjantea.
II. Unterordnung. Dermatoptercn. Vorderflügel kurze Elytren, unter
denen die zum gewandten Flug dienenden Hinterflügel durch vielfache
Faltung geborgen werden. — Die einzigen Vertreter der Gruppe, die Ohr-
würmer oder Forficuliden, erinnern in ihrem Habitus an Käfer mit rudi-
mentären Elytren (Staphylincri), von denon sie aber leicht an den Zangen
(den „Cerci") unterschieden werden. Im Bau der Mundgliedmaassen und
in ihrer Entwicklung den übrigen Orthopteren ähnlich, entfernen sie sich vom
durchschnittlichen Habitus der Gruppe durch die ganz eigenthümliche Be-
schaffenheit der Flügel so sehr, dass sie öfters zu einer besonderen Ord-
nung erhoben werden. Forftcula aitricularia L., mit Unrecht gefürchtet nls
dem Trommelfell des Ohres gefährlich. Labidura minor L.
III. Unterordnung. Ürcssoricn mit langen, dünnen, nur einen lang-
samen Gang gestattenden Beinen. — Die 2 Familien der Gressorien, die
Maniiden und Phasmüien, sind von einander nicht unerheblich verschieden,
Namentlich erhalten die Mantidcn ein besonderes Gepräge durch den langen
Prothorax und die zum Greifen und Zerschneiden der Beute dienenden
Raubfüsse, welche vor dem Prothorax getragen werden und den Namen
„Gottesanbeterinnen" veranlasst haben. Mantis religiosa L., Empum pauperata
Rossi in Südeuropa. Die ausschliesslich tropischen Phasmiden (Fig. 12)
sind durch ihre Mimicry bekannt. Die Bacillen {Acanthoderus Wallacci,
Bacillus Rossi Fabr.) ahmen Zweige, die Phyllirn {Phyllinm Seythe, PL
sieeifolium L.) Blätter nach.
Hertwlg, Lehrbuch der Zoologie. 3. Aufl.ige. v>7
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418
Gliederfüssler.
IV. Unterordnung. Saltatorien. Hinter© Extremitäten lange kräftige
Springbeine. — In der Gnippe herrscht ein aurfallendes Missverhältniss in
der Länge der 2 ersten und des dritten Beinpaares (Fig. 426) ; an letzterem
ist der Femur dick und mus-
kelstark, die Tibia lang und
durch ihre Festigkeit zum
Stützen geeignet. Indem
beide spitzwinkelig im Ge-
lenk gegen einander gestellt,
dann mit grosser Energie
plötzlich gestreckt werden,
wird der Körper weithin ge-
schnellt. Die Flügel unter-
stützen die Bewegung und
können bei vielen Arten, wie
den Wanderheuschrecken,
das Thier zu andauerndem
Flug hoch in die Luft tragen. Sehr verbreitet ist in der Gruppe die
Fähigkeit, Töne zu erzeugen , indem die Flügel gegen einander (Locu-
stideti) oder gegen die Beine (Acrididen) gerieben werden. Desgleichen
linden sich tympanale Gehörorgane: bei den Locustideti (Fig. 428) und
vielen Orylliden an den Tibien der Vorderbeine , bei den Acrididen
(Fig. 427) am ersten Bauchring. Eine ringförmige Verdickung im Chitin
Fig. 12«». Lorten cnitdata (nach Brunner v.
Watten wyl). / I>gebohrer.
st st st
Fig. 127.
Fig. 42S.
von Ati idittm nach Kntfernung der Flügel, st Stigmen,
ribia <l«!s Vorderbeins einer Locus! ide in Seiten- und
Fig. 427. Seiti-nansirht
t Tvmpanuin. Fig. 128. TiK.
Vorderansicht mit Trommelfell (t) (uns Hätschele nach Fischer).
bildet einen Rahmen, in welchem ein dünnes Chitinhäutchen wie ein
Trommelfell ausgespannt ist. Von innen tritt eine Trachee an das Trommel-
fell heran und schwillt zu einer als Resonanzapparat fungirenden Blase
an. Der Hörnerv bildet eine Crista acustica, die stets an die Tracheen-
blase angrenzt, bei den Acrididen zwischen sie und das Trommelfell ein-
gelagert ist. An der Fähigkeit der Tonproductiou erkennt man die Männ-
chen : die Weibchen sind noch leichter zu erkennen an dem zur Eiablage
dienenden, besonders bei Locustideti entwickelten Legebohrer (Fig. 426) : 6 säbel-
förmige Anhänge der letzten Abdominalringo sind derart vertheilt, dass 4
zu einer Scheide zusammenscbliessen, in deren Innerem 2 weitere sägeartig
gezähnte Stücke auf und ab bewegt werden können. Als Vertreter der
3 hierher gehörigen Familien sind zu nennen : für die Locustideti oder
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IV. Insecten: Neuropteren.
419
Laubheuschrecken Loeusta viridissima L., Ikcticus vcrrucivorus L., für
die Acrididen oder Feldheuschrecken ausser zahlreichen einheimischen
Formen (Ocdipoda caerulescens L., Tettix subulata L.) die Felder verheerende
Wanderheuschrecke Pachytylw migratorius L., für die Grylliden oder Grab-
heuschrecken die Feldgrille Gryllus campestris L. und das Heimchen
Gr. domesticus L., Gryllotalpa vulgaris Latr., Maulwurfsgrille.
IV. Ordnung. Neuropteren, Netaflügler.
Die Archipte/en besitzen eine Parallelgruppe in den Neuropteren,
mit denen sie früher sogar vereinigt wurden. Die Neuropteren haben
nicht nur die jenen zukommende Flügelstructur, sondern zeigen auch
im gesammten Habitus vielfach mit ihnen eine grosse Achnlichkeit, wie
z. B. die Ameisenlöwen an die Lihellen, die Chrysopiden an die Perliden
erinnern. Die Neuropteren sind jedoch holometabol und besitzen ein
Ruhestadium, wenn auch ihre freien Puppen kurz vor dem Ausschlüpfen
des Insects eine nicht unbedeutende Fähigkeit zur Ortsveränderung
entfalten. Die Mundglicdmaasscn sind zwar noch kauend, zeigen
aber bei den Planipennien eine an die Käfer erinnernde Vereinfachung
der Unterlippe, deren Laden verschmolzen sind. Bei den Trichopleren
geht die Vereinfachung der Mundglicdmaasscn noch weiter, indem
Unterlippe und Kiefer ähnlich wie bei den Schmetterlingen eine
Art Rüssel erzeugen; man hat die Trichopteren daher in der Neuzeit
von den echten Neuropteren getrennt und zu einer selbständigen Ord-
nung erhoben.
L Unterordnung. Planipennien. Am bekanntesten sind die Myrmclcon-
tiden, welche als Imagines den Libellen täuschend ähneln, als Larven auf
Insecten, besonders Ameisen Jagd machen und so den Namen „Ameisen-
löwen" veranlasst haben. Die mit langen zangenartigen Maudibeln ver-
sehenen Larven (Fig. 429 2) bauen im Sand einen Trichter und vergraben
Fig. 4L>9. MyriHflro forinicariiis. /Iinagn,
2 Larve, 3 Puppe in ihrer Wiege (aus
Sehmanla).
Fig. 4:io.
Schimmln).
Phryyanea grantlis (aus
sich am Grund desselben, so dass nur die Kiefer hervorragen, welche In-
secten, die den Abhang der Fallgrube heruntergleiten, packen und tödten.
Myrmcleo formiearius L., Ascalaphus italicus Fabr. Anderen Familien ge-
hören an Ckrysojxi pcrla L., Panorpa communis L., Scorpionflioge, Sialis
lutaria L., Rfiaphidia ophidiopsis Schum., Kameelhalsfliege.
II. Unterordnung. Trichopteren. Die nur durch die Phryganiden (Fig. 430)
27*
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420
Gliederfüssler.
vertretene Gruppe ähnelt den Schmetterlingen erstens, indem die Kiefer
zu einem, wenn auch kurzen Säugrüssel vereint sind, zweitens, indem die
Flügel mit Schuppen bedeckt und daher wie Mottenflügel gezeichnet sind.
Die Larven leben im Wasser, athmen durch büschelförmige Kiemen und
bauen sich durch Zusammenkitten von allerhand Fremdkörpern ein Ge-
häuse, aus dem sie zum Zwecke der Furtbewegung nur mit Kopf, Thorax
und Beinen herauskommen. Die Yerpuppung vollzieht sich im Gehäuse.
Phtyganta grandis L., Hydropsyche, rariabilis Pictet.
Anhangsweise seien hier die höchst merkwürdig gebauten Strtpsipitrcn
erwähnt, Parasiten, die auf Hymenopteren wohnen und nur eine Familie
bilden, die StyJopükn. Die
lebhaft springenden sechs-
beinigen Larven (Fig. 431 3)
dringen zwischen die Bauch-
schienen von Bienen und
Wespen ein und verpuppen
sich hier. Aus der Puppen -
haut schlüpft mir das ge-
flügelte, äusserst bewegliche
Männchen (2) aus. Dasselbe
hat Rudimente von Vorder-
flügeln, dafür um so kräf-
tigere Hinterflügel und einen
entsprechend langen Meta-
thorax. Das flügel- und beinlose, madenartige Weibchen (/) verbleibt
in der Puppenhülle und wird hier befruchtet. Eine mit einer Strepsiptere
behaftete Biene heisst stylopisirt. Sfyhp$ mciittm Kirby. Xenos Rossi
K irby.
2 Mj
Fig.
131. Xntos /iW/Vuiiu h IloaM. / Weihehen.
hon, V Larve, 1, II. III die 3 Thoraxwg-
mente, <tl rudimentärer erster, ir wohlentw iekelter
/.weiter Flügel.
V. Ordnung. Coleopteren, Käfer.
Die Käfer besehliessen den Kreis der Insecten mit kauenden Mund-
gliedmaassen, unter denen sie den Orthopteren am meisten verwandt
sind.. Wie diese besitzen sie kräftige Mandibeln und
wohlentwickelte Maxillen mit Innen- und Aussenlade
(letztere oft zweigliedrig, tasterartig, Fig. 432): dagegen
ist ihre Unterlippe vereinfacht, ein Mentum,
an dem kurze Palpi labiales, zur Ligula verwachsene
Glossen, ab und zu auch Paraglossen sitzen.
(Bei
Fig. 432. Ma-
xille von Prorni-
ste* eoriaeeus.
c 'Caplo,.s7Sti|N-s,
le, Ii LoblU ex-
tern us und L.
intern us, pm Pal-
puf m axillar is.
Lucamis neurotjuatha sind ausnahmsweise die Kiefer
[Lobi niaxillares] zu Saugorganen umgebildet). Ein
zweiter die Käfer von den Orthopteren trennender
Charakter ist die h olom et a hole Entwicklung,
in deren Verlauf stets typische freie Puppen auftreten,
während die Larven je nach der Lebensweise eine
grosse Mannichfaltigkeit der Gestalt zeigen (Fig. 411»).
Was aber am meisten den Thieren ein leicht kennt-
liches Gepräge verleiht, ist die Beschaffenheit der
Flügel; die an ihrer Basis durch ein Scutellum ge-
trennten Vonlerflügel sind harte, zum Flug ungeeignete
Elytren, unter deren Schutz die zarten, mehrfach ge-
falteten Hinterflügel, die eigentlichen Flugorgane (vergl.
Ohrwürmer), geborgen werden. Indem nun von den
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IV. Insecten: Coleopteren.
421
Elytren zugleich die zwei hinteren Thoraxringe und fast sämintliche
Bauchringe beschützt werden, erhalten die Ringe auf ihrer Rückseite
eine gleichartige , weichhäutige Beschaffenheit» So wird äusserlich
eine Dreitheilung des Käferkörpers vorgetäuscht
(Fig. 433), welche mit der den Insecten charak-
teristischen Sonderung in Kopf, Thorax und
Abdomen nicht zusammenfällt, eine Sonderung
in: 1) Kopf, 2) einen ansehnlichen Prothorax,
3) einen dritten Abschnitt, welcher vermöge der
Flfigelbedeckung einheitlich erseheint, tatsäch-
lich aber aus den beiden hinteren Thoraxringen
und dem Abdomen besteht.
Uni die zahlreichen, etwa 80 000 verschiedene
Arten enthaltenden Familien in übersichtlicher
Weise anzuordnen, hat mau 4 Unterordnungen auf-
gestellt und nach der verschiedenen Beschaffenheit
des Tarsus charakterisirt Derselbe besteht bei ^XTUftÄ
den Pentameren aus :> Gliedern, einem keulenlormi- Ludwig),
gen, die Klauen tragenden Endglied und 4 herz-
förmig ausgeschnittenen, an die Tibia anschliessenden Stücken (Fig. 434).
Während das Klauenglied überall constant bleibt, erfahren die vorher-
gehenden Glieder bei vielen Küfern eine Rückbildung: bei den Tetrameren
wird das vorletzte Glied rudimentär, bei den Trimeren wird von den zwei
vorletzten das eine rudimentär, das andere schwindet
ganz (Fig. 434 b). Da man früher die rudimentären, bei
gewöhnlicher Lage des Tarsus von der Umgebung ver-
deckten Stücke ganz übersah, zählte man nur 4, resp.
3 Tarsalglieder und kam so zu den Namen Tetrameren
und Trimeren , welche besser Oryptopentameren oder
Pseudoktrameren und Oryptoktramercn oder Pseudotrimeren
heissen sollten. Die Bezeichnung „Hctcromcrcnu für dio
vierte Unterordnung endlich bedeutet, dass der Tarsus
des dritten Beinpaares von den vorhergehenden fünf- Fig. 434. Tarsus-
gliedrigen abweicht, indem er pseudotetramer ist. men?0"«') "du^cuI
I. Unterordnung. Pentameren. Diese umfangreichste marf/inatus.b L'ryp-
Gruppe enthält die Lauf- und Sandkäfer Carabiden (Ca- totetramerevonCV-
losoma sycophauta L. [Fig. 433], Cicindela campestris L.), cinella septempunc-
die Wasserkäfer Hydrapluliden und Dityscidcn, die La- ^^Jt^*]^.
meUicornier {Lucanus cervm L, Hirschkäfer, Geotmpes
sterevrarius L., Mistkäfer, Melolanlha vidyaris L., Maikäfer,
Dynasks hereuks L ), Malacodermen (Lampyris noctiluca, L., Leuohtwürmchen),
Staphylinidcn, Flötenden (Pyrophorus noctifueus L., stark leuchtend) etc.
II. Unterordnung. JIderomeren. Von den wenigen hierher zu rech-
nenden Familien ist am bekanntesten die Familien der Mehiden, weil ihre
Vertreter zwischen den Bauchschienen ein scharfes Seeret (Cantharidin)
ausscheiden, welches Grund ist, dass die getrockneten und zerstampften
Körper der Lytta vesieataria L. (Cantharide oder spanische Fliege) zur
Bereitung von Blasenpflastern benutzt, werden können. Mcloi' proscara-
baeus L. Tcnebrionukn (Tcncbrio tnolitor L., Larve als Mehlwurm bekannt).
III. Unterordnung. Tetrameren {Oryptopentameren). Vier sehr arten-
reiche Familien macheu die dritte Unterordnung aus, alle 4 als PHanzen-
feinde von grosser Wichtigkeit. Die durch lange Fühler ausgezeichneten
Bockkäfer, Cerambycidcn, werden durch ihre im Holz bohrenden Larven
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422
Gliederfüßler.
den Waldungen .schädlich (Ccra/nbyx herox L, Aromia woschata L). Noch
verheerender wirken die Bißstrycliidcn, da Larven und geschlechtsreife Thiere
iro Baste bohren, wo sie Figuren erzeugen, welche an Lettern erinnern
(liosfrychas (ypographus L., Uylurgius pinijwda L.). Durch das Abfressen
der Blätter schaden den Pflanzen die Clirymmrlincn (Doryphora dcc&n-
linr/ita Laq., der Coloradokäfer an Kartoffeln, Donacia scriera L.). Die
Früchte endlich leiden durch den Stich der Curculionidcn, Rüsselkäfer,
welche mit ihrem rüsselartig ausgezogenen vorderen Körperende Nüsse
[Bdnninus nueum L), Aepfel (fUiynchilcs Bacchus L.) etc. anstechen und
in die Canäle ihre Eier legen, aus denen die Larven auskriechen, um die
Frucht auszufressen.
IV. Unterordnung. Trimcrcn. Aus dieser kleinsten Hauptabtheilung
der Käfer sind am bekanntesten die t.vccineUidcn oder Marienkäfercheo,
CoccineUa septempunetatn L., deren Larven durch die Jagd auf Blattläuse
nützlich sind.
VI. Ordnung. Hymenopteren.
Diu Hymenopteren, zu denen als bekannteste Formen die Bienen,
Wespen, Ameisen etc. gehören, haben der Mehrzahl nach kräftige, zum
Kauen geeignete Kiefer, an denen sich aber vielfach schon Merkmale
erkennen lassen, welche zu den leckenden Mundgliedmaassen über-
leiten : Streckung von Maxillcn und Unterlippe, Verschmelzung der
inneren Lippenladen zur (Jlossa. Eine Minderheit der Hymenopteren
ist auch mit vollkommen 'ausgebildeten Saugorganen ausgerüstet.
Bei Bienen und Hummeln (Fig. 40>>) ist die Glossa eine lang aus-
gezogene Rinne, deren Ränder umgebogen und fast zu einer Röhre
geschlossen sind ; sie steckt in einem Futteral, welches von den stark
verlängerten Labialtastern und den Laden der Maxillen gebildet wird:
nur die Mandibeln sind hier noch wie bei allen Hymenopteren kräftige
Beisszangen.
Da die Beschaffenheit der Mundgliedmaassen wechselt, ist bei der
Systematik grösserer Werth auf Körpergliederung und Flügelstructur
zu legen. Die Flu gel sind häutig, d. h. sie sind zarte, von wenigen
Adern durchzogene Membranen (Fig. 4.'H>); sie wirken beim Flug
durchaus wie ein einziges Paar, indem meist die Vorderflügel mit den
Ilinterflügeln durch häkchenartige Haftborsten fest verbunden sind.
Da jene wesentlich grösser sind als diese, übertrifft auch der zu-
gehörige Mesothorax an Ausbildung die beiden anderen Thoraxringe,
welche besonders der Prothorax — als kleine Stücke den Anschluss
au den kräftigen Mesothorax suchen und mit ihm sogar theilweise ver-
schmelzen. So wird der Thorax ein einheitliches Stück,
welches durch tiefe Kerben von Kopf und Abdomen getrennt wird;
speeiell das Abdomen ist häutig nur an einer schmalen Stelle (Wespen-
taille!) mit dem Thorax verbunden; es ist „anhängend" oder, wenn
das erste Bauchsegment fein ausgezogen ist, „gestielt".
Die Weibchen sind von den Männchen durch mancherlei Merk-
male unterschieden, vor Allem durch die Bewaffnung des hinteren
Körperendes, welche uns in zwei Formen entgegentritt, als Lege-
bohrer oder Terebra und als Stachel oder Aculeus. Die
Terebra dient zur Eiablage und gleicht, noch vollkommen dem Lege-
bohrer der Orthopteren, nur dass von den dort vorhandenen vier
Scheidenstttcken zwei an Grösse zurückbleiben, während die zwei
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IV. Insecten: Hymen opteren.
423
anderen allein das Etui für die als Bohrer functionirenden Stücke
bilden. Der A c u 1 e u s ist eine modificirtc Terebra ; von den sechs zur
Verwendung kommenden Stücken bleiben zwei, die „Stachelscheiden",
klein, zwei andere verwachsen unter einander zur „Stachelrinne", welche
den zwei „Stechborsten" zur Führung dient. Der Apparat wird nicht
mehr zur Eiablage verwandt, sondern zum Stechen und ist daher mit
einer an der Basis mündenden Giftdrüse versehen, deren ätzendes Secret
(Ameisensäure) die Schmerzhaftigkeit des Stichs verursacht; er wird im
Ruhezustand in den Hinterleib zurückgezogen ; er fehlt gemäss seiner
Entstehung aus einem Ovipositor den männlichen Hymeuopteren.
Die Unterschiede von Terebra und Aculeus liefern systematisch
gut verwerthbare Merkmale; von weiterer systematischer Bedeutung
ist die Entwicklung, welche eine holometabole ist. Zwar sind die
Puppen überall im Wesentlichen gleich (P. liberae), dagegen kennt
man zweierlei Larvenformen. Einige Hymenopteron haben Larven mit
wohlcntwickelten Beinen, vielfach sogar Raupen von lebhaft grüner
Färbung, die sich von Schmetterlingsraupen nur durch die grosse Zahl
der Afterfüsse unterscheiden; andere Hymcnopteren besitzen fusslose
Maden (Fig. 50). Raupen finden sich, wo sich die Larve selbst ihr
Futter suchen muss, Maden dagegen, wo die Larve im Uebermaass
von Nahrung aufwächst, sei es, dass sie dieselbe von den Imagines
zugetragen bekommt, sei es, dass sie parasitisch lebt. Auf Grund der
Unterschiede, welche die Larven und die Anhänge des weiblichen Ab-
domens bieten, kann man drei Unterordnungen aufstellen:
I. Unterordnung. Terebranticn. Weib-
chen mit Legeröhre. Larven raupenartig
oder doch wenigstens mit Thoracalfüssen
versehen. Die Eier werden in Blätter
oder Holz abgelegt, wobei es gewöhnlich
nicht zur Gallenbildung kommt. Die Larve
bedarf daher, um sich zu ernähren, der
Ortsbewegung. Die Tenthrcdiniden-LMven
fressen wie Schmetterlingsraupen Blätter
und sehen ihnen daher auch ähnlich
(Lophyrus pini L. auf Fichten); die
Uroceriden-h&rven bohren im Holz und
haben wie alle im Dunkeln lebenden
Larven weissliche Farbe. Sirex yigax L.
(Fig. 435). Fi„. m Sinx ,,,>,„, (nach
II. Unterordnung. Entophagm. Weib- Taschenborg).
chen ebenfalls noch mit einer Lege-
röhre versehen, Larven dagegen madenartig, ohne Beine, parasitisch in
Gallen oder in Thieren. Die Entophagen benutzen zum Theil ihre Lege-
röhre, um durch ihren Stich krankhafte Auswüchse, „Gallen", an Pflanzen
zu erzeugen, damit die im Centrum derselben sich aus dem Ei entwickeln-
den Larven hier ihre Nahrung finden ; zum Theil stechen sie mit der Lege-
röhre andere Insecten und Insecteularven an und versenken in sie die Eier.
Die ausschlüpfenden jungen Thiere fressen das Innere ihres WTirthes aus
und verursachen dessen Tod, der bei vielen Insectenlarven schon vor Be-
endigung der Metamorphose eintritt. Gallen erzeugende Hymeuopteren
sind die Cynipiden (Cyttips Oallae tinetoriae Oliv, ist die Ursache zur Bil-
dung der zur Tintenfabrication dienenden Galläpfel. IUtoditcs Itosac L.. Ur-
sache des Rosenkönigs). Als Insectenfeinde sind von grosser Bedeutung
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4l>4
Gliederfüssler.
die Ichneumonulen (Pimpla instigator Fabr.) und Braconiden {Microgaster
glomeratus L.), indem sie oft der Ausbreitung der verheerenden Insecten
(wie der Nonnen, der Kohlweisslingo) ein Ziel setzen.
III. Unterordnung. Acukatrn. Weibchen mit Stachel, Larven moden-
artig. — Der Stachel dient zum Angriff und zur Verteidigung, beides im
Interesse der jungen Brut, welche hilflos ohne Extremitäten auf das ihnen
zugetragene Futter angewiesen ist. Die Grabwespen, Fossorien {Sphtx
maxiüosa Fabr.) bauen in der Erde tönnchenartigo Behälter, in welche sie
die Eier legen. In die Behälter tragen sie zur Nahrung andere Insecten
hinein, welche sie durch einen Stich in das Bauchmark lähmen oder tödten.
Bei Wespen und Bienen, Vcsparien und Apiarien, werden kunstvollere
Bauten errichtet aus gekautem Holz (Wespen), oder aus zurecht geschnittenen
Blättern, Erde etc.. oder aus Wachsblättehen, welche die Thiere zwischen
den Abdominalschienen solbst ausscheiden (Bienen). Die Behälter, welche
die junge Brut mit ihrer Nahrung beherbergen sollen, sind auch hier ent-
weder einzelne Tönnchen oder hexagonale Zellen, welche kunstvoll zu
horizontal oder senkrecht stehenden Waben vereint sind. Da zur Nahrung
vegetabilische Substanzen, wie Honig, Blüthenstaub, gekaute Früchte dienen,
ist nunmehr die einzige Aufgabe des Stachels die Abwehr der Feinde.
Der Umstand, dass die Nachkommenschaft besser geschützt ist, wenn zahl-
reiche Individuen sich zu gemeinsamem Kampf vereinigen, hat wahrschein-
lich die bei Hummeln,
c A o Wespen und Bienen zu
verschiedengradiger Voll-
kommenheit gediehene
Staatenbildung veranlasst.
Das Bienenvolk (Apis
mellifica L), welches in
einem gemeinsamen Stock
lebt, besteht aus dreierlei,
durch verschiedenen Bau
des Kopfs und anderweitige
Merkmale unterschiedenen
Individuen (Fig. 43<> ;•:
er Königin, einigen Hundert Drohnen, den männlichen Bienen, und etwa
10,000 Arbeitsbienen. Letztere sind Weibchen und als solche mit dem
Stachel versehen; sie haben aber funetionsunfähige, rudimentäre Geschlechst-
organe und nur die Aufgabe, den Stock zu bauen, zu vertheidigen und in
ihm Futter für den Winter und zur Aufzucht der Brut zu sammeln.
Das Geschäft des Eieilegens bleibt der Königin vorbehalten, welche nur
einmal beim Beginne ihres Regiments begattet wird, wenn sie sich mit den
Drohnen auf den Hochzeitsflug begeben hat; für ihre vierjährige Lebens-
dauer bewahrt sie das Sperma im Receptaculum seminis. Je nachdem aus
demselben die Eier bei der Ablage mit Sperma versehen werden oder
nicht, entwickeln sie sich zu weiblichen oder männlichen Bienen. Eine
Königin, die nicht befruchtet wurde oder ihr Receptaculum völlig entleert
hat, ist drohnenbrütig; sie kann nur Drohneneier produciren. Das weitere
Schicksal der befruchteten Eier hängt von der Ernährung der Larven ab.
Die befruchteten Eier werden zu Arbeiterinnen bei spärlicher Kost, zu
Königinnen, weun sie in besonders grossen Zellen (Weiselwiegen) abgelegt und
demgemäss auch mit reichlicherem oder besserem Futter versehen werden.
Schlüpft aus einer Weisel wiege eine junge Königin aus, so verlässt die
vorhandene Königin mit einem Theil des Volkes (Vorschwarm) den Stock,
Fig. 4'J'5. Köpfe von Apis mtUifint. a Königin.
b Arbeiterin, e Drohne, mit 3 Steminata und "J median
zusammenstoßenden Faeettenaugen (nach Boa.«*).
e 1 n
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IV. Insecten: Dipteren.
425
um einen neuen Staat zu gründen. Das kann sich noch ein-, auch noch
zweimal wiederholen (Nachschwärme), solange noch genug Bienenvolk vor-
handen ist; andernfalls wird eine übermässige Verkleinerung des Arbeiter-
bestandes durch Tödten der noch nicht ausgeschlüpften Königinnen ver-
hindert.
Noch vorgeschrittener in der Staatenbildung als die Bienen und
Wespen sind die Ameisen, Formkarien, welche sich von den übrigen
Hyroenopteren am meisten entfernen, indem dio Flügel bei einem Thcil,
den Arbeitern, verloren gehen und der Stachel rudimentär wird oder ganz
schwindet. Nur wenige Ameisen stechen wie Bienen und Wespen; die
meisten beisson und spritzen das Secret (Ameisensäure) der Giftdrüse,
welche trotz Rückbildung des Stachels erhalten bleibt, in die Wunde.
Die Bauten der Ameisen sind weniger kunstvoll als die der Bienen, ihre
staatlichen Einrichtungen häufig complicirter. Man unterscheidet unge-
flügelte Arbeiter (rudimentäre Weibchen), häufig sogar verschiedene
Formen (grossköpfige Soldaten und kleinköplige Arbeiter), und geflügelte
Geschlechtsthiere, die sich auf dem Hochzeitsflug begatten. Die begatteten
Weibchen (Königinnen) kehren nach Verlust der Flügel in den Stock
zurück. Meist stehen mit den Ameisenstaaten anderweitige Insecten
(Myrmecophilen) in Verbindung, wie die Aphiden, welche wegen des von
ihnen bereiteten Honigs gepflegt werden. Viele Ameisen ziehen die ge-
raubten Puppen anderer Arten auf und benutzen die auskriechenden Ima-
gines als Sklaven. Polycrrjus rufcsccns Latr. ist sogar auf diese Sklaverei
angewiesen, da sie von den Sklaven gefüttert wird und ohne sie verhungert.
Sehr interessant sind die Ameisen durch ihre planmässig unternommenen
Kriegszüge {Ecitom: E. kgionis Bates), durch ihre Beziehungen zu Pflanzen,
denen einige Arten {Atta ccphaiotcs Fab., „ Blattschneiderameisen ") die
Blätter rauben, während andere {Azteca instabilis Smith) sie wieder gegen
die Angreifer vertheidigen. Den vortheidigenden Ameisen bietet dio schutz-
bedürftige Pflanze meist Zufluchtsstätten in Hohlräumen der Internodien
oder der Stacheln, welche sich durch besondere Mündungen, die Ausfall-
thore der Vertheidiger nach aussen öffnen.
Vn. Ordnung. Rhynchoten, Sohnabelkerfe.
Die Rhynchoten sind in ihrem äusseren Habitus am ähnlichsten
den Orthopteren und Archipteren. Aehnlich ist die Art, wie Kopf,
Thorax und Abdomen aneinandergefügt sind, ähnlich die hemimetabole
Entwicklung, die bei Rückbildung der Flügel zur ametabolen wird.
Rhynchoten mit starren, lederartigen Flügeln, wie die Cicaden, können
daher von unerfahrenen Beobachtern leicht mit Heuschrecken ver-
wechselt werden, während andere Arten, wie die Aphiden, durch die
zarte Structur und die Gleichartigkeit ihrer Flügel an Archipteren
erinnern. Unterscheidend sind in allen Fällen die zu einem Stech-
rüssel umgewandelten Mundgliedmaassen. Die Unterlage des Rüssels
ist eine viergliedrige, von der Unterlippe gebildete Rinne, deren Spalt
durch die Oberlippe geschlossen wird, während im Innern Mandibeln
und Maxillen — erstere noch zu einem besonderen Saugrohr vereint
— als vier Stechborsten liegen. Nach der Ausbildung der Flügel sind
leicht drei Unterordnungen zu unterscheiden.
I. Unterordnung. Hemiptercn (Heterojderen\ Wanzen. Dio Wanzen
(Fig. 437) besitzen eine nur ihnen zukommende Beschaffenheit der Vorder-
flügel; dieselben sind Hemielytren, d. h. sio sind lederartig an der
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Gliederfüssler.
Basis, weich und elastisch an der Spitze. Zwischen den Hemielytren liegt
ein ansehnliches Scutcllum (s , ein dreieckiges Stück, welches bei Schild-
wanzen den Rücken mehr oder minder vollkommen deckt. Da nun Scu-
tellum wie Hemielytren. wenn auch
selten , rückgebildet sein können,
muss als weiteres allgemein vor-
kommendes Merkmal der Stink-
a p p a r a t erwähnt werden , ein
paariger Drüsenapparat , welcher
den Wanzen ihren meist widerlichen
Geruch verleiht und ventral am
Metathorax mündet. Nach dem
Fig. 437. Pintatoma rufipcs. u mit au- Aufenthaltsort gruppirt man die
gebreiteten, h mit geschlossenen Flügeln, zahlreichen Familien in die Wasser-
s Bcutellum ums Hayek). und Landwanzen, Hydro>wcs und
Gem-ures. Zu den erstcren ge
hören die äusserst schmerzhaft stechenden, grossen Seorpiouwanzen Xepiden
(Xepa cinerea L., Itanatra linearis L., Xotone/ta glauca L.), zu letzteren die
Schild- oder Baumwanzen Prntnlomidrn (P. rufipes L. [Fig. 437j) und die
Hautwanzen Mnnbranacem. Die bekannteste Hautwanze (der Name bezieht
sich auf die Abplattung des Körpers) ist die Bettwanze Acanihia (Cimex)
leetularia L. Auf der Oberiläche von Teichen etc. leben die Ilydrodromiei
(Ilydroinclra lacustris L.).
II. Unterordnung. Homoptrren. Die Vorder- und Hinterflügel der
Homopteren sind, sofern nicht ein oder beide Paare rückgebildet sind, von
gleichartiger Structur, wenn auch nicht immer von gleicher Grösse; entweder
sind sie ähnlich den Flügeln der Heuschrecken pergamentartig : Cieadarien,
oder sie sind äusserst zart wie bei manchen Xeuroptcren : Phytophthiren. —
Zu den Ciradarkn gehört vor Allem die Familie der Xtridnlantien, welche
im männlichen Geschlecht laut schallende Tonapparate besitzen i Trommel-
felle am Abdomen, die durch Muskeln in Schwingungen versetzt werden\
Cieada plebcja Scop., die Singcicade Südeuropas ; Cicatla orni L. (Fig. 438 .
bewirkt durch ihren Stich an Eschen den Ausrluss von Manna. Eine weitere
Familie hat einen an eine Laterne erinnernden, jedoch nicht leuchtenden
Aufsatz: Fulgorinen (Fnlgora laternaria L.). — Die Phytophthiren (Fig. 440)
sind den Pflanzen schädlich, deren Blätter, Stämme und Wurzeln sie an-
stechen, wobei häufig Gallen entstehen. Die vorwiegend parthenogenetische
Fortpflanzung ist Ursache zu einer enormen Vermehrung, die lange Zeit
localisirt bleibt, da die meisten (häufig viviparen) Weibchen flügellos sind.
Zeitweilig auftretende geringelte Weibchen führen dann zur weiten Aus-
breitung (Fig. 440/). Im Herbst erscheinen Männchen; die von ihnen
befruchteten Eier überwintern. Man kennt zwei Familien, Ooreiden und
Apkidnt. Bei den (<«'cidcn oder Schildläusen sterben die flügellosen
Weibchen nach der Eiablage ab und decken die Eier mit ihrem Körper,
der zuvor auf seiner Oberfläche eine zu einem Schild erhärtende Wachs-
masse ausgeschieden hat; sie produciren vielfach Farbstoffe von grosser
Beständigkeit. f-o»x'its ceati L., die Cochenillelaus (Carmin), Coccus laeea
Fabr. lebt auf Ficus religiosa und liefert das Kohproduct für den Schellack.
Die Aphidrn oder Blattläuse sind weichhäutig, verursachen durch ihre
klebrigen Honig enthaltenden Excremente bei Pflanzen den schädlichen
Mehlthau: Apliis rome L. Die besondere Unterfamilie der Chernietiden oder
Rindenläuse, an Wurzeln und Stengeln saugend, ist berüchtigt durch
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IV. Insecten: Rhynchoten. 427
die dem Weinstock so verderbliche Reblaus, Phyllorera mMatrix PI.
;Fig. 440).
mit Xodosi taten (a) von einem von Püyllo-
Fijr. 4/59. Phlhirius inqui- xern befallenen Weinstock, .7 un^eflügclte
natü (nach Lcuekart). Wurzelgeneration (aus Uuinis-Ludwig),
III. Unterordnung. Aptcrcn, Läuse, flügellose Thiere mit directer
Entwicklung, bekannt durch die auf dem Menschen schmarotzenden Pcdicu-
lidcn, welche mit ihrem Rüssel Blut saugen. Die auffallend grossen Eier
(Nissen) werden an die Haare angeklebt. Pcdk-ulius capitis de Geer und
P. rcstimentorum Burm. mit langgestrecktem Abdomen, letzterer bei enormer
Vermehrung Ursache der Phthiriasis oder Läusesucht. Phthirius iwjui-
nalis L. (pubis Redi) mit gedrungenem Abdomen (Fig. 439).
VIII. Ordnung. Dipteren, Zweiflügler.
Mit den Rhynchoten werden die Dipteren von manchen Zoologen
als Pun gentien, d. h. Insecten mit stechenden Mundtheilen vereinigt.
In der That ist eine Aehnlichkeit der Mundgliedmaassen nicht zu ver-
kennen, da die Unterlippe gemeinsam mit der Oberlippe einen Rüssel
(Haustelluni) bildet, in welchem Mandibeln, Maxillen Und ein Fortsatz
der Unterlippe, der Hypopharynx, als Stilets eingeschlossen liegen. Im
Einzelnen sind jedoch manche Unterschiede vorhanden, wie z. B. dass
die Maxillen wohl entwickelte Taster tragen (Fig. 410), dass ferner an
der Bildung des Saugrohrs ausser den Mandibeln auch die Oberlippe
betheiligt ist. Zu diesen untergeordneten Differenzen kommen noch
3 sehr wichtige weitere Merkmale, die eine völlige Sonderung der
Dipteren nöthig machen (Fig. 442, 443): 1) Von den Flügeln ist nur
das vordere Paar gut entwickelt, d a s z w e i t e ist von den H a 1 1 e r e n
ersetzt, kleinen, wie Paukenschlägel mit einer Anschwellung endenden
Fortsätzen, welche durch ihren Reichthum an Nerven sich als Sinnes-
organe zu erkennen geben und für die Erhaltung des Gleichgewichts
beim Flug von Wichtigkeit sind. 2) Aehnlich wie bei Ilymenopteren
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42S
Gliederfüssler.
ist der Thorax ein gegen Kopf und Abdomen scharf abgesetztes
einheitliches Stück, in welchem der Mesothorax in auffallender Weise
überwiegt. .']) Die Entwicklung ist eine holometabole, in deren
Verlauf zweierlei Larven und zweierlei Puppen auftreten Die Larven
sind stets fusslos , haben aber entweder einen besonderen Kopf-
abschnitt mit beissenden Mundgliedmaassen, oder sind kopflos und
haben einen rudimentären Saugapparat (Fig. 441). Die Puppen sind
entweder freie Puppen mit grosser Beweglichkeit oder sie sind
Tönnehcnpuppen. Giebt uns somit die Entwicklungsgeschichte auffal-
lende, systematisch gut verwerthbare Merkmale an die Hand, so werden
dieselben wesentlich ergänzt durch Unterschiede in der Länge oder Kürze
der Beine, der Fühler, des Rüssels und durch Unterschiede in der
Körpergestalt.
Fig. 441. Larve Fig. 442. Ceenhmtyia- Fig. 443. da atroph Uns
von Anlhomi/ia ra- Weibchen (nach Nitsche). cqiti, h Haitoren (ans Hayck).
nicularis{mw\\ Leu- F/'Vordcrflügel, FlH Hinter-
ckart). flügel oder Halteren.
I. Unterordnung. Xi innreren , Mücken. Die Thiere sind langge-
streckt, mit langen, vielgliedrigen Fühlern, langem Rüssel, langen Beinen.
Die Larven leben im Wasser, wo sie beim Mangel der Füsse mittelst
zuckender Körperbewegungen schwimmen und mit kräftigen Fresswerk-
zeugen Beute erjagen. Die freie Puppe kann ebenfalls noch ziemlich
energisch im Wasser schwimmen. Die bekanntesten Mücken sind die un-
schädlichen Tfofdidcn {Tipida gigantca Sehr.) und die empfindlich stechenden
Schnaken oder Stechmücken, Culiciden {Culex pipiens L.). Durch ihre Pädo-
genese haben einige Ovidonn/idrn (Fig. 442) der Gattung Miastor das
Interesse auf sich gelenkt (Fig. 417).
II. Unterordnung. Tanystomcn. In der gedrungenen Körpergestalt
und den meist kurzen Fühlern und Beinen gleichen die Tanystomen den
Musearien, mit denen sie früher vereinigt wurden ; sie unterscheiden sich
von ihnen und nähern sich den Xemoeercn durch den langen Rüssel und
durch ihre Entwicklung. Larven und Puppen leben beweglich in der Erde ;
erstere haben beissendo Mundgliedmaassen. Tabaniden, Bremsen, Tabamut
bwinus L. Die weiblichen Thiere verfolgen mit ihren schmerzhaften Stichen
Rinder, Pferde und Menschen.
III. Unterordnung. Musenrien (Braehyceren nach Ausschluss der Tany-
stomon). Die „Fliegen" haben einen gedrungenen Körper, kurze drei-
gliedrige Fühler mit einer Borste (AristaJ, kurze Beine, die mit Haftlappen
(Pulvillen) enden. Ihre kopflosen Larven leben in faulenden Substanzen
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IV. Insecten: Aphanipteren, Lepidopteren. 429
oder parasitisch in anderen Thieren ; die Puppen sind Tönnchenpuppen.
Museiden : Mu-sca domestiea L. Musea vomitoria L. Schmeissfliege, legt die
Eier an Leichen oder rohein Fleisch ab, Tachina fera L. Larven leben in
Schnietterlingsraupen. Anthomyia canicuhris L.: die gewöhnlich auf faulen-
den pflanzlichen Stoffen lebende Larve (Fig. 441) kann im menschlichen
Darm schmarotzen. Oestridcn: die Larven leben stets parasitisch, z. B.
in den Dasselbeulen des Rindes (Hypoderma bovis L.) oder in Geschwüren
des Pferdemagens (Gastrophilm cqui Fab.) (Fig. 443). Syrphiden : Eristalis
tenax L., Larven mit langer Athemröhre in Cloaken.
IV. Unterordnung. Pupiparcn. Die sehr beweglichen Thiere leben
parasitisch auf dem Körper von Säugethieren und Insecten und haben
häufig ihre Flügel gänzlich eingebüsst. Die Larvenentwicklung verläuft
im Uterus der Mutter, so dass die Larven kurz nach der Geburt sich ver-
puppen können. Braula coeca Nitzsche, Bienenlaus, ein sehr verbreiteter
Parasit der Honigbiene.
IX. Ordnung. Aphanipteren, Flöhe.
Mit den Dipteren wurden trotz des Mangels der Flügel die Aphatii-
ptercn {Siphonapteren) oder Flöht* vereinigt, weil man mit Recht an-
nahm, dass die Thiere von beflügelten Formen abstammen. Letzteres
lässt sich ans der holometabolen Entwicklung
sehliessen, im Laufe deren lange, fusslose. in
faulendem Holz lebende Larven und freie
Puppen auftreten. Wichtige Einwände gegen
die Vereinigung mit den Dipteren ergeben sich
jedoch aus der gleichförmigen Körpergliederung
(Fig. 444) und dem Umstand, dass das Hau-
stellum fehlt. Das Saugrohr wird von den
Oberkiefern und Oberlippe gemeinsam gebildet, R /w,,x lVri-_
während die messerartigen Maxillen zum Ein- (aus Blamhard).
schneiden der Haut dienen. Ausser dem Men-
schenfloh Pulex irritans L. kennt man viele auf anderen Thieren
schmarotzende Puliciden. Ein auch den Menschen befallender Parasit
der Tropen ist der Sandfloh, die Sarcopsylla penetrans L., die
sich mit dem vorderen Ende in die Finger- und Zehenhaut unter den
Nägeln einbohrt und hier die Eier ablegt.
X. Ordnung. Lepidopteren, Schmetterlinge.
Unter sämmtlichen Insecten ist die Ordnung der Lepidopteren
oder Schmetterlinge am schärfsten umschrieben. Die Flügel, welche
in beiden Paaren gut entwickelt sind und nur selten, z. B. bei den
Weibehen vieler Psychiden fehlen, haben mehr oder minder lebhafte und
prächtige Farben, indem sie mit Schuppen, welche nichts Anderes
sind als blattartig umgewandelte Haare, bedeckt sind. Da der Meso-
thorax entsprechend der grossen Entfaltung der Vorderflügel sehr
ansehnlich ist, fügen sich der kleine Pro- und Metathorax ihm an und
bilden mit ihm ähnlich wie bei den Hymenopteren einen besonders
gegen den Kopf scharf gesonderten Körperabschnitt. Die Mundglied-
maassen (Fig. 400) haben eine höchst eigentümliche, allerdings bei
Phryganiden schon vorbereitete Beschaffenheit, indem die Mandibeln
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430
Gliederfüssler.
rudimentär sind, die .stark verlängerten Maxillen dagegen den einroll-
baren Rüssel erzeugen. Kiefer- und Lippentaster sind vorhanden,
erstere aber sehr viel kleiner als diese und oft kaum noch zu er-
kennen. Die Entwicklung ist holoinetabol ; die Larven der Schmetter-
linge, die Raupen (Fig. 421), haben kauende Mundgliedmaassen,
besonders kräftige Mandibeln, 2— f> Paar Pedes spurii, endlich im
Innern die Serictericn, ein Paar Drüsen, die gemeinsam an der Unter-
lippe münden und ein zu Seidenfäden erhärtendes Secret liefern. Aus
einem einzigen Seidenfaden weben sich viele Schmetterlingsraupen (so
die industriell verwendbaren Seidenspinner) einen Coccon, innerhalb
dessen sie sich zu einer gedeckten Puppe verwandeln. Will man den
Coeon zur Seidengewinnung benutzen, so müssen die Puppen durch
Hitze getödtet werden, damit der Schmetterling nicht beim Aus-
schlüpfen den Coeon durchbohrt und dadurch den Zusammenhang
des Seidenfadens zerstört.
I. Unterordnung. Murokphhptcreii, Motten. Kleine, moist unschein-
bare Schmetterlinge, welche beim Sitzen die Flügel horizontal zusammen-
schlagen, die vorderen über die hinteren ; Maxillartaster auffallend gross.
Rüssel klein. TincUkn, Schaben ; die Raupen bauen sich aus ihrem Futter-
material eine Röhre, welche sie mit sich herumtragen. Tinea pclliomUa L.,
Kleider- und Pelzmotte; Twfricithn, Wickler; die Raupen wickeln Blätter
zu einer Röhre zusammen. Tortrix viridana L. Die Larven mancher Tor-
triciden veranlassen die Wurmstichigkeit der Früchte (Carj)acapsa pomonclla
L. in Aepfeln, GraptolUho funcbrana L. in Zwetschen).
II. Unterordnung, (komr-triucn, Spanner. Schmetterlinge schlank,
mit Flügeln, die durch Schnitt und Farbe an die Flügel der Tagschmet-
terlinge erinnern, aber horizontal zusammengeschlagen werden ; weitere
Unterschiede sind die kleine Rollzunge und die borstenförmigen Fühler.
Raupen mit nur 2, selten 3 Paar Afterfiisseu, durch eigenthümliche Fort-
bewegung ausgezeichnet, Gcomrtra papiliotiaria L. Abraxas yrossubiriata L.
III. Unterordnung. Xoctuincn, Eulen. Schmetterlinge von ge-
drungenem Körporbau mit meist grauen, durch 2 Makeln und zickzack-
förmige Linien ausgezeichneten Vorderflügeln, welche in der Ruhe die
manchmal lebhaft gefärbten Hintorflügel (Ordensbänder: Cotocala fraxiui,
C. nupta L. etc.) decken. XoHna prottuha L.
IV. Unterordnung. Lhwbycincn, Spinner. Körper plump, wollig
behaart, mit nieist trübgetarbten, breiten, ab und zu im weiblichen Ge-
schlecht [Psych?, Oryyin^ fehlenden Flügeln , Rüssel häufig rudimentär,
Fühler lang, gekämmt ; Raupen haarig, durch stark entwickeltes Spinnver-
mögen ausgezeichnet. Technisch verwerthet werden die Cocons von
Bombyx ntori L. (vorwiegend in Europa). Attacus pnlyphcmus (Nordamerika),
Saturnia Cynthin (Japan und China). Grosse Verheerungen in Wäldern
verursachen Gastrojwha p'nii L., Kiefernspinner, Ontcria monacha L., Nonne,
Onethacmtipa proa ssionca L., Processionsspinner. Die Larven der oft par-
thenogenetisch sich fortpflanzenden Psych iden bauen sich sackförmige, bei
Ps. hclix L. Spiral gewundene Gehäuse.
V. Unterordnung. Sphinyiden, Schwärmer. Der dicke, lange Kör-
per trägt lang gestreckte, schlanke Vorderflügel und kürzere Hinterflügel,
Rüssel sehr lang, Fühler kurz: Raupen glatt mit Afterhorn. Sphinx con-
volmli L., Windig, DcilephUa cuphorbiac L., Acherontia airopos L., Todten-
kopf. Die Sexten ahmen Bienen, W:espen und Hornissen nach.
VI. Unterordnung. Ithopalocrrcn, Tagfalter (Fig. 11, 1 3). Körper
schlank, Flügel beim Sitzen aufwärts geschlagen, damit die gewöhnlich
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V. Arachnoideen.
43t
dunklen Unterseiten die bunt gefärbten Oberseiten verdecken; Rüssel gut
entwickelt, Fühler mit keulenförmigen Enden, Raupen meist dornig,
Puppen mit nur einem Faden aufgehängt. Nicht selten überwintern die
Imagines Vanessa urticae L., Fuchs, Pieris brassicae L., Kohlweissling,
Doritis apollo L., Papilio machaon L., Schwalbenschwanz.
V. C lasse.
Arachnoideen, Splnncnthlere.
grosserer
Unter dem Namen Arachnoideen fasst man ein Anzahl
und kleinerer Ordnungen zusammen, die sich um die Hauptabtheilung
der Weberspinnen oder Amneen herum gruppiren. Letztere zeigen die
Merkmale der Classe am schönsten entwickelt, während bei anderen
Ordnungen, so namentlich den Solpugen, das Charakteristische erst in
Entwicklung begriffen ist, bei dritten For-
men wie den Milben und Zungenwürmern
dagegen sich schon wieder verwischt bat
Bei der allgemeinen Besprechung werden wir
uns daher an die Araneen und verwandte
Formen zu halten haben (Fig. 44;")).
Der Spinnenkörper ist durch eine deut-
liche, häutig sogar tief eingeschnittene Kerbe
in den vorderen Cephalothorax und das
hintere Abdomen abgetheilt. Da das Ab-
domen keine Extremitäten trägt, kann die
Zahl seiner Segmente nur dann, wenn die
Grenzen noch erhalten sind, sicher bestimmt
werden. In diesen Fällen, die im Allge- Fig. 4 iö. Epeira diadma
meinen selten sind , schwankt die Zahl TasehenWg). « das
zwischen 6 bei den Phalangicn und 13 bei 'lW/> die Augen, vergrö^rt.
den echten Scorpionen.
Der Cephalothorax ist ein zusammenhängendes Stück, das*
mindestens aus (> Segmenten besteht, da es H Paar Extremitäten be-
sitzt. 4 Paar Extremitäten werden zur Fortbewegung verwandt; sie
sind sehr lang und aus 6 Gliedern zusam-
mengesetzt, von denen das letzte 2 Klauen
trägt. Wie für die Insecten die
Sechszahl der Beine, so ist für die
A r a c h n o i d e e n d i e A c h t z a h 1 c h a r a k-
ter istisch. — Vor den Beinen liegen 2
weitere Extremitätenpaare in der Umgebung
des Mundes ( Fig. 44(5) : 1 ) die Kieferfühler
(Cheliceren) und 2) die Kiefertaster
(P ed ipalpcn). Die Kiefertaster sind
langgestreckt und beinähnlich; ihr Basal-
glied (7) ist zum Kauen umgewandelt, die
übrigen (> Glieder bilden den Palpus (/>), der
entweder ein Klauen- oder ein Scheerentaster
ist. Beim Klauentaster ist das letzte Glied
eine scharfe, einschlagbare Klaue; beim
Scheerentaster ist es die bewegliche (im Gegensatz zu dem Fluss-
Kflrp«-
Fig. 44(5. Mundglied-
niaaswn von Epcira diadema,
1 Kieferfühler, 2 Kiefertaster,
/ Kaulade, p Palpus.
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432
Gliederfüssler.
krebs äussere) Branche der Seheere. während die innere unbe-
wegliche Branche durch einen Fortsatz des vorletzten Gliedes ge-
liefert wird (Fig. .*>;").'>). — Der kurze Kieferfühler besteht nur aus
2 Theilen, der Basis und der einschlagbaren Endklaue (Klauenfühler) ;
bei manchen Arten wird er zum Seheerenfühler, wenn die Basis zu
einer feststehenden Scheerenbranche auswächst. Die Endklauc der
Kieferfühler wird beim Angriff dem Gegner in den Körper einge-
schlagen und verursacht eine gefährliche Wunde, da in dem Klauen-
glied eine ansehnliche Giftdrüse mündet.
In der morphologischen Bourtheilung der Cheliceren gehen die An-
schauungen der Zoologen auseinander, ob sie den Antennen oder den
Mandibcln der Insccten und Myriapoden vergleichbar sind, mit anderen
Worten, ob die Antenne gänzlich verloren gegangen ist oder ob sie als
Chelicere nur eine vom Gewöhnlichen abweichende Function und Gestalt
angenommen hat. Für die letztere Ansicht spricht, dass die Chelicere
praeoral liegt, vom oberen Schluudganglion innervirt wird und dass ent-
wicltluugsjjeschichtlich sich weder eine Antenne noch ein Antennensegment
anlogt. Dagegen hat man wieder gehend gemacht, dass der Abschnitt des
oberen Schlundganglions, welcher den Nerven an die Chelicere abgiebt,
selbständig hinter dem Mund entsteht und somit dem Bauchmark angehört,
um erst später mit dem Hirn zu verschmelzen.
Der Darm der Arachnoideen (Fig. 447)
zeichnet sich vor Allem dadurch aus, dass auf
den Oesophagus ein Magen folgt, der bei den
ineisten Arten mit 4 5 Paar nach den Extre-
mitäten gewandten oder in dieselben sogar ein-
dringenden Blindsäcken idt) ausgerüstet ist.
Der Dünndarm nimmt die Ausführgänge (da)
einer sehr ansehnlichen, das Abdomen füllenden
Leber auf Der Enddarm steht mit 2 Vasa
Malpighii ivm) in Verbindung und ist häufig in
einiger Entfernung vom After blasenartig (rb)
erweitert.
Der Oesophagus ist stets von einem sehr
engen Sehl u n d r i n g umfasst, der dorsal aus
dem Hirn besteht, ventral aus einer grossen
Ganglienmasse, in welcher mindestens alle Gan-
glienpaare des Cephalothorax. meist auch die
des Abdomens enthalten sind ( Fig. 3f>(» D). Nur
bei gutgegliederten Thieren, w ie den Scorpionm,
können sich die Ganglien des Abdomens in
grösserer Zahl getrennt erhalten.
sionMorg.nc Von den Sinnesorganen sind ausser
den Tasthaaren nur noch die Augen gut bekannt, J^TdJSLÄ,
2—12 mit grosser Linse, zeitigem Glaskörper (/n i^Wjränjrc rb Iteetal-
und einer ansehnlichen Retina ausgerüstete blase mit Vasa Malpighii
Stcmmata (Fig. .x>7). Die grosse Zahl der Stäb- (*»0. an After, a Ah-
chen in der Retina macht es wahrscheinlich, dass do,m>n-
die Augen sehr gut funetioniren. Auch das
Gehör scheint gut entwickelt zu sein; wenigstens ist es bekannt,
dass man Spinnen abrichten kann, auf bestimmte Melodien hin ihre
Schlupfwinkel zu verlassen. Ob aber gewisse mit Nerven in Verbin-
dung stehende Haare, die an verschiedenen Stellen der Taster und
NcM-IMl-
n
Dann von
Ctcttixa Cfteinntfaria (aiu
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V. Arachnoideen.
4.J3
Fig. 4 18. Anfänge des
linken und rechten Tra-
cheenbüschels von Any-
Fig. 440. Lunge von
Zilla calopht/la, st btigtua,
b Blatter der Lunge, a
der Beine stehen, Sitz der Tonempfindung sind, wie man vermuthet
hat, muss zweifelhaft erscheinen.
Die Respirationsorgane zeigen eine auffallende Lage und
geringe Zahl der Stigmen ; man findet sie ventral im vorderen Abschnitt
des Abdomens, selten am Cephalothorax, höchstens 4 Paar, häufig sogar
nur 2 oder 1 Paar. Man unterscheidet ausser den schon besprochenen Tra-
cheenbüscheln, wie sie sonst bei Tracheaten vorkommen (Fig. 448), noch
die für die Arachnoideen eigentümlichen Fächertracheen oder Tracheen-
lungen. Eine Tracheenlunge (Fig. 440) sitzt dem weiten Spalt des Stigma
als ein rundlicher Körper auf
und besteht aus zahlreichen
Blättern, welche am Stigma
zusammengehalten werden
wie die Blätter eines Buches
am Rücken des Einbandes.
Jedes Blatt enthält einen
von Chitin ausgekleideten,
spaltförmigen nach dem
Stigma zu sich öffnenden
Luftraum und lässt sich als
eine platt ausgewalzte Tra-
cheenröhre auffassen, so
dass es leicht ist, die Tra-
cheenlunge auf ein gewöhn-
liches Tracheenbüschel zu-
rückzuführen.
Wir kennen nun Arach-
noideen, welche nur Tra-
cheenbüschel, und andere, welche nur Tracheenlungen haben, dazu end-
lich Formen, bei denen Tracheenlungen und Trachcenbüschel nebeneinan-
der vorkommen. Dieses Vicariiren von Tracheenbüscheln und Tracheen-
lungen ist ein weiteres Zeichen, dass beides dieselben morphologischen
Gebilde sind ; es ist ferner für die Beschaffenheit der Circulationsorgane
wichtig., Je mehr die Athmung durch Umbildung der Trachcenbüschel zu
Lungen auf engbegrenzte Partieen des Abdomens localisirt wird, um so
vollkommener ist das System von Blutgefässen, welches sich zum Herzen
gesellt, am vollständigsten bei den ausschliesslich durch Lungen athm en-
den Scorpionen. — Das im Abdomen liegende Herz empfängt durch
seitliche Spaltöffnungen das Blut aus der Leibeshöhle und giebt es
durch eine hintere und vordere verästelte Hauptarterie an den Körper
ab. Bei kleineren Formen, wie vielen Milben und sämmtlichen Tardi-
graden, oder bei Parasiten, wie den Linguatuliden, fehlt das Gefäss-
system gänzlich; ebenso pflegt dann auch die Tracheenathmung durch
Hautathmung ersetzt zu sein.
In Kürze sei hier einer Auffassung gedacht, welche eine Zeit lang
viel Beifall gefunden hat: es sollen die Tracheenlungen der Arachnoideen
nicht den Tracheen der Inaeden entsprechen, sondern den Kiemenblättern
des Limulus, welche durch Einstülpung in das Innere des Körpers ver-
lagert worden seien. Die Tracheenbüschel der Spinnen seien durch Modi-
fication der Tracheenlungen entstanden und hätten daher mit den Tracheen
der Jnsectcn nichts zu thun. Ueberhaupt sollen die Arachnoideen mit den
Insecten in keiner näheren Verwandtschaft stehen, sondern unabhängig von
ihnen aus Xiphosuren ähnlichen Urformen entstanden sein. Zu Gunsten der
Herl h ig, Lehrbuch der Zoologie. 3. Aufl»«e. 28
phac.ua aceeiituata mit da« zuletzt gebildete Blatt
unpaarem Stigma (st) (nach Bertkau),
(naeh Bertkau).
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434
Gliederfüssler.
letzteren Annahme wird noch geltend gemacht: dass die Arachnoideen mit
den Xiphosuren gemeinsam haben 1) die Zahl und Anordnung der Ex-
tremitäten am Cephalothorax, 2) das Vorkommen von Coxaldrüsen. Letztere
Organe verlieren jedoch dadurch wesentlich an systematischer Beweiskraft,
dass sie' wie die Schalen- und Antennendrüseu der Crustaceen und die
Segmentalorgane des Peripatus auf eine gemeinsame Grundform, die Seg-
mentalorgane der Anneliden, zurückführbar sind.
Die Geschlechtsorgane der nur ausnahmsweise hermaphro-
diten Arachnoideen sind sehr verschiedenartig, haben aber folgende
Grundzüge gemein : paarige, im Abdomen eingeschlossene Geschlechts-
drüsen geben nach vorn paarige Ausführgänge ab, die sich an der
Basis des Abdomens zu einer unpaaren Mündung vereinen. Wenn die
Geschlechtsdrüsen an ihrem hinleren Ende verschmelzen, so wird der
ganze Geschlechtsapparat zu einem King geschlossen.
Die Arachnoideen sind eierlegend, selten lebendig gebärend {Scorj>ione
und manche Milben); sie sorgen vielfach für ihre Eier und vertheidigeu
sie gegen Angriffe. Die Scorpionc dehnen diese Fürsorge sogar auf die
ausgekrochenen Jungen aus, welche die Mutter auf ihrem Körper mit sich
herumträgt. Selten, und auch dann nur bei den weniger charakteristischen
Formen der Classe, wie den Lingual ulidcn und Acarinen, findet sich eine
Art Metamorphose: dieselbe beschränkt sich darauf, dass zunächst nur
2 oder 3 Extremitäten augelegt werden und dass die fehlenden erst später
nachwachsen.
Systematik. Nach der Beschaffenheit der Extremitäten und der
Respiratiousorgane, sowie nach der Gliederung des Körpers unterscheidet
man 9 Ordnungen. Es ist zweckmässig und erleichtert die Uebersicht,
diese 9 Ordnungen auf die 2 Unterclassen der Arthronaiitres und Sphaerogastres
zu vertheilon, je nachdem die Segmente des Abdomens noch gegen einander
abgegrenzt oder zu einem weichhäutigen Sack verschmolzen sind.
Fijr. l.")0. Soipuya (Galeode
arant oi'/es tau* Sehninrdn). / Kie-
felffthler, 2 KiefertaMer, .7 tit-tor-
artiges »-rstea Bein, 4—6 Beine.
I. Unterclasse.
Arthrogastres, Gliederspinnen.
I. Ordnung. Solpugen, Walzenspinnen.
Den Solpugen fehlt noch der Ce-
phalothorax. da nur die 3 ersten Seg-
mente verschmolzen sind, die 3 folgen-
den Thoraxsegmente dagegen sich ge-
trennt erhalten. Die in dieser Körper-
gliederung zu Tage tretende Aehnlichkeit
mit Insecten wird noch weiter dadurch
gesteigert, dass nur die 3 thoracalen
Extremitäten (Fig. 450, 4 — 6') Klauen
tragen und zum Laufen dienen, während
das erste Paar Spinnenbeine (•'/) den
Kiefertastern {'->) ähnlich ist und zum
Tasten verwandt wird. Die Cheliceren (I)
sind kräftige, weit über den Kopf hinaus
ragende Scheerenfühler. Die Thiere
athmen mit 4 Paar Tracheenbüscheln,
von denen das erste am Thorax mündet.
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V. Arachnoideen: Phrynoideen, Scorpionideen.
435
Wie der Name sagt, sind die Solpugen (Solifugen) nächtliche Thiere,
welche Tags über in ihren im Sand gebauten Nestern leben und nach
Sonnenuntergang auf Raub herumschweifen. Sie bewohnen die Steppen
namentlich Südrusslands und besitzen daher das schmutzig gelbe Colorit
des Sandes. Lange Haare geben ihnen ein widriges Aussehen; ihr Biss
wird wegen seiner Giftigkeit (?) bei den Eingeborenen gefürchtet. Gahodes
araneoides Pall., Südrussland (Fig. 450).
H. Ordnung. Phrynoideen, Pedipalpen, Geisseispinnen.
Die Phrynoideen haben in der Ausbildung der typischen Arach-
noideenmerkmale im Vergleich zu den Solpugen einen Fortschritt er-
zielt, indem alle (i vorderen Segmente zum Cephalothorax verschmolzen
sind ; sie gleichen aber noch den Solpugen und unterscheiden sich von
den übrigen Arachnoideen, indem nur die drei hintersten Extremitäten-
paare (4 — 6) zur Fortbewe-
gung dienen, das dritte Paar
der Reihe (ß) dagegen noch
nicht Dasselbe trägt einen
langen , geringelten Anhang,
die für die Ordnung charak-
teristische Geissei. An die
Scorpione erinnern die Phry-
noideen durch die kräftige
Ausbildung der zum Ergreifen
der Beute dienenden Kiefer-
taster (!'), nur dass dieselben
ebenso wie die Kieferfühler (1)
nicht mit Scheeren, sondern
mit Klauen enden. Zur Ath- Fig. 451. Phrynusreiiiforvns (nach fc?chmarda\
mung dienen 2 Paar Lungen.
Die Phrynoideen finden sich nur in den Tropen, vortreten durch die
gleich giftigen Gattungen Phrynua und Tdyplionus, von denen Telyphonus
loicht daran zu erkennen ist, dass vom Abdomeu sich ein besonderes, kurzes
Postabdomen abgesondert hat, welches in einen langen Faden ausläuft.
Phrymis reniformis Pall. (Fig. 451).
III. Ordnung. Scorpionideen, Soorpione
Die Scorpione (Fig. 452) haben eine grosse äusserliche Aehnlich-
keit mit dem Flusskrebs und wurden auch lange irrthümlich für Ver-
wandte desselben gehalten, weil sie wie dieser mit 4 Beinpaaren (3—6)
sich fortbewegen und davor zum Ergreifen der Beute kräftige Scheeren
(2) tragen, welche den Kiefertastern der übrigen Arachnoideen ent-
sprechen ; schecrenförmig sind auch die kleinen Kieferffihler (/). Was
nun den Scorpionen eine besondere Ausnahmestellung unter den Arach-
noideen verleiht, ist die eigentümliche Beschaffenheit des Abdomen.
An demselben kann man 7 breitere, vordere, dem Cephalothorax dicht
angefügte Segmente (Fig. 353 A) und 6 hintere, schmälere, den Schwanz
oder das Postabdomen (P) unterscheiden. Das letzte Segment des
Postabdomens ist ventralwärts in einen spitzen Haken (st) umge-
bogen und enthält eine grosse Giftdrüse ; es ist der Giftstachel, welcher
selbst bei kleineren Arten dem Menschen äusserst schmerzhafte
28*
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4M
Gliederfüssler.
Wunden verursachen und ihm hei den grossen tropischen Arten mög-
licherweise sogar todbringend werden kann. Für gewöhnlich ernähren
sich die Scorpione von Inseeten ; sie fassen die-
selben mit den Scheeren, halten sie über den
Kopf und stossen die Spitze des über den Rücken
eingekrümmten Postabdomens in ihr Opfer;
dabei visiren sie mit 2 grossen, weit vorn und
dicht neben einander stehenden Punktaugen,
neben denen noch einige kleinere, seitliche
Augen angebracht sind. — Auf der Bauchseite
der Scorpione liegt ein Paar Anhänge (Fig. 452a),
die möglicherweise Reste abdominaler Glied-
maassen sind : da sie einen Stab mit einseitig
ansitzenden Zinken bilden . nennt man sie
Kämme und vermuthet in ihnen wegen der
Nähe der Geschleehtsmündung (c) und wegen
ihres Reichthums an Nerven Reizorgane bei der
Begattung. Dicht dahinter folgen 4 Paar grosse
Stigmen (/>). Da die Scorpione nur durch
Tracheenlungen athmen, ist ihr langgestrecktes,
mit vielen Ostien versehenes Herz mit einein
complicirten Blutgefässapparat verbunden. Am
Darm fehlen die Blindsäcke, dagegen ist die
Leber sehr gut ausgebildet. Für das Nerven-
system ist die grosse Zahl abdominaler Ganglien
charakteristisch, welche sich vom einheitlichen
Ganglion des Cephalothorax getrennt erhalten.
In Europa (Süddeutschland und Italien) findet sich der Scorjrio furo-
pacu.s Latr. ; in heissen Gegenden, namentlich den Tropen, leben die bis zu
10 cm langen Arten der Gattungen Atulrot-tonm und Bulbus: A. austraJÜ* L.
in Afrika, Ii. oerifanus Amor, in den Mittelmeerländern.
Fijr. 4Ö2. liuthus or-
citanu* von unten <:<'-
riehen: von den Extre-
mitäten und dem Poet-
abdotuen nur der Anfang
dargestellt / Kiefer-
fühler, // Kiefertaster,
1—1 Heine, '/ Kämme,
h Lungenstigmen, Ge-
schlcelit.«'»ftiuuig.
IV. Ordnung. Pseudoscorpionideen, Afterscorpione.
Die kleinen Aftei scorpione (Fig. 45:5) gleichen den echten Scor-
pionen in ganz auffälliger Weise, da sie wie diese Scheerenfühler (h
und vor Allem sehr grosse Scheerentaster
(!') haben; ferner ist das geringelte Abdomen
dem Cephalothorax breit angewachsen. Da-
gegen fehlt das Postabdomen und mit ihm der
Giftstachel vollkommen; auch athmen die
Thiere durch Tracheen anstatt durch Lungen.
Der deutsche Name Bücherscorpionc be-
zieht sich darauf, dass man die höchstens 2 mm
langen Thiere mit Vorliebe in alten, einge-
staubten Büchern oder auch in Herbarien findet.
Dem Aufenthaltsort ist Gestalt tind Bewegung
vortrefflich angepasst ; die Thiere sind dorso-
ventral abgeplattet und laufen nach Art der
Krabben mit grosser Behendigkeit in seitlicher
Richtung nach links und rechts. Sie machen
dabei Jagd auf die den Büchern und Herba-
rien so schädlichen Milben und sind somit selbst
Cht) V/er civwroidr.s L.
Fig. 453. Chclifrr Braraisi.
1 Kieferffihl<r, 'J Kiefertastcr,
.V— 6" Keine (aus Sehmarda).
nützliche Thiere.
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V. Arachnoideen: Phalangioideen, Araneen.
437
V. Ordnung. Phalangioideen, Afterspinnen.
Bei den Afterspinnen ist das Abdomen weniger deutlich als bei
den bisher betrachteten Formen gegliedert und auch vom Cephalothorax,
an dem es breit angewachsen ist, nicht scharf abgesetzt Der kleine
Körper wird von 4 auflallend langen Beinen getragen. Die zweiten
Extremitäten sind Taster wie bei den echten Spinnen, die ersten Ex-
tremitäten sind in lange hornartige Fortsätze ausgezogen. Die Männ-
chen besitzen einen auffallend langen Penis, die Weibchen eine lange
Legeröhre. Die Thiere unterscheiden sich von den ächten Spinnen
besonders dadurch, dass sie durch Tracheen athmen und keine Spinn-
warzen besitzen.
Am bekanntesten sind die Weberknechte, nächtliche Thiere, deren
lange Beine lange Zeit, nachdem sie vom Körper abgetrennt worden sind,
noch zuckende Bewegungen ausführen. Fhakmgium upilio L.
II. Unterclasse.
Sphacrogastres, Rundspinnen.
VI. Ordnung. Araneen, Weberspinnen.
In keiner Abtheilung der Arachnoideen ist die Sonderung des
Körpers in Cephalothorax und Abdomen so deutlich wie bei den
Weberspinnen, da beide Abschnitte weichhäutige, ungegliederte, von
einander durch eine tiefe Kerbe getrennte Stücke sind (Fig. 445). Die
4 hinteren Extremitätenpaare dienen zur Fortbewegung, zu raschem
Sprung oder zu gewandtem Lauf: nur das letzte Beinpaar hat dabei
noch die Kebenfunction des Spinnens. Seine 2 Klauen sind mit Kamm-
zinken versehen, welche aus zahlreichen Seidenfäden einen stärkeren
Faden zusammendrehen. Um diese Klauen nicht abzunutzen, haben
Spinnen mit besonders gutem Webevermögen Hilfsklauen, auf denen
die Hinterbeine während des Laufens aufliegen. — Von den beiden
Mundextremitäten (Fig. 44(1) trägt der Kieferfühler eine spitze Klaue,
welche, ausgerüstet mit dem Ausführgang einer Giftdrüse, die Spinnen
in den berechtigten Ruf der Giftigkeit gebracht hat, wenn auch nur
wenige wie die Malnügnatte (Latrodectes j'ormidabilis L., L. tredeeimgut-
tatus Fabr.) dem Menschen unbequem, oder, wie die Taranteln und die
Vogelspinnen, schädlich werden können. Die Kiefertaster dienen zum
Betasten und Zerkleinern der Speise; letzteres geschieht mit dem
Basalglied.
Beim Männchen ist das Endglied des Tasters angeschwollen, indem es
einen birnförmigen Behälter trägt, an welchem man es leicht vom Weib-
chen unterscheiden kann. Bevor das Männchen sich dem Weibchen zur
Begattung nähert, wird der Behälter an der am Abdomen befindlichen Ge-
schlechtsöttnung mit Spermatozoen gefüllt. Ist der Inhalt von Sperma in
die gleichgelagerte Geschlechtsöftnung des Weibchens entleert, so zieht
sich das Männchen schleunigst zurück, da es sonst befürchten muss, vom
stärkereu Wreibchen getödtet zu werden.
•Am hinteren Ende des Abdomens kurz vor dem After liegen die
systematisch wichtigen Spinn w a r z e n der Araneen, in denen man
vielleicht rudimentäre Bauchextremitäten zu erblicken hat, da sie
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438
Gliederfüsslcr.
Fig. I.">4. Spinnapparat
von Kpcira iliadema
(nach \VarburU>iil. /
vordere, 2 mittlere, Ii
hintere Spimnvarzen , /
Fäden.
paarig angeordnete und meistens auch gegliederte Stummeln sind
(Fig. 4r>4). Sie enden schräg abgestutzt mit dem Spinnfeld, auf dem
sich zahlreiche , an Haare erinnernde Spinn-
röhrchen erheben. Aus jedem Spinnröhrchen
ragt eine kurze Spinnspule hervor, das modi-
ticirte Ende vom Ausführgang einer Spinn-
drüse. Man unterscheidet verschiedene Arten
von Spinndrüsen, die je nach der Bestimmung
des Fadens in Thätigkeit gesetzt werden. Die
Zahl der Spinnwarzen wechselt zwischen 2 und
3 Paar: dazu kommt noch das Cribrelluin, ein
vor den Warzen gelegenes Feld, auf dem eben-
falls Spinndrüsen münden, so dass dem Ab-
domen einer Spinne im Ganzen über Hundert,
bei Epeiren sogar mehrere Hundert von Drüsen
zukommen.
Die einzelnen aus den Spinnspulen heraus-
tretenden und an der Luft erhärtenden Secretfäden
werden von den Webeklauen der Hinterbeine zu
einem einzigen Faden verarbeitet; je nach Bedürfniss kann die Spinne
denselben starker oder feiner machen, indem sie eine grössere oder ge-
ringere Zahl Spinndrüsen in Thätigkeit setzt. Aber auch der stärkste
Spinnfaden ist trotz seiner complicirten Structur noch feiner als der ein-
heitliche Faden eines Seidenspinners, weshalb er demselben bei der Ver-
fertigung des Fadenkreuzes im astronomischen Fernrohr vorgezogen wird.
Die Spinnenfaden dienen sehr mannichfachen Zwecken: zum Austapeziren
des Nestes, zum Einhüllen der Eier in Cocons und vielfach auch zu Ge-
spinnsten, in denen Insecten aufgehalten werden sollen, damit sie die
Spinne tödten und dann weiter noch fest umspinnen kann. Auch beim
Abstürzen verhütet die Spinne die Gefahr des Falles, indem sie sich
rasch mit einem Faden verankert, den sie so weit verlängert, bis sie am
Boden ankommt. Da nun die Spinufäden aus Seide bestehen und den
Seidenfäden der Seidenraupen an Feinheit und Festigkeit überlogen sind,
lag es nahe, au ihre technische Verwerthbarkeit zu denken. Leider erzeugt
die Spinne im gewöhnlichen Leben nur kurze Fäden, nicht die viele
Meter langen Stücke, aus denen der unverletzte Cocon von Bombyx mori
besteht.
Der Charakteristik der Spinnen sind nur noch wenige Punkte nach-
zutragen : der Darm (Fig. 447) hat 5 Paar im Cephalothorax liegende
Blindsäcke und eine gemeinsam mit dem Geschlechtsapparat das Abdomen
füllende Leber; in den blasenartig aufgetriebenen End dann münden 2
Vasa Malpighi. Das Nervensystem besteht aus dem Hirn und einer grossen
Ganglienmasse des Cephalothorax, zu der nur noch ein kleines Bauch-
ganglion kommt. Systematisch wichtig sind durch ihre Anordnung die
6 — H Punktaugen, die in 2 — 3 Querreihen nahe bei einander auf dem
Cephalothorax (Fig. 44oj stehen. Als Kespirationsorgane endlich dienen
1 — 2 Paar Lungensäcke (Fig. 449). Wo nur ein Paar Lungensäcke wie
bei den meisten Spinnen vorhanden ist, ist das zweite fehlende durch ver-
ästelte Tracheeubüschol ersetzt, welche entweder durch ein paariges oder
durch ein unpaares Stigma gewöhnlich weit hinten am Abdomen münden
(Fig. 44M;. Je nachdem die zweiten Athmungsorgane Lungen oder «ver-
ästelte Tracheen sind, erreicht das Blutgefässsystem eine grössere oder
geringere Ausbildung.
uigi
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V. Arachnoideen : Araneen.
439
I. Unterordnung. Tctrapneumones. Spinnen mit 4 Lungen, 4 Spinn-
warzen und 8 in 2 Reihen hinter einander gestellten Augen. — Die
Mygaliden oder Vogelspinnen bilden die wichtigste Familie der Tetra-
pneumones; sie haben ihren deutschen Namen von der Lebensweise der
Mygale avicularia L. Die nach Ausschluss der Beine 4 — 5 cm lange
dichtbehaarte Spinne wohnt in Wäldern des tropischen Südamerika und
tapeziert sich Erdlöcher oder andere Schlupfwinkel mit dichtem Gespinnst
zu einem Neste aus. Sie schleicht sich an andere Thiere heran, überfällt
sie im Sprung und kann auf diese Weise selbst Wirbelthiere, wie kleine
Vögel und Mäuse tödten, die sie dann verzehrt. In Südeuropa ist die
Familie durch die kleinere und nur den Insecten gefährliche Minirspinne,
Ctenixa caementaria Latr. (Fig. 455) vertreten. Sie treibt in Mauern hori-
Fig. 45"). Ctenixa cartiientaria in ihrer Röhre den Deckel zuziehend, a Augen
stärker vergrößert, b Deckel von innen mit den Griffpunkten für die Klauen, c ein-
gesammelte Nahrung.
zontale, röhrige Stollen und schliesst die kunstvolle, kreisförmige Oeffnung
mit einem Deckel von Seidengespinnst, der genau auf die Oeffnung passt
und auf seiner äusseren Seite, um den Schlupfwinkel unkenntlich zu machen,
mit dem Material der Maueroberfläche bedeckt ist. Der Deckel ist mittelst
Seidenfäden am oberen Rand des Lochs befestigt und fällt daher zum
Schliessen herab ; er wird bei drohender Gefahr von der Spinne noch weiter
von innen fest angepresst, indem sie mit den Vorderklauen in kleine Henkel
des Gespinnstes greift und fest anzieht. In Deutschland Atypus piceus Sulz.
II. Unterordnung. Dipneumones. 1 Paar Lungen, neben denen noch Tra-
cheen bestehen können, 0 Spinnwarzen. — Hierher gehören fast alle unsere
einheimischen Spinnen und zahlreiche tropische Formen. Zum Theil haben
dieselben noch die Lebensweise der Mygaliden und benutzen ihre Webe-
fertigkeit nur zum Einspinnen der Eier in Eiersäckchen, welche am eigenen
Körper oder an sicheren Orten untergebracht werden, und zur behaglichen
Auskleidung der Schlupfwinkel, während sie die Beute durch raschen Lauf
erreichen oder katzenartig beschrieben und im Sprung erbeuten. Zum
anderen Theil bauen sie aus den Seiden fäden noch weitere mehr oder
minder kunstfertige Netze zum Einfangen fliegender Insecten. Man kann
auf Grund dieser Unterschiede in der Lebensweise mit um so grösserem
Recht 2 Gruppen, Vagabunden und Sedentarien, unterscheiden, als in beiden
Gruppen auch eine verschiedene Augenstellung herrscht.
Zu den Vagabunden gehören die Saltigraden, welche ihr Opfer im
Sprung erreichen : Attus falcaius L. und die Oitigraden oder Laufspinnen,
welche wie die Lycosiden oder Wolfspinnen ihre Beute durch schnellen
Lauf einholen : Tarantula Apuliac L. die Tarantel, deren Biss eine schmerz-
hafte Entzündung verursacht. Früher glaubte man irrthümlich, dass der
Biss Ursache sei von Tobsuchtsanfällen, zu deren Besänftigung man die
rTarantellau spielte.
410
Gliedorfüssler.
Die Sedentarien unterscheiden sich von einander durch die Art ihres
Nestbaues. Die Tiibitelcn spinnen eine Röhre und davor ein horizontales
Gewebe zum Insectenfang : Tegcneria dvtnestica L. Hausspinne , Segestria
senwulata L. Kellerspinne, Argyroneta aqnatica L., Silberspinne genannt,
weil sie, im Wasser lebend, mit Hilfe einer silberglänzenden Luftblase
athmet, die sie mit sich am Abdomen herumschleppt. — Die kunstvollsten
Gespinnste bilden die Orbitelen, namentlich die Kreuzspinnen Ejmriden:
Eprira diadcma L., welche ihren deutschen Namen der Zeichnung des Ab-
domens verdankt, einer weissen, undeutlich kreuzförmigen Figur auf dunklem
Grund (Fig. 445). — Inaequiteku : Jjatrodertes trcdecimguttatus Fabr.
VII. Ordnung. Acarinen, Milben.
An die Aranccn haben wir drei Ordnungen, die Acarinen, Lingua-
tuliden und Tardigraden anzuschliessen, deren Bau zum Theil durch
Parasitismus, zum Theil durch anderweitige Lebensverhältnisse so sehr
abgeändert worden ist, dass man am ausgebildeten Thiere die Merk-
male der Classe nur mühsam oder sogar überhaupt nicht herausfinden
kann. Für das Verständniss dieser aberranten und degcnerirten Arach-
noideen liefern uns die Milben oder Acarinen den Schlüssel. Die-
selben (Fig. 354) haben durch Verschmelzung von Abdomen und Cephalo-
thorax die letzte Andeutung von Gliederung verloren. Gleichwohl ist
ihre nahe Verwandtschaft mit den Spinnen unzweifelhaft; vor Allem
wird sie bewiesen durch die Anwesenheit von sechs Extremitätenpaaren,
vier Paar Beinen, durch welche sich parasitische Milben sofort von
parasitischen sechsbeinigen Insecten unterscheiden , und zwei Paar
Mundgliedmaassen, welche gemeinsam einen allen Milben zukommenden,
zum Saugen von Thier- und Prlanzensäften dienenden Stechrüssel bilden.
Die Scheide des Stechrüssels besteht aus den basalen Gliedern der
Kiefertaster, welche sich rinnenartig einbiegen und zu einer Röhre
zusammenlegen, während die übrigen Glieder den frei hervorstehenden
Palpus darstellen ; in der Röhre sind die Kieferfühler als feine, oft mit
Widerhaken versehene Stilets eingeschlossen.
Da die Milben sehr klein sind und vielfach auch eine halb parasitische
oder ganz parasitische Lebensweise führen, ist ihr innerer Bau vereinfacht;
häufig fehlen Herz und Athmungsorgane (Tracheen) gänzlich ; am Darm finden
sieh zwar Magenblindsäcke und MalpighTsche Gefässe, dagegen keine Leber.
— Aus der Entwicklungsgeschichte der Milben verdient besondere Beach-
tung, dass den aus dem Ei schlüpfenden jungen Thieren das letzte Bein-
paar noch fehlt: sie ähneln dadurch gewissen parasitischen Insecten, deren
Körper ebenfalls undeutlich gegliedert ist, wie den Läusen; man muss
sich daher hüten, Milbenlarven mit Insecteu zu verwechseln.
Im ausgebildeten Zustand freilebend sind die meist lebhaft roth ge-
färbten Laufmilben, Trombididen (Trombidium holoscriceum L.) und die
Wassermilben, Hydrachniden (Hydrachna crucnta Müll.). Die dreibeinigen
Larven dieser Thiere aber sind Schmarotzer; die Larven der Trombididen,
als Jjcpfus autumnalis bekannt, befallen auch den Menschen und erzeugen
namentlich bei Erntearbeitern heftig juckende Ausschläge. — Halb para-
sitisch sind die Ixodiden. Zecken; sie leben gewöhnlich versteckt, Ixodes
ricinus L. in Wäldern, Argas persicus Fisch., ähnlich den Bettwanzen, in
Wohnungen. Wenn ihnen Gelegenheit geboten wird, saugen sich die
Weibchen in der Haut des Menschen und anderer Säugethiere fest und
schwellen durch Blutaufnahme zu Bohnengrösse an, um dann abzufallen.
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V. Arachnoideen : Acarinen, Linguatuliden.
441
Die viel kleineren Männchen sitzen am Weibchen fest und nehmen keine
Nahrung auf. Argas persicus soll giftig sein (in Persicn und Aegypten).
Nahe verwandt ist der in Tau-
benschlägen wohnende Argas
reflerns Latr., der auch öfters
den Menschen befällt. — Dau-
ernde Parasiten sind folgende
Familien : Die Gammasidm
leben ähnlich den Läusen, der
Qammasus coleoptratorum L.
auf Käfern, der Dermanyssus
avium Dug. auf Singvögeln. —
Die Sarcoptidcn, die fast mikro-
skopisch kleinen Krätzmilben
graben Gänge in die Epider-
mis von Säugethieren und
Vögeln : Sarcoptes scabiei Latr.,
0,3 — 0,5 mm gross, Ursache
der Krätze des Menschen (Fig.
456) ; nahe verwandt die Käse-
milbe Tyroglyj>hus siro Latr. —
In degenerirten Talgdrüsen („Mitessern") schmarotzen die auffallend lang
gestreckten Balgmilben oder Demodicidm: Dcrnodcx folliculorum Henle des
Menschen (Fig. 457).
Für. -i 56. Sa rcoptes grab M I
Weibchen (nach Leuckart).
Fig. 457. Dcmo-
dex folliculorum
(nach Leonis -Lad-
wig\
VIII. Ordnung. Linguatuliden, Zungenwürmer.
Lang gestreckte Acarinen wie der Demodex folliculorum leiten uns
über zu den Linyuatuhdtn oder Zungen wQrmern, Parasiten, welche in
unserer Gegend als geschlcchtsreife Thiere die Stirnhöhle von Carni-
voren, namentlich von Fuchs, Hund und Wolf bewohnen, als einge-
kapselte Jugendformen dagegen in der Leber und Lunge des Hasen,
Kaninchens, seltener des Menschen angetroffen werden. Aus den
Tropen kennen wir die geschlechtsreifen Linguatuliden auch als Para-
siten von Löwe, Tiger, Schlangen etc. Wie ihr deutscher Name er-
kennen lässt, hat man die mehrere cm langen Thiere früher für Würmer
gehalten und in die Nähe der Bandwürmer gestellt, weil einige abge-
plattet sind und eine an die Proglottiden echter Bandwürmer erinnernde
Ringelung zeigen. (Fig. 108 S. 138), Erst die genauere Anatomie und
Entwicklungsgeschichte haben die Verwandtschaft mit den Arachnoideen
aufgehellt.
Am vorderen Ende der geschlechtsreifen Linguatuliden findet man
die Mundöffnung am Grunde einer Chitinkapsel, welche man früher dem
Saugrüssel der Milben verglichen hat ; zu Seiten derselben stehen zwei
Haken jederseits auf einem complicirten Chitingerüst ; man deutet sie
als die Klauen des ersten und zweiten Spinnenbeins. Im Innern des
Körpers ist eine geräumige Leibeshöhle, welche einen gerade gestreck-
ten Darm ohne Anhänge beherbergt. Um den Anfangsdarm bildet das
Nervensystem einen ventral zum Bauchmark verdickten Ring, während
das Hirn bei dem gänzlichen Mangel von Sinnesorganen so rudimentär
ist, dass es nicht einmal als eine Anschwellung im Schlundring ange-
deutet ist. Sehr complicirt ist der Geschlechtsapparat, dessen unpaarer
Ausführgang beim Männchen weit vorn mündet, während er beim Weib-
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442
Gliederfüssler.
chen umbiegt und in vielen mit Eiern prall gefüllten, durch die Körper-
wand durchschimmernden Windungen zur Genitalöffnung am hinteren
Körperende verläuft.
Die an Linguatulidcn erkrankten Hunde und Wölfe leiden an einem
heftigen Katarrh der Nasenhöhle und entleeren mit dem Schleim auch in
Menge die emhryonen haltigen Eier. Werden von
Kaninchen, Hasen oder auch von Menschen
Pflanzen , die mit dem iufectiösen Schleim be-
sudelt sind, verzehrt (Gras, Salat etc.), so schlüpfen
die Larven aus, um in Lunge und Leber einzu-
wandern und sich einzukapseln , bis sie durch
Verfüttern wieder in den Körper eines Hundes
zurückgelangen. Die Larven (Fig. 458) besitzen
am vorderen Ende einen Bohrapparat [st u. y
und ausserdem 2 Beinpaare (1 u. 2), welche
wahrscheinlich den hinteren Beinpaaren der
Spinnen entsprechen, während der Metamorphose
wieder verloren gehen und durch die zwei Haken
Fig. 4*>n. Larve von Pen- des ausgebildeten Thieres ersetzt worden.
tastomum probt»»: ideum. st Aus der Familie der Linguatuliden interessirt
haken J imdtTrBei?rTO« uns am meisten das Pmtmtomum tarnhides Rud.,
Mund, d Dann* r Drüsen- welches «eschlechtsreif die Sinus frontales von
zellen (naeh Stiles). Hundearten, als Larve Leber und Lunge von
Nagethiereu und Menschen bewohnt. Weitere
Arten sind Pcnl. constricium v. Sieb, in der Leber von Negern, Pcnin-
stomum m<miUforme Dies, in der Lunge von Schlangen.
IX. Ordnung. Tardigraden, Bärthierchen.
Im Süsswasser und in feuchter Erde
oder Moos findet man zwischen Protozoen
und Rotatorien kleine, sackförmige Thiere,
welche wegen ihrer langsamen, täppischen
Bewegungen Tardigraden oder Bärthier-
chen genannt werden. Bei ihren Wande-
rungen strecken sie (Fig. 459 I— -IV) vier
Paar mit Krallen bewaffnete Extremitäten-
stummel aus. Diese acht Beine sind das
Einzige, was die Thiere unzweifelhaft mit
den Spinnen gemein haben; sonst unter-
scheiden sie sich durch die Einmündung
des Geschlechtsapparats in den Darm, durch
das aus vier Ganglienpaaren bestehende
Bauchmark und durch den Mangel von
Herz und Tracheen. Am vorderen Ende
des Darms liegt eine Chitinkapsel und in
derselben zwei Stilets ; man kann darin
Fig. 4;,o. Manohiotus Huf,- vielleicht den ins Innere zurückgezogenen
fortdi (nach ZeichmuMOT von Säugrüssel der Acarmcn erblicken.
Greeff und Plate). /— /1'4 Bein- In weiteren Kreisen sind die Tardi-
paare, Mundkapsel^ st Stileta, graden durch Zweierlei bekannt geworden.
ifÄÄÄ Ö» Durchsichtigkeit eine genaue Verfol-
Anhanp^lrüse. n» VasaMalnighi, gung der « erven bis an die quergestreiften Mus-
in der Leibeshöhle Blutzellen. kelfaden leicht gestattet, entdeckte Doyere
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V. Arachnoideen : Tardigraden.
443
an den günstigen Beobachtungsobjecten die Endigungsweise der Nerven
am Muskel, den Doyere'schen Nervenhügel. Die zweite Eigenthümlichkeit
theilen die Tardigraden mit manchen anderen Wasserbewohnern. Wenn
das Wasser austrocknet, bleiben die Thiere, geschützt von ihrer festen, das
Eintrocknen verhindernden Chitinhaut am Leben; sie stellen ihre Lebens-
functionen ein und erwachen erst wieder, wenn Wasser aufgegossen wird.
Da die Thiere durch Eintrocknen lange am Leben erhalten werden können,
heisst eine Art Macrobiotus Hufclandi Sieg. Schultze, zu Ehren des be-
rühmten Arztes Hufeland, der eine Macrobiotik, eine Anweisung zur
Verlängerung des Lebens, geschrieben hat.
Anhang.
Pycnogoniden, Pantopoden.
Wie die Tardigraden unter den Süsswasserthiercn, so nehmen in der
Meeresfauna die Pycnogoniden eine merkwürdige Stellung ein. Die Thiere,
im Mittel etwa so gross wie eine Schneiderspinne, haben einen rundlichen
Körper, der vorn in einen rüsselförmigen Fortsatz, hinten in einen abdomen-
artigen Anhang ausgeht und 4 Paar sehr lange Beine trägt. Vor den
4 Beinpaaren findet sich constant eine Art Scheerenfiihler; vielfach können
aber noch 2 weitere Extremitäten folgen, was dann die für Arachnoideen
nicht passende Gesanimtzahl 7 ergeben würde. Dagegen würde gut passen,
dass vom Darm Blindsäcke ausgehen , welche weit in die Extremitäten
hineindringen. Respirationsorgane fehlen, ein Herz ist vorhanden. Bei
der systematischen Beurtheilung stehen sich 2 Anschauungen gegenüber;
die eine verweist die Pycnogoniden zu den Crustaceen, die andere zu den
Arachnoideen. Pycnogonam littorale Müll.
Zusammenfassung der Resultate über Arthropoden.
1) Die Arthropoden sind Thiere mit deutlicher innerer und
äusserer Gliederung.
2) Die innere Gliederung spricht sich aus im Bau des Nerven-
systems (Stricklciternervensystem) und des Herzens und in der An-
Ordnung der Segmentalorgane und der Tracheen, sofern solche vor-
handen sind.
3) Die äussere Gliederung spricht sich aus in der vermöge
der Chitinpanzerung besonders deutlichen Ringelung des Körpers und
in der metameren Anordnung der Extremitäten.
4) Von den ebenfalls gegliederten Anneliden unterscheiden sich die
Arthropoden durch den Besitz der gegliederten Extremitäten,
von denen höchstens ein Paar auf ein Segment kommt; nach ihrer
Function werden die Extremitäten als Antennen, Kiefer, Kieferfüsse,
Füsse und Afterfüsse unterschieden.
5) Ein weiterer Unterschied ist die nur bei den Myriapoden un-
vollkommen ausgebildete Heteronomie des Körpers, die Sonderung
in Kopf, Brust und Hinterleib.
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444 Zusammenfassung.
6) Der Kopf (Cephalon) trägt die tastenden und kauenden, die
Brust (Thorax) die loeomotorischen Extremitäten, der Hinterleib
(Abdomen) die Pedes spurii oder er ist extremitätenlos.
7) Durch Verschmelzung von Kopf und Brust entsteht der Ce-
phalothorax. durch Abgliederung der Endsegmente des Hinterleibes
das Postabdo inen.
8) Die Augen der Arthropoden sind entweder Stemm ata oder
Facettenaugen.
IM Die Geschlechtsorgane sind nur ausnahmsweise herma-
phrodit; die Fortpflanzung erfolgt nur durch Eier, die sich häufig
parthenogenetisch, seltener pädogenetisch entwickeln; die Furchung der
Eier ist gewöhnlich eine snpertieielle.
10) Nach der Athmung theilt man die Arthropoden in die wasser-
athmenden C r ust ace e n und die luftathmenden T r a c h c a t e n.
11) Die Ci'ostacecn haben ausser der Kiemenathmung noch folgende
Merkmale :
1» ihre Extremitäten sind Spaltfüsse oder Moditicationen von
Spaltfüssen ;
2) sie haben zwei Paar Antennen;
3) ihr Chitinskelet ist verkalkt.
12) Man theilt die Crustaceen in niedere, Entomost raken,
und höhere, Mala kost raken.
13) Die Entomostraken haben variable Segmentzahlen, als Ex-
eretionsorgan die Schalendrüse, als Larve den Nauplius.
14) Die .Walakostraken haben 20 Segmente (davon 7 abdominale);
die männliche (ieschlechtsmündung liegt am 13., die weibliche am 11.
Körpersegment : als Excretionsorgan fungirt die Anteunendrüse, als
Larve äusserst selten der Nauplius. meist die Zoea.
lf>) Die wichtigsten Ordnungen der Entomostraken sind die spalt-
füssigen Copcpoden, die kiemcnfüssigcn Branchiopoden, die muschel-
schaligen Ostracodcn, die festsitzenden, meist hermaphroditen Ctrri-
pedien.
Iii) Gruppen von zweifelhafter Stellung sind die Xiphosuren und
die fossilen Trilobiten und Criyantostrakcn.
17) Die Malakostraken zerfallen in Edriophthalmen seu Ar-
throst raken und die P o d o p h t h a 1 m e n seu Thor aco str aken.
18) Die Edriophthalmen {hopodcn und Amphipoden) haben sitzende
Facettenaugen und heissen Arthrostraken, weil sieben freie Thorax-
segmente vorhanden sind.
11») Die Podophthalmen ißtomatopoden, Schizopoden, Decapoden)
haben gestielte Augen und heissen Thoracostrakcn, weil ein Theil
oder sümmtliche Thoraxsegmente mit dem Kopf zum Cephalothorax
verschmolzen sind.
20) Die Tracheatcn athmen durch Tracheen (Luftröhren, die auf
der Kör per ober fläche mit Stigmen münden), haben ein Paar An-
tennen und einreihige Extremitäten.
21 ) Sie zerfallen in P rotracheat e n , M v r i a p o d e n , Insectcn
und Ar a c h n o i d ee n.
22) Die Protraeheaten (Peripatus) sind Mittelformen zwischen
Anneliden und Tausendfüssen, indem sie undeutlich gegliederte, para-
podienartige Extremitäten haben und gleichzeitig mit den Segmental-
organen der Anneliden und mit den Tracheen der Insecten ausge-
rüstet sind.
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Zusammenfassung. 44f)
23) Die Myriapoden haben zahlreiche mit Beinen versehene Seg-
mente (Tausendfüsse), davor einen Kopfabschnitt, an dem ein Paar
Antennen und zwei Paar Kiefer sitzen.
24) Von den beiden hierher gehörigen wichtigsten Gruppen sind
die Diplopoden durch Doppelsegmente, Kürze der Beine und Antennen
und nach vorn gelagerte Gesehlechtsmündung ausgezeichnet.
25) Die Chilopoden haben einfache Segmente, lange Beine und An-
tennen, rückwärts mündende Geschlechtsorgane; dem Kopf dicht ange-
schlossen liegen zwei Paar Raubfüsse (davon das zweite giftig).
26) Die Jnsecten haben 3 Hauptabschnitte des Körpers: Kopf,
Thorax, Abdomen.
27) Das Abdomen hat eine wechselnde Zahl meist gut getrennter
Segmente, an denen keine Extremitäten sitzen.
28) Der Thorax besteht aus drei meist gut getrennten Ringen
(Pro-, Meso-, Metathorax) und hat daher drei Beinpaare (Hexa-
poden), meist ausserdem 2 Flügelpaare, ein vorderes am Mesothorax,
ein hinteres am Metathorax.
21» Der Kopf besteht aus vier verschmolzenen Segmenten, an
denen vier Extremitätenpaare sitzen; Antennen, Mandibeln,
erste Maxillen, zweite zur Unterlippe (Labium) verschmolzene
Maxi 1 len.
3n) Der Unterlippe gegenüber liegt die nicht als Extremität zu
deutende Oberlippe (Labium).
31) Die Mundgliedmaassen haben je nach der Ernährung ver-
schiedenen Bau und sind entweder kauende, leckende, saugende oder
stechende Mundgliedmaassen.
32) Am Kopf finden sich 2 grosse Facetten au gen, zu denen
noch einige Stemmata kommen können.
33) Da die Insecten durch reichlich verästelte Tracheen athmen,
ist das Blutgefässs)stem bis auf das dorsale, gekammerte Herz rück-
gebildet.
34) Flügellose Insecten haben meist eine directe, unter periodischen
Häutungen verlaufende Entwicklung (a m e t a b o 1 e I n s e c t e n).
35) Geflügelte Insecten und manche flügellose Formen haben
eine Metamorphose, bei welcher sich die Larven von der Imago
in mehr oder minder autfallender Weise unterscheiden (metabole
Insecten); niemals sind die Larven geflügelt.
36) Eine unvollständige Metamorphose (M. incompleta,
hemimetabole Entwicklung) tritt ein, wenn die Larven mit jeder Häu-
tung der Imago ähnlicher werden, indem sie frühzeitig Flügelanlagen
erhalten, welche mit jeder Häutung grösser werden.
37) Bei der vollständigen Metamorphose (M. completa,
holometabolen Entwicklung) wird die Umbildung in das letzte Häutungs-
stadium verlegt, welches ein Ruhe- oder Puppenstadium ist.
38) Die Systematik der Insecten gründet sich auf die Beschaffen-
heit der Mundgliedmaassen und der Flügel, ferner auf die Art der
Körpergliederung und der Entwicklung.
39) Die Apierygoten sind flügellose Insecten mit kauenden Mund-
gliedmaassen ohne Metamorphose.
40) Die Archiptercn haben kauende Mundgliedmaassen mit unvoll-
kommen verwachsener Unterlippe, netzförmige Flügel, eine unvoll-
kommene Metamorphose.
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44G
Zusammenfassung.
41) Die Orthopteren stimmen mit den Archipteren im Bau der
Mundgliedmaassen und der Art der Entwicklung überein, haben aber
lederartige Flügel.
42) Die Neuropteren haben wie die Archipteren Netzflügel, sind
aber holometabol; die Mundgliedmaassen verlieren vielfach den Cha-
rakter kauender Organe.
43) Die Coleopteren sind kauende Insecten und haben die vorderen
Flügeldecken zu Elytren umgewandelt; von den ihnen häufig ähnlichen
Orthopteren sind sie durch die völlige Verschmelzung der Unterlippe
und die vollkommene Verwandlung unterschieden.
44) Stechende Mundgliedmaassen haben Khynchoten, Dipteren uud
Aphampteren. Sie unterscheiden sich aber von einander durch die
Entwicklung, indem die zum Theil geflügelten, zum Theil flügellosen
llhynehoten hemimetabol oder ametabol, die Dipteren und Aphampteren
holometabol sind. Von letzteren beiden Ordnungen sind die Apham-
pteren flügellos, die Dipteren haben nur Vorderflügel, während die
Hinterflügel zu Halteren umgewandelt sind.
45) Parasitische Rhvnchoten sind Acanthia lectularia und die
Pediculiden (Läuse), parasitische Dipteren die Larven der Oestriden
und anderer Fliegen; die Aphanipteren (Puliciden oder Flohe) sind
ausschliesslich parasitisch.
40) Die Hymenopteren haben theils kauende, theils leckende Mund-
gliedmaassen; stets besitzen sie häutige, mit spärlichem Geäder ver-
sehene Flügel; ihre Entwicklung ist holometabol.
47) Die weiblichen Thiere haben einen Abdominalanhang, der bei
den Terebrantien und Entophagen als Legeröhre, bei den Aculeaten
(Bienen und Wespen) als Giftstachel benutzt wird.
48) Die Lepidopteren haben beschuppte Vorder- und Hinter-
flügel, rudimentäre Ober- und Unterlippe, rudimentäre Mandibeln und
zu einem Rüssel umgewandelte Maxillen; ihre Entwicklung ist holo-
metabol.
49; Der Körper der Arachnoldcen besteht aus Cephalothorax und
Abdomen.
50) Der Cephalothorax trägt sechs Extrem i täten , von rück-
wärts nach vorn gezählt: vier Beinpaare, ein Paar Kiefer-
taster, ein Paar Kieferfühler (Antennen?); er hat ferner
mehrere Paar hoch entwickelter Eiuzelaugen.
51) Am Abdomen — selten am Cephalothorax — liegen ein bis
vier Paar Stigmen, welche entweder in verästelte Tracheen oder
in Tracheen lun gen, oder zum Theil in Tracheen, zum Theil in
Lungen führen.
52) Das Abdomen ist deutlich gegliedert bei den Gliederspinnen
oder Arthrogastres, einheitlich bei den Rundspinnen oder Sphae-
rogastres.
53) Unter den Artlirogastres sind zwei Gruppen dadurch ausge-
zeichnet, dass das erste Paar Spinnenbeine noch nicht zur Fortbe-
wegung, sondern zum Tasten benutzt wird: Solpugen (mit drei freien
Thoraxsegmenten), Pedipalpen (mit Cephalothorax).
54) Durch grosse Schecren an den Tastern und ein mit einem
Giftstachel versehenes Postabdomen sind die Scorpione charakterisirt,
durch Scheeren ohne Postabdomen die Pseudoscorpione, durch spinnen-
artigen Habitus die Phalangioideen.
55) Unter den Sphaerogastres sind die Weberspinnen oder Araneen
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Wirbelthiere.
447
die wichtigsten ; sie besitzen am hinteren Ende des Abdomens vier bis
sechs Spinnwarzen, welche zahlreiche mit Drüsen versehene Spinn-
röhrchen tragen.
56) Nach der Zahl der Spinnwarzen und der Lungen unterscheidet
man Tetrapneumones (zwei Paar Lungen, zwei Paar Spinnwarzen), Di-
pneumones (ein Paar Lungen, ein Paar Tracheenbüschel, drei Paar
Spinnwarzen).
57) Sphaerogastres mit verschmolzenem Cephalothorax und Ab-
domen und mit zu einem Rüssel umgewandelten Mundgliedmaassen
sind die Acarinen oder Milben.
58) Menschliche Parasiten unter den Milben sind Ixodes rici-
nus, Argas persicus, Sarcoptes scabiei, Demodex folli-
culorum, ferner die Larven von Trombidien (Leptus autumnalis).
59) Vollkommen parasitische Sphaerogastres sind die bandwurm-
artigen, extremitätenlosen Linguatuliden, deren Jugendformen ab und
zu eingekapselt in Lunge und Leber des Menschen leben.
60) In der Zahl der Beine stimmen mit den Arachnoideen überein
die sonst sehr abweichend gebauten Tardiyraden und Pycnogoniden.
VII. Stamm.
Vertebraten oder Wirbelthiere.
Die Wirbelthiere gehören wie die Arthropoden und Anneliden zu
den gegliederten Thieren, unterscheiden sich aber von ihnen durch
den gänzlichen Mangel der äusseren Gliederung, der Ringelung der
Körperoberfläche. Nur die segmentale Anordnung d erinneren
Organe: der Muskeln (Myotome, Myomcre, Myocommata, Muskel-
segmente, beim Embryo Urwirbel), der Nerven (Neurotome), des
Skelets (Sklerotome) und der Blutgefässe lässt die Metamerie des
Körpers erkennen , am deutlichsten bei den niederen Formen , den
Fischen, weniger deutlich und für die meisten Organe nur in der
Embryonalanlage nachweisbar bei Vögeln und Säugethieren. Zum Theil
hat der Mangel der äusseren Gliederung seinen Grund in der ausge-
sprochenen Hcteronomie des Wirbelthierkörpcrs und in der hiermit
zusammenhängenden, die Grenzcontouren verwischenden Vereinigung
der Segmente zu Segmentcomplexen oder Körperregionen, deren man
mindestens 3 (Kopf, Rumpf und Schwanz), meist sogar 6 (Kopf,
Hals, Brust, Lenden- oder Bauch -Region, Becken- oder
Sacral-Region und Schwanz) unterscheidet. Noch wichtiger
jedoch ist für die äussere Erscheinung die Beschaffenheit des Skelets.
Das Cuticularskelet, welches bei den Arthropoden Veranlassung für die
deutliche Ringelung ist, fehlt den Wirbelthieren gänzlich; die Haut
bleibt weich oder ist nur in untergeordnetem Maasse, mehr zum
Schützen als zum Stützen, an der Skelctbildung betheiligt (Hautskelet
der Fische, Crocodile, Schildkröten etc.). Dafür bildet sich in der
Axe des Körpers festes Gewebe aus, welches uns bei den
allerniedersten Wirbelthieren und auf frühen Embryonalstadien als
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44*
Wirbelthiere.
Rückensaite oder Chorda dorsalis entgegentritt, sonst aber sich
zu der Wirbelsäule und dem Schädel höher entwickelt. Es war
ein Zeichen grossen systematischen und vergleichend anatomischen
Scharfblicks, als La mar ck den Namen „Wirbelthiere" einführte. Noch
heute wird mit Recht die durch Cuvier's Typentheorie zur allge-
meinen Geltung gelangte Bezeichnung beibehalteil, wenn wir auch mit
Rücksicht auf die wenigen Formen, welche an Stelle der Wirbelsäule
nur die Chorda dorsalis besitzen, gezwungen sind, die Definition weiter
zu fassen als Lamarck, und anstatt von Thieren mit Wirbelsäule
von Thieren mit Axenskelet zu sprechen,
integemen». Wenn wir den Amphioxus ausnehmen, welcher noch von einem
einschichtigen Cylinderepithel bedeckt ist, unterscheidet sich die Haut
der Wirbelthiere (Fig. 2h a u.b) von dem Iutegument aller wirbellosen
Thiere durch 2 Merkmale: 1) die Vielschichtigkeit der Epidermis (Ep),
2) die bedeutende Dicke der Lederhaut (Co). Erstere ist nur bei
einem Theil der Wirbelthiere noch von einer zarten Cuticula nach
aussen begrenzt : meist ist eine solche Abgrenzung überflüssig, indem
— besonders bei Landbewohnern die oberflächlichen Zellenlagen
der Verhornung unterliegen und dadurch auch ohne Cuticula die ge-
nügende Widerstandsfähigkeit erhalten. Man unterscheidet dann am
Epithel zwei Schichten, das tiefere Stratum Malpighi (s M) und das
oberflächliche Stratum corneum (sc) (vergl. S. (51). — Der zweite
Bestandteil des Integuments, die Led erbaut, gehört ihrer Ent-
stehung nach dem Mesoderm an. Sie besteht aus vielen, oft sehr
regelmässig über einander geschichteten Lagen strafffaserigen Binde-
gewebes und ist meist von den tiefer gelegenen Organen, namentlich
den Muskeln, durch lockeres, lymphgefässreiches Gewebe, das subcutane
Bindegewebe, getrennt. - Beide Hauptabschnitte des Integuments
können dem Wirbelthierkörper, abgesehen von der ihnen selbst inne-
wohnenden Festigkeit, noch besondere S c h u t z a p p a r a t e liefern. Die
Hör uschi cht der Epidermis erreicht stellenweise eine besondere
Mächtigkeit und bildet so das Schildpatt der Schildkröten, die Horn-
schuppen und Schilder der Schlangen und Eideclisen, die Federn der
Vögel, die Haare und Hörner der Säugethierc. Endlich sind Epider-
moidalproducte auch die Krallen, Hufe und Nägel, die bei Reptilien.
Vögeln und Säugethieren vorkommen. Die Lederhaut kann Sitz von
Verknöcherungen werden, welche man im Gegensatz zu den Verknöche-
rungen der Wirbelsäule und des übrigen Axenskelets das Hautskelet
nennt.
tuutskeiet. Zum Hautskelet gehören vor Allem die Schuppen der Fische,
welche trotz der Gleichartigkeit des Namens als Knochcngebildc etwas
ganz anderes sind als die oben schon erwähnten Hornschuppen der
Schlangen und Eidechsen ; sie lassen sich sämmtlich auf eine gemein-
same Ausgangsfonn zurückführen, die Placoid sc huppen der
Selnchier. Letztere sind rhombische Plättchen, welche in ihrer Mitte
spitze Höcker tragen, die man Hautzähne nennt, weil sie im Bau und
in der Entwicklung den echten Zähnen der Mundhöhle sehr ähnlich
sind (Fig. 4<U >). Wie diese bestehen sie aus Elfenbein (d) und einer
Kappe von Schnielzsubstanz (seh) und enthalten im Innern eine von
blutgefässreichem Gewebe erfüllte Pulpahöhle (p). Ilautzähnc und
echte Zähne sind somit dieselben Gebilde, welche nur in Folge ihrer
verschiedenen Lagerung und der dadurch bedingten Verschiedeo-
artigkeit der Function eine verschiedene Entwicklung genommen haben.
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Wirbelthiere.
449
Die Schuppen der Fische sind noch von weiterem anatomischem
Interesse, da sich auf sie ausser den Knochenplatten, welche den
Schildkröten , Crocodilcn und manchen
Säugcthieren (GürteUhicrcn) einen wider-
standsfähigen Panzer liefern, noch wich-
tige Theile des Axenskelets, die secun-
dären oder Belegknochen, zurückführen
lassen. Unter Bclcgknochen versteht
man Knochenplatten, welche, durch Ver-
schmelzung von Hautverknöcherungen
entstanden, in tiefere Schichten verlagert
werden und zur Ergänzung des Axen-
skelets beitragen. Nach dem, was oben
über das Verhältniss von Hautzähnen
und echten Zähnen gesagt wurde, ist es
begreiflich, dass eine weitere Quelle für
die Bildung von Belegknochen die eben-
falls mit Zähnen ausgerüstete Schleim-
haut der Mundhöhle sein muss.
Bei der Betrachtung des Axenskelets Ai«»keiet:
Fie. 400. Sapttalschliff durch
die Schlimm von Sctjllium stel-
lare ( nach einer Zeiclinung von
Hofer), a Dentin, seh Schmelz,
p Pulpa, b Hasalplatte.
beginnen wir mit der Chorda dor-
salis, jenem wichtigen Zellenstrang,
dem wir schon bei den Tunicatcn begeg-
net sind, der ungeschmälert beim A>n-
phioxus und den Üyclostomen fortbesteht,
von da an aber allmählig durch die in
seinem Unikreis entstehende Wirbelsüule ver-
drängt wird. Der Zellstrang ist entodermalcr
Abkunft (Fig. 0, S. 31). Anfanglich ein Längs-
streifen im Epithel des Urdarms (I. cä), scheidet
er aus der Begrenzung desselben aus und kommt
dabei zwischen Darm [dh) und Nervensystem (V)
in die Längsaxe des Körpers zu liegen (II. III.);
hier bildet er einen runden Stab, welcher aus
der früher schon beschriebenen, durch den bla-
sigen Charakter ihrer Zellen an Pflanzengewebe
erinnernden Bindesubstanz besteht (Fig. 3<I, S. U8 .
Auf einem Querschnitt (Fig. 4«>1) sieht man den
Stab von 3 Hüllen umgeben, zu innerst von der
meist faserigen, selten knorpeligen Chorda-
scheide { Ca), dann einer elastischen M e m-
bran (Ee), die Elastica externa heisst, da eine
zweite Elastica innerhalb der Chordascheide vor-
kommen kann , endlich der s k e 1 c t o ge n e n
Schicht (SS), welche auch äussere Chorda-
scheide genannt wird. Letztere ist ein dem
Mesoderm entstammendes Bindegewebe, setzt
sich daher in die übrigen bindegewebigen Schei-
den, wie sie die Muskeln, das Nervensystem eU*.
umgeben, fort und verdient besondere Beachtung,
weil in ihr der Knorpel und der Knochen für
Wirbelsüule und Schädel entstehen.
Da die Chorda und ihre Hüllen elastisch und nachgiebig sind und
Hertwie, l.ehrtmeli der Zoologie. S. Aufl«ge. 29
CboriU dor-
Fie. 401. Querschnitt
durch das Axenskclet von
PtfrnniyxoH. F Fettge-
webe. SS ekelet« >in«ne
Schicht, Oh, l'b obere
und untere Fortsätze der-
selben . M Rückenmark,
P Umhüllung det*ell>cn,
C Chonla, d Chorda-
Scheide, Ee Elastica ex-
terna (aus Wicdersheim).
uiyinzeo
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450
Wirbelthiere.
ohne grossen Widerstand sich unter dem Zug der Muskeln biegen,
sind sie v o 1 1 k o m m e n ungegliedert Die Gliederung des Axen-
skelets beginnt erst, wenn derbere Gewebe wie Knorpel und Knochen
auftreten. Dann kommt es zur Sonderung einzelner in der Längs-
axe aufeinander folgender Stücke und damit zur allmähligen Aus-
bildung von Wirbelsäule und Schädel. Für beide Theile des Axen-
skelets kann man eine zusammenhängende Entwicklungsreihe aufstellen,
wenn man von den niederen Classen zu den höheren aufsteigt und
zugleich auch die (Mitogenetischen Thatsachen berücksichtigt.
\Virbets.iulr. Die in der Wirbelthierreihe zuerst auftretenden Stücke der
Wirbelsäule sind die oberen (Cyclostomen) und unteren Bögen
(Störe) (Fig. 462), feste Spangen, welche symmetrisch zur Sagittal-
ebene der Chorda aufsitzen und in der skeletogenen Schicht jedes
Segmentes gewöhnlich zu 1 Paar, selten zu 2 Paaren (eigentliche
Bögen und Schaltstücke, Intercalarien) vorhanden sind. Die oberen
Bögen (die arcus vertebrae der menschlichen Anatomie) umgreifen
das dorsal von der Chorda gelegene Rückenmark und bilden für das-
selbe den Rückgratscanal, indem sie über dem Rückenmark sich zum
Fig. 4<»J. Ein Stück Wirbelsäule des Störs
in seitlicher Ansicht und bei Betrachtung
auf dem Querschnitte, sp Processus spinosi,
ob obere Bögen, n Ncuralcanal , *■ Chorda-
seheide, e/i Chorda, ub untere Bögen, /• Kippen,
i dorsale und ventrale Intcrcalaria, f Dureh-
trittsstcllen der Nerven. Knorpel punktirt.
Knochen weiss.
Fig. li»3. Sehwanzwirbel eines
Karpfen. A der Länge nach in na-
gittaler Richtung durchschnitten,
Ii ein ein/einer Wirbel in halb
seitlicher Ansieht, ob obere i Neural)-
Bögen, ub untere (Haemal)- Bögen,
n Ncuralcanal, h Ilaernalcanal , r/t
Hohlräume, die von der Chorda
gefüllt werden.
oberen Dornfortsatz oder Processus spinosus (häufig einem selbständig:
sich anlegenden Stück des Axenskelets) vereinen; sie werden daher
auch Neu rapophyse n genannt. Ebenso können die untcrcn'Bögen
in der Schwanzgegend den die Schwanzblutgefässe bergenden Caudal-
canal erzeugen und sich ebenfalls in Processus spinosi (die unteren
Dornfortsätze) verlängern (Fig. 4iVM In der Rumpfregion verhalten
sich jedoch die unteren Bögen anders. Da hier die viel geräumigere
Leibeshöhle mit ihren an Umfang sehr wechselnden Organen (Darm.
Geschlechtsapparat) lagert, erstrecken sich die unteren Bögen weit
nach abwärts und zerfallen in zwei Stücke, ein oberes Tragestück, die
Apophyse, und ein unteres bewegliches Stück, die Rippe. Auch
unterbleibt die Vereinigung zu den unteren Processus spinosi; die
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Wirbelthiere. 451
Rippen enden entweder frei (Fische), oder sie hängen, zum Theil
wenigstens, ventral durch ein besonderes Verbindungsstück, das Brust-
bein oder Stern um (Amnioten) zusammen
(Fig. 464 St).
Man unterscheidet nach ihren Lagebeziehun-
gen zur Rumpftnuskulatur zweierlei untere Bögen
und demgemäss auch zweierlei Fortsätze (Apo-
physen) und zweierlei Rippen. Wir wollen für
die verschiedenerlei Bildungen verschiedene
Namen einführen und in dem einen Fall von
Haemalbögen, Haemapophysen und
Haemalrippen sprechen, im anderen Fall von
Pleuralbögen, Pleurapophysen und
Pleuralrippen. Haemalbögen etc. finden
sich bei den Knochenfischen ; sie liegen nach ein-
wärts von den lon^itudinalen Rumpfmuskeln und
entspringen selbständig vom Umkreis der Chorda.
Die Pleuralbögen etc. finden sich bei den Sc-
lachiern, Amphibien und allen Amnioten; sie ent-
springen von den oberen Bögen und liegen in einer
Bindegewebsschicht, welche als eine horizontale
Scheidewand zwischen Haut und Axenskelet aus-
gespannt ist und die Muskulatur in eine dorsale
und ventrale Masse abtheilt. In der Schwanzregion vieler Amphibien,
Reptilien und mancher Säugethiere finden sich beiderlei Bogensystemo neben
einander. Die Haemalbögen erzeugen hier einen Caudalcanal, die
Pleuralbögen dringen als Querfortsätze in die Rumpfmuskulatur hinein.
Indem die basalen Enden von oberen uud unteren Bögen sich um
die Chorda herum ausbreiten und mit einander verschmelzen, entsteht
ein fester Stützpunkt, für beide in dem Wirbelkörper. Derselbe
vergrössert sich auf Kosten der in seinem Innern verlaufenden Chorda
dorsalis; er kann dieselbe bis auf äusserst geringe Spuren vollkommen
verdrängen, wie die Wirbelsäule der Säugethiere zeigt, oder die Ver-
drängung der Chorda ist unvollkommen, wie bei den Fischen. Die
Fische haben amphicoele Wirbelkörper (Fig. 403), d. h. Wirbelkörper,
deren vordere und hintere Enden nach Art von Doppelbeehern tief
ausgehöhlt sind. In den Aushöhlungen erhält sich selbst beim er-
wachsenen Thier die Chorda fort, sie kann sogar als feiner Verbin-
dungsstrang die Wirbelmitte durchsetzen und so, abwechselnd sich
verdünnend und verdickend, die Form eines Rosenkranzes annehmen.
Histologisch besteht die Wirbelsäule entweder aus Knorpel oder
aus Knochen ; das gewöhnliche Verhalten ist, dass sich zuerst Knorpel
bildet, welcher dann von Knochen ersetzt wird. Unterbleibt die Ver-
knöcherung, so ist die Wirbelsäule dauernd knorpelig; ist die Ver-
knöcherung unvollständig, so findet man Knochen und Knorpel neben
einander. Indem sieh diese Unterschiede der histologischen Structur
mit den Unterschieden combiniren, wie sie sich aus der verschiedenen
Persistenz der Chorda und der verschiedenen Beschaffenheit der Wirbel-
körper und ihrer Anhänge ergeben, resultirt eine ausserordentliche
Mannichfaltigkeit im Aussehen der Wirbelsäule.
Noch früher als die Wirbelsäule, nämlich schon bei den keine :SchM*i.
Wirbelkörper besitzenden Ct/closfomen, tritt in der Reihe der Verte-
braten der Kopfabschnitt des Axenskelets, der nur dem Amphioxus
29*
Psre
Kn
Fig. 464. Brustwirbel
und Ki|*|ie in ihrem Ver-
hiiltiiiäs zum Itr*UbÜ>ein von
einem Säuget hier. Wk
Wir1>elkörper, Ps Processus
spinnsus, Pt Pr. transversus.
Ca Köpfchen, Co Hals, Tb
Höcker der Rippe. Cp knö-
cherne, Kn knorj»eli^e Kippe,
St Stcrnum (n
heim).
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452
Wirbelthiere.
fehlende Schädel auf. Derselbe umhüllt das Hirn, wie die Wirbel-
säule das Rückenmark; auch tritt seine erste Anlage in der skeleto-
gcnen Schicht im Umkreis dos vorderen Chordaendes auf. Der
Schädel theilt daher mit der Wirbelsäule die Lagebeziehungen zu den
wichtigsten Nachbarorganen, so dass man beide Abschnitte des Axen-
skelets im Allgemeinen einander gleichwcrthig oder homodynam setzen
kann, wenn es auch unrichtig ist, mit Goethe und Oken, den Be-
gründern der Wirbelt heorie des Schädels, zu sagen, dass der
Schädel durch Verschmelzung einer Anzahl Wirbel entstanden sei.
Vielmehr sind die Wirbel einerseits, «1er Schädel andererseits Theile
des Axenskelets. welche sich aus einer gemeinsamen Anlage, wie sie
durch die Chorda dorsalis und die skeletogene Schicht gegeben
ist, selbständig und unabhängig von einander entwickelt haben. —
Man unterscheidet drei Eutwicklungszustände des Schädels: 1) das
häutige., 2) das knorpelige P r i m o r d ia ler a n i u m , 3) das
k n ö eherne C r a n i u m. Das häutige Primordialcranium, welches aus
Bindegewebe besteht, ist in seinem Vorkommen auf frühe Embryonal-
stadien beschränkt oder wird höchstens in unbedeutenden Kesten in
den Schädel des ausgebildeten Wirbelthieres übernommen; es wird
von der höheren Entwicklungsstufe, dem knorpeligen Primordialcranium,
verdrängt, welches sich bei niederen Eischen (Unten) dauernd und
unverändert erhalten kann. Bei den meisten Wirbelthiercn tritt jedoch
Verknöcherung ein, welche das Primordialcranium entweder zum Theil
(Fische, Amphibien) oder in ganzer Ausdehnung (Reptilien, Vögrl.
Säugethicre) ergreift und es im letzten Falle in eine ringsum knöcherne
Kapsel verwandelt. Im knöchernen Cranium muss man nach ihrer
Entwicklung zwei Arten von Knochen unterscheiden: primäre und
secundäre Knochen. Die primären Knochen entstehen im Anschluss
an das Knorpelcranium selbst, entweder im Inneren des Knorpels
(Enchondrostosen) oder in seiner Hüllhaut, dem Perichondrium (Ekchon-
drostosen). Die secundären Knochen, die Belegknochen, sind dagegen
ihrer ursprünglichen Anlage nach dem Axenskelet vollkommen fremd
und bilden sich uns den beim Hautskelet besprochenen Verknöche-
rnngen der Haut (Schuppen) und der Mundschleimhaut (Zähne); sie
rücken in die Tiefe, lagern sich von aussen auf das Axenskelet und
ergänzen dasselbe besonders an Stellen, wo aus Mangel von Knorpel
keine primären Knochen entstehen können.
Das knorpelige Cranium ist stets am vollkommensten unter-
halb des Hirns ausgebildet. Dieser Abschnitt, die Schädelbasis, liegt
in der Verlängerung der Wirbelkörper und umhüllt zum Theil noch
das vordere Ende der Chorda dorsalis. zum Theil ragt er nach vorn
weit über die Chorda hinaus (praechordaler Theil «ler Schädelbasis).
Der Schädel steigt mit seinen Seitenwandungen am Hirn vorbei und
kommt über demselben als Schädeldach zum Verschluss. Dabei werden
seine Seitenwände durch die knorpeligen Umhüllungen zweier Sinnes-
organe, der Nase und des Gehörorgans, verstärkt, durch die Nasen-
kapseln am vorderen, durch die G eh ö r k a pse 1 n am hinteren Ab-
schnitte; die dazwischen gelegene Begion ist eingebuchtet zur Auf-
nahme der Augen, welche keinen besonderen Skelettheil dem Schädel
zuführen. - Nur bei wenigen Thieren ist das Knorpelcranium voll-
kommen geschlossen ; meist linden sich in ihm dorsale, zuweilen auch
ventrale, nur von Bindegewebe geschlossene Lücken. Namentlich wird
in der Gegend des Schädeldaches das Bindegewebe (häutiges Primor-
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Wirbolthiere. • 4515
dialeranium) um so ausgiebiger zum Verschluss herangezogen, je mehr
sieh das Hirn bei Zunahme der Intelligenz vcrgrössert und den Binnen-
raum der Schädelkapsel ausdehnt Relativ am kleinsten ist daher das
allerdings nur im Embryonalleben vorhandene Knorpelcranium bei
Reptilien, Vögeln und Säugethieren. Da es hier nur in der Hinter-
hauptsgegend sich dorsal schliesst. weiter nach vorn dagegen klafft,
müssen bei der Verknöcherung die Belegknochen zur Vervollständigung
der Schädelkapsel ganz bedeutend herangezogen werden.
Der knöcherne Schädel der Wirbelthiere bietet dem ver-
gleichend anatomischen Verständnis« grosse Schwierigkeiten, einestheils
wegen seines verschiedenen Aussehens in den einzelnen Thierab-
theilungen, anderntheils wegen der grossen Zahl und complicirten
Anordnung der ihn zusammensetzenden Knochen. Um so mehr muss
von Anfang an betont werden, dass im Grossen und Ganzen die gleichen
Knochenstücke in den verschiedensten Wirbelthierclassen wiederkehren,
und dass die Schwierigkeiten vorwiegend damit zusammenhängen, dass
je nach den einzelnen Gassen manche Knochen nicht zur Ausbildung
gelangen oder mit anderen zur Bildung grösserer Knochenstücke ver-
schmelzen. Eine weitere Complication wird dadurch herbeigeführt,
dass sich vielfach mit der Schädelkapsel Theile, die streng genommen
ihr nicht zugehören, innig verbinden, die sogenannten V isce rai-
böge n. Man thut daher gut, bei einer Beschreibung des Schädels
von dem Visceralskelet zunächst ganz abzusehen und sich ferner die
Aufgabe zu erleichtern, indem man die Knochen gruppenweise, wie sie
zusammengehören, betrachtet.
Die primären Knochen lassen sich nach den Schädelregionen
in vier Gruppen eintheilen: 1) Hinterhauptsknochen. Occipitalia,
Fig. 4<;.">. Schädel des Karpfen nach Abnahme dos Visceralskcletf. A. primäre
Knochen: oe. h, or.l, oe.s ■=* Bomoccipitalc , Exoccipitale , .Supraoceipitale ; rpn Kpio-
ticiun, pta Pterotieum, spho Sphenoticum, pro Prooticum; as Alisphenoid , 08 OrbltO-
sphenoid; mr Mesethmoid, ce Lxcthmoid. 15. ventrale lielegknoehen ; ps Parn.*phcnoid,
ro Vomer (dem Viseeralskelct zuzurechnen). C. dorsale Belegkmxhen : p Parietale,
fr Frontale, /— / Durchtritts!,tellen für die Kupfnerven.
2) Gehörkapselknochen, Otica, 3) Knochen der Augengegend, Sphe-
noidalia, 4) Knochen der Geruchskapsel, Ethmoidalia. Die
Hinterhauptsknochen (Fig. 4(55, 466, 467), welche bei den Säuye-
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454
Wirbelthiere.
thieren zu dem einheitlichen Hinterhauptsbein (Os occipitis) frühzeitig
verwachsen, umgeben vier an der Zahl das Foramen magnum, die
Oeffnung, durch welche das Rückenmark eintritt, um sich in das Hirn
fortzusetzen: zwei liegen links und rechts (Exoceipitalia), ein unpaarer
ventral (Basioccipitale), ein weiterer unpaarer dorsal von der Oeff-
nung (Supraoccipitale). Die der Seitenwand des Schädels angehörigen
Gehörkapselknochen (Otica) hängen in ihrer Ausbildung ganz
von der Ausdehnung des Gehörorgans ab. Wo die Thcile des letzteren
gross und weit ausgebreitet sind, ist die Region der Otica und dein-
gemäss auch ihre Zahl sehr gross (bei den Fischen [Fig. 4b'5] vier bis
fünf: Prooticum, Opisthoticum, Sphenoticum, Pteroticum, Epioticum):
umgekehrt verbinden sich die einzelnen Knochenanlagen bei den Stiuge-
thieren (Fig. 4GG) zu einem einheitlichen Knochenstück ( Petrosum ), das in
Fi>r. Mi'i. Schädel einer Ziege von aussen betrachtet, Hirnsehädel + Gesiehts-
schndcl (Thcil de»« Vimvralukelets). I. Hirnschädel : A. primäre Knochen : Ol Exoeci-
Pitale mit t'ondylus C und Processus naramastoideus Pm , Ott Supraoccipitale ; Pc
'etrosum (=- Otica) ; Bs Basisphenoid ( Alisphenoid, OrbitoHphenoid mit dem Foramen
optieum Fo zum Theil durch den .Tochbogen verdeckt, Praesphenoid und Kthmoidea
El verdeckt). B. sekuniläre Knochen; Pa Parietale, Fr Frontale, Xa Nasale, Sq
aniosum. Ty Tympanicum, La Laerymale. II. Gesichtsschädel: A. Oberkiefer-
e: Interinaxillare, Ms Maxillare, Ju Jugale. B. Gaumenreihe: Pal Pala-
tinum. Pt Pterygoid (aus Claus).
Folge der compendiösen Beschaffenheit des Gehörorgans nicht viel Platz
einnimmt. Da die Otica die Mittellinie nicht erreichen, grenzen an
der Schädelbasis an das Basioccipitale direct die Sphenoidalia an.
zunächst das unpaare Basisphenoid. auf welches dann weiter nach vorn
das ebenfalls unpaare Praesphenoid folgt. Beide Knochen haben links
und rechts ihre paarigen Begleiter: das Basisphenoid die paarigen
Alisphenoide, das Praesphenoid die paarigen Orbitosphenoide, ganz
wie das Basioccipitale von den zwei Exoceipitalia flankirt wird. Da
nun auch in der Gegend der Gerucbskapsel ein unpaarer mittlerer
Knochen (Mesethmoiih zwischen paarigen Seitenknochen (Exethmoidea)
liegt, so hätten wir uns das verknöcherte Cranium der Wirbelthiere
vorzustellen als eine mediane Längsreihe von vier unpaaren, basalen
Knochen, die von hinten nach vorn sich folgen als Basioccipitale,
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Wirbelthiere.
455
Basisphenoid, Praesphenoid, Mesethmoid ; daneben je eine linke und
rechte Reihe: Exoccipitale, Alisphenoid, Orbitosphenoid, Exethmoid.
Die Ausbildung der Gehörkapsel
bringt es mit sich, dass zwischen
die Exoccipitalia und die Alisphe-
noidea die Summe der Otica, das
Petrosum eingekeilt ist. Nur in
der Hinterhauptsgegend findet
sich ein dorsaler Schlussstein,
das Occipitale superius. Sonst
müssen Belegknochcn zur
Aushilfe eintreten, und zwar drei
Paar, welche bei den Wirbel-
thieren nahezu constant sind und
von hinten nach vorn auf ein-
ander folgen: ein Paar Parie-
ta lia, ein Paar Frontalia,
ein Paar Nasalia (letztere als
Deckknochen der Nasenkapsel).
Auf die niederen Wirbelthiere
beschränkt ist ein unpaarer mäch-
tiger Belegknochen an der Schä-
delbasis, das vom Hinterhaupts-
bein bis zum Mesethmoid rei-
chende Parasphenoid.
Das hier entwickelte Grund-
schema eines "Wirbelthierschädels
wird in der Natur am meisten modificirt in der Sphenoidalgegend. Parasphe-
noid einerseits und Basisphenoid und Praesphenoid andererseits vicariiren für
einander, so dass bei Anwesenheit des ersteren die letzteren klein bleiben
oder fehlen (Fische, Amphibien) und umgekehrt (Säugcthiere). Bei den
Säugethieren verwachsen ausserdem die unpaaren Sphenoidstücke mit ihren
paarigen Begleitern, die Basisphenoidea mit den Alisphenoidea (Alae tempo-
rales), die Praesphenoidea mit den Orbitosphenoidea (Alae orbitales) ; so ent-
stehen das vordere und hintere Keilbein (beim Menschen und anderen Säuge-
thieren zu dem einzigen Keilbein verschmolzen). Aus der Vereinigung von
Mesethmoid und Exethmoidea entsteht bei den Säugethieren das Os ethmoideum.
Die Schädelkapsel wird zum Kopfskelet ergänzt durch das Hin- JjjgJJ»
zutreten des Visceral skelets, eines Systems von Bogenstücken,
welche nach Art der Rippen den Anfangsdarm von links und rechts
umgreifen, sich zum Schädel verhalten wie die Rippen zur Wirbel-
säule und zum Kopfskelet gerechnet werden müssen, obwohl sie zum
Theil nach rückwärts verschoben sind und unter den Anfang der
Wirbelsäule zu liegen kommen. Analog dem Schädel hat das Visceral-
skelet einen knorpeligen und einen knöchernen Zustand. Das nur
bei den Haien vorkommende knorpelige Visceralskelet zeigt uns den
Apparat in seinen leicht verständlichen Grundzügen; es ist hier so
locker mit dem Schädel verbunden, dass man es leicht von ihm im
Zusammenhang ablösen kann. Man zählt an ihm (Fig. 404) gewöhn-
lich acht (selten elf ) Bögen und zwar von vorn nach hinten zunächst
zwei rudimentäre Bögen, die Lipp enknorpel, dann den mächtigen
K i e f e r b o g e n , den Zungen b einbog e n und fünf (selten sieben)
Kie menböge n. Der Kieferbogen besteht jederseits aus zwei Stücken,
Fig. 4M7. Sagittalsehnitt durch den hin-
teren Abschnitt eines Ziegenschiidels. A.
primäre Knochen des Hirnschädels: Ob Basi-
occipitale , \Pm Processus parama.stoideus\
Ol Exoccipitale, Os Supraoccipitalc; Spb
Basisphenoid , AU Alisphenoid, Ps Prae-
sphenoid, Ors Orbitosphenoid i Eth Meseth-
moid (das Exethmoid verdeckend»; Pe Pe-
trosum. B. Belegknochen : Pa Parietale, fp
das nur hei Säuget liieren vorkommende lu-
terparictalc. Fr Frontale mit »f Sinus fron-
tales. Na Nasale. C. Belegknochcn des Vis-
ccralskelets : Vn Vomer, Pal Palatinum,
Pf Ptcrygoid (Gaumenreihe), M.r Maxillare
(Oberkieferreihe) (aus (Jegenbaur).
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450
Wirbelthiere.
welche Zähne tragen und beim Kauen gegen einander wirken: das
obere, dem Schädel vorn und hinten angefügte Stück ist dasPalato-
qu ad rat um (nicht Oberkiefer), das untere, welches am Palatoqua-
dratum eingelenkt ist, heisst das Mandibulare. Ganz analog theilt
sich der Zungenbeinbogen in das obere an der Gehörkapsel des
Schädels befestigte II y o m an d i b u 1 ar e und das untere Hyoid,
nur dass hierzu noch ein am Kieferbogen fehlendes unpaares Stück
kommt, welches als ventrale C o p u 1 a den linken und rechten Bogen
unter einander verbindet. Eine Copula existirt auch bei den Kieuicn-
bögen, welche jederseits aus vier Stücken bestehen. Zungenbeinbogen
und Kieinenbögcn tragen Kiemen; gewisse Merkmale (Existenz rudi-
mentärer Kiemen und einer rudimentären Kiemenspalte, des „Spritz-
lochs") weisen darauf hin, dass auch der Kieferbogen einmal ein Trage-
apparat für Kiemen gewesen ist und dieser ursprünglichen Function
entfremdet wurde, als er zum Kauen Verwendung fand.
Durch die Verknöcherung hat das Visceralskelet bei den höheren
Fischen und allen übrigen Wirbelthieren eine erhebliche Umgestaltung
erfahren. Diese Umgestaltung wird noch gesteigert durch einen fort-
schreitenden Functiouswechsel der Bögen, indem immer mehr derselben
ihrer ursprünglichen respiratorischen Function entzogen werden. Man
muss dabei am Visceralskelet einen vorderen und hinteren Ab-
schnitt unterscheiden: der vordere besteht aus den Labialknorpeln,
dem gesammten Kieferbogen und der oberen Hälfte des Zungenbein-
bogens, dem Hyomandibulare, der hintere aus dem Hyoid, den
Kieinenbögcn und den Copulae. Der hintere Abschnitt ist nur
so lange gut entwickelt, als die Kiemenathmung beibehalten wird.
Mit dem Uebergang zur Lungenathmung schwindet er zum grössten
Theil ; was erhalten bleibt, liefert das Zungenbein, dessen Körper
aus einer Copula hervorgeht, dessen Vorderhorn dem Hyoid. dessen
Hinterhoru einem Kest von Kiemenbögen entspricht.
Der vordere Abschnitt des Visceralskelets (Labialknorpel, Pala-
toquadratum, Mandibulare, Hyomandibulare) erfährt zwar eine Weiter-
bildung, giebt aber mehr und mehr seine Selbständigkeit auf, um mit
dem Schädel zu verwachsen. Hei den Säugethieren schliesst er sich als
„Gesichtsschädel" dem „H i rn sc h ä d e 1" an. Dabei wird er
Ausgangspunkt für complicirte Knochcnbildungen, die vergleichend
anatomisch sehr schwer zu verstehen sind, da sie, von Classe zu
Classe verglichen, wiederholt ihre Function und damit auch ihre Be-
schaffenheit und relative Grösse verändern.
Allen Wirbelthieren mit knöchernem Visceralskelet (Fig. 4(>(>. 495)
ist gemeinsam, dass vor dem Palatoquadratum in der bei Haien durch
die Lippenknorpel eingenommenen Gegend links und rechts zwei Be-
legknochen entstehen, der Zw isch en kiefer (Os praemaxillare s.
intermaxillare) und der Oberkiefer (Os maxillare). Sie tragen die
nur hie und da rückgebildete Ob er kiefer reihe der Zähne, welche
die Zähne des Palatoquadratum ablösen, indem sie die Antagonisten
der Unterkieferzähne werden. Das Palatoquadratum rückt in
gleichem Maasse nach rückwärts und erzeugt eine zweite, der Ober-
kieferlinie häutig genau parallele Reihe von Knochen, welche ebenfalls
Zähne tragen können, die Gaumenreihe. Man muss hierbei aber
am Palatoquadratum zwei Abschnitte unterscheiden, nach vorn die
Palatinspange, nach hinten den Quadrattheil. Die knorpelige Palatin-
spange schwindet und es erhalten sich nur die auf ihr entstandenen
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Wirbelthiere.
457
Belegknochen, zuvorderst der Vomer, dann das Palatinum, am meisten
rückwärts das Pterygoid. Der Quadratknorpel verknöchert dagegen
selbst und wird zum Quadratbein, welches die Gelenkflache für das
Mandibulare trägt. Die Verknöcherung des Mandibulare erfolgt in
analoger Weise, vorn durch Bclegknochen, unter denen das zahn-
tragende Stück, das Dentale, am wichtigsten ist, hinten durch einen
primären Knochen, welcher, weil er mit dem Quadratbein das Man-
dibulargelenk bildet, Articulare heisst. — Aus dem Hyomandibulare
geht nur ein constanter Knochen hervor, welchem daher der Name
des Knorpels belassen wird.
Wenn soweit aJle Wirbelthiere mit knöchernem Skelet einander
gleichen, so kommen wir jetzt zu den Unterschieden, welche da-
durch veranlasst sind, dass das Hörorgan beim U eber-
gang zum Landaufenthalt schallleitender Apparate be-
darf. Diese werden durch Knochen geliefert, welche schon bei den
Fmchen in der Gegend der Gehörkapsel liegen, das Hyomandibulare
(Zungenbeinbogen), Quadratum und Articulare (die zwei' Gelenkstücke
des Kieferbogens j. Das Hyomandibulare wird wahrscheinlich schon
bei Amphibien, Reptilien und Vögeln zu einem Gehörknochen, der
Columella, und erhält sich auch als solcher bei den Säugethieren
in dem Steigbügel (Stapes). Bei den Säugethieren folgen im Func-
tionswechsel Quadratum und Articulare nach, jenes, indem es zum
Ambos, dieses, indem es zum Hammer (Fig. 438, 480) wird. Da
das Mandibulare durch diese Umwandlung seines Gelenkstücks beraubt
wird, entsteht bei den Säugethieren an einem Fortsatz des Dentale ein
neues Unterkiefergelenk. Der Unterkiefer der Fische bis Vögel ist
somit nur zum Theil dem Unterkiefer der Säugethiere gleichwerthig,
da er ausser dem Dentale auch das Articulare (den Hammer der
Säugethiere) enthält.
Zum Schluss müssen noch i\ bei den Wirbelthieren weit verbreitete
Knochen besprochen weiden: 1) das Squamosum, '2) das Tympanicum,
3) das Jugale oder Zygomaticum. Von diesen drei ist das Squamo-
sum, indem es auf dem Quadratknorpel als Belegknochen entsteht, ein
Begleiter des Quadratbeins und wie dieses an die Gegend der Otica
oder das Petrosum gebunden. Es wird in gleichem Maasse grösser,
als das Quadratbein bei der Umwandlung zum Ambos einschrumpft,
und liefert die Squama tcmporum, welche bei allen Säugethieren mit dem
Felsenbein zum Schläfenbein verschmilzt. Gemeinsam mit dem Tym-
panicum, welches bei Säugethieren ebenfalls mit dem Petrosum ver-
wächst, bildet es den Rahmen, in welchen das Trommelfell eingespannt
ist. Das Jugale oder Jochbein gehört zur Maxillarreihe. Diese ist
bei vielen Wirbelthieren nur an ihrem vorderen Ende am Schädel be-
festigt, während das hintere Ende frei in den Weichtheilen des Kopfes
endet. Um nun auch dieses Ende mit dem Schädel enger zu ver-
binden, entsteht bei sehr vielen Wirbelthieren das Jugale, welches
bogenförmig (Jochbogen) den Zwischenraum zwischen dem Maxillare
und dem am Schädel angefügten Quadratum überbrückt. Wenn das
Quadratum sich in ein Hörknöchelchen verwandelt und dadurch zu
klein wird, um als Stützapparat zu dienen, wird der Jochbogen von
dem Begleiter des Quadratum. dem Squamosum, aufgenommen, welches
den Processus zygomaticus dem Os zygomaticum (jugale) entgegen
sendet.
Wie der Stamm des Wirbelthierkörpers eine feste Axe durch txtfenutatcn.
-
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458
Wirbelthiere.
Schädel und Wirbelsäule erhält, so gewinnen auch die von ihm aus-
gehenden Extremitäten ihre Stütze durch axiale Skeletbildungen.
Man unterscheidet zweierlei Extremitäten, paarige und unpaare, die
allerdings nur bei den Fischen neben einander vorkommen (Fig. 502 bis
507). Die unpaare n Extremitäten entstehen hier als eine Haut-
falte in der Sagit talebene des Körpers, die hinter dem Kopf beginnt,
als ein Rückenkamm bis zum Schwanz verläuft, diesen umgreift und
ventral bis zur Aftergegend reicht. Die einheitliche Anlage sondert
sich später in 3 Stücke: 1) die öfters in mehrere kleinere Flossen
zerfallende Rückenflosse, 2) die Schwanzriosse und 3) die ventrale
Afterflosse (Finna dorsalis, P. caudalis, P. analis). In ähnlicher Weise
sind wahrscheinlich auch die paarigen E x t r e m i t ä t e n , die vor-
deren Brustflossen (P. thoracicae) und die hinteren Rauchflossen (P.
abdominales), auf eine einheitliche Anlage zurückzuführen und als die
selbständig gewordenen vorderen und hinteren Enden zweier Seiten-
falten zu deuten. — Von den beiden Extremitätenformen sind die un-
paaren die älteren, da sie schon beim Amphioxus und den Cyclostomm
auftreten, wo die paarigen noch fehlen; sie verschwinden dagegen
früher in der Wirbelthierreihe. Da sie nur für den Aufenthalt im
Wasser dienlich sind, gehen sie schon bei den Amphibien verloren, bei
denen ein einheitlicher, von Sklelettheilen nicht mehr gestützter Flossen-
kamm meist nur noch während des Larvenlebens vorkommt. Umge-
kehrt gewinnen die paarigen Extremitäten (Anne und Reine) mit dem
Uebergang zum Landleben eine erhöhte Bedeutung.
In den Flossen der Fische findet man zweierlei Skelettheile vor,
die bei den Haien auch durch ihre histologische Beschaffenheit scharf
unterschieden sind, indem die einen, die Flossenstützen, aus
Knorpel bestehen, die an-
deren, die Flossen-
strahlen, Hornfäden sind
(Fig. 468). Da bei den
Teleosticrn beule Theile ver-
knöchern, wird der Unter-
schied weniger auffällig,
lässt sich aber noch daran
erkennen, dass die Flossen-
stützen knorpelig vorge-
bildet werden, die Flossen-
strahlen nicht, dass jene
die basalen Theile , diese
den Randsaum der Flosse
einnehmen. Die Unter-
scheidung der beiden Skelet-
elemente ist von grosser
Wichtigkeit. Die Flossen-
strahlen haben ein unter-
geordnetes Interesse , da
sie bei den höheren Wir-
belthieren in den Aufbau
der Extremität nicht mit
hinübergenommen werden. Was sich bei diesen erhält, ist' aus-
schliesslich das System der Flossenstützen von Brust- und
Fig. !<>S. Linker Hrustgiirtel mit Flosse von
Heptanchtis (unter Benutzung einer Zeichnung
von Wiedershcini). s Senpuhi der linken , s' der
rechten Seite, it unterer Tlnil des (iiirtels, nl
Nervenloch, /, '2, H Pro-, Meso-, Metaptcrvgium,
n ßtannureihe , r Nclwnreihen der knor|>eliLren
Flossenstiilzen, h Homfüden oder Flossenstrahlcn,
bei //' durchschnitten, da sie sonst die Enden der
FloKscuätützen zudecken würden.
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Wirbel thiere.
459
Bauch flössen, die daher auch allein eine besondere Besprechung
verlangen.
Das knorpelig präformirte Stützskelet jeder paarigen ExtreraitätKx,™£ft01-
besteht aus zwei Theilen, dem in die Seitenwandung des Körpers ein-
gelassenen Extrenütätengürtel und den Stücken, die der frei vorstehen-
den Extremität zu Grunde liegen, dem Extremitätenskelet im engeren
Sinne. Der Extremität engttrtel (der Schultergürtel der vorderen,
der Beckengürtel der hinteren Extremität) ist im einfachsten Falle
eine Spange mit einer Gelenkfläche für die Extremität und wird durch
diese Gelenktläche in einen dorsalen und einen ventralen Abschnitt
zerlegt. Der dorsale Abschnitt heisst Schulterblatt oder Scapula für
die vordere, Darmbein oder Ileum für die hintere Extremität. Der
vom Gelenk aus sich abwärts hinziehende Theil gabelt sich bei den
meisten Wirbelthieren in einen vorderen und hinteren Ast (Fig. 469).
Der vordere Ast ist die Clavicula des Schul-
tergürtels, das Os pubis des Beckengürtcls,
der hintere das Coracoid, resp. das Os ischii.
Am constantesten ist der Unterschied der
drei Theile am Beckengürtel; am Schulter-
gürtel dagegen kann bald die Clavicula, bald
das Coracoid, bald auch können beide Theile
fehlen, während die Scapula bei keinem
Wirbelthier mit Extremitäten vermisst wird.
In ihrer Lage werden die Extremitäten-
gürtel der wasserbewohnenden Fische vorwie-
gend oder ausschliesslich durch Muskeln er-
halten; bei der Mehrzahl der Landbewohner
ist dagegen ein inniger Anschluss an das
Axenskelet, speciell an die Wirbelsäule durch-
geführt. Dieser Anschluss ist für den Becken-
gürtel ein unmittelbarer, da der dorsale Fort-
satz, das Ileum, sich mit ein oder mehreren
Wirbeln verbindet, welche Sacralwirbel
heissen (streng genommen nicht mit den Wir-
belkörpern selbst, wohl aber mit den davon
ausgehenden Querfortsätzen und Rippen).
Die Verbindung des Schultergürtels ist da-
gegen mehr vermittelt und deshalb auch
lockerer ; sie wird durch die ventralen Span-
gen, die Clavicula und das Coracoid, bewirkt.
Letzteres tritt an das Brustbein (Sternum)
heran, welches ja selbst wieder durch Rippen
der Wirbelsäule angefügt ist, erstcre an
einen besonderen, dem Brustbein aufgelager-
ten Knochen, das Episternum. Die directe
Verbindung des Schlüsselbeins mit dem Sternum bei den Säugethieren
ist nur eine scheinbare, da sich zwischen beide noch Knorpelstücke
eindrängen, die Reste des Epistcrnulapparats.
Da nur die frei hervorstehende Extremität bei der Arc^ery
Fortbewegung unmittelbar verwandt wird und da die verschiedenen
Bewegungsweisen der Wirbelthiere , Schwimmen, Fliegen, Laufen,
Springen, Klettern, eine jede ihre besondere Ausbildungsweise der
Extremität erfordern, zeigt auch das Skelet eine ganz ausserordentliche
■
Fig. UW. Rechtsseitiger
Sehultergürtel : A vom
Frosch. Ii einer Schildkröte,
C einer Kitlvfh.se. s Scapula,
s' Siipruscapulure, vi Clavi-
cula , co Coracoid , c Epi-
sternum, »t Sternum bei C
mit Ri Planansätzen) (nach
Gejjenbaur, einige Figuren-
bezeiehnungen viTiinilert).
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4G0
Wirbelthiere.
Mannichfaltigkeit der Formen. Gleichwohl ist es geglückt, alle diese
Formen auf eine gemeinsame Urform, das Archipterygium, zurück-
zuführen, eine Urform, welche in der Flosse gewisser niedrig stehen-
der Fische vorkommt. Im Arehipterygiumskelet (Fig. 4<J8) sind zahl-
reiche Skeletstücke enthalten, die sich nur wenig in Grösse und Form
unterscheiden und in vielen dicht an einander schliessenden Reihen
angeordnet sind. Unter den Reihen der Skeletstücke hat eine da*
Uebergewicht über die anderen und heisst die Stammreihe: sie beginnt
mit einem ansehnlichen Skeletstück direct am Extremitätengürtel (dem
Metapterygium l und trägt entweder auf beiden Seiten (Archipterygium
biseriale) oder nur auf einer Seite (Arch. uniseriale),
ähnlich einem doppelt oder einfach gefiederten Watt,
die Seitenreihen der Skeletstücke. Gewöhnlich be-
festigen sich nicht alle Scitenreihen an der Stammreihe,
vielmehr entspringt eine grössere Anzahl auch von
dem Schultergürtel direct; sie können hier ebenfalls
mit grossen Stücken beginnen, dem Meso- und Pro-
pterygium.
^'Atn'mHjf s ('om l>(isPro<>l,enen Archipterygium lässt sicli
' eine Grundform ableiten, welche für alle höheren, vor-
nehmlich landbewohnenden Wirbelthiere von den
Amphibien an aufwärts gilt; es ist das die penta-
d a c t y 1 e oder iQnf fingerige Extremität (Fig.
470). Will man dieselbe aus dem Archipterygium
erklären — wobei es von keiner grossen Bedeutung
ist, ob man die uniseriale oder biseriale Form zum
Ausgangspunkt wählt — , so muss man annehmen, dass
folgende drei Abänderungen sich vollzogen haben. Zu-
nächst muss man sich eine Reduction der Gesammtzahl
der Strahlen vorstellen, und zwar eine Reduction auf
fünf: einen Hauptstrahl und vier Nebenstrahlen. Die
terminalen Stücke des Ilauptstrahls liefern die Knochen
des fünften, diejenigen der Nebenstrahlen die Knochen
der übrigen Finger. Eine zweite Veränderung be-
steht in dem ungleichen Wachsthum der Theile; das
Metapterygium. schon bei den Fischen ein ansehn-
liches Stück, vergrössert sich noch mehr und heisst
Humerus bei der vorderen, Femur bei der hin-
teren Extremität. Ebenfalls sehr ansehnlich wird
das zweite Stück des Hauptstrahls und das erste
Stück des ersten Nebenstrahls, es sind Ulna und
Radius, beziehentlich Fibula und Tibia; nun
folgen Knöchelchen, welche klein bleiben, meist von
der Gestalt würfelförmiger Stücke, die Carpalia der vorderen, die
Tarsalia der hinteren Extremität: sie tragen wiederum schlankere
Knochen, die Metacarpalia oder Metatarsalia , und diese endlich die
Phalangen. (Rücksichtlich der genaueren Bezeichnungen der Carpalia
vergl. die Figurenerklärung 470.)
Die dritte Veränderung, zugleich eine der wichtigsten, wird durch
die Ausbildung von Gelenken herbeigeführt. So lange die Extremität
als Ruder funetionirt, muss sie eine einheitlich wirkende Platte sein,
deren einzelne Theile festgefügt sind. Wenn die Extremität dagegen,
wie es bei Landthieren nöthig ist, als ein Hebelapparat den Körper
Fijr.470. Sche-
ma einer penta-
dactylon Extre-
mität, die punk-
tirten Linien jje-
ben die Seiton-
strahlen an. H
Humerus, /'l'lua.
Ii Radin*. Carpu*
Stellend aus 2
Reihen und 2
centralen Stücken:
I. Reiher Radiale,
i Intermcdium. w
Ulnare. II. Reih-
Carpalia 1— .">. r
Centralia, <lie Me-
tacarpalia und
Phalangen s>ind
nicht bezeichnet
(nachGciienlmur).
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Wirbelthiere.
401
tragen und bewegen soll, so muss sie in einzelne Abschnitte zerlegt
werden, welche mit einander gelenkig verbunden sind. Hei dieser
Quergliederung bilden sich an vorderen und hinteren Extremitäten
namentlich 2 Gelenke aus, das Ellbogengelenk (Kniegelenk) zwischen
Humerus (Femur) einerseits, Radius und Ulna (Tibia und Fibula) an-
dererseits, das Handgelenk (Sprunggelenk) zwischen den Unterarm-
knochen ( Unterschenkelknochen) und den Carpalia (Tarsalia) ; dazu
kommen die minder wichtigen Gelenke der Finger- und Zehenglieder.
Wenn wir nun die Extremitäten der Landwirbelthiere mit der ge-
schilderten Grundform vergleichen, so ergeben sich Abweichungen nach
2 Richtungen hin. Selten sind mehr Stücke vorhanden, als das erläuterte
Schema sie verlangt ; dann sind noch die Reste eines sechsten oder gar
eines siebenten Strahls oder Fingers entwickelt. Viel häutiger ist eine
Reduction der Skcletstücke eingetreten, entweder durch Verschmelzung
oder durch gänzliche Rückbildung. Verschmelzung ist Ursache, dass
bei der vollkommensten Pentadactylie die Zahl der Carpalia meist ge-
ringer ist als 10, wie man nach dem Schema erwarten sollte: Rück-
bildung bringt es dagegen mit sich, dass viele Thiere nur 4, H, 2 oder
sogar nur 1 Zehe haben. Man kann dann mit Sicherheit annehmen, dass
die fehlenden Zehen verloren gegangen sind. Die Paläontologie z. B.
lehrt uns in ganz überzeugender Weise, dass die jetzt lebenden ein-
zelligen Pferde aus fünfzehigen Urformen durch gesetzmässige Rück-
bildung der Zehenzahl hervorgegangen sind.
Die hohe Vervollkommnung und eigenthümliche Beschaffenheit des Mu.uutur.
in seinen Grundzügen geschilderten Wirbelthierskelets hat einen tief-
greifenden Eintluss auf die übrige Organisation. Wir haben schon her-
vorgehoben, dass die äussere Erscheinungsweise unter diesem Eintluss
steht, dass die Haut nicht wie bei den Arthropoden zum Stützapparat
wird, und dass damit die Bedingungen für die äussere Segmentirung
in Wegfall kommen. Noch unmittelbarer ist der Eintluss auf die An-
ordnung der Muskulatur. Die Entwicklung eines Axenskelets bringt
es mit sich, dass die Angriffs-
punkte der Muskulatur von der
Haut, an welcher die Muskeln bei
Mollusken. Arthropoden und Wör-
nern endigen, auf das Innere über-
tragen werden. Eine Ilautmusku-
latur besteht bei den Wirbelthie-
ren nur in unwesentlichen Resten
fort; sie ist ersetzt durch die
R u in p f m u s k u 1 a t u r. Letztere
ist ihrer ersten Anlage na"h ein
auf jeder Seite der Wirbelsäule
hinziehender Längsstrang von Mus-
kelfasern (Fig. 471), welcher durch
bindewebige Scheidewände , die
Ligamenta intermuscula-
ria, in viele hinter einander ge-
lagerte Segmente, die M y o t o m e
oder M y o c o m m ata, zerlegt wird.
Wenn man daher bei einem Fisch durch Kochen das Bindegewebe löst, so
zerfällt die Muskulatur in lauter scheibenförmige Stücke. Die Ligamenta
intermuscularia spannen sich zwischen Haut und Axenskelet aus; sie
Fig. 471. Horizontalschnitt durch die
Vordere Rumpfgegeud eines jungen h'lnnleus
ftinrirns, auf der Höhe der rrsprüiige der
unteren Bogen; r Chorda, r knöcherne
WirbelkörjMT , r Kip]>cucudc der knorpe-
ligen unteren Bogen, // Ligamenta inter-
inuscularia, m Liingamuskeln, U Haut.
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41)2
Wirbelthiere.
»jrstrin.
übertragen vermöge ihrer Verlaufsrichtung die Wirkung der Muskeln
auf das Axenskelet, indem sie jedesmal rückwärts an der Haut beginnen
und etwas vorwärts am Axenskelet enden.
Eine gegliederte Rumpfmuskulatur findet sich schon beim Amphioxus
und den Myxinoiden, deren Axenskelet. die Chorda, noch ungegliedert
ist Die Muskelgliederung ist somit älter als die Skeletgliederunji
und, wie wir noch weiter hinzufügen können, Ursache der letzteren.
Die Bewegungen der Muskeln verhindern, dass die knorpelige oder
knöcherne Wirbelsäule ein Continuum bildet, wie es die Chorda und
die bindegewebige skeletogene Schicht sind; sie bewirken, dass in
kleinen Intervallen biegsame, die Knorpel- oder Knochensäule in die
Wirbelkörper abtheilende Gewebspartieen erhalten bleiben. Naturgemäss
dürfen diese biegsamen Trennungslinien nicht mit den Muskelgrenzen
zusammenfallen, sondern müssen zwischen ihnen liegen; mit anderen
Worten
Muskelgliederung
und Skeletgliederung. Myotonie und Sklero-
tome, müssen mit einander alterniren.
Wenn nun bei den Säugeihieren, z. B. dem Menschen, von der hier
geschilderten Muskelanordnung nur noch sehr wenig zu erkennen ist,
so hat das seinen Grund in der Ausbildung der Extremitäten ; je mehr
diese an Bedeutung gewinnen und die wichtigsten Bewegungsapparate
des Körpers werden, um so mehr werden Theile
der Stammesmuskulatur abgezweigt, umgruppirt
und in den Dienst der Extremitäten gestellt.
Segmentale Muskeln sind nur noch die Inter-
costales und die einzelnen Theile der Muskel-
masse, welche links und rechts von der Wirbel-
säule am Rücken hinzieht. Embryonal legt sich
jedoch bei allen Wirbelthicren die Muskulatur
segmental in Form der Ursegmente (früher Ur-
Fi<r.472. FrontalBchnitr wirbel genannt) an (Fig. 472).
durch
den Embryo von
Triton, ch Chorda, us I r-
»«•pinMit»' ( Miihkcliinla-
f n), uh Höhlungen <i«>r
. reegraente (aus ö. Hart-
wig-
Ein weiterer wichtiger Grundzug der Wir-
belthiermuskulatur ist darin gegeben, dass sie
bei ihrer Entstehung fast rein dorsal ist und
daher auch dauernd bei den Fischen vorwiegend
dorsal angebracht ist. Die Muskeln, die sich
ventral vorfinden, sind zum grössten Theil erst
vom Rücken dahin verlagert, wobei abermals als wesentlichste Ursache
die fortschreitende Ausbildung der paarigen Extremitäten anzusehen
ist. Der dorsale Charakter der Wirbelthiermuskulatur ist nur Theil
einer Allgemeinerscheinung, dass n ä in lieh durch die S k e 1 e t a x e
im Wirbelthierkörper eine Scheidung zwischen einer
dorsalen a n i m a 1 e n , d. h. u u r a n i m a l e 0 r g a n e enthaltenden
Sphäre und einer ventralen, vorwiegend vegetativen
Sphäre herbeigeführt wird. Ausser den Muskeln gehören der
Rückenseitc noch an: 1) das Nervensystem, 2) die wichtigsten Sinnes-
organe: Auge, Nase und Gehörorgan.
Das C e n t r a 1 n e r v c n syst e m der Wirbelthiere unterscheidet sich
von den zum Theil dorsal (Hirn), zum Theil ventral (Bauchmark) an-
gebrachten Centraiorganen der übrigen gegliederten Thierc (Anneliden
und Arthropoden) durch seine rein dorsale Lage (Hirn und Rücken-
mark); ferner unterscheidet es sich von den Ganglienknötchen und
Nervensträngen aller wirbellosen Thiere durch die sonst nur noch bei
Ascidienlarven vorkommende Röhrenform, d. h. durch die Anwesen-
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Wirbelthiere.
403
heit eines Canals, der in der Axe des langgestreckten Centraiorgans
verläuft, eine Flüssigkeit, den Liquor cerebrospinalis, enthält und von
einem besonderen Epithel ausgekleidet ist. Dieser Centralcanal er-
klärt sich entwicklungsgeschichtlich daraus, dass das Nervensystem aus
dem Ectoblast stammt und sich von demselben nicht durch Abspaltung,
sondern durch Entfaltung ablöst (Fig. 9, S. 31). In der Rückenhaut
des Embryo macht sich frühzeitig eine mediane Längsrinne, die Me-
dullarfurche, bemerkbar; der Boden derselben, die Medullarplatte,
krümmt sich mit fortschreitender Entwicklung immer energischer von
links nach rechts, bis sich die Rinne durch Zusaminenneigen der Rän-
der zum Rohr geschlossen hat. Wichtig ist, dass fast bei allen Wirbel-
thieren das hintere Ende dieses Rohres hinter dem Ende des Axen-
skelets herum durch den Canalis neurentericus mit dem ventral ge-
legenen Darmrohr in offener Communication steht, eine Communication,
welche sonst nur noch bei den Larven der Asculten beobachtet wird
(Fig. 200, S. 278).
Es giebt nur ein Wirbelthier, den höchst primitiv gebauten Am-
phioxus, bei welchem das Centrainervensystem in ganzer Ausdehnung
im Wesentlichen die gleiche Beschaffenheit, die Beschaffenheit des
Rückenmarks zeigt. Ein Hirn fehlt hier noch, oder ist, richtiger ge-
sagt, nur als eine kleine Verdickung am vorderen Ende des Nerven-
systems angedeutet. Ein solch niedriger Zustand kommt selbst wäh-
rend der Entwicklung der Wirbelthiere gar nicht mehr oder nur ganz
vorübergehend vor. Die Regel ist, dass das Centrainervensystem schon
zur Zeit, wo es sich von der Haut abschnürt und schliesst, in ein
Rückenmark und ein aus mehreren Abschnitten bestehendes Hirn ge-
gliedert ist.
Das Rückenmark (Medulla spinalis) ist ein cylindrischer, nur Ruh«»™*,
bei den Cyclostomen (Fig. 401) bandförmig abgeplatteter Strang, welcher
in der ventralen und dorsalen Mittellinie von zwei Längsfurchen ein-
gekerbt ist (Sulcus anterior (Sa) und S. posterior (Sp), Fig. 73,
S. 9i|). Der Centralcanal (Cc) ist aus der Axe ventral verschoben, sein
Lumen ausserordentlich eingeengt durch das Nervengewebe des Rücken-
marks. An letzterem kann man, wie an den Ganglienknötchcn der
wirbellosen Thiere. zwei Schichten unterscheiden, von denen die eine
nur Nervenfasern, die andere ausser Nervenfasern zahlreiche Ganglien-
zellen enthält. Die Anordnung der Schichten ist aber genau entgegen-
gesetzt der Anordnung der Ganglienknötchen , indem die Ganglien-
zellenschicht, „die graue Substanz", im Centruin liegt, die Nerven-
faserschicht, „weisse Substanz4' (VF), dagegen peripher, eine umge-
kehrte Schichtenfolge, die eine nothwendige Folge der Entwicklung
durch Entfaltung ist. Der durch die Namen ausgedrückte Farben-
unterschied hat seinen Grund darin, dass in der Rinde des Rücken-
marks die weissen, markhaltigen Nervenfasern verlaufen, während die
in der grauen Substanz zwischen den Ganglienzellen vorkommenden
Nervenfasern fast ausschliesslich grau und marklos sind. Der Farben-
unterschied beider Substanzen fehlt daher beim Amphioxus und den
Cyclostomen, welche noch keine markhaltigen Nervenfasern haben, ohne
dass die Architectonik des Rückenmarks im Princip eine andere wäre.
— Die graue Substanz umgiebt zunächst den Centralcanal, ragt
dann aber noch weiter auf jeder Seite mit. abgerundeten Vorsprüngen
dorsal und ventral in die weisse Substanz hinein ; sie erhält so die
Gestalt eines H, dessen dorsale Schenkel die Hinterhörner (////), die
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404
Wirbelthiere.
ventralen die Vorderhörner ( VII) heissen. Durcli Vorder- und Hinter-
hörner und die von ihnen entspringenden vorderen und hinteren Nerven-
wurzeln wird die tongitudinaJ gefaserte, weisse Substanz (TP) jeder-
seits wieder in drei Längsstränge zerlegt, die Seiteustränge (Sl und
die Vorder- und Hinterstränge ( V u. 11 ).
Eine segnientale Anordnung, wie sie am Bauchmark der Anneliden
und Arthropoden so deutlich ist. kommt am Rückenmark selbst nicht
zum Ausdruck, wohl aber in der Art, in welcher die Nerven aus
ihm entspringen. Jedem Muskelsegment und somit den Grenzen von
zwei aufeinander folgenden Rückenwirbeln entspricht ein ,.gemischter
Nerv", welcher kurz nach seinem Austritt aus dem Rückgratskanal
sich in einen dorsalen und ventralen Ast gabelt. Man nennt ihn einen
gemischten Nerven, weil er aus der Vereinigung und Yermengung
zweier Wurzeln entsteht, einer dorsalen oder hinteren (HYV), die nur
sensible Nervenfasern enthält, und einer ventralen oder vorderen i ril'i,
die nur motorische Nervenfasern führt. Die sensible, dorsale Wurzel
empfängt ihre Nerven aus dem Hinterhorn der grauen Substanz, die
motorische, ventrale Wurzel dagegen aus dem Vorderhorn. Da, wo
beide Wurzeln sich vereinigen , findet sich eine
ovale, Ganglienzellen enthaltende Anschwellung,
das Spinalganglion, welches aber ausschliesslich
der dorsalen Wurzel angehört.
Gehirn. Der zweite Abschnitt des Nervensystems, das
Gehirn, ist viel eomplicirter gebaut als das
Rückenmark und kann nur auf entwicklungsge-
schichtlichem Wege verständlich gemacht werden,
weshalb man auch die Eintheilung desselben auf
entwicklungsgeschichtliche Thatsachcn basirt. Ehe
noch die Medullarplatte sich vollkommen ge-
schlossen hat, zeigt sie in der Kopfregion ;J
Ausbuchtungen, welche beim Verschluss '.\ Blasen
bilden, die Vorderhirn-, Mittelhirn- und Hinter-
hirnblase. Auf das Stadium mit drei Hirnblasen
folgt noch ein weiteres, allen cranioten Wirbelthieren
gemeinsames Stadium mit fünf Hirnblasen, indem
d;is Hinterhirn sich in das Kleinhirn und Nachhirn
sondert, das Mittelhirn unverändert bleibt, das
Vorderhirn wiederum das Grosshirn und das
Zwischenhirn liefert (Fig. 473, 474). Das Gross-
liirn ist von Anfang an kein einheitliches Gebilde,
sondern besteht aus einer linken und rechten
Hälfte, deren Trennung schon auf «lein Stadium
der drei H iniblasen durch eine Einbuchtung am
vorderen Ende angedeutet ist.
Führen wir jetzt die Ausdrücke der mensch-
lichen Anatomie für die einzelnen II iniabschnitte
ein, so besteht die erste Himblase ( VII) aus den
beiden Grosshirnhemisphären, deren dorsale und
seitliche Wandungen sich meist stark verdicken
und das Pallium heissen, während zwei Anschwel-
lungen an der Basis links und rechts die Corpora"
striata (Fig. 474 Cs) genannt werden. Vom vorderen Abschnitte
jeder Grosshirnhemisphäre sondert sich stets noch ein besonderer Theil
Fig. 41.'. Schema
des Wirl»elt hierhin)«
(aus Wictlcrshcine.
FZ7 Vorderhirn i(in**8-
hirni. X//Z\vi»<brnhirn
(Thalami optici). MB.
Mittelhirn (Corpora
quadrigemina) , Ulf
Hinterhin) i KFinhirn),
.V// Naehhirn i Medulla
ohlongata), iS' I' Seitan-
ventrikel, ///,/F dritter
uml vierter Ventrikel,
FM Foramen Monroi
( Verbindung di-rSeiten-
vcntrikcl mit dem drit-
ten Ventrikel). Aq
Aquaeductus Sylvi, Ii
Rückenmark mit On-
tralcanal (Ce).
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I
Wirbelthiere.
465
Fig. 474. Schemacines Sagittalsehnitts durch
das Wirbelthierhirn und seine Umgebung (aus
Wicdersheim). VII, ZU, MH, Hit, NH— Vor-
der-, Zwischen-, Mittel-, Hinter-, Nachhirn,
Olf Lobus olfactorius, Z ZirMdrüse, HC hin-
tere Couimissuren der Thalami optici (Tim/, I
Infundibulum, II Hypophvsis, ('s Corpus M.ri-
atum. (h)t Opticus, Nil* Nasenhöhle, Ch
Chorda, Bc Basis cranii, Sd Sehädeldecke, Ce
Centralcanal lies Rückenmarks.
ab, der Lobus olfactorius (Fig. 474 Olf), welcher den Nervus olfac-
torius zum Geruchsorgan abgiebt. Da nun das Geruchsorgan häufig
durch einen weiten Zwischen- m zz-ejp[S9ja: XM
räum vom vorderen Hirnende r f i rr JT i ■ y
getrennt ist, muss entweder
der Nervus olfactorius lang
ausgezogen sein wie bei den
Amphibien (Fig. 512), oder der
Lobus olfactorius muss sich
strecken, wie z. B. bei vielen
Haien (Fig. 490). Im letzteren
Falle liegt das angeschwollene
Ende des Lobus der (ieruchs-
schleimhaut dicht an und
bleibt mit dem Hirn durch
einen Stiel in Verbindung.
Man nennt dann den Stiel
Tractus , die Anschwellung
Bulbus olfactorius ; beide
müssen als Hirntheile sehr
wohl vom Nervus olfactorius unterschieden werden.
Im Bereich der zweiten Hirnblase (ZH) verdicken sich nur die
Seitenwandungen und liefern die unmittelbar an die Corpora striata
anschliessenden Thalami optici; die Decke dagegen entwickelt keine
Nervensubstanz und bleibt eine dünne Epithelschicht, die man früher
ganz unberücksichtigt Hess, so dass man von einer in das Lumen des
Hirns einleitenden Oeffnung, einem „vorderen Hirnschlitz4' sprechen
konnte. Dünnwandig ist auch die Basis zwischen den Thalami optici;
sie ist zugleich zu einem Trichter nach abwärts ausgestülpt, dem In-
fundibulum. — Die dritte Hirnblase zeigt ein allseitiges Wachs-
thum, durch welches ihr Lumen auf einen engen Canal, den Aquae-
ductus Sylvii, reducirt wird. Eine Längskerbe sondert die Decke
meist in eine linke und rechte Wölbung ; sie wird bei den Säugethteren
noch von einer queren Furche gekreuzt, woraus sich der Name „Vier-
hügel", „Corpora quadrigemina", der menschlichen Anatomie
erklärt. — Die Besprechung der vierten Hirnblase setzt die Kennt-
niss der fünften, des Nachhirns, voraus. Das Nachhirn heisst
verlängertes Mark, weil es aus der Verlängerung des Rücken-
marks hervorgeht und in vieler Hinsicht die Structurverhältnisse
desselben fortführt. Es unterscheidet sich äusserlich von ihm, indem
es nach vorn allmählig sich verbreitert und unter Bildung des hinteren
Hirnschlitzes zugleich seine Decke verliert. Auch hier würde man
richtiger sagen, dass die Decke des Medullarrohrs auf ein dünnes
Epithelhäutchen reducirt ist. Vor dem Hirnschlitz liegt das Klein-
hirn, vielfach nur eine dünne, quer ausgespannte Marklamelle. Meist
jedoch ist es ein ansehnlicher Hirnthcil und bildet einen medianen
Wulst (den Wurm), an dem noch zwei seitliche Hervorwölbungen, die
Kleinhirnhemisphären, ansitzen können.
Bei dem wechselvollen Schicksal, welches in der Hirngegend die
Wandung des Neurairohrs erfährt, muss auch das Lumen desselben,
der Neuralcanal, ein verschiedenes Aussehen bieten. Ausdehnung der
Hirnabschnitte führt zu Ausweitungen des Lumens, zur Bildung der
Hirnv entrikel, deren man im ganzen vier unterscheidet. Der
Kettwig. Lehrbuch der Zoologie. S. AnlUg». 3Q
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460
Wirbelthiere.
erste und zweite Hirnventrikel sind symmetrische Bildungen, die
Hohlräume, welche sich in den beiden Grosshirnhemisphären befinden ;
sie sind somit aus dem Lumen der ersten Hirnblase hervorgegangen.
Der dritte Ventrikel liegt zwischen den Thalami optici und entspricht
«lern zweiten Hirnbläschen. Da das Lumen des dritten Hirnbläschens
zum Aquaeductus Sylvii eingeschrumpft ist-, kommt der vierte Ventrikel
in die Region der vierten Hirnblase zu liegen und erstreckt sich ohne
Abgrenzung in das Bereich der fünften Hirnblase hinein fort; nach
seiner Gestalt heisst er Sinus rhomboidalis oder Rautengrube.
Obwohl die besprochenen 5 Abschnitte bei allen Wirbelthieren
mit Ausnahme des Amphoxus vorkommen, so ist doch das Aussehen
des Hirns in den einzelnen Classen ein wesentlich verschiedenes, weil
das Grössenverhältniss und damit auch die Gestalt der Theile ganz
ausserordentlichen Schwankungen unterworfen ist. Bei den niederen
Wirbelthieren sind Mittelhirn und Nachhirn unverhältnissmässig um-
fangreich, während das Grosshirn, manchmal auch das Kleinhirn an
Masse unbedeutend ist. Am Grosshirn wiederum bleiben die Hemi-
sphären im Wachsthum hinter den Corpora striata und den Lobi
olfactorii zurück. Umgekehrt überflügeln bei den höheren Wlrbelthier-
classen das Grosshirn und das Kleinhirn die übrigen Abschnitte.
Ganz besonders vergrössern sich proportional der Intelligenzzunahme
die Grosshirnhemisphären; sie wachsen nach rückwärts und decken
schliesslich beim Menschen und bei den Affen die übrigen Hirnab-
schnitte zu ; sie dehnen sich auch nach vorn aus und verdrängen die
bei Fischen das vordere Hirnende bezeichnenden Bulbi olfactorii
nach der Basis. Um bei dem engbegrenzten Raum der Schädclhöhle
eine möglichst ausgedehnte Entwicklung der Hirnrinde, welche der Sitz
der Intelligenz ist, zu ermöglichen, faltet sich die Oberfläche zu Berg
und Thal, den Gyn und Sulci, ein. Etwas Aehnlichcs vollzieht sich
auch beim Kleinhirn, welches bei Vögeln und Säugcthiercn nächst dem
Grosshirn der umfangreichste Hirnabschnitt ist.
F.piphyii». Mit dem Zwischenhirn der Wirbelthiere hängen 2 räthselhafte Organe
"^«uT* ZUSfUnmcn, von denen das eine dorsal an der Grenze der Vierhügel und
ortan. Thalami optici, das andere ventral am Infundibulum lagert (Fig. 474),
weshalb das erstere Epiphvsis, das zweite Hypophysis heisst. Die
Hypophysis entsteht nach Art einer Drüse als eine Ausstülpung der em-
bryonalen Mundhöhle, der Mundbucht. Die so gebildete Hypophysentasche
schnürt sich ab, vergrössert sjcn durch Knospung und verwächst mit
nervösen Theilen, welche vom Ende des Infundibulum stammen, zu einem
einheitlichen Körper. Vielleicht ist es dieselbe Drüse, welche man bei
den Ascidien (S. 278) unter dem Ganglion findet, nur in rudimentärem Zu-
stande. Die Epiphvsis ist eine Ausstülpung der Hirndecke. Im engsten Zu-
sammenhang mit ihr, so dass es lange Zeit mit ihr identificirt wurde, ent-
wickelt sich bei vielen Wirbelthieren das Parietalorgan. Dasselbe hat
bei manchen Reptilien (Hntteria, Anguis , Laccrta etc.) die Structur eines
Auges (Parietalauge) und liegt hier abgerückt vom Hirn und mit ihm
durch einen Nerven verbunden in einem besonderen Loch der Scheitelbeine,
welches nicht nur bei lebenden, sondern auch bei ausgestorbenen Reptilien
nachweisbar ist. Ueber dem „Parietalauge" kann die Haut glasartig durch-
sichtig sein.
HimnerTfn Die Nerven, welche vom Hirn ausgehen, entspringen fast sämmt-
lich von der Hirnbasis, und zwar aus dem Bereich zwischen Mittel-
hirn und Rückenmark, namentlich von der Medulla oblongata. Von
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Wirbelthiere.
KIT
letzterer Regel machen der N. olfactorius und N. opticus eine* Aus-
nahme, von denen der eine vom Grosshirn, der andere vom Zwischen-
hirn kommt. Beide Nerven unterscheiden sich aber auch sonst von
den peripheren Nerven, der N. opticus so sehr, dass er überhaupt
nicht als ein peripherer Nerv angesehen werden darf. Wie seine Ent-
wicklungsgeschichte lehrt, ist er ein Hirntheil. Indem wir, dem
Gebrauche folgend, hier den Opticus und Olfactorius zu den Hirn-
nerven rechnen, haben wir für fast sämmtliche Wirbelthiere die 12
aus der menschlichen Anatomie bekannten Nerven aufzuzählen:
1) N. olfactorius; 2) N. opticus; i5) N. oculomotorius; 4) N. trochlearis;
ö) N. trigeminus; (}) N. abducens; 7) N. facialis; 8) N. acusticus;
9) N. glossopharyngaeus ; 10) N. vagus ; 11) N. hypoglossus; 12) N. ac-
cessorius. Nur bei Fischen und Amphibien entspringen die Fasern
des Hypoglossus noch nicht aus dem Hirn, wie hier auch der N. ac-
cessorius noch nicht so deutlich individualisirt ist wie bei den Säuge-
Ihieren.
Da unzweifelhaft im Kopf der Wirbelthiere zahlreiche, verwachsene
Körpersegmente enthalten sind, mindestens so viele als Visceral bögen,
wahrscheinlich aber noch mehr, so entsteht die Frage, ob man auch an
den Hirnnerven die für die Rückenmarksnerven so deutliche segmentale
Anordnung nachweisen kann. Hieran reiht sich die weitere Frage, ob der
Bell'sche Satz, dass ein gemischter Nerv sich aus einer dorsalen, sensiblen
und einer ventralen, motorischen Wurzel bildet, auf die Hirnnervon über-
tragbar ist. Beide Probleme sind in der Neuzeit viel erörtert worden,
sind jedoch von einer endgiltigen Entscheidung weit entfernt. Als fest-
stehend kann nur angesehen werden, dass die jetzigen Hirnnerven mit Aus-
nahme von Opticus und Olfactorius aus vielfältiger Umgruppirung segmen-
taler Nerven hervorgegangen sind. Dagegen ist es immer zweifelhafter
geworden, ob für die segmentalen Urnerven des Kopfes das Princip des
doppelten Ursprungs aus dorsalen rein sensibeln und ventralen rein moto-
rischen Wurzeln Geltung besessen hat.
Ausser dem Körpernervensystem haben die Wirbelthiere noch ein be- Sympathien*
sonderes, die Eingeweide versorgendes Nervensystem, den Sympathicus.
und in demselben ein besonderes Centraiorgan, den „Grenzstrang". Letz-
terer besteht aus einem linken und rechten, unter der Wirbelsaule hin-
ziehenden Längsstrang, in welchem Ganglienknötchen eingebettet sind. Das
letzte Ganglion liegt an der Basis der Schwanzwirbelsäule, das erste am
vordersten Halsende; von letzterem dringen sympathische Fädchen an die
Basis des Kopfes vor, auch dort mit Knötchen (Ganglion oticum,
G. sphenopalatinum) in Verbindung tretend. Der Grenzstrang entsendet
Nerven in Form zierlicher, mit Vorliebe die Blutgefässe begleitender Ge-
flechte (Plexus sympathici) an die vegetativen Organe (Darm, Geschlechts-
apparat etc.) ; er steht ferner mit den Spinalnerven in Verbindung.
Bei der Deutung der Sinnesorgane der Wirbelthiere be- sinn«,
wegen wir uns auf viel sicherer Grundlage, als bei den übrigen Thier- °"i*a*'
stammen, da die grosse Aehnlichkeit mit den Sinnesorganen des
Menschen im Allgemeinen gestattet, die eigenen Erfahrungen bei der
Deutung zu verwerthen. Die Tastorgane machen hiervon freilich
eine Ausnahme, da dieselben nur bei den Landbewohnern, dagegen
nicht bei den Fischen den betreffenden menschlichen Einrichtungen
gleichen. Die Tastorgane des Metischen, der übrigen Säugethiere, Vögel,
Reptilien und Amphibien haben das Eigentümliche , dass die Nerven
nicht in Epithelzellen enden, sondern an besonderen Tastzellen der
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4f,H
Wirbelthiere.
Lederhaut, welche entweder isolirt im Bindegewebe liegen (Amphibien,
Reptilien) oder zu Gruppen vereint die Tastkörperchen erzeugen ( Vögel.
Säugethiere) (Fig. 47f>). Die Tastkörperchen haben die (1 estalt ovaler
ff/f Kolben und sind in besondere Papillen der Leder-
haut eingebettet. Ihnen gleichen in ihrer Form und
Lagerung die Vater- Pacini'schen Körperchen, welche
sich in ihrer feineren Structur allerdings wesentlich
unterscheiden (Fig. 7f>, S. 101) und. da sie auch in
inneren Organen (Mesenterium der Katze) vorkommen,
in ihrer Function noch gänzlich räthselhaft sind,
ü' Neben diesen mesodermalen Nervenendigungen rinden
Fig. 47"). \oxt- s'cn h°i «allen Wirbelthieren intraepitheliale Nerven-
k&rperchen aus der Verästelungen, wie sie am schönsten an der Hornhaut
Vogelzug. X m- des Auges und bei Thieren mit empfindlicher Schnauze,
tretender Nerv 7/ wje Schwein un(i Maulwurf, an dieser zu beobachten
äussere Hülle, KU . , . , . . , i- r • -v* i- e
Kerne «leiwlben, s,,u*- ^U('n mor Ke"en die feinsten N ervenauslaufer
n Seheidewände. ' nicht in Epithelzellen über, sondern enden zwischen
ihnen mit kleinen Knöpfchen.
Den Fischen fehlen Tastzellen, Tastkörperchen und Kolbenkörper-
chen ; dafür ist ihre Haut mit Sinnesorganen ausgerüstet, in denen
ein typisches Sinnesepithel nachweisbar ist. Die Hautnerven treten
aus der Lederhaut in die Epidermis über und enden an ovalen Körper-
chen, die zwar in ein vielschichtiges Epithel eingebettet sind, selbst
aber aus einer einzigen Lage von Sinneszellen bestehen. Nach der
Structur der letzteren unterscheidet man Nervenendhügel und
Nervenendknospen. Die Nervenhügel sind die speeifischen Ele-
mente der später zu besprechenden Seitenorgane der Fische und der
durch Kiemen athmenden Amphibien und Amphibicnlarven und scheinen
somit besondere, für den Wasseraufenthalt wichtige Empfindungen zu
vermitteln, weshalb man auch von Organen eines sechsten (dem
Menschen fehlenden) Sinnes gesprochen hat. Die Nervenendknospen
drängen sich namentlich in der Umgegend der Mundöffnung zusammen,
an den Lippen und Barteln. Indem sie auch in der Mundschleim-
haut der Fische, speciell in dem den Gaumen überziehenden Theil vor-
kommen, leiten sie uns zu den Geschmacksorganen über. Voll-
kommen gleichen Bau wie die Nervenendknospen der Fischhaut zeigen
die Geschmacksknospen (Schineckbecher), welche zuerst bei Säuge-
thieren entdeckt wurden. Sie haben ihren Lieblingssitz am Grund der
Zunge in den Wandungen der Papillac circumvallatae des Menschen,
der grossen Papillae foliatae der Nmiethiere etc.; sie sind in allen
Gassen der Wirbelthiere wiedergefunden worden.
*»»e. Die Nervenendknospen der Haut leiten ferner über zu den Ge-
ruchsorganen. Die Riechschleimhaut vieler Fische, mancher Am-
phibien und Reptilien ist noch ein vielschichtiges Epithel mit dicht
neben einander gelagerten Nervenendknospen (Fig. 476). Durch
Schwund der trennenden Brücken gewöhnlichen Epithels schliessen die
Nervenendknospen zu einem continuirlichen Sinnesepithel zusammen,
wie es den Wirbelthieren von den Amphibien an aufwärts zukommt.
— Das von Riechepithel ausgekleidete Geruchsorgan, die Nase, hat
nun ebenso wie Auge und Gehör durch den Grad der Vervollkomm-
nung, den es erreicht, sowie durch die dabei zu Tage tretenden, syste-
matisch wichtigen Unterschiede ein besonderes Interesse. Mit Aus-
nahme der Cyclostomen und des Amphioaus, welche einen un paaren
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Wirbelthiere.
409
Nasensack haben, haben alle Wirbelthiere eine paarige Nase.
Bei ausgebildeten Fischen und bei den Embryonen von Reptilien, Vö-
gtin und Säugethieren liegen vor der
Mundöffnung zwei Grübchen, entweder
vollkommen isolirt für sich oder nur
durch eine Rinne der Haut mit der
Mundhöhle verbunden. (Fig. 503,
504.) Wenn die Wirbelthiere auf das
Land übergehen und die Kiemenath-
inung mit der Lungenathmung ver-
tauschen, erhält die Nase die weitere
Bedeutung eines Luft zuleitenden
Kanals; sie wandelt sich zu diesem
Zweck in eine Röhre um, welche mit
der einen Oeffnung auf der Haut
beginnt, mit der zweiten Oeffnung,
der Choane, in die Mundhöhle
führt. In der dorsalen Wand der
Röhre ist das eigentliche Riechsäckchen
eingebettet (Fig. 477.) Die innere Oeffnung liegt bei Amphibien,
Eidechsen, Schlangen und Vögeln weit vorn hinter dem Oberkiefer;
bei Crocodilen, Cheloniern und Säugethieren ist dagegen die Choane
an der Schädelbasis rückwärts verlagert, bei
den Crocodilen und manchen Säugethieren
( Edentaten) bis in die Nähe der Wirbelsäule.
Diese Verlagerung wird durch die Entwicklung
des harten Gaumens herbeigeführt, einer Scheide-
wand, welche die primitive Mundhöhle in
zwei Etagen tlieilt, eine untere, die bleibende
oder secundäre Mundhöhle, und eine obere,
welche als secundäre Nasenhöhle zum Nasen-
canal hinzugeschlagen wird und denselben nach
rückwärts verlängert. Am harten Gaumen
betheiligen sich die anliegenden Knochen der
Maxillar- und Palatinreihe, indem Intermaxillare,
Maxillare. Palatinum, selten auch die Pterv-
goidea horizontale Gaumenfortsätze aussenden,
die von rechts und links ausgehen und in der
Mittellinie zusammenstossen. Bei Säugethieren
wird die knöcherne Scheidewand des harten Gaumens noch eine Strecke
weit als die muskulöse Scheidewand des weichen Gaumens fort-
gesetzt. Ein fibröser weicher Gaumen findet sich auch bei Crocodilen.
Eine weitere Vergrosserung der Nasenhöhle wird h er bei geführt erstens
durch complicirte Faltungen der Wand, die von besonderen Skeletstücken,
den Nasenmuscheln, gestützt werden, zweitens durch Ausstülpung luft-
haltiger, mit Schleimhaut ausgekleideter Räume, welche in die benachbarten
Knochen eindringen : so bilden sich nach oben die Sinus frontales im Stirn-
bein, nach rückwärts die Sinus sphenoidales im Keilbein, nach aussen das
Antrum Highmori im Oberkiefer. Umgekehrt kann von der primitiven
Nase ein Theil des Hohlraums mit einem Theil der Geruehsschlcimhaut
abgeschnürt werden und eine vollkommen selbständige Nebennase bilden,
welche hinter dem Zwischenkiefer in die Mundhöhle mittelst der „Stenson-
schen Gänge" mündet. Diese Nebennase, das J a c o b s o n'sche Organ
(Fig. 477 Pj, ist am schönsten entwickelt bei Eideeham, Monotremen und
Fig. 47*1. Querschnitt durch die
( icrucksBchleimhaut eines Fi#rhrjg /Be-
tone). <■ Epithel , k Geruchsknospen,
// zutretende Serven (aus O. Hertwig
nach Illaue).
Flg. 477. Schema der
Nase einer Evkchse (Sa-
git talschnitt k .LY äussere,
/.V innere Nasenhöhle, t
Verbindung heider. C Na-
■cnmuschel, CII Choane,
MS Mundschleimhaut. \P
Jäe(il)w»n'sches Organ. Ca
< anal desselben zur Mund-
höhle mach Wietersheim).
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470
Wirbelthiere.
Wiederkäuern, aber auch bei anderen Wirbelthieren vielfach noch als Rudi-
ment zu finden.
au««. Das Auge der Wirbelthiere zeigt nur beim Amphioxits eine
auffallend niedrige und in Folge dessen doppelt bedeutsame Ent-
wicklungsstufe; es ist ein unpaarer Pigmentfleck ohne Linse, welcher
wie das Auge der Ascidienlarven in der Wandung des Hirns selbst
liegt. Bei allen übrigen Wirbelthieren dagegen — mit Ausnahme von
My.vinc und wenigen im Dunkeln lebenden Formen mit degenerirten
Augen — finden wir dieselben Hauptbestandteile, welche dem Seh-
organ des Menschen zukommen und in der allgemeinen Zoologie schon
eine kurze Darstellung gefunden haben (Fig. 80, S. 104). Daselbst
haben wir das Auge kennen gelernt als einen bei den meisten Wirbel-
thieren nahezu kugeligen Körper, der an seinem hinteren Ende am
Sehnerven wie an einem Stiele festsitzt, dessen Centrum von durch-
sichtigen, lichtbrechenden Substanzen, Linse, Glaskörper (Corpus
vit reu m) und Flüssigkeit (Humor aqueus) eingenommen wird,
dessen Peripherie aus )S concentrisch wie Zwiebelschalen angeordneten
Membranen besteht. Die äusserste Membran ist die derbe, schützende
Sclera, welche im vorderen Abschnitt durchsichtig wird, eine stärkere
Krümmung bekommt und so die Cornea liefert. Die zweite Mem-
bran ist die blutgefäss- und pigmentreiche Chorioidea, die an der
Grenze von Sclera und Cornea sich zur Iris umwandelt. Die innerste
Membran ist die Netzhaut oder Retina, deren Bau und Lagerung
für das Wirbelthierauge besonders charakteristisch ist.
Entwicklungsgeschichtlich besteht die Retina (Fig. 79, S. 10S>
aus 2 Abschnitten, der Retina im engeren Sinne und dem früher zur
Chorioidea gerechneten Tapetum nigrum: erstere lässt weiterhin
folgende Schichten erkennen: 1) Limitans interna; 2) Nervenfaserschicht;
3) Ganglienzellenschicht; 4) innere granulirte oder reticulirte Schicht:
5) innere Kömcrschicht: 6) äussere granulirte oder reticulirte Schicht:
7) Süssere Körnerschicht; 8) Limitans externa und 9) Stäbchen- und
Zapfenschicht. Die Limitans externa ist die Grenzmembran der em-
bryonalen Retina ; die durch sie gebildete Grenze wird später über-
schritten, indem die dem Embryo bei der Geburt öfters noch fehlenden
Stäbchen und Zapfen hervortreten. Zwischen beiden Grenzmembranen
spannen sich die Müller'sehcn Fasern (im) aus, lange Stützzellen, wie
sie auch in anderen Sinnesepithelien vorkommen, dereu Kerne im Be-
reich der inneren Körner liegen, deren Stützfunction noch verstärkt
wird von dem feinen Horngerüst der beiden reticulirten Schichten. In
diesen Stützapparat sind die nervösen Elemente eingebettet, welche
man am besten versteht, wenn man vom Nervus opticus ausgeht.
Derselbe strahlt in die Nervenfaserschicht aus und tritt auf dem Weg
nach seinen Endapparaten, den Sehzellen, zweimal mit Ganglienzellen
in Verbindung, von denen die einen der Ganglienzellenschicht an-
gehören, die anderen der Schicht der sogenannten inneren Körner:
denn letztere sind ebenfalls Ganglienzellen, soweit sie nicht als Kerne
dem stützenden Gerüst zuzurechnen sind. Ein grosser Theil der
Retinaschichten (die Schichten 1 — 6) ist somit als Ganglion opti-
cum aufzufassen, wie es auch bei Mollusken und Arthropoden vor-
kommt, hier aber stets ausserhalb des Auges liegt. Das Seh epithel
selbst (die Retina in dem Sinne, wie wir den Ausdruck bei Arthro-
poden, Mollusken und Würmern gebrauchen) besteht nur aus zwei
Schichten, der Schicht der äusseren Körner und der Stäbchen- und
Zapfenschicht. Die äusseren Körner sind die Kerne ausserordentlich
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Wirbelthiere.
471
dünner, fadenförmiger Epithelzellen (Stäbchen- und Zapfenfasern), die
an ihrem peripheren Ende die Ilhabdome tragen. Bezeichnend für
den vollkommenen Bau des Wirbelthierauges ist es, dass zweierlei
Rhabdome vorkommen (Stäbchen und Zapfen) und dass jedes derselben
wieder aus 2 Stücken besteht, dem Aussen- und Innenglied. — In
und zwischen den Sehzellen fehlt jegliches Pigment, da dieses für den
Sehact so wichtige Material der Retina der Wirbelthiere durch eine
besondere Schicht, das oben genannte Tapet um nigrum, geliefert
wird. Das Tapetum ist eine Lage grosser sechseckiger Epithelzellen,
welche auf den Spitzen der Stäbchen und Zapfen aufliegen und letztere
mit feinen pseudopodienartigen Ausläufern umstricken. Da Zellkörper
und Ausläufer an schwarzen Pigmentkörnern überaus reich sind,
werden die Rhabdome in einen dichten Pigmentmantel eingehüllt
Haben wir schon in dem gesonderten Auftreten einer Pigment-
schicht und weiterhin in der Verschmelzung des Ganglion opticum mit
dem Sehepithel wichtige Unterschiede des Wirbelthierauges von den
Augen der Evertebraten, namentlich von dem sonst so ähnlichen Auge
der Cephalopoden kennen gelernt, so haben wir nunmehr noch die auf-
fälligste Differenz nachzutragen, indem wir die Art betrachten, in
welcher die Retina in das Wirbelthierauge eingefügt ist. Die Retina
grenzt mit ihrer Limitans interna und Opticusfaserschicht an den
Glaskörper, mit der Stäbchen- und Zapfenschicht, sowie mit dem Ta-
petum nigrum an die Chorioidea. Der durch die lichtbrechenden
Medien einfallende Lichtstrahl tritt somit vom Glaskörper zunächst
an das Ganglion opticum heran und gelangt erst, nachdem er dasselbe
passirt hat, an die Schicht der Sehzeilen ; hier trifft er zuletzt auf die
Rhabdome, welche er von der Basis nach der Spitze durchläuft. Bei
fast allen Wirbellosen, namentlich bei den Cephalopoden, gelangt der Licht-
strahl umgekehrt direct an die peripheren Enden der Rhabdome, Die
Rhabdome der Cephalopoden sind dem Lichte zugewandt, die der
Wirbelthiere dem Lichte abgewandt.
Diese vom Gewöhnlichen abwei-
chende, functionell unzweckmäßige und
unnatürliche Lagerung der Retina er-
klärt sich aus der Eutwicklungsweise
des Wirbelthierauges. Dasselbe kann
nach seiner Entstehung in 2 Theile
zerlegt werden, einen cerebralen Theil
(Opticus, Retina, Tapetum nigrum)
und einen peripheren (alles Uebrige).
Wie das Auge des Atnphioxus und
der Ascidien dauernd einen Theil des
Hirns ausmacht , so ist die Retina
bei allen übrigen Wirbelthieren wenig-
stens genetisch ein Theil des Ilims
und zwar der ersten primitiven Hirn-
blase. Zwei Ausstülpungen derselben,
die man später im Zusammenhang
mit dem Zwischenhirn trifft, schnüren
sich ab zu Hohlkugeln, den primi-
tiven Augenblasen, welche durch einen
Stiel, die Anlage des Opticus, mit dem Hirn verbunden bleiben (Fig. 478).
Die primitiven Augenblasen werden bis unter die Haut vorgeschoben und
hier in die secundären Augenblasen, die Augenbecher, verwandelt, indem
A Ii
Fig. 478. Entwicklung des Auge«
(Schema nach O. Hertwig). A. Pri-
märe Augenblase (b) steht durch den
Opticus (o) mit dem Hirn (c) in Ver-
bindung und wird durch die Linse (<i)
zum sceundären Augen beehcr einge-
stülpt. B Seeundäre Augenblase (Au-
genbecher), r Retina (vordere, innere
Wand), n Ta]tetum nigrum (hintere,
äussere Wand des Bechers), r Corpus
vitreum. a Linsensäckehen , s Stiel,
welcher es mit der Haut noch ver-
bindet.
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472
Wirbel thiere.
unter gleichzeitiger Bildung der Linse und des Glaskörpers die vordere
und untere Wand so tief eingestülpt wird, dass sie die Hinterwaud be-
rührt. Letztere, die Aussenwand des so geschaffenen doppelwandigeu Bechers
ist das Tapetuni nigrum, erstere, die Innenwand, ist die Netzhaut selbst.
Achtet man genau auf die Lage der Epithelzellen in der embryonalen
Netzhaut, so müssen die peripheren Enden derselben, welche früher das
Lumen des Hirns begrenzen halfen, jetzt die Anlage des Tapetum berühren
ui;d, wenn sie Rhabdoine ausscheiden, mit diesen in die Tapetalschicht
hineinwachsen. — Im Gegensatz zur Retina bildet sich die Linse durch
Einstülpung aus dem Körperepithel, Sclera, Cornea und Glaskörper aus
dem an das Integument angrenzenden Bindegewebe. So sehen wir, dass
das Auge der Wirbelthiere in seinem wichtigsten Abschnitt aus dem Hirn
stammt und erst später mit Hilfsapparaten, die an der Oberfläche des
Körpers entwickelt werden, in Verbindung getreten ist. Dagegen entsteht
das Auge bei allen wirbellosen Thieren mit allen seinen, gleich von Anfang
an harmonisch in einander gefügten Theilen in der Haut.
Das Auge der Wirbelthiere ist noch weiter mit Hilfsapparaten
ausgestattet, mit Muskeln, welche e.s bewegen, mit Augenlidern, welche die
leicht verletzliche und namentlich an der Luft durch Trockenheit leidende
Cornea beschützen. Die Augenlider sind Hautfalten, die sich von oben
oder von unten über den Augapfel herüberlegen (oberes und unteres Augen-
lid). Dazu kann noch eine dritte Hautfalte kommen, die Nickhaut oder
Membrana nictitans; sie entspringt, bedeckt von dem oberen und
unteren Augenlid, am inneren Augenwinkel und kann von hier aus nach
aussen und oben über den Bulbus ausgebreitet werden. Eine besondere
Drüse am äusseren Augenwinkel', die Thränendrüse, liefert der Oberfläche
des Auge» die nöthige Feuchtigkeit; eine zweite Drüse, die Harder'sche
Drüse, gehört dein inneren Augenwinkel an und ist in ihrem Vorkommen
an die Anwesenheit der Nickhaut gebunden.
Gehdrorg«. Mit dem Auge wetteifert an Leistungsfähigkeit und an Voll-
koninienkeit des Baues das weiter rückwärts auf der Höhe der Medulla
oblongata gelagerte Gehörorgan. Dasselbe bietet nur in seiner
ersten Anlage Anknüpfungspunkte an die Hörorgane der wirbellosen
Thiere, indem es als eine grubenförmige Einsenkung der Haut ent-
steht, welche sich meist zu einem vollkommen geschlossenen Bläschen
abschnürt und nur selten dauernd auf der Körperobertläche durch
einen engen Gang (Ductus endolymphaticus) ausmündet. Frühzeitig
nimmt das Bläschen eine sehr complicirte Gestalt, an, so dass man es
häutiges Labyrinth nennt ; es zerfällt durch eine Einschnürung in einen
vorderen unteren und einen hinteren oberen Abschnitt, den Sacculus
und den Utriculus, welche bei den Säugethieren (Fig. 77) nur durch
den engen Ductus utriculo-saccularis in Verbindung bleiben. An
jedem dieser Abschnitte bilden sich Anhänge aus, am Utticulus die
halbkreisförmigen Canäle, am Sacculus die Schnecke (Fig. 471)). Die
h a 1 b k r e i s f ö r m igen C a n ä 1 e sind Röhren, welche mit dem einen
Ende vom Utriculus ausgehen und nach Beschreibung eines Halb-
kreises mit dem anderen Ende wieder in ihn zurückführen ; an einem
Ende haben sie eine Anschwellung, die Ampulle, in welcher sich eine
besondere Endigung des llörnerven, eine Crista acustica, findet. Man
unterscheidet nach ihrer Lage .'i Canäle: einen äusseren horizontalen,
einen vorderen verticalen (sagittalen) und einen hinteren verticalen
(frontalen), von denen die beiden verticalen am ampullaren Ende ge-
trennt, am anderen Ende verschmolzen sind. Im Gegensatz zu den
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Wirbelthiere.
473
halbkreisförmigen Canälen hat die Schnecke die Gestalt eines Blind-
sackes, welcher, so lange er kurz ist, wegen seiner flaschenartigen
Form Lagcna heisst, wenn er aber in
die Länge wächst, sich in 3—5 Spiral-
touren aufwickelt und dadurch eine
grosse Aehnlichkeit mit einem Schne-
ckengehäuse erhält. In ganzer Länge
ist ein Streifen des den Blindsack aus-
kleidenden Epithels in ein Sinnes-
epithel, das Cortrsche Organ, verwan-
delt.
Das häutige Labyrinth ist ganz
oder theilweise in die Seitenwand des
Schädels, in die gewöhnlich zum Pe-
trosum oder zu den Otica verknöcherte
Gehörkapsel eingebettet. Bei Säuge-
thieren und Vögeln ist seine Einbettung
eine so vollkommene, dass seine Ge-
stillt von den Hohlräumen im Knochen
genau wiederholt wird. Indessen wer-
den die Lumina des sogenannten knö-
chernen Labyrinths von dem häutigen
nicht gänzlich ausgefüllt, da zwischen
beiden Wandungen ein System von
Lymphspalten erhalten bleibt. Beson-
ders regelmässig ordnen sich die lym-
phatischen Räume bei der Schnecke
an, indem sie zwei nur an der Spitze
der Schnecke zusammenhängende Ca-
näle bilden, die zu beiden Seiten der
häutigen Schnecke (Ductus cochlearis)
hinziehen und Scala tympani und Scala
vestibuli heissen. Im knöchernen Labyrinth sind somit zweierlei
Hohlräume und dcmgeinäss auch zweierlei Flüssigkeiten vorhanden:
das Innere des häutigen Labyrinths wird von der Endolymphe gefüllt,
die umgebenden Lymphspalten von der Perilymphe.
Kein Sinnesapparat zeigt so mannichfaltige Stufen der Vervoll-
kommnung, wie das Gehörorgan. Zahlreiche Uebcrgangsformcn exis-
tiren zwischen dem ungetheilten Hörbläschen mit einem halbkreis-
förmigen Canal, wie es bei Myxine vorkommt, und «lern complicirten
Labyrinth der Säugeihiere. Zu diesen Vervollkommnungen, die sich
am Hörbläschen selbst abspielen, gesellen sieh noch weiter die Ver-
besserungen der llilfsapparate. welche mindestens das gleiche Interesse
wie jene beanspruchen können.
Hilfsapparate sind bei den Fischen vermöge ihres Aufenthalts im
Wasser überflüssig und nur ausnahmsweise vorhanden, da die Schallwellen
aus dem Wasser leicht in die tiewebe des Körpers übertreten und daher
unmittelbar zu den Endorganen des Hörnerven tortgcleitet werden können.
Dagegen werden Hilfsapparate beim Uebergang der Wirbelthiere zum
Landleben nöthig. Der grosse Dichtigkeitsunterschied zwischen der
Luft und den Wirbelthiergeweben bringt es mit sich, dass die Schall-
wellen nur in ganz unbedeutendem Maasse aus jener in diese fortge-
leitet werden. Da somit die bei den Fischen vorhandene Schallleitung
Fig. 470. Schema des häutigen
Labyrinths eines Fischt *, u T_ tri-
culus mit den halbkreisförmigen
( 'nnälen : ca vorderein, r/> hinterem,
cc äusserem; an, ap, ae die zuge-
hörigen Ampullen ; ss u. ass oberer,
*» hinterer Sinus Ctriculi , ree
Keeessus utrieuli ; a Saeculus. / La-
gcna Sc hnecke), cim Canal zwischen
Sacetdus und I'triculu», f Abgangs-
stelle de« Ductus endolymphaticus
fh, .sc dessen Kndansehwellung (aus
Wiedersheim).
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474
Wirbelthiore.
durch die Gewebe für die praktische Verwerthung in Wegfall
kommt, müssen besondere Schall leitende Apparate geschaffen
werden, sofern nicht das Gehörorgan functionsunfähig werden soll;
und so rinden wir denn von Amphibien an aufwärts einen Luftcanal,
den Gehörgang, ferner ein Trommelfell, welches die Schallschwingungen
auffängt und mit demselben in Verbindung eine Reihe von Gehör-
knöchelchen, welche die Schwingungen auf das Labyrinth übertragen.
Um diese Bildungen morphologisch zu verstehen, müssen wir uns
vergegenwärtigen, dass das Gehörorgan zwischen Kiefer- und Zungen-
beinbogen lagert, in der Wandung eines oben schon kurz er-
wähnten Canals, welcher von der Oberfläche des Körpers in den Rachen
Fig. 480. Schema de« Gehörorgan.« dei Hauchen. I. Schnlllcitender Apparat:
M Ohrmuschel, .V«/1 Meatus auditorius cxti-ruus, .V/ Membrana tynipani, Ct Cavum
tyinpnni, TU Tulta KiMachii, 7V-' Mündung in d«n Pharynx. S.\j> Reihe der Gehör-
knöchelchen (als ».-in Stück gezeichnet), f Einfügung derselben in die Fcneatra ovalis,
M die dir Fnioira r< >( uiuiu srhlicssendc Membran. II. Knöchernes Labyrinth (KL,
Kl'l mit eingelagertem häutigen Labyrinth, dazwischen schwarz die Perilymphe fd),
S Sacculus, Con Ductus COChlaaria, zwischen beiden Cr Canalis rcuniens, Con1 knö-
cherne Sehnecke, Ct Cupula terminalis, Ende der Schnecke, Sv, St Scala vestibuli
und Sc. tynipani, ' Uel>ergane beider, Dp' Ductus perüymphaticna, 2 Utriculu» nut
dem horizontalen Canalis seuiicircularis, a und b tue beiden vertiealen C. »emicircu-
lares, c Verbindung derselben, Co die gleiche Verbindung im knöchernen I>abyrinth,
De Ductus endolymphaticus mit Endblase Sc.
führt. Der Canal heisst bei den Fischen das Spritzloch und ist das
Rudiment einer Kiemenspalte; aus ihm entsteht bei Amphibien und
Amnioten ein Luftraum , der auf der Körperoberfläche durch eine
elastische Membran, das in den Annulus tympanieus eingespannte
Trommelfell, geschlossen wird, während er seine Mündung in den
Rachen beibehält. Dicht hinter dem Trommelfell erweitert sich der
Luftraum zur Trommelhöhle (Cavum tympani); der in den Rachen
mündende Theil verengt sich dagegen zur Tuba Eustaehii. Das häutige
Labyrinth liegt in der Wand der Trommelhöhle und grenzt an das
Lumen derselben an zwei Stellen unmittelbar an, indem die knöcherne
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Wirbelthiere. 475
Hörkapsel hier durch Oeffnungen durchbrochen ist, die stets vor-
handene Fenestra ovalis und die den Amphibien noch fehlende Fenestra
rotunda.
Wenn wir nun weiter bedenken, dass dicht vor dem Spritzloch
der Kieferbogen, dicht hinter ihm der Zungen-
beinbogen liegt, so wird es begreiflich, dass
Theile derselben in die Trommelhöhle hinein
verlagert werden und Hörknöchelchen liefern
können. Bei Amphibien, Reptilien und Vögeln
pflanzt sich das Hyomandibulare oder die Colu-
mella mit einem Ende in die Fenestra ovalis,
mit dem andern Ende in das Trommelfell ein
und überträgt die Schwingungen des letzteren
auf das dicht anschliessende Labyrinth. Bei
den Säuqcthieren wird diese Uebertragung noch , j ^''llor*110-
in " . . . . TT ^ i-. i «■ndrhen dos .W tischen.
vollkommener, indem zwischen Hyomandibulare 77 Hammer A Ambra
(Stapes) und Trommelfell weiter (las Quadratum .s Stdgbüfn'l (aus Wic-
(Tncus) und das Articulare (Malleus) eingeschoben derehehu).
werden und so eine federnde Knochenreihe
herstellen (Fig. 481).
Das Trommelfell liegt bei den meisten Wirbelthieren in einer
Ebene mit der übrigen Haut oder nur schwach eingesenkt; bei den
Säugethieren wird es besser geschützt, indem es in die Tiefe sinkt und
an den Grund eines Blindkanals zu liegen kommt, des Meatus audi-
torius externus. Ebenso ist im Wesentlichen auf die Classe der
Säugcthiere die Ohrmuschel beschränkt, eine von Knorpeln gestützte
Hautfalte, welche die Schallschwingungen auffängt.
Unterhalb der Wirbelsäule in der ventralen, die dorsale
an Umfang weit übertreffenden Sphäre des Körpers findet man fast
sämmtliche wichtigen vegetativen Organe des Wirbelthierkörpers in
einem geräumigen Hohlraum vereinigt, in dem Coelom oder der
Leibeshöhle. Dieselbe ist, wie die Entwicklungsgeschichte besonders
klar beim niedersten Wirbelthiere, dem Amphioxus, lehrt, ein Ab-
kömmling des Darms, eki echtes, von einem Epithel (Endothel) aus-
gekleidetes Enterocoel (vergl. S. 12i»)- Da sie, wie auch sonst bei
bilateralen Leibeshöhlenthieren , durch paarige Ausstülpungen des
Darms gebildet wird, muss sie durch eine Scheidewand, in welcher
der Darm liegt, anfänglich in eine linke und rechte Hälfte (linken
und rechten Coelomsaek) geschieden sein. Diese Scheidewand ist das
Gekröse oder das Mesenterium des Darms, welches mit seinem dor-
salen Abschnitt in ganzer Länge von der Wirbelsäule entspringt, ven-
tral vom Darm aber (als vorderes Mediastinum, Omentum minus und
Ligamentum Suspensorium hepatis der menschlichen Anatomie) nur
bis zur Lebergegend reicht, während es weiter nach hinten fehlt, so
dass dann linker und rechter Leibessack unter dem Darm zusammen-
fliessen. Auch die meisten übrigen Organe sind in der Leibeshöhle
durch Aufliängebändcr befestigt, so der Hoden durch das Mesorchium,
das Ovar durch das Mesovar.
Die Leibeshöhle der Wirbelthiere nennt man vielfach Pleuroperi-
tonealhöhle, weil sie bei den Säugethieren durch eine Scheidewand, das
Zwerchfell, in einen vorderen Abschnitt, die Brust- oder Pleurahöhle,
und einen hinteren Abschnitt, die Leibeshöhlc im engeren Sinne,
Bauch- oder Peritonealhöhle, gesondert ist. Die auskleidenden Mem-
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476
Wirbelt hiere.
branen dieser Räume nennt man Brustfell oder Pleura, Bauchfell oder
Peritoneum. Auch die Pericardialhöhle der Wirbelthiere ist ein Derivat
der Leibeshöhle und das Pericard ein abgeschnürter Theil der Pleuro-
peritonealmembran ; man findet daher bei manchen Fischen (Stör)
dauernd eine Verbindung zwischen dem Herzbeutel und der allge-
meinen Leibeshöhle. Bei den meisten Fischen und manchen llepttlien
besteht vielfach auch eine directe Communication der Leibeshöhle nach
aussen, wdehe durch 1- 2 hinter oder neben dem After angebrachte
Oeffnungen, die Pori abdominales, bewirkt wird.
Unter den vegetativen Organen besitzt der Darm für die syste-
matische Charakteristik der Wirbelthiere das allergrösste Interesse,
weil er nicht nur die Verdauung vermittelt, sondern auch für alle
Wirbelthiere, für die wasser- und landbewohneuden, die Athmungs-
organe (Kiemen und Lungen) liefert, während diese Theile
bei den Wirbellosen mit Ausnahme der Tunicaten und Enteropneusten
von der Haut aus entstehen. Der Darm beginnt in einiger Entfernung
vom vorderen Ende auf der ventralen Seite mit der MundötTnung und
endet ebenfalls ventral, aber ziemlich weit entfernt von dem hinteren
Ende der Wirbelsäule, der Schwanzspitze, mit dem After. Seiner Ab-
stammung nach ist er vorwiegend entodermal ; die Haut betheiligt
sich an seiner Bildung im Embryo nur durch ganz flache Einsenkungcn
vorn und hinten, die Mund- und Afterbueht.
Der Anfangsabschnitt des Darms ist geräumig; es ist die ecto-
dermale Mundhöhle und der entodermale Pharynx oder die Rachen-
höhle, zwei Räume, die bei den meisten Wirbelthieren ohne Grenze in
einander übergehen, bei Säuqethiemn und Crocodilen aber durch den
weichen Gaumen getrennt werden. Nun folgt der engere Oesophagus,
der sich an seinem unteren Ende zum Magen erweitert Vom hinteren
Magenende, dem Pylorus, beginnt der Dünndarm, der in den
Dickdarm, den zum dritten Mal erweiterten Endabschnitt des Darms,
bei den niederen Wirbelthieren ganz allmählig übergeht, bei den höheren
Wirbelthieren dagegen durch eine besondere Klappe gegen ihn abge-
grenzt wird. Von Änhangsdrüsen «los Darms ist nur die Leber con-
stant, welche schon beim Amphtoxus, allerdings nur als einfacher Blind-
sack, angelegt ist, von den Cyclostomen an aufwärts dagegen das be-
kannte compacte, braune, gewöhnlich mit einer Gallenblase versehene
Organ bildet. Neben der Leber ist meist noch eine kleinere Drüse, das
Pancreas, vorhanden; die Ausführgänge beider Drüsen, der Ductus
choledochus, Gallengang, und der Ductus pancreaticus, münden in den
Dünndarm kurz hinter dein Pylorusende des Magens. Ausserdem
kann noch die Mundhöhle mit Drüsen, den Speicheldrüsen, ver-
sehen sein und andererseits der Enddarm mit Blindsäcken und Drüsen,
die jedoch keine weitere Verbreitung besitzen (Eig. 517).
Rwpiratjonf- Der die A t h m u n g s o r g a n e liefernde Theil des Darmtractus ist
ore*n«. aj|en Wirbelthieren der Pharynx. Derselbe wird bei den Fischen
zum Kiemendarm, indem seine linke und rechte Wand von Kiemen-
spalten durchbrochen wird, welche auch bei den ausschliesslich luft-
athmenden Wirbelthieren im Embryonalleben angelegt werden, ohne hier
je in Function zu treten. Die Kiemenspalten liegen jedesmal zwischen 2
aufeinander folgenden Kiemenbögen (Eig. 400) und sind Canäle, welche
auf der Darmobertläche mit der inneren, auf der Hautoberfläche mit
der äusseren Kiemeiiötf'nung münden, so dass man eine Sonde von
aussen durch die Kiemenspalten in den Pharynx und von da durch
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Wirbelthiere.
477
die Mundöffnung wieder herausführen kann. Zwischen beiden Oeff-
nungen ziehen in der vorderen und hinteren Wand der Canäle zarte,
blutgefässreiche Schleimhautfalten, die Kiemenblättchen. Man nennt
dieselben innere Kiemen im Gegensatz zu den äusseren Kiemen der
Amphibien und Amphibicnlarvcn, welche am oberen Rand einer Kiemen-
spalte als baumartige Verästelungen der Körperoberfläche aufsitzen
(S. 28, 21», Fig. 4, 5).
Aus dem Epithel der Kiemenspalten entwickeln sich zwei räthselhafte
Organe, die Thymus und die seitlichen Lappen der Schilddrüse oder
Thyreoidea. Obwohl beide Organe bei allen Wirbelthieren vorkommen,
weiss man nichts über ihro Function. Den mittleren, unpaaren ebenfalls
vom Rachenepithel abstammenden Theil der Thyreoidea hat man versucht
als den modificirten Endostyl der Timimten (Hypobranchialrinne) zu deuten
und als einen weiteren Beweis für die Verwandtschaft von Tunicaten und
Wirbelthieren zu verwerthen (cfr. S. 27f>, 270).
Auch die Organe der Luftathmung, die Lungen, stehen bei den
Wirbelthieren mit dem Darm in Verbin-
dung, indem sie am Uebergang von Pharynx
und Oesophagus als 2 sackartige Ausstül-
pungen — von denen ab und zu eine
rudimentär bleibt — gebildet werden ; sie
münden dauernd in den Pharynx, entweder
unmittelbar oder durch Vermittelung eines
von Knorpel gestützten Luftrohrs, der Tra-
chea, welche kurz vor dem Uebergang in
die Lungen sich in die 2 Bronchien ga-
belt. (Fig. 482, 517.) An der Mündungs-
stelle in den Pharynx sind die Stützknorpel
besonders kräftig und bilden den häutig
zur Stimmerzeugung dienenden Larynx
oder Kehlkopf, der durch eine Klappe
(Kehldeckel, Epiglottis) gegen den Pharynx
abgeschlossen werden kann. Der Lunge
und der Trachea entsprechen bei den Fischen
die Schwimmblase und der Schwimmblasen-
gang, Organe, die meist als hydrostatischer t ^ d<* Herzens, 7V Trachea,
Apparat verwandt werden und einen ein- ^ 8,ch m *■ Bronchial
fächeren Bau haben.
Der Blutgefäßsapparat der Wirbelthiere lässt sich unschwer
aus den bei Anneliden bestehenden Verhältnissen erklären und ist wie
bei diesen ein vollkommen in sich geschlossenes Röhrensystem. Bei
den Anneliden (S. 2(52, Fig. 241, 242) läuft ein grosser longitudinaler
Blutstamm über dem Darm von hinten nach vorn, ein zweiter in ent-
gegengesetzter Richtung unter dem Dann von vorn nach hinten ; beide
hängen in jedem Segment unter einander durch Gefässschlingen zu-
sammen, welche von links und rechts den Darm umgreifen. Geht man
von diesem Schema aus, so ist für die Wirbelthiere charakteristisch,
dass sich im ventralen Längsstamm ein Herz ausgebildet hat. Bei
den niederen Wirbelthieren, den Fischen (S. 90, Fig. (52, S. 502, Fig. 602)
liegt dasselbe dicht hinter der Kiemenregion und giebt das Blut, welches
es vom Körper empfängt, an die Kiemen ab; es führt somit venöses
Blut, wie der ganze ventrale Blutgefässstamm. Da die vorderen Ge-
fässschlingen sich an der Kiemenregion des Darms verbreiten, muss
* i r
Fig. 4N2. Lungen den Men-
sr/trn in ventraler Ansieht (aus
Wiedereheim). /, 2, .7, 2a, .7a
die linken und rechten Lungen-
lappen, Z Lage des Zwerchfells,
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478
Wirbelthiere.
der aus ihnen sieh sammelnde dorsale Längsstamm sauerstoffreiches
Blut führen, welches mittelst der Carotiden den Kopf, auf dem Weg
der hinteren Blutgefässsehlingen den Körper versorgt, hierbei venös
wird und in den ventralen Längsstamm zurückfliesst
Das hier kurz skizzirte Schema des Blutkreislaufs der Fische bedarf
der näheren Durchführung. Das Herz, ein muskelstarkes, in einen be-
sonderen Herzbeutel eingeschlossenes Organ, besteht aus 2 durch
Klappen getrennten Theilen (Fig. 501): Vorkammer und Kammer. Der
von der Kammer ausgehende Hauptstamm ist die Aorta asccndens: die
von derselben an den Kiemendarm tretenden Gefässe sind die Arterien-
bögen. welche nur bei jungen Fischen (Fig. 502) direct zum dorsalen
Blutgefäss emporsteigen, später den aus Kiemenarterien, Kiemen-
capillaren und Kiemenvenen (Fig. 02) bestehenden Kiemenkreislauf
bilden. Der dorsale Blutgefässstamm ist die Aorta descendens, der zum
Herzen rückleitende ventrale Stamm die nur dem Amjihioxus und
jugendlichen Fischen zukommende Vena subintestinalis, aus der vor
Allem die Vena portarum hervorgeht. Zu ihr kommt noch ein paariges
Vcnensysteni, welches aus den Venae cardinaJes und jugulares besteht
und immer mehr Terrain der Subintestinalvene abgewinnt.
Der Blutkreislauf der Fische erfährt bei den höheren Wirbei-
th i e r e n eine vollkommene Umgestaltung durch das
Aufhören der K i e -
nienathmung und das
Auftreten der Lun-
genathmung. Es
schwinden die Kiemen und
die Kiemencapillaren ; der
gesammte Kiemenkreislauf
wird auf die von A. ascen-
dens zu A. descendenz
direct übertretenden Ar-
terienbögen reducirt; vor
Fig. 4S3.
Allem aber geräth das Ge-
fässsystem der Lunge,
welches bei den Fischen
als Gefässsystem der
Schwimmblase ein Theil
des Körperkreislaufs warT
zu letzterem in einen
functionellen Gegensatz,
der auch zu einer mor-
Fig. m.
Fig. 1K.'?. Schema der Arterienbögen eines
Reptil tetymbrijn . im Wesentlichen mit den Arte-
rienbögen der Lurehfische übereinstimmend. 1 — 5
die fünf Arterienbögon ; ci, cc die Carotiden, rVerte-
bral-Arterie , p Pulmonadia , s Subclavia (ans O.
Hcrtwig).
Fig. 4S4. Schematiche Darstellung der Meta-
morphose der Arterienbögen bei Vöfjiln (nach Rathko).
a, b »He äussere und innere Carotis (Kopfarterien),
c gemeinsame Carotis, »/Aorta asccndens, c Aorten- phologischen Sonderung
bogen, f rechte Subclavia, '/ Aorta descendens, Ii rnw ».,. j„„„„„
link Subclavia, i Pulmonal» . k und / die als ""lrt, zur Sonderung be-
Ductus liothalli bekannten embryonalen Verbin- sonderer Lungenarterien
düngen von Aorta und Pulmonal!«. und Lungenvenen. Dabei
werden die Arterienbögen
zum Theil rückgebildet, zum Theil auf den Lungen- und Körperkreis-
lauf vertheilt. Von den 6 sich gewöhnlich im Embryo anlegenden
Bögen geht der fünfte (in den Figuren 483 und 484 gar nicht darge-
gestellt) am frühzeitigsten verloren, weiterhin der erste und zweite.
Der schon bei den Lurchfischen die Schwimmblase versorgende letzte?
Bogen (Fig. 483) wird zur Lungenarterie (Arteria pulmonalis); der
Rest liefert die Arterien des Körperkreislaufs, Aorta descendens und
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Wirbelthiere.
479
die den Kopf versorgenden Carotiden (Fig. 484). Da in gleicher Weise
besondere Lungenvenen unabhängig von den Körpervenen zum Herzen
zurückführen, kommt es auch im Herzen zu einer Sonderung, zur
Bildung einer Scheidewand, welche das Herz der Länge nach in eine
linke und rechte Hälfte trennt. Die rechte Hälfte bewahrt den venösen
Charakter des Fischherzens, indem die rechte Vorkammer die Körper-
venen aufnimmt, die rechte Kammer die Pulmonarterie abgiebt. Die
linke von den Lungenvenen versorgte Hälfte wird dagegen arteriell,
da die Lungenvenen dem linken Vorhof nur arterielles Blut zuführen,
welches von da in die linke Kammer tritt und durch die aufsteigende
Aorta das Herz wieder verlässt. Eine vollkommene Scheidung von
Körper- und Lungenkreislauf und dementsprechend eine vollkommene
Trennung des Herzens in eine linke und rechte Hälfte ist nur bei den
Säugethieren und Vögeln erreicht. Reptilien und Amphibien erläutern
uns, wie die Umwandlung des Gefässsystems sich bei den Wirbel-
thieren vollzogen hat. Dabei ergiebt sich, dass die Trennung im Venen-
system beginnt und auf die Vorhöfe übergreift. Erst innerhalb der
Classe der Reptilien entsteht eine Scheidewand in der Herzkammer.
Bei lungenathmenden Wirbelthieren strömt das venöse Körpervenen-
blut in die rechte Vorkammer, durch die rechte Herzkammer und die
Pulmonalarterien in die Lungen ; hier arteriell geworden gelangt das Blut
durch die Pulmonalvenen in die linke Vorkammer und weiter in die linke
Kammer, von welcher aus es durch die Aorta dem Körperkreislauf mit-
getheilt wird. — Ausser Blutgefässen finden sich bei den Wirbelthieren
noch die Lymphgefässe vor als eine Ergänzung des Venensystems. Der
in den Spalten des Bindegewebes sich sammelnde Ueberschuss von Ge-
webssaft wird von ihnen aufgenommen und in die grossen Venenstämme
eingeleitet. Meist genügt die Herzthätigkeit, um auch hier eine genügende
Bowegung zu unterhalten, doch können daneben besondere Lymphherzen
vorkommen. Unter don Lympbgefässen spielen diejenigen, welche sich am
Darm verbreiten, eine hervorragende Rolle, indem sie zur Resorption der
verdauten Nahrung dienen; sie heissen Chylusgefässe, weil ihr Inhalt, der
Chylus, sich zur Zeit der Verdauung von der gewöhnlichen Lymphe
durch intensive weisse Färbung unterscheidet, welche durch frei suspen-
dirte Fetttröpfchen veranlasst wird. Ueber die Beschaffenheit der ge-
wöhnlichen Lymphe und des Blutes wurde schon im allgemeinen Theil
das Wichtigste gesagt (S. 71, Fig. 43, 44). An besonderen Stellen sind
in den Verlauf der Lymphgefässe die Lymphdrüsen eingeschaltet, kleine
Knötchen, in denen die Lymphkörperchen gebildet werden. Ihnen
scbliesst sich in ihrem Bau am nächsten die ausserordentlich blutgefäss-
reiche Milz an.
Die Anatomie der Wirbelthiere haben wir mit den Geschlechts- ^JfJ^1*1"
Organen und den Excretionsorganen zu beschliessen, welche beide meist
so innig verbunden sind, dass man sie als Urogenitalsystem zu
gemeinsamer Besprechung zusammenfasst.
Die Geschlechtsproducte der Wirbelthiere bilden sich beim
Embryo aus einem bestimmten Bezirk des Peritonealepithels, dem
Keimepithel, welches links und rechts von der Wirbelsäule gelegen ist.
Frühzeitig wird diese primitive Lagerung von den Urzellen des Ge-
schlechtsapparates verlassen, indem sie in das darunter gelegene
Bindegewebe hineinwachsen (Fig. 81, S. 63). Hier erzeugen sie bei
männlichen Thieren drüsige Röhren ; beim Weibchen bilden sie zu-
nächst ebenfalls Stränge, die aber nach der Zahl der aus ihnen her-
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480
Wirbelthiere.
vorgehenden Eier in rundliche Follikel zerfallen. Im ersteren Falle
entsteht ein compacter Körper von meist ovaler Gestalt (Fig. 485 B),
der Hoden; im letzteren Fall gewöhnlich eine lockere, traubige Ge-
schlechtsdrüse, das Ovar (Fig. 48o A). — Das Keimepithel, aus welchem
sich Hoden und Ovarien entwickeln, hat lange Zeit für beide Ge-
schlechtsdrüsen dasselbe Aussehen. Gleichwohl sind die Wir-
belthiere getrennt geschlechtlich, eine Regel, von welcher
es nur äusserst wenige Ausnahmen giebt Unter den Fischen ist
Seiranus scriba, der Seebarsch, (auch die Gattung Chrysophrys) stets,
andere Serranusarten häufig hermaphrodit; die Myxinen scheinen
zuerst männliche, dann weibliche Zeugungsproducte auszubilden. Auch
andere Fische können, wenn auch nur abnormer Weise, hermaphrodit
sein. Dagegen ist bei Säugethieren
echter Hermaphroditismus auch als Ab-
normität äusserst selten ; was speciell
beim Menschen vielfach dafür gehalten
wurde, beruhte mit sehr wenigen Aus-
nahmen auf einer abnormen Entwicklung
der äusseren Geschlechtscharaktere, in-
dem Individuen mit rein männlichen Ge-
schlechtsdrüsen in ihrer Erscheinungs-
weise und im Bau der äusseren Ge-
schlechtswerkzeuge weiblichen Indivi-
duen glichen und umgekehrt
Die Entleerung der Geschlechts-
zellen erfolgt bei vielen Fischen durch
die Leibeshöhlc und deren Pori ab-
dominales , wobei ein Abschnitt der
Leibeshöhle sich zu einem besonderen
Vas deferens oder Oviduct abschnüren
kann. Bei den meisten Wirbelthieren
aber werden Theile der Nieren benutzt,
deren Betrachtung wir daher hier vor-
ausschicken müssen. Die vergleichende
Anatomie unterscheidet dreierlei Nieren,
die K o p f - oder V o r n i e r e , die U r -
n i e r e oder den Wolf f sehen Kör-
per und die bleibende Niere,
dementsprechend auch drei Ausführwege,
den Vornieren gang, den U r n i e r e n-
g a n g oder W o 1 f f ' s c h e n Gang, den
Harnleiter oder Ureter. Vornieren-
gang und Urnierengang hängen gene-
tisch zusammen, in welcher Weise? ist
allerdings noch strittig. Am wahrschein-
lichsten ist dass der Vornierengang, wie
die Entwicklung der Selachier lehrt sich
der Länge nach in zwei Canäle gespalten
hat, den Urnierengang und den die Beziehung zur Vorniere beibehal-
tenden Müller' sehen Gang. Die Vomiere funetionirt als Ex-
cretionsapparat gewöhnlich nur im Embryonalleben und auch da nur
in frühen Stadien, vielleicht in manchen Fällen überhaupt nicht mehr;
ihr Verhältniss zum übrigen Nierensystem ist noch nicht aufgeklärt.
B ~ A
Fig. -IS"). Urogenitalsystem von
Triton (aus Gejr<>nbaur). .1 Weib-
chen, B Mfinnchcn. ot Ovar, t
H<><lon, r Niere, ro Verbindungs-
gänge von Hoden und Niere, w
MäßerVher Gang, beim Weibelien
Oviduct od, swj l rnieren^angibehn
Männchen zugleich Säulengang),
up Mündung des l rogenitalsystem».
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Wirbelthiere.
4SI
Dagegen ist es wahrscheinlich, dass Urniore und bleibende Niere der
vordere und hintere Abschnitt eines einheitlichen Organs sind, welches
wir im Folgenden kurzweg Niere (ihren Ausführweg Nierengang)
nennen wollen, während die Umiere mit Rücksicht auf ihre Lage hinter
der Vorniere Mesonephros. die bleibende Niere Metancphros
heissen möge. Eine einheitliche Niere mit einheitlichem Ausführgang
findet sich bei den Tcleosttern als ein breiter Drüsenstreifen in ganzer
Länge des Rumpfes links und rechts von der Wirbelsäule; ähnlich
haben auch die Amphibien (Fig. 485) eine einheitliche Niere. Bei den
Selachiern ist dagegen der vordere Abschnitt (Mesonephros) öfters gegen
den hinteren (Metancphros) abgesetzt und jeder Theil hat seinen eigenen
Ausführgang (Urnicrengang und Ureter). Mit der räumlichen Trennung
verbindet sich von den Reptilien an aufwärts ein Unterschied in der
Zeit der Entwicklung. Der Mesonephros entsteht viel früher und
funetiouirt während der Hauptzeit des Embryonallebens; er wird in
seiner exeretorischen Function abgelöst durch den später entstehenden
Metanephros, welcher die bleibende Niere darstellt.
Der Gegensatz zwischen Mesonephros und Metanephros ist nun
wahrscheinlich durch die Beziehungen zum männlichen Geschlechts-
apparat veranlasst. Bei sämmtlichen Wirbelthieren, bei denen die
Entleerung des Samens nicht durch eigene Ausführwege erfolgt, wird
hierzu der vordere Abschnitt der Niere (Mesonephros) benutzt. Bei den
Amphibien (Fig. 48ö B) verbinden sich die Hodencanälchen mit einem
Theil der Nierencanälchen; Harn und Samen werden durch denselben
Nierenausführgang abgeleitet. Bei den Selachiern ist dagegen der vor-
dere Theil der Niere, welcher diese Doppelfunction hat, öfters von dem
rein exeretorischen geschieden und so der Unterschied zwischen Meso- und
Metanephros, Woltfschem Gang (Harnsamenleiter) und Ureter (Harn-
leiter), hervorgerufen. Bei licptilien, Vögeln und Säugethieren ist dieser
Lierschied noch gesteigert, indem der Mesonephros zwar im Embryo
noch seine Nierenfunction beibehält, dann aber ausschliesslich in den
Dienst des Geschlechtsapparats tritt. Es erhält sich von ihm nur, was
zum Ableiten des Samens nöthig ist, einige Nierencanälchen, welche
zur Epididymis, dem Nebenhoden, werden, und der WolrFschc Gang,
das Vas deferens. Von dem functionslos gewordenen Abschnitt des
Mesonephros können allerdings auch noch kümmerliche Reste fort-
bestehen, sie bilden aber ein rudimentäres Organ, die Paradidymis.
Im weiblichen Geschlecht ist die Anlage der Niere (Meso-
und Metanephros) die gleiche wie beim Männchen. Da aber die Ver-
bindung mit der Geschlechtsdrüse unterbleibt, ist die Existenz der ein-
zelnen Theile des Apparats ausschliesslich von der Dauer ihrer exere-
torischen Function abhängig; daher bleibt unter allen Umständen der
Metanephros erhalten, auch der Mesonephros bei Selachiern und das
dem Mesonephros vergleichbare vordere Ende der Amphibienniere, da-
gegen nicht der sogenannte WolfTsche Körper der höheren Wirbel-
thiere. Dieser ist zwar auch im weiblichen Geschlecht eine Embryo-
nalniere, geht aber dann verloren und hinterlässt nur rudimentäre
Organe, welche der Epididymis (Epoophoron) und der Paradidymis
(Paroophoron ) entsprechen. Das ganz abweichende Verhalten der
Niere im weiblichen Geschlecht hat darin seinen Grund, dass die
M Aller' schenGänge zu den Eileitern werden, welche umgekehrt beim
Männchen frühzeitig sich gänzlich oder bis auf wenige Spuren rück-
bilden. Das vordere Ende des Müller'schen Ganges öffnet sich mit
Ii « r t w 1 g , Lehrbuch der Zoologie. S. Auflagr. 31
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482
Wirbelthiere.
weiter Ocffnung (Ostium abdominale tubae) in die Leibeshöhle und
nimmt die durch Platzen der Follikel frei werdenden Eier auf.
Die Verbindung der Geschlechtsorgane und der Nieren zu einem ein-
heitlichen Apparat, dem Urogenitalsystem, erklärt sich aus denselben Ver-
hältnissen wie bei den Auneliden: dass nämlich beide Organe aus dem
Epithel der Leibeshöhle stammen und dauernd oder vorübergehend Ver-
bindungen mit der Leibeshöhle unterhalten. Für die Geschlechtsorgane
ist dieser Nachweis oben schon geführt worden; für die Urniere wurde
durch die Untersuchungen der Neuzeit festgestellt, dass die Harncanälchen
Abkömmlinge des Coelomepithels sind und vorübergehend eine vollkommen
an die Segmentalorgane der Anneliden erinnernde Anordnung besitzen.
Wie das für die Embryonen von Sclachkrn geltende Schema der Figur 67
(S. !)4) lehrt , besteht die Niere anfänglich aus zahlreichen , segmental
angeordneten Canälen , welche durch Wimpertrichter mit der Leibes-
höhle zusammenhängen und sich von den Segmentalorganen der Anneliden
nur dadurch unterscheiden, dass sie nicht einzeln, sondern mit einem ge-
meinsamen Sammelcanal nach aussen münden, dass sie ferner im Verlauf
ihrer weiteren Entwicklung durch Vervielfältigung ein compactes Organ
liefern, dass endlich an einer bestimmten Stelle in ihr Lumen der Glome-
rulus, ein Knäuel von Blutgelassen, hineinragt. Auch die Vorniere steht
unzweifelhaft anatomisch und entwicklungsgeschichtlich in Beziehung zur
Loibesböhlo : das Ostium abdominale des Eileiters ist wahrscheinlich ein
dauerndes Ueberbleibsel dieser Verbindung.
Die besprochenen Ausführwege des Urogenitalsysteins — gleich-
giltig, ob sie Harnwege, oder Vasa deferentia, oder Oviducte, oder
Harn- und Geschlechtswege zugleich sind — öffnen sich bei den Fischen
zumeist auf einer Papilla urogenitalis hinter dem Darm selbständig auf
der Haut oder schon in der Rückwand des Enddarms selbst Bei den
Amphibien, Vögeln und den meisten Reptilien münden sie stets von
rückwärts in den Enddarm, welcher dadurch zur Cloake wird. Bei den
Schildkröten und Säugethieren werden die Mündungen der Urogenital-
canäle auf die Harnblase übertragen, eine Ausstülpung der ventralen
Darmwand, welche bei den Amphibien zum ersten Mal auftritt. Die
Hamcanäle münden in den Grund der Harnblase, die Genitalcanäle in
eine Verlängerung derselben, den Sinus urogenitalis. Der Sinus uro-
genitalis bleibt bei Schildkröten und den niedersten Säugethieren, den
Monotremen, dauernd mit dem Darm in Verbindung; bei den übrigen
Säugethieren ist dagegen die Cloakenbildung nur im Embryonalleben
vorhanden; später wird die Cloake durch Ausbildung des Damms in
zwei Canäle zerlegt, einen hinteren, den Darm, einen vorderen, den
Sinus urogenitalis. Bei den Wirbelthieren lässt sich somit Schritt für
Schritt verfolgen, wie die ursprünglich hinter dem Darm befindliche
Mündung des Urogcnitalsystems vor denselben zu liegen kommt.
Die Wirbelthiere pflanzen sich weder ungeschlechtlich noch par-
thenogenetisch fort, sondern ausschliesslich durch Eier, welche der Be-
fruchtung bedürfen. Die Befruchtung ist bei niederen Wirbelthieren
meist eine äussere und erfolgt während der Eiablage : bei höheren
Wirbelthieren ist sie eine innere, indem das Männchen zum Zweck
der Samenübertragung die eigene Genitalöffnung gegen die Genital-
öffnung des Weibchens presst oder in letztere ein besonderes Be-
gattungsorgan, den Penis, einführt. Die im Innern der weiblichen
Geschlechtswege befruchteten Eier können dann einen Theil ihrer Ent-
wicklung oder die gesammte Entwicklung in den weiblichen Geschlechta-
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Wirbelthiere.
483
wegen durchmachen, von denen besondere Abschnitte (Uterus) zur
Aufnahme der Eier ausgerüstet sind. Wir unterscheiden demnach
vivipare und ovipare Wirbelthiere und zwischen diesen Extremen ver-
mittelnd die ovo-viviparen Formen (vergl. S. 131). Die meisten Hai-
fische sind lebendig gebärend, ziemlich viele unter ihnen eierlegend;
umgekehrt sind die Knochenfische ovipar, doch giebt es unter ihnen
einige vivipare Ausnahmen. Ebenso mischen sich bei Amphibien und
Reptilien vivipare Formen (Salamander, Blindschleichen) unter die eier-
legende Mehrzahl. Am meisten Stetigkeit herrscht bei Vögeln und
Säugethieren. Während jene ausnahmslos ovo-vivipar sind, sind diese
lebendig gebärend; unter den Säugethieren giebt es jedoch 2 Aus-
nahmen, Echidna und Ornithorhynchus, welche beide nach Art der
Vögel Eier mit begonnener Entwicklung legen und somit ovo-vivi-
par sind.
Im Lauf der Embryonalentwicklung können bei den Wirbelthieren
dreierlei Embryonalanhänge auftreten: 1) der Dotter-
sack, %2) das Amnion, 3) die All an toi s.
Der Dottersack fehlt vollkommen nur bei dem Amphioxus,
dessen kleine Eier sehr dotterarm sind; er ist schwach angedeutet
bei denjenigen Wirbelthieren, deren Eier zwar dotterreich sind, aber
doch nicht so dotterreich, dass nicht eine totale, inäquale Furchung
möglich wäre (Amphibien); sonst ist er überall vorhanden, und zwar
am stärksten entwickelt bei allen Wirbelthieren mit discoidaler Fur-
chung, den Fischen (Fig. 486), Reptilien und Vögeln. Sein Vorkommen
ist bedingt durch die Anhäufung von Nährmaterial im Darm des Em-
bryo, dessen ventrale Wand bruchsackartig vorgetrieben wird. Der
Embryo liegt dabei entweder direct auf dem dotterhaltigen Bruchsack
oder hängt mit ihm durch einen Verbindungsstiel zusammen.
Dottenack.
Amnion.
Fig. 48ö\ Embryo eines Haies.
/: äussere Kiemenfaden oberhalb
«ler Brustflossen, d der zur Hälfte
dargestellte Dottersaek (aus Boas).
"3 TS
Fig. 487. Enibryonulanhünge eines Sä'iujr-
tfiicris (Schema nach KölUker). e Embryo,
am Amnion, alt Amnionhöhle, hk Bauchwand
des Embryo, dy Dottergang, ds Dottersaek, al
Allan tois, sh Serosa, sx Zotten derselben, r
extra-cmbryonale Leibeshöhle.
Während der Dottersack weit verbrcitot ist, finden sich Amnion
und Allan tois nur bei Reptilien, Vögeln und Säugethieren, welche
Amnioten oder Allantoidica heissen im Gegensatz zu den Fischen und
31*
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484
Wirbelthiere.
Amphibien, welche beide Enibryonalanhänge nocli nicht besitzen und daher
ate Anamnif.n oder Annllantoidica systematisch zusatumengefasst werden.
Das Amnion (Fig. 487) oder die Sehafhaut ist ein Sack, welcher den
Embryo ganz umhüllt und nur am Nabel, d. h. au der Stelle, wo der
Dottersack durch die Hauchdecken ausgestülpt ist, mit dem Embryo
zusammenhängt. Im Sack befindet sicli eine eiweisshaltige Flüssigkeit,
das Fruchtwasser, Genetisch ist das Amnion ein Theil der Hauchhaut ;
es entwickelt sich ventral als eine Falte links und rechts, vorn und
hinten vom Embryo, wächst um denselben nach dem Rücken empor,
bis die einander entgegenwachsenden Faltenränder dorsal zum Ver-
schluss kommen. Die Allan tois endlich ist eine Verlängerung der
Harnblase; diese wächst am Nabel aus der Leibeshöhle heraus und
schiebt sich zwischen Dottersack und Amnion ein. In den in die Em-
bryonalanhänge cingewucherten Abschnitt hinein kann sich das mit
Harn erfüllte Lumen der Blase verlängern oder nicht: im letzteren
Falle besteht die Allantois nur aus dem Bindegewebe und den Blut-
gefässen der Harnblase. Die Blutgefässe sind für die Function der
Allantois die wichtigsten Theile, sie führen dem Embryo Sauerstoff
zu, bei den Säugethteren ausserdem noch Nährmaterial, welches der
Placcnta entstammt. — Dottersack, Amnion und Allantois werden nach
aussen noch durch eine gemeinsame Hülle zusammengehalten, die Serosa.
Systematik. Schon von Aris totolos und seinen Nachfolgern
wurden 4 Hauptgruppen der Wirbelthiere unterschieden, welche von Linne
und sogar noch von Cuvier beibehalten wurden: Säwjethierc oder Mam-
malm, Vij'jel oder Airs, Reptilien oder Amphibien, und Fixclie oder Pisces.
Erst Blainvillc (1818) trennte die dritte Classe in 2 Classen, indem er
für die eine den Namen Amphibien, für die andere den Namen Reptilien
beibehielt. M. Edwards zeigte weiter, dass diese bis dahin nicht ge-
nügend unterschiedenen Formen durch eine grosse Kluft getrennt werden,
indem die Amphibien zu den niederen Wirbelthieren, den Anamnkn, ge-
hören, die Reptilien dagegen zu den höheren, den Amniotcn. Ferner wurde
die Begrenzung der Fischciasso im Laufe dieses Jahrhunderts und zwar
hauptsächlich in der zweiten Hälfte desselben einer Revision unterworfen.
Haeckel schlug vor, von den echten Fischen die so sehr viel niedriger
orgauisirten Formeu wie den Amphioxus und die Oychstomen als zwei be-
sondere Classen abzuzweigen.
I. Unterstamra.
Anamnien.
Wirbelthiere, welche dauernd oder vorübergehend durch Kiemen
athmen, deren Embryonen weder ein Amnion noch eine Allantois haben.
I. Classe.
Leptocardler, Acranier.
Aus der Classe der Acranier kannte man bis in die Neuzeit nur die
einzige Gattung Amphioxus, deren bekanntester Vertreter A. lanceolatus
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I. Leptocardier, Acranier.
485
(Fig. 4*8) schon im vorigen .Jahrhundert vom Reisenden Pallas entdeckt,
aber für eine Schnecke (Limax lanceolatus) gehalten wurde. Erst die clas-
sischen Untersuchungen von J.Müller bewiesen die Wirbelthiernatur
des« inzwischen in England und Neapel aufs Neue aufgefundenen
Thieres. Durch K o w a 1 c v s k y wurde dann auf entwicklungsgeschicht-
lichem Wege die überraschend nahe Verwandtschaft mit den Tunicaten
aufgedeckt. Der Grund, warum so lange Zeit die systematische Stellung
des Amphioxus so sehr verkannt wurde, liegt in der grossen Einfach-
heit seines Baues. Der fischförmig gestaltete, an beiden Enden zuge-
spitzte Körper (daher der Name) hat noch keine paarigen Flossen
und wird nur am hinteren Ende von einem schwachen, unpaaren Flossen-
saum umfasst. Das Epithel der Haut ist, wie man es sonst nur bei Wirbel-
losen findet, einschichtig und lässt deutlich die Grenzen der Muskel-
segmente durchschimmern. Es fehlen noch Schädel (Acranier)
u n d W i r b e 1 s ä u 1 e , Hirn, Herz (Leptocardier) und die grossen
Drüsen der Leibeshöhle, die Leber und die Niere, wenn
sich auch für einige dieser Organe (Hirn, Leber, Niere) die ersten An-
fange nachweisen lassen. Der Mangel von Schädel und Wirbelsäule
hängt mit dem gänzlichen Mangel d e r B i n d es u b s tanzen zu-
sammen. Der Amphioxus besteht fast nur aus vielfach gefalteten, von
Stützlamellen getragenen Epithelhäuten. Bei alledem sind die in fast
schematischer Weise auf das Allerwesentlichste reducirten Grundzüge
der Wirbelthierorganisation unverkennbar.
Fijr. 488. Ampftütxus lanrcolafus, sehetnatiairt (nach einer Zeichnung von Th.
Boveri). au Auge, c Chorda, r Rüekenmnrk, /// Muskeln, o Mundöffnung, sp Kiemen-
spalten, (j Geschlechtsorgane, » Nierencanüle, b Peribranchialrauin, p Mündung des-
selben, / Leber, a After.
Als Axenskelet, zugleich auch als einzige Stütze des Körpers
dient eine vom vorderen bis zum hinteren Ende ziehende Chorda
dorsal is (c), welche ausnahmsweise nicht aus blasigen Zellen, son-
dern aus zahlreichen, hinter einander geordneten, fibrösen Platten be-
steht. Ueber ihr liegt das Rückenmark (r), dessen Centralcanal als
erster Ansatz zur Entwicklung des Hirns sich am vorderen Ende ein
wenig erweitert Ein Pigmentfleck (au) in der Wand dieser An-
schwellung ist das primitive Auge des Amphioxus, während Hörbläs-
chen fehlen und Geschmacksorgane noch nicht nachgewiesen sind. Als
Geruchsorgan wird eine Einsenkung am vorderen Ende des Thieres
gedeutet. Am Grund derselben findet sich bei jungen Thieren eine
Oeffnung, die in den Rückenmarkscanal führt und sich aus unvollstän-
digem Verschluss der embryonalen Medullarfalten erklärt.
Vom Darm entfällt mehr als '/3 auf die sehr geräumige Pars
respiratoria oder die Kieme. Dieselbe beginnt mit einer längsovalen,
von Girren eingefassten MundöfTnung (o) und ist links und rechts von
0
r
i
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486
Wirbelthiere.
zahlreichen Kiemenspalten (Fig. 489 sp) durchbohrt, zwischen denen
elastische Stäbe (kb) ein festes Gerüst bilden. Die Kiemenspalten öffnen
sich beim jungen Thier direct nach aussen, später aber, wie bei den
Ascidien, in einen umhüllenden
Raum, Peribranchial- oder Peri-
thoracalraum (b), welcher durch
eine merkwürdige Einfaltung der
Haut entsteht und durch den
Porus branchialis (Fig. 488 p)
hinter der Mitte des Körpers
das Athemwasser austreten lässt.
Eine ventrale flimmernde „Hypo-
branchialrinne" (Fig. 480 c), in
welcher man das Homologon so-
wohl des Ascidienendostyls als
auch der Thyrioidea erblickt,
führt in das gerade gestreckte,
kurz vor dem hinteren Ende
linksseitig mündende Darmrohr,
von dem als erste Anlage einer
Leber ein Blindsack ausgeht, der
weit nach vorn in die Kiemen-
region reicht (Fig. 488, 481)/).
Das von farblosem Blut ge-
füllte G e f ä s s sy s t e m besteht aus
einem dorsalen arteriellen (a) und
einem ventralen venösen Stamm,
welche durch laterale Schlingen
zusammenhängen. Der ventrale
Stamm beginnt als Vena sub-
intestinalis unter dem Darm, ver-
ästelt sich als Pfortader am
Lebcrblindsack und verläuft
wieder in einen Stamm vereint
als Aorta ascendens unter der
Kieme. Die von letzterer aus-
Kiemenarterien, die gemeinsam
Fig. 189. Querschnitt durch die Kiemen-
region des Amjihinxus. r Kückentnark , s>i
abtretende Nerven, Muskeln, r Chorda,
a Aorta deeeendens, cii Coelora (bronchiale
Leibeshöhle) n Niere (links durch Pfeile be-
zeichnet), ha Kieinendann, kb Kiemcnbogen,
sp Kieinenspaltcn, // Geschlechtsorgane, / Le-
berbUndsack, b Peribranchialraum, c Hypo-
branchialrinne , darunter Aorta aseendens
(nach einer Zeichnung von Kay Lankester,
verändert von Th. Boveri).
gehenden Gefässsrhlingen sind die
dorsal die im Bereich der Kieme paarige Aorta descendens erzeugen.
Ein echtes Herz fehlt gänzlich; wohl aber sind verschiedene Theile der
Blutbahn, ein Theil des ventralen Gefässes und die basalen Stücke
der Kiemenarterien contractu, weshalb man auch den Namen „Lepto-
cardicr", „Zart- oder Röhrenherzen", gewählt hat
Wie der Kiemen dann im Peribranchialraum. so ist der verdauende
Darm in der sehr wohl vom Peribranchialraum zu unterscheidenden
Leibeshöhle untergebracht. Die Leibeshöhle setzt sich auch in die
Kiemengegend (Fig. 48*) cö) fort, sowohl in die Kiemenwand selbst
(branchiale L.), als in die äusseren Wände des Peribranchialraums
(peribranchiale L.). Im peribranchialen Abschnitt der Leibeshöhle
bilden sich die Geschlechtsorgane (g), eine Anzahl beuteiförmiger,
in einer Reihe hinter einander gelagerter Zellenfollikel , die durch
Platzen ihren Inhalt, die reifen Geschlechtsproducte, in den Peri-
branchialraum entleeren. In letzteren münden die lange Zeit vergeb-
lich gesuchten E x c re t i on so r ga ne (n), eine linke und eine rechte
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IL Cyelostomen.
487
Reihe flimmernder Canäle, welche wahrscheinlich der Vorniere der
übrigen Wirbelthiere entsprechen. Jeder Canal beginnt mit min-
destens einem Flimmertrichter in der branchialen Leibeshöhle und
mündet getrennt für sich, wie ein Anneliden-Segmentalorgan , in den
Peribranchialraum.
Die gleiche Einfachheit, welche den Bau des Amphioxus kennzeichnet,
beherrscht auch seine Entwicklungsgeschichte. In dieser Hinsicht
seien besonders folgende Punkte hervorgehoben. 1) Die Eier besitzen eine
nahezu äquale Furchung (S. 123 Fig. 93). 2) Es bildet sich eine typische
Gastrula durch Einstülpung (Fig. 101). 3) Das Mesoderm legt sich an,
indem der Darm links und rechts zur Mittellinie zahlreiche, metamer auf-
einander folgende Ausstülpungen bildet, welche sich später abschnüren
und die Ursegmente darstellen. Das mittlere Keimblatt ist somit
ein abgeschnürter Theil des Darmdrüsenblatts, d. h. ein Mesepithel. Aus
den Hohlräumen der Ursegmente geht die Leibeshöhle des Amphioxus
hervor, welche somit vom Darmlumen abstammt und ein echtes Enterocoel
ist. 4) Zwischen den Ursegmenten wandelt sich die Decke des Darms in
die Chordaanlage um, welche sich durch Einfaltung vom Darm abschnürt
und sich zwischen Darm und Nervensystem einschiebt. 5) Das Nerven-
system entsteht aus einer zum Rohr sich schlieasenden Längsrinne, welche
vorübergehend durch den Canalis neurentericus mit dem Darm communicirt.
Man hat den Amphioxus in wenigen einander sehr nahestehenden
Arten in den verschiedensten Meeren (Nordsee, atlantischem und indischem
Ocean, Mittelmeer, Südsee) gefunden ; in der Neuzeit hat man auch einen
Repräsentanten einer neuen Gattung in Amerika entdeckt, Asymmetron
lucayanum Andrews. Die Thiere leben in ruhigen Buchten des Meeres
im Sand vergraben, so dass nur die Mundöffuung hervorschaut. Wie die
meisten Thiere mit rudimentären Augen sind sie äusserst lichtscheu und
gorathen bei greller Beleuchtung in die grösste Aufregung.
II. C lasse.
Cyelostomen, Marsipobranchler, Monorhlnen.
Die Gasse der Cyelostomen enthält ebenfalls nur wenige Gat-
tungen und Arten, unter denen die Neunaugen des süssen Wassers
und die Myxinen der nordischen Meere die bekanntesten sind. Die
Thiere haben schon vollkommen das Aussehen und die Bewegungs-
weise der Fische, besonders der aalartigen ; auch in ihrer inneren
Anatomie stehen sie den Fischen viel näher als der Amphioxus, da sie
die grossen Unterleibsdrüsen, Niere und Leber, schon besitzen, dazu
ein muskulöses dickwandiges Herz, welches aus Kammer und Vor-
kammer besteht und in einem eigenen Herzbeutel liegt. Am Hirn
kann man schon die fünf Hirnblasen mit ihren Anhängen, dem Lobus
olfactorius, Epiphysis und Hypophysis unterscheiden ; die höheren Sinnes-
organe, Auge, Hörbläschen und Nase, sind ebenfalls vorhanden; die
Augen sind paarig und (mit Ausnahme der Myxinoiden) im Wesent-
lichen von demselben Bau wie bei den anderen Wirbelthieren. Das
Hörbläschen ist einfach und nicht in Sacculus und Utriculus geschieden,
auch hat es nur einen oder zwei halbkreisförmige Canäle. Die Haut
(Fig. 25 a) besteht aus Lederhaut und einer vielschichtigen Epidermis.
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Wirbelthiere.
Bei alledem unterscheiden sich die Cyclostomen sehr wesentlich selbst
von den niedrigst stellenden Fischen. Ihnen fehlt noch die Wirbel-
säule; das Axenskelet des Rumpfes besteht entweder nur aus der
Chorda oder ausserdem nur noch aus ganz kleinen, die oberen Bögen
repräsentirenden Knorpelspangen. Ein knorpeliger Schädel mit einem
korbartigen Gerüst von Kiemenstützen ist zwar vorhanden, aber so
ganz abweichend vom Schädel der übrigen Wirbelthiere, dass es
schwer ist festzustellen, in wie weit er mit demselben verglichen
werden darf. Sehr wichtig ist der gänzliche Mangel von Brust- und
Bauchtiossen. Da auch die unpaaren Flossen nur von Ilornfäden ge-
stützt werden, fehlt das morphologisch allein wichtige, knorpelig prä-
formirte Extremitätenskelet. Desgleichen entbehrt die Haut der
Schuppen, die Mundhöhle der echten Dentinzähne. Denn die in
mehreren Kreisen gestellten spitzen, brau-
nen Höcker in der Mundhöhle der Petro-
myzonten (Fig. 4!K>), sowie die spärlichen
„Zähne" der Myxinouhn sind rein epitheliale
Ilorngebilde und dürfen mit den Zähnen
der übrigen Wirbelthiere nicht verglichen
werden.
Weitere Unterschiede zu den Fischen
Fig. 490. Mund von Pe-
tromyxon marimis mit Horn-
zähnen , im Hintergrund die
Zunge (aus Gi'jrenlmuri.
ergeben sich aus den ."> in der systematischen
Zoologie eingebürgerten Namen.
Der Name Cyclostomen bezieht sich
zunächst zwar nur auf ein äusserliches Merk-
mal, die ringförmige Gestalt der Mundöff-
nung, allein diese Gestalt ist durch einen
wichtigen anatomischen Charakter begründet,
durch den Mangel der Kiefer, welche bei
den übrigen Wirbelthieren, indem sie gegen
einander wirken, die quere Gestalt des Mun-
des bedingen. Die Form der Mundöffnung
ist für die Cyclostomen von grosser Bedeu-
tung, da sie vermöge derselben sich an Fischen festsaugen können.
Am Grunde der gewölbten Mundbucht liegt die sogenannte Zunge,
welche die ansaugende Wirkung erzielt, indem sie spritzenstempel-
artig zurückgezogen wird.
Der Name MarsipobrancJiier (Fig. 4iH) bezieht sich auf die Gestalt
der Kiemen. Jeder der G — 7 Paar Kiemengänge dift'erenzirt sich in
3 Abschnitte: 1) eine sackartige Erweiterung (/»•), welche allein die
Kiemenblättchen enthält und den Kiemengefässen zur Verästelung
dient, den Kiemenbeutel, und 2) und 8) zwei enge das Athemwasser
zu- und ableitende Canäle, von denen der eine (br') auf der Haut,
der andere (i) in den Darm mündet. Der Anlage nach und bei
wenigen Arten (Bdellostoma) auch dauernd sind 7 innere und 7
äussere Kiemenmündungen jederseits vorhanden; allein die 7 inneren
Canäle von links und rechts können sich in einen unpaaren Sammel-
canal vereinigen, der mit einer ventralen üerl'nung in den Darm
mündet (Petromyzon), oder umgekehrt die äusseren Canäle vereinigen
sich jederseits in einem einzigen Kiemenloch (s) (Myxine).
Monorhinen (Fig. 492) endlich heissen die Thiere, weil bei ihnen
die Nase im Gegensatz zu den Fischen und allen höheren Wirbel-
thieren unpaar ist. Genau in der Mittellinie des Kopfes befindet sich
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III. Fische. 489
dorsal eine einzige Nasenöffnung, welche in einen flaschenfönnig er-
weiterten Nasensack überleitet Vom Grunde des Sackes geht ein
Canal rückwärts bis an die Decke der Mund-
höhle, den „Gaumen", hier entweder blind endi-
gend (Hpperoartien) oder den Gaumen durchboh-
rend (Hyperotreten), so dass eine innere Nasen-
öffnung, eine Choane , entsteht. An die un-
paare Nase tritt ein paariger N. olfactorius.
I. Ordnung. Hyperotreten , Cyclostomeu mit
innerer, den Gaumen durchbohrender Nasenöftnung,
jederseits am Bauch eine Reihe machtig ent-
wickelter Schleimsäcke. — Ausser der Gattung
Bdellostoma kennt man nur die an den Küsten
Skandinaviens besonders häufigen Myxinen. Myrinc
glutinosa L. Inger lebt in grosser Tiefe, mit Vorliebe
in der Bauchhöhle todter Fische (Dorsche), von
denen sie sich ernährt. In Folge dieser Lebens-
weise sind die Augen sehr rudimentär und einfach
gebaut. Die Thiere sind hermaphrodit, und zwar
scheinen zuerst die Spermatozoon, dann die Eier
zu reifen ; letztere sind sehr gross und mit einem
merkwürdigen Hakenapparat versehen; die Entwick-
hing ist leider noch unbekannt.
II. Ordnung. Hypcroarticn , Cyclostomen mit
blind geschlossenem Nasensack. — Aus Europa
kennt man 3 Arten, die sämmtlich der Gattung
Petromyxon angehören und sich nur durch Grösse
und geringfügige Merkmale unterscheiden. Das
Fig. 4M. Kiemenap-
parat w»n Myrhu ghttu
nnsa mach J. Müller).
o ( >o*ophagus, hr Kiemen-
säekehen (die Strich«1 ge-
ben dir. Luge der Kiemen-
blättchen an). / zufüh-
render , ///•' abführender
Kiemeneanal. nt> Kiemen-
arterie mit Kienienbögen,
(I abpriiparirtc Haut , s
Mündung der Kiomonca-
nale und eines Haut
kleine Neunauge, P. Planen Bloch, lebt in Bächen und Oesophagus verbin-
und in kleineren Flüssen, das grössere, P. flnvia-
tilis L., in Strömen, das fast 1 Meter lange P.
marinus L., im Meere ; letzteres gelangt aber auch in
die grösseren Flüsse häufig, indem es
sich an die zur Laichzeit aufsteigen-
den Lachse und Haifische ansaugt.
Früher unterschied man ausser der
Gattung Petrotnyxon noch die Gattung
Ammocoetcs (Querder), bis in diesem
Jahrhundert A. Müller von Neuem
auffand , was schon der Fischer
Baldner im vorigen Jahrhundert
erkannt hatte, dass die Ammocoetes
denden Canäu der Un-
ken Seite (e), a Atrium,
r Ventriculus enrdis.
Fig. 4(»2. Kopf des Flussneunauges mit
Mund Im), unpaarrr Nase (tt), Auge und
7 Kiemenspalten (ks).
nur
lie
Larven der Petromyzonten
seien. Die Querder unterscheiden sich von den Neunaugen einmal dadurch,
dass die Augen von dicker Haut bedeckt sind und daher noch nicht
funetioniren, dass ferner die Mundöffnung noch eine Längsspalte ist und
nicht zum Ansaugen benutzt werden kann. Die Umwandlung des
Querders in das Neunauge erfolgt kurz vor der Geschlechtsreife, daher
denn auch kaum ein Grössenunterschied zwischen beiden existirt.
Der deutsche Name Neuipiuge kann den Anfänger irre leiten; da nur
1 Paar Augen vorhanden ist, muss man, um die Zahl 9 zu erhalten, nicht
nur die 7 Kiemenspalteu, sondern auch die unpaare Nasenöffnung mit-
rechnen und letztere sogar zweimal zählen, das eine Mal für rechts, das
andere Mal für links. — Samen und Eier werden durch den Porus ab-
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490
Wirbelthiere.
doniinalis entleert; die Eier sind ziemlich klein und erleiden eine totale,
wenn auch inäquale Furchung (Fig. 97). — Südamerikanische Gattungen:
Mordacia und Qeotria.
III. C lasse.
Pisces, Fische.
Die Bezeichnung „Fische'1 kann man im engeren und weiteren
Sinne anwenden. Bei der weiteren Umgrenzung nennt man Fische
alle Wirbelthiere, welche in Athmung und Fortbewegungsweise voll-
kommen dem Wasserleben angepasst sind, in der Athmung, insofern
sie durch Kiemen erfolgt, in der Fortbewegungsweise, insofern dieselbe
durch Flossen vermittelt wird. Man kann aber auch, wie es in diesem
Buch geschehen soll, den Namen im engeren Sinne verwenden und
unter den kiemenathmenden, mit Flossen schwimmenden Wirbelthieren
verschiedene Stufen der Organisation unterscheiden, wie wir das bei
den uns näher stehenden landbewohnenden und luftathmenden Wirbel-
thieren schon längst zu thun gewohnt sind. Ausser Kiemenathmung
und Fortbewegung durch Flossen halten wir zur Charakteristik der
Fische noch für nöthig, dass eine gewisse Organisationsstufe erreicht
ist, dass eine Wirbelsäule und ein Schädel mit gut ausgebildetem
Visceralskelet vorhanden sind, dass zu den unpaaren Flossen sich die
paarigen gesellen, zum Skelet der Hornfäden noch ein besonderes
knorpeliges oder knöchernes Extremitätenskelet, dass die Nase ein
doppeltes Grübchen ist, dass die Haut der Körperoberfläche und die
Schleimhaut des Mundes Sitz von Verknöcherungen, von Schuppen
und echten Zähnen, sind. Führt man diese Auffassung durch, so
müssen die Cydostomen und der Amphioxus von den Fischen ausge-
schlossen werden.
Unzweifelhaft sind die Fische im engeren Sinne die dem Wasser-
leben am besten angepaßten Wirbelthiere; ihre ganze Organisation
muss daher von diesem Gesichtspunkte aus beurtheilt werden. Die
Epidermis ist noch nicht verhornt und besteht aus zahlreichen über
einander gelagerten Schichten protoplasmatiseher Zellen, die nach
aussen nur von einer verschwindend dünnen Cuticula zusammenge-
halten werden und in Folge dessen nach dem Tode leicht abfallen.
Enorme Mengen grosser Schleimzellen verleihen den Thieren ihre auf-
fällige Schlüpfrigkeit. Da das Epithel nichts zur Festigung der Körper-
oberfläche beiträgt, gehen alle Schutzorgane von der Lederhaut aus,
welche aus vielen Schichten straff faserigen Bindegewebes besteht
und ausserdem den Fischen das charakteristische Hautskelet , die
Schuppen, liefert. Die Schuppen liegen auf der Grenze von Epidermis
und Lederhaut, jedoch noch in letzterer gewöhnlich in das Bindegewebe
der Schuppentaschen eingebettet ; sie sind vermöge ihres verschiedenen
Baues in den einzelnen Abtheilungen auch jetzt noch von hervorragen-
dem, systematischem Werth, wenn man auch darauf verzichtet hat, auf
die Unterschiede der Placoid-, G anoid-, Cycloid- und Ctenoid-
Schuppen die grossen Ordnungen der Fischclasse zu begründen.
1) Die Placoid schuppen (Fig. 49.% 4, Fig. 460) oder Haut-
zähnchen haben wir bei der allgemeinen Besprechung der Wirbel-
thiere kennen gelernt, weil sie den Ausgangspunkt für die Hautver-
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III. Fische.
491
Fig. 493. Schuppen formen der Fische ;
1 Cvcloiduchuppc , 2 Ctcnoidschuppe,
von
laien.
knöcherungen sämmtlicher Wirbelthiere bilden und ausserdem auch
den Zähnen der Mundhöhle im Bau ähnlich sind ; sie sind rhombische
Knochenplatten , welche mosaikartig
dicht zusammengefügt sind, ohne aber
sich zu decken ; sie tragen im Centrum
einen caudalwärts zurückgebogenen,
zugespitzten und mannichfach gestal-
teten Höcker, welcher aus einer blut-
gefässreichen Papille, einem Mantel
von Zahnsubstanz (Dentin) und einem
die Spitze überziehenden Käppchen
von Schmelzsubstanz besteht
2) Die Ganoidschuppen (3)
haben meist noch rhombische Gestalt
und parketartige Anordnung; doch
kommen auch schon kreisrunde Formen
vor, welche sich nach Art der Cycloid-
schuppen dachziegelartig decken. Sie
können in der Jugend noch Hautzähn-
chen tragen, welche beim ausgebilde-
ten Thiere verloren gehen ; stets sind TT Tdcosticrn , 3 Ganoidschuppc
i . i » ' .tt Ganoiden, 4 Plaooidschuppe von Hi
sie von einer dicken Lage „Ganoin 11
überzogen, welche der Oberfläche einen
auch bei fossilen Fischen noch zu erkennenden Perlmutterglanz verleiht
und das wichtigste Merkmal der Schuppe ausmacht Das Ganoin wird
in der Neuzeit nicht mehr wie früher als Schmelz, sondern als eine
homogene oberflächlichste Schicht von Elfenbein gedeutet
3) Cyclo id- und Ctenoidschuppen sind einander sehr nahe
verwandte Formen ; sie liegen stets locker in den Schuppentaschen, aus
denen sie leicht herausgezogen werden können (Entschuppen der Fische);
sie ordnen sich derart in Schräg-, Quer- und Längsreihen an, dass
die vorderen Schuppen die hinteren dachziegelartig decken. Die
Cycloidsch uppen (1) haben annähernd kreisförmige Gestalt und
eine zweifache Structur ; das Centrum der Schuppe ist einerseits Mittel-
punkt einer concentrischen Streifung, andererseits Ausgangspunkt zahl-
reicher, nach der Peripherie ausstrahlender Radiallinien. Die con-
centrische Streifung hat ihren Sitz in einer oberflächlichen, stärker ver-
kalkten Lage der Schuppe (der Dentinschicht) und ist durch riffartige
Erhebungen derselben bedingt ; die Radiallinien sind zum Theil durch
Unterbrechungen der Dentinschicht hervorgerufen, vor Allem aber da-
durch, dass in ihrem Bereich die Verkalkung der Basalschicht unter-
blieben ist. Die Ctenoid sc huppe (2) theilt mit der Cycloidschuppe
die concentrische und radiale Streifung, unterscheidet sich aber von
ihr dadurch, dass das hintere Schuppenende quer abgestutzt ist und
dass der bei der dachziegelartigen Deckung freibleibende Theil der
Oberfläche kleine, an Zähnchen oder Kammzinken erinnernde Höcker
trägt; diese Zinken sind nichts Anderes als Fortsätze der concentrischen
Riffe der Schuppen.
4) Ausser den besprochenen Schuppenformen kommen in der Haut
mancher Fische ansehnliche Stacheln (stark entwickelte Einzelzähne)
und ausgedehnte Knochenplatten vor. für welche sich meist noch der
Nachweis führen lässt, dass sie aus Verwachsung zahlreicher Schuppen
hervorgegangen sind.
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492
Wirbelthiere.
Die Färbung clor Fische ist durch zweierlei Structuren bedingt.
Der Silberglanz, welcher nicht nur die Haut, sondern auch Herzbeutel und
Bauchfell auszeichnet, wird durch Guanincrystalle verursacht. Sie
werden bei manchen Fischen {Alburnus hteidus) durch ihren besonders
schönen Glanz technisch werthvoll: durch Kochen mit Ammoniak werden
sie aus der Fischhaut befreit und liefern in dieser Flüssigkeit suspendirt
den wichtigen Theil der Perlenes.senz (Essence d'Orient), welche zur Fa-
brication künstlicher Perlen benutzt wird, indem sie äusserlich auf Ala-
basterkügelchen aufgetragen wird (römische Perlen) oder zu einem Ueber-
zug auf der Innenseite von Glaskügelchen dient, welche dann noch mit
Wachs ausgegossen werden (Pariser Perlen). — Die ausser dem Silber-
glanz noch vorkommenden Farben und Zeichnungen lassen sich aal
Chromatophoren der Lederhaut zurückführen, weiche unter dem Ein-
fluss des Nervensystems ihre Gestalt und Ausdehnung und damit auch
ihren Antheil an der Gesaninitfärbung verändern können. Daher rührt die
Anpassungsfähigkeit vieler Fische an ihre Umgebung. Die SdioUen und
Flundern {Pl&troncäidcri) z. 13. nehmen die Farbe des Untergrundes an und
besitzen hierin ein wichtiges Mittel, sich vor ihren Feinden zu verbergen.
Geblendete Thiere verlieren diese Fähigkeit, weil sie beim Mangel der
Aug'«n über die Farbe der Umgebung nicht mehr orientirt sind,
wirbeimme. Das Axenskelet der Fische zeigt viele nur in dieser Gasse vor-
kommende (irundzüge, gewinnt aber gleichwohl in den einzelnen Ord-
nungen ein sehr verschiedenes Aussehen, welches vor Allem davon ab-
hängt, ob das Skelet knorplig oder verknöchert ist Die Wirbelsäule
besteht fast stets aus amphicoclen Wirbelkörpern mit oberen
und unteren Bögen. In den vorderen und hinteren Aushöhlungen der
Wirbelkörper besteht die Chorria fort, welche demnach ein intervertebral
anschwellender, rosenkranzförmiger Strang ist. Die Bögen schliessen
sich mittelst unpaarer Dornibrtsätze zusammen, die oberen — den
Rückenmarkscanal erzeugend — überall, die unteren nur in der Schwanz-
gegend (Caudalcanal) (Fig. 4<>2, 4(>.'J), während in der Rumpfregion die
unteren Bögen aus 2 Theilen, Rippe und Querfortsatz, bestehen und
ventral nicht zur Vereinigung kommen. Auch fehlt die Vereinigung
der unteren Rippenenden durch das Dazwischentreten eines Sternuni.
~ da dieses bei keinem Fisch vorhanden ist. So lange die Verknöcherung
ausbleibt oder unvollkommen ist sind die oberen und unteren Bögen in
jedem Segment mindestens zu zwei Paaren vorhanden ; das dem Kopf
zugewandte vordere Rogenpaar ist das stärkere und bleibt bei Fischen
mit knöcherner Wirbelsäule allein erhalten ; das zweite ist sehr viel
kleiner, so riass man es gar nicht zu den oberen resp. unteren Bögen
rechnet, sondern von oberen und unteren Intercalarstücken spricht
(Fig. 494).
Schadd. Für den Fischschädel ist besonders charakteristisch die gute
Ausbildung und grosse Zahl der Visceralbögen sowie ihre Unabhängig-
keit von der Schädelkapsel, von welcher sie ohne Mühe abgelöst werden
können. Die nach Entfernung der Visceralbögen für sich dargestellte
Schädelkapsel hat bei allen Knorpelfischen (Fig. 494) einen sehr ein-
fachen Bau, wird aber bei Knochenfischen durch Auftreten von Ver-
knöcherungen um so complicirter, da die Knochen sehr zahlreich sind
und nicht, wie bei den Säugethieren, zum Theil unter einander zu
grösseren Knochen verschmelzen ; auch sind zwischen den einzelnen
Fischfamilien grosse Unterschiede wahrnehmbar, indem bei einigen
Knochen auftreten, welche den anderen fehlen (Fig. 465, 495). Durch
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III. Fische. 493
Fig. 494. Anfang der Wirbelsäule und Schädel mit Visceralskelet von Mustclus
rultfan«. ick Wirbelkörper, r Rippen, ob obere Bögen, ic Interealaria, ps Processus
spinoei. Schädel : r Vagusloch, ijp Gloesopharyngaeusloch, po Po9torbitalfortaatz,
an Antorbitalfortsatz, tr Trigeminusloch, o Opticiisloeh, II Hörkapsel, A* Nasenkapsel,
Ii linst nun, / — 8 Visceralbögen, 1 Lippenbogen, 2 Kieferbogen, Pq Palatoquadratum,
Md Mandibulare, 3 Zungenbein bogen, Bm Hyomandibulare, H Hyoid, H— 8 Kiemen-
bögen, co Copula.
Fig. 405. Schädel mit erstem Wirbel und mit vorderem VisceraJskelet vom
Schellfisch. D ie Knochenconturen der Opercula und des Infraorbitalrings roth ein-
gezeichnet. Schädel: oeb, od, ocs Basioccipitale, Exoccipitale, Siipraoccipitale, epo, pto,
spho, oo, pro Epioticum, Pteroticum, Sphcnoticum, Opisthoticum, Prooticum,/) Parietale,
fr Frontale, na Nasale, tue Mesethmoid, ce Exethmoid. as Alisnhenoid, ps Parasphenoid,
ro Vomer. Visceraltkelet: 1. Maxillarreihe, prm Prämax illare (Intennaxülarel, ma
Maxillare; 2. Kieferbogen: Palatoquadratum: pa Palatinuro, ent Entopterygoid , cht
Ectopterygoid. wt Metapterygoid , <ju Quadratuni : Mandibulare: ar Articulare, a
Angulare, de Dentale; 3. Zungenheinbogen : hm Hyomandibulare, sy Symplecticum,
ih Tnterhvale, /*' — h* Knochen des Hyoids, ent OsEntoglossum, rbr Kadü branihio-
stegi, w Wirbel. Rothgedruekte Knoehen : ÖOperculum. lo Interonerculum, So Sub-
opcrculum , Pr Praeopereulum, inf Infraorbitalring. 1, 2. 3 Axenlinien des Lippen-
1>ogens, Kieferbogens und Zungenbeinbogens.
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494 Wirbelthier«-.
besondere (Konstanz zeichnen sieh die grossen Bclegknochen der Sehädel-
deeke (Parietalia \p]> Frontalia [fr], Nasalia (n«J) und der Schädelbasis
aus. Letztere ist fast in ganzer Länge von einein unpaaren mächtigen
Belegknochen zugedeckt, der sonst nur noch bei den Amphibien
(Fig. f>10) vorkommt und daher besondere Beachtung verlangt, von dem
Parasphenoid (ps). Der am vorderen Ende des Parasphenoid
sitzende Vomer (vo) isr ebenfalls unpaar, während bei allen übrigen
Wirbelthieren der Vomer paarig an der Spitze des Kieferbogens
angelegt wird. Unter den primären Knochen sind in ihrer Ausbildung
am constantesten die ersten, die drei Ethmoidea (ein öfters paariges Mes-
ethmoid, zwei Exethmoidea [me und ee\\ und die letzten, die vier Occi-
pitalia (Basioccipitale \oc. s.], Exoccipitale [oc. /.), Supraoccipitale [oc. b.\).
Dagegen ergeben sich Verschiedenheiten in der Gehör- und Augen-
gegend. Bei der ganz ausserordentlichen Grösse des Labyrinths sind
zahlreiche Otica vorhanden, meist (Fig. 495) fünf (drei obere : Spheno-
ticum spho, Pterotieum pto, Epioticum epo und zwei untere : Prooticum
pro und Opisthoticum oo), seltener vier (Fig. 4Gö) in Folge Mangels des
Opisthoticum. In der Augengegend sind die Knochen des Keilbein-
körpers (Praesphenoid und Basisphenoid) selten gut entwickelt; meist
sind sie rudimentär oder fehlen ganz : sie sind nicht so wichtig wie
bei den Amnioien. da das grosse Parasphenoid der Schädelbasis ge-
nügende Festigkeit verleiht. Aehnliches gilt für die Ali- und Orbito-
sphenoidea (Fig. 465 as und os): je nachdem dieselben gut oder un-
vollkommen oder gar nicht ausgebildet sind, befindet sich am macerirten
Schädel zwischen den beiden Augen eine vollkommen knöcherne
Scheidewand (Fig. 405) oder eine mehr oder minder weit klaffende
Lücke, die Fenestra interorbitaiis (Fig. 495).
Die Beschaffenheit des Visceral. skelets steht mit dem Auf-
enthalt im Wasser im unmittelbarsten Zusammenhang. Alle Fische
haben zahlreiche Kiemenbögen (5 — 7, meistenteils 5), welche in allen
Abtheilungen im Wesentlichen gleichen Bau haben, da ihre Function
Kiemen zu tragen — die gleiche ist. Sofern sie nicht durch Rückbildung
eine Vereinfachung erfahren haben, bestehen sie jederseits aus 4 Stücken
und sind durch unpaare Copulae mit denen der anderen Seite verbunden.
Ihre oberen Enden sind häutig bezahnt und stehen dem rudimentären letz-
ten Bogen beim Kauen gegenüber, weshalb man diese ungleichwerthigen
Stücke als Ossa pharyngaea superiora und inferiora in Vergleich stellt.
— Die vorderen Visceralbögen ergeben bei den Knorpelfischen und
Knochenfischen grosse Unterschiede. Nach der Art, wie sie beim
Kauen verwendet werden, kann man Gaumen- und Kieferkauer
unterscheiden. Gaumenkauer sind die Knorpeltische (Fig. 494), weil
hier die Zähne des Palatoquadratum (Pq) (der Gaumenanlage) und
des Mandibulare iMd), also die Zähne des oberen und unteren Ab-
schnitts des Kieferbogens gegen einander wirken. Kieferkauer (Fig. 495)
sind alle Fische mit verknöchertem Skelet, weil mit der Verknöcherung
die Elemente der Maxillarreihe (Zwischenkiefer prm und Oberkiefer
nta) auftreten und die Knochen des Palatoquadratum, der Gaumen-
reihe (Pterygoidea mt, ekt, ent und Palatina pa) zurückdrängen. Dabei
werden die Maxiilaria und die Praemaxillaria die Antagonisten des
Unterkiefers (Mandibulare), wahrend die Knochen der Gaumenreihe
dem unteren Abschnitt des Zungenbeins entgegenwirken.
Ein zweiter hervorstechender Charakter der Knochenfische wird
schon hei den Knorpelfischen vorbereitet : die U in w a n d 1 u n g des
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HL Fische.
495
Hyo mandibulare zum Kieferstiel. Schon bei den Haien
(speciell den Rochen) wird die gleichmässige parallele Anordnung des
Zungenbeinbogens und des Kieferbogens aufgegeben, indem dasHyoman-
dibularc sich vom Hyoid lockert und am Kiefergelenk enger befestigt
Bei den Knochenfischen führt das dahin, dass das Hyomandibulare
das hintere Ende des Palatoquadratum, das Os quadratum vom Schädel
abdrängt und sich selbst zwischen beide Theile einschiebt, so das Kiefer-
gelenk indirect mit dem Schädel verbindend. Durch einen nur bei
den Fischen vorkommenden Knochen, das Symplecticuin (sy), wird
diese Beziehung zum Quadratbein vermittelt, während ein schwächeres
Stück, das Interhyale (ih), die Verbindung mit dem unteren Abschnitt
des Zungenbeinbogens, dem Hyoid, bewahrt
Ein letztes, nur bei einem Theil der Fische vorkommendes Merk-
mal des Visceralskelets ist die Ausbildung des Opercularapparats,
einer Anzahl knöcherner Platten und Stacheln, welche vom Zungen-
beinbogen ausgehen und sich schützend über die Kiemenbögen herüber-
legen; der Opercularapparat entsteht zum Theil im Anschluss an das
Hyomandibulare, die ansehnlichen Knochenplatten der Opercula (Fig.
495 O, Pro, So, 16), zum Theil im Anschluss an das Hyoid die Radii
branchiostegi. Die grosse Bedeutung dieser Einrichtung werden wir
erst bei der Besprechung der Kiemen kennen lernen. Sie verleihen
den Fischschädeln, bei denen sie vorkommen, ein ganz bestimmtes Ge-
präge, verdecken aber zugleich ihre Architectonik, weshalb sie
ebenso wie ein unter dem Auge hinziehender Knochenring, die Infra-
orbitalia (inf), in der Zeichnung (Fig. 495) mit rother Farbe einge-
tragen sind.
Nicht minder als das Visceralskelet wird das Skelet der Extre-Extr«au»tea.
mi täten vom Wasseraufenthalt in seiner Beschaffenheit beeinflusst
Die Fische besitzen Flossen; zum Unterschied von den Cyclostomen
haben sie die zwei paarigen, die Brust- und Bauchflossen (P. thoracicae
und abdominales), zum Unterschied von wasserbewohnenden Amphibien,
Reptilien und Säugethieren, bei denen die paarigen Extremitäten nicht
selten auch ttossenartig gestaltet sind, die drei unpaaren Flossen, die
Rücken-, Schwanz- und Afterflosse (/\ dorsalis, caudalis, analis). Nur
selten werden die Bauchflossen, wie bei den Aalen, noch seltener auch
die Brustflossen (Muraenen) rückgebildet, was dann irrthihnlich als
Verwandtschaft mit den Cyclostomen gedeutet werden könnte. — Die
Function der Flossen als Organe zum Rudern und Steuern des Fisch-
körpers und zur Erhaltung der Gleichgewichtslage bringt es mit sich,
dass sie breite, überall gut gestützte Platten sein müssen. Daher er-
klärt es sich, dass zahlreiche Skelettheile vorhanden sind, ausser den
knorpelig präformirteu Flossenstützen noch die bald hornigen, bald
knöcliernen Flossenstrahlen, dass ferner alle Theile ziemlich gleich-
förmig gestaltet und fest, wenn auch elastisch mit einander verbunden
sind. In der Flosse selbst fehlen die Gelenke, sie sind nur an der
Basis nöthig und auch hier allein ausgebildet, da wo die Flosse gegen
die Körperoberfläche bewegt werden soll und an den Trageapparaten
der Flosse befestigt ist. Die Trageapparate der paarigen Flossen,
der Schultcrgürtel und der Beckengürtel, sind bogenförmige Skcletstücke,
welche mit der Wirbelsäule gewöhnlich in keinem directen Zusammen-
hang stehen; dagegen ist der Schultergürtel, in welchen niemals ein
Sternum eingeschaltet ist, bei den meisten Ganoiden und Teleostiern
durch eine Reihe complicirter Knochen mit dem Schädel in der Gegend
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49<I
Wirbelthiere.
der Epiotica verbunden und nur bei den Haien frei in die Muskeln ein-
gelassen. Letzteres fjrilt für sämmtliche Fische rücksichtlich der Bauch-
flossen, welche daher ein im Fischkörper leicht verschiebbares Element
darstellen. Ihre ursprüngliche Lage ist am hinteren Ende der Leibes-
höhle (Bauchflosser, J'isces abdominale* [Fig. ">0H, f>Oö|); von hier aus
sind sie bei den P. thoracica ( Brustflosser) nach vorn bis unter die
Brustflossen verschoben (Fig. 50li): bei den J*. jugularcs (Kehlflosser)
rücken sie sogar über diese Linie hinaus vor die Brustflossen in die
Kehlgegend.
Zur Befestigung der un paaren Rücken- und Afterflossen
dienen die knorpelig prüformirten Skelettheile der Flosse, die Flossen-
stützen, welche Fl osse nt räger genannt werden, weil sie mit einem
Ende auf den Dornfortsätzen der Wirbelsäule sitzen, mit dem anderen
Ende sich an die Flossenstrahlen befestigen. Für die Bückenflosse
dienen die Processus spinosi der Ncurapophysen als Stützpunkte, für
die Analflosse die Processus spinosi der Hämapophysen ; bei der
Schwanzflosse sind die Flossenstrahlen ohne Vermittlung be-
sonderer Träger unmittelbar den dorsalen und ventralen Dornfortsätzen
aufgesetzt. In der Ausbildung der Schwanzflosse unterscheidet man ver-
schiedenerlei Zustände, welche als Di p Ii ycerkic, Heterocerkie
und Homoeerkie bezeichnet werden und systematisch sehr wichtig
sind (Fig. 10, S. i>2). Der ursprüngliche Zustand ist die Diphycer-
kic: die Wirbelsäule dringt hier gerade gestreckt in die Mitte der
Flosse ein und halbirt sie in symmetrische dorsale und ventrale Theile,
so dass ein gleich grosser Abschnitt der Flosse von ventralen und von
dorsalen Dornfortsätzen getragen wird. — Bei der Heterocerkie (B)
ist die Axe der Wirbelsäule von der Flossenbasis an ein wenig
stumpfwinklig nach aufwärts gebogen, so dass die dorsale Partie der
Flosse eingeengt wird, während die ventrale sich kräftiger entwickelt
und viel zahlreichere Flossenstrahlen erhält. Eine solche Flosse
macht äusserlich und innerlich den Eindruck grosser Asymmetrie, —
Die homocerke Flosse (//) endlich erscheint auf den ersten Blick
vollkommen symmetrisch ; sie ist aber thatsächlich im höchsten Maass
asymmetrisch. Da das Wirbelsäulenende, die unverknöcherte Chorda
(clt), fast rechtwinklig aufgebogen ist, kommt der dorsale Abschnitt
der Flosse kaum noch zur P^ntwicklung, und wird die Schwanzflosse
fast ausschliesslich vom ventralen Abschnitt gebildet, der nun meist
durch eine Einbuchtung in einen oberen und unteren Lappen abgetheilt
wird (D). Entwicklungsgeschichtlich wird übrigens auch die homocerke
Flosse diphycerk angelegt: durch Aufkrümmen des Wirbelsäulenendes
wird sie aber bald heterocerk und schliesslich homocerk.
Mu«kni«tor. Da der Aufenthalt im Wasser einfache Bedingungen der Fortbewegung
bietet, ist auch die F i s c h ni u s k u 1 a t u r sehr einfach und besteht vor-
vorwiegend aus Längsmuskeln, welche durch die Lig. iutermuscularia in
Myocommata zerlegt werden. Die Myocommata haben die Gestalt von
Kegelmänteln , welche ihre Spitzen nach vorn wenden und tütenartig in
einander gesteckt sind, so dass ein Querschnitt mehrere solcher Tuten
trifft und das Bild concentrischer Ringe liefert. Man findet ferner auf
einem Querschnitt jeder Seite zwei solcher coucentrischen Systeme, ein
dorsales und ein ventrales, da die gesammte Längsmuskulatur durch eine
laterale Einschnürung in einen dorsalen und ventralen Abschnitt zerlegt
wird. Ausser den Stammmuskeln existiren noch kleinere Muskelgruppen,
die sich an die Flossen, die Kiemenbügen, die Kiefer, Augen u. s. w. be-
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III. Fische.
407
geben, welche aber im Verhältnis« zu jener Hauptmasse einen unbedeuten-
den Abschnitt der Muskulatur ausmachen und genetisch nur abgelöste
Theile derselben sind. — Auf Umbildung von Muskeln sind auch die
elektrischen und pseudoelektrischen Organe zurückzuführen,
welche bei den verschiedensten Fischen vorkommen und bald am Rumpf,
bald am Schwanz angebracht sind. Jedes Organ besteht aus zahlreichen
vertical oder horizontal dicht neben einander gestellten Säulchen, jedes
Säulchen aus vielen nach Art der Volta'schen Säule über einander ge-
schichteten Gallertplatten (Aequivalenten der Muskelbündel) , an welche
Nerven unter Bildung besonderer Endplatten herantreten. Bei den Schlägen,
die selbst grosse Säugethiere lähmen können, wirkt das Nervenende elektro-
negativ.
Das Fischhirn (Fig. 490, 497) bekundet die niedere Organisation Hjr». und
der Classe vornehmlich durch die geringe Entwicklung der Grosshirnrinde.
Namentlich gilt dies für die
KnochenfiscJie (Fig. 496 YH), bei
denen man an Stelle der Grosshirn-
rinde eine dünne Epithelschicht
vorfindet (Palt): was man früher
kurzweg hier Grosshirn nannte,
sind nur die basalen Abschnitte,
die Corpora striata der
menschlichen Anatomie (HO). Sehr
ansehnlich sind die zu selbständi-
gen Abschnitten gewordenen L o b i
olfactorii (Lol i die entweder
dem Grosshirn dicht anliegen
(die meisten TcUostier) oder durch
einen Zwischenraum getrennt und
mit ihm in Folge dessen durch
einen Tractus olfaclorius verbun-
den sind (Fig. 497 h). Die Tha-
lami optici des Zwischenhirns
sind klein (Fig. 497 <*), da-
gegen finden sich an seiner Basis
2 lür die Fische charakteristische
Anschwellungen, die Lobi infe-
riores, und dazwischen der Sac-
culus vasculosus. Sehr stark
entwickelt ist auch das zweige- Fig. 41)7. iura von ocy
theilte Mittelhim (MH) und der <>» Gerud,ska.>scln (o) ; h Btdbtu und Trac-
r\am vv onf.n,„nu.,ia TUii tu* olfactonus, « Gl
Fig. 4t>»>.
Fig. 497.
Fig. 490. Hirn der Forrfle. I Nervus
olfactorius, Lot Lobas olfactorius, F//Vnrder-
hirn (Grosshirn), HO ('orj>ora striata, Poll
Pallium dos Grosshirns, zum jrrössten Theil
abgetragen , ÖP Kpiphysis , .1/// Mittelhirn
(Cor|Kira quadrigeminn), ////Hinterhirn (Cere-
beUom), Ml Nachhirn (Mednlla oblongata),
1—XII die Hirnnorven (nach Wiedereheim).
Hirn von Sct/Ilium catulu* mit
ac-
dem Wurm entsprechende Theil SS 0,,ll"0"u"' \', ^S^^ t Zwi<*hcnl?irn
i ttV • i • l ' _~ (1h. optici), r Mittelhirn |< onmra quadnge-
des Kleinhirns (HH). miimi, h Hinterhirn (Cerebellum), « Xarhhirn
Die Nase besteht aus 2 prae- (Mednlla oblongata) (aus Gegenbaur).
oralen Grübchen, die zur Mund-
höhle meist in keinerlei Beziehungen stehen; dagegen wird durch eino
Hautbrücke die Mündung des Grübchens in einen äusseren und inneren
Theil zerlegt. Eine Ausnahme machen nur viele Selachier und die Di-
jmeusten\ bei ersteren erstreckt sich jederseits eine von Falten überdeckte
Furche durch die Lippen hindurch (Fig. 504) ; bei letzteren findet sich ein
Nasengaumengang. — Das Auge der Fische hat mehrere Eigentüm-
lichkeiten; die Linse ist auffallend stark gewölbt und besitzt fast die
Gestalt einer Kugel, eine Einrichtung, welche dadurch nöthig wird, das«
H e r t w I g , Lehrbuch der Zoologie, 3. Aull»»*. 32
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498
Wirbelthiere.
der optische Effect der Cornea bei der zwischen Wasser und Gewebe be-
stehenden geringen Brechungsdifferenz viel kleiner ausfallt als bei land-
bewohnenden Wirbelthieren. Zweitens findet sich häufig der Processus
falciformis, ein sichelförmiger Fortsatz der Chorioidea, welcher durch
die Retina hindurch in den Glaskörper eindringt und vom Opticuseintritt
bis zur Linse reicht, wo er zur Campanula Halleri anschwillt. Bei den
KnocJienßschen liegt neben der Eiotrittsstelle des N. opticus ein rätsel-
haftes Organ , die Chorioidealdrüse, welche vornehmlich aus Blut-
gefässen (Wundernetz) besteht. Weit verbreitete, aber nicht constante
Vorkommnisse sind Verknöcherungen und Verknorpelungen der Sclera.
Bewegliche Augenlider sind gar nicht vorhanden oder ganz schwach an-
gedeutet ; nur bei gewissen Selachicrn findet sich eine Nickhaut. — Ent-
sprechend der grossen Ausdehnung der Gohörkapsel und der in ihr
sich entwickelnden und früher schon erwähnten Knochen, der Otica, ist
auch das Gehörorgan der Fische, das Labyrinth, von einer Grösse wie
bei keinem anderen Wirbelthiere: Sacculus und Utricnlus (Fig. 487 S u. V)
beginnen sich von einander durch eine Einschnürung zu trennen ; am Sac-
culus bereitet eine Aussackung, die Lagena, schon die Anlage der Schnecke
vor; am Utriculus hat sich zu den zwei schon bei Pelromyxon vorhan-
denen halbkreisförmigen Canälen noch ein dritter hinzugesellt. Im Laby-
rinth finden sich zwei Hörsteine, Asteriscus und Sagitta genannt, von denen
namentlich ersterer auffallend gross ist.
Von allen Sinnesorganen am merkwürdigsten sind die Sinnesorgane
der Haut; speciell sind die Organe der Seitenlinien Gebilde, welche
nirgends so gut entwickelt sind wie bei den Fischen und überhaupt sonst
nur noch bei Cyclostomen und wasserbewohnenden Amphibien oder im-
phibkn- Larven vorkommen. Bei allen Fischen erstreckt sich auf jeder
Seite des Körpers eine deutliche Längslinie (Fig. 506 <SZ), die an der
Schwanzspitze beginnt und am Kopf in mehrere gewundene Linien aus-
geht. Veranlasst ist die Zeichnung durch eine Längsrinne oder einen in
den Schuppen verlaufenden Längscanal , der sich durch zahlreiche die
Schuppen durchbohrende ('anale nach aussen öffnet. An dem Röhren-
system verästelt sich ausser Zweigen des Trigeminus, Facialis und Glosso-
pharyngaeus vor Allem ein starker Ast des Nervus vagus, der N.
lateralis, welcher vom Kopf bis an die Basis der Schwanzflosse reicht und
mit seinen feinsten Endzweigen besondere Sinnesorgane, die Nervenhügel,
versorgt, Dieselben Nervenhügel können sich auch an anderen Stellen
in Vertiefungen der Haut, den Ampullen, vorfinden. Ihre Function ist
vollkommen räthselhaft, da bei Siiugcthicren und Menschen nichts Aehnliches
vorkommt. Die Beschränkung der Sinnesorgane auf Wasserbewobner macht
es wahrscheinlich, dass sie in irgend welcher Weise das Thier über die
Beschaffenheit des Wassers orientiren sollen. — Ueber die Nervenend-
knospen, welche ausserdem in der Fischhaut, speciell an den Barteln und
Lippen vorkommen, wurde schon früher bemerkt, dass sie zu den Geruchs-
und Geschmacksorganen überleiten (Fig. 452).
n.nn. Viel wichtiger als die bisher besprochenen animalen Organe sind
für die Systematik der Fische die vegetativen Organe, vor Allem
Darm, Kiemen und Herz. Der Darm ist nur im Bereich der zu einem
einheitlichen Raum vereinten Mund- und Rachenhöhle geräumig; von
da verjüngt er sich zu einem verhiiltnissmüssig wenig in Windungen
gelegten Rohr, an welchem Oesophagus, Magen, Dünn- und Dickdarm
nicht sehr scharf gegen einander abgesetzt und auch durch Dicke nur
unbedeutend unterschieden sind. Mund- und Rachenhöhle sind in ganz
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III. Fische.
45)9
auffallender Weise bezahnt. Bei den Knochenfischen können fast alle
Knochen der Schädelbasis und des Visceralskelets bei manchen
Arten diese, bei andern jene — mit gewöhnlich hechelförmigen, an-
gewachsenen Zähnen bedeckt sein. Bei den Haien sind die der Schleim-
haut eingepflanzten Zähne meist auf Palatoquadratum und Mandibulare
beschränkt, aber in vielen Reihen hinter einander gestellt. In beiden
Fällen besteht ein unbegrenzter Zahnersatz, da namentlich die nur in der
Schleimhaut befestigten Zähne leicht ausfallen. Leber und Milz sind
stets vorhanden, eine Gallenblase und ein Pancreas meistens.
Systematisch wichtige Unterschiede treten in der Beschaffenheit
des Dünndarms und des Pharynx hervor. Bei vielen Fischen (Fig. 498 ß)
sind am Pylorus ( ;>), am Uebergang von
Magen (v) und Dünndarm (i), dickwan-
dige Blindsäcke, die Appen die es py-
loricae(ap) vorhanden; andere Fische
haben dagegen die Spiral klappe (Fig.
4!>S A vs), eine Schleimhautfalte, welche
wendeltreppenartig auf der Innenseite
des Dünndarms herabsteigt. Selten kom-
men beide Einrichtungen gleichzeitig
neben einander vor.
Die Unterschiede in der Pharyngeal-
region werden durch das Verhalten der Kiemen.
Kiemen veranlasst (Fig. 400), deren man
2 Arten: Bedeckte Kiemen (A) und
Fig. 498. Dann A von Sqitatiua K a m in k i e in e n (B) unterscheidet. Bei
vulgaris, Ii von Trachinu* radiatm beiden beginnen die zwischen zwei Kie-
KÄ^Äfr »7»,ftgen W .plegenf Kiemengänge
ledochn*; Spiralklappe, - End- auf der Darmseite mit den inneren Spal-
darm, r Anhang desselben, dp Ende ten iis)\ ihre Mündungen nach aussen
dos Schwimmblasengangs, ap Appen- /eigen jedoch verschiedenes Verhalten,
die« pyloricae, » Dünndarm. ßei (len bedeckten Kiemen (A) sind die
jederseits in einer Reihe hinter einander
liegenden äusseren Kiemenspalten (as) durch breite Hautbrücken
getrennt, welche keinen Einblick in die Kiemengänge gestatten und
die Kiemenblättchen ganz verdecken (Fig. ;V)3). Letztere sind blut-
gefässreiche, rothe, lanzettförmige Schleimhautfalten, welche in der
Richtung des Kiemenganges in dessen vorderer und hinterer Wand
verlaufen. Mit Ausnahme des letzten trägt jeder Kiemenbogen, wie
der Querschnitt (Fig. 409 A u. ö(X)) zeigt, 2 Reihen Kiemenblättchen,
welche verschiedenen Kiemenspalten angehören und abgesehen von
den Hautbrücken noch weiterhin durch Gewebe (die knorpeligen
Kiemenradien) von einander getrennt werden. Bei den Kamm-
kiemen (B) fehlen die Hautbrücken, und auch das trennende Zwischen-
gewebe ist je nach den Arten mehr oder minder vollständig geschwunden :
die Kiemenblättchen, die auf einem gemeinsamen Kiemenbogen sitzen,
rücken daher zusammen : ihre Enden ragen wie Zinken eines zwei-
reihigen Kammes (daher der Name) frei in das Wasser und würden
hei dem Mangel schützender Hautbrücken und bei ihrer ausserordent-
lichen Weichheit der Gefahr folgenschwerer Verletzungen ausgesetzt
sein, wenn sie nicht durch eine neue Schutzvorrichtung, den Oper-
c u 1 a r a p p a r a t , gesichert würden. Der Opercularapparat ist eine
Hautfalte, die vom Zungenbeinbogen ausgeht und sich über die Kiemen*
32*
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Fig. 499. Der Kiemcndanu eine« Haie« (A) und einet» Teleoptiers (Bf durch
Entfernen de* Schädels fn-ip N-tri. jedesmal auf der linken Seite die Kienienregion
horizontal durchschnitten , A Zyjraena malleus. BGadus aeglefinus. Pq Palatoqua-
dratum. a vorder«' IJefcstiguntr am Schädel, »k Unterkiefer, m Mund, prm Präniaxil-
lare. tna Maxillare, pa Palatinum , hm llyoinandihularc , is innere Kiemensnalten.
us :iu>-« re Kienieiispalten, ups Kictneiulcckclspalt , // Hautbrücken . h KieineiiDogen
W1 vordere, 6i* hintere Kienienblättchen derselben, op (,)j»ercula, * Schultergürtel, *
Zunge, phi 0*»a pharyngaea inferiora, <> ( h'xnphagxi*.
Schwimm -
blaue.
region ausbreitet: sie wird von zweierlei
Skeletstücken gestützt, den Opercula iTig.
41»o 0, So, Io, Pro), die am Hyomandibulare
ansitzen, und den Radii branchiostegi (Fig.
49ö rhr\ die vom Hyoid entspringen und die
Membrana branchiostega ausspannen. Zwi-
schen dem freien Rand des Kiemendeckels
und der Membrana branchiostega einerseits
und der Hautoberfläche andererseits findet sich
der Kiemendeckelspalt (Fig. 500 B. ops), der
mit den äusseren Kiemenspalten selbstver-
ständlich nicht identisch ist, sondern in einen
Vorraum fährt, in den die Kiemenspalten
münden. Dem Gesagten zufolge sind Oper-
cularapparat und Kammkiemen Bildungen, die
in ursächlichem Zusammenhang stehen und
stets gleichzeitig vorkommen.
Neben den Kiemen findet sieh im Körper
der Fische auch noch das Homologon der
Lunge, die nur den Haien und einigen
Knochenfischen constant fehlende Schwitntn-
Fig. 500. Querschnitte
durch Kiemen bögen und
Kiemen von Zyjraena (recht*)
und Gadus (links) etwas ver-
grössert. b Kiemenbögen, *
/ahne, a Arterie, r Vene, W
vonlere. /</' hinten' Kiemen-
blättchen, r Knorpelradius,
h Hautbrücke.
III. Fische.
501
blase. Sie ist ein öfters sanduhrförmig eingeschnürter, von Gasen
prall gefüllter Sack mit einem Ausführweg , dem Ductus pneu-
maticus, der zum Oesophagus führt (Physostomen), bei vielen aus-
gebildeten Fischen freilich {Physoclisten) durch Rückbildung verloren
gegangen ist. Die Schwimmblase dient selten(bei den Dipneusten
und einigen Ganoiden: Lepidosteus und Amin) zur Athmung, meist
ist sie ein hydrostatischer Apparat: wird ihr Luftinhalt zusammen-
gedrückt, so wird der Fisch specifisch schwerer und sinkt in die
Tiefe; umgekehrt steigt er beim Nachlassen des Drucks in die
Höhe. Wird die Schwimmblase hierdurch dem Fische von Nutzen, so
kann sie ihm auf der anderen Seite auch verderblich werden, wenn er
aus grossen Tiefen plötzlich gewaltsam in die Höhe gezogen wird.
Dann kann das sich ausdehnende Gas nicht nur die Schwimmblase
sprengen, sondern auch die Bauchdecken trommelartig auftreiben und
sogar die Eingeweide zur Mundhöhle hervorpressen (Trommelsucht).
Fische ohne Schwimmblasengang werden der Gefahr der Trommelsucht
mehr ausgesetzt sein als Fische, bei denen der Schwimmblasengang
wenigstens ein allmähliges Ausströmen der Luft gestattet.
Unmittelbar hinter der Kiemenregion liegt das Herz (Fig. 501 Ä),
eingebettet in das Pericard und gegen Verletzung von aussen geschützt
durch den von links und rechts zusammenschliessenden Schultergürtel.
Ueberall besteht es aus
"Kammer (v) und Vorkammer
(«), welche durch zwei, das
Rückstauen des Blutes ver-
hindernde Klappen von ein-
ander getrennt werden ;
ferner giebt es überall
durch den Truncus aortae
das Blut an die Kiemen ab
und empfängt dasselbe aus
einem dünnwandigen Sack,
dem Venensinus (s), in den
die durch Vereinigung der
Cardinal- und Jugularvenen
entstandenen Ductus Cu-
vieri münden. (Vergl. auch
Seite 90 Fig. 62). Dagegen
ergeben sich Unterschiede
in der Ausbildung zweier,
für die Systematik der
Fische sehr wichtiger Ab-
schnitte, des Conus arteriosus und des Bulbus arteriosus. Conusund
Bulbus arteriosus schliessen sich im Allgemeinen in ihrem Vor-
kommen aus; beide sind muskulöse Hilfsorgane, von denen das erste
aus dem Herzen, das zweite aus der Aorta hervorgeht'; demgemäss
besteht der Conus aus quergestreiften, der Bulbus aus glatten Muskel-
fasern. Das Ende des Herzens gegen die Arterie wird durch die
Region der Semilunarklappen bezeichnet, welche ebenso wie die Atrio-
ventricularklappen das Zurückstauen des Blutes verhindern. Hat sich
diese Region unter grosser Vermehrung der Klappenreihen verlängert
und mit Muskeln bedeckt, so entsteht der Conus arteriosus (Fig.
501 Ak), während der Bulbus arteriosus (Fig. 501 Cb) eine mus-
Fig. 501. Verschiedene Herzfornien der Fische
im Sagittalschnitt halbschematiseh dargestellt. A
Herzform der Haie und der meisten Ganoiden,
B von Amia, 0 eines Knochenfisches, s Venen-
sinus, o Vorhof, v Kammer, c Conus arteriosus, k
Klappen desselben, t Truncus aortae, b Bulbus arte-
riosus (nach Boas).
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Wirbelthiere.
culöse Anschwellung jenseits dieser
Stelle im Verlauf der Aorta ascen-
dens ist — Die Verbindung von
Aorta ascendens und descendens
wird bei jungen Fischen durch
direct aufsteigende Kiemenarterien
vermittelt (Fig. 502), später durch
die complicirten Nebenschliessungen
des Kiemenkreislaufs. Man kann
dann zuführende Arterien, respira-
torische Kiemencapillaren und
rückführende Venen unterscheiden,
welch letztere sich zur Aorta de-
scendens vereinen (Fig. 62) und
auch die grossen Kopfarterien
(Carotiden) abgeben.
Von allen vegetativen Organen
liegen nur die Nieren ausser-
^y**'1, halb der Leibeshöhle als zwei blutgefässreiche, rothbraune Organe,
welche links und rechts von der Wirbelsäule von der Herzgegend bis
zum After reichen. Die Nierengänge münden hinter dem Darm oder
in dessen Rückwand und sind öfters mit Ausweitungen versehen,
die nach ihrer Function Harnblasen genannt werden, morphologisch
sich aber durchaus von der vor dem I>#mu angebrachten Harnblase
der höheren Wirbelthiere unterscheiden. In der Leibeshöhle liegen
an besonderen Aufhängebändern (Mesorchien, Mesovarien) befestigt
die grossen Geschlechtsdrüsen, welche bei der Mehrzahl paarig, bei
einer Minderzahl unpaar sind. Ihre Producte werden nur bei einem
Theil der Fische (Ganoiden und Selachier) durch Abschnitte des Uro-
genitalsystems entleert, sonst durch Pori abdominales oder eigene
Ausführwege.
Systematik. Cuvier thoilte die Fische nach der Structur des
Skelets in Knorpel- und KnochenfiscJie. Indessen hat es sich herausgestellt,
dass durch diese Namen genügend nur 2 Extreme, die Selachier und Tele-
ostier, unterschieden werden, dass zwischen diesen eine Gruppe besteht,
die wie im Skelet so auch im Bau der übrigen Organe die Mitte hält
A gassiz nannte die Mittelgruppe Ganoiden nach dem Bau ihrer Schuppen.
Weitere Untersuchungen ergaben, dass dieses allerdings wichtige Merkmal
nicht bei allen „Ganoiden" zutrifft, und so blieb es Job. Müller vor-
behalten, die Gruppe auf breiter, anatomischer Basis neu zu charak-
terisiren und neu zu umgrenzen; er fügte auch die Dipneusten der Fisch-
classe ein.
L Ordnung. Elaamobranchier, Plagioatomen, Selachier.
Die Selachier — die haiartigen Fische genannt, da zu ihnen die
gefürchteten Menschenhaie gehören — bilden eine fast ausschliesslich
marine Gruppe von ca. 0,5 — 20 m langen Fischen, die vorwiegend von
anderen Wirbelthieren leben und sich durch grosse Gefrässigkeit und
Raubgier auszeichnen. Bald schlank gebaut wie die Haie im engeren
Sinne (Fig. 503), bald dorsoventral abgeplattet wie die Rochen (Fig.
504), stimmen sie in der allgemeinen Körperform insofern unter ein-
ander überein, als der Kopf sich nach vorn in einen schnabelartigen
ff
Fig. 502. Kopf eines Knochenfisch-
embryoe mit der Anlage de« Gefässavstems
(Schema aus Gegenbaur). de Ductus
Cuvieri (aus Vereinigungen von vorderen
Jugular- und hinteren Cardinalvenen ent-
standen), sv Sinus venosus , o Vorhof, v
Kammer des Herzens , abr aufsteigende
Aorta mit davon abgehenden Arterien-
bögen, ad absteigende Aorta, c' Carotis
(Kopfarterie), * Kiemenspalten, n Nasen-
grube.
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III. Fische: Selachier.
503
Fortsatz verlängert, der wie ein Wellenbrecher wirkt und von einem
Knorpelvorsprung des Schädels, dem Rostrum, gestützt wird (Fig.
494 Ii). Der Mund liegt unterhalb des Rostrum ziemlich weit vom
vorderen Ende entfernt auf der ventralen Seite und ist eine quere
Spalte, welche den Namen „Vlagiostomen" (Quermäuler) veranlasst hat
Seine Lage bringt es mit sich, dass die Haie von unten an ihre Beute
heranschwimmen und sich auf den Rücken werfen müssen, um mit
den Zähnen fassen zu können. Der Schwanz trägt eine h ete r oc er ke
Flosse oder ist in einen langen Faden ausgezogen. Die Haut
ist meist festgepanzert von den dicht aneinander gefügten , rhom-
bischen Placoidschuppen (Fig. 493 4 ), die vielfach so fein sind,
dass man die „chagrinartige" Haut zum Poliren benutzen kann. Sel-
tener sind grössere Schuppen, die dann mit ihren Stacheln über die
Körperoberfläche hervorragen und schon durch ihre Gestalt den
Namen „Hautzähne" rechtfertigen. Das innereSkelet ist knor-
pelig, oft aber von einer dünnen, verkalkten Kruste tiberzogen, welche
sich auch in das Innere der Wirbelkörper hinein erstrecken kann. Da
echte Knochen fehlen, haben die Selachier keine Oberkiefer, sondern
kauen mit dem Palatoquadratum (Gauraenkauer, vergl.S. 494); die
amphicoelen, den Holocephalen noch fehlenden Wirbelkörper tragen
ausser den oberen Bögen und den sehr kleinen Rippen noch die Inter-
calaria (Fig. 494 ic).
Die Zahl der Kiemenbögen und Kiemen spalten schwankt
zwischen 5 und 7, wobei als erste Kiemenspalte die Spalte zwischen
Zungenbeinbogen und erstem Kiemenbögen angesehen wird. Ausser-
dem führt bei vielen Selachiern noch ein Canal zwischen Kieferbogen
und Zungenbeinbogen von der Haut in den Rachen, das Spritz loch,
welches im Innern blutgefässreiches Gewebe, eine Pseudobranchie,
enthält und jedenfalls der Rest einer ehemaligen Kiemenspalte ist
(Fig. 503 Spl). Da zwischen den äusseren Kiemenspalten die Haut-
brücken erhalten sind (bedeckt e Ki einen, Elasm o branchier
[Fig. 499, 5001), trägt der Zungenbeinbogen keinen Opercular-
apparat, wohl aber eine Reihe von Kiemenblättchen.
Aus der Anatomie der Eingeweide sind folgende Punkte zum
Unterschied von anderen Fischen (Teleostiern) wichtig: 1) Das Herz
(Fig. 501 A) hat einen langen Conus arteriosus mit vielen Klappen-
reihen übereinander, dagegen fehlt der Bulbus. 2> Der Darm (Fig. 4984)
besitzt eine Spiralklappe, dagegen weder Appendices pyloricaet
noch Schwimmblase. 3) Die Entleerung der Geschlechts-
organe erfolgt durch das Nierensystem. Die Eier gelangen
durch Platzen der Follikel aus dem ab und zu nur einseitig entwickel-
ten Ovarium in die Leibeshöhle und von da durch die un paare Tube
und die stets paarigen Müller'schen Gänge nach aussen. Die Sperma-
tozoon dagegen benutzen den oberen Theil der Niere.
Die männlichen Selachier unterscheiden sich äusserlich von den Weib-
chen dadurch, dass Theile der Bauchflossen besonders kräftig entwickelt
sind und zur Begattung benutzt werden (Fig. 504 c). Die grossen, dotter-
reichen Eier werden daher schon in den Eileitern befruchtet und entwickeln
sich meist in uterusartigen Erweiterungen derselben. Die Embryonen,
deren Kiemenblättchen sich zu langen, aus den Spalten vorragenden Büscheln
verlängern (Fig. 486 k), ernähren sich von der im Dottersack enthaltenen
Masse; nur bei Mustelus und CarcJiarias kommt es, was schon Aristoteles
wusste, aber erst in diesem Jahrhundert J. Müller neu bestätigt hat, zur
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504
Wirbelthiere.
Bildung einer Placenta, welche sich von der Placenta der Säugeihkre (vergl.
8. 560) dadurch unterscheidet, dass die Gefässe, welche in die reichlich
vascularisirte Wund des Uterus eindringen und Nahrung aus dem Blut
der Mutter saugen, vom Dottersack, nicht wie bei den Säugethieren
von der Allantois geliefert werden. Ausser lebendig gebärenden Selachiern
giebt es auch eierlegende; bei diesen werden die Eidotter ähnlich wie bei
Vögeln von einer Eiweisshülle und einer Schale umgeben, nur dass
letztere eine hornige Beschaffenheit hat, meist in 4 Ecken ausgezogen und
oft mit Fäden zur Befestigung des Eies an Wasserpflanzen, Steinen etc.
versehen ist.
I. Unterordnung. Squaliden. Die Squaliden (Fig. 503) haben einen
drehrunden schlanken Körper mit freibeweglichen Brustflossen und deutlich
heterocerker Schwanzflosse und sind dementsprechend gewandte Schwimmer,
die ihre grosse Schnelligkeit und Körperkraft benutzen, um andere Wirbel-
thiere, vor Allem Knochenfische und Walfische zu erjagen. Palatoquadrat
und Mandibulare sind zu diesem Zweck mit vielen grossen, zugespitzten
Zähnen mit messerscharfen oder gesägten Kanten ausgerüstet. Auf der
Kante des Kieferbogens stehen die grössten Zähne; dahinter folgen revolver-
artig viele Reihen, allmählig heranwachsender Ersatzzähne. Selten sind
die Zähne stumpf und nur geeignet, Molluskenschalen zu zertrümmern. Die
Kiemenspalton liegen seitlich.
Fig. 503. Acanthias vulgaris (naeh Claus), .V Nase, Spl Spritzloch, Ii vordere
Rückenflosse mit Stachel, Br hintere Rückenflosse, 6' heterocerke Schwanzflosse, Ks
Kiemenspaltcn. Br Brustflosse, Ii Bauchflosse.
Je nachdem sich 1 oder 2 Rückenflossen vorfinden, am Auge eine
Nickhaut und hinter dem Kieferbogen ein Spritzloch vorhanden ist, werden
zahlreiche Familien unterschieden. Besondere Erwähnung verdienen: 1) Gar-
chariden (wegen der Nickhaut auch die Xictitantes genannt), die berüch-
tigten 4 — 5 m langen Menschenhaie, deren verbreitetste Art der Car-
charias glaueus Rond. ist; naho verwandt der Hammerhai, Zygama malkws
Risso. 2) Lamnülen} Riesenhaie, welche in der nordischen Seladie maxima
Cuv. die Länge von 10 m, in dem tropischen Carcliarodon Ronddeti M. H.
die Länge von 13 m erreichen. 3) lÜiinodontiden, wahrscheinlich pflanzen-
fressend, Rli. tgpicus Smith 15—20 m lang. 4) Notidaniden mit 6 — 7 Kiemen-
spalten, Hcjrnnchus griseus Cuv., Hrptanciius cinereius Cuv. 5) Spinaciden,
Dornhaie, Acanthias vulgaris Risso (Fig. 503), der verbreitetste Hai.
6) Squatiniden, welche durch Verlängerung der Vorderflossen nach dem
Rostrum hin den Uebergang zu den Rochen bilden. Stpiaiina angelus L.
II. Unterordnung. Rujidcn, Rocfien. Bei den Rochen (.Fig. 504) ist
der Körper selbst schon dorsoventral abgeplattet und daher blattartig,
ausserdem aber noch dadurch seitlich verbreitert, dass die Brustflossen sich
halbmondförmig nach vorn und hinten ausgedehnt haben und mit dem
Körper verschmolzen sind. Die vorderen Reihen der knorpeligen Flossen-
stützun reichen meist bis an oder vor das Rostrum, mit welchem sie dann
verbunden sind, die hinteren häufig bis an den Beckengürtel. Da somit
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III. Fische: Ganoiden.
im
die gewaltigen Brustflossen (Br) ganz wie Seitentheile der rhombischen
Körperscheibe aussehen, scheinen sie bei oberflächlicher Untersuchung zu
fehlen. Die Thiere schwimmen durch
undulirende Bewegungen der Brust-
flossen, liegen aber meist ruhig mit
der Bauchseite auf dem Boden
Bauch und Rücken sind daher durch
Farbe unterschieden, ausserdem da-
durch, dass auf dem Rücken Augen
und Spritzlöcher liegen , auf der
Bauchseite dagegen Mund,
Nasenöffnungen und Kiemen-
spalten. Dio Zähne sind meist
Mahlzähne zum Zertrümmern von
Molluskenschalen.
1) Pristiden (Sqtiatinorajidcn)
haben zwar ventral gelagerte Kie-
menspalten , sonst aber noch die
Körpergestalt, Lebensweise und die
freien Brustflossen der Haie. Die
z. Th. viele Meter langen Thiere
haben ihren deutschen Namen „Säge-
fische" von der bis zu 2 Meter
langen Säge, dem verlängerten, mit
eingekeilten Zähnen versehenen Ro-
strum, mit dem sie Walfische har-
puniren. iVisfis antiquorum Lath.
2) Bajiden, Rochen im engeren Sinne,
sind die typischen Vertreter der Ab-
theilung. Ifaja clavata L., Nagelrochen,
Schwanz mit zahlreichen stark ent-
wickelten Hautzähnen. Eaja batis L.
Fig. ">fU. Männchen von Kaja batis
von der Bauchseite inaeh Möbius und
Heinckc). Ii Rostrun), it Niueugruhe durch
eine Rinne mit dein Mund (m) verbunden,
kx KienieiiKpalten, a After, Iir Brustflosse,
R Bauchf losse, c abgelöster Theil derselben
zur Begattung dienend.
(Fig. 504). 3) Torpediniden, Zitter-
rochen, Rochen mit nackter Haut, ausgerüstet mit einem electrischen Organ.
Dasselbe liegt jederseits zwischen den Visceralbögen und dem Extrem i-
tätenskelet als ein nierenförmiger Körper, gebildet von zahlreichen dorso-
ventral aufsteigenden Säulchen. Torpedo marmoraia Risso.
III. Unterordnung. Holocephalcn. Von den typischen Selachiern weichen
die Holocephalen oder Meerkatzen nach drei Richtungen ab. Das Palato-
quadratum, welches wenige meisselartige Zähne trägt, ist in der bei Am-
phibien vorkommenden Weise mit dem Schädel untrennbar verwachsen und
dient an Stelle des Hyomandibulare als Kieferstiel. Zweitens hat sich als
erste Anlage eines Opercularapparats eine zarte Hautfalte vom Zungenbein-
bogen aus entwickelt und über die Kiemenspalten hinübergelegt; in Folge
dessen sind die Kiemenspalten verdeckt und äusserlich nur ein Kiemen-
deckelspalt sichtbar; ferner sind die Kiemen zu Kammkicmen geworden.
Drittens fehlen noch die Wirbelkörper. Placoidschuppen sind nur in
spärlicher Zahl besonders bei jungen Thiereu vorhanden. Der bekannteste
Repräsentant, Chimaera monstrom L., verdient den Speciesnamen vermöge
des auffallend grossen Kopfes, von dem aus der Körper sich allmählig in
einen feinen Schwanzfaden verjüngt.
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506
Wirbelthiere.
II. Ordnung. Ganoiden.
Die Ganoiden bilden eine Uebergangsgruppe, in welcher Charak-
tere der Selachier und Tchostier in merkwürdiger Weise gemischt sind.
Der Darm besitzt die Spiralklappe der Haie, ausserdem aber eine
Schwimmblase mit Schwimmblasengang und die Appendices
pyloricae der Teleostkr. Selachierähnlich ist das Herz, insofern es
einen mit vielen Klappenreihen ausgerüsteten Conus arteriosus
hat (Fig. 501 A u. B), während die Beschaffenheit der Respirations-
organe wieder an die Teleostier erinnert. Die fünf Kiemenbogen tragen
mit Ausnahme des letzten Kiemen, welche echte, von dem Oper-
cularapparat des Zungenbeins geschützte Kammkiemen
sind. Mit der Bildung des Opercularapparats hat der Zungenbein-
bogen seine respiratorische Function noch nicht überall verloren, in-
dem er bei Stören und Lepidosteus eine „Kiemen decke Ikieme"
trägt ; vielfach findet sich auch noch ein Spritzloch. — Das Skelet ist in
gewissen Theilen stets verknöchert: grosse Belegknochen liegen auf
dem Schultergürtel, auf der Decke und an der Basis des Schädels
(Parasphenoid !) ; auch die Hornfäden der Flossen sind in knöcherne
Flossenstrahlen verwandelt Im Uebrigen schwankt das Skelet zwischen
zwei Extremen, einerseits äusserst primitiver, knorpeliger Beschaffen-
heit, andererseits ganz aussergewöhnlichen Graden der Verknöcherung.
Für den Systematiker wäre es wichtig, Merkmale ausfindig zu machen,
welche nur den Ganoiden zukommen und zugleich für sämmtliche
Arten gelten. Für die von Agassiz betonten Ganoidschuppen
(Fig. 493, 3) trifft diese Voraussetzung nicht zu, da die Störe voll-
kommen ganoinfreie Knochenplatten, die Löffelstöre überhaupt kein
Hautskelet oder nur minimale Verknöcherungen haben. Viele lebende
Ganoiden und auch die meisten fossilen besitzen Fulcra, Knochen-
plättchen mit gegabelten Enden, die dachziegelartig in einer Reihe
hinter einander den Vorderrand der Flossen decken und ihm grössere
Festigkeit verleihen (Fig. 10 B) ; dieselben sind aber ebenfalls nicht allge-
mein verbreitet und fehlen z. B. bei Polypterus und Amin (Fig. 10 A u. C).
Die wenigen recenten Ganoiden zerfallen in zwei scharf unterschiedene
Gruppen, von denen die eine den SelacJiiern, die andere den Teleostiern
näher steht. Nach der Beschaffenheit des Skelets hat sie J. Müller als
Knorpelganoiden und Knochcnganoidm gegenüber gestellt. Da unter den
fossilen Formen Verwandte der Knochenganoiden mit gänzlich unver-
knöcherter Wirbelsäule vorkommen, hat sich die Wahl der Namen als un-
zweckmässig herausgestellt; der Gegensatz beider Gruppen muss jedoch
nach wie vor aufrecht erhalten werden.
I. Unterordnung. Cliondrostei, Knorpelganoiden. Die Knorpelganoiden
gleichen äusserlich den Haien durch die heterocerke Schwanzflosse, die
Verlängerung des Schädels zum Rostrum und die dadurch bedingte ven-
trale Lage des Mundes (Fig. 505) ; in der inneren Anatomie sind sie ihnen
ähnlich durch die starke Entwicklung des Knorpelcraniums und — mit
Ausnahme der Löffelstöre — durch den Mangel der Oberkiefer-
reihe; sie sind Gaumenkauer wie die Selachier. In der Beschaffen-
heit der Wirbelsäule sind sie sogar noch ursprünglicher als die meisten
Selachier, da die Wirbelkörper fehlen und die allerdings oft verknöchern-
den oberen und unteren Bögen , ebenso wie die reichlich entwickelten
Intercalaria der mit einer dicken Scheide versehenen Chorda direct aufsitzen
(Fig. 462).
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III. Fische: Ganoiden.
507
1) Adpenseriden , Störe, mit starker Panzerung der Haut. Acipenser
Sturio L., Stör, A. huso L.. Hausen (Schwimmblase liefert den Hausenleim),
A. ruthenus L., Sterlet (Eier liefern den besten Astrachancaviar). 2) Spatulariden,
Löffelstöre, mit nackter Haut oder winzigen sternförmigen Verknöche-
rungen, spateiförmigem, langem Rostrum, mit bezahntem Oberkiefer,
Polyodon folium Lacep. — Die früher den Stören angeschlossenen silu-
rischen und devonischen Pteraspiden und Cephalaspiden werden als Piacodermen
neuerdings zu einer besonderen Ordnung zusammengefasst.
Fig. 505. Acipenser ruthenus (nach Heckel und Kner). N Nase , M Mund, 0
Opcrculum mit Kiemendeckspalt , Br Brust- , B Bauch- , R Rücken- , A After- , 5
Schwanzflosse.
IL Unterordnung. Euganoiden (Holostei). Bei den an die Teleostier
erinnernden Ganoiden ist der Schädel ähnlich wie bei den Knochenfischen
verknöchert; es sind namentlich Oberkiefer und Zwischenkiefer vorhanden
(Kieferkaue r), das Palatoquadratum ist zurückgedrängt, die Mund-
öffnung bei mangelndem Rostrum an die Körperspitze gerückt. Der Körper
ist bedeckt von Cycloidschuppen oder typischen, rhombischen Ganoid-
schuppen, deren schön irisirende Ganoinschicht sehr gut auch an den Ver-
steinerungen zu erkennen ist. Die lebenden Formen haben sämmtlich eine
stark verknöcherte Wirbelsäule und eine diphycerke (Fig. 10 A) oder ho-
mocerke (Fig. 10 C) Schwanzflosse, während bei den fossilen Euganoiden
ausgedehnte Persistenz der Chorda und Heterocerkie sehr häufig sind.
1. Tribus. Polypteridcn, Flösselhechte, Schuppen rhombisch. Anstatt
der Radii branchiostegi breite Kehlplatten; die paarigen Flossen bestehen
aus einer beschuppten Axe und fiedrig ansitzenden Flossenstrahlen. Poly-
pterus biciiir Geoffr. im Nil, diphycerk. Nahe verwandt die paläozoischen
und mesozoischen, theils diphycerken, theils heterocerken Orossopterygier.
2. Tribus. Lepidosteiden , Schuppen ebenfalls rhombisch, Radii bran-
chiostegi vorhanden, ebenso Spritzlöcher. Lepidosteus osseus L. (Nord-
amerika). Nahe verwandt sind zahlreiche mesozoische Formen. 3. Tribus.
Amiaden, leiten zu Teleostiern über, indem die Schuppen echte Cycloid-
schuppen sind, der Conus arteriosus des Herzens rudimentär, der Bulbus
in Entwicklung begriffen ist (Fig. 501 E). Amia calva Bonap. Amerika.
Nahe verwandt sind viele fossile, besonders jurassische Fische mit zum
Theil unvollkommen verknöcherten Wirbelsäulen. — Zu den Euganoiden
sind ferner noch zahlreiche, fossile Formen zu rechnen, die den Lepido-
steiden und Polypteriden näher stehen als den Amiaden, wie z. B. die meist
paläozoischen Heterocerken,
III. Ordnung. Teleostier, Knochenfische.
Die Teleostier verdanken ihren Namen der starken Verknöche-
rung des Skelets, welche in der Rumpfregion zur Bildung
knöcherner amphicoeler, mit kräftigen Rippen ausge-
statteter Wirbel führt und dem Schädel sammt seinem Visceral-
Wirbelthiere.
skelet die früher schon besprochene, complicirte Zusammensetzung
aus zahlreichen, primären und secundären Knochen verleiht (Fig. 495.
S. 403). Die Teleostier haben wie die Knochenganoiden Ober- und
Zwischenkiefer (Kieferkauer), neben welchen auch die meisten Knochen
der Palatinreihe, des Zungenbeinbogens, der Kiemenbögen und der
Vomer Zähne tragen können. Es kommt sogar vor, dass ein Theil
der Kiemenbögen (Ossa pharyngaea infcriora der Cyprinoiden) allein
bezahnt, die Kiefer dagegen zahnlos sind. — Die Verknöcherung
führt ferner häufig zur Bildung von Gräten, meist gegabelter, ober-
halb der Rippen in den Lig. intermuscularia liegender, knöcherner
Fäden, welche sich durch ihre Gestalt sowie dadurch, dass sie nie
knorpelig präformirt sind, von Rippen unterscheiden. Endlich ver-
knöchern auch beide Theile des Flossenskelets, wobei die knorpelig
präformirten Flossenstützen, „die Carpalia bezw. Tarsalia", sehr klein
bleiben, während die den Hornfäden entsprechenden „Strahlen" fast
die ganze Breite der Flosse einnehmen. Die Strahlen sind — das ist
systematisch wichtig — entweder weich und biegsam (Weich-
strahler, Mnlacoptcrtn), oder hart und stachclartig (Acan-
thopteren); im ersteren Fall (Fig. 506 Br, A, B, Rt) bestehen sie aus
Fig. 50<». Ferra fluriatilis (aus Leunis-Ludwig). .V vordere und hintere Nasen-
öffnung, A' Kieinendcckel, Br Brust flössen, B Bauehflosscn, A After-, .s* Schwanz-,
/J, zweite Rückenflosse (vorwiegend mit weichen Flossenstriddeni , Itt erste ^Rücken-
flosse (Slaehelflohse). .SV Seitenlinie.
zahlreichen, hintereinander gereihten Knochenstückchen ; im letzteren
Fall sind die Knochenstückchen eines Strahls zu einem einzigen, festen
Stachel verwachsen (/?,) welcher — ab und zu durch giftige Drüsen
unterstützt (Scorpaenay Amphacanthe etc.) — ein wichtiges Vertheidi-
gungsmittel ist. — Die Schwanzflosse ist homocerk; das Haut-
skelet besteht aus Cycloid- oder Ctenoid schuppen (Fig. 493,
1 u. 2), seltener aus Stacheln oder ausgedehnten Knochenplatten ; aus-
nahmsweise (Conger vulgaris) fehlt jegliches Hautskelet
Der Zungenbeinbogen trägt stets die Membrana branchiostega und
den Kiemendeckel, dagegen keine Kiemendeckelkieme oder nur Rudi-
mente derselben. Die funetionirenden Kiemen, echte Kamm-
kiemen, sind auf die vier ersten Kiemenbögen beschränkt und sind
demnach jederseits vier Doppelreihen, wenn nicht eine weitere Re-
duetion auf 31/ä, 3 oder 2*/j Doppelreihen eingetreten ist. Anstatt
des Conus arteriosus des Herzens findet sich der Bulbus arteri-
ös us der Aorta; eine Spiralklappe ist im Darm nicht nachweisbar.
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III. Fische: Teleostier.
dagegen häutig App. pyloricae. Bei den meisten Teleostiern existirt
eine Schwimmblase, während der Schwimmblasengang sehr häufig
fehlt
Von allen Wirbelthieren — mit Ausnahme des Ämphhuns, der Cyclo-
stomen und vielleicht auch einiger (ianoidcn — unterscheiden sich die
Teleostier dadurch, dass die Geschlechtsproducte keinen Theil der Niere
benutzen, um nach aussen zu gelangen. Entweder werden sie durch den
Porus abdominalis entleert oder durch besondere, sackartige Canäle, die
nichts Anderes als abgekapselte Theile der Leibeshöhle sind. Eine Be-
gattung findet nur bei einigen wenigen, lebendig gebärenden Arten (Zoarces
viriparus) statt. Die Regel ist vielmehr, dass Männchen und Weibchen
zur Laichzeit, während deren sie oft besonders lebhafte Farben, manche
auch merkwürdige Hautauswüchse erhalten, zusammen schwimmen und es
dadurch ermöglichen, dass die Geschlechtsproducte gleich nach der Ent-
leerung im Wasser zusammentreffen. 80 erklären sich die colossalen
Schwärme, in denen manche Fische, wie Härintje. und Thunfische, alljährlich
zu bestimmten Zeiten ihre Laichplätze aufsuchen. Diese Verhältnisse sind
ferner der Grund, weshalb bei fast allen Knochenfischen die künstliche
Befruchtung so leicht gelingt. Durch vorsichtiges Drücken und Streichen
der Bauchdecken von vorn nach hinten entleert man in eine Schüssel
aus dem Weibchen die Eier, in eine zweite Schüssel aus dem Männchen
den Samen und mischt beide durch schonendes Umrühren. Die befruchteten
Eier werden in besondere Brutkästen in durchfliessendes Wasser gebracht
und täglich die etwa sterbenden ausgesucht und entfernt. Wenn die
jungen Fischchen aus den Eihüllen ausschlüpfen, haben sie einen ansehn-
lichen Dottersack ; bevor die letzten Reste des eingeschlossenen Dotters
resorbirt worden sind, müssen sie in das freie Wasser ausgesetzt oder ge-
füttert werden. Für die Fischzucht hat das geschilderte Verfahren
grosse Vortheile; einmal werden die Fischchen zu einer Zeit, wo sie ihren
Feinden, wie z. B. den laichfressenden Fischen, Enten etc. hilflos preis-
gegeben sind, vollkommen geschützt, zweitens können die Eier zur Zeit,
wo die Augen als dunkle Flocke sichtbar werden, leicht versandt und
benutzt werden, um dem Fischbestand entvölkerter Fischwässer wieder
aufzuhelfen.
Die Sorge für die junge Brut, wie sie bei der künstlichen Fischzucht
vom Menschen ausgeübt wird, übernehmen in seltenen Fällen die Fische
selbst, und zwar merkwürdiger Weise meistens die Männchen. Die männ-
lichen Stichlinge uud Macropodcn z. B. bauen Nester, in welche die Weib-
chen die Eier ablegen, und vertheidigen die Eier gegen alle Angriffe; die
Männchen der Lopltobrancliier (Fig. 508, Seepferdchen und Seenadeln) haben
zur Aufnahme der Eier eine Tasche auf der Bauchseite, aus der die junge
Brut nach beendeter Embryonalentwicklung ausschlüpft.
Systematik. Da ungefähr dreissigmal so viel Arten von Knochen-
fischen existiren, als Selachier und Ganoiden zusammengenommen, ist ihre
Eintheilung verwickelter. Die Gruppirung nach dem Bau der Schuppen
hat sich als unausführbar erwiesen, da Cycloid- und Ctenoidschuppen bei
nahe verwandten Fischen vorkommen. Man muss überhaupt mehrere
Merkmale zugleich berücksichtigen : ob ein Schwimmblasengang vorhanden
ist (Physosiomcri) oder fehlt (Physoclistcn), ob die Flossen weiche oder
harte Strahlen haben (Malacoptcren und Acantkcpteren), ob die Bauchflossen
abdominal (P. abdominales) oder thoracal (P. thoracic}) oder jugular (P. jugu-
lares) liegen. Dazu kommen Besonderheiten der Kiefer, der Kiemen und
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510
Wirbelthiere.
der Ossa pharyngaea inferiore, um einige kleinere Gruppen zu um-
schreiben.
I. Unterordnung. Physostomen. Das wichtigste, im Namen ausgedrückte
Merkmal der Gruppe, die Anwesenheit des Schwimmblasengangs, ist nur
durch Präparation festzustellen; vielfach lässt es im Stich, wenn die
Schwimmblase wie beim Symbranckus, einem aalartigeu Fisch, durch Rück-
bildung verloren gegangen ist. Daher ist es für die Systematik von Werth,
dass sich zwei äussorlich leicht wahrnehmbare Charaktere hinzugesellen :
abdominale Lage der Bauch flössen und weiche, gegliederte
Beschaffenheit der Flossenstrahlen. Die Physostomen verdienen
besondere Beachtung, weil mehr als zwei Drittel aller essbaren Fische,
namentlich fast alle Süsswasserfische hierher gehören.
Die bekanntesten Süsswasserfamilien sind: 1) die Oyprinoiden, C. carpio
L., Karpfen, Barbus fluviatilis Ag., Barbe, Carassius vulgaris Nilss., Karausche,
C. auraius L., Goldfisch. Tinea vulgaris Cuv., Schleie, Abramis brama L.,
Brachsen, ferner zahlreiche Weissfische. 2) Esociden ; Esox lucius L., Hecht.
3) Salmoniden oder Edelfische, leicht kenntlich an der Fettflosse, einem
dorsalen, von Fett erfüllten Hautlappen ohne Knochenstrahlen : Salmo
saivdinus L., Saibling, S. hucho L., Huchen, Trutta salar L., Lachs (zur
Fortpflanzung in die Flüsse aufsteigend, sonst im Meer), Trutta fan'o L.,
Forelle, Coregonus Waritnanni Bl., Renke, C. hicmalis Jnr., Kilch, C. ma~
raena Bl., Tliymallus vulgaris Nils., Aesche. 4) Siluroiden, Welse : SHurus
glanis L., der grösste Süsswasserteleostier Europas, Wels oder Waller.
Malapterurus elcctricus L.. Zitterwels im Nil, mit mächtigem electrischem
Organ; tropische Formen sind die mit Knochenplatten bedeckten Panzer-
welse. 5) Clupeiden, grätenreiche, marine Fische: Clupea harengus L.,
Häring. Clupea spratius L., Sprotte. Alosa vulgaris C. V., Maifisch, in die
Flüsse zur Fortpflanzung aufsteigend. Alosa pilcJiardus BL, Sardine. Durch
Rückbildung der Bauchflossen und schlangouartige Gestalt zeichnen sich
aus die Apodes: Angutlla vtdgaris L., Aal, zur Fortpflanzung in's Meer
gehend; die junge weibliche Brut kehrt in Schwärmen (Montee) zurück;
die Männchen steigen nicht weit in die Flüsse aufwärts, Gymnotus electri-
cm L., Zitteraal in Südamerika, mit grossem electrischem Organ im Schwanz.
Die Larven der Meerale (Conger) leben pelagisch und wurden früher als
Leptovephalidcn beschrieben.
II. Unterordnung. Anacanthinen. Die Anacanthinen sind ebenfalls
Weichflosser, habou aber keinen Schwimmblasengang (Pkysoclisten) ; ihre
Bauchflossen liegen vor den Brustflossen an den Kehlen (P. jugulares).
Mit wenigen Ausnahmen (Lota tmlgarvt L., Quappe) sind die Anacanthinen
marin Volkswirtschaftlich sind am wichtigsten 1) die Gadiden: Gadus mar-
rhua L., Dorsch oder Kabeljau, gesalzen Laberdan, getrocknet Stockfisch:
diu Leber liefert den Leberthran. G. aeglefinus L., Schellfisch. 2) Von
links nach rechts stark abgeplattet sind die Pleuronectiden. Die in der
Jugend symmetrischen Fische werden asymmetrisch, weil sie entweder mit
der linken oder rechten Seite des blattförmigen Körpers auf dem Boden
liegen. Die aufwärts gewandte Seite wird dunkler gefärbt; auf sie rückt
auch das Auge der unteren helleren Seite hinüber. Pleuronectes platessa L.,
Scholle. PI. flesus L., Flunder. Iütombus maximus L., Steinbutte. Hippo-
glossus vtdgaris Flem., Heilbutt. Solea vulgaris Quensel, Seezunge. Rück-
gebildete Bauchflossen haben die Ophididen: Fierasfer acus Kaup., parasi-
tisch in Holothurien.
III. Unterordnung. Pharyngognathen. Bei vielen Fischen, sowohl bei
Weichflossern wie Hartflossern, verwachsen die Ossa pharyngaea inferiora,
d. h. die letzten rudimentären Kiemenbögen zu einem unpaaren Stück. —
III. Fische: Dipneusten.
511
Weichflosser mit baucbständigen Bauchflossen sind die Scomberesociden, zu
denen ein Theil der fliegenden Fische gehört. Exocoetus exiliens L. Die
Thiere fliegen nicht, sondern steigen wahrscheinlich gegen den Wind mit
ihren mächtigen, ausgebreiteten Brustflossen wie Papierdrachen auf. — Hart-
flosser mit kehlständigen Bauchflossen sind die mit den Papageien an Bunt-
heit der Farben rivalisirenden Lippfische, Labriden. Orenilabrus pavo Brünn.
IV. Unterordnung. Acanthopteren. Die an Artenzahl umfangreichste
Gruppe der Fische, die Unterordnung der Acanthopteren, gehört zu den
Fischen ohne Schwimmblasengang ; sie haben meist brustständige Bauch-
flossen. Das wichtigste Merkmal, der Stachelcharakter der Flossenstrahlen,
betrifft nie sämmliche Flossenstrahlen ; es genügt, dass einige Strahlen der
Rücken-, After- und Bauchflosse stachelartig sind.
Unter den wenigen Süsswasser-Acanthopteren sind am bekanntesten
die Perciden: Perca fluviatilis L. (Fig. 506), der Barsch; Lucioperca Sandra
Cuv., Zander, Amaul; Gasterostcus aculeatus L., der durch den Nestbau des
Männchens bekannte Stichling. Den Perciden stehen sehr nahe die See-
barsche. Serraniden: Serranus scriba L., als Zwitter schon oben genannt.
Die Scomberiden sind die wichtigsten Essfische der Gruppe Scomber scombrus
L., die Makreele, Thynnus vulgaris Cuv. Val., der Thunfisch, der zur Laich-
zeit ähnlich den Häringen in mächtigen Schaaren an die Küste zu seinen
Laichplätzen wandert, verfolgt von dem nalfe verwandten Xiphias gladius L.,
dem Schwertfisch. Zu den Blenniidcn ghört der lebendig gebärende Zoarces
viviparus Cuv. Weitere Familien sind: Irigliden , Panzerwangen: Trigla
gunardus L., Dactylopterus volUans L., ebenfalls ein fliegender Fisch, Pedicu-
laten: Lophius piscatorius L. ; die schon gefärbten Squamij>enncs etc.
V. Unterordnung. Pledognathcn. Eine kleine Gruppe höchst eigen-
tümlicher, gedrungener Fische ist daran zu erkennen, dass die Oberkiefer
mit dem Schädel verwachsen. Einige derselben
sind mit parketartig zusammengefügten Knochen-
platten gepanzert, Sclerodermm : Ostracion quadri-
cornis L., KorTerfisch, Batistes capriscus Gmel,
andere sind mit langen Stacheln bewehrt, Gy?n-
nodonten : Diodon histrix L., Igelfisch, mit einem
weiten Kehlsack , der mit Luft gefüllt den
Fischen zum Schwimmen dient. Das Fleisch
der Thiere soll giftig sein.
VI. Unterordnung. LophobrancJiier. Der
gemeinsame Charakter dieser kleinen Gruppe
mariner, in Bau und Lebensweise sehr über-
einstimmender Thiere ist in der Beschaffen-
heit der Kiemen gegeben, deren Blättchen zu
blumenkohlartigen Knöpfen eingeschrumpft
sind. Die Männchen besitzen die Eigentüm-
lichkeit, dass sie die Eier in einem aus den
Bauchdecken sich bildonden Brutsack bewahren
(Fig. 507 b). Durch den wie ein Pferdekopf Fig. 507. Hippocampus
aussehenden Kopf und einen langen beweg- antiquorum, Männchen i aus
liehen Sehwans, mit dem sie sieh um Wasser- l^Z^Yr
pflanzen festranken, sind ausgezeichnet die Brustflosse, /? Rückenflosse.
Hippocampiden : Hippocampus antiquorum L.,
Seepferdchen (Fig. 507), durch langgestreckten Körper die Sgngnathiden :
Syngnathus actis L., die Seenadel.
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512
Wirbelthiere.
IV. Ordnung. Dipneusten.
Die Dipneusten haben noch die Gestalt echter Fische (Fig. 508),
sie sind wie Fische beschuppt und besitzen paarige Flossen,
welche von einem einfach oder doppelt gefiederten Archipterygium ge-
stützt werden. Ein einheitlicher, nicht in Rücken-, Schwanz- und After-
flosse gesonderter diphycerker Kamm umgiebt das hintere Ende
der Wirbelsäule. Das Skelet ist sehr primitiv, indem es vorwiegend
Fig. 506. Protoftterwi antwtens (aus Boa*).
aus Knorpel bestellt, indem ferner die Chorda dorsalis sich in grosser
Ausdehnung erhält. Auch leben die Thiere gewöhnlich im Wasser und
athmen mit Kiemen, die von einer Kiemendeckelfalte geborgen werden.
Indessen schon im Bau der Kiemen treten Besonderheiten hervor,
welche an Amphibien erinnern, insofern wenigstens Protopterus ausser
inneren Kiemen drei äussere Kiemenbüschel besitzt, wie sie
keinem Fisch, wohl aber vielen Amphibien zukommen. Die Aehnlich-
keit wird erhöht durch das periodische Auftreten von Lungenath-
m u n g. Die Dipneusten leben in den Tropen in Flüssen und Sümpfen,
welche während der heissen Zeit ganz oder theilweise austrocknen.
Wird dabei das Wasser zu trüb, um die Kiemenathmung zu gestatten,
so benutzen sie zur Athmung die Schwimmblasen oder, wenn man will,
die Lungen, weite unpaare oder paarige Säcke, die mit einem kurzen
häutigen (lang in den Oesophagus münden, deren Innenwand zur Ver-
grösserung der respiratorischen Oberfläche einen fächerigen Bau be-
sitzt Protopterus hat sogar die Fähigkeit, ganz ausserhalb des Wassers
zu leben; er vergräbt sich im Schlamm, baut sich daselbst ein Nest,
das er mit Schleim austapezirt und verfällt in einen schlafartigen Zu-
stand. — Zum Zweck der Luftzufuhr ist die Nase mit einer Choane,
einer inneren, in die Mundhöhle führenden Oeffnung versehen. Ein
besonderer Arterienast geht bei den Dipneumones vom letzten Aorten-
bogen an die Lunge und ebenso führen besondere Venen zum Herzen
zurück, so dass im peripheren Abschnitt sich schon eine Sonderung
von Lungen- und Körperkreislauf entwickelt hat Auch beginnt die
Trennung des Herzens in eine linke arterielle und rechte venöse
Hälfte sich auszubilden, besonders im Bereich des Conus arteriosus
und des Vorhofes.
Die wenigen Arten, welche noch existiren, sind wahrscheinlich die
Reste einer früher reicher entwickelten Gruppe und leben demgemäss über
die Welt zerstreut. Monopncumones, mit einem Lungensack, in den
Flüssen Australiens vertreten durch den Ceraiodus Forsteri Krefft. — Di-
pneumones mit paariger Lunge, in Südamerika: Lcpuiosiren paradoxa Fitz.,
in Afrika: Protopterus anneetens Ow. (Fig. 008).
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IV. Amphibien.
513
IV. Classe.
Amphibien, Lurche.
Der bei den Dipneusten angebahnte Uebergang zum Landleben
wird bei den Amphibien vollkommen durchgeführt. Während er aber
dort nur unter dem Zwange äusserer Verhältnisse erfolgt, ist er hier
das nothwendige Endresultat einer im Wesen des Organismus selbst
begründeten Entwicklung. Daher werden bei den Amphibien fast
sämmtliche Organe von der veränderten Lebensweise betroffen, die
Organe der Athmung und der Cirkulation in viel intensiverer Weise
als bei den Dipneusten, ausserdem aber auch die übrigen Organe,
die Sinneswerkzeuge, die Extremitäten und im Zusammenhang mit
diesen das Skelet und die Körpergestalt
Die Amphibien unterscheiden sich auf den ersten Blick von den Extrem«««».
Fischen durch den Mangel der. Flossen.
Der unpaare Flossensaum erhält sich zwar noch
während des Larvenlebens und in einigen Fällen
(Perennibranchiafen, Tritoncn) auch noch beim
erwachsenen Thier als eine den Schwanz um-
säumende Hautfalte, aber er ist nicht in
Rücken-, Schwanz- und Afterflosse abgetheilt
und auch von keinem eigenen Skelet gestützt
(Fig. 4, 5). Die paarigen Flossen haben
„pent ada ctylen Extremitäten" Platz
gemacht (vergl. S. 4(J0): diese dienen oft noch
zum Schwimmen, indem die Zehen untereinander
durch Schwimmhäute verbunden sind, daneben
aber werden sie auch zum Kriechen und Sprin-
gen verwandt und besitzen demgemäss eine
grosse Gelenkigkeit in der Verbindung der ein-
zelnen Skeletstücke (Fig. 509). Zu den bei
Fischen allein vorhandenen Schulter- und Hüft-
gelenken gesellen sich Ellbogen- und Knie-
gelenke zwischen Humerus (bez. Femur Fe)
einerseits, Radius und Ulna (bez. Tibia T und
Fibula F) andererseits, Hand- und Sprung-
gelenke zwischen den letztgenannten Stücken
und den Carpalien (bez. den Tarsalien /, i,
/*), endlich gelenkige Verbindungen der End-
stücke der 5 Skeletstrahlen, der Phalangen
unter einander und mit den Metacarpalien
(bez. Metatarsalien). Die Fünfzahl der Zehen
wird nicht immer beibehalten, da häufig eine
Reduction auf 4, 3, selbst 2 eintritt
Für die Extrem itätengürtel ist die
bei den Fischen noch fehlende, bei den höheren
Wirbelthieren vorhandene Verbindung mit be-
stimmten Theilen des Axenskelets von Wich-
tigkeit. Der Beckengürtel verbindet sich mit
der Wirbelsäule, indem sein dorsal vom Hüftgelenk liegender Ab-
schnitt, das Ileum oder Darmbein, sich an eine Rippe oder
Fig. 500. Skelet der
hinteren Extremität von
Salamandra ma^ulom(Lar-
vc). Fe Foniur, 7 Tibia, F
Fibula, t Tibiale, i Interme-
pium, / Fibulare, c Centrale,
/ — 5 Carpalia der zweiten
Reihe , / — 5 Mctacarpalia
und Phalangen der 5 Zehen
(ans Gegenbaur).
HertwiK, Lehrbuch der Zoologie 3 Auflage.
33
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514
Wirbelthiere.
beim Mangel derselben an einen Querfortsatz anlegt, während der
ventrale Abschnitt, das noch einheitliche Schamsitzbein (Os ischio-
pubicum), mit dem der anderen Seite die Symphyse erzeugt
In den so zu Stande kommenden Knochenring des Beckens ist bei
den Amphibien nur ein Wirbel, der Sacralwirbel, eingeschlossen.
Der durch den Landaufenthalt bedingte , festere Anschluss der
Extremität an die Wirbelsäule tritt uns somit noch auf einer nie-
deren Entwicklungsstufe entgegen. — Noch unvollständiger ist die
Befestigung der vorderen Extremität. — Der dorsale Abschnitt, die
Scapula, endet frei in Muskeln; der ventrale in Coracoid (cu) und
Clavicula (at) differenzirte Abschnitt verbindet sich zwar oft mit einem
Sternum, dieses aber hat keine Beziehungen zur Wirbelsäule, da die
sonst den Anschluss vermittelnden Rippen zu kurz sind, um das
Sternum zu erreichen oder gänzlich fehlen (Fig. 460 A). Häufig ist
die Clavicula mit einem Episternum (Omosternum) verbunden (epi).
schnei. Der Schädel der Amphibien ist ausgezeichnet durch die ausge-
dehnte Erhaltung des Chondrocraniums und die damit zusammen-
hängende geringe Zahl primärer Knochen (Fig. 510). Die Knochen
der Augen- und Nasengegend sind bei den Anuren durch einen einzigen
unpaaren Knochenring, das Sphenethmoid (sph) (os en ceinture) ver-
treten, während bei den Snlamnndrinen Orbito- und Ali-Sphenoidca
vorkommen können ; in der Gehörgegend sind meist nur die Prootica,
in der Hinterhauptsgegend stets nur die Exoccipitalia vorhanden.
Der Mangel des Basioccipitale und Supraoccipitale ist
für die Unterscheidung der Amphibien von den oft ähnlich aussehenden
Reptilien von der grössten Bedeutung, zumal da mit dem Mangel des
Basioccipitale der weitere wichtige Unterschied zusammenhängt, dass
die Gelenkverbindung mit dem ersten Wrirbel durch einen dop-
pelten C o n d y 1 u s o c c i p i t a 1 i s (co) vermittelt wird. — Von Bc-
legknochen sind zu nennen: dorsal die Nasalia {na), Frontalia -
Öfters von Post- und Praefrontalia begleitet — und Parietalia, letztere
beiden bei Anuren zu Frontoparietalia (/)>) verwachsen, ventral das bei
den Amphibien zum letzten Mal auftretende Parasphenoid {ps).
Eine wesentliche Vergrößerung erfährt der Schädel, indem der
»n.M. uintere Abschnitt des Pahitoquadratum, der ansehnliche Quadrat-
knorpel (Qu), sich an die Gehörkapsel anlegt und meist
mit ihr verschmilzt, während der vordere Abschnitt
als dünne Palati n Spange (P) bis zur Geruchskapsel reicht.
Der Quadratknorpel ( Kieferstiel) trägt den gut verknöcherten Unter-
kiefer und ist auf seiner Aussenseite vom Squamosum (sg) be-
deckt; auf der Palatinspange entsteht die Palatinreihe der Beleg-
knochen: Vomer (vo), Palatinum (pal), Pterygoid (/>/); davor die
Maxillarreihe: Zwischenkiefer (pmx) und Oberkiefer (w). Zwischen
dem hinteren Ende des Maxillare und dem Quadratum besteht eine Lücke
oder dieselbe ist durch den vom Maxillare bis zum Quadratum und
Squamosum reichenden Jochbogen (os jugale, jg) überbrückt. Da
durch die Verwendung des Quadratum als Kieferstiel das Hyonian-
dibulare functionslos geworden ist, wird dasselbe rudimentär ; vielleicht
ist es in einer Reihe von Skeletstücken erhalten, die als Hilfsapparate
des Gehörorgans funetioniren und die wir in ihrer Gesammtheit
Columella (col) nennen wollen. — Die Beschaffenheit des übrigen Vis-
ceralskelets hängt von der Art der Athmung ab (Fig. 511 A). So
lange die Kiemenathmung anhält, finden sich ausser unpaaren das
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IV. Amphibien. 515
Corpus hyoideum repräsentirenden Copulae noch paarige Hyoidea, die
vorderen Zungenbeinhörner und 4 Paar Kiemenbögen. Beim Ueber-
h os
Fig. 510. Frosehschädel A von hinten, B
von der Seite (im Anschluss an Parker).
Fig. 510. Froschschädel von unten
linke nach Entfernung der Belegknochen
(aus Wiedcrsheiiu).
Ohondroeranium: Gk Gchörkapsel, N.N1 Nasenkapscl , PP (p) Palatinspango,
As Alisphenoidknorpel , Qu (qu) Quadratknorpel, ob, os Knorpel, aus dem sonst
Basioccipatale und Supraoccinitale hervorgehen. Primäre Knochen : O lai fol) Exoc-
cipitale mit Condylus occipitalis (Cocc, r.o), Pro (pro) Prooticum, E (c) Sphenethmoid ;
Belegknochen: Pmx (pmx) Prämaxillare, M (m) Maxillare, jg (Qjq) .lugale, Vo Vomer,
Pal Palatinum, Pt (pt) Ptervgoid, Fp (pf) Parietofrontale, na Nasale, Ps (ps) Para-
sphenoid, sq Squamosuni ; t'nterkiefer : mk Meckel'scher Knorpel mit seinem ver-
knöcherten, vorderen Ende im, d Dentale, an Angulare. Zungenbeinbogen : col Colu-
mella, h' h" Hyoid und Copula; Nervenlocher: //Opticus, Vi Abducena, V Trige-
minus, fo Foramen magnum. Der Knorpel durch Punktirung deutlieh gemacht.
gang zur Luftathmung schwinden die Kiemenbögen mehr oder minder
vollkommen; bei den Anurm, bei denen die Hyoide bis zum Schädel
aufsteigen, wurden lange Zeit, doch wie es scheint, irrthümlich die
Hinterhörner als Reste von Kiemenbögen gedeutet.-
Die durch den Landaufenthalt bedingte Umgestaltung der
Sinnesorgane ist fast für jedes derselben nachweisbar. Die Organe
der Seitenlinie, welche bei den im Wasser
lebenden Perennibranchiaten und
allen Larven noch erhalten sind, schwin-
den : die Augen werden gegen den ein-
trocknenden Einfluss der Luft durch ein
Augenlid, die Nickhaut, geschützt; die
Nase wird zugleich Respirationsorgan
und demgemäss mit einer inneren, in
die Mundhöhle leitenden Oeffnung, der
Choane, versehen. Vor Allen ver-
vollkommnet Sich das ( i e h Ö r bei ^ einer kiemenathmenden Larve
a i- .i ; 0 a ii c h ; l ,1 ii n it vo,n Landsalamander, B einer Kröte
den Anurc.n durch die Ausbildung |au8 C! buur) Zungenhcin.
schallleitender Apparate; aus dem korper t b Vonlerhorn (liyoid) , e
Spritzloch der Selachier entsteht ein Luft- Rote der Kiemenbögen.
33*
Hnt«d-
»jHeia und
StDOM-
Fig. 511. Hinteres Viseeralskelet
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516 Wirbelthiere.
canal, dessen eines Ende als Tuba Eustachii in den Rachen mündet dessen
anderes Ende, die Trommelhöhle, durch das in den knorpeligen Annulus
tympanicus eingespannte Trommelfell geschlossen wird. Die Beziehung
des Labyrinths zum Luftcanal wird eine innigere, durch das Auftreten
der Fenestra ovalis, einer Oeffhung in dem das häutige Labyrinth sonst
vollkommen bergenden Petrosum. In der Fenestra ovalis ist die Colu-
mella (Hyomandibulare) eingepflanzt, welche sich am anderen Ende mit
dem Trommelfell verbindet und die Schwingungen desselben auf das
häutige Labyrinth überträgt. — Das Hirn der Amphibien übertrifft
das der Fische durch die stärkere Entwicklung des Grosshirns (Fig.
öl 2 V Ii), steht ihm aber nach, indem das Kleinhirn nur eine dünne
Marklamelle bildet.
Am wichtigsten für die systematische Charakteristik der Amphibien
sind die A t h m u n gsor ga n e. Alle Lurche haben sowohl Kiemen als
Lungen. Die Kiemen sind im Gegensatz zu
den inneren Kiemen der Fische äussere
K i e m e n . drei blutgefässreiche , verästelt«*
Büschel, welche am oberen Ende der Kiemen-
spalten aus der Haut emporgewachsen sind.
Die Lungen sind dünnwandige Luftsäcke
mit fächeriger Innenseite: sie münden in
das hintere Ende des Pharynx, entweder
direct vermöge einer Spalte, der Stimmritze,
oder vermittelst der Luftröhre, der Trachea.
Knorpelige Stücke können Luftröhre und
Stimmritze stützen und an letzterer zum
Spannen der Stimmbänder bei der Tonerzeu-
gung benutzt werden. — Selten findet man
gleichzeitig und dauernd Kiemen und Lungen
nebeneinander (Percnnibranchiaten) : gewöhn-
lich ist eine zeitliche Vertheilung der Art
eingetreten, dass die jungen Thiere durch
Kiemen, die älteren durch Lungen athmen.
was Ausgangspunkt für die später zu be-
sprechende Metamorphose ist. — Ausser den
Kiemen und Lungen besitzt auch die Haut
der Amphibien eine grosse respiratorische
Bedeutung; sie kann sogar die Athmung allein
besorgen, wie bei einigen Salumandrinen der
Gattung Dcsmognathus, Plethodon und Gyrino-
philus, welche an feuchten Orten leben und
weder Kiemen noch Lungen besitzen. Die Haut
ist demgemäss dünn, blutgefässreich und von
zahlreichen , vielzelligen Drüsen schlüpfrig.
Das Epithel ist nach aussen durch eine sehr dünne Hornschicht ab-
geschlossen, die zeitweilig in Zusammenhang abgeworfen wird (Häu-
tung); die Lederhaut ist von grossen Lymphräumen unterminirt, deren
Anwesenheit es mit sich bringt, dass man namentlich bei Fröschen
das ganze Integument leicht im Zusammenhang abziehen kann. Ver-
knöcherungen der Haut kommen bei den recenten Amphibien selten
vor {Gymnophioncn); dagegen ist bemerkenswerth der Reichthum
an Chromatophoren, die unter dem Einfluss von Nerven ihre Gestalt
Fip. ."»12. Hirn vom Frosch.
/ Kieehnerven , L,of Lohns
olfuctorius , f Trennungs-
furchc iregen 17/ ( i r< »sshirn-
hoinisphiiivii, ZU Zwischen-
hirn , Z Zirbeldrüse, MH
Mittelhirn , //// Kleinhirn,
Sil Medulla oblunpitn, Frh
Rautengrube.
IV. Amphibien.
517
verändern und dadurch den Farbenwechsel vieler Amphibien be-
dingen.
Das Herz der Amphibien (Fig. 513, 514) hat zwei scharf ge-
trennte Vorkammern, eine rechte mit venösem Blut («•), eine linke,
welche zur Zeit der Lungenathmung arterielles Blut (a*) führt; dagegen
rindet sich nur eine Kammer (w) und eine äusserlich wenigstens noch
einheitlich erscheinende aufsteigende Aorta (an). Die 3 — 4 von der Ao.
ascendens entspringenden Arterienbögen verhalten sich verschieden,
je nachdem die Athmung durch Kiemen erfolgt oder nicht Im ersteren
Fall (Fig. 513) ist an den drei vorderen Arterienbögen (1 — 3) eine
doppelte Schliessung vorhanden; der eine Weg (/>) führt direct zur
Aorta descendens, der andere durch die Kiemenarterien (l1 — 3') in
die Kiemenbüschel und aus dem Capillarnetz derselben durch die
Kiemen venen ebenfalls zur Ao. descendens. Nur der vierte Bogen
giebt keine Gefässe an die Kiemen ab, dagegen die Arteriae pulmo-
nales (p) zu den Lungen.
Fig. 513. Blutkreislauf einer Salamanderlarve mach Boa*»), a* rechte, a- linke
Vorkammer, r Kammer, aa Aorta ascendens, ad Aorta descendens, o.s linker Aorten-
bogen, i Arterienbögen , b directe Schliessung derselben , / Kiemenschlicssung,
r — Kiemenkreislauf, p Art. pulmonal», 0 Carotis, k Kiemen.
Fig. 514. Kreislauf des Frosches (etwas schematisirt). a' rechte, a" linke Vor-
kammer, r Ventrikel, aa Aorta aacendens, ad, as rechter und linker Bogen der Aorta
descendens, e Carotiden, / Lingualis, re Vertebralis, Subclavia, cu Cutanea, p Pul-
monal», 1, 2, 4, die drei erhaltenen Arterienbögen.
Wenn die Kiemen verloren gehen (Fig. 514), schwindet der dritte
Arterienbögen bei vielen Amphibien (namentlich den Anurcn) gänz-
lich, von den übrigen drei wenigstens die zu den Kiemen tretenden
(iefässe, während die direeten Verbindungen erhalten bleiben und
neue Verwendung finden. Der erste Bogen (1) liefert die den Kopf ver-
sorgenden Carotiden (c), der zweite vereinigt sich mit dem der anderen
Seite zur Aorta descendens (ad), der vierte Arterienbögen (4) versorgt
mit einem Ast, A. pulmonalis (/>). die Lunge, mit einem zweiten Ast,
A. cutanea (cm), die Haut. Die Stärke des letzteren ist ein weiterer
Beweis, welche grosse Bedeutung der Hautathmung bei den Amphi-
Fig. 513.
Fig. 514.
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518
Wirbelthiere.
bien zukommt. Eine Klappen Vorrichtung in der Ao. ascendens bringt
es mit sich, dass das dem Körper entstammende venöse Blut des
rechten Vorhofs der Hauptmasse nach durch den respiratorischen
vierten Gefässbogen in die A. pulmonales und cutaneae geleitet wird,
während das aus der Lunge durch besondere Venen dem linken Vor-
hof zuströmende arterielle Blut den Weg zum ersten und zweiten
Bogen (Carotiden und Aortenbogen) einschlägt. So wird eine leidliche
Sonderung des Lungen- und Körperkreislaufs bewerkstelligt, obwohl
beiderlei Blutströme noch ein gemeinsames Bett (Herzkammer und
aufsteigende Aorta) zu passiren haben.
üKigwiiui- Für den Geschlechtsapparat (Fig. 485) gilt Aehnliches wie
•y»t«ra. jen Haien. Die Eier gelangen aus dem traubigen Eierstock in
die weiten Mündungen der Müller'schen Gänge (Oviduct) und werden
in Ausweitungen derselben (Uterus) mit Gallerthüllen umgeben. Die
Spermatozoon dagegen passiren den oberen Abschnitt der Nieren und
werden durch die Harnleiter entleert. Die Unterschiede zu den Sela-
chiern bestehen vornehmlich darin, dass die Nieren als compacte,
häutig bohnenförmige Körper innerhalb der Leibeshöhle liegen und
dass eine Harnblase vorhanden ist, welche vor dem Darm angebracht
ist und entfernt von den in die Rückwand einmündenden Urogenital-
canälen sich in die Vorder wand der Cloake öffnet
Bei den Amphibien kommt, eine Art Begattung vor. Die Tritonen
schwimmen spielend mit einander, bis das Männchen eine Samenkapsel
entleert, welche das Weibchen in die Mündung der Cloake aufnimmt.
Bei den froschartigen Amphibien klammert sich das oft kleinere, auf dem
Weibchen hockende Mänuchen mit seinen vorderen Extremitäten hinter den
Vorderextremitäten des Weibchens fest und wartet tagelang, bis die Ei-
ablage erfolgt, worauf das Männchen seineu Samen über die Eier aus-
spritzt, welche bald darauf die bei allen Amphibien herrschende totale,
aber inäquale Furchung beginnen. Alle Batrachier müssen somit ovipar
sein; ovipar sind auch die meisten geschwänzten Amphibien, doch ermög-
licht die Aufnahme des Sperma in die weiblichen Geschlechtswege, dass
einige unter ihnen, wie Salamandra maculosa und 8. atra, lebendig ge-
bären. Brutpflege findet sich hie und da und wird bald vom Männ-
chen, bald vom Weibchen ausgeübt. Das Männchen der Geburtshelferkröte
(Alytcs obstetricans) wickelt nach der Befruchtung die Eischnüre um seine
Beine und verkriecht sich in Erdlöcher, bis die jungen Thiere zum
Ausschlüpfen reif sind. Das Männchen von Tüiinodama Darunni hat einen
weiten, von dem Pharynx ausgestülpten Kehlsack, in welchem es die jungen
Thiere bis zur Beendigung der Metamorphose beherbergt. Bei Pipa ameri-
cana werden die befruchteten Eier vom Männchen dem Weibchen auf den
Röcken gestrichen, wo sie durch Wucherung der Haut in dicht an einander
grenzende Zellen, die in ihrer Gesammtheit an eine Bienenwabe erinnern,
eingeschlossen werden. Auch bei den Gattungen Nototrcma und Nolodelpkys
besorgen die Weibchen das Brutgeschäft, indem sie die Eier in einen auf
dem Rücken gelagerten Sack aufnehmen.
Entwickle«. Die Entwicklung der Amphibien hat von jeher in den weitesten
Kreisen Interesse erweckt als das einzige leicht zu beobachtende Bei-
spiel von Metamorphose bei den Wirbelthieren. Die Metamorphose
ist um so deutlicher ausgeprägt, je mehr sich der Bau des ausgebildeten
Thieres vom Bau der Fische und damit auch vom Bau der fischähn-
lichen Larven entfernt. Dies gilt für die Frösche und deren Verwandte.
Aus dem Ei schlüpft bei den Fröschen die Kaulquappe (Fig. 4), welche
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IV. Amphibien.
519
keine Lunge, dafür aber 3 Kiemenbüsehel, keine paarigen Extremitäten
dafür aber einen dem Frosch fehlenden Ruderschwanz, d. h. einen mit
einem unpaaren Flossensaura eingefassten Schwanz besitzt Bei der
Metamorphose gehen die Kiemen und der Ruderschwanz als Larven-
organe verloren, während dafür die Lungen und die paarigen Extre-
mitäten hervorsprossen. Eine Complication der Metamorphose wird
weiter noch durch das Auftreten von zweierlei Kieinenathmung herbei-
geführt. Die beim Verlassen des Eies vorhandenen äusseren Kiemen-
büschel haben kurzen Bestand und werden bald durch innere, in den
Kiemenspalten selbst liegende Kiemen ersetzt; diese sind äusserlich
nicht sichtbar, weil sie von einer Hautfalte überdeckt werden, welche
über den Kiemen einen geschlossenen Sack, die Kiemenhöhle, erzeugt.
In die Kiemenhöhle führt von aussen entweder jederseits eine be-
sondere Oeffnung, oder eine unpaare Oeffnung dient für beide Seiten.
— Bei allen geschwänzten Amphibien vereinfacht sich die Metamorphose,
indem gewöhnlich nur die 3 Kiemenbüschel schwinden und in ihrer
Function durch Lungen ersetzt werden. Manchmal kommen dazu noch
Gestaltveränderungen , Veränderungen der Bezahnung und Umwand-
lung des Ruderschwanzes in einen drehrunden Schwanz. Umgekehrt
kann auch der letzte Rest einer Metamorphose verloren gehen, wenn
die Kiemen neben den Lungen dauernd beibehalten werden (Pcrenni-
branchiaten).
*
I. Ordnung. Urodelen, Schwanzlurche.
Die Urodelen sind vermöge ihres langgestreckten, von niedrigen
Beinen getragenen Körpers unter den Amphibien den Fischen noch
am ähnlichsten. Ihre Wirbelsäule besteht aus zahlreichen Wirbeln,
von denen ein ansehnlicher Theil hinter dem Kreuzbeinwirbel liegt
und somit dem Schwanzabschnitt angehört. Rippen sind zwar vor-
handen, aber so klein, dass sie das Sternum nicht erreichen. Trommel-
fell, Trommelhöhle und Ohrtrompete (Tuba Eustachii) fehlen ; ebenso
fehlt mit den Stimmritzknorpeln die Fähigkeit der Tonbildung.
I. Unterordnung. Perennibranehiatcn. Dauernd sind 2 — 4 Kicmen-
spalten, 3 äussere Kiemenbüsehel und ein Ruderschwanz vor-
handen. Mmobranchus lateralis Say, 4 Kiemeuspalten. Siren lacertina L.,
3 Kiemenspalten, Nordamerika. Proteus anguineus Laur., der Olm der
Adelsberger Grotte und anderer Höhlen des Karsts, 2 Kiemenspalten, Lungen
rudimentär; als Höhlonbewohner ist das Thier blind, indem es rückge-
bildete Augen hat, welche ausserdem von Muskeln bedeckt und daher
funetionsunfähig sind. Auffallend gross sind die Zellen der Gewebe, ganz
besondere die Blutkörperchen.
II. Unterordnung. Derotrenun. Die Kiemen schwinden, es erhält sich
aber noch eine Kiemenspalte. Menopoma Alleghanense Harl. Durch Ver-
lust des Kiemenlochs leitet zu den Salamandrinen über der 1 — 2 Meter
lange Oryptobranchus japonicus Hoev., die grösste lebende Amphibie.
III. Unterordnung. Salamandrinen. Nach Verlust der Kiemen schliessen
sich die Kicmenspaltcn. Der Ruderschwanz erhält sich bei der Gattung
Triton, Triton cristatiis Laur., T. alpestris Laur., T. taeniatus Sehn., während
bei der Gattung Salamandra die geschlechtsreifen Thiere drebrunde Schwänze
haben. Salamandra macidosa Laur. und & atra Laur. sind beide lebendig
gebärend. 5. atra führt sogar im Mutterleibe seine Metamorphose zu Ende,
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b'JO
Wirbelthiore.
da die jungen Thiere genügend Nahrung finden, weil von zahlreichen Eiern
immer nur 2 — 3 sich entwickeln und von dem Speisebrei leben, zu dein
die übrigen Eier zerfallen.
Bei den Tritonen kommt es vor, dass die Larven, durch äussere Um-
stände an der Metamorphose verhindert, die Kiemen behalten und ge-
schlechtsreif werden. Noch mehr trifft das Gesagte für manche Arten der
Gattung Amblystoma zu. Das Amblystoma mexicanum behält im Natur-
zustand unter normalen Verhältnissen die Kiemen dauernd bei und heisst
dann Sir edon pisciformis Shaw, Axolotl; wenn es durch ungünstige Wasser -
Verhältnisse gezwungen wird, sich zum Amblystoma zu verwandeln, wird
es nicht geschlechtsreif, ein Zeichen, dass das Verharren auf dem Siredon-
Zustand die Norm ist, während für andere Arten wie A. fasciaium und
A. punctatum umgekehrt die Beendigung der Metamorphose die natürliche
Entwicklungsweise darstellt. Nahe verwandte Arten würden, wenn man
sich scharf an die systematischen Begriffe halten wollte, weit zu trennen
und verschiedeneu Unterordnungen einzureihen sein, das A. mexicanum als
& pisciformis den Perennibranchiaten, die beiden anderen Amblystomen den
Salamandrinen.
liier schliessen sich ausser ausgestorbenen grossen Salamandrinen (dem
früher als Menschenskelet „homo diluvii testis" beschriebenen tertiären
Andrias Sclieuchzeri) die im Carbon auftretenden und in der Trias schon
wieder verschwindenden, z. Th. riesigen Steyoccplialen an, die sich durch
starke Beschuppung des Körpers und Knochenpanzerung des Kopfes von
den Urodelen unterschieden, manche auch durch die labyrinthisch einge-
faltete Schmelzoberfläche der Zähne (Labyrinthodonten).
TL. Ordnung. Amiren. Batrachier, Froschlurche.
Die Anuren haben sämmtlich den gedrungenen Körperbau unserer
Kröten und Frösche. Derselbe ist durch die geringe Zahl (9) der
Rumpfwirbel und das gänzliche Fehlen des Schwanzes bedingt. Hinter
dem Sacralwirbel folgt als Repräsentant einer Schwanzwirbelsäule nur
ein langer, säbelförmiger Knochen, das Os coccygis. Rippen fehlen,
da ihre Anlagen mit den Proc. transversi verschmelzen und die auf-
fällige Grösse derselben bedingen. Um so stattlicher sind die vielfach
zum Klettern und Springen dienenden Extremitäten. — Trommelfell
und Trommelhöhle sind vorhanden und verleihen dem Gehör im Ver-
gleich zu den Urodelen eine grössere Vollkommenheit, die wohl damit
zusammenhängt, dass die Anuren eine Stimme besitzen. Da die aus
den Eiern ausschlüpfenden Larven ausser dem Ruderschwanz noch
Kiemen, Kicmenspaltcn und Kiemenbögen haben, welche dem er-
wachsenen Thier fehlen, erreicht die Metamorphose bei den Anuren
ihren Höhepunkt.
I. Unterordnung. Aylossen. Krötenartige Batrachier mit rückgebildeter
Zunge und verschmolzenen Eileitertuben. Pipa americana Laur., Waben-
kröte. Das grössero Weibchen tragt die Eier und Jungen während der
Entwicklung in wabenartigen Räumen der Rückenhaut mit sich herum.
Dactykthra capensis Cuv.
II. Unterordnung. Discodnctylcn.. Zehen enden mit kleinen Hatt-
scheiben, welche es den Thieren ermöglichen, an senkrechten Wänden
einporzuklettern. Eine einheimische Form ist der durch besonders schönen
Farbenwechsel ausgezeichnete Laubfrosch, Hyla arborea L., westindisch der
llylodcs martiniccnsis Tsch., bei welchem in Folge der Trockenheit des
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IV. Amphibien: Urodelen, Anuren, Batrachier. 521
Aufenthaltsorts die ganze Metamorphose in den festen Eischalen abläuft.
Nototrema pygmaeum Böttg., mit dorsalem Brutsack.
III. Unterordnung. Oxydaclylen. Zehen enden spitz. Hierher gehören
die meisten unserer einheimischen Batrachier, welche nach der Bezahnung
ihres Oberkiefers, sowie je nachdem die Beine zum Springen oder Kriechen
dienen, in 3 Familien abgetheilt werden. — 1) Raniden, Frösche. Ober-
kiefer und Zwischenkiefer bezahnt; hintere Extremitäten lang, zum Sprung
geeignet. Rana esculcnta L., grüner Wasserfrosch, laicht im Mai und Juni.
Männchen mit Scballblasen ausgerüstet ; Rana temporaria L., brauner Gras-
frosch, laicht im März; letzterem ähnlich die selteneren R. arvalis Nils, und
R. agilis Tbom., in Amerika R. mugiens Daud., Ochsenfrosch. 2) Pdobatiden,
Knoblauchskröten, ähneln in der Bezahnung des Oberkiefers den Fröschen,
in der Fortbewegungsweise den Kröten: Pclobates fuscus Laur., mit be-
sonders grossen Kaulquappen; Bombinaior igneus Rös. Unke; Alytes obste-
trieans Laur., wegen der Brutpflege des Männchens so benannt. — 3) Bufo-
niden, Kröten, mit zahnlosem Oberkiefer, ohne Sprungvermögen ; reichliche
Hautdrüsen, besonders hinter dem Ohr zu einem Packet vereint, liefern
ein giftiges, die Schleimhäute (der Augen !) reizendes Secret. Bxifo vulgaris
Laur., B. viridis Laur., B. calamita Laur.
III. Ordnung. Gymnophionen, Blindwühlen.
Die ausschliesslich tropischen Blindwühlen
bohren sich Gänge in feuchter Erde, um auf
kleinere wirbellose Thiere Jagd zu machen.
In Folge dieser unterirdischen Lebensweise
sind die Augen klein und unter der Haut
verborgen, die Extremitäten gänzlich rückge-
bildet , was den Thieren Aehnlichkeit mit
Schlangen und Regenwürmern giebt. In der
Haut sind kleine Knochenschuppen eingelagert;
ein Trommelfell fehlt In der Jugend ist ein
später schwindendes Kiemenloch vorhanden ;
innerhalb der Eischalen haben manche Arten
3 Paar wundervolle Kiemenbüschel (Fig. 515),
ein Beweis der Zugehörigkeit zu den Am-
phibien. — Coeciliden: Epicrium glutinosum
Fitz , Ceylon , Coecilia lumbricoides Daud.
Amerika. '
Fig. 31.3. Embryo von
Epicrium gltitinostim (aus
Boas nach Sara»in>.
II. Unterstamm.
Amnioten.
Wirbelthiere , welche im Embryonalleben ein Amnion und eine
Allantois haben, deren embryonales Nierensystem (Urniere, Urnieren-
gang, Müller'scher Gang) in seiner Function durch die bleibende Niere
abgelöst wird und dann nur so weit, als es zur Ausleitung der Ge-
schlechtsproducte dient, erhalten bleibt, bei denen endlich zwar Kiemen-
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522
Wirbelthiere.
spalten als vorübergehende Bildungen zur Entwicklung kommen, Kiemen
und Kiemenathmung dagegen gar nicht mehr auftreten.
V. C lasse.
Reptilien oder Kriechthiere.
Die Reptilien wurden wegen der grossen Aehnlichkeit der Körper-
gestalt lange Zeit systematisch mit den Amphibien vereinigt, zu denen
sie in der That ihrer Erscheinungsweise nach eine vollkommene
Parallelgruppe bilden. Der schlanke Habitus der Salamandrinen wiederholt
sich unter den Reptilien bei den Eidechsen, die gedrungene Körper-
form der Batrachier bei den Schildkröten und manchen Erdagamm,
die Wurmähnlichkeit der Coetilien bei Blindschleichen, Ringelechsen und
Schlangen. Um so mehr müssen die unterscheidenden Merkmale be-
tont werden, bei deren Besprechung wir 2 Gesichtspuncte im Auge
behalten müssen: 1) dass die Reptilien zu den Amnioten
gehören und daher im P^mbrvonalleben die Merkmale
derselben (Urniere, Allantois und* Amnion) besitzen, 2) dass sie,
wenn auch vielfach im Wasser lebend, in ihrem ganzen Bau, im
gänzlichen Mangel der Kiemenathmung, in der Beschaffenheit der Haut
und des Skelets sich wie echte Landthiere verhalten.
Die Haut der Reptilien ist, um der Troekenhejt der Luft besser
Widerstand zu leisten, stark verhornt, so dass man an der Epidermis
ein vielschichtiges Stratum Malpighi und ein vielschichtiges Stratum
corneum unterscheiden kann. Das Stratum corneum ist an den Zehen-
spitzen zu kräftigen Krallen entwickelt. Ein weiterer Schutz erwächst
dem Thiere durch die dicke, vielfach zu Leder gerbbare Cutis, in
welcher gar nicht selten Knochenplatten eingelagert sind. Selten finden
sich in ihr Drüsen, unter denen die Schenkeldrüsen der Saurier wegen
ihrer systematischen Bedeutung hier erwähnt werden mögen (Fig. 519 6).
-- Das A xc n ske 1 e t , Schädel wie Wirbelsäule, besteht fast ganzaus
Knochen ; nur ausnahmsweise erhält sich — bei den mit amphicoelen
Wirbeln ausgerüsteten Ascalaboten und Halterien — die Chorda in
ansehnlichen Resten.
In der allgemeinen Anordnung der Theile wiederholt der Rep-
tilien s chädel viele der für die Amphibien beschriebenen Grund-
züge (Fig. 510). Der vollkommen verknöcherte Quadratknorpel {Qu)
(hinteres Ende des Palatoquadratuni) fügt sich der Gehörregion der
Schädelkapsel an und trägt den Unterkiefer, während das Hyomandi-
bulare ein stabfönniges Hörknöchelchen, die Columella, liefert. Auf
dem Quadratum — vielfach auch zwischen dasselbe und die Schädel-
kapsel eingeschaltet — liegt das Squamosum (Sgu) ; von ihm vorwärts
erstreckt sich die häufig bezahnte Palatinreihe : Pterygoid (Pt), Pala-
tinum (Pf), Vomcr (Vo). Vor der Palatinreihe wiederum und parallel
zu ihr liegt die Maxillarreihe, Prämaxillare (Ptu) und Maxillare (31).
Die Befestigung des hinteren Maxillarendes ist für die Reptilien in
hohem Maasse charakteristisch, in dem sich ein Knochen, welcher
bei den Amphibien und übrigen Wirbelthieren, freilich
auch bei den Schildkröten, fehlt, das üs transve rsum
( Ts), als eine quere Brücke zwischen Kiefer- und Gaumen-
reihe vom hinteren Ende des Maxillare an das Ptery-
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V. Reptilien.
523
goid erstreckt Ausserdem kann das Maxillare noch durch den
Jochbogen an das Quadratbein befestigt sein (Fig. 520, 524); doch ist
der Jochbogen nicht constant vorhanden,
auch nicht immer in derselben Weise ge-
bildet (meist durch 2 Knochen : Jugale und
Quadratojugale). Vom hinteren Visceral-
skelet erhält sich beim Mangel der Kie-
men nur der Zungenbeinkörper mit Vorder-
und Hinterhorn (Hyoid und erstem Kiemen-
bogen).
Bei der Schädelkapsel im engeren
Sinne ist die Zahl der Belegknochen der
Decke um die Prä- und Postfrontalia,
sowie die Lacrymalia vermehrt; dagegen
fehlt der Belegknochen der Basis,
das Parasphenoid, weil von den Rep-
tilien an primäre Knochen genügend für
Festigkeit sorgen, zuvorderst das Präsphe-
noid, — von vielen Forschern als Para-
sphenoid gedeutet — .dahinter das Basi-
sphenoid (beide gemeinsam Bs), zuletzt das
Basioccipitale (Bp). Jederseits dieser 3
Knochen finden sich Begleitknochen, die
Orbitosphenoidea. Alisphenoidea und Exocci-
pitalia {Ol) , letztere dorsal durch das
Supraoccipitale verbunden. Als letztes Ele-
ment kommt dazu die knöcherne Gehör-
kapsel, das Petrosum. Nächst dem Fehlen
des Parasphenoids ist hierbei am bedeut-
samsten das erneute Auftreten von
Supraoccipitale und Basioccipi-
tale. Indem letzteres sich zwischen die
Exoccipitalia und die von denselben getra-
genen Condyli oceipitales einschaltet, ver-
bindet es dieselben zu dem systema-
tisch äusserst wichtigen, die Rep-
til i e n v o n den Amphibien unter-
scheidenden, unpaaren Condylns o c c i p i t a 1 i s.
Der convexe Condylus occipitalis bildet mit einer concaven Ge-
lenkfläche des ersten Halswirbels ein Gelenk für die Nickbewegungen
des Kopfes. Die Drehbewegungen dagegen (die Drehungen um die
Längsaxe) werden durch eine Verschiebung der beiden ersten Hals-
wirbel gegen einander bewirkt, wobei dieselben zum Atlas und
Epistropheus werden. Der erste Halswirbel, der Atlas, ist ein
ziemlich glcichmässig dicker Knochenring. Der Körper des Wirbels,
welcher in dem Ring eine Anschwellung bilden sollte, ist selbständig
geworden und beginnt bei den Reptilien mit dem Körper des
zweiten Halswirbels, des Epistropheus, zu verwachsen;
er bildet den Zahnfortsatz desselben, um welchen sich der Atlasring
sammt dem aufruhenden Schädel bei den Drehungen des Kopfes bewegt.
— Auch sonst wird die Wirbelsäule reicher gegliedert. Da 2 Sacral-
wirbel sich mit dem Beekengürtel verbinden, werden Lenden-, Kreuz-
bein- und Schwanzwirbel noch schärfer als bei den Amphibien ge-
Fig.516. Schädel der Natter
von unten (aus AViederaheini).
C r a n i u in : FAh Ethinoidal-
knorpel, F und P die von der
Schädeldecke abwärts gewu-
cherton Frontalis und Paric-
talia, Bs Basisphenoid (im vor-
deren Abschnitt auch Präsphc-
noidi, Bp Bas ioccipitale , Ol
Exoocipitale, Corc Condylus
occipitalis, II Optiousloch, Fov
Fenestra < »valis , Visceral-
s k e 1 e t : Pmx Präinaxillare,
M Maxillare. Ts Transversum,
Vo Vomer, Vi Palatinura, Pt
Ptcrygoid, Qu (Quadrat um, Squ
Squatnosum, Ch Choane.
Wirbel-
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524
Wirbelthiere.
schieden. Ferner kommt es zur Sonderung von Hals- und Brustwirbeln,
weil die langen Rippen der Brustwirbel den Anschluss an das Sternum
erreichen (Fig. 409 C). Da die reichere Gliederung der Wirbelsäule
durch die Verbindung mit den Extremitäten veranlasst wird, schwindet
sie, wenn die letzteren durch Rückbildung verloren gehen, wie Schlangen,
Blindschleichen und Iiinyelechsen lehren.
Wenn Extremitäten vorhanden sind, schwankt die Zahl der Zehen
zwischen drei bis fünf (meist vier oder fünf). Am Beckengürtel sind
Scham- und Sitzbeine durch das Foramen obturatum geschieden und
mit den entsprechenden Knochen der anderen Seite in einer doppelten
Symphyse verbunden. Am Schultergürtel sind nur Scapula und Coracoid
constant; eine Clavicula findet sich bei Schildkröten und Sauriern, bei
letzteren auch ein Episternum (Fig. 4G9). Systematisch am wichtigsten
ist an der hinteren Extremität die Verlegung des Sprunggelenks
mitten in den Tarsus hinein, so dass bei der Bewegung die Tar-
salien der ersten Reihe mit Tibia und Fibula, die der zweiten Reihe
mit den Metatarsen fest verbunden bleiben (Intertarsalgelenk, Fig.
531 O).
^r'gaür*- Da bei keinem Reptil auch nur vorübergehend
Kiemen vorhanden sind, werden die embryonal sich an-
legenden Kiemenspalten noch vor dem Verlassen der
Eihüllen vollkommen rück gebildet. Auch die Hautathmung
spielt nicht mehr die wichtige Rolle wie bei den Amphibien, und so
werden die Lungen die Träger der Athmung, wie sie es bei
Vögeln und Säugethieren sind ; sie erhalten einen fächerigen Bau und
gut entwickelte Luftwege, einen Kehlkopf und eine lange von Knorpeln
gestützte Trachea, die sich meist am unteren Ende in zwei kurze
Bronchien gabelt (Fig. 517). Die ausschliessliche Lungenathmung führt
zu wichtigen Fortschritten in der Th eilung des Herzens in eine
Biutcoun- 1 i n k e arterielle und eine rechte venöse Hälfte und in
m***. der Sonderung der Gefässe in Körper- und Lung en-
ge fasse (Fig. 518). Die beiden Vorkammern (ax n*) lassen schon
durch die tiefe Einschnürung der Oberfläche die vollkommene Trennung
erkennen; in der Kammer ivl v1) bildet sich ebenfalls eine Scheide-
wand aus; dieselbe ist aber bei Schildkröten, Eidechsen und Schlangen
unvollständig; auch bei den Crocodilen, bei denen die Trennung inner-
lich vollkommen durchgeführt ist, sieht die Kammer äusserlich wie
ein einheitlicher Abschnitt aus. Auch kommt es bei den Crocodden
noch zu einer Mischung von arteriellem und venösem Blut, indem
zwischen den grossen, von den beiden Kammern aufsteigenden Ge-
fässen eine Communication, das Foramen Panizzae, bestehen bleibt
Eine weitere Mischung der Blutsorten wird durch die Art und Weise,
in welcher sich die Arterienbögen auf die Herzkammern vcrtheilen.
herbeigeführt. Der bei Fischen und Amphibien noch einheitliche auf-
steigende A rteri en stamm ist durch innere Scheidewände,
die sich aber nur selten oberflächlich bemerkbar machen, in 3 Ge-
fässe zerlegt Eines derselben entspringt aus dem rechten Kammer-
abschnitt, führt somit venöses Blut und übernimmt den letzten die
Lungengefässe abgebenden Arterienbögen: es ist die A. pulmonalis
(p). Ein zweites Gefäss entspringt aus dem linken Herzen, ist daher
rein arteriell und übernimmt den grössten Theil der übrigen Arterien-
bögen, den Theil, der zu den Carotiden (c) (I. Bogen) und zum
rechten Aortenbogen (ad) (rechte Seite des II. Bogens) wird. So
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V. Reptilien.
f>25
bleibt für das .-J. Gefäss nur der linke Aortenbogen (as) übrig (linke
Seite des II. Bogens), der mit dem correspondirenden rechten zur
Aorta descendens verschmilzt. Dieser linke Arterienbogen entspringt
merkwürdigerweise aus dem rechten
Herzen und mischt daher venöses Blut
dem arteriellen Hauptstrom der Aorta
descendens bei. Zwischen ihm und
dem rechten Aortenbogen findet sich
das Foramen Panizzae.
Der venöse Charakter des linken
Arterienbogens und die Unvollständig-
Fig. .r>17. Eingeweide eines Alligators.
ZB Zungenl>ein-Körper (bei f perforirt),
ZU Zungenbeinhörner, Oe Om>phagus,
Tr Trachea, La Lg* Lungen, H Herz,
L L* Leber, 3/ Magen, Sp Sehnige Stelle
desselben, P Pylorus, .Vrf, Mittel-
und Enddann (aus Wietersheim).
Fig. 518. Herz des Crocodils mit
abgehenden Arterien schematisirt ; al
rechte, n* linke Vorkammer, r' rechte,
r* linke Kammer, o1 reehtes, o* linkes
Ostium atrioventrieulare. Die aufstei-
gende Arterie ist in 3 Aeste gespalten,
von denen zwei , Arteria pukuonalis p
und linker Aortenliogen as , aus der
rechten, einer aus der linken Kammer
entspringt. Letzterer Stamm hängt
mit dein linken Aortenlsigen durch das
Foramen Panizzae zusammen und giebt
ab : ad den rechten arteriellen Aorten-
bogen, s die Subclavien, e dieCarotiden.
1, 2, 4 die Zahlen der mit den Am-
phibien Vergleichharen Arterien bögen;
die Pfeile geben die Richtungen des
arteriellen und venösen Blutstromes an.
keit des Septum ventriculorum (resp. die Anwesenheit des Foramen
Panizzae) verhindern, dass schon bei den Reptilien eine völlige Schei-
526
Wirbelthiere.
dung eines Lungen- und Körperkreislaufs erzielt wird. Bei den Schild-
kröten kommt dazu ein drittes Moment : dass die Pulmonalarterien wie
bei den Perennibranchiaten (Fig. 513) durch linke und rechte Anasto-
mosen (Ductus Botalli) mit den Aortenbögen in Verbindung bleiben.
•yltoä' Zu den durch den Landaufenthalt bedingten, die Reptilien von den
sinn«^ Amphibien trennenden Merkmalen der Athmung und der Circulation
org*!«. gesellen sich weitere Unterschiede, die der Ausdruck höherer Organi-
sation sind. Während die Sinnesorgane sich nur in wenigen Punkten
— Auftreten der Fenestra rotunda des Gehörorgans, eines Ringes von
Knochenplättchen in der Sclera des Auges bei Sauriern und Cheloniern
— über die schon bei Batrachiern erreichte Stufe erheben, zeigt das
Hirn zwei Fortschritte: das Kleinhirn wird — besonders bei Schild-
kröten und Crocoddcn — wieder ansehnlicher: das Grosshirn umwächst
nach rückwärts und abwärts das Zwischenhirn und bildet den Schläfen-
lappen der Grosshirnhemisphären. Wohl entwickelt wie bei keinem
anderen Wirbelthier ist auch das Parietalorgan, welches bei
manchen Sauriern als ein unpaares, dorsales Auge unter der Haut in
einer Oeffnung der Parictalia (Foramen parietale) lagert
iro«eniui- Im N i e r e n s v s t e m finden wir die bei Vögeln und
■r»trm. gäuget liieren herrschenden Verhältnisse. Im Embryo
funetionirt zunächst nur die Urniere (Wolffscher Körper) mit dem
Urnierengang; caudalwärts von ihr entsteht erst später die bleibende Niere
mit dem Ureter, während der embryonale Nierenapparat zu Grunde
geht mit Ausnahme der Theile, welche vermöge ihrer Beziehung zum
Hoden beim Männchen erhalten bleiben und zum Nebenhoden und
Vas deferens werden. Beim Weibchen wird der Müller'sche Gang,
welcher beim Männchen auch angelegt, aber rückgebildet wird, zum
Eileiter. Meist münden die Urogenitalcanäle in die Rückwand des
Darms (Cloake), selten in die Harnblase (Chelomer).
Entwiekiuiu. Fast s ä m m 1 1 i c h e R e p t i 1 i e n legen Eier; nur unter den
Lepidosauriem giebt es wenige Formen, welche normalerweise wie z. B.
die Blindschleichen und einige Euhchsen lebendig gebären oder unter un-
günstigen Verhältnissen, wie manche Schlangen, die P^ier fast bis zu Ende
der Embryonalentwicklung bei sich behalten. Die Eier sind den Vogeleiern
ähnlich, indem die grosse dotterreiche Eizelle von einer Eiweissschicht und
nach aussen davon von einer fibrösen, häufig verkalkenden Schale umhüllt
wird. Zum Oeffnen der Schale besitzen die Embryonen einen Eizahn,
welcher bei Lepidosauriern aus Dentin, sonst wie bei den Vögeln aus
Horn besteht. Auch darin herrscht Uebereinsthnmung, dass die Eier,
bevor sie abgesetzt werden, im Innern der mütterlichen Ausführgänge
schon befruchtet worden sind und die discoidale Furchung begonnen
haben. Um die innere Befruchtung zu ermöglichen, finden sich Be-
ga t tun g s o rg a n e , welche systematisch von Interesse sind, da sie
in ihrem Bau bei den Schlangen und Sauriern einerseits, bei den Schild-
Itröten und Ürocodilen andererseits einen besonderen Charakter tragen.
Die Unterschiede treffen mit Unterschieden in der Gestalt der Cloaken-
spalte und in dem Bau des Schädels und der Haut zusammen, so dass
man nach allen diesen Merkmalen die Reptilien in 2 Unterlassen trennen
kann, in Lepidosaurier und Hydrosaurier, von denen die eine Unter-
classe von den Eidechsen und Schlangen, die andere von den SchUd-
kröten und Crocodilen gebildet wird.
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V. Reptilien. Lepidosaurier, Plagiotremen.
527
I. Unterclasse.
Lepidosaurier, Plagiotremen.
Das gemeinsame Merkmal der Saurier und Ophidier, welches den
Namen Plagiotremen veranlasst hat, ist die quere Form der Cloaken-
spalte (Fig. 519«), hinter welcher beim Männchen paarige Copulations-
organe liegen. Jeder Penis ist ein Schlauch, der für gewöhnlich in
einem Sack eingeschlossen liegt, bei der Begat-
tung aber wie ein Handschuhfinger umgestülpt
wird und dann auf seiner Oberfläche mit Wider-
haken bewaffnet ist — Der Name Lepido-
saurier bezieht sich auf die ßeschuppung der
Haut. Was man bei Reptilien Schuppen nennt,
sind Horngebilde und somit etwas ganz
Anderes als die knöchernen Schuppen
der Fische. Die bindegewebige Lederhaut
bildet abgeplattete Papillen und zwingt dadurch
die Oberhaut zu einer ähnlichen Anordnung.
Indem die Hornschicht ferner auf der Höhe
der Papillen besonders dick ist und an den
Grenzen derselben sich verdünnt , entstehen
rhombische und ovale Hornblätter, die entweder
parketartig neben einander liegen : Schilder,
oder sich dachziegelförmig von vorn nach hinten
decken: Schuppen. Die Regel ist, dass der
Kopf mit regelmässig angeordneten und daher auch besonders be-
nannten Schildern bedeckt ist, der Rumpf dagegen mit Schuppen,
die in Quer-, Schräg- und Längsreihen stehen. Die gesammte
Hornschicht der Lepidosaurier ist nach aussen durch eine Lage
fest an einander schliessender , verhornter Zellen zusammengehalten,
die Pseudocuticula, welche, obwohl sie nicht ein Ausscheidungs-
product von Epithelzellen ist, sondern selbst aus Zellen besteht, viel-
fach Cuticula genannt wird. Sie ist nach aussen noch von einer echten,
aber sehr unscheinbaren Cuticula überzogen. Da nun alle verhornten
Zellen abgestorben sind und einer periodischen Erneuerung bedürfen,
wird die Hornschicht im Zusammenhang (Natternhemd) alljährlich ab-
geworfen und durch eine neue ersetzt. Während der Dauer dieser perio-
dischen Häutungen, welche denen der Arthropoden sehr ähnlich sind,
kränkeln die Thiere und sterben namentlich in der Gefangenschaft
leicht ab. — Neben den Hornschuppen kommen bei manchen Sauriern
(Anguis, Pseudopus Pallasii) noch kleine , an die Fischschuppen er-
innernde und in die Papillen der Lederhaut eingeschlossene Knochen-
plättchen vor.
Alle Lepidosaurier sind im Skelet an der schlanken Beschaffenheit der
Schädelknochen (Fig. 5 IG, 5'20, 521) zu erkennen, welche namentlich bei
den Sauriern einen nur unvollkommenen Abschluss der Schädelkapsel be-
wirken. Das Quadratbein ist beweglich am Schädel befestigt und ausser-
dem durch Einschiebung des Squamosum von der Gehörkapsel abgerückt.
Ein harter Gaumen fehlt, weshalb die innere Choane wie bei Amphibien
weit vorn an der Schädelbasis liegt (Fig. 51<> Ch). In der Scheidewand
der Herzkammer ist eine weite Communication zwischen linkem und rechtem
Fig. 519. Hinteres
Rumpfende mit hinteren
Extremitäten und
Sehwanzbasis einer Ei-
dechse ^aus Leuniu-Lud-
wigt. a Cloakenspalte,
b Sohenkelporcn (Mün-
dungen von Drüsen), sca
Analschild.
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528
Wirbelthiere.
Abschnitt vorhanden. — Die beiden Ordnungen der Lejndosaurier sind ein-
ander nahe verwandt und durch so viele Uebergangsformen verbunden,
dass eine scharfe Scheidung kaum möglich ist.
I. Ordnung. Saurier« Eohsen.
Die Saurier oder eidechsenartigen Reptilien unterscheidet man
von den Schlangen meist leicht an den 4 gut entwickelten Extremi-
täten : allein es giebt einige wenige Formen, welche, obwohl unzweifel-
hafte Saurier, wie die Blindschleichen, vollkommen extremitätenlos und
daher schlangenähnlich sind. Zum Erkennen dieser rückgebildeten
Saurier kann dann dienen, dass Reste des Extremitätenskelets, das
Schulterblatt und das an der Wirbelsäule festsitzende Darmbein, vor
Allem aber das bei Schlangen nie auftretende Stern um er-
halten sind. Im Schädel treffen wir einen eigen th ti in liehen
Knochen, der nur bei Sauriern vorkommt, hier aber allge-
mein mit Ausnahme der Amphisbaenen und Chamäleons verbreitet ist
(Fig. 520 co). Er steigt senkrecht vom Pterygoid zum Parietale des
Schädeldachs auf und heisst wegen
seiner schlanken Gestalt „Colu-
mella", obwohl dieser Name in
der Reptilienanatomie schon für das
gleichfalls schlanke Hyomandibulare
vergeben ist. -— Die Knochen der
Kieferreihe sind fest unter einander
verbunden, so dass die von ihnen
umschlossene Mundspalte keiner
besonderen Erweiterung fähig ist;
sie werden durch einen oberen
.lochbogen — der aus Jugale und
Quadrat oj u gale besteht und in den
das P o s t f r o n t al e e i n g e s c h al-
te t i s t - an das Quadratbein ange-
schlossen. In der äusseren Er-
scheinung der Saurier ist be
merkenswerth die Anwesenheit von
Augenlidern, besonders der
Nickhaut und das Vorkommen des
Trommelfells, welches die durch die Ohrtrompete in den Pharynx mün-
dende Trommelhöhle nach aussen abschliesst. Nur die Schlangen ähn-
lichen Amphisbaenen machen hier eine Ausnahme, indem Augenlider,
Trommelfell und Trommelhöhle fehlen ; Verwachsung der Augenlider
nach Art der Schlangen findet sich bei den Ascaloboten.
L Unterordnung. Orassilingiticn. Die Zunge ist fleischig, am vorderen
Ende abgerundet und so kurz, dass sie aus der Mundöffnung nicht heraus-
gestreckt werden kann. Je nachdem die Zähne auf der Schneide der
Kiefer oder auf der Innenseite derselben angewachsen sind, unterscheidet
man acrodonte und pleunAonte Arten, von denen die ersteren auf die alte
Welt, die letzteren auf Amerika beschränkt sind. Pleurodont sind die aben-
teuerlich mit Halssäcken und Rückenkämmen ausgezeichneten Iguaniden:
liasiliscus americanus Laur. ; acrodont die Agamiden: Draco volans L., ein
kleiner Saurier mit seitlichen, von beweglichen Rippen gestützten Haut-
falten, welche gewöhnlich zusammengeklappt sind, durch Spreizen der
Fig. iVJO. Schädel von Amrira vulgaris.
]>r l'rämaxillare. nn Natale, pf Priifrontale,
fr Frontale, Port frontale darüber und
darunter da« Parietale), sq Sqiuunosum,
</jOuadrntojugnle, 7 Quadrat um, /*/ Piery-
goid. fO Coluinella . Tran<ver*um , j
Jugale-, In Lnerymule, tu Maxillare . nr
Artieulare , an Angulnie . il Dentale , er
( 'oronohleiim.
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V. Reptilien: Saurier, Schlangen. 529
•
Hippen aber zn einem Fallschirm ausgebreitet werden können. Die zum
Theil auch in Südeuropa einheimischen Geckotiden (Ascalaboten) haben
amphicoele Wirbel, ferner an den Zehen rauhe Haftlappen, die es den
Thieren ermöglichen, an senkrechten Wänden und an der Unterseite von
Decken gewandt zu laufen. Ascalabotes fascieuiaris Daud.
IL Unterordnung. Brevilinguien. Die kurze Zunge ist am Ende ein-
gekerbt, wodurch die bei den Fissilinguien herrschende Zweitheilung vor-
bereitet wird. Die Extremitäten sind vielfach unvollkommen entwickelt
oder ganz rückgebildet. Der bekannteste Vertreter ist die lebendig ge-
bärende Blindschleiche, Anguis fragilis L., ein sich von Insecten nährendes
hannloses Thier; nahe verwandt ist der durch besonders grosse Knocben-
schuppen ausgezeichnete Scheltopusik, Pseudopus Pallasi Cuv.
III. Unterordnung. Fissilinguien, Die sehr dünne, lange und ausser-
ordentlich bewegliche Zunge ist am freien Ende in zwei feine Spitzen ge-
spalten und kann durch eine Kerbe des Oberkiefers hervorgeschnellt und
ebenso rasch in eine Scheide zurückgezogen werden. — Amerikanisch sind
die meist grossen Ameividen: Ameiia vulgaris Lcht (Fig. 520); Bewohner der
alten Welt sind die Laccrtidcn (die in Deutschland einheimischen Eidechsen
Lacerta agilis L. und L. vivipara L. [lebendig gebärend!], die am Süd-
abhang der Alpen häufige, viel grössere, smaragdgrüne L. viridis L.) und
die Varaniden { Varanus [Monitor] niloticus D., der grösste lebende, sich mit
Vorliebe von Crocodileiern ernährende Saurier).
IV. Unterordnung. Vcrmilmguicn. Die Clurmaeleonliden, die einzige
Familie der Gruppe, haben eine lange, fleischige Zunge, welche am Boden
der Mundhöhle zusammengerollt liegt, zeitweilig aber bervorgeschleudert
wird, um mit dem äussersten, verbreiterten, schleimbedeckten Ende Insecten
zu fangen. Weitere Merkmale sind das irisartig funetionirende, ringförmige
Augenlid, die Kletterfüsse , an denen 2 Zehen rückwärts, 3 nach vor-
wärts gedreht werden können, der Mangel der Saurier-Columella, der
Clavicula, des Episternum, des Tympanum. Am bekanntesten sind aber
die Chamäleons wegen des lebhaften Spieles ihrer Chromatophoren, deren
wechselnde Contractionszustände den sprichwörtlich gewordenen Farben-
wechsel verursachen. Chamaekon vulgaris Daud. in Südspanien und
Nordafrika.
V. Unterordnung. Annulaten. Die Ringelechsen oder Amphisbaenidcn
nähern sich durch den Mangel beweglicher Augenlider, des Trommelfells
und der Extremitäten (Sternum und Becken bleiben erhalten) den Schlangen;
sie sind leicht zu erkennen an der durch Längs- und Querfurchen in oblonge
Schilder abgetheilten Hornschicht der Haut. Da sie vergraben im Boden,
namentlich in Ameisenhaufen leben, sind ihre Augen rudimentär. Amphis-
baena cinerea WagL Südeuropa.
II. Ordnung. Ophidier, Schlangen.
Die Schlangen unterscheiden sich von der Mehrzahl der Saurier
durch den Mangel der Extremitäten und die damit zusammenhängende
gleichförmige Beschaffenheit der langgestreckten Wirbelsäule, an
welcher man nur noch Rumpf- und Schwanzwirbel auseinanderhalten
kann. Den Schwanzwirbeln fehlen die Rippen, dagegen sind die Rippen
der Ruinpfwirbel sehr lang und beweglich und dienen zur Fortbe-
wegung, indem sie den Körper auf ihren distalen, durch ein Ligament
verbundenen Enden balanciren. Da es nun Saurier ohne Gliedmaassen
giebt, so ist weiter zu beachten, dass bei den Schlangen auch Extrc-
H«rtwl£, Uhrblich der Zwlotfe. 3. Auflage. 34
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530 Wirbel thiere.
mitätengürtel : Scapula, Ileum und namentlich Sternum, verloren
gegangen sind; nur die Riesenschlangen haben noch Reste des Beckens,
welche sich aber an der Wirbelsäule nicht mehr befestigen.
Zur weiteren Unterscheidung fussloser Saurier und echter Schlangen
kann die Beschaffenheit der Sinnesorgane und der Kiefer benutzt
werden. Von den Hilfsapparaten des Gehörs ist die Columella zwar
vorhanden, dagegen fehlen Trommelfell. Paukenhöhle und Ohrtrompete.
Auch die Augenlider scheinen zu fehlen ; eine genauere Untersuchung
lehrt jedoch, dass sie vor der Cornea, von ihr durch den Thränen-
sack getrennt, zu einer uhrglasartigen, durchsichtigen Membran ver-
wachsen sind, welche dem Auge der Schlangen den starren, gläsernen
Blick verleiht.
Der Kieferapparat (Fig. 510, 521) zeichnet sich durch
seine enorme Dehnbarkeit aus, welche es den Schlangen ge-
stattet, ganze Thiere, die einen grösseren Durchmesser haben als sie
selbst, zu verschlucken, nachdem sie dieselben — Riesenschlangen,
z. B. kleine Wiederkäuer, wie junge Rehe umringelt und zermalmt
haben. Die Dehnbarkeit
hat zum Theil ihre Ur-
sache darin , dass die
Unterkiefer in der Sym-
physe nur durch ela-
stische Bänder verbunden
und dass die Kiefer- und
Gaumenknochen (mit
Ausnahme des kleinen
Zwischenkiefers) am
Schädel beweglich an-
gebracht sind. Ferner
sind fast alle in Betracht
kommenden Knochen,
dieSquamosa (Sq), Qua-
drata($) und Transversa
(7V), lang gestreckt und
schlank. Ganz besonders
aber wird die freie Be-
weglichkeit des Kieferapparats gewährleistet für den Oberkiefer durch
den gänzlichen Mangel des Jochbogens, für den Unterkiefer dadurch,
dass sein Träger, das Quadratum, durch Einschalten des Squamosum
vom Schädel weit abgerückt ist. Um den Bissen durch die Mund-
spalte in den Schlund und die Speiseröhre hinunterzuschieben, sind
die Knochen der Gaumenreihe mit hakenförmigen, sich in das Opfer
einschlagenden Zähnen bewaffnet Eine weite Ausdehnung des Darms
endlich wird ermöglicht durch die Nachgiebigkeit seiner Wand und
die grosse Beweglichkeit der ventral durch kein Sternum zusammen-
gehaltenen Rippen.
Die Bczahnung ist bei den nicht giftigen Schlangen eine gleich-
förmige auf Kiemen- und Gaumenknochen (Fig. 5 Hl) ; Vomer und meist
auch Prämaxillare sind von der Bezahnung ausgeschlossen. Bei den
giftigen Arten (Fig. 521) dagegen treten im Oberkiefer die Giftzähne
auf, die sich von den übrigen Zähnen durch ihre besondere Grösse
und ihre Verbindung mit einer umfangreichen Giftdrüse unterscheiden.
Der Ausführgang der Drüse mündet an der Basis des Zahns; das Gift,
Fig. 521. Schädel der Grubenottcr (aus Iloas).
Ps Praemaxillare , .V Nasale, Prf Prnofrontale . Fr
Frontair, Pf Post frontale , Pn Parietale. >V/ S<iua-
tnoHUii) . Os Oreipitale superius . <J Quadratum , //
Hyomandibulare(Columellai, Pf l'tervgoid, '/>• Trans-
versuin, Pal Palatinuiu , Ms Maxiiiare , / Dentale,
.i Artieulare.
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V. Reptilien: Ophidier.
531
Fig. 522. Giftzähne. .1 Furchen-
znhn einer Brillenschlange. R Röhren-
zalin einer Klapperschlange, Ax Ii1 die
zugehörigen Querschnitte, g Giftcanal,
p Pulpahöhle (nach Boas).
welches aus ihm beim Biss in Folge des durch die Kaumuskeln auf
die Drüse ausgeübten Drucks hervorquillt, wird auf der vorderen Seite
des Zahns entweder durch eine Rinne (Furchenzähne) bis zur Spitze
fortgeleitet (Fig. 522.4.) oder, wenn
die Ränder der Rinne mit einander
verwachsen (Fig. 522 B), durch einen
an Basis und Spitze geöffneten Canal
(Ttöhrenzähne). Bei Schlangen mit
Furchenzähnen finden sich vor oder
hinter denselben noch gewöhnliche
Zähne ; hat sich der Giftzahn dagegen
zum Röhrenzahn vervollkommnet, so
ist er der einzige functionirende Zahn
des kleinen, ihm als Sockel dienenden
Oberkiefers (Fig. 521), während eine
Reihe an Grösse abnehmender Zähne,
welche meist hinter ihm stehen, nur
zum Ersatz bestimmt ist.
Aus der inneren Anatomie der
Schlangen ist hervorzuheben , dass die
linke Lunge rudimentär, die rechte ein langgestreckter Sack ist. Eine
Harnblase fehlt; die Excrete, vorwiegend Harnsäure, gelangen als feste
Massen in die Cloake und bilden einen Hauptbestandteil der Scblangen-
exeremente, da bei der ausserordentlichen verdauenden Kraft des Schlangen-
magens nur spärliche Fäcalien entleert werden.
I. Unterordnung. Angiostornen. Bei einer Reihe kleiner, in der Erde
wühlender, blinder Schlangen, Typhlopiden, ist die Dehnbarkeit der Mund-
spalte noch nicht vorhanden, da die Thiere von kleinen Insecten leben;
Transversum fehlt, Reste vom Becken sind vorhanden. Typhlops ■vermicularis L.
IL Unterordnung. Innocuen {Colubriformien). Die Mundspalte ist er-
weiterbar, der Biss aber noch nicht giftig, da Giftzähne ganz fehlen
(Aylyphodontcn) oder einige nicht giftige Furchenzähno am hintersten Ende
des Oberkiefers (Opisthoglyphen) stehen. Die Thiere sind daher dem Men-
schen meist nicht gefährlich wie die Colubriden, Nattern: Tropidonotus tiairix
Boie, Ringelnatter, Coronclla austriaca Laur. glatte Natter: Colttber Aescu-
lapii Sturm, oder die Dcndrophidcn, die schlanken tropischen Baumschlangen:
Dcmlrophis picta Schleg. Eine Ausnahme machen die durch
Stummelreste hinterer Extremitäten ausgezeichneten Riesen-
schlangen oder Pyihonidcn, die durch ihre enorme Muskel-
kraft andere Thiere erwürgen. Python reliculatus Gray,
6—9 Meter lang, Boa constrictor L., 6 Meter lang.
III. Unterordnung. Proteroglyphen. Der Biss ist giftig,
da Furchenzähne vorhanden sind, welche im vordereu Ab-
schnitt des Oberkiefers an der Mündung der Giftdrüse
stehen. Zu don landbewohnenden Elapiden gehören Naja
haje Merr., die Cleopatraschlange, und N. tripiidians Merr.,
Brillenschlange mit einer Zeichnung von der Form eines
Pince-nez's auf dem Nacken ; ferner die grösste Giftschlange
(4 m) Ophiophagus elaps. Ausschliessliche Wasserbewohner
mit ruderartig abgeplattetem Schwanz sind die Hydropkiden :
Pelamys bicoUrr Daud. v„5 _ -
IV. Unterordnung. Solenoglyphen. Die giftigsten far Krmxotter
Schlangen haben nur einen funetionirenden Röhrenzahn (n. Blanehard).
34*
532
Wirbeltkiere.
jederseits im kleinen Oberkiefer (Fig. 521). Viperiden, Ottern: Pelias berus
Merr., Kreuzotter (Fig. 623). Vipera ammodytes D. B. Sandviper. Orota-
liden, Grubenottern: Orotalus dunxsus Daud. von einer Anzahl raschelnder
Hornanhänge am Schwänzende Klapperschlange genannt.
II. Unterclasse.
Hydrosaurier.
Die mit Vorliebe das Wasser aufsuchenden oder ausschliesslich
daselbst lebenden Crocodile und Schildkröten werden unter dein Namen
„Hydrosaurier" vereint, weil sie in vielen
wichtigen anatomischen Merkmalen überein-
stimmen. Sie besitzen eine längsovale
Cloakenspalte, an deren vorderem Ende
ein unpaarer, erectiler, zur Begattung die-
nender Höcker liegt Der Hautpanzer
ist von ganz aussergewöhnlicher Festigkeit
und sowohl aus Knochenplatten wie dicken
Hornschildcrn gebildet. Auch der Schädel
hat einen massiven Charakter , da die
Knochen zu breiten Lamellen geworden
und fest zusammengefügt sind, was beson-
ders für das vollkommen unbewegliche
Quadratbein gilt (Fig. 524). Weitere ge-
meinsame Merkmale des Schädels sind end-
lich der Jochbogen und der harte Gau-
men, letzterer eine knöcherne Scheidewand,
durch welche eine die Nasenhöhle ver-
grössernde obere Etage von der primitiven
Mundhöhle abgetrennt wird. Die Scheide-
wand entsteht, indem die Praemaxillaria
und Maxillaria von links und rechts hori-
zontale , in der Mittellinie zusammen-
stossende Fortsätze (Gaumenfortsätze) aus-
senden. Bei den Schildkröten ist zwischen
die Maxillaria der Vomcr in das Gaumen-
dach eingefügt. Bei den Crocodilen wird
die Scheidewand durch Fortsätze der Pala-
tina und Pterygoidea nach rückwärts ver-
längert, so dass die Choanen weit hinten
an der Schädelbasis münden.
Iii. Ordnung. Chelonier, Schildkröten.
Die Schildkröten bilden eine schon durch ihre äussere Erscheinuni:
scharf umschriebene Gruppe, da ihr auffallend gedrungener Körper in
eine feste Skeletkapsel (Fig. 525, 52G) eingeschlossen ist, aus welcher
nur der Kopf, der Schwanz und die vier Beine hervorschauen.
Die Kapsel besteht aus einer dorsalen, stark gewölbten und einer
flacheren, ventralen Platte, die meist seitlich fest verbunden sind und
Carapax (.4) und Plastron (B) heissen. Die Grundlage beider
f'orr
Fig. -V.M. SchürlrIHn.-s Croro-
dils von unten gesehen. Pmx
Praernaxillare , .V Maxillare.
PI l'alatinnm, Ts Trnnsversum,
Pt Pterygoid, Jg Jugale, Qj
Quadrat«»- jugale, Qu Quadra-
tiun, Ob Baooccipitale , Cocc
( kmdylua ocripitalis, Orb Orbita,
Ch Choane (aus Wiedershcim).
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V. Reptilien. Hydrosaurier : Chelonier.
533
Fig
i. Carapax iA ) und l'Iastmn | B) von Icstitdo
S NVuralplatten, C Costalplatten, .V Mar-
giualplatten, Sp Nuchalplatte, I'y Pvgalplatten , Ep
Einplant ron , A' Entoj>la»tron , lUj lfvi>pta>tron , llp
Hypoplastron. A7 Xiphoplastron , Ii Kipjiciiangätze,
V Vom, // hinten laus Wiederaheim).
Platten sind Knochentafeln, die in Längsreihen hinter einander stehen.
Am Carapax unterscheidet man 5 Längsreihen, die medianen unpaaren
Neuralplatten(iV), so ge-
nannt, weil mit ihnen A ^
die Dornfortsätze ver-
bunden sind, links und
rechts die mit den Rip-
pen verschmolzenen
Costalplatten (C), zu
äusserst die Marginal-
platten {M ). Am Plastron
sind nur 2 Knochenreihen
vorhanden, die gewöhn-
lich mit dem inneren
Skelet in keinem Zu-
sammenhang stehen, da
ein Sternum fehlt, die
Extremitätengürtel aber
nur selten mit dem
Plastron verwachsen.
Ueberzogen werden die
Knochenreihen von
Längsreihen von H or li-
sch ildern, deren Zahl und Anordnung im Allgemeinen mit der
Zahl und Anordnung der Knochentafeln übereinstimmt, ohne dass
jedoch die Grenzconturen beider zusammenfielen. Am knöchernen
Panzer gewahrt man vielmehr zweierlei Linien, die Nahtlinien der
Knochentafcln und dieselben schneidend andere Linien, welche durch
den Abdruck der Contouren der Hornplatten, „des Schildpatts", her-
vorgerufen sind. — Nächst der Panzerung ist für die Schildkröten am
charakteristischsten die Rückbildung der Zähne; wie bei den Vögeln
sind Oberkiefer und Unterkiefer von scharfen Hornscheiden um-
schlossen, welche bei manchen Formen selbst grösseren Wirbelthieren
gefährlich werden können.
Nach der Beschaffenheit des Hautpanzers und der Beine stehen
sich zwei Extreme gegenüber, Land- und Seeschildkröten; erstere haben
plumpe Füsse mit vorn 5, hinten 4 Krallen tragenden Zoben, letztere haben
Ruderplatten , an denen meist die Krallen fehlen ; erstere zeigen Cara-
pax und Plastron zu einer hochgowölbten Kapsel vereint, in welche
Kopf, Schwanz und Beine
zurückgezogen werden
können; bei letzteren sind
Carapax und Plastron ge-
trennt, flach gewölbt und
unzureichend, um Kopf
und Beine zu bergen.
Zwischen beiden Extre-
men vermitteln die Sumpf-
schildkröten. Die Fluss-
schildkröten endlich schei-
nen sehr primitive Formen zu sein.
I. Unterordnung. Pntntnitcn od«-r Tnuni/ciden. Die Flussschildkröten
haben noch keine Hornscheiden an den Kiefern und anstatt des Schildpatts
Fig. f>2<i. Chelonc imhrfcnln (aus Hayok).
534
Wirbelthiere.
einen lederartigen Ueberzug des Carapax. Ihre Füsse sind Ruderplatten
mit nur 3 Krallen. Trionyx ferox Schweigg.
II. Unterordnung. Thalassüen , Seeschildkröten. Knochenkapsel un-
vollkommen, zu flach, um Kopf, Schwanz und Beine zu bergen; Extremi-
täten sind Ruderplatten meist ganz ohne Krallen. Chelone imbricata D. B.
liefert allein das technisch verwerthbare Schildpatt (Fig. 526). Ch. escu-
lenta Merr. wegen der wohlschmeckenden Eier und des Fleisches ge-
schätzt.
III. Ordnung. Emydcn, Sumpfschildkröten. Zehen durch Schwimm-
häute verbunden, Knochen- und Schildpattkapsel flach gewölbt. Emys
lutaria (ettmjMiea) Bp. in Deutschland.
IV. Ordnung. Cliersiten, Landschildkröten mit plumpen Füssen, die
sammt Kopf und Schwanz vollkommen in den hochgewölbten Panzer zurück-
gezogen werden können. Testudo graeca L.; T. elephantina D. B., 1 m.
IV. Ordnung. Crooodilier.
Die Crocodilier stehen vermöge ihres langgestreckten Körpers zu
den gedrungenen Schildkröten in einein ausgesprochenen Gegensatz.
Ihre Haut ist ebenfalls stellenweise von Knochentafeln fest gepanzert,
welche aber nicht untereinander verschmelzen und von Hornschildern,
die ihnen in der Abgrenzung entsprechen, überzogen werden. Ein
mit Rippen verbundenes Sternum ist vorhanden; an dasselbe schliesst
sich nach rückwärts ein mit Abdominalrippen verbundenes Abdominal-
sternum an. Die zu einer langen Schnauze ausgezogenen Kiefer tragen
zahlreiche kegelförmige Zähne, welche im Gegensatz zu den übrigen
Reptilien den Knochen nicht aufgewachsen, sondern in besonderen
Alveolen eingekeilt sind. — Ueber die Beschaffenheit des Gaumens
(Fig. 524) und des Herzens (Fig. 518) wurde schon oben das Nöthige
gesagt —
Die Crocodile bewegen sich langsam auf dem Land, sind dagegen
vermöge ihrer durch Schwimmhäute verbundenen Hinterzehen und eines
kräftigen Ruderschwauzes vortreffliche Schwimmer. Die drei recenten Fa-
milien Orocodihden (Orocodilm rulyaris Cuv.), AUigatoridcn {Alligator lucius
Cuv.) und Oarialülcn (Garialis gangetieus Geoflfr.) bilden nur ein Ueberbleibsel
einer in früheren Perioden der Erdgeschichte formenreichen Gruppe.
Anhang.
Eine wesentliche Bereicherung hat die Kenntniss der Reptilien durch
paläontologische Funde erfahren, welche uns zum Theil mit ganz neuen,
nicht mehr existirenden Ordnungen, zum Theil mit Bindegliedern zwischen
den recenten Ordnungen bekannt gemacht haben. Den gemeinsamen Aus-
gangsformen der Reptilien stehen die zum Theil noch paläozoischen, vor-
wiegend aber mesozoischen RhynehocAiphalidm nahe, von denen eine Art,
die neuseeländische, eidechseuartige llattcria punctata Gray — ausgezeichnet
durch Eidechsengestalt^ amphicoele Wirbel, Crocodil-ähnliches Bauchsternum
und unbewegliches Quadratum — sich bis in die Neuzeit erhalten hat.
Mittelformen zwischen Sfturkrn und Ophidiem sollen die auf die Kreide
beschränkten Pythonovwrjßhcn sein. Den Sauriern schliessen sich ferner
noch an die in Jura und Kreide häufigen Pterosaurier oder Flugsaurier
(Pterodactyhts eleyam A. Wagn.). welche an die Vögel durch ihr Flugvermögen,
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VI. Vögel. 535
die pneumatische Beschaffenheit der Knochen und die Gestalt ihres
Schädels erinnerten,* sich aber von ihnen dadurch wesentlich unterschieden,
dass sie keine Federn hatten und nach Art der Fledermäuse mit einer
Flughaut flogen, welche sich zwischen dem Rumpf und den vorderen und
hinteren Extremitäten ausdehnte und durch den enorm langen, äussersten
Finger der Hand gespannt wurde.
Durch schnauzenartig ausgezogene Kiefer, in denen die Zähne in Al-
veolen oder Rinnen eingekeilt waren, feste Verbindung des Quadratbeins
mit dem Schädel, massiven Charakter der Schädelknochen erinnerten die
häufig riesigen PUsiosaurier und Ichthyosaurier an die Crocodile; beide in
Trias, Lias und Jura besonders ausgebildeten Gruppen bestanden aus
räuberischen Meeresbewohnern mit flossenartig gestalteten Extremitäten ;
die PUsiosaurier waren schlank mit langer Halswirbelsäule, die Ichthyo-
saurier von gedrungener Körperform. (PUsiosaurus macroeephalus 0\v\,
Ichthyosaurus communis Conyb.) Einen besonders massiven Charakter end-
lich erreichte das Reptilienskelet bei den theils paläozoischen, theils meso-
zoischen Theromorphen und den ausschliesslich mesozoischen Dinosauriern.
In beiden Gruppen war die Zahl der Sacralwirbel gewöhnlich auf 3 — 6
vermehrt. Die Dinosaurier waren die riesigsten Landthiere, welche je
gelebt haben; manche von ihnen waren 12— 30 m lang und 4— 6 m hoch
(Bronlosaurus eorcelsus Marsh, Triceratops flabeUatus Marsh, Iguanodon Ber-
nissartensis Boul.); gewisse Dinosaurier {Titeropoden, Ornititopoden) gelten
vielfach für Vorläufer der Vögel nicht nur wegen der Pneumaticität der
Knochen, sondern auch wegen des nach rückwärts gerichteten, dem Os
ischii parallelen 0. pubis und der beginnenden Verschmelzung der Tarsali a
mit der Tibia und den Motatarsen (Intertarsalgelenk von Cotnpsoynathus
longipes A. Wagn.).
VI. Classe.
Atcs, Vögel.
Die Vögel stehen den Reptilien besonders im Bau ihres Skelets
so nahe und sind mit ihnen durch so manche ausgestorbene Zwischen-
formen verbunden, dass von vielen Seiten eine Vereinigung beider
Classen unter dem Namen „Sauropsidcn" befürwortet worden ist Bei
aller Anerkennung dieser nahen Verwandtschaft müssen wir jedoch
daran festhalten, dass die Classe vermöge der eigenthümlichen Aus-
bildung ihrer Flugorgane und der Befiederung der Haut einen scharf
umschriebenen, einheitlichen Charakter gewonnen hat, welcher eine ge-
sonderte Behandlung nöthig macht
Die Haut der Vögel ist an manchen Stellen, wie z. B. am i»t*»»i.
unteren Abschnitt der hinteren Extremitäten, noch nach Art der Rep-
tilien mit Hornschuppen und Schildern, an den Spitzen der Zehen
auch mit Krallen bewehrt ; an den meisten Stellen der Körperoberfläche
ist sie aber zart und dünn, da die Lederhaut und das Stratum corneum
schwach entwickelt sind. Periodische Häutungen finden nicht mehr
statt weil der Mangel des festen Zellenhäutchens, der Pseudocuticula,
eine allmählige Abschilferung der oberflächlichsten Hornzellen ge-
stattet. Diese Beschaffenheit der Haut steht in Zusammenhang mit
dem Auftreten des schützenden Federkleids.
Die Vogelfeder ist wie das Haar der Säugethiere ein aus- Federn,
schliessliches Horngebilde, nur von viel complicirterem Bau. Die Horn-
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53(5
Wirbelthiere.
Substanz bildet eine; feste Axe, den Federkiel oder Scapus, von
welchem links und rechts seitliche Fortsätze, die Aeste oder Rami,
ausgehen. Der Federkiel ist solid, soweit er die Aeste tragt (Rh ach i s
oder Schaft), am unteren Abschnitt dagegen ist er hohl (Calamus
oder Spule). Der Calamus ist tief in die Lederhaut eingelassen, in
den Federbalg, und mit Muskelchen versehen, die die Bewegungen der
Feder (Sträuben des Gefieders, Ausbreiten der Schwung- und Steuer-
federn an Flügel und Schwanz) veranlassen. Sein Hohlraum ist bei
vielen ausgebildeten Federn bis auf trockene Gewebsüberreste (die
„Federseele") leer; bei jungen noch wachsenden Federn ist er ausge-
füllt von einem blutgefässreichen Bindegewebe, der Federpapille,
welche zum Zwecke der Ernährung von der Lederhaut aus in das
basale Ende des Scapus eindringt. Man kann daher die Feder auf-
fassen als einen eomplicirt gebauten, langen Hornauswuchs der Haut,
welcher auf einer Papille der Lederhaut sich entwickelt hat und von
der Oberfläche aus eine Strecke weit in die Lederhaut eingesenkt
worden ist, eine Auffassung, die vollkommen der Entwicklung der
Federn entspricht und die Gleichartigkeit derselben mit den Schuppen
und den später zu besprechenden Haaren darthut. — Bei manchen
Vögeln (Casuar) kommen aus demselben Federbalg zwei gleich gut
entwickelte Federn. Rückbildung der einen macht es verständlich, dass
bei vielen Vögeln das Rudiment einer zweiten Feder, der Afterschaft
oder die Hyporhachis, der Federaxe von unten angefügt ist.
Bei den Conto urfedern (Pennac) schliessen die Aeste (Rami)
grösstenteils zur Federfahne (Vexillum) dicht zusammen; sie liegen
links und rechts vom Schaft einander genau parallel und wiederholen
— ein jeder einzelne für sich — im Kleinen das Bild, welches die ge-
sammte Feder im Grossen ergiebt ; wie diese mit den Aesten, sind die
Aeste in fiederiger Anordnung links und rechts mit den Radien aus-
gerüstet. Die Radien bedingen den festen Zusammenschluss des Vexil-
lum, da bei der grossen Nähe benachbarter Aeste die zugewandten
Radien sich in ihrem Verlauf kreuzen und decken; dabei greifen
die hinteren mit gebogenen Zähnchen (Radioli) oder Häkchen von
oben zwischen die vorderen ein. — Von den Contourfedern unter-
scheiden sich die Dunen (Plumae) durch den Mangel der Radioli und
die lockere Anordnung der Aeste. — Da die Federn aus Hornsubstanz
bestehen, deren Zellen fest zusammenhalten und sich nur bei den Puder-
dunen allmählig abschilfern, unterliegen sie denselben Bedingungen
wie das Schuppenkleid der Lepidosaurier ; alljährlich müssen die Federn
abgeworfen und durch neu entstehende ersetzt werden (Mauser).
Junge Vögel oder Vogelembryonen besitzen zunächst nur Dunen ; erst
später entstehen die Contourfedern in regelmässiger Anordnung in den
Federfluren oder Pterylen, zwischen denen die Raine oder Ap-
terien übrig bleiben, in welchen keine Contourfedern auftreten (Fig. 527).
Die meisten Contourfedern bilden, indem sie sich dachziegelartig über ein-
ander legen, die feste Decke des Gefieders, unter welcher die Dunen als
ein wärmendes Futter liegen (Fig. 528). Ausser diesen Deckfedern oder
Tectricos (DD) unterscheidet man noch die grossen zum Flug dienenden
Contourfedern des Flügels, die R, einiges oder Schwungfedern, und die
den Flug steuernden Schwanzfedern, Rectrices oder Steuerfedern (Sz).
Die grossen Schwungfedern bilden die Grundlage des Flügels und ent-
springen von dem der Hand correspoudirenden Abschnitt der vorderen Ex-
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VI. Vögel.
537
tremität (Carpus, Metacarpus, Phalangen) — Handschwingen (HS) — und
vom Unterarm — Armschwingen {Ab). — Sie sind an ihrer Basis von
Deckfedern {D D' D ') und den vom Oberarm entspringenden Contourfedern,
dem Parapterum oder Schulterfittig (SF) zugedeckt. Ein kleiner Schopf
von Federn, welcher am ersten Finger ansitzt, bleibt von den Hand-
schwingen getrennt als Eckflügel (EF) oder Alula. Alle Federn erhalten
besonders bei Wasservögeln eine grosse Geschmeidigkeit, indem sie mit
dem öligen Seeret einer besonderen, am Grund des Schwanzes über dem
Steissbein liegenden paarigen Drüse, der B ü r z el d r ü s e, eingeölt werden.
Fig. 527. Federfluren und Raine der Taube vom Kücken (aus Leunis-Ludwig).
Fig. Ö2K. Dos Gefieder von Faha laniarius (aus Sehumnla). HS Handschwingen,
AS Armschwingen, FF Eekflügel (Alula), SF Schultorfittich (Parapterum), D&,tY\
Dockfedern, Ä'i Steuerfedern (Rcetriees), Bx Bürzel, L Lauf, Zh Zehen, N Nacken,
Br Brust, ßa Bauch, K Kehle, W Wange, II Hinterhaupt, Seh Scheitel, St Stirn,
WH Wachshaut mit Nasenlöchern, F Fir*to des Oborsohnal>els, Di Dillenkanto des
Untcrschnabols.
Indem die Federn nicht nur Schutzorgane sind, sondern auch ge-
wöhnlich den Vogel zu andauerndem Flug befähigen, vermitteln sie
eine ganz besondere Lebensweise, unter deren Einfluss fast sümmtliche
übrigen Organe stehen. Mit dem Flugvermögen ist die Beschaffenheit
des Skelets, der Athmungsorgane, ja zum Theil selbst der Sinnesorgane
und des Hirns in Zusammenhang zu bringen.
Da die Federn der Flügel ähnlich den Flossen ein einheitlich Eitremttiua.
wirkendes Huder darstellen, vereinfacht sich das Skelet der vorderen
Extremität (Fig. 529): 1) durch Rückbildung der Finger, von denen
nur drei mit äusserst reducirter Phalangenzahl {p, />', p") übrig bleiben;
2) durch Verschmelzung der zugehörigen Metacarpen (m) unter einander
und mit den anschliessenden H.mdwurzelknochen. Dagegen wird, um die
nöthige Energie der Bewegungen und die möglichst vollkommene Ueber-
r
Fig. 527.
Fig. .728.
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538
Wirbelthiere.
tragung derselben auf den Körper herbeizuführen, die Befestigung an die
Skeletaxe erhöht durch besondere Ausbildung aller hierbei in Betracht
kommenden Theile.
Im Schultergürtel
(Fig. 530) sind alle
drei Knochen von
grosser Festigkeit,
eine säbelförmige
Scapula (s) , ein
Storche» (nach Gcgcnbaor. säulenförmiges Co-
Fit
20.
h Humerus ,
Fliigolskf
r Radius,
u l'lna , c c' Carpalia der ersten raeoid (c) und end-
Keihe, m verschmolzene Carpalia der zweiten Reihe und \\nu pjnn plovi^ula
Metac«p«, p, , f Phalangen ,1er 3 er»te„ Finger. ^hT gewöhnlSS
mit der der anderen
Seite am sternalen Ende verschmilzt und den für die meisten Vögel
so charakteristischen Gabelknochen, die F u r c u 1 a (/), liefert. Clavicula
und Coracoid verbinden sich mittelst Bänder oder direct mit dem breiten
Sternum (si), dessen Vorderfläche sich zu einem longitudinalen Knochen-
kamme , der Carina oder Crista
stern i (ers), erhebt, um den Flug-
muskeln , namentlich dem grossen
Brustmuskel möglichst viel Ursprungs-
punkte zu liefern. Je entwickelter das
Flugvermögen, desto ansehnlicher ist
daher das Sternum, vor Allem die
Crista sterni. Schliesslich ist der die
Verbindung mit der Wirbelsäule her-
stellende Brustkorb ebenfalls von
besonderer Festigkeit. Die Brustrippen,
welche aus 2 Stücken, einem sternalen
(os) und einem vertebralen (co), be-
stehen, stützen sich auf einander, in-
dem die vorderen einen vom verte-
bralen Stück ausgehenden Fortsatz,
den Processus uncinatus (u), über die
hinteren hinüber schieben.
Da die vorderen Extremitäten
nur noch zum Fliegen dienen, fällt das
Tragen der Körperlast beim Gehen
ausschliesslich den hinteren Extremi-
täten zu. Dadurch werden abermals
zwei auffällige Charaktere des Vogel-
skelets veranlasst, die breite Ver-
bindung des Beckens mit der
Wirbelsäule und die Bildung
des Intertarsalgelenks. Das
Darmbein (i/) steht bei den Embryonen
der Vögel nur mit den zwei schon bei
den Reptilien vorhandenen Sacral wir-
beln in Verbindung, dehnt sich aber später nach vorn in die Lenden-, selbst
in die Brustregion, nach hinten in die Caudalregion aus, mit immer neuen
Wirbeln verwachsend, so dass insgesammt 9-22 Wirbel in die Ver-
Fig. .">30. Brustkorb, Sehultcr-
gürtcl und Beeken vom Storch (nach
Gegenbaur). st Brustbein , #(' Ab-
doininalfortsützc demselben, ers Crista
Sterni, / Furcula (verschmolzene
Schlüsselbeine) , c Coracoid , s Sca-
pula, os sternale. co vertebrale Theile
der Rippen, n Processus uncinati der
vertebralen Theile, sp Dornfortsatz
des ersten Brustwirbels,/";/ verschmol-
zene Dornfortsiitze clor uhrigen Brust-
wirbel, il Darmbein , f> Sitzbein, p
Schambein, x Hüftgelenk.
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VI. Vögel.
f)39
bindung eintreten können; linke und rechte Darmbeine treffen weiter
dorsal von der Wirbelsäule noch zusammen. Diese ausgedehnte Ver-
wachsung des Beckens mit dem Axenskelet wird verständlich, wenn
wir bedenken, dass die Wirbelsäule der Vögel, trotzdem sie beim
Gehen ausschliesslich auf den Beinen ruht, nicht wie beim Menschen
zur senkrechten Haltung aufgerichtet wird, sondern stets zum Boden
geneigt bleibt; sie trägt sich daher nicht in sich, sondern kann nur
durch starke Befestigung an dem Beckengürtel ihre Stellung beibe-
halten Die unteren Theile des Beckens, Scham - und Sitzbein (/>
und is), sind dadurch ausgezeichnet, dass beide von der Gelenkpfanne
aus rückwärts und einander parallel stehen, und dass linke und rechte
Stücke nur ausnahmsweise (Strauss) ventral in einer Symphyse ver-
wachsen.
Das Intertarsalgelenk der Vögel ist eine — allerdings syste-
matisch die wichtigste — Theilerscheinung der Umbildung, welche das
Skelet der freien Extremität unter dem Einfluss seiner starken Belastung
erfahrt. Wie in ähnlichen Fällen (vergl. Unyulaten) begünstigt es der
Druck der Körperlast, dass der
einheitliche Charakter, welcher A B c
dem Skelet des Oberschenkels
zukommt, sich auch auf Unter-
schenkel und Fuss überträgt und
dass die in diesen Abschnitten
herrschende Vielzahl der Knochen
durch einen einzigen, den Druck
einheitlich fortleitenden Knochen
ersetzt wird (Fig. 531). Daher
bildet sich die im Embryo (B)
vorhandene Fibula bis auf un-
bedeutende Reste zurück ; es
verschmelzen die im Embryo {B)
getrennten Metatarsen unter ein-
ander zum Laufknochen (A, c),
der so viel Gelenkflächen hat,
als er Zehen trägt (d— d "), end-
lich verschwinden die Tarsalien
und zwar ebenfalls durch Ver-
schmelzung mit benachbarten
Skelettheilen. Da schon bei den
Reptilien (Fig. 531 C) ein Theil
der Tarsalien (ts) bei der Be-
wegung dem Unterschenkel, ein
anderer Theil (Ii) dem Fuss
folgt, vollzieht sich die Ver-
schmelzung bei den von den rulgari* ; a Femur, b Tibiotarsus b' Rest der
P/»,/;/;*» .Thctanntion/Jon VJWln Fibula, c Tarsometatarsus, d d'd"d"' die Zehen,
MejMten abstammenden V ögeln t, lr£nnte DargtoIi„„g de« Tar*>-,uetatar*us.
in der Weise, dass von den beiden Jt un(\ rvntemhonkelund Fuss eines Vogel-
embryonalen TarsalstÜcken das cmbn-o (tf) und einer Eidechse (C), um die
proximale ts) mit der Tibia EiiUtehungdosliitertawaljicleiik* zu erklären:
zum Tibiotarsus, das distale («) / vtclnu£ i T,,!?Y, f , t ~ .iu ?iT™, i,™
, in» rr ersten Keine (lalus). ti laixaha der zweiten
mit dem Laufknochen zum lar- Reihe, m Metatareus, /— r die einzelnen
sometatarsus verwächst. Stücke desselben (aus Gepenbaur).
Fig. 531. A Hintere Extremität von Bttteo
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Wirbelthieie.
schudei und Rücksichtlich der Wirbelsäule ist noch nachzutragen, dass die
wirbeuiioie. Wirbel injt einander sogenannte Sattelgelenke bilden, dass hinter dein
Becken nur wenige Caudalwirbel übrig bleiben, welche theilweise zu
dem die Stcuerfedcrn tragenden Pygostyl verschmelzen, dass sich
entsprechend der gut entwickelten Halsregion viele Halswirbel (darunter
Atlas und Epistropheus) tinden, an denen Rippen zu fehlen scheinen,
weil sie mit den Wirbeln verschmolzen sind. — Der Schädel ähnelt
sehr dem Eidechsenschädel in der Anwesenheit eines unpaaren Condylus
oecipitalis, in der beweglichen Anfügung des Quadratum an die Schädel-
kapscl und der Umbildung des Ilyoniandibulare zu einem schlanken
Hörknochen (Columella). Dagegen fehlt das Transversum ; die Schädel-
kapsel ist dem Wachsthum des Hirnes folgend geräumiger geworden,
vollkommener durch frühzeitig verschmelzende Knochen abgeschlossen
und durch Verlagerung des (ielenkhöckers auf die untere Seite fast
rechtwinkelig zur Axe der Wirbelsäule gestellt. Zähne fehlen bei den
lebenden Vögeln, finden sich aber bei den fossilen Odontornithes und
Saururen; für den Zahnmangel sind Ober- und Unterkiefer durch
harte, schneidende Hornscheiden entschädigt. Die Hornscheide des
Oberkiefers verlängert sich häufig auf der Aussenseite in einen weichen
Hornüberzug, die Wachshaut oder das Ceroma (Fig. Ö2S WH).
pneum»ti. Ein wichtiger G esa mint Charakter d es Vogel skelets
clut ist die pneumatische Beschaffenheit desselb e n. An Stelle
von Knochenmark und Knochengewebe füllen Lufträume das Innere
der Knochen mehr oder minder aus ; bei den gut fliegenden Formen
wie dem Albatros sind sämmtliche Knochen mit Ausnahme der Sca-
pula, des Jochbeins und der Phalangen , bei den gar nicht fliegenden
Strassen wenigstens einige Schädelknochcn pneumatisch. Der Zweck
der Einrichtung ist jedenfalls ein doppelter: 1) vor Allem soll das
Skelet, indem die axialen, zum Tragen und Stützen unwichtigen Theile
durch Luft ersetzt werden, grösstmöglichc Leichtigkeit und Festigkeit
mit einander verbinden ; 2) soll der Körper zur Ersparniss der an-
strengenden Athembewegungen beim Flug reichlich mit Luft versorgt
werden. Letzterer Zweck wird noch viel vollkommener durch die
grossen Luftsäcke des Körpers erreicht , welche meist zu drei Paaren
am Hals und in der Leiheshöhle angebracht sind. Die Lufträume der
Knochen stehen zum kleineren Theil mit Nase und Gehörgang, zum
grösseren Theil mit den genannten Luftsäcken in Verbindung; letztere
wiederum sind Ausstülpungen der beiden schwammigen Lungen, die
links und rechts an der Wirbelsäule herabziehen.
Einfevreid». Ausser Lungen und Luftsäcken besteht der Athemapparat der
Vögel aus einer langen Trachea und zwei kurzen Bronchien nebst
oberem und unterem Kehlkopf. Der obere Kehlkopf, der dem Kehl-
kopf der übrigen Wirbelthiere allein vergleichbar ist und daher Larynx
heisst, wird bei den Vögeln zur Stimmbildung nicht benutzt; letztere
hat ihren Sitz im unteren, nur den Vögeln zukommenden
Kehlkopf, dem Syrinx, welcher an der Gabelung der Trachea in
die beiden Bronchien liegt und bald nur von ersterer, bald nur von
letzteren, gewöhnlich aber von allen drei Theilen gemeinsam gebildet
wird. Die Stimmbänder werden von Muskeln gespannt, welche bei
Singvögeln eine besonders complicirte Anordnung haben.
Das Herz der Vögel, aus dem Reptilienherzen durch voll-
kommene Sonderung des Lungen- und Körperkreislaufs hervorgegangen.
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VI. Vögel.
541
hat die Pulmonalis und den rechten arteriellen Aortenbogen der
Reptilien beibehalten, dagegen den linken Aortenbogen verloren und
unterscheidet sich dadurch wesentlich vom Herzen der Säugethiere.
Im Uebrigen ist linke und rechte Kammer durch eine Scheidewand
vollkommen getrennt. Am Darm (Fig. 57) fällt die Anwesenheit eines
Kropfes (6), drüsigen Vormagens (c) und eines muskulösen Kaumagens
[d), sowie zweier langer Blindschläuche am Uebergang von Dünn- und
Dickdarm (k) auf. Leber (c) mit Gallenblase (/*), Pankreas (q) und
Milz sind vorhanden. In den Enddarm (Cloake) münden von hinten
ein Blindsack, die Bursa Fabricii, die paarigen Ureteren (m) und die
Geschlechtswege (n). Letztere zeigen im weiblichen Geschlecht das
Eigenthümliche, dass der rechte Oviduct sammt dem zugehörigen Ovar
rückgebildet wird, während die entsprechenden linken Theile sich um
so kräftiger entwickeln.
Da bei den Vögeln eine Begattung stattfindet, werden die grossen
dotterreichen Eier (das „Gelbei" des „Vogeleies") schon in den Ei-
leitern befruchtet (Fig. 00). Indem sie langsam die letzteren passiren,
werden sie durch Drüsen der ausgeweiteten Eileiterwand mit Um-
hüllungen versehen, zunächst mit einer dicken Lage von Eiweiss (w),
dann mit der Schalenhaut (fem und sni), welche aus zwei auf einander
schliessenden und nur am abgerundeten Eipol durch die Luftkammer
(ach) getrennten Blättern besteht. Dazu kommt schliesslich im Uterus
noch die den Abschluss bildende Kalkschale («). Während der Wan-
derung durch die Ausführwege spielen sich die ersten Entwicklungs-
vorgänge, Furchung und Gastrulation, ab, welche bei der Eiablage in
Stillstand gerathen und erst wieder von Neuem beginnen, wenn die
Eier der zur Entwicklung nöthigen Wärme, meist durch Bebrütung,
ausgesetzt werden.
Die Sorge für die junge Brut, das mit der Begattung im Zu-s£'n'£o,,nd
sammenhang stehende Geschlechtsleben und die durch das Flugver-
mögen bedingte coniplicirtere Lebensweise haben
bei den Vögeln zu einer den Reptilien weit
überlegenen Intelligenz geführt, die in
der besseren Ausbildung des Hirnes und der
Sinnesorgane ihren Ausdruck findet. Am Hirn
(Fig. 532) ist das Kleinhirn (////) als das Centrai-
organ für die Coordination , das harmonische In-
einandergreifen der Körperbewegungen, in seinem
medianen Abschnitt („Wurm") ganz auffallend stark
ausgebildet. Entsprechend gross sind auch die
Grosshirnhemisphären ( F//), deren Stirnlappen den
Lobus olfactorius (LoC), deren Schläfenlappen ausser
dem Zwischenhirn auch das Mittelhirn zu bedecken
beginnen. Dem complicirten Stimniapparat ent-
spricht ein ausgezeichnetes Gehör, weil am Laby-
rinth die Schnecke eine bedeutende Vergrösserung
erfahren hat und weil der schallleitende Apparat
(Trommelhöhle, Ohrtrompete, Columella und Trom-
melfell) vorzüglich ausgebildet ist; auch die ersten
Andeutungen einer Ohrmuschel und eines äusseren
Gehörganges durch Versenken des Trommelfells
in die Tiefe sind schon gegeben. Um den durch das Flugvermögen
bedingten weiten Entfernungen gewachsen zu sein, ist die Sehschärfe
Für.:>32. Hirn der
Taubr (aus Wieders-
heinil. / Riechnerv,
hol I a ilms i »IfuctoriiiH,
17/ Vorderhirn , Z
Zirbeldrüse. J///MU-
tclhirn,//// Kleinhirn,
(Wurm), ////' Klein-
hirnhcnii*phärcn, NJl
Nachhirn, /.' Rücken-
mark.
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Wirbelthiere.
<ler meisten Vogel eine ganz aussergewöhnliche und das Auge (Fig. 533)
im Allgemeinen ttir die Ferne eingestellt, Eigentümlichkeiten des
Vogelauges , welche schon bei den
meisten Reptilien schwach entwickelt
sind, sind der Kamm oder Pecten (P),
eine mit kammzinkenartigen Falten
bedeckte Wucherung der Chorioida
in den Glaskörper hinein , und der
Scleraring, ein Knochenring, welcher
im vorderen Abschnitt des Auges die
Sclera (Sc) stutzt.
Warum die geschlechtlichen Vor-
gänge und die Brutpflege für die In-
telligenzentwicklung eine so wichtige
Rolle spielen , lehrt ein genaueres
Eingehen auf die einschlägigen Ver-
hältnisse. Bei den Vögeln herrscht
ein lebhafter Wettbewerb um die
Weibchen , besonders bei den poly-
gamen Arten. Zur Zeit der Fort-
pflanzung suchen die Männchen die
Gunst der Weibchen zu gewinnen,
sei es durch auffallende Bewegungen
(Balzen des Auerhahns), sei es durch
Gesang (Singvögel), sei es endlich durch
Pracht des Gefieders {Paradiesvogel)
(Fig. 15a). Alle diese Eigentümlich-
keiten sind daher auf das männliche Ge-
schlecht beschränkt und führen meist zu einem auffallenden Dimorphismus
von Männchen und Weibchen (Fig. 15). Die Unterschiede der Befiederung
steigern sich gewöhnlich beim Eintritt der Geschlechtsthätigkeit, indem
das Männchen das brillanter gefärbte Hochzeitskleid erhält. Man
spricht dann von einer Frühjahrsmauser, obwohl nur eine Ver-
färbung und nur ausnahmsweise eine Erneuerung des Gefieders vor-
liegt Nur die Rückkehr zum Alltagskieid wird durch einen Wechsel
der Federn, durch die allen Vögeln nach Beendigung der Fortpflanzung
zukommende II erbst maus er bewirkt.
Wenn im Allgemeinen beim Weibchen die Färbungen des Ge-
fieders schlicht und unscheinbar sind, so hat das seinen besonderen
Grund noch in der vom Weibchen geübten Brutpflege, während deren
die Thicre durch unauffällige Färbungen vor Störungen durch Feinde
möglichst geschützt sein müssen. Nur selten wird die Erwärmung,
welche die abgelegten Eier zur Weiterentwicklung bedürfen, äusseren
Einflüssen überlassen, den Sonnenstrahlen, welche den Sand, in dem
die Eier vergraben sind, erwärmen, oder der Temperatursteigerung,
welche in faulenden Misthaufen durch Gährung entsteht (Scharrhühner).
Regel ist, dass beide Geschlechter gemeinsam ein Nest bauen, das bei
den Webervögeln mit besonderer Kunstfertigkeit — ab und zu bei
socialen Formen unter einem gemeinsam erbauten Dach — errichtet
wird. Wenn genügend Eier zusammen sind, bebrütet das Weibchen,
seltener auch das Männchen, dieselben, zu welchem Zweck sich oft
durch Ausfallen der Federn nackte, zur Erwärmung geeignete Hatit-
Fi>?. .">33. Auge einer Etile uiih
Wiedcreheim). Co Cornea, VK vor-
dere Augenkatniuer. Cm Oiliannuskel.
Ir Iris. .SV Sclera t Scleralknoehen,
L Linsr . Ch Chorioidea . Cr Glas-
körper, P Peeten, Hl Rotina, Oy Op-
ticus, 0» Seheide demselben.
IV. Vögel.
543
stellen, die Brutflecken, ausbilden. Beim Verlassen der Eischalen sind
viele Vögel, wie Hühner und Enten, so weit entwickelt, dass sie frei
herumlaufen und unter Leitung der Mutter sich ihr Futter selbst suchen
können. Man nennt dieselben Nestflüchter (Autophagen) im Gegensatz
zu den Nesthockern {Insessores), welche fast nackt mit unvollkommenem
Federkleid aus dem Ei auskriechen und daher auf die Warnle des
Nestes, auf Schutz und Fütterung durch die Eltern angewiesen sind.
Von grossem Interesse in den Lebensverhältnissen der Vögel
sind schliesslich ihre periodischen Wanderungen. Man unterscheidet
Standvögel, welche dauernd auf die engste Umgebung sich be-
schränken, Strichvögel, welche, um sich zu ernähren, ausgedehnte
Beutezüge unternehmen, W an der- oder Zugvögel, welche beim
Herannahen des Winters in Schaaren meist auf bestimmten Zugstrassen
weite Wanderungen nach Süden antreten und ein wärmeres Klima
aufsuchen. Die bei uns einheimischen Arten ziehen dann nach den
Mittelmeerländern, vielfach sogar in das Innere von Afrika, dafür
können ihren Platz bei uns nordische Formen einnehmen. Auch zu
diesen Massenwanderungen ist die Nahrungssuche Veranlassung. Die
Vögel können sich dein während des Winters herrschenden Mangel
an Nahrung (namentlich an Insecten und Früchten) nicht so leicht
wie Reptilien und Amphibien durch den Winterschlaf entziehen, weil
ihre gesteigerte Intelligenz und ihre energischeren Lebensprocesse
einen lebhafteren Stoffwechsel und fortlaufende Ernährung nöthig
machen. Daher sind die Vögel wie die Säugeihierc im Gegensatz zu
den „kaltblütigen" Reptilien, Amphibien und Tischen ausschliesslich
Warmblüter; sie bewahren unter dem mannigfachsten Wechsel des
Klimas ihre 38 —40 (44 V) 0 C betragende Körpertemperatur.
Die Systematik der Vögel, soweit es sich um die Abgrenzung der
grösseren Gruppen handelt, liegt noch immer sehr darnieder. Nach der
äusseren Erscheinung wurden von den Ornithologen grössere Gruppen als
Ordnungen aufgestellt, die sich aber, wie die umfassenden Untersuchungen
Fürbringer's und Huxley's gezeigt haben, bei einer genaueren ana-
tomischen Prüfung in der bisherigen Weise nicht aufrecht erhalten lassen.
Besonders hat sich die Vereinigung der Eulen mit den Tagraubrögcln, der
Pinguine mit den Sclnoimmvögeln, der verschiedenen Formen der Klcttcr-
vögel als unhaltbar herausgestellt. Aus praktischen Gesichtspunkten soll
das alte System im Folgenden gleichwohl beibehalten werden.
I. Unterclasse.
L Ordnung. Batiten, Cursores, Laufvögel.
•
Unter dem Namen „Ratiten" fas.st man mehrere, anatomisch sehr
verschiedenartige Familien zusammen, welche darin übereinstimmen, dass
die Federn noch nicht die gesetzmässige Anordnung der Federfluren
besitzen und dass mit dem Mangel des Flugvermögens auch viele,
durch dasselbe bedingte Einrichtungen fehlen. Die Knochen sind nur
wenig pneumatisch; die Thiere haben keine Crista sterni und keine
Furcula, da die Schlüsselbeine rudimentär (Dromneus) oder gar nicht
mehr als selbständige Knochen vorhanden sind (die übrigen RatitenW
die vorderen Extremitäten sind klein und tragen keine zum Fluge
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544
Wirbelthiere.
brauchbaren Schwungfedern, wie denn überhaupt typische Contourfedern
mit geschlossenem Vexillum vollkommen fehlen. Um so kräftiger sind
die Laufbeine (Fig. f>.'54/"), welche eine rasche und ausdauernde Fort-
bewegung auf der Erde ermöglichen. — Da sich immerhin noch manche
durch das Flugvermögen bedingte Einrichtungen (Verwachsung der
Handknochen und öfters auch der Schwanzwirbel, Anordnung der
Flügelmuskeln) erhalten haben, ist es sehr wahrscheinlich, dass die
Ratiten aus den Carinaten durch Rückbildung des Flugvermögens her-
vorgegangen sind. Die anatomischen Unterschiede der einzelnen Fami-
lien lassen sogar vermuthen, dass dieselben sich an verschiedenen
Stellen vom Grundstock der Carinaten abgezweigt haben und somit
keineswegs eine einheitliche Gruppe darstellen.
I. Gruppe. Straussartige Vögel (mit langem Humerus): Struthioniden,
zweizeilige Strausse, Slruihio camelus L., afrikanischer Strauss; Inheiden,
dreizehige Strausse, Wtca americana Lm., Nandu. — II. Gruppe. Casuar-
artige, dreizehige Vögel (mit kurzem Humerus): Dromaevkn ohne helm-
artigen Knochenaufsatz des Schädels, Drumaeus novac Hollandiae Gray.
Neuholländischer Strauss. Casuariden mit Helmaufsatz, Casuarius galeatux
Vieill ., Helmcasuar Neuguineas. — III. Gruppe. Apteryxartige Vögel:
Aptcrygiden mit langem Schnepfenschnabel, rudimentärem Armskelet, mit
4 Zehen. Apteryx Ouerri Gould, Kiwi, Neuseeland. Dinornithidcn, drei-
zehig, ohne Armskelet : riesige, 3 Meter hohe, schwerfällige Vögel Neu-
seelands, die jetzt ausgestorben zu sein scheinen, jedenfalls aber noch mit
dem Menschen gleichzeitig gelebt haben. Dinomis giganteus Ow., Moa.
Vielleicht reihen sich hier auch die Riesenvögel von Madagascar, die
Aepyornithidcn, an (Knochenreste und 8 Liter fassende Eier wurden im
Schwemmland gefunden).
II. Unterclasse.
Carinaten.
Der Name der zweiten Unterclasse bezieht sich auf die Anwesen-
heit der Carina oder Crista sterni, deren Ausbildung mit dem die
meisten Vögel auszeichnenden Flugvermögen zusammenhängt. Dazn
kommen als weitere Merkmale der Unterclasse die kräftigen Schwung-
und Steuerfedern im Flügel und im Schwanz und die Verwachsung
der Schlüsselbeine zur Furcula. Indessen giebt es schon vorzügliche
Flieger, deren Crista nur wenig hervorragt, wie grössere Raubvögel
und Sturmvögel erkennen lassen ; bei manchen schlecht fliegenden
„Carinaten" sehwindet die Carina fast ganz (Strigops). Ebenso ist die
Furcula nicht immer ausgebildet, sei es dass die Schlüsselbeine nicht
verwachsen (viele Pajmgcie und Tukane), sei es dass sie ganz fehlen
(Alesites). Die Schwungfedern der Flügel können endlich bei manchen
Carinaten ebenfalls rückgebildet sein, wie sie z. B. bei den nicht
fliegenden Pinguinen die Gestalt kleiner Schuppen angenommen haben,
so dass sich die Grenzen von Ratiten und Carinaten stellenweise
verwischen.
n. Ordnung. Galllnaceen, Hübner.
Die hühnerartigen Vögel sind Nestflüchter von gedrungenem Körper
und mit gut, aber nicht in einseitiger Weise ausgebildeten vorderen
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VI. Vögel: Ratiten. Carinaten: Columbinen, Natatores. 545
und hinteren Extremitäten, so dass die Thiere gut laufen und leidlich
fliegen können, ohne aber nach der einen oder anderen Richtung Ausser-
gewöhnlichcs zu leisten. An den Füssen sind 3 Zehen nach vorn ge-
wandt und an der Basis meist durch eine Bindehaut verbunden (Sitz-
und Wandelfüsse. Fig. 534 c) ; die nach rückwärts stehende, erste Zehe
ist etwas höher eingelenkt. Ueber ihr findet sich beim Männchen
häufig der Sporn, ein hornbedeckter Fortsatz des Laufknochens. Der
Oberschnabel greift mit seinen Rändern über den Unterschnabel über,
ist an seiner Spitze nach abwärts gebogen und ungefähr gleich lang
wie der Kopf. Nackte, blutgefässreichc Stellen sind meist am Kopf
vorhanden und zu Lappen ausgewachsen, die bei dem durch statt-
licheres Gefieder ausgezeichneten Männchen besonders gross sind.
Polygam sind diu Pliasinniden : Phasianus roldticus L., Fasan, Pavo
cristatus L., Pfau, Gallus bnnkim Temm, von den Sunda-Inscln stammend,
* Stammform des Hnushuhns. Craciden, Hokkos : Melcogris gallopavo L., Trut-
huhn. Theils poly-, theils monogam sind die Tetraonidm oder Feldhuhner:
Tetrao urogallus L., Auerhuhn, T. tetrix L.( Birkhuhn, Perdix cinerea Briss.,
Rebhuhn, Lagopus olpinus Nilss., Alpenschneehuhn. In zusammengescharr-
ten Misthaufen verbergen ihre Eier die Megapodidm: Mcgapodius Ihij>eneg%
Less., Neuguinea.
III. Ordnung. Columbinen, Tauben.
Von den Hühnern unterscheiden sich die Tauben leicht durch
schlankeren Körperbau, kürzere Beine, deren Zehen der Bindehaut ent-
behren (Spaltfüsse), und längere, einen vorzüglichen Flug ermöglichende
Flügel. Vor Allem aber sind sie Nesthocker. Ihr Schnabel besitzt
ein auffallendes Merkmal in zwei basalen, die Nase bergenden Auf-
treibungen. Der an der Speiseröhre vorhandene meist paarige Kropf
liefert ein milchiges Secret, welches zum Atzen der Jungen dient
Am verbreitetsten sind die Columliden, welche besonders in den Tropen
durch zahlreiche, prächtig gefärbte Arten vertreten sind. Die Rassen
unserer Haustaube stammen nach Darwin von der Columba livia L., der
blaugrauen Felstaube. Verwandte der Tauben sind die Zahntauben
(Didunculus strigirostris Gould). In die Nähe der Tauben werden ge-
wöhnlich die Drontcn gestellt, Vögel, die gegen Ende des 17. und 18. Jahr-
hunderts ausgerottet worden sind. Didus inej)tus L. auf St. Mauritius und
D. solilarius Strickl. auf Rodriguez.
IV. Ordnung Natatores, Schwimmvogel.
Durch ihre Neigung zum Wasseraufenthalt stimmen zahlreiche,
im Bau sehr erheblich unterschiedene Familien überein. Man nennt
sie Schwimmvögel, weil sie mit Hilfe ihrer durch Schwimmhäute ver-
bundenen Zehen geschickt schwimmen und tauchen. Entweder sind alle
vier Zehen durch Schwimmhäute verbunden — Ruderfuss (Fig. 534 0
— oder nur die drei vorderen — Schwimmfuss (Fig. 534 k) — oder
die drei vorderen Zehen sind einzeln für sich von Schwimmhäuten
eingefasst — Spaltschwimmfuss (Fig. 534 h). Ergeben sich somit
schon im Bau der Füsse Unterschiede, welche einer näheren Ver-
wandtschaft der Familien widersprechen, so wird letztere weiterhin
zweifelhaft gemacht durch die verschiedene Beschaffenheit von Flügel
und Schnabel.
Hrrtwlf. Uhrlwch der 7xK>!oid«. 8. Auflage. ox
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546
Wirbelthiere.
1) Laimiii rust res. Die 3 Vorderzehen durch eine Schwimmhaut ver-
bunden (Schwimmfuss) ; Schnabel bis auf die harte Spitze („Nagel") weich-
Fig. 534. Versehiedene Filiformen der Vögel (aus Sehmarda). a Watbein
mit doppelt geheftetein Fuss eines .Storehos, /> Spaltfuss der Drossel , o Wimdclfuss
eines Fasans, d Sit/fuss eines Falken, r Klaininerfuss der Mauersehwalbe. f Lauffuss
des Strausses. <j Kletterfuss eines Spechts, Ii Spaltsehwiininfuss vom Steissfuss, / Wat-
bein und Lappenfuss eines Wasserhuhns, /; Sehwinunfuss der Ente, / RunVrfuss des
Tropikvogels.
häutig, seine Ränder mit queren, hinter einander gestellten Hornplättchen
bedockt; die Thiere ..grundein ' und nähren sich von Pflanzen und kleineren
Thieren. Anas bosehas L., Wildente,
Stammform der Hausente A. doniestica
L. ; A. mollissima L., Eiderente ; Anser
fcrws Kaum., Wildgans, Stammform von
Anser dornest ims L. ; Cygnus olor L.,
Höckerschwan; Phoenicopterus ruber L.,
Flamingo,
2) Lonißpcnnes, räuberische Vögel
mit kräftigem Schnabel, Schwimmfüssen
und langen, einen schnellen Flug er-
möglichenden Flügeln. ProceUariden,
Sturmvögel: Diomcdea exulens L., Alba-
tros. Lnriden, Möven: Larus ridibundus
L., Lachmöve, L. canis L., Sturmmöve,
Sterna hirundo L., Seeschwalbe.
9) Urinntorcs. Vögel mit kleinen,
zum Theil zu Rudern rückgebildeten
Flügeln und aufrechter Körperhaltung,
Fig. 535. Aptenodytes paiagonica welche durch die Verlagerung der Beine
(aus Brehm). nach rückwärts bedingt ist. Mit Schwimm-
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VI. Vögel: Natatores, Grallatores, Scansores.
54?
füssen ausgerüstet, im inneren Bau aber von einander sehr verschieden sind
die ausschlieslich arktischen Alciden (Alca impennis L., im Laufe dieses
Jahrhunderts auf Island ausgerottet), und die ebenso ausschliesslich antark-
tischen Impennes (Aptenodytes patagonka Forst., Pinguin. Fig. 635). Die
Colymbidcn haben zum Theil Schwimmfüsse (Colymbus arcticus L.), zum
Theil Spaltschwimmfüsse {Podiccps cristatus L.).
4) Steganopodes, alle 4 Zehen nach vorn go wandt und durch Schwimm-
häute verbunden (Ruderfüsse) : Pclecanus onocratiäus L., Phalarocorax carbo
Dumont, Cormoran, Tachypetes aqitila L., Fregattvogel.
■
V. Ordnung. Grallatores, Watvögel.
Die Watvögel sind ihrem Aufenthaltsort , sumpfigen Gegenden
und Ufern von Seen, Teichen und Flüssen, vortrefflich angepasst, indem
die Laufknochen an ihren Beinen stark verlängert und die Federn weit
bis auf die Unterschenkel aufwärts durch Hornschienen ersetzt sind.
(Stelzbeine Fig. 534«). In Correlation damit steht die auffallende Ver-
längerung von Hals und Schnabel.
Derselbe Habitus scheint sich bei zwei anatomisch sehr verschiedenen
Gruppen ausgebildet zu haben. Die eine Gruppe (Oicotiiae), ausgezeichnet
durch Schnäbel mit starker Hornbekleidung, wird gebildet von den Ar-
deiden, Reihern : Ardea cinerea L., Fischreiher, A. stellaris L. Rohrdommel
Ibis religiosa Cuv., und Oiconiiden, Oiconia alba L., Storch. Leptoptüus argala
Temm. Marabu. Die andere Gruppe (Grallae) — Schnabel mehr oder
minder weit, stets an der Basis von weicher Haut überzogen — besteht
aus den: 1) Charadriiden, Strandläufern und Schnepfen: Vanellus cristatus
Meyer, Kiebitz, Scolopax rusticola L., Waldschnepfe Gallinago media Gray
Bekassine, O. gallinula L. Moorschnepfe. 2) Gruiden, Kranichen: Grus
cinereus L. 3) Raüiden, Wasserhühnern: Orex pratensis L., Wachtelkönig.
4) Allecioriden, Hühnerstelzen : Otis tarda L., Trappe.
VI. Ordnung. Soanaores, Klettervögel.
Alle Klettervögel sind leicht an ihren Kletterfüssen zu erkennen,
an denen zwei Zehen (2 und 3) nach vorn, zwei Zehen (1 und 4) nach
rückwärts gewandt sind (Fig. 534 Trotzdem weisen der verschie-
dene Bau und Habitus der unter gemeinsamem Namen zusammenge-
fassten Formen darauf hin, dass die Zusammenfassung nicht auf Bluts-
verwandtschaft beruht
I. Psittaci, Papageien. Buntgefärbte, meist tropische Vögel mit kurzem,
aber hohem, gedrungenem, stark gekrümmtem Schnabel, mit fleischiger
Zunge. Ausser den Cacadus (Plictolophus lewolophus Less.), den Sittichen
(Mclopsittacus undulalus Gould) und den kuizschwänzigen Papageien (Psit-
tacus erühacus L.) sind als abweichende Formen die Nachtpapageien zu
nennen (Strigops habroptilus Gray). — II. Coceygomorphen , Kukuksvögel.
Schnabel leicht gebogen oder gerade, äussere Zehe meist eine Wendezehe.
öuculus eanorus L., Kukuk. — III. Puarien, Spechte. Mit geradem coni-
schem, langem Schnabel und langer, vorstreckbarer Zunge. Pirus viridis
L., Grünspecht, P. major, medius und minor Buntspechte P. martins L.
Schwarzspecht. Den Spechten sind nahe verwandt die Ramphastiden, die
Tukane der Tropen.
35*
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548
Wirbel thiere.
VII. Ordnung. Passeres.
Die Ordnung der Passeres ist die umfangreichste Gruppe des
Vogelsystems; sie enthält ausschliesslich Nesthocker, meist von geringer
Körpergrösse , mit zierlichen, bis auf die Fersen hinab befiederten
Beinen, mit stark verhorntem Schnabel ohne Wachshaut Von den
drei nach vorn gewandten Zehen sind die beiden äussern mit einander
verwachsen (Wandelfüsse), oder sie sind bis an den Grund getrennt
(Spaltfüsse, Fig. 534 &). Bei einem Theil der Arten, welche dann meist,
wenn auch nicht immer, durch grosse Sangeskunst im männlichen Ge-
schlecht ausgezeichnet sind, rinden sich besondere Muskeln des Syrinx,
welche sonst bei Vögeln nicht vorkommen. Man nennt sie daher Sing-
vögel oder Oschles, im Gegensatz zu den übrigen Passeres, den Schrei-
vögeln oder Clamatores. Beide Gruppen unterscheiden sich ferner da-
durch, dass die Singvögel eine grosse, freibewegliche Hinterzehe
haben, während bei den Schreivögeln die Hinterzehe nicht frei bewefit
werden kann.
I. Unterordnung. Oscincs. Alle unsere Singvögel gehören hierher:
die Fririgittiden, Finken : Fringitta coelebs L., Buchfink, F. carduelis L. Stieg-
litz, F. mnnabina L. Hänfling, Passer domestuns L., Sperling; Alavdideti,
Lerchen: Alauda arvensis L. ; Sylmden, Sänger: Syh*ia atrunpilla Lath., Mönch:
'litrdiden, Drosseln: Luacinia philomelalj., Nachtigall, L. major Brehm Sprosser;
Hirundiniden, Schwalben: üirundo rustica L. ; Paridcn Meisen, Motai^üidai
Bachstelzen, ausserdem aber auch die rabenartigen Vögel, Corviden: Corvus
corone Kaup, Krähe, denen die durch Geschlechtsdimorphismus ausgezeich-
neten Paradiesvögel, Paradheiden, sehr nahe stehen, Paradisca apoda L.
(Fig. 15).
II. Unterordnung. Clamatores, Schreivögel. Vielfach werden hierher
nur einige vorwiegend in Südamerika entwickelte Gruppen gestellt, die
Cotingiden imdTgrannidcn, ferner die Menuriden oder Leierschwänze Australiens.
Früher dagegen fandon unter den Clamatores noch zahlreiche einheimische
Formen Platz, welche jetzt abgelöst werden und zum Teil als Cyjtsch-
morphen zusamincngefasst und zum Teil zu den Kukuken gestellt werden:
Oypsclukn, Mauerschwalben, mit Klammerfüssen (Fig. 634c): Cypselux apus
L., (nahe verwandt die Trochilidcn oder Kolibris) ; Caprimulgiden, Nacht-
schwalben, Ziegenmelker; Alccdinidcn, Eisvögel: Alwdo isjrida L., der Fisch-
brut schädlich (ihnen nahe verwandt sind die tropischen Durcroniidfn, Nas-
hornvögel).
VIII. Ordnung. Baptatores, Raubvogel.
Die Kaubvögel sind muskelstarke Vögel von meist ansehnlicher
Körpergrösse. Ihre bis an das untere Ende der Laufknochen be-
fiederten Füsse haben vier kräftige, mit starken Krallen bewehrte
Zehen, von denen drei nach vorn gewandt und an der Basis durch
eine kurze Bindehaut verbunden sind (Sitzfüsse Fig. 534 d). Am
kräftigen Schnabel springt der Oberschnabel mit hakenartig gekrümmter
Spitze über den Unterschnabel hervor.
I. Unterordnung. Diurni, Tagraubvögel, schlanke Thiere mit dicht an-
liegendem Gefieder, von außergewöhnlicher Sehschärfe- Vulturiden mit
kahlen Stellen an Hals und Kopf und langem Schnabel: Sarcoramphus gry-
phas Geoflr., Condor, Vnltur n'tureus L., Mönchsgeier, Keophron perenopterus
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VI. Vögel : Raptatores. Saururen, Odontornithen. Mammalien. 549
8av., egypt. Aasgeier, Gypaetes barbatun Cuv., Lämmergeier, durch Mangel
der kahlen Stellen zu den Adlern überleitend. Fakoniden mit kurzem
Schnabel : Aquila chrysaetus Bp., Steinadler, A. imperialis Bchst., Königs-
adler, Buteo vulgaris Bchst., Bussard, balco gyrf&ho L., Edelfalk, Astur
jialumbarius Bchst., Habicht.
II. Unterordnung. Noclurni, NachtraubvögeL Gedrungene Thiere mit
weichem, locker abstehendem Gefieder, grossen, von einem Kreis von Federn
(Schleier) umstellten Augen; sollen anatomisch den Caprinndgiden näher
stehen als den Tagraubvögeln. Bubo waximus Sibb., Uhu; Syrnium aliico
L., Käuzchen, Athene noctua. Gray, Steinkauz, Strix flmnmea L., Schleiereule.
III. und IV. Unterclasse.
Saururen und Odontornithen.
Die Beziehungen der Vögel zu den Reptilien haben durch paläonto-
logische Funde wesentliche Klärung erfahren, indem durch sie zwei
jetzt nicht mehr existirende Gruppen, die zahntragenden Vögel oder
Odontornithes und die Saururen, aufgedeckt wurden. Die aus der Kreide-
formation stammenden Odontornithes haben im Ober- und Unterkiefer
Zähne, welche in einer gemeinsamen Rinne oder in Alveolen eingepflanzt
sind ; sie müssen in zwei Gruppen aufgelöst werden ; die Hesperorni-
thiden oder Odontolcen {Hesperornis regalis Marsh), welche sich den
Ratiten einfügen, und die mit einer Carina ausgerüsteten Ichthyorniihiden
oder Odontotormen (lchthyornis dispar Marsh). Noch wichtiger als die
zahntragenden Vögel ist die in zwei Exemplaren aus dem Solcnhofener
Schiefer (Jura) bekannte, ebenfalls bezahnte Archaeopteryx Uthographica
v. Meyer, bei welcher die Carpalien und Metacarpalien der Flügel noch
nicht verwachsen, die drei Finger wohl entwickelt und mit Krallen be-
waffnet sind und die Schwanzwirbelsäule, trotzdem sie Federn trägt,
wie bei einer Eidechse aus zahlreichen Wirbeln besteht (Fig. 2).
VII. (Masse.
Mammalicn, Säuge thiere.
Unter den Wirbelthieren und dem gemäss im gesammten Thierreich
nehmen die Säugetniere die höchste Stufe der Entwicklung ein ; sie
verdienen weiterhin unser besonderes Interesse, weil zu ihnen nach Bau
und Entwicklung der Mensch gehört, wenn er auch seiner Intelligenz
nach von den höchst organisirten Arten durch eine weite Kluft ge-
trennt wird.
Die auffälligsten Merkmale zur Charakteristik der Classe liefert
auch hier wieder die Beschaffenheit der Haut. Man kann mit Oken H*M0'
die Säugethiere Haar thiere nennen, weil für sie die Haare ebenso
charakteristisch sind wie für die Vögel die Federn. Die Haare
(Fig. ö'M't II) sind Horngebilde, welche auf Papillen der Lederhaut sitzen
und von den Blutgefässen derselben ernährt werden ; sie sind mit ihrem
unteren Ende, der Haarwurzel, in eine Einsenkung der Haut, den Haar-
balg, eingelassen und sind hier von einer doppelten Umhüllung umgeben,
der epithelialen Wurzelscheide, einer Einsenkung der Epidermis, und
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550
Wirbelthiere.
Milch-
einer bindegewebigen Lage, der Balgscheide. Kleine Muskelchen können
sich an die Basis der grösseren Haare befestigen und dieselben auf-
richten. Da Seitenäste fehlen, ist der Aufbau des Haares einfacher als
der der Feder und ebenso die Verschiedenartigkeit der Formen ge-
ringer. Durch spirale Einrollung ausgezeichnet sind die dünneren
Wollhaare, gerade gestreckt die
Stichelhaare ; letztere werden
bei zunehmender Dicke Schnurr-
haare (an der Oberlippe vieler
Säugethiere), Borsten ( Schweine i
und Stacheln (Igel und Stachel-
schweine) genannt Histologisch
bestehen die Haare aus verhorn-
ten Zellen, welche öfters in die
Zellen der Mark- und Rinden-
substanz geschieden sind ; nach
aussen werden sie von einem
Oberhäutchen, der uns von den
Reptilien her schon bekannten
Pseudoeuticula, überzogen. Die
Anwesenheit des Oberhäutchens
bedingt bei den meisten Säuge-
thieren eine periodische Erneue-
rung des Haares, bei welcher das
alte Haar ausfällt und durch ein
von der Haarwurzel aus sich an-
legendes, neues Haar ersetzt wird.
Da an den übrigen Stellen der
Haut die Pseudoeuticula fehlt,
werden die Hornschüppchen hier
allmählig abgestossen in demselben Maasse, als sie durch den Gebrauch
abgenutzt werden. — Ausser den Haaren finden sich bei den Säuge-
thieren constante Horngebilde nur an den Zehenspitzen ; sie werden
hier nach ihrer Gestalt als Krallen (Ungues), Hufe (Ungulae) und Nägel
(Plattnägel, Lamuae) unterschieden.
Ein weiteres Merkmal der Säugethierhaut ist ihr D r ü s e n r e i c h -
thum. Mit seltenen Ausnahmen finden sich zweierlei Drüsen, Talg-
und Schwei ssdrüsen. Erstere sind acinöse Drüsen, welche mit
Vorliebe in den Haarbalg münden und dem Haar die nöthige Ge-
schmeidigkeit verleihen (Fig. 530 D)\ letztere erhalten sich mit Aus-
nahme der Monotremcn vom Haar unabhängig und sind einfache,
tubulöse Drüsen mit aufgeknäultcm, hinterem Ende, welche ein flüssiges
Seeret, den Schweiss. erzeugen (SD). Unter dem Einfluss des Geschlechts-
lebens entwickeln sich diese Drüsen, speciell die Talgdrüsen, an gewissen
Stellen zu besonders energischer Thätigkeit und bilden ansehnliche
Drüsenpackete und Drüsenbeutel: Violdrüsen am Schwanz mancher
Camivoren, Klauendrüsen der Wiederkäuer, Brunstfeige am Kopf der
Hemsen, Mosehusdrüscn und Bibergeildrüsen an der Vorhaut von Moschus-
thier und Biber (Fig. 545). Die wichtigsten Modificationen der Haut-
drüsen sind jedoch vermöge ihrer allgemeinen Verbreitung und ihrer
grossen physiologischen Bedeutung die Milchdrüsen, welche das am
meisten charakteristische Merkmal der Säugethiere bilden und daher auch
den deutschen und den wissenschaftlichen Namen der Classe veranlasst
Fig. 58(5. Schnitt durch die Haut des
Menschen (aus Wiedersheimi. Sr Stratum
corncuni. SM Strntum Malpighi, CV/Corhnn,
/"subcutanes Fett, NP Xervenpapülen, <iP
( icfü-ssnapillen, .V und 0 Nerven und Ge-
fassc efes ( orium, SO Schweißdrüsen, SD1
Ausführgünge derselben. // Haar mit Talg-
drüsen D.
XJ UV
oogle
VII. Säugetbiere.
551
haben. Gewöhnlich sind es stark vergrösserte Talgdrüsen, seltener Schweiss-
drüsen (Monotremen), welche in grösserer Zahl auf einem eng umgrenzten
Feld der Haut münden, dem Mammarfeld. Dieses mit Drüsenmündun-
gen bedeckte Feld ( Areola mammae) kann sich entweder direct zu einer
Papille erheben , der echten Zitze
oder Brustwarze (Fig. 537 A)\ dann
fehlt ein einheitlicher Ausführweg
für die Milchdrüsen; — oder das
Mammarfeld kann sich zur Mam.nar-
tasche einsenken , welche als ge-
meinsamer Behälter das Secret der
Drüsen sammelt (Monotremcn). Fip -:{7# A walm, B fll|sche Zit7C
Wenn nun weiter die Umgebung (nus Wittersheim nach Gegmlmur).
der Mammartasche ebenfalls zu einer
Papille ausgezogen wird, so entsteht die Pseudozitze (Z?), in deren In-
nerem die Mammartasche als Ausführgang der vereint mündenden
Milchdrüsen (Strichcanal der Kühe) liegt. Stets sind die Brustwarzen
auf der ventralen Seite symmetrisch zur Mittellinie angebracht, in der
Brust- oder Achselgegend, oder, was häutiger ist, in der Bauch- oder
Inguinalregion. Ihre Zahl ist mindestens zwei, steigt aber bei manchen
Thieren (Centetcs) auf 22; im Allgemeinen entspricht sie der Maximal-
zahl von jungen Thieren, welche das Weibchen erzeugt Obwohl in
beiden Geschlechtern vorhanden, treten die Milchdrüsen doch nur im
weiblichen Geschlecht in Thätigkeit, und auch hier nur nach der Geburt
der Nachkommenschaft, wenn zur Ernährung derselben das Drtiscn-
secret, die Milch, nöthig ist.
Ein Hautskelct ist nur ausnahmsweise in Form festgefügter £j^L
Knochenplatten bei den Gürtellhieren vorhanden: dagegen zeigt das
Axenskelet zahlreiche, nur bei Säugethieren vorkommende Merkmale-
Arn Schädel treten die bisher besprochenen Knochen vielfach nur
noch als Knochenkerne auf, welche frühzeitig mit benachbarten Kernen
zu grösseren Knochen verschmelzen. Wie das Schläfenbein lehrt,
können hierbei sogar Theile von ganz verschiedener Herkunft, Theilc
des Visceralskelets und der Schädelkapsel, vereinigt werden, so dass
eine scharfe Trennung von Schädel und Visceralskelet nicht mehr
durchführbar ist, wenn auch im Allgemeinen die Unterscheidung von
Hirn- und Gesichtsschädel dieser Trennung entspricht. Wir sind daher
gezwungen, um nicht eng Verbundenes auseinander zu reissen, bei
der Schilderung des Schädels eine andere Eintheilung als bisher zu
Grunde zu legen, die Eintheilung, welche uns die menschliche Ana-
tomie an die Hand giebt.
Im hinteren Abschnitt des Säugethierschädels (Fig. 4GG, 4G7) be-
gegnen wir einem grossen Knochen, dem Os oeeipitis, welcher durch
einen doppelten Condylus occipitalis mit dem Atlas gelenkig ver-
bunden ist und die vier uns von früher her bekannten, verschmolzenen,
primären Knochen, die Oeeipitalia, ausserdem aber gewöhnlich noch
einen bei Säugethieren allein auftretenden Belegknochen, das Inter-
parietale, enthält. Das In ter parietale (//»), streng genommen ein
Knochenpaar, entsteht im Winkel zwischen den Parietalia und dem
Supraoccipitale und liefert den obersten Theil der Hinterhauptschuppe.
Nach vorn von ihm liegen in der Schädeldecke wie bei den übrigen Wir-
belthieren : die Parietalia (bei manchen Wiederkäuern mit «lein Interparie-
tale verwachsen), die Frontalia und die Kasalia, wozu sich stets noch
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552
Wirbelthiere.
die Lacrymalia gesellen (Fig. 460, 4«>7, 538 pa, fr, na, la). An der
Schädelbasis setzt sich vorn an die ßasis des Hinterhauptsbeins das
Keilbein, Os sphenoideuni, an, welches bei vielen Säugethieren dauernd
(Fig. 467), beim Menschen wenigstens embryonal in zwei Stücke ge-
trennt ist, das vordere und das hintere Keilbein. Jedes dieser Stücke
lässt sich entwicklungsgeschichtlich wieder in drei Theile zerlegen.
Fig. Ö3S. Knpfskelet eines Embryo von Tatitsin hybrid« (nach Parker und Wie-
•lemheiin); knorpeliges Priraonlialcranium punktirt, hantiges schraffirt (h). 1 Beleg-
knochen: na Nasale (davor Nawnkapscl mit Nasenoffnung). la Lacrymaie, fr Fron-
tale, pa Parietale, im Intermaxillare, mx Maxillare . ju .Tugale , sq S<|uamosum , <fr
Dentale. 2. Knorpel und primäre Knochen: u# Oeeipitale su|>erius, o OeeipitalknoriK'l.
pr Pctrneum (Gchorka]ksel). a Ambos (Quadratnm), n Hammer (Artieulare), mk Meekel-
seher Knorpel, st Steigbügel (llyomandibulare) , h Zungenbeinbogen, kb Rest der
Kiemenbögen, ty Tympanieuni.
Das hintere besteht aus dem unpaaren Basisphenoid (Spb) (Körper)
und den paarigen Alisphenoidea (Als-) (den grossen Keilbeinrlügeln,
Alae temporales), das vordere aus dem Praesphenoid (Ps) (Körper)
und den Orbitosphenoidea (Ors) (Alae orbitales, den kleinen Keilbein-
Hügeln). Vor dem vorderen Keilbein liegt ebenfalls dreitheilig das
Ethmoid (Eth)\ das unpaare Mesethmoid bildet zwischen den beiden
tief in den Knochen eindringenden Nasenhöhlen eine knöcherne Scheide-
wand; die paarigen Exethmoidea liefern die Seitenwand der Nasen-
kapsel und durch complicirte Faltungen ihrer Innenseite als Grund-
lage für eine reichliche Vergrösserung der Geruchsschleimhaut die
Muscheln oder Conchae, zu denen sich als ein selbständiger Knochen
das Os turbinale, die „untere Muschel", gesellt.
Das zwischen die Knochen der Schädcldcckc und der Schädel-
basis seitlich eingekeilte Schläfenbein kann nur verstanden werden,
wenn man es im Zusammenhang mit dem ersten und zweiten Visceral-
bogen betrachtet und zugleich von embryonalen Verhältnissen ausgeht
(Fig. 588). Man findet dann als Grundlage des Knochens die knor-
pelige Gehörkapsel, die Anlage des Petrosum (Schläfenbeinpyramide
pe), und wie bei den übrigen Wirbelthieren an derselben befestigt 1) den
knorpeligen Kieferbogen: das Quadratum (a) und das Mandibulare
(n -f- mk), 2) den knorpeligen Zungenbeinbogen: Hyomandibulare
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VII. Säugethiere.
553
(st) und Hyoid (h) (vgl. damit das Visceralskelet der Selachier, Fig. 494).
Hierzu kommt der Belegknochen des Quadratum, das Squamosum (sq),
welches sich proportional der Reduction des Quadratum vergrössert hat,
und schliesslich unterhalb des Squamosum die Anlage des Annulus tympa-
nicus (ty). Wenn nun Verknöcherung der knorpeligen Theile eintritt,
so entsteht aus vielen Knockenkernen ein einheitliches Petrosum; das-
selbe verschmilzt mit dem Squamosum und häufig auch mit dem in
manchen Ordnungen zu einer ansehnlichen Knochenkapsel anwachsenden
Tympanicum. Petrosum und Squamosum einerseits, Tympanicum
andererseits erzeugen einen Raum, die Trommelhöhle, in welchen die
oberen Stücke der beiden Visceralbögen hineingerathen, um durch
Verknöcherung zu den Hörknöchelchen zu werden, das Hyomandibulare
zum Stapes, das Quadratum zum Ambos (Fig. 480). Die Art, wie nun
der vordere Rand des Annulus tympanicus bei der Vereinigung mit
dem Squamosum (die Glaser'sche Spalte bildend) auf den Kieferbogen
trifft, bringt es mit sich, dass auch das obere Ende des Mandibulare
(w), welches dem Articulare der übrigen Wirbelthiere entspricht, in
die Trommelhöhle eingeschlossen wird und bei der Verknöcherung den
Hammer liefert, während der untere Abschnitt, der „Meckelschc
Knorpel'4 \mk\ gleichsam abgequetscht wird. Der MeckePsche Knorpel
schwindet später, dagegen wächst sein Belegknochen, das Dentale \de\,
so sehr heran, dass es allein den Unterkiefer darstellt, welcher nun
mit dem Squamosum ein neues Kiefergelenk bildet. Dieses neue Kiefer-
gelenk der Säugethiere liegt zwischen den Belegknochen des Quadratum
und des Mandibulare — zwischen Squamosum und Dentale — wie
das alte jetzt zum Hammer-Ambosgelenk gewordene Gelenk zwischen
den beiden corrcsporidirenden primären Stücken: Quadratknochen und
Articulare lag. Auch sonst tritt das Squamosum vicariirend für das
Quadratbein ein, indem es sich mit dem vom Maxillare herkommenden
Jochbogen Os zygomaticum s. jugale, ju) verbindet.
Der untere Theil des Zungenbeinbogens (h) oder das Hyoid bleibt
ausserhalb der Trommelhöhle und verschmilzt an seinem oberen Ende
öfters mit dem Petrosum. Das obere Ende (Processus styloideus) kann
dann von dem unteren, an der Copula (Corpus hyoideum) ansitzenden
Stück (vorderem Zungenbeinhorn) ganz getrennt werden , indem die
verbindende Knorpelstrecke zu einem Ligament (L. stylohyoideum)
atrophirt. Im Zungenbein der Säugethiere erhält sich schliesslich noch
ein Rest der Kiemenbögen in den Hinterhörnern (Cornua majora des
Menschen).
Wie das Quadratum (Ambos) im Vergleich zum gleichnamigen
Knochen der übrigen Wirbelthiere an Grösse ganz auffallend reducirt
ist, so ist auch der vordere Abschnitt des Palatoquadratum , welcher
die Knochen der Gaumenreihe, Vomer, Palatinum, Pterygoid, umfasst,
schwach entwickelt, besonders im Vergleich zu den davor liegenden,
mächtigen Maxillarknochen. Zwischenkiefer (Praemaxillare oder Inter-
maxillare, im) und Oberkiefer (Maxillare, nix) — beide beim Menschen
zu einem einheitlichen Oberkiefer verwachsen — bilden vermöge ihrer
Ausdehnung fast allein die Grundlage des Gesichts und schicken nach
rückwärts und einwärts die Gaumenfortsätze aus. Durch letztere werden
die Knochen der Gaumenreihe eingeengt ; die Vomer der beiden Seiten
werden zu einem unpaaren, die Nasenscheidewand vervollständigenden,
senkrecht gestellten Knochen zusammengepresst, Palatina und Ptery-
goidea werden rückwärts verlagert. Das Palatiuum betheiligt sich
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554
Wirbelthiere.
WlrMtlule
und Kutre-
mlUten
Gehfm.
noch am harten Gaumen, das Pterygoid nur ausnahmsweise (Cetaceen,
Edentaten); letzteres verliert sogar gewöhnlich seine Selbständigkeit
und schliesst sich dem ihm am meisten benachbarten Knochen der
Schädelbasis, dem Basisphenoid, an; genauer gesagt: es verschmilzt
mit einem Fortsatz desselben (Lamina externa des Processus ptery-
goideus) als die Lamina interna. Im hinteren Keilbein sind somit
ganz wie im Schläfenbein, craniale und viscerale Theile vereint.
In der Wirbelsäule sind die Halswirbel und die Rippen tragenden
Brustwirbel stets von einander unterschieden, meist auch — mit Aus-
nahme der Cetnccen Lendenwirbel, Sacralwirbel (2—5, selten bis
und Schwanzwirbel. Auch ist die Variabilität in den für die einzelnen
Regionen giltigen Zahlen eine beschränk-
tere. Namentlich haben alle
Säugethiere sieben Halswirbel
(darunter Atlas und Epistropheus) ; nur
ganz ausnahmsweise kommen 9 {Bra-
dypus tridncty/us) oder fi {(,'hoioepus
lloffmnnni, alle Manatu&aricn) vor. —
Vom Gliedmaassenskelet interessiren
uns am meisten Schulter- und Becken-
gürtel. Das Coracoid , welches bei
Monotremen noch das Sternum erreicht,
ist sonst zu einem Fortsatz der Sca-
pula, dem Processus coracoideus, einge-
schrumpft. Seltener (bei schnell laufen-
den und springenden Thieren) fehlt die
Clavieula ; dieselbe tritt bei den Mono-
tremen (Fig. 530 Ct) noch an ein gut
entwickeltes Episternum (Ep) , sonst
scheint sie mit dem Sternum zu arti-
culiren; thatsächlich ist sie aber von
ihm stets durch die Cartilagines inter-
articulares, die Reste des Episternum,
sind Darm-, Sitz- und Schambeine vorhanden;
Seite sind ventral unter einander
Fig. y.VX StiTiiuin und Schultor-
gürtvl von < htiithorhijHrhu.« para-
i/oths, linke Haiti«; nur zum Thoil
«largrstellt (aii!* \\'ie<l<Thhciml. St
Manubrium Storni (mImto Kn<k« des
Hrustbeins). Ep F|ii»*t«.'nium, r/('la-
Vapula. <l ( «« Icnkfläilu»,
Co ( V Otracoi«!.
viculu,
für ilen (Murann.
getrennt. Am Becken
Sitz- und Schambeine derselben
vereinigt und umschliessen gemeinsam das Foramen obturatum. Die
Schambeine der linken und rechten Seite treffen in einer Symphyse
zusammen, welche sich selten auch auf die Sitzbeine ausdehnt (Fig. 54!*).
Da sich die Säugethiere im Allgemeinen durch ihre Intelligenz
von den. übrigen Wirbelthieren unterscheiden, ist auch ihr Hirn durch
die Grösse von Grosshirn und Kleinhirn ausgezeichnet (Fig. 540 bis
54.'$). Für das Kleinhirn ist im Gegensatz zu den Vögeln und Fischen
zu betonen, dass die Seitentheile, die Kleinhirnhemisphären {IV), mehr
als der dazwischen gelegene „Wurm" sich an der fortschreitenden Ent-
wicklung betheiligen. Beim Grosshirn kommt in erster Linie der
Manteltheil der Hemisphären in Betracht Die Stirnlappen desselben
wächsern nach vorn über die Lobi olfactorii herüber, welche von dein
vorderen Ende des Hirns mehr und mehr auf die Unterseite rücken. Die
Schläfenlappen dehnen sich links und rechts über die Sehhügel bis an
die Schädelbasis aus. Die Hinterhauptslappen endlich decken nach
rückwärts successive Mittelhirn, Kleinhirn und Medulla oblongata zu.
Da nun die Hauptzunahme der geistigen Fähigkeiten sich innerhalb der
Classe selbst vollzieht, so ergiebt uns das Grosshirn eine aufsteigende
Reihe, welche folgende Zusammenstellung erläutern möge. Bei Mono-
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VII. Säugethiere.
irernen, Beuletthieren, Inscctenfresscm und Nagern (Fig. 540) kommt
vorn der Lobus olfactorius (lo), hinten vielfach noch das Mittelhirn
(III) zum Vorschein; bei Halbaffen, Carnivoren (Fig. 541) und TJngu-
laten ist vorn der Lobus olfactorius, hinten das Kleinhirn (IV) zum
grösseren Theil zugedeckt; bei Menschen und Affen (Fig. f>42) endlich
Fig. .V10. Gehirn de» Fig. Ml. Gehirn »Irr Fig. .VI 2. Gehirn des
Kaninchens (nach Gegen- Fischotter. Paritnt.
1 »nur). (Fig. 541, 542 nach Leuret und Gratiolet.»
/ Grosahirn, /// Mittelhirn |Vor»>orn (jundrigemina), IV Kleinhirn, I' Nachhirn
(Med ulla ohlongata), lo Lobus olfactorius.
sieht man beim Abtragen des Schädeldachs nur die beiden Grosshirn-
hemisphaeren, welche alle übrigen Hirntheile mehr oder minder voll-
kommen von oben verdecken. Weiter ist zu beachten, dass bei den
Wirbelthieren der ersten Gruppe die Oberfläche des Hirns meist glatt
ist, dass bei den übrigen das Wachsthum der Hirnrinde zur Einfaltung
und Bildung von Gyn und Sulei (Hirnwindungen) führt, welche bei
den menschenähnlichen Affen, besonders aber beim Menschen, die
grösste Complication erreichen. Eine nothwendige Folge der Massen-
zunahme des Hirnmantels ist die Vergrösserung der die einzelnen
Regionen verbindenden Nervenstränge, der Commissuren, die sich mehr
und mehr als besondere Hirntheile hervorheben. So werden innerhalb
der Säugethierclasse zwei quere ('ommissuren zwischen linker und rechter
Grosshirnhemisphäre ( H i r n b a 1 k e n und Hirn g e w ö 1 b e , Corpus
callosum und Fornix) deutlich, ferner zwei derbe Stränge vom Gross-
hirn nach den rückwärts gelegenen Hirntheilen, die Crura Cerebri,
endlich ein queres Commissurensystcm unter dem Kleinhirn, der Pons
Varoli, Verbindungen, welche in anderen Wirbelthierclassen noch
nicht mächtig genug sind, um besonders benannt zu werden und auch
bei niederen Säugethieren wie Monotremen und Beutclthurtn noch wenig
zur Geltung kommen.
Das Anwachsen des Grosshirns und Kleinhirns und zwar vorwiegend
in ihren dorsalen Abschnitten führt zu einer mehrfachen Knickung der Hirn-
axe, die sich schon bei Reptilien bemerkbar macht, bei den Vögeln fort-
schreitet und bei den Säwjcthieirn ihr Maximum erreicht (Hirnbeuge). An-
statt in der Richtung des Rückenmarks zu verlaufen, biegt sich in der
Gegend der Medulla oblongata die Hirnaxe ventralwärts (Nackenbeug e \
dann in der Gegend der Varolsbrücke wieder nach dem Rücken zu
556
Wirbelthiere.
(Brfickenbeu ge), um auf der Höhe der Corpora quadrigemina zum
zweiten Mal ventralwärts eingeknickt zu werden (Sch eite lbouge). —
Durch sein Wachsthum übt ferner das Hirn einen äusserst interessanten
Einfluss auf die Beschaffenheit des Schädels aus, indem es — bei den
Vögeln meist noch auf die Gegend hinter den Augen beschränkt — bei
den höheren Säugethieren bis in die Geruchsgegend vordringt. So kommt
es zu einem Anwachsen des Hirnschädels auf Kosten des Gesichtsschädels.
Das Grössenverhältniss beider hat schon Camper als Maassstab der In-
telligenz angesehen und durch den „Camper'schen Gesichtswinkel" zu be-
stimmen gesucht, eine Bestimmungsmethode, welche in der Neuzeit wesent-
liche Verbesserungen erfahren hat.
Unter den Sinnesorganen ist die Nase durch drei Merkmale ausge-
zeichnet; es bildet sieh die äussere Nase als ein von Knorpeln ge-
stütztes, in das Gesicht vorragendes Organ; ferner ist ein harter Gaumen
vorhanden ; drittens gewinnt der Binnenraum eine labyrinthische Ge-
stalt durch Vermehrung und Einrollung der Knochen- und Knorpel-
falten, die schon bei den Reptilien und Vögeln von der Seiten wand
der Nasenkapseln, besonders von den Exethmoidca aus, in den Binnen-
raum hineinragen und Nasenmuscheln heissen. Zur Vergrösserung der
Schleimhautflächen dienen weiterhin sinuöse Ausstülpungen in die be-
nachbarten Knochen, in die Stirnbeine, Keilbeine und Oberkiefer (Sinus
frontales, S. sphenoidales, S. maxillares). — Bei Auge und Ohr sind
die äusseren Httlfsapparate für die Erscheinungsweise der Säugethiere
wichtig, am Auge die oberen und unteren Augenlider, neben denen
die Nickhaut in mehr oder minder rudimentärem Zustand fortbesteht,
am Ohr die von Knorpel gestützte Ohrmuschel und der äussere Ge-
hörgang. Das Gehörorgan ist zugleich in seinen inneren Theilen wesent-
lich umgestaltet ; die Säugethiere sind die einzigen Wirbelthiere, bei
denen die drei Gehörknöchelchen. Hammer, Ambos und Steigbügel,
vorhanden sind (Fig. 4*0) und der Schneckenblindsack des Labyrinths,
der Ductus cochlearis. in 2—4 Spiralwindungen nach Art eines Schnecken-
hauses eingewunden ist (Fig. 77, 47i>).
Bei der Besprechung des Säugcthicrdarms verdient vor Allem die
auf Unterkiefer, Zwischen- und
Oberkiefer beschränkte B e z a h -
nung Beachtung, weil sie sowohl zur
Unterscheidung der gesammten Classe von
anderen Wirbelthierclassen als auch inner-
halb der Classe zur Charakteristik der ein-
zelnen Ordnungen benutzt wird. Wenn wir
Monotrenien, Ellentaten und Cetaceen, bei
welchen die Bezahnung in offenkundiger
Rückbildung begriffen ist, ausser Acht lassen,
so sind vier Merkmale hervorzuheben, welche
sämmtlich darauf hinweisen, dass das Gebiss
der Säugethiere höher entwickelt und daher
einer grösseren Gesetzmässigkeit unterwor-
fen ist als das Gebiss der übrigen Wirbel-
thiere (Fig. f>43). 1) Die Zahl der Zähne
ist mindestens für jede Art, meist sogar für
die Gattung, vielfach auch für die Familie
constant. Wie die Menschen normalerweise 32 Zähne haben, so die
Hunde 42, die anthropoiden Affen 32, die plattnasigen Affen 30 u. s. w.
Fig. 518. Ohhs und Milrh-
gebitt der Katxe. r Eckzähne,
l>* — p* Praemolare, Molare.
Schneidezähne ohne Nummern,
tl bedeutet das Milchgebiß
(aus Boas).
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VII. Säugethiere.
2) Die Zähne sind besser befestigt. Ihr Dentinkörper wird durch
eine leichte Einschnürung in die mit Schmelz bedeckte Krone und die
von Cement (Knochengewebe) umhüllte Wurzel abgetheilt. Die Wurzeln
sind in besondere Höhlungen der Kiefer, die Zahnalveolen , eingekeilt
und entstehen zuletzt, wenn das Wachsthum des Zahns seinem Ende
entgegengeht, so dass bei Zähnen, welche wie die Schneidezähne der
Nager, die Stosszähne der Elephanten, oder die Eckzähne der Schweine
etc. ein dauerndes Wachsthum haben, es niemals zur Bildung einer ab-
geschlossenen Wurzel kommt. 3) Infolge dieser besseren Befestigung
nutzen sich die Zähne nicht so schnell ab und bedürfen nicht des
raschen Ersatzes; es finde t. nur ein ein maliger Wechsel statt,
indem das bei der Geburt vorhandene oder bald darauf sich ent-
wickelnde „Milchgebiss4' — besser Zähne der „ersten Dentition*' ge-
nannt — nach einiger Zeit vom bleibenden Gebiss — Zähnen der
zweiten Dentition — ersetzt wird (diphy o.don te Säugethiere);
in einigen Fällen unterbleibt der Zahnwechsel ganz, sei es, dass die
zuerst angelegten Zähne sich dauernd erhalten (Beutelthicre. Zahnwnlc,
theilweis auch lnsecten fresset), sei es, dass die erste Dentition mehr
oder minder rudimentär wird (Edentaten, manche Nager, Fledermäuse,
Pinnipedier) (m o n o p h y o d o n t e S.). Als Seltenheit wurden Reste von 1,
vielleicht sogar 2 weiteren Dentitionen beobachtet. 4) Innerhalb der Zahn-
reihe hat sich eine Arbeitstheilung vollzogen und hat zu Unterschieden in
der Gestalt und der Bewurzelung der Zähne geführt (Anisodontie oder
H c tero d o n t i e) ; die Zähne de* Zwischenkiefers und ihre Antagonisten
im Unterkiefer sind einwurzelig, haben 'meist Meisselgestalt und heissen
daher Schneidezähne, Dentes incisivi, ein Namen, den sie bei-
behalten, auch wenn ihre Kronen wie bei Insectivoren (Fig. f>0">) nadel-
artig zugespitzt sind. An die Dentes incisivi schliesst jederseits oben
und unten der Dens caninus, der Eckzahn (c) an, ein ebenfalls ein-
wurzeliger, gewöhnlich conisch zugespitzter Zahn (wahrscheinlich ein
modificirter Praemolar). Nach aussen von ihm folgen die Backzähne,
breite, mchrwurzelige Zähne mit höckeriger Mahlfläche; sie sind stets
nur zum Theil — ■ die vordem — im Milchgebiss angelegt, während die
hintern erst im bleibenden Gebiss auftreten und daher gar nicht ge-
wechselt werden. Auf Grund dieser Entwicklungsweise unterscheidet
man zweierlei Backzähne, die im Milchgebiss vorgebildeten Prae-
molar es oder Lückzähne (falsche Backzähne) und die nicht vorge-
bildeten Molares oder echten Backzähne. — Aus dem Gesagten folgt
mit Notwendigkeit, dass man eine jede Säugethierart nach der Be-
schatfenheit ihres Gebisses wird charakterisiren und diese Charakte-
ristik in eine kurze Zahlenformel wird zusammenfassen können. Man
hat nur nöthig, die Zahlen der vier oben genannten Zahnformen —
die des Oberkiefers und Unterkiefers durch einen horizontalen Strich
getrennt — in ihrer natürlichen Reihenfolge aufzuführen. Bei der
Syirtmetrie beider Körperseiten bedarf es nur der Angabe für eine
Seite, wobei man mit den Schneidezähnen beginnt und im Fall, dass
eine Zahnsorte fehlen sollte, den Defect mit einer 0 bezeichnet. Die
Zahnformel des Menschen würde demnach lauten: |}f-y, die der Rinder,
denen im Oberkiefer die Schneide und Eckzähne fehlen: —
verschiedenen Zahnformeln der Säugethiere (mit Ausnahme der Mono-
tremeri) lassen sich auf eine Gruncfrormel, aus der sie der Hauptsache
nach durch Rückbildung entstanden sind, zurückführen. Dieselbe lautete
wahrscheinlich: fHi-
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558
Wirbelthiere.
Die Backzähne unterliegen je nach der Nahrung am meisten einem
Wechsel der Form. Als Ausgangsform können wir das Gebiss omnivorer
Thiere betrachten , bei denen die Krone mehrere stumpfe Höcker besitzt
(punodontes Gebiss). Bei animalischer Nahrung (Fig. 543, 551) sind die
Höcker der Krone zugespitzt und schneidend (secodontes G. der Inseiiivoren
und Camivoren) ; ist die schneidende Kante aussergewöhnlich scharf und
auf ihrer Innenseite noch ein besonderer Höcker vorhanden, so spricht
man von einem Reisszahn (D. 1 a c e r a n s der Carnivoren). Bei pflanz-
licher Kost werden die Höcker unter einander durch quere Kämme (Joche)
verbunden (lophodonfcs und seknodontes G.). Indem die Höcker und Joche
theilweise abgeschliffen und die Furchen zwischen ihnen mit Cement aus-
gefüllt werden, entstehen breite Mahlfläehen, deren Festigkeit, hauptsäch-
lich durch die der Abnutzung am meisten Widerstand leistenden Schmelz-
Überzüge der Höcker und Joche bedingt wird. Diese dringen von der
äusseren Schmelzmauer des Zahns als Falten nach innen vor; indem die
Falten sich abschnüren, können auf der Mahlfläche Schmelzinseln ent-
stehen (Dentes complicati der üufthierc). Wenn die Schmelzfalten in regel-
mässigen Abständen von innen und aussen in den Zahn vordringen und
in der Mitte zusammentreffen, so zerlegen sie ihn in zahlreiche aufeinander
folgende, durch Cement verbundene Blätter (zusammengesetzte Zähne der
Elephanten [Fig. 608] und mancher Nager).
Palaeontologische Untersuchungen, mit denen auch neuere entwick-
lungsgeschichtlichc Erfahrungen übereinstimmen, haben zu dem Resultat
geführt, dass in der Bildung der Heekes bei den Backzähnen eine grosse
Gesetzmässigkeit herrscht. Man unterscheidet triconodonte und trituber-
culare Zähne, je nachdem drei Höcker in einer Reihe oder in Form eines
Dreiecks gestellt sind , endlich multituberculare Zähne mit zahlreichen
regellosen Höckern. Sicher ist, dass die tritubercularen Zähne von tri-
conodonten abgeleitet werden müssen und dass sie selbst wieder zum Aus-
gangspunkt für die Zahnformen der reeenten Säugethiere wurden, indem
secundäre Höcker entstanden ; dagegen wird darüber gestritten, ob die
multitubercularen Zähne Vorläufer oder Abkömmlinge des tritubercularen
Typus sind. Ferner ist strittig, ob die Mehr- und Vielhöckerigkeit aus Ver-
schmelzung kleinerer kegelförmiger Zähne entstanden ist, oder dadurch,
dass ein Kegelzahn secundäre Spitzen entwickelte. Die Bildung der Höcker
erfolgt bei den Prämolaren in anderer Weise, als bei den Molaren. Da
erstere meist auch einfacher gebaut sind, gründet sich die Unterscheidung der
beiden Formen der Backzähne nicht ausschliesslich auf ihre Entwicklungs-
geschichte, sondern auch auf ihren Bau. Dies ist wichtig, weil es vor-
kommt, dass Prämolaren nicht gewechselt werden (Deuidthierey manche
InscHiroren und Nwjer) und dass andererseits hinter den Molaren Anlagen
von Ersatzzähnen auftreten. Letzteres beweist, dass die Molaren streng
genommen nicht der zweiten, sondern gemeinsam mit dem Milchgebiss der
ersten Dentition angehören. Sie sind verspätet angelegte und daher bleibend
gewordene Theile der ersten Dentition.
)to>uon»- im Athmungsapparat ist am wichtigsten die Anwesenheit eines
HenJ kräftigen, bei anderen Wirbelthieren nur in seinen Anfängen erkenn-
baren Zwerchfells oder Diaphragma, welches die Leibeshöhle
in eine Brust- und Bauchhöhle sondert. In der Brusthöhle liegen
Oesophagus, Herz mit Herzbeutel, vor Allem Trachea, Bronchien und
Lungen, in der Leibeshöhle alle übrigen, vegetativen Organe. Die
Scheidewand ist musculös und in die Brusthöhle hinein kuppelformig
gewölbt; bei der Contraction des Zwerchfells muss sich seine Wölbung
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VII. Säugethiere.
559
abflachen und der Raum der Brusthöhle sich erweitern. Das führt zur
Ausdehnung der an der Brustwand luftdicht anschliessenden Lunge
und damit zur „Inspiration", während beim Erschlaffen des Zwerch-
fells die Lungen, ihrer Elasticität folgend, sich zusammenziehen und
einen Theil der Luft austreiben (Exspiration). Ausserdem kann Heben
des Brustkorbs die Inspiration, Senken die Exspiration unterstutzen.
— Die Athmungswege (Fig. 481) beginnen mit dem zur Stimmbildung
dienenden Kehlkopf; auf ihn folgt die Trachea, welche sich in einen
linken und rechten Bronchus gabelt; jeder Bronchus verästelt sich
fortgesetzt, bis die kleinsten Bronchien entstehen, welche mit Aus-
sackungen, den zur Athmung dienenden Lungenbläschen, bedeckt sind.
— Das Herz der Säugethiere (Kammer und Vorkammer) ist in eine
linke und eine rechte Hälfte getrennt; ebenso wird frühzeitig im Era-
bryonalleben die anfänglich einfache Aorta ascendens in eine venöse,
dem rechten Herzen entspringende A. pulmonalis und in eine arterielle
Aorta ascendens zerlegt, welche aus der linken Herzkammer entspringt.
Zum Unterschiede von Reptilien und Vögeln wird der linke Ar-
terien bogen zum arteriellen Aortenbogen, während der rechte ver-
loren geht.
Für die systematische Eintheilung der Säugethiere hat das U r o - ^JJjJjJJ1*
genitalsystem die allergrösste Bedeutung gewonnen (Fig. 544).
Dasselbe besteht auf frühen Stadien des Embryonallebens in beiden
Geschlechtern überall im Wesentlichen aus denselben Theilen: aus
der zuerst sich anlegenden Urniere (Wolffschem Körper W.) und der
später auftretenden, bleibenden Niere (im Schema auf der folgenden Seite
nicht eingezeichnet), aus der als Allantois sich in die Embryonalhäute
erstreckenden Harnblase (4 und 5) und aus drei Ausführgängen, Müller-
schen oder Vornierengängen (ml, WolfTschen oder Urnierengängen (w) ;
und den Gängen der bleibenden Nieren oder den Ureteren (3). Die
Ausführgänge münden sämmtlich nicht mehr in den Darm, sondern in
die Harnblase (im weiteren Sinne), der Ureter in den Grund (Fundus)
der Harnblase, WolfFsche und Müllersehe Gänge in ihre Sinus uro
genitalis genannte untere Verlängerung (u<t). Auf dem Wölfl" sehen
Körper lagert in der Leibeshöhle die Geschlechtsdrüse (ot). In der
vorderen Wand des Sinus urogenitalis liegt ein Körper aus schweli-
barem Gewebe, der Geschlechtshöcker icp), welcher beim weiblichen
Geschlecht klein bleibt (Clitoris), beim männlichen Geschlecht sich ver-
grössert und die Grundlage des Penis liefert. Da der Sinus urogeni-
talis von vorn in den Enddarm (i) mündet, ist embryonal stets eine
Cloake (cl) vorhanden , welche sich bei den Monolremen auch dauernd
erhält, sonst aber durch Ausbildung einer Scheidewand, des Damms,
in den vorderen Sinus urogenitalis und den hinteren Afterdarm zer-
legt wird.
Aus dieser indifferenten Anlage lässt sich leicht der männliche 0^SXtl
Apparat ableiten, der sich ziemlich gleichförmig bei den meisten owe.
Säugethieren verhält (Fig. 545). Geschlechtshöcker und Sinus urogeni-
talis wachsen gemeinsam aus und erzeugen den von der Harnröhre
durchsetzten Penis. Die Müller'schen Gange schwinden und aus Wolff-
schem Gang und Wolffschem Körper entstellt der Ausführweg des
Hodens: Vas deferens und Nebenhoden. Mit Ausnahme der ftfonotremen
tritt eine Verlagerung der Hoden von ihrer der Lendengegend an-
gehörigen Ursprungsstätte ein : sie erfolgt nach abwärts längs eines zur
Haut der Leistengegend ziehenden Bandes (Gubernaculum Hunteri) und
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5GÜ
Wirbelthiere.
ist unbedeutend bei den Cctaceen, Elephantcn und manchen Edentafen:
vielfach aber erreicht sie einen solchen Grad, dass die Hoden die Bauch-
höhle verlassen und in peritoneale Bruchsäcke zu liegen kommen,
welche in die Umgebung des Penis, in die Genitahvülste (Fig. 544 Is)
oder den Hodensack ausgestülpt werden. So lange der Bruchsack
(Scheidencanal) sich nicht abgeschnürt hat, kann der Hoden zur Zeit
der Gesehleehtsthütigkeit, der Brunst, in die Leibeshöhle zurückgleiten,
(bei Bcutelthieren, Nagern, Insedenfressern etc.), was durch Verwachsung
der Wände des Scheidencanals bei sehr vielen Säugethieren wie dem
Menschen unmöglich gemacht wird. Anhänge des männlichen Ge-
schlechtsapparats sind die Samenbläschen (an den Samengängen), ein
Best des Müller'schen Ganges (Uterus masculinus) und die Prostata, ein
reichlicher Drüsenbesatz am Sinus urogenitalis.
■52Srt *ni w e ' k ' ' c n e 11 ( * e 8 c n 1 c c n * bilden sich allgemein der Wolff-
«pm^BChe Körper und Gang zurück; der Geschlechtshöcker und der Sinus
urogenitalis bleiben klein ; die Ovarien erfahren eine geringe Verlage-
rung und treten nicht aus der Leibeshöhle heraus, die Müller'schen
Gänge endlich werden zu den Ausführwegen. In der Art, wie letzteres
Fig. ."»14. Schema des Urogenitalsystems
eines Singethiers auf frühem Stadium (aus
Half« >ur nach Thomson). Ventrale Ansieht,
nur Harnblase, Cloake und Genitalhöcker in
Profilstellung gebracht. .9 Ureter, 4 Harnblase,
.7 Verlängerung der letzteren zur Allantois
(U melius), ng Sinus urogenitalis, rt Cloake, *
Enddarm, rp Genitalhöeker , fs Anlage des
Hodensieks (der «rossen Schamlippen», ot
Geschlechtsdrüse. II' Wolff scher Körper, x
dessen oberes Ende, ic Wolffsehe Gänge, m
Müller sehe Gänge, gn Vereinigung beider
zum Genitaist rang.
Fig. 54">. UrogenitAlsystcm
des männlichen Bitters (au* Hlan-
ehard). o Harnblase mit l're-
teren, « Hoden, m Samenleiter,
/ Samenbläsehen , A- Cowpersche
Drüsen, i Corpora envernosa des
Penis, c Eichel des Penis, a Biber-
geilsäeke , b deren Mündung in
den aufgeschnittenen Vorhau t-
canal, </ Mündung des Vorhaut-
canals, e Analdrüsen , f deren
Mündung, g After, h Schwani-
wurzeL
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VII. Säugethiere.
geschieht, ergeben sich grosse, systematisch wichtige Unterschiede. Bei
den Monotremen münden beide Gänge völlig von einander getrennt in
den Sinus urogenitalis ; sie sind nur in zwei Theile differenzirt (Fig. 546),
in die durch weite Ocffnungen (o) mit der Leibeshöhle in Verbindung
stehenden Eileiter (0 und die Uteri («). Bei den Beutelthieren (Fig. 547)
nie , «' Mündung desselben in den
Sinus urogenitalis , dazwischen die
Harnblasenmündung , vu Harn-
blase, sug Sinus urogenitalis, cl
Cloake.
Fig. 547. Urogenitalsystem eines weib-
lichen Kängurus ^aus Gegenbau r). or Ovar,
od Üviduct, u Iterus, ou Mündung dem-
selben in die Vagina, f verschmolzenes
oberes Ende der linken und rechten Va-
ginen, et getrennte untere Abschnitte der-
selben , et/g Sinus urogenitalis , ni Harn-
blase, * Mündung derselben in den Sinus
urogenitalis, ur Creteren.
unterscheidet man drei Abschnitte, ausser Eileiter (od) und Uterus (u)
noch die Scheide (cv) ; ferner bahnt sich bei ihnen eine Verschmelzung
der MüllerVhen Gänge der linken und rechten Seite an. Die oberen,
an den Uterus angrenzenden Enden der beiden Scheiden nähern sich
und verwachsen bei einem Theil der Arten zu einem unpaaren Blind-
sack (/); von da aus
trennen sich die henkel- a B c
artig gestalteten unteren
Enden (cv) von Neuem,
um jedes für sich in den
Sinus urogenitalis zu
münden. Die bei den
Beutelthieren vorberei-
tete Verschmelzung bei-
der Scheiden ist bei allen
placentalen Säugethieren
zu Ende durchgeführt
und sind dadurch Scheide und Sinus urogenitalis ein einheitlicher Canal
geworden (Fig. 548). Dagegen kann der Uterinabschnitt der Müller-
schen Gänge noch getrennt sein (A. Uterus duplex vieler Nagethiere)
oder er ist theilweise verschmolzen (B. Uterus bicornis der Insecien-
HertwU, Lehrbuch der Zoolotfo. 3. Auflage. 3(J
Fig. 518. Ä Uterus duplex, B Uterus bicornis,
C Uterus siniplex (aus Gegenbaur). od Üviduct, «
Uterus, v oberes Ende der Vagina,
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Wirbelthiere.
/Vesser, Wale, Huf- und Raubthiere) oder vollkommen einheitlich (C.
Uterus simplex bei Affen und Menschen).
Wir haben soeben drei verschiedene Grundformen des weiblichen
Geschlechtsapparats kennen gelernt, insofern die Scheide entweder
noch nicht differenzirt ist (Omithodelphier) oder doppelt (Didelphie> i
oder einfach und unpaar ist (Monodelphier). Diesen drei Typen ent-
sprechen drei verschiedene Arten der Fortpflanzung. Die Ornitho-
dclphier sind eierlegend, die DideJphier und Monotlelphier sind zwar
beide lebendig gebärend, unterscheiden sich aber durch die Dauer der
Tragzeit. Die Eier aller lebendig gebärenden Säugethiere sind so
klein (ca. 0,2 mm , dass sie eine totale, nahezu äquale Furchung er-
leiden. Derartige Eier bedürfen der Ernährung durch die Mutter, um
einen Organismus von dem complicirten Hau eines Säugethieres zu
liefern. Da nun bei den Didelphiern die Ernährung im Uterus eine
sehr unvollkommene ist, ist auch die Tragezeit eine sehr kurze; sie
beträgt, wenn wir Thiere von gleichem Körpergewicht in Vergleich
stellen, nicht einmal so viele Wochen, wie Monate bei den Monodelphiem,
weil bei letzteren sich die Ernährungsbedingungen für den Embryo durch
Bildung der Placenta wesentlich vervollkommnet haben. Dement-
sprechend werden bei den Didelphiern den „Aplacentalien", die Em-
bryonen in einem ausserordentlich viel unvollkommneren, hilfsbedürf-
tigeren Zustand geboren und sind von viel geringerer Körpergrösse
als bei den Monodelphiem, den " Placcntalien" .
Die Sorge für die Nachkommenschaft ist allen Säugcthieren gemein
und wird vorwiegend oder ausschliesslich vom Wreibchen ausgeübt, welches
seine Jungen nicht nur mit dem Seeret der Milchdrüsen säugt, sondern
auch gegen Angriffe vertheidigt und in warmen, wenn auch meist wenig
kunstvollen Nestern unterbringt. Dio meisten Säugethiere sind monogam,
andere sind polygam, bei dritten kommt es überhaupt nicht zum dauernden
Zusammenleben der Geschlechter. — Die Körpertemperatur ist eine con-
stante (Homoeothermu». Warmblüter) und beträgt circa 3<j — 41° C [bei
Echtdna nur 23°). Um sie aufrecht zu erhalten, bedürfen die meisten
Säugethiere einer andauernden Ernährung. Von dieser Regel machen nur
wenige eine Ausnahme, wie Bären, Dachse, Siebenschläfer, Murmelthterc etc..
die in der kalten Jahreszeit einen Winterschlaf unterhalten und dann keine
Nahrung mehr zu sich nehmen. In diesem Falle tritt stets in Folge des
herabgesetzten Stoffwechsels eine Abnahme der Körpertemperatur ein.
I. Unterciasse und Ordnung.
Monotrcmen, Cloakenthlere, Orntthodelphler, Oromammalien.
Beschränkt auf Australien und Neuguinea leben wenige eigen-
thümliche Säugethierarten, die sich auf die drei Gattungen Echxdnn,
Proechidna und Omithorhynchus vertheilen und sich schon dadurch
von allen übrigen Säugethieren unterscheiden, dass sie dotterreiche,
etwa 1 cm lange, weichschalige Eier legen. Letztere erfahren schon
im Uterus des Weibchens die discoidale Furchung, werden dann aber
weiter ausgebrütet, von Omithorhynchus in einem Nest, von Echidna
in einem zur Zeit der Fortpflanzung sich bildenden Brutbeutel am
Bauch. Die jungen Thiere werden beim Verlassen der Eischalen von
der Mutter gesäugt und zwar mit dem Secret von Schweissdrüsen, die
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VII. Säugethiere: Monotremen.
5(53
auf einem vertieften, einen Theil des Brutbeutels bildenden Feld der
Bauchhaut, der Mammartasche, münden und zum Unterschied von den
Milchdrüsen der übrigen Säugethiere Mammardrüsen heissen, weil sie
nicht wie jene modificirte Talgdrüsen sind. Weitere Unterschiede zu
den übrigen Säugcthieren, welche zugleich Aehnlichkeiten zum Theil
mit den Reptilien, zum Theil mit den Vögeln darstellen, sind die starke
Ausbildung des Episternum und der das Sternum erreichenden Cora-
coidea (Fig. 539), die Cloakenbildung in beiden Geschlechtern und die
specifisch vogelähnliche Beschaffenheit der weiblichen Geschlechts-
organe {Ornilhodelphia) , an denen das
linke Ovar kräftiger ausgebildet ist und
ein Unterschied von Uterus und Scheide
noch fehlt. Alles das darf uns nicht
vergessen lassen, dass die Monotremen
das Haarkleid, die Schädelbeschaffenheit
und den Sinus urogenitalis echter Säuge-
thiere haben und in der Anwesenheit
der Beutelknochen auf dem Becken (Fig.
549) sogar eine nähere Verwandtschaft
mit den Beutelthieren bekunden. —
Dentinzähne fehlen bei ausgebildeten
Thieren; doch finden sich bei jungen
Ornithorhynchen im Ganzen noch IG kleine
vielhöckerige Backzähne, welche später
von breiten Hornplatten ersetzt werden.
— Die Männchen besitzen einen Sporen
mit einer Drüse an den Hinterfüssen,
der in eine correspondirende Vertiefung
am Schenkel des Weibchens passt und
wahrscheinlich bei der Begattung eine Rolle spielt.
1) Echidniden, Ameisenigel; Körper mit Stacheln bedeckt, Schnauze
verlängert, zahnlos, mit wurmformiger Zunge, die zum Insectenfang dient ;
die meist fünfzehigen Füsse mit starken Scharrkrallen. Echidna histrix
Cuv., Australien, E. setosa
Cuv., Vandiemensland. mmtvn
Procchidna bntijni Pet.
u. Dor., Neuguinea. —
2) OrnUhorhynctüden,
Schnabelthiere ; zahnlose,
im Wasser „grundelndo",
dicht behaarte Thiere
mit Hornscheiden an den „Ä Ä M , , _ ,
Kiefern, welche an einen Fl£' 55°- Ormthorynchus paradoxus (aus Schmarda).
Entenschnabel erinnern,
und mit 4 Paar zahnartigen Hornplatten ; die fünfzehigen Füsse mit breiter,
besonders an den Vorderfüssen gut entwickelter Schwimmhaut. Ornitho-
rhynchus paradoxus Blbch., in Südaustralien (Fig. 550).
des
Fig. .">49. Linksseitige Ansicht
Beckens von Ornithorhunchus
paradoxus (aus Wietersheim). //
Ileum, Is Os ischü , P Ob pubis,
Om Os marsupialc.
II. Unterclasse.
Marsupialier, Didelpbier, Beutelthlerc.
Die Beutelthiere sind wie die übrigen Säugethiere lebendig ge-
bärend. Ihre Eier sind klein, haben eine totale Furchung und ent-
36*
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5<J4
Wirbel thiere.
wickeln sieb im Uterus der Mutter, indem sie durch Ausscheidungen
von der Wand desselben ernährt werden. Da aber noch keine innigere
Vereinigung mit der Uterusschleimhaut zu Stande kommt, fällt die Er-
nährung ungenügend aus, und werden die jungen Thiere in völlig hilf-
losem Zustand geboren. Sie werden daher von der Mutter noch längere
Zeit im Marsupium getragen, einem durch eine Hautfalte gebildeten
Beutel in der unteren Bauchgegend, an dessen Grund die Zitzen der
Milchdrüsen münden. Zur Stütze der Bauchdecken dienen die Beutel-
knochen, schlanke Knochenstäbe, welche links und rechts von der
Symphyse auf dem Schambein aufsitzen. Weitere sehr charakteristische
Merkmale des Beutelthierskelets sind der Winkel des Unterkiefers,
welcher hakenartig nach innen eingebogen ist (Fig. 551 «), und der
rudimentäre Zahnwechsel. Bei
den Beutelthieren bleiben die
Zähne der ersten Dentition
(Milchgebiss und Molares) im
Wesentlichen erhalten. Nur
Praemolar 3 wird gewechselt
und durch einen Zahn der
„, T. . , . , „.. , zweiten Dentition ersetzt. Doch
J-iir. ;>ol. I nterkiefor von Ihylacinus ryno- . . . , , .
crp/Jus von innen, a der für die UeuMtlm-n' hnden slch a,uch hinter anderen
charakteristische Untcrkioferfortsatz ; <•</ lielenk- Zähnen (selbst hinter Molar-
fläche mach Flower). Zähnen) rudimentäre Anlagen
der zweiten Dentition. Ferner
ist es sehr wahrscheinlich, dass ein Schneidezahn der zweiten Dentition
sich vollkommen entwickelt und in die Reihe der Milchzähne rückt, ohne
einen derselben zu verdrängen, wodurch die Zahl der Schneidezähne bei
vielen Beutlern auf 5 in jeder Kieferhälfte erhöht wird. — In Folge mangel-
hafter Ausbildung des Damms ist die Cloake durch eine grubenförmige
Vertiefung, in welcher Urogenitalapparat und Darm münden, noch
schwach angedeutet. Oviducte und Uterus der linken und rechten
Seite sind vollkommen getrennt, die Scheiden dagegen können eine
Strecke verschmolzen sein, um sich von Neuem zu trennen (Fig. 547».
so dass sie stets unabhängig von einander in den Sinus urogenitalis
münden (Didelphier). Mit der paarigen Beschaffenheit der Scheide
hängt es zusammen, dass auch der Penis des Männchens am Ende
zweigeteilt ist.
In der Secundär- und Tertiärzeit waren die Bentelthiere über den
ganzen Erdball verbreitet, wurden aber immer mehr von den placentahn
Säugethieren verdrängt und erhielten sich nur in Resten (Familie der
Beutehnttcn) in Amerika und in reichlicher Entfaltung in Australien. In
Australien konnten sie fortexistiren, weil in diesem frühzeitig von den
übrigen Continenten abgelösten Erdtheil die Ausbildung placentaler Säuge-
thiere unterblieb. Letztere fehlen in Australien mit Ausnahme der von dem
Menschen eingeführten Formen und von solchen Arten, welche, wie 3fäuse,
Fledermäuse, Robben leicht von Insel auf Insel überwandern. In ihrem
jetzigen Verbreitungsgebiet haben die Beutelthiere in Anpassung an ähn-
liche Existenzbedingungen eine völlig analoge Entwicklung genommen wie
die placentalen Siiugethiere auf dem übrigen Erdball, so dass man zu den
Ordnungen der letzteren (Raubthieren, Nagethieren, Insectenfressern, Huf-
thieren) vollkommene Parallelgruppen aufstellen kann.
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VII. Säugetbiere: Zoophagen, Phytophagen, Placentalier. 565
II. Ordnung. Zoophagen, Fleisch beutler.
Zahlreiche Beutelthiere — darunter die ältesten Formen — haben
ein auf thierische Nahrung eingerichtetes Gebiss: stark entwickelte
Eckzähne und spitzhöckerige Backzähne (Fig. 551). Genauer betrachtet
erinnern die Zähne und so auch das ganze Aeussere der Thiere bald
mehr an Raubthiere, bald mehr an Insectenfresser.
1) Raubbeutler sind die Dasyuridcn: Dasyurus vivarinus Geoffr., der
Beutelmarder, und die selbst grösseren Säugethieren gefahrlichen Beutel-
bären, Sarcopkilus ursinus GeoÜr., und Beutelwölfe, 'lhylacimis cynwepliahis
A. Wagn. — 2) Insectivorcnähnlich sind die Permncliden : Peramelcs nasutus
Geoffr. — 3) Dem Gebiss nach den Raub beutlern ähnlicher als den In-
sectivoren sind die atif Amerika (vorwiegend Südamerika) beschränkten
Didelphyiden oder Beutelratten, charakterisirt durch den Greiffus, welcher
mit seinem opponirbaren Daumen an den Greiffuss der Affen erinnert.
Didelphys virginiatm Shaw., Opossum, über Nord- und Südamerika verbreitet.
III. Ordnung. Phytophagen, Pflanzenbeutler.
Die herbivore Ernährungsweise spricht sich bei den Pflanzen-
beutlern vor Allem in der Rückbildung der Eckzähne aus, welche im
Unterkiefer gewöhnlich fehlen und im Oberkiefer mindestens sehr klein
bleiben. Ferner trägt der Unterkiefer nur zwei Schneidezähne von ganz
auffallender Grösse.
1) Die Stelle unserer Nagethiere nehmen die Phascolomyiden ein:
Pfiascolomys Wvnibat Per. et Les., keine Eckzähne, jederseits im Ober- und
Unterkiefer nur 1 langer Schneidezahn (vergl. Rodentien). — An die
Hufthiere erinnern die heerdcnweise auf Wiesen weidenden Macropodideti,
Springbeutler, bei denen jederseits 3 Schneidezähne und 1 kleiner Eckzahn
im Oberkiefer stehen. Bei der Kleinheit der Vorderextremitäten sind die
Thiere gezwungen, mit Hilfe ihres kräftigen Schwauzes und der starken
Hinterbeine zu springen. Maeropus gigantcus Shaw., Riesenkänguruh. — Am
wenigsten ausgesprochen ist das herbivore Gebiss bei den Phalangisfiden,
welche nach Art der Eichhörnchen vorwiegend von Früchten leben. Petaurvs
sc-iureus Desm., Beuteleichhorn, mit einer Flughaut, welche vordere und
hintere Extremität verbindet.
III. Unterclasse.
Placentalier.
Der Grund, weshalb wir die Säugethiere der alten Welt und die
überwiegende Mehrzahl der in Amerika lebenden Formen als „Placen-
talier" zusammenfassen, ist zunächst ein entwicklungsgeschichtlicher,
die Anwesenheit derPlacenta. Wenn sich beim Embryo Serosa.
Amnion und Allantois entwickelt haben, breiten sich die Gefässe der
letzteren in der äusseren Hülle unter der Serosa aus und bilden mit
dieser das Chorion, welches in die ausserordentlich blutgefässreich
gewordene Uterusschleimhaut der Mutter verästelte Zotten eintreibt,
um aus ihr Nahrung zu saugen, wie ein Baum mit seinen Wurzeln
Nahrung aus der Erde saugt. So entsteht das Chorion frondosum, die
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566
Wirbelthiere.
diffuse Placenta (Fig. 552), welche bei den Celomorphen, Perisso-
dactylen und manchen Artiodadylen bis zum Ende des Embryonal'
lebens beibehalten wird , bei den
übrigen Säugethieren aber den ver-
besserten Einrichtungen der PI. co-
tyledonaria, PI. discoidalis und zo-
naria Platz macht. Den letzteren
ist gemeinsam, dass das Chorion an
den meisten Stellen seine Zotten ver-
liert (Chorion laeve). an bestimmten
Stellen aber sie dafür um so kräftiger
entwickelt. Diesen zotten reichen Stellen
(PI. foetalis) entsprechen Stellen der
Uterinsc.hleinihaut , die durch ihren
enormen Blutgefässreichthum von der
Umgebung abstechen (PI. uterina.
Die Placenta cotyledonaria (die meisten
Wiederkäuer) besteht aus vielen klei-
nen derartigen Placentarstellen, den
Cotyledonen (Fig. 5f>.'J), die PI. zonaria
und discoidalis jedesmal aus einem
einzigen Herd, welcher im ersteren
Fall ( ltaubthiere) wie ein breiter Gür-
tel die tonnenförmige Frucht umgicht,
Rest der Säugethiere) eine Scheibenform hat. Durch
Fig. 552. Schema einer jungen
Saugethierfrucht mit Chorion fron-
doeum ; am Amnion, ah Amnionhöhlc,
as Nabelschnur, r Raum zwischen
Clu »rinn und Amnion, ch Chorion,
sh Senxsü, chx Chorionzotten, al Al-
lantois, ds Dottcraaek, dy Dottergang.
im zweiten Fall
diese Beschränkung
diese Verletzung in eine
Verschluss durch die
wird (Dcciduaten).
der Nährvorrichtungen auf einen eng begrenzten
Bezirk wird die corre-
spondirende Partie des
Uterus , die ebenfalls
ring- oder scheibenför-
mige Placenta uterina,
viel intensiver umgeän-
dert, als bei der PL diffusa
oder selbst der PI. coty-
ledonaria. Während bei
letzteren beiden zum
Schluss desGebäracts sich
die Placentarzotten aus
der Uterinschleimhaut
herausziehen lassen, ohne
dass diese dabei verletzt
wird (Imlcciduatcn), wird
bei der Ring- und Schei-
benplacenta gewöhnlich
der oberflächlichste Theii
der Schleimhaut, die hin-
fällige Haut oder Deeidua.
mit abgelöst und die
Placenta uterina durch
blutende Wunde verwandelt, deren
Contraction des Uterus angebahnt
Fig. .">."»:$. Trächtige Ciebännuttcr einer Kuh geöffnet
(aus Bulfuur nach Colin). V Vagina, U Uterus, Ch
Chorion, C Cotyledonen iler Utennplaccnta, Coty-
ledonen der Fötalphieeuto.
grosse
energische
Da der Säugethierembryo
bei der Geburt mit der Placonta foetalis
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VII. Säugethiere: Edentaten, Cetomorphen.
567
und den übrigen Abschnitten der Eihäute durch die Nabelschnur (Funi-
culus umbilicalis) zusammenhängt, rauss er von ihr gelöst werden,
was bei den Thieren durch Abbeissen von Seiten der Mutter geschieht.
Ein dabei am jungen Thier verbleibender Rest der Nabelschnur wird
durch Wundheilung, die zur Bildung des Nabels führt, abgestossen. —
Die besprochenen Unterschiede in der Bildung der Placenta hat man ver-
sucht, systematisch zu verwerthen, indem man Indeciduatm und Deciduaten
und unter letzteren wieder Zono- uud Discoplacentalien einander gegenüber-
stellte; man ist davon mehr und mehr wieder zurückgekommen.
Neben den Placcntaleinrichtungen verdienen bei der Charakteristik
der höheren Säugethiere noch einige anatomische Merkmale Beachtung:
völliger Schwund der Cloakenbucht, unpaare Beschaffenheit der Scheide
und demgemäss auch der Penisspitze, Mangel der Beutelknochen und
des Forsatzes am Unterkieferwinkel. Das Gebiss ist Gegenstand einer
fortschreitenden, divergenten Entwicklung geworden, so dass die Unter-
schiede in den Arten der Bezahnung viel ausgesprochener sind als bei
den Beutelthieren und daher auch in erster Linie zur Abgrenzung der
Ordnungen verwandt werden.
IV. Ordnung. Edentaten, Zahnlücker.
Einige wenige, artenarine Familien werden unter dem Namen
Edentaten, Zahnlücker, zusammen gefasst, weil die Bezahnung fehlt
oder — was viel häufiger zutrifft — in offenkundiger Rückbildung
begriffen ist Nie treten dauernd funetionirende Schneidezähne,
selten (Bradypus) Eckzähne auf; Backzähne können zwar in grosser
Zahl vorhanden sein — Dasypus (Priodon) gigns besitzt nahe an 100
Backzähne — , aber sie sind schlecht bewurzelt, gleichförmig, schmelz-
los und entbehren meist des Zahnwechsels (monoph)rodont). Da das
Capschwein (Orycteropus) und ein Gürtelthier (Tatusia) im Erabryonal-
leben noch ein heterodontes Milchgebiss, in welchem sogar Schneide-
zähne vertreten sind, besitzen, kann der Mangel des Zahnwechsels
nur durch Rückbildung erklärt werden, wie denn überhaupt Rück-
bildung vielfach wohl Ursache der niederen Organisation ist, was die
Beurtheilung der systematischen Stellung der Thiere erschwert. —
Auffällig ist die grosse Zahl der Sacralwirbel, 5—8 bei Faulthieren,
8 — Iii bei Gürtelthieren, 3 — (J bei Scharrthieren.
I. Unterordnung. Effodientim ; Thiere mit kräftigen Scharrkrallen,
langem Schwanz und langer, wurmformiger, klebriger Zunge, mit welcher
sie Ameisen und Termiten aus ihren zerstörten Bauten fangen. Manis
laticaudata Shaw., Schuppenthier, Indien, vollkommen zahnlos, wenn auch
eine Zahnleiste vorhanden ist, mit dachziegelartigen Hornschuppen. Oryc-
teropus mpensis Geoff., Capschwein mit langer Schnauze, borstigem, spär-
lichem Haar, mit kleinen Backzähnen und rudimentärem Milchgebiss,
Afrika. Die wegen ihrer langen Zunge und zahnlosen Kiefer früher
hierher gerechneten Ameisenbären Brasiliens (Mymiccophaga jubata L.)
sind thiergeographisch und nach ihrem Bau viel näher mit den Faulthieren
verwandt.
IL Unterordnung. Oingulalen, Gürtelthiere, ausschliesslich südameri-
kanisch, insectenfressend ; Rücken mit fest gefügten Knochenplatten ge-
panzert ; zahlreiche Backzähne. Dasypus gigas Cuv., latusia hybrida Desm.
Nahe verwandt die riesigen, diluvialen Glyptodonten.
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5<>K
Wirbelthiere.
III. Unterordnung. Bradypoden, Faulthiere, mit spärlichen Zähnen,
rauhem, langhaarigem Fell, kleinem, runden Kopf, rudimentärem Schwanz,
in der Gestalt an Affen erinnernd. Die Thiere hängen sich mit ihren
langen sichelförmigen Krallen an Baumäste, das Laub fressend ; sie sind
wie die diluvialen Riesenfaulthiere (Megatherium Cucieri Desm.) auf Süd-
amerika beschränkt. Bradypus tridaetylm Cuv., mit 9 Halswirbeln, Gholoepus
didaciytus III., mit 6 Halswirbeln.
V. Ordnung. Cetomorphen, Walthiere, Meersäugethiere.
Zwei in ihrem Bau sich wesentlich von einander unterscheidende
Gruppen der Säugethiere, die Seekühe und die Waffische, haben sich
dem Aufenthalt im Wasser so vollkommen angepasst, dass sie auf dem
Land nur vorübergehend oder überhaupt nicht mehr zu leben vermögen.
Dabei sind die Thiere so fischähnlich geworden, dass die Walfische von
Laien vielfach noch jetzt, wie früher von den Fachzoologen, für echte
Fische gehalten werden. Kopf und Rumpf sind gegen einander kaum
abgesetzt, da sich die Halsregion in Folge von Verkürzung und oft
auch Verschmelzung der Halswirbel ausserlich nicht mehr bemerkbar
macht. Die hinteren Extremitäten und das Becken mit Ausnahme
kleiner Darmbeinrudimente fehlen, weshalb auch Sacral- und Lumbai-
wirbel nicht mehr unterschieden sind. Die vorderen Extremitäten sind
flossenförmig und dienen vorwiegend zum Rudern ebenso wie die
Schwanzflosse, welche horizontal gestellt und nur von fibrösem Ge-
webe gestützt ist und daher anatomisch mit der Schwanzflosse der
Fische nicht verglichen werden darf. Die Haut enthält, nur spärliche
Haare, ja bei manchen Walfischen kommt es sogar vor, dass die beim
jungen Thier nur in der Nachbarschaft des Mundes vorhandenen Haare
gänzlich verloren gehen.
I. Unterordnung. Sirenen, Seekühe. Die Sirenen bewohnen das flache
Wasser des Meeres — seltener der Flussufer — und grasen hier die Tang-
wälder mit ihren gewaltigen, von Hornplatten bedeckten Kiefern ab. Die
Bezahnung kann ganz fehlen oder ist mangelhaft. Am häufigsten erhalten
sich die schmelzfaltigen, an das Gebiss der Ungulaten erinnernden Back-
zähne, während die Schneidezähne fehlen oder wenigstens funetionsuntahig
sind und nur beim männlichen Dngong sich als ein Paar kräftiger, beim
Weibchen rudimentärer Hauer im Zwischenkiefer entwickeln. Die Flossen
haben öfters noch Nagel rudimente und stets ein bewegliches Ellenbogen-
gelenk. Die Zweizahl der Milchdrüsen und ihre Lage an der Brust er-
klärt es, wie man die ungeschlachten Thiere für Mischwesen zwischen
Mensch und Fisch hat halten können. Manatus americanus Desm. mit nur
6 Halswirbeln. Hallore Dugong Q.uoy et Gaim., Männchen hat zwei grosse
Stosszähne im Zwischenkiefor. liiiyiina Stellen Cuv., zahnlos, ganz aus-
gerottet.
II. Unterordnung. Cetaeeen , Walfische. Die Fischähnlichkeit der meist
riesigen Thiere wird dadurch gesteigert, dass dieselben das freie Meer be-
wohnen — Inia bolieiensis d'Orb. und Plntnnista gangetiea Cuv. die Flüsse
— , dass ihre von vielen nahezu gleichförmigen Stücken gestützten Flossen
nur noch im Schultergelenk bewegt werden können und dass zur Schwanz-
flosse meist noch eine Rückenflosse tritt. Für den gänzlichen Mangel der
Haare bieten die dicken, subcutanen Fettschichten (Thran) einen Ersatz:
sie erleichtern zugleich das speeifische Gewicht des Körpers ebenso wie
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VII. Säugethiere: Ungulaten.
569
die Fettmassen, welche die lockeren Knochen durchsetzen. Um den Thieren,
während sie Nahrung aufnehmen, das Luftathmen zu ermöglichen, erhebt
sich der Kehlkopf thurmartig in den Rachen und legt sich, umschlossen
vom muskulösen Gaumensegel, an die Choanen an, von denen die Nasen-
gänge fast senkrecht zur paarigen oder unpaaren äusseren Nasenöffnung
aufsteigen. Indem die wasserreiche, mit Gewalt herausgepresste Athemluft
beim Ausathmen („Blasen") sich abkühlt, entsteht eine Fontaine kleinster
Wasserthcilchen , die früher für einen Wasserstrahl gehalten wurde. —
Die Augen sind klein, Ohrmuscheln
fehlen, die Milchdrüsen liegen dicht
an der Geschlechtsöffnung. Die
Zähne sind entweder in sehr grosser
Zahl vorhanden, gleichartig, kegel-
förmig und, da die zweite Dentition
vollkommen rudimentär bleibt, mo-
nophyodont (D e n t i c e t e), oder sie
werden zwar angelegt , frühzeitig
aber wieder resorbirt und durch
die das Fischbein liefernden Barteln
ersetzt (Mysticete). Diese sind
mächtige, bei grossen Thieren bis
zu 4 m lange Hornplatten (Fig. , ,,,,,,
554/^), die mehrere hundert an L *» 454. Quersclmitt durch den Vorder-
„ . . /I . . . . ... köpf eines Bartcmcais (Schema naeh De-
Zahl hinter einander in einer linken iage). b Knorpeliges Senium narium mit
und rechten Reihe vom Gaumen ent- Voiner , i hinteres Ende des Zwischen-
springen und bis zur dicken Zunge kiefers, m ( )l>erki<*fcr , u Unterkiefer, ba
(tu) herunterreichen. Sie entsprechen Bart<?ln' /,,n^-
den queren Gaumenfalten, wie sie
auch sonst bei Säugethieren vorkommen. Am Innen rand ausgefranst, bilden
sie eine Reuse zum Zurückhalten kleiner Meeresthiere (Clio borealis, Pteropode,
und Cctochilus scptentrionalis, Copepode). Der Schlund ist zu eng, als dass
eine Ernährung durch grössere Thiere möglich wäre.
1) Deut treten, Zahnwale: Dclphinus deiphis L., Delphin, Monodon mo-
norents L., Narwal mit einem ca. 2 Meter langen Stosszabn (Veranlassung
zur Sage vom Einhorn), Pltyseter inacroerphalus Lac, Pottwal, 20 m lang, liefert
das Walrat, eine ölartige Masse, die besonders iu einem Hohlraum oberhalb
des Schädels lagert, ferner das Ambra, welches sich im Darm bildet.
2) Mystieeten, Bartenwale, wogen des Fischbeins und des Thrans gejagt:
JBalaena mysticetus 15 m lang, Babicnoptera museuhu 20 m lang. 3) Zcuylo-
donten tertiäre ausgestorbene Thiere mit heterodonter Bezahnung.
VI. Ordnung. Ungulaten, Hufthiere.
Unter dem Namen „Ungulaten" oder „Hufthiere44 sollen hier zwei
Gruppen von Säugethieren vereint werden, welche viele Zoologen als
selbständige Ordnungen neben einander aufführen, die Perissodactylen
und die Artiodactylen. Sie stammen von gemeinsamen Urformen, den
Condylarthren, ab und besitzen eine grössere Summe gemeinsamer
Merkmale. Perissodactylen wie Artiodactylen sind vorwiegend Pflanzen-
fresser; ihre Eckzähne sind selten gut entwickelt, ihre Backzähne zahl-
reich, zum Zermahlen der Nahrung eingerichtet, mehr oder minder ab-
geflacht und vielfach schmelzfaltig. Die Milchdrüsen sind inquinal ; der
Uterus ist zweihörnig, die Placenta eine diffuse, die sich nur bei
manchen Artiodactylen (den meisten Wiederkäuern) zur Cotyledonen-
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57i »
Wirbelthiere.
placenta höher entwickelt. Die Extremitäten dienen fast ausschliesslich
zum meist schnellen Lauf, weshalb das Schlüsselbein im Interesse einer
freieren Beweglichkeit der vorderen Extremität rudimentär ist oder
fehlt und die Füsse vorwiegend nur mit den in Hufen steckenden
Zehenspitzen den Boden berühren (Zehengänger) ; die Extremi-
täten sind ferner vorzüglich eingerichtete Trageapparate des Körpers
und zeigen als solche im Vorderarm und Unterschenkel dieselbe Ten-
denz zu einheitlicher Gestaltung der Knochen, welche wir schon oben
(S. 530) für die hintere Extremität der Vögel besprochen haben. Immer
mehr werden sowohl bei Artiodactylen, als bei Perissodactylen Radius
und Tibia die Hauptstützen der Extremität, die Fibula dagegen rudi-
mentär; die Ulna erhält sich zwar leidlich gut, bald in ganzer Aus-
dehnung, bald nur in ihrem oberen, dem Muskelansatz dienenden Ende,
verschmilzt aber mehr oder minder mit dem Radius. Dieselbe Ten-
denz zur Vereinfachung beherrscht auch das Hand- und Fussskelet,
äussert sich aber in ganz anderer Weise bei den Perissodaclylen, den
Unpaarhufern, als bei den Artiodactylen, den Paarhufern. Bei den
Perissodaclylen fällt die Drucklinie des Körpers genau auf die Mittel-
zche und veranlasst diese zu kräftigem Wachsthum, während die übrigen
Zehen symmetrisch zu dieser Mittellinie verschwinden. Da schon früh-
A. Perissodactylen.
Ii. Artiodactylen.
Fig. 555.
Tapir.
Fig. "mO.
Xashorn.
Fiur. 557.
Pferd,
Fig. 558.
Schwein.
Fig. 559.
Hirsch.
Fig. :»#).
Katneel.
Funkelet der vorderen Extremität. T T'lna. V? Radius, s Scaphoid (Kadiale),
/ Lunatum (Intermedium), '* Triquetrum (Ulnare), p Pisisfornic; tm Trapcziuin, td Tra-
pezoid, tu Capitatuin, u Haniatiim, Rudimente des Metacarjms // und V;
II— V die zweiten bis fünften Finger (naeh Flower).
zeitig die erste Zehe verloren gegangen ist (Fig. 555), wird zunächst
Zehe V (Fig. 556), dann Zehe II und ZU rückgebildet, so dass schliess-
lich nur das Skelet und der Huf der Mittelzehe (Pferd. Flg. 567) er-
halten bleibt, vom Skelet der übrigen Zehen nur Reste (die GrifTel-
beine i/und IV). — Bei den Artiodactylen fällt die Drucklinie zwischen
die Zehen III und IV (Fig. 558), welche gemeinsam den Körper
tragen, daher gleich stark werden und zum Zeichen ihrer einheitlichen
Function verschmelzen, wenn auch nicht die Zehen selbst, so doch die
zugehörigen Metacarpen und Metatarsen (Fig. 559 und 560). Die
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VII. Säugethiere: Ungulaten.
571
Figuren 558—560 zeigen, wie die Zehen II und V (Zehe I ist auch
liier schon früher verloren gegangen) successive schwinden. — Indem
man nun unter Benutzung eines reichlichen paläontologischen Materials
im Einzelnen genauer verfolgte, in welcher Weise sich die Artiodactylen
und Perissodactylen phylogenetisch entwickelt haben, ist man zu dem
Resultat gelangt, dass beide Gruppen divergente Reihen bilden, welche
sich schon an der Wurzel von einander getrennt^ haben. In jeder
Reihe sind die meisten der oben erläuterten gemeinsamen Merkmale
selbständig entstanden, so dass man sagen kann, dass der so einheit-
lich erscheinende Habitus der Ungulaten von Perissodactylen wie Artio-
dactylen unabhängig erworben wurde und somit zum grössten Theil
nur eine Folge convergenter Züchtung ist.
I. Unterordnung. Perissodactylen, Unpaarhufer. Das Gebiss zeichnet
sich dadurch aus, dass die mehr oder minder stark schmelzfaltigen Prae-
molaren und Molaren von gleicher Grösse sind. Das zweite wichtigere
Merkmal der Gruppe ist die dominirende Entwicklung der Mittelzehe unter
Rückbildung der beim Tragen minder betheiligten übrigen Zehen, ein
Process, der bei den drei hierher gehörigen Familien verschieden weit ge-
diehen ist. — 1) Tapiriden: 4 Zehen am Vorderfuss, 3 am Hinterfuss;
Zähne $|xt, Nase rüsselartig verlängert. Tapirus americanus L., 7. indicus
Desm. — 2) lihinocervntidm : 3 Zehen an Vorder- und Hinterfüssen, Zähne
iüTy; auf den Nasenbeinen sitzen 1—2 mächtige, nur aus Horn bestehende
Aufsätze; Haut haarlos, gewaltig verdickt. — Daher wurden die Thiere
früher als Pachydcrmcn mit Elephant und Nilpferd vereint. RJiinoceros
bkomis L. (afriennus), 72. unicornis L. (indicus) ; R tirhorhinus Cuv., behaart,
diluvial. — 3) Equ iden : vorn und hinten nur 1 Zehe, Reste von Zehe 2
und 4 als Griffel beine, Zähne fj-ff. Equus tahaUus L, Pferd; E. asinua
L., Esel, letzterem verwandt E. qjiayga Gmel., E. xebra L.; Bastarde von
Pferd und Esel sind E. mulus , Maulthier (Stute und Eselhengst), und E.
hinnus, Maulesel (Hengst und Eselin).
II. Unterordnung. Artiodactylen, Paarhufer. Abgesehen von der
paarigen Beschaffenheit der Zehen stimmen alle Artiodactylen darin über-
ein, dass die 3 — 4 Praemolaren kleiner sind als die 3 Molaren und auch
nicht mehr überall vollzählig ausgebildet werden. Die Unterordnung ist
viel mannichfaltiger als die der Unpaarhufer , so dass man in ihr zwei
Gruppen unterscheiden mnss: die ursprünglicher gebauten schweineartigen
Thiere (Non - Ruminanticn) und die mehr specialisirten Wiederkäuer (Rur-
minantien).
I. Non Ruminantien. Die Thiere sind omnivor und haben daher ein
vollkommen entwickeltes Gebiss JlJJ-J-J; besonders sind die Eckzähne
oft zu Hauern entwickelt; der Magen ist meist einfach, seltener ist er
schon {THcotyks , Hippopotamus) in 3 Abtheilungen zerlegt, obwohl kein
Wiederkäuen stattfindet. Das Extremitätenskelet ist noch wenig modificirt,
4 Zehen vorhanden, Ulna und Fibula nicht rückgebildet, Metacarpen und
Metatarsen nicht verwachsen. 1) Hippopotamiden . alle 4 Zehen berühren
den Boden, „paehyderme Haut", schwerfalliger Körperbau: Hippojwtamus
amphibimh. 2) Saiden, 2 tragende Zehen, 2 Afterzehen, Haut mit Borsten,
Schnauze rüsselartig verlängert: Sus scrofa L., Schwein, z. Th. noch in
wildem, z. Th. in domesticirtem Zustand (S. domestkus) lebend.
II. Ruminantien. Der ausschliesslich pflanzlichen Nahrung ist Magen
und Gebiss vorzüglich angepasst. Der Magen (Fig. 561) zerfallt in zwei
Abschnitte, von denen ein jeder wieder zweigetheilt ist. Der erste Ab-
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572
Wirbelthiere.
Fig. ."><!!. Magen des Schafes laus Leunis-Ludwig). a
Speiseröhrt!, b Dünndarm, e Klappe, welche die Speise aus
der Speiseröhre «lirect in den /weiten Hauptabschnitt des
Magens überleitet. / Pansen, Ruinen. 2 Netzinagen, Reti-
culum, .7 Blättermagen, Omasus. Rsulteriuin, / Labmagen,
Abomasus.
schnitt nimmt das mit den Schneidezähnen des Unterkiefers und der Zunge
abgerissene Gras in Empfang : es ist der Rumen oder Pansen (1) mit dem an-
sitzenden Reticulum oder Netzmagen (2). Während der Ruhe desThieres steigt
die eingeweichte Kost in die Mundhöhle zurück, um „wiedergekäut" zu
werden. So zerkleinert, gelangt die Speise durch eine Rinne, die durch
eine Falte zur Röhre abgeschlossen wird (c), in den zweiten Hauptabschnitt,
zunächst in eine Art
Filter , in den mit
hohen Längsfalten
ausgerüsteten Omasus,
Blättermagen oder
Psalterium (3), dann
erst in den die Lab-
drüsen enthaltenden
Labmagen, Abomasus
(4). Im Gebiss sind
meistens nicht nur die
oberen Eckzähne, son-
dern auch die oberen
Schneidezähne rückge-
bildet, während im Un-
terkiefer die Schneide-
zähne sehr kräftig sind
und die Eckzähne die Form und Stellung von Sehneidezähnen augeuommen
haben. — Mit wenigen Ausnahmen haben die Wiederkäuer auffallend grosse,
mit Aufsätzen bewehrte Stirnbeine. Die Aufsätze - ausschliesslich oder
doch am kräftigsten im männlichen Geschlecht entwickelt — sind im ein-
fachsten Fall {Giraffen) mit Fell bedeckte Knochenauswüchse — oder es
sind Knochenzapfen, die umhüllt und verlängert werden durch feste Horn-
scheideu (Horner der Car'uomirr) — oder endlich es sind Knochenzapfeu,
welche Geweihe tragen (f\rriden). Geweihe sind verästelte Knochenwuche-
rungeu, die sich gegen den tragenden Knochenzapfen (Rosenstock) mittelst
einer Verbreiterung (^Rose) absetzen* anfänglich von Haut überzogen, streifen
sie die schützende Hülle (den trocken gewordenen „Bast") ab, trocknen in
Folge dessen selbst aus und müssen daher alljährlich erneuert werden,
wobei sich meist die Zahl der Endäste um eine Spitze vermehrt, 1) Tylo-
poilen, Kameele, ohne Blättermagen, ohne Stirnaufsätze, Zähne -Jifif-
(Jamelns Imctriamis Erxl., zweihöckriges Kameel; C. Dromcdarius Erxl.,
Dromedar, einhöckerig: Auchenia lama Desm., Lama. — 2) Camehpardaliden
mit hautbedeckten Stirnhöckern, "13^: Camelopardalis giraffa Schreb., Giraffe.
— 3) Cavicormer mit Hörnern, a) Bovinen: Dos tauriis L., Rind
(Urformen: B. jrrimvjcnius , Auerochs, B. longifrons , B. frontosus); Bison
europaens Ow., Wisent (fälschlich auch Auerochs genannt): B. amerieanw
Gm., der im Aussterben begriffene Büffel Nordamerika^; Bnbalus buffclns
L, asiatischer Büffel, auch in Italien, B. caft'er, Kaffernbüffel: h\ (innen:
Oeis aries L., Widder; Capra hirens L., Hausziege; C. ibex L., Steinbock:
Ovibo$ moscJtatns Blainv.. Moschusochse ; c) Antilopinen : Antilope ntpieapra
Sund., Gemse; A. dorcas Licht.. Gazelle: Antilocapra americana Ow., Gabel-
gemse. — 4) Cerriden mit Geweihen im männlichen Geschlecht , wel-
ches meist auch den oberen Eckzahn bewahrt: Gcruus elaphus L, Edel-
hirsch: C. capreolus L., Reh; C alces L., Elch; liangifer tarandus H. Sm.,
Renthier, Geweih in beiden Geschlechtern. — 5) Moschiden, den Hirschen
verwandt, ohne Geweih: Moschus mosehiferus L., rehartig, Männchen mit
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VII. Säugethiere: Ungulaten.
573
grossen Eckzähnen des Oberkiefers und mit Moschusbeutel zwischen
Nabel und Praeputium. — 6) TYayuliden, Zwergmoschusthiere (kein Moschus-
beutel !) : Tragulus javanicus Pall.
Paläontologie der Ungulaten.
Reiche paläontologische Funde aus dem Tertiär, besonders in Amerika,
haben die Stammosgeschichte der Hufthiere aufgehellt und es sehr wahr-
scheinlich gemacht, dass die fünfzehigen, mit gut ausgebildeter Ulna und
Fibula und einem Omnivoren Gebiss versehenen CondylarÜirm des älteren
Tertiärs (Eocän) die gemeinsamen Ausgangsformen für die Artiodactylen
und Perissodactylen gewesen sind. Speciell von den Ausgangsformen der
Perissodactylen , den Phenacodonten , lassen sich die Nashörner und Tapir*
herleiten, vor Allem aber in fast lückenloser Reihenfolge die Et/uiden.
Vierzehige Vorderfüsso beBassen die Jlyracotherien des Eocän (Eohippus
und Orohippus, Fig. 562 1); dreizehig, zum Theil aber mit Rudimenten
Fig. ")IJ2. Vorderfuss der Stammformen dos Pferdes. / Orohinpus (Eocän),
2 McHohippue (untere« Miocan), -i Miohippu* (Mioeani. -/ Protohippiw (olx-res Pliocän),
ö Pliohippu» (Plei»tocän), 6 Equus. // — V zweiter bin fünfter Finger (aus Wiedershcim).
der fünften Zehe, waren die PalaeoOierkn (Ancltithericn) der Miocänschichten
(Meso- und Mwhippus , 2, 3) und die im Gebiss dem Pferde sehr nahe-
stehenden Merychippus und Hipparion des Pliocän (frotohippus , 4). Im
Pleistocän beginnen dann die einzeiligen Pferdearten, zunächst die noch
mit grossen GrifTelbeinen ausgerüstete Gattung Pliohippus, dann die Re-
präsentanten der Gattung Equus selbst. Auffallend ist, dass die Pferde
in Amerika in historischer Zeit fehlten und erst durch die spanischen Er-
oberer wieder eingeführt wurden, obwohl der Hauptabschnitt ihrer Stammes-
geschichte sich dort abgespielt hat. Die europäischen Formen (Anchiihe-
rium und Hipparion) werden in der Neuzeit als Seitenzweige der Stamm-
reihe aufgefasst.
VII Ordnung. Proboscidier.
Den Ungulaten schliessen sich die ebenfalls mit herbivorem Ge-
biss und mit Hufen versehenen EUphantcn oder Proboscidier an. Die
Thiere sind charakterisirt durch die „Pachyderiuie", durch die schwer-
fälligen, massiven, fünfzehigen Extremitäten und vor Allem durch die
zu einem langen Rüssel verlängerte, mit einem fingerartigen Fortsatz
endende Nase, endlich durch die Bezahnung. Eckzähne fehlen
vollkommen, dagegen sind die durch kleine Milchzähne vorbereiteten
Schneidezähne zu gewaltigen, unbewurzelten und daher das ganze
Leben hindurch fortwachsenden Stosszähnen geworden. Bei den
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574
Wirbelthiere.
lebenden Elephanten- Arten findet sich 1 Paar Stosszähne im Zwischen-
kiefer; bei manchen Arten der ausgestorbenen Gattung Mastodon war
ausserdem noch ein kleineres Paar
Stosszähne im Unterkiefer vorhanden.
Bei den ebenfalls fossilen Dinotherien
waren nur die Stosszähne des Unter-
kiefers entwickelt Die Backzähne
— bei Mastodonten und Dinotherien
noch Höckerzähne mit normalem Zahn-
wechsel — sind bei den Elephanten
zusammengesetzt und unterliegen einem
horizontalen Ersatz: von den drei
grossen Molaren und drei Praemo-
laren ist immer nur einer in Thätig-
keit (Fig. «">6.'i 2); hat er sich abge-
nutzt, so wird er von dem nächst
hinteren (2/ ersetzt. Den Elephanten kommt ferner zu ein Uterus bi-
cornis, eine Gürtelplacenta ohne Decidua, 2 brustständige Milchdrüsen.
1) ElephantUlen : Elephas indicu* Cuv., kleine Ohren: E. afrtcanus
Blum.; K primvjenim Blum., Mammuth, behaart, diluvial, im Eis von
Sibirien gefunden ; Mastodon giganteum Cuv., diluvial. 2) Dinotheridcn :
Dinotherium gigankum Kaup., Miocän. — Im Auschluss an die Probos-
cidier seien hier noch die sehr eigenthümlich gebauten Subungulaten oder
Hyracoiden {Hgrcuc ftyriatns Schrebl., Klippschiefer) genannt.
Fig. 303. Linker Unterkiefer von
Elcpha.s indicus mit aufgemeißelten
Zahnalveolrn von innen gesehen. /
functionirender Zahn, 2 nachrückender
nächster Zalin (aus Owen).
VUI. Ordnung. Rodentien, Glires, Nagethiere.
■ Bei den Nagethieren vereint sich grosse Uebereinstimmung in der
äusseren Erscheinung mit einer äusserst charakteristischen Be-
schaffenheit
des
einer äusserst
Gebisses. Da Eckzähne nicht mehr angelegt
werden, sind die Backzähne und
Schneidezähne durch eine weite Lücke
getrennt (Fig. 564). Die sehr kräfti-
gen , meisselartigen Schneidezähne
entwickeln keine Wurzeln und wachsen
daher in gleichem Maasse fort, als
sie beim Nagen abgenutzt werden;
sie erhalten scharf schneidende Kan-
ten, weil sie nur auf der vorderen
Seite mit Schmelz bedeckt sind und
hier der Abnutzung besser widerstehen.
Gewöhnlich findet sich je ein Paar
Schneidezähne im Zwischenkiefer und
Unterkiefer; nur bei wenigen Arten
(Duplicidentaten) ist noch ein weiteres
Paar kleinerer Schneidezähne im
Zwischenkiefer vorhanden. Auch die
schmelzfaltigen Backzähne sind häutig
in ihrem Wachsthum nicht beschränkt,
da es nicht zur Wurzelbildung kommt.
Ihre Zahl ist in verschiedenem Maasse reducirt, so dass die gesaramte
Zahnformel zwischen zwei Extremen schwankt: f£t| und H^rf-
Fig. 5f>4. Schädel des Stachcisrhtreins
(aus r*ehraardai. f Stirnl>ein , im Zwi-
schenkiefer, o Foramen infraorbitale,
welche« durch eine in ihm verlaufende
Portion des Kaumuskeln Masseter)cnorm
ausgedehnt ist, k Sehlüfengrube, welche
nach vorn continuirlich in die Ürbita
übergeht.
VII. Säugethiere: RodcntieD, Insectivoren.
575
Von den Ungulaten, mit denen sie in ihrer herbivoren Ernährung
übereinstimmen, unterscheiden sich die Nager ausserdem noch durch
ihre durschnittlich geringe Körpergrösse, den Besitz von Krallen,
die selten auf drei reducirte Fünfzahl der Zehen, das Vorkommen
einer Clavicula und die discoidale Placenta; sie theilen mit ihnen den
Uterus bicornis (häufig sogar U. duplex) und die inquinale Lage der
Milchdrüsen, deren Zahl entsprechend der grossen Fruchtbarkeit der
Thiere eine sehr grosse ist Sehr verbreitet sind starkriechende
Drüsensäcke, die in das Praeputium oder in der Nähe des Afters
münden (Fig. 545).
Die etwa 900 Arten der Nager unterscheiden sich meist durch unter-
geordnete Merkmale. Mit Stacheln bewaffnet sind die Hystricidcn: Hystrix
cristata L., Stachelschwein. Durch weichen Pelz und buschigen Schwanz
zeichnen sich aus die Sciuriden: Sciurus vulgaris L., Eichhörnchen; Pte-
romys volans L., Flugeichhörnchen, durch weichen Pelz und beschuppten
Ruderschwanz die Castoridcn: Castor fiber L., der wegen des Bibergeils
und seines Felles viel gejagte, in Deutschland bis auf das Gebiet der Elbe
zwischen Magdeburg und Wittenberg ausgerottete Biber. — Muriden : Mus
musculus L., Maus ; Mus rattus L., Hausratte, bei uns nahezu vollkommen
durch die Wanderratte Mus decumanus Pall. verdrängt. Hufe anstatt Krallen
kommen den Subunguluten zu: Cavia cobaya Schreb., Meerschweinchen.
Duplicidentat endlich sind die Leporiden : Lepus timidus L., Hase; L. cuni-
culuSy Kaninchen ; L. mriabilis, L , der im Winter sich weiss verfärbende
Alpenhase. — Im Gebiss ähnelten den Nagern die zum Theil ansehnlich
grossen Tiüodoniicn (Eocän) und loxodontien (Diluvium); letztere werden
zu den Hufthieren gerechnet, erstere bilden wahrscheinlich eine frühzeitig
abgezweigte Ordnung der Säugethiere.
IX. Ordnung. InBeotivoren, Insektenfresser.
Im Gegensatz zum Gebiss der Nagethiere zeigen die Zähne der
Insectenfresser einen auffallend gleichartigen Charakter. Alle Arten
der Zähne sind vorhanden, wenn auch in variabler Zahl; sie sind
frühzeitig bewurzelt und bleiben demgemäss klein. Indem sie mit
scharfen Spitzen enden, welche sich zum Zerfetzen von Insecten eignen,
gewinnt das Gebiss eine grosse Aehnlichkcit mit dem Gebiss der
Raubthiere, von dem es sich jedoch durch die rudimentäre Beschaffen-
heit des manchmal ganz fehlenden Eckzahns unterscheidet (manche
Maulwürfe manche Spitzmäuse 4^H)- I111 Zahnwechsel herrscht
grosse Variabilität, bei der Spitzmaus z. B. bleibt das Milchgebiss
bestehen und die zweite Dentition kommt nicht zur Entwicklung,
während beim Igel 1 Schneidezahn, 1 Prämolarzahn und der Eckzahn
des Unterkiefers nicht gewechselt werden, welche somit aus dem Milch-
gebiss in das bleibende Gebiss hinüber genommen werden. — In
manchen anatomischen Merkmalen und in der Entwicklungsweise
stehen die Insectivoren den Nagern nahe: eine Clavicula ist vor-
handen, die Zehen finden sich meist in Fünfzahl und sind mit Krallen
versehen, der Uterus ist bald doppelt, bald zweihörnig, die Placenta
scheibenförmig.
Abgesehen von ihrer rüsselartig verlängerten Schnauze gleichen die
Insectivoren auch im äusseren Habitus den Nagern, zu denen sie eine
vollkommene Parallelgruppe bilden. Den Hystriciden entsprechen die
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576
Wirbelthiore.
Erinacciden: Erinaceus curojMms L., der Igel, den echten Mäusen die Spitz-
mäuse, Soridden : Sorex vulgaris L. ; letzteren sind nahe verwandt die
Talpidcn, Maulwürfe: Tcdpa europaea L., in
der Erde wühlend, daher mit rudimentären,
functionslos gewordenen Augen. An die
fliegenden Eichhörnchen erinnert der früher
zu den Prosimien gerechnete Galeojnthecus
vokms Pall. , dessen vordere und hintere
Flg. r-fi. Schädel der Spitz- Extremität jederseits durch eine als Fall-
maus (aus Leunfe-Ludwig). schirm dienende Hautfalte verbunden sind.
X. Ordnung. Chiropteren, Fledermäuse.
Die Fledermäuse sind als die einzigen Säugethiere, welche wirk-
lich fliegen und sich nicht nur mit einein ausgespannten Fallschirm
durch die Luft fallen lassen, zur Genüge charakterisirt (Fig. 566). Die
Flughaut (Patagium), eine dünne, nervenreiche Hautfalte, beginnt am
Schwanz, fasst die hintere Extremität bis an die Fusswurzel und die
vordere Extremität in ganzer Ausdehnung bis an die Fingerspitzen ein,
indem sie nur den Daumen
frei lässt. Die Finger 2—5
sind enorm verlängert und
dienen zum Spannen der Flug-
haut. Da das Fliegen einen
kräftigen Flugmuskel nöthig
macht, erhebt" sich das Ster-
num ähnlich wie bei den Vö-
geln zu einer dem Musculus
pectoralis neue Ursprungs-
punkte liefernden, allerdings
viel kleineren Crista sterni.
Mit dem Flugvermögen hängt
auch die kräftige Ausbildung
der Schlüsselbeine zusammen.
Die Flughaut ist Sitz eines
Fi^ 5<>g. skelet und Flughaut eines fliegenden äusserst feinen Tastvermögens,
Hundes (nach Huxley). weshalb geblendete Fleder-
mäuse durch gespannte Netze
fliegen können, ohne sie zu berühren. Beim Tasten werden auch die
häufig enormen Ohrmuscheln und ein merkwürdiger, blattartiger Nasen-
aufsatz mitwirken, der bei Fledermäusen sehr verbreitet ist. Auffallend
ist die Lage der Milchdrüsen an der Brust ; diese sowie der einheit-
liche Uterus und die discoidale Placenta erinnern an die Primaten.
In Gegenden mit gemässigtem Klima verbringen die Fledermäuse die
kalte Jahreszeit, verkrochen in Höhlen, im Winterschlaf. Das Gebiss
ist variabel, öfters $fS$.
1. Unterordnung. MicrocJiiropteren mit Insectivorengebiss , nur der
Daumen der vorderen Extremität mit einer Kralle versehen. Hierher ge-
hören alle unsere einheimischen Arten. Gymnorhincn, ohne Nasenaufsatz:
Vesperlilio murinus Schreb. — Phyllorhinen, mit blattartigem Nasenaufsatz:
Mitwhphus femtm equinuvt Schreb.; ferner der amerikanische Vampyr,
Vamjjyris spectrum L., mit Unrecht als Blutsauger gefürchtet.
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VII. Säugethiere: Camivoren.
577
II. Unterordnung. Macrochiropteren (Frngivoren), fliegende Hunde,
haben stumpfhöckerige Backzahne und an den zwei ersten Fingern Krallen
(Fig. 56G): Pteropus edulis Gcotfr.
XI. Ordnung. Carn Ivoren, Raubtbiere.
Die Raubthiere leben vorwiegend vom Fleisch und vom Blut
anderer Wirbelthicre, die sie durch List, schnellen Lauf oder kräftigen
Sprung erreichen und mit ihren muskelstarken, scharfkralligen Extre-
mitäten und ihren schneidenden Zähnen überwältigen. Aus dieser
Lebensweise erklärt sich die hohe Entwicklungsstufe ihres Hirns
(Fig. 541) und ihrer Sinnesorgane, sowie der Bau ihrer Extremitäten
und ihrer Zähne. Da der Raubthiercharakter innerhalb der Gruppe
von den Bären bis zu den Katzenarten aufsteigend eine Fortbildung
erfährt und bei den Wasserraubthiercn sich wieder verwischt, können
wir auch in der Bildung der genannten anatomischen Merkmale keine
Constanz erwarten, sondern müssen von vornherein auf eine grosse
Variationsbreite gefasst sein. — Im Interesse der grösseren Beweg-
lichkeit der zum Lauf und Angriff dienenden Vorderextremität ist wie
bei den Ungulaten das Schlüsselbein ganz verloren gegangen oder un-
vollkommen entwickelt (Ulna und Fibula sind dagegen gut ausgebildet).
Ein allmähliger Uebergang vollzieht sich vom Sohlengang der Bären, bei
denen Hand und Fuss in ganzer Länge den Boden berühren, zum
Zehengang der Katzenarten. Bei letzteren werden die allen Raubthieren
zukommenden Krallen vor der Gefahr, beim Gang abgenutzt zu werden,
geschützt, indem sie vermöge eines elastischen Bandes sammt der
tragenden Endphalange in Taschen auf dem Rücken der vorletzten
Zehenglieder zurückfedern, aus welchen sie beim Schlagen mit den
Tatzen durch die starke Thätigkeit der Beugemuskeln hervorgezogen
werden. Im Gebiss (Fig. 543) ist nahezu constant die Dreizahl der
Schneidezähne und die auffallende Grösse der gut bewurzelten Eck-
zähne: die Backzähne dagegen, deren Höcker mehr und mehr scharf
schneidende Kanten (secodonte Zähne) erhalten, variiren nach den ein-
zelnen Familien. Der letzte Praemolare des Oberkiefers und der erste
Molare des Unterkiefers werden zu Reisszähnen, D. lacerantes od. D.
sectorii (S. 558), und gewinnen zunehmend eine dominirende Stellung,
während zu ihren Gunsten die übrigen Backzähne kleiner werden und
am vorderen und hinteren Ende der Reihe schwinden. (Formeln der
Backzähne, Bär: KKKK^-"^ Löwe: h . Der Dens
P PPPm (•)■«" '« » P I» , m (1)
lacerans ist durch ein zugefügtes 1, die relative Grösse durch Abstufung
der Schrift ausgedrückt, die fehlenden Zähne weggelassen). — Weitere
Merkmale der Carnivoren sind beim Männchen der Penisknochen, im
weiblichen Geschlecht die abdominale Lage der Milchdrüsen und der
Uterus bicornis; dazu kommt die Placenta zonaria. Sehr verbreitet
sind Analdrüsen, welche ein stinkiges Secret bereiten.
I. Unterordnung. Fimdpedier, Landraubthier e. — Sie sind die
typischen Vertreter der Raubthiere und als vorwiegend Land bewohnende
Thiere mit wohl entwickelten, meist bis zum Grund getrennten Zehen aus-
gerüstet; die Zahl der letzteren ist vielfach noch an beiden Extremitäten
5, erfahrt häufig an den Hinterfüssen (Fclidcn, Canidcn), selten auch an
den Vorderfüssen \Uyaenidcn\ eine Reduction auf 4. 1) Ursiden, fünfzehige
Sohlengänger: Ursus aretos L., brauner Bär; U. maritimus Desm., Eisbär,
Hartwig. Jahrbuch der Za ologle. S. Auflage. 37
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578
Wirbelthiere.
frocyon lotor Dcsm., Waschbär. 2) Mustcliden: Mustela martes L., Edel-
marder; Putorius vulgaris L., Wiesel; P, crmineus L., Hermelin: Lutra
vulgaris Erxl., Fischotter mit Schwimmhäuten an den Zehen; Meies taxus
Pall. Dachs; Grulo borealis Briss. Vielfrass; Meph itis mcsomelas Lcht., Stink-
thier. 3) Caniden, Zehen vorn 5, hinten 4. Krallen nicht retractil: Canis
familiaris L., Hund; C. lupus L., Wolf; C. vulpcs L., Fuchs. 4) Feliden,
Zehen vorn 5, hinten 4. Krallen retractil : Felis domestica Briss., Katze ;
F. catus, Wildkatze, F leo L., Löwe; F. tigris L., Tiger; F. lynx L., Luchs.
5) Hyaeniden, Zehen vorn und hinten 4 : Hyacna striata L.
II. Unterordnung. Pinnipedier, Flossenraubthiere. Alle 4 Ex-
tremitäten zu kurzen, breiten Flossen abgeplattet ; die 5 Zehen und Finger
durch Schwimmhäute verbunden, Nägel häufig rudimentär; das Gebiss
unterscheidet sich vom echten Carnivorengebiss durch die gleichartige Be-
schaffenheit der Praemolaren und Molaren (kein Reisszahn); indem das
höher differenzirte Milchgebiss sich frühzeitig, ohne in Function zu treten,
rückbildet, wird Monophyodontie angebahnt, — 1) Phociden, Robben ohne
Ohrmuscheln: Phoca vitulina L., Seehund. — 2) Otaridcn, Ohrenrobben:
Otaria Stellen Less., Seelöwe. — 3) Trichechiden, Walrosse, Schneidezähne
verkümmert, Eckzähne des Oberkiefers zu langen Hauern umgewandelt:
Tricliechus rosinarus L.
Im E o c ä n wurden die Carnivoren vorbereitet durch die Urraubthiere
oder Creodotüen, Sohlengänger mit weuig differenzirtem Fleischfresser-
gebiss; sie leiten sowohl zu den liaubthieren als auch zu der Insestivoren
über und wahrscheinlich auch zu den Condylarthren, den Stammformen der
Hufthiere. Echte Raubthiere treten im oberen Eocän, häufiger im Miocän
auf ; dem Diluvium gehörten die grossen Höhlenthiere : Felis spelaea Goldf.,
Hölilentiger und Ursus spclaeus L., Höhlenbär, an.
XH. Ordnung. Prosimien, Halbaffen.
Mit den echten Affen wurde
von Linne eine kleine Gruppe,
auf Indien und die benachbarten
Inselgruppen, Südafrika und vor
Allem Madagascar beschrankter
Thiere vereinigt, weil sie ihnen
in der Körperform und der Ge-
wandheit des Kletterns gleichen,
weil sie Greifhände und Greif-
füsse haben und häufig wenig-
stens Plattnägel an Zellen und
Fingern tragen. Heutzutage
werden die Thiere, wenn man
auch nach wie vor an der Ver-
wandtschaft mit Affen festhält, als
Prosimien oder Lemuroi-
deen in einer besonderen Ord-
nung vereint, und zwar mit
Rücksicht auf ihre niedere Or-
Fig. W7. Stenopa gracili* (aus Brehm). ganisation, die sich in der ge-
ringen Entwicklung des Gross-
hirns, dem Uterus bicornis und der Placenta diffusa ausspricht.
Weitere Unterschiede sind die abweichende iund variable Beschaffen-
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VII. Säugethiere: Prosimien, Primaten.
579
heit des Gebisses (Chiromys tfH» Lemur ffjHI) und das Vorkommen
von Krallen, welche stets an der zweiten, häufig auch an der dritten
Hinterzehe, bei Chiromys sogar an allen Zehen mit Ausnahme der
Grosszehe die Nägel ersetzen. Ein sehr auffälliges Gepräge erhalten
die Nachts auf Raub (Insecten, kleine Wirbehhiere) ausgehenden
Thiere durch die besonders grossen Augen (Fig. 507); im Unterschied
zu den Primaten hängen Orbital- und Temporalhöhlen unterhalb des
Postorbitalfortsatzes zusammen. — Die Milchdrüsen sind bald bauch-,
bald brustständig.
1) Chiromyiden, die langen Zehen beider Extremitätenpaare tragen mit
Ausnahme der Grosszehe sämmtlich Krallen : Cltiromys madagascariensis
Desm., Fingerthier. 2) Tarsiden, nur die zweite und dritte Hinterzehe mit
Krallen : Tarsius spectrum Geoffr. 3) Lemuriden, nur die zweite Hinterzehe
trägt eine Kralle: Lemur makako L., Maki; Stenops gracilis, Hoev. Lori
(Fig. 507).
XIII. Ordnung. Primaten, Herrenthiere.
Die höchst organisirten Säugethiere, die Affen und die Menschen,
werden unter dem Namen Primaten oder Herrenthiere in einer ge-
meinsamen Ordnung zusammengefasst, weil zwischen beiden eine grosse
Uebereinstimmung in den systematisch wichtigen Merkmalen besteht
Wenn wir, wie sonst in der systematischen Zoologie, die verschiedenen
Grade der Intelligenz unberücksichtigt lassen und allein die grössere
oder geringere anatomische Verwandtschaft als maassgebend betrachten,
kommen wir sogar zu dem Resultat, dass die anthropoiden Affen dem
Menschen näher stehen als den sehr primitiven Krallenaffen.
Den Primaten ist gemeinsam, dass die Zehen und Finger sämmt-
lich — mit Ausnahme der Krallenaffen — Plattnägel tragen, dass
die Augenhöhlen von der Schläfengrube durch eine knöcherne Scheide-
wand getrennt werden, dass das reich gewundene Grosshirn die übrigen
Hirntheile bedeckt (Fig. 542), dass nur ein Paar brustständiger Milch-
drüsen vorkommt, dass der Uterus einfach ist, die Placenta discoidal,
und dass die Schleimhaut des Uterus als Decidua abgestossen wird.
Vor Allem hat das Gebiss im Wesentlichen denselben Bau. Bei den
Platyrhinen hat es die Formel |H$; daraus lässt sich durch Rück-
bildung eines Molaren das Gebiss der Krallenaffen ||||, durch Rück-
bildung eines Praemolaren das Gebiss der Katarhinen und des
Menschen Ijf$ ableiten. Ueberall tragen die Backzähne auf der
Mahlfläche stumpfe Höcker. — Bei der Charakteristik der Primaten
hat schliesslich die Beschaffenheit des Hand- und Fussskeletes eine
wichtige Rolle gespielt. Wie bei den Halbaffen und den Beutelratten
können Daumen und grosse Zehe den übrigen Fingern und Zehen op-
ponirt werden, wodurch es den Affen ermöglicht wird, Gegenstände
zu umgreifen. Beim Menschen ist die Opponirbarkeit des Daumens
noch weiter entwickelt, die Opponirbarkeit der grossen Zehe dagegen
selbst bei Kindern und wilden Völkerschaften nur sehr mangelhaft
erhalten. Daher rührt die selbst jetzt noch vielfach beibehaltene Be-
zeichnnng Quadrumanen für die Affen, Bimanen für die Menschen.
Dem gegenüber muss betont werden, dass die hintere Extremität der
Affen nicht mit einer Hand, sondern mit einem Greiffuss endet. Im
Greiffuss (Fig. 568 B) finden wir dieselben Knochen wie im Fuss des
Menschen, sogar in derselben Anordnung und in sehr ähnlicher Ge-
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580
Wirbelthiere.
stalt; auch herrscht im Allgemeinen Übereinstimmung in der An-
ordnung der Muskulatur. Dagegen sind dieselben Unterschiede, welche
wir zwischen Hand
und Fuss des Men-
* , j ±y sehen nachweisen kön-
n i f /S ffH Tr/Y nen' zwischen Hand
\ivUB.J=b/7 &( llnh, IfJ M) und Greiffuss (A)
der Affen vorhanden.
Der Unterscheidung
von Quadrumanen und
Bimanen fehlt somit
die anatomische Basis :
sie stützt sich nur auf
functionellc Eigen-
tümlichkeiten.
I. Unterordnung.
Platyrhinen , Affen
der neuen W e 1 1 :
beideNasenlöcher durch
eine breite Scheide-
wand getrennt, so dass
sie nach aussen
schauen, Gebiss irfir*
das Tympanum verlän-
gert sich nicht in einen
äusseren knöchernen
Gehörgang. Cebiden,
Rollarten , mit langem,
meist einrollbarem Schwanz: Myceies niycr Wagn., Brüllaffe. Cebus Capti-
cinus L. — Eine sehr abweichende Gruppe bilden die Hapaliden oder
Krallenarten mit der Zahnformel mit Krallen an allen Fingern
und Zehen, nur die relativ kleine Grossezehe mit Plattnagel; Daumen
nicht opponirbar. Ilapale prtiirillata Kühl., Seidenäflchen.
II. Unterordnung. Katarhincn, Allen der alten Welt: schmales Septum
interuasale, so dass die Nasenötfnungen nach vorn und unten gewandt sind,
Zähne ?j£3? ^a grossen Eckzähne in die gegenüberstehende Zahn-
reihe eingreifen, entstehen mehr oder minder ansehnliche Lücken (Diastemma)
in den Zahnreihen : das Tympanum wie beim Menschen zu einem knöcher-
nen Gehörgang verlängert. 1) Cynomorphen , Thiere mit nackten Stellen
am Gesäss (Gesässschwielen), meist mit langem Schwanz und behaartem
Gesicht, gewöhnlich nur mit 2 Sacralwirbeln. Cytioeephalus hamadryas L.,
Pavian , Ccrcopithecus sabarus Cuv., Meerkatze , lmtus ccaudatus Geoffr., der
einzige in Europa (Gibraltar) vorkommende Alle, mit kurzem Stummel-
schwanz. - - 2) Anthropoiden, menschenähnliche Arten, meist ohne Gesäss-
schwielen, mit unbehaartem Gesicht, unbehaarten Fingern und Zehen,
ohne Schwanz, 4 — 5 Wirbel zum Os sacrum verschmolzen. Simia satyrus
L., Orang Utang, Troglodytes niyer Geoffr., Schimpause, Gorilla engena Geoffr.,
Gorilla. Hylobatrs syndnctylus Wagn., Gibbon.
III. Unterordnung. Anlhropincn, Menschen. Rückbildung der Be-
haarung an den meisten Körperstellen, aufrechter Gang und in Folge dessen
gering«; Beweglichkeit und Kürze der Grosszehe (kein Greiffuss), Entwick-
lung einer articulirten Sprache, hohe Intelligenz, starke Ausbildung des
Grosshirns und demgemiiss Vergrösserung des Hirnschädels auf Kosten
Fig. 508. Hand- (A) und Greiffu» (Ii) des Corilla.
I — 1 die ö Finger und Zehen ; ph die Phalangen , irr
Metacarj>en, mt Metatarsen, Carpus: tr Trape/ium, td
Trapezoid, c Capitatum, // Hainatum, .* Scaphoid, / Lu-
natum, / Triquetrum, p Pisi forme. Tarsus: ta Talus,
ra Caleancus, ra' Oalx desselben, n Navicularve, cu Cu-
boid, 1—3 die drei Cuneifonnia.
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Zusammenfassung.
581
des Gesichtsschädels sind die hervorstechendsten Merkmale des Menschen-
geschlechts. Das Gebiss ist dasselbe wie bei den Katarhinen, nur dass
die Eckzähne kleiner und daher die Zahnreihen nicht unterbrochen
sind (kein Diastemma). — Ein seit Langem sich hinziehender Streit ist es,
ob die Menschen als eine Art {Homo sapiens L.) mit vielen Rassen auf-
gefasst oder in mehrere Arten abgetheilt werden müssen. Die bei Kreu-
zungen der Menschenrassen vorhandene Fruchtbarkeit spricht für die erste,
die thatsächlich vorhandenen Unterschiede und die Constanz derselben für
die zweite Auffassung. Die Erörterung dieser Frage und die Aufstellung
bestimmter Menschenrassen, resp. Arten bildet den Gegenstand einer be-
sonderen Wissenschaft, der Anthropologie. Hier sei kurz hervorgehoben,
dass man 3 grosse Gruppen (jede mit mehreren Untergruppen) unterscheidet:
1) WolUiaarige oder Neger mit meist schwärzlicher Hautfarbe und stark
gekräuselten Haaren, deren Querschnitte oval sind — hierher die Unter-
gruppen der Paimas, Hottentotten, Kaffern und Sttdanncger. — 2) SchliclU-
haarige oder Mongolen mit braungeblicher Hautfarbe und schlichten Haaren
(Querschnitt kreisrund) — hierher die Untergruppen der Eskimos, Matoyen,
Mongolen s. str. und Indianer. — 3) Die mit lockigen Haaren (Quer-
schnitt kreisrund) ausgerüsteten K&ukasier mit heller Hautfarbe — hierher
die Gruppen der Hamosemiten, Indogemianen, Nubier, Dravidas (Ureinwohner
von Indien).
Zusammenfassung der Resultate über Wirbelthiere.
1) Die Wirbelthiere sind gegliederte Thiere ohne Ringelung des
Körpers, aber mit metamerer Anordnung der inneren Organe (Myo-
tonie, Neurotome, Sclcrotom e).
2) Ein cuticulares Hautskelet fehlt, dagegen können Verhornungen
des Epithels oder Verknöcherungen der Lederhaut (Schuppen der
Fische etc.) vorhanden sein.
3) Stets ist ein Axenskelet vorhanden, bestehend entweder nur
aus Chorda dorsalis, oder aus Schädel und Wi rbel säule,
welche die Chorda mehr oder minder vollständig verdrangen.
4) Es finden sich zweierlei, von axialen Skeletbildungen gestützte
Extremitäten, die nur bei Fischen und Amphibien vorkommenden
unpaaren und die nahezu allgemein verbreiteten paarigen (vordere
und hintere Extremitäten).
5) Das Nervensystem (Hirn und Rückenmark) hat Röhren-
form und eine rein dorsale Lage.
6) Von den Sinnesorganen sind Auge und Ohr besonders hoch
entwickelt.
7) Die Athm ungs organe entstehen aus dem Darm, die
Kiemen in den vom Pharynx nach aussen führenden Kiemenspalten,
die Lungen als Ausstülpungen am hinteren Pharynxende.
8) Das Herz, bestehend aus Kammer und Vorkammer, liegt
ventral eingeschlossen in dem Herzbeutel, enthält bei allen kiemen-
athmenden Wirbelthieren venöses Blut, theilt sich aber beim Auf-
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582 Zusammenfassung.
treten der Lungenathmung in eine linke arterielle und rechte
venöse Hälfte. Das Blutgefässsystem ist geschlossen.
9) Die Geschlechtsorgane sind mit wenigen Ausnahmen
gonochoristisch; ihre Producte benutzen meist einen Theil des
Nieren Systems, um nach aussen zu gelangen (Urogenitalsystera).
10) Die Fortpflanzung ist streng geschlechtlich.
11) Die niedrigsten Wirbelthiere, die Acrartler (Amphioxus), haben
keinen Schädel, keine Wirbelsäule, kein Herz, kein Gehörorgan und
nur Rudimente von Hirn und Auge, dagegen Chorda, Rückenmark,
contractile Blutgefässe; sie athmen durch Kiemen.
12) Bei den Cyelostomen rindet sich ein primitiver Schädel, da-
gegen keine Wirbelsäule und keine paarigen Flossen, ein fünftheiliges
Hirn mit Auge und Gehörorgan, ein Herz mit Kammer und Vorkammer,
beuteiförmige Kiemen, eine unpaare Nase.
13) Die echten Fische unterscheiden sich von den Cyelostomen
durch die Wirbelsäule (amphicoele Wirbel), durch die neben den
unpaaren Extremitäten vorkommenden paarigen Brust- und Bauch-
flossen, die Beschupp ung der Haut und die paarige Nase; sie
athmen ebenfalls durch Kiemen und haben ein aus Kammer und Vor-
kammer bestehendes Herz.
14) Die Fische werden in Selachier, Ganoiden, Teleosticr,
Dipneusten eingetheilt
15) Die Selachier haben ein knorpeliges Skelet, eine hetero-
cerke Schwanzflosse, Placoidschuppen der Haut, bedeckte
Kiemen, den Conus arteriosus des Herzens, Spiralklappe
des Darms, keine Schwimmblase.
16) Sie zerfallen in Squali (Haie), Rajae (Rochen) und Holoke-
phalen (Meerkatzen).
17) Teleosticr haben ein knöchernes Skelet, eine homo-
cerke Schwanzflosse, meist Cycloid- oder Ctenoid-
sch uppen, Kammkiemen mit Kiemendeckel, den Bulbus
arteriosus, meist Appendices pyloricae und Schwimm-
blase, keine Spiralklappe.
18) Sie werden eingetheilt in Physostomcn, Anacanthinen, Acan-
thopteren, Paryngognathen, Plectogonatheti, Lophobranchier.
19) Die Ganoiden bilden eine Uebergangsgruppe; sie gleichen den
Selachiern in der Anwesenheit des Conus arteriosus und der
Spiral klappe des Darms, den Teleostiern vermöge der Kamni-
ki einen, des Kiemen d eck eis, der Schwimmblase und der
Appendices pyloricae. Sie haben meist F u 1 cren und G an oi li-
sch u p p e n.
20) Die Ganoiden zerfallen in Chondrostei mit knorpeligem Skelet
und Euganoides mit meist knöchernem Skelet.
21) Die Dipneusten sind Kiemenathmer, bei denen die Schwimm-
blase zeitweilig als Lunge in Function tritt ; Herz mit beginnender
Zweitheilung, Nase mit Choane.
22) Die Amphibien haben im Gegensatz zu den Fischen anstatt
Flossen p e n t a d a c t y 1 e E x t r e m i t ä t e n , im Gegensatz zu den Repti-
lien am Schädel einen doppelten Condylus occipitalis; sie be-
sitzen büschelförmige Kiemen und Lungen, entweder dauernd
neben einander oder zeitlich derart vertheilt, dass die jungen Thiere
(Larven) durch Kiemen, die ausgebildeten durch Lungen athmen (Meta-
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Zusammenfassung.
:>83
raorphose!) Das Herz besteht aus einer Kammer und zwei Vor-
kammern.
23) Die Amphibien werden eingetheilt in Urodelen, Anuren
(Batrachier) und Gymnophionen; dazu kommen die fossilen S t e g o-
cephalen (Labyrinthodonten).
24) Die Urodelcn haben viele Wirbel und daher auch einen wohl-
entwickelten Schwanzabschnitt; entweder behalten sie dauernd
die Kiemen (Perennibranchiaten) oder wenigstens eine Kiemenspalte
(Derotremen) oder sie verlieren den Kieraenapparat im Lauf der Ent-
wicklung vollkommen (Salamandrinen) ; die Metamorphose ist wenig
ausgeprägt.
25) Die Anuren haben wenige Wirbel, daher keinen Schwanz,
nie Kiemenreste im ausgebildeten Zustand, eine ausge-
prägte Metamorphose (die Kaulquappen sind mit Kiemen und
Ruderschwanz ausgerüstet, aber anfangs ohne Lunge und ohne Extre-
mitäten).
26) Die Gymnophionen haben die Extremitäten verloren und
sind blind.
27) Acranier bis Amphibien werden als Anamnicn zusammen-
gefaßt, weil ihre Embryonen kein Amnion und keine Allantois haben ;
sie sind poikilotherm (Kaltblüter).
28) Anmieten heissen die Reptilien, Vögel und Säuge-
thiere wegen ihrer Embryonalorgane: Amnion und Allantois; sie be-
sitzen nie mehr Kiemenathmung und haben stets als Grundform die
pentadaetyle Extremität
29) Die Reptilien sind noch poikilotherm, haben ein stark ver-
knöchertes Skelet mit unpaarem Condylus occipitalis und mit
einem Os transversum am Schädel, eine stark verhornte Haut;
das Herz hat eine doppelte Vorkammer und eine meist unvoll-
kommen zweigeteilte Kammer.
30) Die recenten Reptilien werden eingetheilt in die Lepido-
saurier oder Plagiotremen mit den Ordnungen: Saurier und
Ophidier und in die Hydrosaurier mit den Ordnungen: Che-
lonier und Crocodilier; fossile Formen sind 1) Rhyncho-
cephaliden (einzig lebende Form Hatteria), 2) Pythonomorphen,
3) Pterosau rier, 4) Ichthyopterygier (Ichthyosaurier und
Plesiosaurier), 5) Dinosaurier, 6) Therom orphe n.
31) Die Lcpldosaurier haben ein durch Häutung sich erneuerndes
Kleid von Hornschuppen, eine quere Cloakenspalte und hinter
derselben paarige Begattungsorgane.
32) Die Saurier mit den Ordnungen : Crassilinguieny lirevilinguien,
Fissilinguien, Vermilinguien, Annulaten haben meist bewegliche Augen-
lider, ein Trommelfell, vier Extremitäten oder Reste derselben, vor
Allem stets ein Sternum. DieMundspalteistnicht dehnbar.
33) Die Ophidier mit den Ordnungen : Angiostomen, Innocuen, Pro-
teroglyphen, Solen oglyphen haben keine Extremitäten, niemals
ein Sternum, kein Trommelfell, Augenlider zu einer Art
Cornea verschmolzen, fast stets eine dehnbare. Mund-
spalte, häufig Giftzähne.
34) Die Hydrosaurier haben einen Knochen- und Hornpanzer
der Haut, ein feststehendes Quadratum und einen harten Gaumen; die
Cloake ist eine Längsspalte mit unpaarem Penis am vorderen
Ende.
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581
Zusammenfassung.
35) Die Chelonler sind von gedrungenem Körperbau, haben eine
aus Knochen und Schildpatt bestehende Skeletkapsel (Plastron-hCara-
pax), keine Zähne, dafür Hornscheiden an den Kiefern.
36) Die Crocodilier sind langgestreckt, mit langem Ruderschwanz
und kegelförmigen, in besonderen Alveolen steckenden Zähnen.
37) Die Vögel sind den Reptilien sehr nahe verwandt (Saurop-
sideu) und theilen mit ihnen den un paaren Condylus oeeipita-
lis; sie unterscheiden sich von ihnen durch die Befiederung der
Haut und die vollkommene Sonderung des Herzens in eine linke und
rechte Hälfte.
38) Weitere Merkmale der Vögel sind : H o m o i o t h e r m i e (Warm-
blüter), P n e u m a t i c i t ä t der Knochen, Verwachsung der Handknochen,
Bildung von Tibiotarsus und Ta r s o m e ta tar s u s (Intertarsal-
gelenk).
31>) Die Vögel werden eingetheilt in Cur so res, welche keine
Furcu la (verwachsene Schlüsselbeine) und keine Carina haben,
und in Carinaten mit Furcula und Carina.
40) Zu den Cursores gehören die Strausse, Casuare, Kiwis etc.,
zu den Carinaten die Gallinuccae, Columbinae, Natatores, Grallaiores,
Scansores, Passeres, Raptatores.
41) Die Säugethiere haben einen doppelten Cond)'lus oc-
cipitalis, eine behaarte Haut und Milchdrüsen, die beim
Weibchen zum Säugen dienen.
42) Weitere Merkmale der Säugethiere sind die Homoiother-
m i e , die vollkommene Scheidung des Herzens in eine
linke und rechte Hälfte, die Umbildung von Theilen des Vis-
ceralskelets zu Hörknöchelchen (Quadratum = Ambos, Articulare =
Hammer, Hyomandibulare = Stapes), h o h e E n t w i c k 1 u n g der B e -
zahnung (Bewurzelung , meist heterodonte und diphyodonte Be-
schaffenheit).
43) Die Säugethiere werden eingetheilt in Monotremen,
Marsupi alien und Piacentalien.
44) Die Monotremen (Echidna, Ornithorhynchus) sind eier-
legende Säugethiere, mit persistenter Cloake, völliger Trennung
der Müller'schen Gänge beim Weibchen ; sie besitzen ein Coracoid und
ein Episternum.
45) Die Marsupialien sind lebendig gebärend, doch werden die
Embryonen in Folge unvollkommener Ernährung (keine Placenta)
früh geboren und in einem M ar s u p i u m (Ossa marsupialia) getragen.
46) Im Skelet ist ausser den Ossa marsupialia der Winkel des
Unterkiefers charakteristisch. Der Urogenitalapparat ist durch den
Damm vom After getrennt, Uterus und Scheide sind doppelt:
Didelphier.
47) Die Placentallen erzeugen gut ausgetragene Junge, die im
Uterus mittelst der Placenta ernährt werden; sie haben kein Mar-
supium und keine Ossa marsupialia. Die Vagina ist unpaar (Mouo-
delphier), der Uterus paarig oder unpaar.
48) Eine rückgebildete Bezahnung (fehlendes oder monophyodontes
Gebiss) haben die Krallen tragenden Edentaten und die mit Flossen
ausgerüsteten Cetomorphen (Sirenen denticete und mystieeie Cetaceen).
41>) Vorwiegend herbivor sind die huftragenden grossen Ungulaten
(Perissodactylen und Artiodactylcn) und Proboscidier,die krallentragenden,
meist kleinen Rodcnüen.
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Zusammenfassung.
585
50) Thcils herbivor, theils inscctivor sind die mit Flughäuten
(Patagium) ausgerüsteten Chiropteren.
51) Vorwiegend fleischfressend sind die kleinen Insectivoren (mit
kleinem Eckzahn) und Carnivoren (mit starkem Eckzahn und starkem
Reisszahn) ; letztere werden eingetheilt in die landbewohnenden Fissi-
pedier und die wasserbewohnenden, Flossen tragenden Pinnipedier.
52) Ein mehr oder minder indifferentes Gebiss haben die vor-
wiegend oder ganz mit Nägeln anstatt Krallen und mit Greifhänden,
meist auch Greiffüssen versehenen Prosimien und Primaten ; erstere
sind niedrig, diese sehr hoch organisirt.
53) Nach der Stellung der Nasenlöcher, der Ausbildung des
Schwanzes und der Behaarung, ferner nach der Beschaffenheit des
Gebisses und des Fusses werden die Primaten eingetheilt in Alien der
neuen Welt (Platyrhineri), Affen der alten Welt (Katarhinen) und
Menschen (Anthropinen).
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Register
Aale älD.
Aasgeier 54S.
Abdominal ia 37S.
Abramis 510.
Abranchier 335.
Abraxas 430.
Acant harten I »>0.
Acanthia 42t i.
Acanthias 504.
Acanthocephalen 259.
Acanthoeystie 1 50.
Acanthodcrns 4 1 7.
Acanthometra 100.
Aeanthophraeten 1 <»0.
Acanthopteren 511.
Acarincn 440.
Acephalcn 3 1 (>.
Acephaloeysten 247.
Achatina 339.
Aclierontia 480.
Aehthere« 309.
Acinetinen 1 75.
Acipenser 7)07 .
Aconticn 208.
Acranier 484.
Acraspedcn 202.
Acrididen 4 IS.
Aerodonten 528.
Actäon 337).
Actiniarien 213.
Actinophry.« 1 50.
Actinosphacrium 150.
Aculeaten 424.
Aeuleus 422.
Adamsia 213.
Adler TjJiL
Aeginiden T.*9.
Aeolidia 335.
Aepyornis "»44.
Aeo/uorea 199.
Aesche 510.
Aesehna 410.
Aethalium 104.
Aethiopi.iche Kegion
Affen ML
I Afterseorpione 430.
Afterspinnen 437.
Agamiden "»27.
Agassiz 1 7.
Aglossen 7)20.
Aglyphodonten 531.
Alaiida 7»4St.
AlbatroK 540.
Alca 7)47.
Alcedo 7>4S.
1 Alciopiden 2f>f>.
AleipjH? 378.
Aleyonarien 212»
Alcyonella 284.
Alcyoninni 212.
Aldrovandi LL
Aleetoriden 7)47.
Aliina :187.
Allgemeine Zoologie 4JL
Allan tois
Alligator 7>34.
Alosa 7i 1 1 ).
Alytes 7)21.
Amaul 51 l
Amhlystoma 7)20.
Ambulacralgefässsystem
2ÜL
Ameisen 427».
Ameisen igel 503.
Ameisenlöwe 419.
Ameiva 529.
Ametabnle lnsectcn 410.
Amia 7>07.
Ainmoeoetes 4S9.
! Ammoniten 349.
Amnion 410, 183.
AnmiotoinSl, 521.
Amoeba 154.
Amoebinen 17>4.
Amphaoanthe 7)08.
Amphibien 513.
Amphibiotica 410.
Amphigonie 1 14.
Ampbinelia 214.
i Amphilina 214.
! Amphineuren 315.
Amphioxus 4Ä4.
Amphipodcn 383-
Amphisbaena 529.
Ainphistomum 235.
Ampullaria 33H.
Anacanthinen 510.
Analog LL
Anamnien 484.
Anas 7>46.
Anaxon 107.
Anchitherinm 5J3
Andrias 520.
Androetonus 43(5.
i Anelasma 377.
1 Anemonia 213*
j Angiostomen 7>32.
| Anguilla 510.
j Anguiüula 254.
Anguis ">2li.
Animale Organe 9_L
Anisorayarier 323.
Anisoiwden 380.
Ankylogtoma 250.
Anneliden 200.
Annnlaten 529.
i Anodonta 324.
Anopla 249.
Anoploeephalus 24JL
Anser 544>.
Antarktische Region Iii
Antedon 301.
Antennaten 362.
Antennendrüse 304.
Antheomorphe 207.
Anthomedusen 199.
J Anthomyiden 429.
> Anthozoen 21Ml
• Anthropinen 7>sQ.
Anthropoiden 5^"),
Antiloeapra 572.
Antilope 572.
Antimeren 110.
Antipathes 213.
Anuren 520.
Register.
587
Aphanipteren 422.
Aphis 42Ü.
Aphrodite 2filL
Apiarien 424.
Aplacophoren ältL
Aplvsia 33."».
Aplysilla m
Aplysinn 188.
Apodea (Holothurie) 308. i
Apodes (RhizcK»phale)3IS.
Apodes (Fische) .r»10.
Apolemia 201.
Appeiidicularien 275.
AptenodytcB ">47.
Apteren 427.
Apterogenen, Apterygoten
4LL
Apteryx ">4 1.
Apus 373.
Aqnila ■"> V.K
Arachnoideen 431.
Araneen 437.
Area 323.
Aredia HÜ
Areliaeopteryx ölfl, 2L
Archen temn &L
Arehianneliden 2li0, 21ÜL
Archigetes '244.
Arehigonie III.
Arehipteren 411.
Arehiteuthis 310, 349.
Arcyria 1
Ardea r>47.
Arenieola 26t).
Argas 441.
Argonnut a 341).
Argulm* 370.
Argyroneta 440.
Arion 331).
Aristoteles iL
Arktisehe Region 145.
Armadillio 3sh.
Aromia 422.
Art 2_L
Artemia 312.
Arterien SIL
Arthrogastn* 434.
Arthropoden 3V2.
Arthrostraca 3Ü2.
Artieiüaten (Crinoideeii)30l.
Artieulaten (Arthropoden)
Artiodactylen .r>7 1 .
A>*calaboten ~»2'.'.
Ascalaphu* t V.K
Ascaris 2.~i.->.
Ascidiaeformes 27 1>.
Af»conen 18<i.
Asevssa 18(1.
Ascllus 3SU.
A«i phonier 318.
Aspergillum 325.
Aspidochirotcn 3(lft.
Assebi 3ÜL
Astacus 3112.
Asteria-* '21 >S.
Asteroideen 2D4.
Astraea 21Ü.
Aßtroides 210.
Astropocten 2i&
Astur 541).
Asymmetmn 487.
Atalanta 337.
Athene 541).
Atta 42Ü.
Attacus 43Ü,
Attus 431L
Atypus 431).
Auenenia 572.
Auerhahn 545.
Aueroehs 572.
Auge 103, 'ML
Aufacanthcn BSQ.
Aulosphaeren Itf >.
Aulostomum 272.
AureUa 20t>.
Aurieularien 2113.
Auster 324.
Australische Region 144.
Autoflagcllatcn lt>4.
Autolytos 2l>4.
Autophagen '»43.
Aves ,">3.~).
Aviculidcn 3'24.
Avicularien 2s4.
Axolotl ü2U.
Azteca 42Ö.
Azygobranehier 33Ü.
Bachstelzen 584.
Bacillus 417.
Badesch wämme 188.
Baer, C'arl Kraut von 13.
Bär 577.
Bärthierehen 442.
Balacnn 5>il).
Balaenoptera 501).
Balaninus 422.
Balanoglossus 273.
ßalantidium 173.
Baianus 377.
Balistes r> 1 1 .
Bandwurmer '235.
Barbus 510.
Barsche 511.
BasiÜscus Q2H.
Ba*oniniat<>phoren 331).
Bastarde 2a.
Bat räch ier 520.
ßaumschlaiigen ä3L
Bdellostoma 480.
Befruchtung 1 l'.K
Brr«x- 2JÜ.
Bentelratlen 5< »5.
Beutelt hiere 503.
Biber ."»7r>.
Bienen 4'M
Bienenlaus 421 1.
Bilateral symmetrische
Thiere
Bilharzia 23.~>.
Bindesubßtanzen ÜL
Biogenet. Grundgesetz 30.
Biologie 3.
Bipali um 221).
Bipinnarien 21)3.
ßirgus 303.
Birkhuhn M5.
Bison .r>72.
Blabera 417.
Blasen wünner 23ü
Blastoideen 3Ü2.
Blastula 12Ü.
Blatta ilL
Blattfflssler 312.
Blattläuse 420.
Blatt wespen 423.
Blendb'nge 23.
Blennius ■"> 1 1 .
Blindschleiche 521 >.
Blind wühlen -Vi 1 .
Blut Tl. arter. venös. ÜQ.
Blutegel 2I£L
Blutgefässsvstem 88.
Boa ä3L
Bockkäfer 12L
Bojanus'sehcs Organ 32L
Bombinator 5'>1.
Bombvx 431 >.
Bonellia 2lüL
Bopyriflen 385, :Ni.
; Borsten Würmer 2t X >.
f Bos 572.
Bostrychus 422.
BothriiK'ephalus 244.
Bothryllu* 271».
Brachiolarien 2Ü3.
| Brachionun 251.
Brachio|KKlen 2K4.
Brachse 510.
Brachycera 42S.
Brachyuren 31 »3.
! Braconiden 4 M
Brarlyi>us f>< >S.
Brancnio|joden 3Ii».
1 Branchijms 372.
Branchinren 37t).
Braida 421).
Bremsen 42S.
Brevilingtüen ")2l>.
Brillenschlange aliL
Brissus :ti
Bnmtnsaurus .r>3").
Brüllaffe jÜÜ.
Bryozoen 2S1-
Bubalus ">72.
Bu1m> 5JiL
, Bucerontiden f>48.
Büeherscorj>i<»ne 4:t(i.
I Buh» "»21.
I Büffel ÜI2.
Buffon LL
| Bugula '2M.
Bulbus arteriosus .»l.
! Bussard ">4H.
■ Buteo .'i Iii.
Bulbus i3Ji
Ö8-S
Register.
Byssus 321.
Bythotrephcs 374.
C'acadu r>-!7.
Cacospongicn l^S.
Calappa 3'.>3.
Calaspongien 1H»>.
Caloptcryx 41<>.
Calosoma 421.
Calyeonwten 2«Y>.
Calycophon'ii 200.
Camelopanlali« üIÜ.
Camelus 572.
Carapanularia 192, 197, JUi».
Campt xlea 414.
Catialis wurentericus 279.
Cancer 3'.>3.
Canis .r)7K.
Canin^tomcn 2(Xi.
Cantliari«!»' LiL
Capillaren hlL
Capilliliinii l«i3.
Capra 572.
Caprella 3S4.
Caprimul^Mo» 54S.
Carabidon 421.
Carapax '>:■{•.?.
Carassiu* 510"
Carvharias 5<>4.
Carchanxlon 5« 4.
Carehesiimi 1 7.').
Carduus H'. K-t.
Cardiuni Li^L.
Carididen 3'.i2.
Carinaria 337.
Carinatcn .">44.
Carutarina 1 W.
Carnivoren 577.
Carpwapsa 430.
Carpom 1«>3.
Caryophyllaeus 24.3, 24 1.
Caryophvllia -'14.
Castnr r>7.'>
Casuarius ."> 14.
Catoeuln 43( ).
Catoinoto|>eti 3'. »3.
Ca via 575.
Cavicornia 572.
Obus 5SO.
Ceeidouiyidrn 42s.
Cellulose 27.r).
Ceuiohn 33t».
( Y'ntpKlorsal«1 2'.'!'>.
Cephalasoidin 5« )7.
Cephalopnoron 32* i.
Ccphalo|Mxlen 340.
Cephalothorax 35 I.
C/eraosiMinjri«'» 1^7.
(k-rarnbyx 421.
(Jcratium l«»t>.
Ceratodus 5 1 2.
Orearia 2: »2.
(Jercomonas !«'><>.
Ccrcopithinis ">7S.
Cerobralgan^lion 'ALI .
CVn-brat uliis 24'.
Cereus 207.
Cerianthrt'n 2 1 3,
Cervus 572.
Cestoden ii35_»
Cestus 2 IS.
Cetaceen r><»S.
| (Vtoclülus 3<i!>.
Crtoniorphen 5t »S.
Chaetodornia 31«i.
Chaetognathcn 151.
Chart« »[xxlen 2« V >.
Chania«;lcon Ü21L
Charadriidcn 547.
I CharybiJaea '2LML
Carvophvllia 214.
Chelifer '43t >.
I Chelicercn 431.
Chelonier 533.
Chelura 3>iL
Chemien 42H.
Cher*it<ii 5_iL
Chiastoneurvn 32'.).
Cliilotrnatheu 3'.»7.
ChiJoinnnas llu.
Chili »poden 3'.»s.
Chilostoiuen 2S3.
Chimaera 5Q5.
Chiromys 57!«.
• Chiropteren 57t».
| Chitiiisclik'ht 353.
Chiton 3ÜL
Chlainyd<»eoiicha 31t».
. Chnaiioflapellatcn Miti.
ChnlocpUK 5« jS.
Chondrilla lüä.
I Chmidri» »derma H>3.
Chondros tri .VW».
( 'hcnia dorsalis 31^ 278, 448.
Chord» »iiier 274.
Chorioidca 1 t >■"».
Chormidraldriise 4H8.
Chririoii 1 '_?<>. 5« »5.
( 'hroiuat« »ph< >ron 343.
Chrnmomniiailium lt>5
Chrysomelincn A^L
Chrysomitreu 2( X ).
Chrysomonadiiteri H»t>.
Chrysopa 41i>.
Cliylusfrt'füsse SÜ
Ciradarien 42(i.
Ci dudeln 421.
Ciconia 547.
Ciliat«'ii lüS.
Ciliofhurdlaten Mi.
Ciinex 4->ii.
Cingulatcn ">ti7.
Ciona 2I1L
('irrus 2J0,
Cirripcdien 374.
Ciiiyrnukn 13i*.
Clacltx-eivn '^73.
. Claihx-ora 214.
Clamatorcs ,")4S.
Clatlirulina l"*>i-
Clavt'lhna 211^
Clcpsi« Irina 177.
Clepsine '273.
Clitellum 2JÜL
Cloakc h*L
Cloakenthiort' ,">< i'-'.
Clu|H-a hl£L
Clyi>eastri<li'n 30">.
Ciiothücainna 4!3< >.
Cnidarirn lss.
(Vxxäden 42t i.
Ccx!cidituii 177.
Coccim'lla
Coccut* 42«'».
Oxvypjiriorphen r>17.
CodontH'lwIiuiii !«»>>.
CoeciUa -"»2 1 .
Coeh-nteratcn
Ccx'lrntt-ron 1 S2.
Coelhehninthcti 2^22, 2AL
CVtekxiendruin 1'1«>.
CxxJom tüs.
C<x>lopIaiia 2 IS.
Codoria 214.
Coenenchvin 211.
Coonwark" \_U\_, 2J_L
C<M^iium« 247.
Coloopterr:n J2a
Ciliare 1«^ IM.
(>>ll«Miilxden 414,
CV>llozüuin 1«>0.
C4»l.»radnkäfi r 422.
(Jolul>cr 7)31.
Colubrilonnia .rt31.
(Jolumlia "»45.
Cohunbinae 5-15.
Colyuibus* Ö47.
Coniatuhdcn 301 .
Compsofmathus .*»3'>.
«Jonuor 54s.
(Vmdylarthren all
Congrr .V>S.
Conjueation 171.
Conoohiluä 2,"> 1 .
CVmtraetilo Vaonulf 14H.
Conus artfrriDKU;* .r>01.
Cojx'podon 3' »7.
CoraDenthiVro 2o<i, 2LL
(.'oralliuin 213.
Cordylnphora l'«S.
(.'orepinu."* 510.
Connoran ">47.
Cornaou^pi»ngi( n 1H7.
Cornea UM,
Corouolla 531.
Corouula 377.
Corpus oalhfcitun 555.
Corn-lation LL
Corrodontion 415.
Conus 54s.
Coryeaeid«-!! 3<»!>.
Cor\*niorpha 1'.'^.
Cotingidcn 54^.
Cotvhxlonrn *»<-H>.
Cotylorhiza 'ML
Craeidcn 545.
Crani^on 31«2.
Cras|x-<loto Milium- l^L li^
Bd by Google
Register.
589
Crassatella 317.
CrassUinguien 528.
Crenilabrus 51 1.
Creodonten 578.
Crevettinen 384.
Crex 547.
Crinoidecu 299.
Crocodilier 534.
Crocodilus ."AI.
Crossoptervgier 507.
Crotalus :/3l».
Crustaceen 3ii2.
Cryptobranehus 519.
Cryptoniscus 386.
Cryptopentaniera 42L
Crvptotetramern 422.
Ctcniza 4JÜL
Ctenoidschuppeu 401.
Ctciiophoren '21").
Ctenoplana 2 IS.
CulHitncduscn 200.
Cuculus 547.
Cucumaria üik
Culcita 2Ü8.
Culex 12s.
Cumaceen 382.
Cunina 1Ü1L
Cupressoerinus 301.
Curculionidae 422.
Cursores 543.
Cursoria 417.
Cutieula ü£L
Cuvier 12.
Cvamus 384.
Cycla- A±k
Cyclobranehier 336.
Cycloidschuppen 491.
Cycioincto|>en 393.
Cyclopti 3< gi
Cyeh»stoiua 330.
Cyclostomen 487.
Cydippe 2 IS.
Cvgnus 546.
Cymbulia 338.
Cymothoeca 386.
Cynips 423.
Cynoccphalus 580.
Cynotuorphen 580.
Cynthia 2IiL
Cypraca 336.
Cypridina 374
Cyprinus 510.
Cypris 374.
Cypselomorphcn 548.
CvpMcliw 548.
Cyrtidcn ML
Cvstiecreoiden 242.
Cysticercus 236, 21L
Cystid 282. "
Cystideen 3D2.
Cystoflagellaten 164.
Cvstonecten 201.
Cytopharyx 148, 1£8.
Cytopyge 14&
Cytostom 148.
Dactylopterus 511.
Daetylcthra ä2il
Daphnia 374.
Darm 83»
Danufascrblatt 122.
Darwin (Erasmus) 18.
Darwin (Charles) 12,
Dasselbeulen 42« >.
Dasypus 507.
Dasyurus 505.
Daudebardia 331L
Davainea 246.
Dccapodeu 34!». 3bS_.
Deeidua 566.
Dccif uateu ."i'iT.
Deetieus 4 1 '. i.
Dmirä 414.
Dedephila LlL
Deima 3üü.
Delamination 127.
Delphinus 561 >.
Den» «lex 14 1 .
Dendroehirotcn 308.
Dendrocoelcn 229.
Dendrocoelum 220.
Dendrophi« 531.
Dendrophyllia 21.").
Dens lacerans 577.
Deiitalituu 340.
Denticete 509.
Dermnnyssus 441.
Dermatopteren 417.
Derotremon 519.
Dcseendenztheorie 16.
Desnmgnathus 516.
Desmodont 317.
Desoria III.
Desor'sehe Larve 248.
Deuteroiuerit 176.
Diaptonius 360.
Diastvlia 382.
Diblasterien 189.
Dibrauchiaten 3-11».
Dicotyles 571.
Dicvemidcn 180.
Didelphier 503.
Didelphys 565.
Diduncuhis 545.
Didus 545.
Difflugia 1Ü2.
Dimyarier 317, 323.
Dingo 144.
Dinubryon 166.
Dinoflagellaten 166.
Dinornis 5-14.
Dinosaurier 535.
Dinothcrium 574.
Diodon 511.
Dioniedea 54t i.
Diotocardier :'..'".'>.
Diphvodont 557.
Diphyccrk 32, 496,
Diplopoden 397.
Diplozoon 232.
Dipneumones 439, 512.
Dipneusten 512.
Diporj>a 232
Dipteren 12L
Dipylidium 2JiL
Disciden 160.
Diseodaetylen Ü2Q.
Discodermia 187.
Discomedusen 206.
Discoplaeentalicu 567.
Distomum 232.
Diurni 548.
Doehmiue 256.
Doliolum 281.
Domestication 3JL
Donacia 422.
Doris 335.
Doritis 431.
Dorsch 510.
Dorvphora 422.
Dot'tcrstock 22fi.
Draco 528.
Dracunculus 258.
Drevssena 324.
Drobnen 424.
Dromneus 544.
Dromedar 512.
Droinia 393.
Dronten 545.
Drosseln 54s.
Drüsenepithel üL
Drüsenmagen 85.
Dugong 508.'
1 »ujanlin 1Ü.
Dynastes 421.
Dysodont 317.
Dytisciden i2L
Ecardines 287.
Echidnn 5' i3.
Echinocardiiun 305.
Echinococcus 240.
Echinocyamus 305.
Echinodenucn 291.
Echinoideen 3* »2.
Echinometriden 305.
Echinorhvnchus 259
Eclunosphaeritcs 302.
Echinus 3( »5.
Eehiurus 269.
Echsen 528.
Ecitons 425.
Ectoprocten 282.
Edeloralle 2UL
Edelfalke 54iL
Edentaten 567.
Edrinphthahncn 3s2.
Edwardsien 2<t8.
Eff(KÜentien 5(>7.
Egelwürmer 270.
Eichhorn JLL
Eichhörnchen 575.
Eidechsen 529.
Eiderente 545
Eigenwarme Thiere 9JL
Eimeria 178.
Einsiedlerkrebse 393.
Eisbär 577.
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590
Register.
502.
Eintagsfliege 41H.
Eisvogel 54s.
Eizelle IM»
Ektoderra 84^ 127.
Ektoparasiten 1:>S.
Ektosark l.">4.
Elaj»s 531.
Elasipoden 3ÜS.
Elateren 113.
Elatcriden i2L
Elasmohranchier
Elch 012.
Elektrisehe Organe 407.
Elephas 574.
Elysia aiü
Elyiren ML
Empusa 417.
Emys 534.
Encope 3( >5.
Eneystirung
Endostyl 2T
Enopla* 249.
Ente 54<i.
Entcnmusehel 377.
Enteropneusten 273.
Entoconeha 3im.
Entoderm S4j 127.
Entomostraken 3B7.
Entoniscus 38<i.
Entoparasiten 13&.
Entophagcn 423.
Entoprokten 2S2.
Entosark 154.
Entovalva 308.
Eohippus 573.
Eozoon l'i'{.
Epeira 44< >,
Ephemera 41(i.
Ephippinni 373.
Eplüppodonta 316.
Ephyra 205.
Epihlast 12L
Epicrium 521.
Epigenesis KL
Epiphragnia 329.
Epistylis 175.
Epithelgewebc 58.
Epithelmuskelzellen TA.
Eporosen 214.
Enuiis 57 1 .
Erbliehkeit 35,
Erichthus 3SL
Erinaeeus 5 ' \ >.
Eristalis 12!i.
Ernährimg, Organe der-
selben Ü2.
Errantim 2W,
Esel BZL
Esox 510.
Eatheriden 323.
EueopcjMtden 3>i9.
Euermoideen 301.
Eueyrtidiura 100.
Eudrndrium 198.
Eudoxia 200.
Euganoiden 507.
Euglena 104^ 16JL
Kuglypha liÜ
Eulen (Schmetterlinge) 430.
Eiden (Vögel) 54'.».
Eunice 2<><>.
Euphausia 387.
Euplectella 18L
Euryale 298.
Eurystomen 3SO.
Euspongia 1HS.
Eustachius ID..
Exeretionsorgane 92.
Existenzbedingungen 43.
Exocoetus 51 1.
Exuvie 303,
Facettenauge 35S.
Fadenwünner 253.
Falco VW-
Fasan 545.
Faulthiere 5<iS.
Favia 2LL
Feder 030.
Federling 4M
Felis 578.
Fierawfer 5 1 1 >.
Filaria 25s.
Filibranchier 323.
Fingerthier o<9.~
Finken 548.
Finnen 23^ 21L
Fisehasseln 3K0.
Fischbein 5«>S.
Fische iÜQ.
Fisehotter 57K.
Fisch reiJier 547.
Fissiliuguien 022.
Fisjqpedicr 577.
Fissurella 33>i.
FlabeUimi 214.
Flagellaten HU.
Flamingo 546.
Fledermäuse 576.
Fleischbeutler 565.
Fliegen 428.
Fliegende Fische 5 1 1 .
Fliegende Hunde 57_L
Flöhe 42Ü.
Flohkrebse 37J, 383.
Flögelschnecken 338.
Flunder 510.
Flusskrebs 3H2,
Flustra 2K4.
Foraniiniferen 1'K
Forelle 510.
Forfieula Iii.
Forinica 425.
Fornix 555.
Fossorien 424.
Fringilla 548.
Frosehlurche 520.
Frösche 02L
Frugivoren 577.
Fuchs (Vanessa) 430.
Fuchs (vulpes) 578.
Fulgora 426.
Functionsweehsel SIL,
Fungia 2 1 1.
Fumculus umbilicalis 5J1L
Furca 3üL
Furchungsproeess 122-
Furcula ;>3S.
Gabelgemse 572.
Gadus 510-
Galen iL
Galeodes 435.
Galeopithecus 576.
Gallen (Galläpfel) 423.
Gallinacei 544.
Gallinago 547.
Gallus ">}"'.
Gamasus 441.
Gammarus 384.
Ganglienknötchen Ü8.
Ganglienzellen ZiL
Ganoiden OOü.
Ganoidschuppen 491.
Ganoin 491.
Gans 545.
Gameelen 392.
Gasterosteus 511.
Gastroehaeniden 325.
Gastropacha 430.
Gastrophilus 429.
Gastropoden 32»).
Gawtrovascularsvstcni 88.
182.
Gastrula 126.
Gaumcnkaiicr 4!'4.
Gavialis 534.
Gazelle 572.
Geeareinus 393.
Gcekonen 5-_H,'.
de Geer 10.
Gehör 1ÜL
(iri er 048.
GeisHclinfusorien 164.
Geissei kammern 184.
Gcisselspinnen 435.
Gelasimus 303.
Gemmulae 187.
Gemse 012.
Generatio spontanea LLL
Generationswechsel 11*3.
189, 281.
Geocarciniden 393.
Geoftroy St. Hilaire, 11,18
Geocores 42b.
Geodia 187.
Geornetra 430.
Geonemertes 249.
Geophilus 399.
Geotria 490.
Geotrupes 42L
Gephyreen 2öS.
Geruchsorgane 100.
Geryoniden 199.
Geschlechtsorgane 94.
Geschmacksorgane WO.
(»essner &
Gewebe OL
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Register.
591
Geweih 572.
Gibbon 5hü.
Gigantorhynchus 252.
Gigantost raca 380.
Giraffe 572.
Glandicep* 273.
Glassschwäminc 187.
v. Gleichen-Russwurm
Gletscherfloh 414.
Güoderfüssler 352.
Gliederspinnen 434.
Gliedert niere 352.
G Ii res 574.
Giobigerina 1(>2.
Glochidien liiLL
Glomeris 398.
Glyptodonten 5ßL
Gnathobdelleen 212,
Goethe IL IL
Goeze LL
Goldfisch 51Ü.
Gonochorismus 24.
Gonopbore 190.
Gonotheca 197.
Gordius 259.
Gorgonia 212.
Gorilla 580,
Gradflögler HL
Grallatores 547.
Graptolitha L£L
Gregarinarien 17(i.
Gressorien 417.
Grew, Nehemia IL
Gromia HfcL
Grus 547.
Grvllus 412.
Gryllotalpa HU
Gürtel thiore 5H7.
Gulo 578.
Gunda 222.
Gymn«>dontcn 51 1.
Gymnophionen 521.
Gymnorhinen 57K.
Gymnowomata 338.
Gymnotua 510.
Gypaetus 548.
Gyrinophilus 510.
Gyrodactylus 23L
Haarsterne 222.
Habicht 542.
Haeckel 2il
Haemalbögen 451.
Haemamoeba 154.
Hacmentaria 27.'».
Haem<Mlipsa 273.
Haemoglobin 72.
Haemopis 272.
Hänfling ÖJN,
Ha ringe 510.
Häutung 353, 527.
Haifische 502.
Halbaffen 518,
Halicore 5H8.
Hahomineu K50.
Haliotis 33lL
11.
Halisarea 1S8.
Halla 2ütL
Halmonises 197.
Halteren 427.
Hamiglosscn 33Ö.
Hapale SB »■
Hase 575.
Hatteria 534.
Hauptkern 1Ü2.
Hausen 507.
Haushuhn 545.
Haustcllum 427.
Hautfaserblatt 121L
Hautflögler 122.
Hechte 510.
Hectocotvlus 347.
Heilbutt 'hlÜ.
Heimchen 419.
Helioporaceen 213.
Heliozoen 154.
Helix 332,
Heminietal>ole Insecten
410.
Hemielytren 425.
Hemipteren 425»
Heptanchus 504.
Hermaphroditismus 24.
Herrent liiere 579.
Herz H2.
Hcsperornis 549.
Heteroeerk 33. 42Ü.
Heteroeonchen 324.
Heterodera 255.
Hcterodont 317.
Heterogonie HL 234.
Heteronicra 421.
Heteroiuyarior 317. 323.
Hetcronom 11".
Heteronomie 354. 447.
Heteropoden 337.
Heteropteren 425.
Heterot riehen 122.
Heuschrecken 418.
Hexactim'IIidon Is7.
Hexaeorallien 213.
Hexanchus 5<)4.
Hexapodcn 4"0.
Hipparion 513.
Hippocatnpus 511.
nippoglnssus 510.
Hipjxikrates 2» •
Hippopotamus 571.
Hi|)pos|M)iigia 188.
Hirn iiü.
Hirsche 572.
Hirudincen 270.
Hirudo 272.
Hirundo 548.
Hokko 545.
Hörner 572.
Hol« »blastische Eier 123.
Holocephalen 505.
Holoiuetal>ole Insecten 410.
Holostoriium 232.
Holostei 507.
Holothuria 3Q6.
Holotrichen 122,
Holzboek 440
Homarus 323.
Homaxon 107.
Homo 5s l .
Homocerkie 33, 49(>.
Homoiotherme Thiere 4i2»
Homolog LL
Homomyarier 323.
Homonom 110.
Homoptercn 42ü.
Hornuphora 218.
Hornschwärame 187.
Huchen 510.
Hufthicre 509.
Hühner 5 15.
Hummer 323,
Hund 578.
Hundelaus 416.
Hvaena 57S.
Hyalaea 338.
Hyalonema 187.
Hvalospongien 187.
Hydra 12Ö.
Hvdrachna 440.
Hvdraetinia 12&
Hvdranth 12L.
Hydrarien UJS.
Hydrocaulus 191.
Hydrocorallinen 198.
Hydrocore» 420.
Hydrodroniici 42(i.
Hydroidpolyp lh!>.
Hydromcdusen 189.
Hydrometra 42Ü.
Hydrophiden 531.
HydroplüUden 421 .
Hydroj>syehe 420,
Hydrorhiza 191.
Hydrosauria 532i
Hydrothoca 191.
Hvdrozoen 189.
Hyla 520,
Hylobates 5S0.
Hylodes 520.
HylurgiiB 422.
Hymenolepis 245.
Hymenoptcrcn 422.
Hyocrinus 3< * X
Hyperinen 384.
Hyperoartien 489.
Hyperot retcn is1.*.
HyjHjblast 127.
HyjxihraQchiolrinne 277.
HyjXKlenna 422.
Hypophysis 278, 4<ifl.
Hypot riehen 175.
Hyracothcriiun 573.
Hyrax 574.
Hystrix 515.
Ibis 517.
Ichneumoniden 424.
Ichtlivornis 549.
Ichthyi»saurier 535»
Igi-1 57<>.
5<<2
Register.
Iguaniden 52K.
Iguanodon 535.
Iinpcnncs 517.
Imperforaten 102.
Inae<juitelen 444).
Indeciduatcn 507.
Ligluvies 8iL
Ima 5< >S.
Innocuen 531.
IiiiHt'tvn 1ÜQ.
Insectivoren 575.
Jnsessores 543.
hitegripalliaten 32L
Interiarsalgclenk 535, 530.
Imius 5s< ).
Invagination 127.
Irene III!».
Irreguläres 305.
Iris lilL
Isis 2LL
Isodont '{17.
Isolirung, geographische 12» |
Isopoden 3S4.
I ulus 3JK
Ixodes HD.
Kabeljau 5_HL
Käfer 420.
Kalt est arrc 52.
Küscmillvon 411.
Kalkschwämme 186.
Kaineel 572.
Kaltblüter 22.
Kampf imiV Dasein 3fi.
Kaninchen 575.
Karausehe 510.
Karpfen 510.
Karpfenlause 370.
Kataklysmentheorie 12.
Katallakten ls().
Katarhinen .r>s0.
Katze 57K.
Kaukasier 5S 1 .
Kaulquap|K* 5 1 .S.
Kaumagen S5.
Keimblätter 126.
Keimepithel OL
Keimst« M'k '-30.
Kellerasseln 3S(i.
Kiebitz ."> 17.
Kieferbogen 455.
Kieferegel 272.
Kieferkaucr 4'.»4.
Kiclschnecken 337.
Kiemen üü,
Kiemen bogen 1.").
Kirmenfüssler 370.
Kieselsehwämme 186.
Kileh aiil
Kiwi 514.
Klap|R'rsehlange 532.
Klettervögel 54 7.
Knochen LüL
Knochenfische 507.
Knorpel ÜLL
Knorpelfische 492.
KnorjMilganoiden 506.
Knospung 1 13.
Kolibris 5lS.
Kohlweißling 430.
Kometenform 205, 297.
Krabben 3!)3.
Krähe 54S.
Krallenaffen 5.SQ.
Kranich 547.
Kratzer 350.
Krätzmilben 441.
Krebse 322.
Krebsllüere 3Ü2,
Kreuzotter ä32.
Kreuzspinne 440.
Kriecht liiere 522-1
Kröten 52 1 .
Kropf sä,
Kugelasseln 3S0.
KiiKuke 547.
Laberdan 5 1 0.
Lahidura 417.
Labrideu 511.
Labyrinth« Klonten 520.
Laeerta 529.
Lachse 510.
Lämmergeier 54S.
Lacmodijioden 384.
Läuse 427.
Lagopus 515.
Liuna 572.
Lamarek LL
Lamellibranehiatcn 316.
Lainellieornier 421.
I^aniclhrostris 546.
Lamnideu 504.
Lampyris 42 1 .
Laiii1|>lananen 229.
Languste 3i>3.
Lanis 546.
Laterne des Aristoteles 301.
Latrodectes 440.
Laubfrösche 520.
Laufkäfer J2L
Laufspinucn 439.
Laufvögel 543.
Laverania 154.
Leber SU
Leberthrau 510.
Lcberegel 234.
L«ruwenhoek lü
Lein u r *»7'.i.
Lepas 377.
Lepidopfercn 429.
Ix-pidosaurier 527.
Lcpidosiren 5 1 2.
Lepidosteus 507.
I^episma 414.
Leptoeardier 4K4.
Leptocephaliden 510.
Leptodiscus 108.
Leptodora 374.
Lcptomeduwm 199.
[ Leptoplana 229.
Leptoptilus 547.
Leptostraea 382.
Leptus 4-10.
Lepus 575.
Lerchen 54R
i Lernaea 309.
Lernaeoeera 369.
Lernaeopodiden 309.
Leucetta lSfi.
Leuchtwürmchen 421.
Leuckart liL
Leu Conen 186.
Leucortis* 1H6.
Libellula Hü.
Ligula 244.
Limaeina 338.
Limax 339.
Limieolen 267.
Luunadia 373.
Limnaeus 331 332.
Limnoenida 197.
Limnocodium 197.
Limnoria 380.
Limulus ;»T:i.
Li neus 249.
Linguatulidco 441.
Lingula 2S7.
Linne 7, HL
Iippfische 5 1 1 .
Lithistiden 187.
Lithodomus 324.
Lizzia 198.
Locus ta 419.
Löffelstöre 507.
Löwe 578.
Lohblüthe 16-1.
Loligo 312.
Longipeimes 546.
Lopnhifl 511.
Lophobranchier 511.
Lophogastriden 387.
Lophophor 2S4.
Lophopoden 2üL
Lophvrus 423.
; Lori *5_71L
Loricaten 393.
Lota 5J±L
Luven "sehe Larve 525. 263.
Loxosoma 282.
Lueanus 420. 12L
Lucernaria liOjj.
1 Luchs 578.
, Lucio perea 511.
I Lumbricus 267.
I Lungen S7_.
Lungenschnecken 33S.
Lurche 513.
Luscinia 548.
Lutra älS.
Lycosiden 439.
I Lyell 1K
Lymphe IL
Lymphgefässe Ö_L
Lyonet IL
Lytta 12L
Register.
503
Machiiis 414.
Maerobiotus 443.
Macrochiropteren 577.
Macropus 565.
Macrojxxlen 509.
Macruren 382.
Mactra 317.
Madrepora 215.
Madreporcnplatte 2ÜL
Macandrina 211»
Maifische 510.
Maja 3J&
Maki .")■'■>■
Makrelen 511.
Malacoderraen (Anthozoen)
213.
Malacodennen (Käfer) 42L
Malacopteren 508.
Malac« Mitraken 380.
Malaien 5H1.
Malaptcrurus 510.
Mallophagen 416.
Malmignattc 437.
Malpighi lp_, 4£
Maiumalia 519.
Matnmuth 574.
Man at Iis 5« SS.
Mani.s 567.
Mantelthiere 274.
Ma litis 417.
Marabu 547.
Marder 578
Margaritana 324.
Mancnkäferchen 422.
Marsipobranchier 48J,
Marsupialier 5jj3.
Mastigophoren KU.
Mastodon 574.
Mauerasseln 386.
Mauerschwalben .') l.s.
Maulesel 57 1 .
Maulthicrc 571.
Maulwurf 576.
Maulwurfsgrille 419.
Maus 575.
Meckel 18.
Medinawurm 258.
Medusa 18Ü.
Meerkatze 580.
Meerschweinchen 575.
Megalnpalarvc 392.
Mcgapodius 545.
Megascolides 267.
Megastotna 166.
Megatherium 568.
Mehlwurm 121.
Meisen 54S.
Meleagris 545.
Meleagrina 321.
Meies 578
Meloiden 42L
Meloe 42L
Melolontha 4 '1.
Melopsittacus 547.
Membranacecn 126.
Mcuobranchus 519.
Menopoma 519.
Menuriden 548.
Menschenhaie 504.
Mephitis 578
Mermithiden 258.
Meroblastische Eier 1 23.
Mcryhippus 513.
Meaenchym 128.
Mesenterialfilamente 2t >>.
Mesepithel 128.
Mcsoblast 12h.
Mesodenn 181.
Mesohippus 573.
Mcsostomuin 22ä,
Metabolc Insecten 410.
Metagenesis 1 16.
Metameren 1 10.
Metamorphose 131, 410.
Metanauplius 3112.
Metazoen 181.
Miastor 428.
Mieroehiroptcren 576.
Microlepidopteren 4MP.
Mierogaster 121,
Microstomum 227, 22iL
Mieseheria 178.
Miesmuschel 323.
Migrationstheorie 42.
Millen 440.
Miliola lÜ2x
Millej)ora li£L
Milz iüL
Mimicry 38.
Miohippus 573.
Moa ->44.
Möven 546.
Mönch 548.
Mohl 4ü.
Mollusca 310.
Molluscoideen 221—274.
Molpadia 3<R
Monactinelliden 187.
Monadinen 166.
Mona seidien 270.
Monaxonie 107.
Moneren 153.
Moniezia 2lä>
Monitor 52iL
Monocystis 177.
Monodelphier 562.
Monodon 5ÜL
Mongolen 581.
Monogonie 113.
Monom varicr 31^ 323.
Monopneuraones 512.
Monopyleen ItiO.
Monorfiinen 487.
Monnspcrmie 120.
Monostoimun 2. ■!.">.
Monothalaraien 1Ü2.
Monotoeardier 33li.
Mono t reinen 562.
Montee 510.
Moosthierchen 2S1.
Mordaeia 490.
Morphologie 2.
Moschus 572.
Moschusochse 572.
Motacilhden 5J8.
Motten 430.
Mücken 428.
Müller iL
Muriciden 33Ü.
Mus 575.
Musca 42!).
Muscarien 428,
Muschelkrebse 374.
Musehclthiere 316.
Musivisches Sehen 359.
Muskelgewebe 13,
Mustcla 578.
Mustclus .'KU.
Mussa 2_LL
Mycetes 580.
Mvcetozoen lü3.
Mygale 431L
Myiden 325.
Mvocommata (Mvotome)
"441.
Myopsiden 349.
Mynauida 2'i:-;.
. Myriapodcn 397.
MyriiKH-ophaga 567.
Myrmecophilen 425.
Myrrueleontiden 419.
Mysis 387.
Mysisstadium 3112.
Mysticete 569.
Mytilus 323.
Mvxidiurn 178.
Myxine 48Ü.
Mvxo1m>Ius 178.
Myxomyceten 163.
Myxosj>oridien 178.
Myxospongien 1SÜ.
Nachtigall 548.
Nacht rau b vögel 549.
Nacht schwalben 548.
NaegeU 44.
Nagcthiere 574.
Naja Ü3L
Najaden 324.
i Nais 267.
Narcomeduscn 19JL
Narwal 569.
Nashorn 57 1 .
Nashornvogel 548.
Nassellarien 160.
( Natatorea 545.
Nattern 531.
Naupliusstadium 392, 3üa.
Nausithoe 2QÜ.
Nautilus 34K.
Neark tische Region 145.
Nebalia 382.
Nebenkern 169.
Needham'sche Schläuche
347.
Neger 581.
Nemathchninthen 252.
Nematoden 253.
38
liertwif, Lehrbuch der Zoologie. S.
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Register.
Nematophoren 1*8.
Nemertcs 24! t.
Nemertinen '247.
Nemocera 428.
Ncomcnia 310.
Neocrinoiden 301 .
Neophron 548.
Ncotroi wische Region LtL
Nepa 420.
Nephelis 272.
Nephridien 112.
Nephrops 3!>3.
Nereis 205.
Nervenfasern IL
Nervengewehe 7JL
Nervensystem HL
Nessel kat wein 188.
Nestflüchter 5J3.
Nesthocker 543.
Netzflügler JÜL
Neunauge 4S!>.
Neuralhögen 450.
Neuropteren 4 HL
Nidatnentaldrüsen 347.
Nierenspritze 313.
Niere 112,
Nilpferd 571.
Niphargus 3K4.
Nnetiluea 107.
Noctua 430.
Nocturni 541«.
Non-Kuminantien .r>71.
Notidaniden 504.
Nonne 430.
Notodelphys (Anure) 51s.
Notodclphvs (Oopepodo)
ML
Notonecta 420.
Notopodcn 393.
Nototroma 520.
Nuclcus 32.
Nnculidcn 319, 323.
Nudihranchia 335.
Numniuliten 103.
Oonoria 430.
Octoeorallien 212.
(X'topoden 3 t'.t.
Octoptu 3J1L
Odontolcon 54! >.
Odontornithes 540.
Odontotonnen 54t».
Oedipoda 4JAL.
Oegoi>sidcn 340.
Oekologie 3.
Oesophagus 85,
Oostriden 42!>.
Ohren roh he 57H.
Ohrwürmer 417.
Oikopleura 270.
Oken LL
Oligochaeten 2>k>.
Olnie 5_liL
Onisous 3Sß.
Ontogenie 3.
Onychophoren 3115.
Opaliua 172.
Opereulum 32Ü.
Ophididen 510.
Ophidior 52*.).
Ophiactis 2! »7.
< )phiocnida 2t>7.
Ophi(K'oma 2!)7.
Ophioglypha 2!>8.
Ophiophagus 531.
Ophiothola 2t)7.
Ophiothrix 21ÄL
Ophiuroidoen 2t K
Opisthobranchicr 334.
Opisthoglyphen 531.
Opossum afiü
Orang Ptang 58J1
Orbitelen ilLL
Orchestia 383.
Ordensbänder 4.30.
Orgyia 130,
Orgelcorallc 213,
Orientalische Region 1 4 "i.
Ornithodelnhier 5ii2.
Ornitho|MHien 535.
Ornithorhynchus 503.
Orohippus 573.
Orthoneuren 330.
Orthoneetiden ISO.
Orthopteren 417.
Oryeteropus 507.
Osearella 1S7.
Oschles 5 l>.
Osphradium 312, 322.
Ostraeion 511.
Ostracoden 3LL
Ostrea 324.
Otaria 578.
Otis 547.
Ovieellen 2S-1.
Ovipare Thiere 11LL
Ovomammalien 5ti2.
Ovovivipare Thiere 13L
Ovis 5<2.
Oxy<laetylen 521.
Oxyrhynchen 3t >3.
Oxystoinala 3t >3.
Oxyuris 255.
Paarhufer 57 1 .
Pachydcrmen 57 1 .
Paehytylus 41t>.
Pacdogcnesis 1 14.
Pagurus 3ü3.
Palm -»den 37t).
Palaemon 3H2.
Palaearetische Region 145.
Paläocrinoidoen 3( >1 .
Palaoothericn ">73.
Paläontologie A.
Palinurus 3! »3.
Pnludina 330.
Pancreas 8iL
Panorpa tili.
PantojMKlen 443.
Panzerkrehse 3St>.
Panzerwolse 510.
Papageien 547.
Papiernaiitilus 34t >.
PapUio 431.
Paraetis 2Q7.
Paradiesvögel 548.
Paradoxides :{n >.
Paramaeeium 172.
Parasitica 3iii».
Parasitismus 137.
Pariden 548.
Parietalganglion 312.
Parietalorgan 4*i0.
Parthenogenivis 114.
Passer 548.
Passeres 5 18.
Patella 327, 33H.
PaumpoTJen 3üiL
Pavian 580. •
I Pavo 545.
Pecten 321.
Pcdalgnnglion 312.
Pedaten 3Üfi.
Pedieellarien 2tU. 305.
Pedicellina 282.
Podiculaten 5J1.
Pedioulus 427.
PiHli|>al|N>n 431. 435.
Pelagia 200.
Pelagisehe Thiere 140.
Polamis 531.
Poleeanus 517.
Pelias 531.
Pellicula 10S.
Pelmatozoen 2t M.
Pelobates 521.
Pelomyxa 1.54.
Peltogaster 377.
Penaeus 3t r>.
Pennatula 2_UL
Pentaeerontiden 298.
Pentnerinus 301.
Pentamera 421.
Pentastomum 442.
Pentatomidcn 420.
Pentremites 302.
Peraineles 505.
Perca 511.
Perdix 545.
Perennibranehiatcn 519.
Perforaten 102, 215.
Periderm IM.
Peridinium 100.
Peripatus 28, Mi.
P<Tiphvlla"20o.
Periplaneta 117.
Periproet 3( »2.
Peripyleen 100.
Perisehoeehiniden 304.
PerisKodactvlen 571.
Peristom 172, 302.
Perithoraealraum 277.
Perit riehen 173.
Perla Uli
Perlen 313.
Perhnutterschicht 3JiL
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Perotnedusen '2i£L
Petaurua 5115.
Petromvzon 48».
Pfau 5ii
Pfeilschwänze .-{TS.
Pfcilwünner 251.
Pferd 57 1 . 573.
Pfeixleegel 2ü
Pflanzenbeutler ."><;.">.
Pflanzenläuse i2±L
Pflanzen» hiere 1ÜL
Phaooditricn PK).
Phalaroeorax ilL
Phalangoidccn 437.
PI uü angin in 437.
Phalangista 5U5.
Phallusia 2UL
Pharyngognathcn 510.
Pharynx tiü»
Phaseolomys ")!>.")■
Phascolottoiua 2u'.i.
Phasianus 545.
Phalli» ii Ion 117.
Pheuae«»douten 573.
Phialidimu ÜJiL
Philonexiden 54<).
Philopterus 41(i.
Philosophie zoologiquo lh.
Phlel>enteraten 335.
PIUK'U ">7S.
Phoenicopterus 54<i.
Pholas l-'"'.
Phoronis 22Ü
Phronima 3K4.
Pliryganea 420.
Phnrniu 435.
Phthiriasis 427.
Phthirius 427.
Phyllium 4_LL_
Phyllo|»oden Ü7_
Phyllorhinen ~>7»>.
Phylloxera 427.
Phylogenio 4^ 2J>,
PhvsaTia 21 H.
PhyscUr ijliÜ,
Physiologie Ü.
Physiolngus L
Physnelisten 501.
Physonecteu 2< X )■
Physophora 21)1.
Physophoriden 200.
Physoj»oden 4 Ui.
» Physostonien .')()1. "»10-
Phytophagen 5>i5.
Phytophthiren 42<i.
Picaricn "»4 7.
Pieris m*
Pilidiuni 2J&
Pimpla LLL
Pinguin ill.
Pinna 323.
Pinnipedier 578.
Pinnot heres ilDü.
Pinnulac 3ul.
]'i|»a Ü2U.
Pisce* jm
Register.
Piscieola 273.
Pisidiuiu 32ü,
Placeuta diffuse ,">(>'>.
„ cotyledonaria .">!>» i.
„ discoidalis ■*>(><>.
,, zonaria i' i.
„ uterina "Mi.
„ foetalis "Mi.
Placentalien äua.
Plaeodennen ■">( )7.
Placoi<l*chup|>on 448. 401.
Placophorcn 3 PL
Plagiostomen 5< )2.
Plagiotreinen 527.
Plakiua lsL
Planaria " .". '.
Plauipcnnien 41*».
Plankton UJi,
Planorbis alill
Plasmodien Hi3.
Plastron jüli
Platanista ~>Us.
Plathclminthen 22ä.
Platt würincr 225.
Platyrhinon -"»so.
Pleetognathen 51 1.
Plesiosaurus 535.
Plethodon ">n>.
Pleuralhögen 451.
Pleurulganglion ; I .'.
Plcurobraohia 1UL
Pleurobranehu* 335.
Pleurodonten ä2ü.
Pleuronectos "»10-
Plictolophus 547.
Plinius Ü.
Pliohippus 573.
Plumatclla 2 vi.
Plumularia lifiL
Pltiteus '£LL
Pneumaticität iül
Pueumatophor 11ÜL
Pneumodermon 338.
Podiceju« 577.
Podophrva 17.">.
Podophthalmen 38<i.
Podura 414.
Poikilothenne Thierc U2.
Polyeclis £*L
Polvchaeten 21iL
Polyeladen
Polyelonia 2o*j.
Polyd(>suius ÜilfcL
Polyergu.s 42.">.
Polygordius 20<i.
l'olyiuorphisniUH 13ä. 200.
l'olynoe 2r>fi.
Polyodon ">()7.
Pftlvphemidrn .'{"4.
Polypen U£L
Potypid 'Jüi,
Poly|M>diuin l-»s.
Polypteru* -'M>7.
PolysiMTinie L2iL
PofyfttomeUa üü
Polyi'tomuin '^2.
595
Polythalamien liiL
PolvxeilUH 'VM.
Pom>lü(» :{st>.
Poriferen K-t.
P«»rpita 2ÜL
Porto-Santo-Kaninchen LL
Postabdoinen .r>4.
Potamiten ~M.
Pottwal ÜL
Praya ML
Priapulus 270.
Primaten ">7<t.
Prifinensehieht :^1!).
i Pristi* 505.
Pn>bo*ieidier üIIL
Proeellanden ."»4ti.
Prrtetoflaeum iü
Proyeon 57K.
PnKH'hidna 5<>M.
Proglut tis 2:i'i.
Proinorphologie 1CNL
Prosimien 57s.
Profobranehier !^5.
Prosopygier 270, 2S2.
Prosloma I2<).
ProtauKK'bp 154.
Proteroglyj»hen 5^1.
Proteus 5.ÜL
Protisten 151.
Pn»tobranehier ;Y2'.i.
Protoeonehen
Protohipiais 573.
Protohydra l'.is.
l'rotolepas M7K.
l'rotonierit I7<L
l*n»tonephridien iü
Proto])lariuia Hl
Protopterus 512.
Protozoen 14K.
ProtnieheaU-n :ll>5.
Protrochula 2^j.
Psauinionyx 1 o2.
" Pseudonavieellen 17Ji
lVudoneuropteren 414.
PseiulojMidien 152.
Pseudopus 52*. >.
Ps<'iid<>seorpic>ni(leen 4:t<i.
j Psittaei 547.
Pöociden 4H».
PsorosiKTinii'U ISO.
Psyche im
Pteraspiden ■">< >7.
I'terodaetylus 5.U
I PttToiny« 575.
PterojMKlen :i.'lS.
l'k'ropux 577.
i Pterosnurier 5M4
I'terotrachea
Pterj'gotus Ilso.
Ptvehodera 2JÜL
Piilex
Pulinotiaten :ns.
Pupiparen 429.
Pupj»enformen 411.
Purpursehneeken -<*t<>-
Putorius 578.
38*
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596
Pycnogonum 443.
Pygostyl 544.
Pyrophorus 42L
Pyrosoma 280.
Python 53L
Pythonomorphen 534
Quadrilatera 3j&
Quadrula 162.
Quagga 5 ■ 1 .
Quappe 510.
Querder ML
Raben 548.
Radialsymmetrie 107.
Radiatcn 182, 2ÜL
Radiolaricn 1 5ti.
Radula 32Ü.
Räderthiere 24&
Rainey -Micacher'sohc
Schläuche 17s.
Kaja 505.
Ralliden 547.
Ramphastiden 547.
Kana 52L
Banatra 4211
Rangifer 572.
Ranfcenfüssler 374.
Raphidia 4JiL
Raptatores 548
Rasse 20.
Ratiten 54JL
Ratte äli
Raubthiere 578.
Raubvögel 548.
Raupen A12.,
Ray 7, Iii
Reaumur 10.
Rebhuhn 545.
Reblaus 42L
Redia 232,
Regen wümier 2ÜL
Reguläres 305.
Reh 512.
Reiher 547.
Renken 5 1 0.
Renthier ÖI2.
Reptilien 522.
Retina 105.
Rhabditis 25».
Rhalxbx'oelen 220.
Rhabdonema 259
Rhaphidia 419.
Rbea 544.
Rhinoeerontiden 571.
Rhinocenw 571.
Rhinodnntidcn 504.
Rbinolopbus 57*>.
Rhizoccphaliden 377.
Rhizocnnus 301.
Rhizopodcn 151.
Rhizoctonia 20<).
Rhizostomeen 2< Hj.
Rhodites 123.
Rhombus 510.
Register.
\ Rhopal(»eeren 430,
Rhopalonema IM.
Rosenkönig 423.
Rhynchites 422.
Rhynchobdelleen 273.
Rhynchoeephaliden 534.
Rhynehoten 425.
RhVtina 5t 88.
Rieht ungskörperehen *1 Ift.
Riesenschlangen 53J
Riesen kängu ruh 5t »5
Riesenkrebse :N i.
Rind 572.
Rindenläuse 42<i.
Ringehiatter 53 1 .
Ri ngel wü rn i er 2<)0.
Rippenquallen 215.
' Robbe :>78.
Rochen 505.
Rodentien 574.
Rösel von Rodenhof 11.
Rostellutn 23L
Rotalia 1H2.
Rotatorien 240.
Ruderfiissler 307.
Rudiston 325.
Rugosen 215.
Rückenmark 00.
Rüssclcfrel 273.
Rüsselkäfer 122.
Ruminantien 571.
Rundspinnen 132
Rundwürmer 252.
Sabella 2m.
Saceonereis 284.
Sacculina 377.
Saenuris 207.
Sägefische 505-
Säugethiere 541>.
Sagitta 252.
Saibling 510.
Salamandra üJiL
Sahno 510.
Salpa 280.
Salpaeformes 280.
Saltatorien Iis.
Saltigraden 13Ü.
8andvij>er 532.
Sapphlrina 3t 10.
Sareocvstis 178.
Sarcoffc liL
Sarcodinen 151
Sareophilus 5< >5.
Sarcopsylla 420.
Sarcoptes 441.
Sareorhamnhus 548.
Sarcosporidien 178.
Sardine 5111
Saturnia 431L
Saugnäpfc 220. 23L
Sangwürmer 220.
Saurier 528
Saum reu 540.
Savigny IL
Scalaricn 327.
Scansores 547.
Scaphopoden '.WU.
Schaeffer 11.
Schabe 417.
Schaf 572.
Schalendrüse 3H4.
Schellfische 510.
Scheltopusik 520
Schiffsbohrwurm 325.
Schildkröten 534.
Schildläuse i2fi.
Schildpatt 533.
Schimpanse 580
Schizocardium 273.
Schizodont 317.
Schizogonie 207.
Schizopoden 3S8.
Schlangen 529
Schleiden IS.
Schleie 510.
Scldeiereule 540.
Schleimpilze, Schleim thiere
Sclmietterlinge 420.
Schnal)elkprfe 425.
Schnabelthiere 5K3.
Schnaken 42£L
Schnecken 32ü
Schneehuhn 545.
Schncpfenvögel ">47
; Schnurwürmer 247.
Scholle 510.
Schreivögel 548.
Schiütze, Max 14, 41L
Schwämme 183.
Sohwärmer 430.
Schwalben 548
Schwalbenschwanz 43 1 .
Schwan 54fi.
Schwann JfL
Schwanzlurche 519.
Schwein 571.
Schwertfisch 51 1.
Schwimmfuss 3*i3.
Schwimmvögel 545.
Scincoideen 529.
Sciurus 515.
Sclera 1 1 >5
Sclerodermen (Corallen ) 2LL
Sclerodermen (Fische) 511).
Sclerophyllia 214.
Sclerostoma 250.
Sclcrotome 447.
Scolex 23JL
Scolcciden 225.
Scolopax 547.
Scolopendra 309.
Scolopendrella 3iüL
Seomber 51 1.
Scombcresociden 51 1.
Scorpaena 508.
Scorpio 43t).
Scorpionideen 435.
Scutigera 300.
Scyllaruß 303.
Scyphomeduaen 201.
Register.
597
Scyphopolyp 201.
Scvphostonia 2QL
Sedentaria 260, 440,
Seebarsche 511.
Seehund 578.
Seeigel 302.
Seekühe 568.
Seenadel 511.
Seepferdchen 511.
Seerosen 213.
Seeschwalbe 546.
Seeaterne 2S)4.
Seewaken 306.
Seezunge 510.
Segestria 44LL
Segmentalorgane 93, 223.
Segmentirung 110.
Seitenlinie der Fische 498.
Selache 0Q4,
Selachicr 502.
Selaginella 180.
Semaeostomen 206.
Sepia 349,
Serosa 483.
Serpula 2ßSL
Scrranus 51 1.
Sertularia 199.
Sesien 430.
Sialie 419,
v. Siebold, Carl Theodor
HL
Silicispongien 18<i.
Silurus 510.
Simia 080.
Singcicaden 426.
Singvögel 548
Sinnescpithel 66.
Sinnesorgane 100.
Sinupalliaten 320.
Siphoncn 318.
Siphon apteren 4_*t.
Siphonophoren 199.
Sipunculus 270.
Siredon 520.
Sircn 013»
Sirenia 5<i8.
Sirex 423.
Sittiche 547.
Solea 010,
Solen 325,
Solenogastres 3 in.
Solenoglyphen 531.
Solpuga 434.
Somniereier 372.
Sonneiithicrchen 154.
Sorex 576.
Spaltfuss 365.
Spanische Fliege 421.
Spanner 430.
Spatangu* 305.
Spatulariden 507.
Spechte 547,
Sperling 548.
Spermatozoen öö,
Sphaerechinus 305.
Sphaeridicn 29_L
Sphaerogastres 437.
Sphaeroma 386.
Sphaerophrya HO.
Sphaerozoum 160.
Sphex 424,
Sphinx 430.
Spinaciden 504.
Spinnen 437.
Spinnenthiere 431.
Spinner 430.
Spinnwarzen 137,
Spirobolus 39S.
Spirobranchier 2S6.
Spirographis 2Ü6,
Spirorbis 2ßJL
Spirula 349.
Spitzmaus 576.
Spondvlus 323.
Spongiae 183.
Spongilla 187.
Sporenblasc 163.
Sporoeystis Zil
Sporosäcs 196.
Sporozoen 17b.
Springwurra 205,
Sprosser 548.
Sprotten 510.
Spulwurm 200,
Spumellarien lüD,
Squalidcs 504.
Squamipennes 511.
Squatinorajiden OOJL
Squatina 504.
Squilla 3*7.
Staatcnbildung 136.
Stachelschwein 575.
Stachelhäuter 2JJL
Staphyliniden 42L
Statoblastcn 284,
Staublaus 416.
Stauromedusen 205.
Steganopodes 547.
Stegocephalen 520.
Steinadler 549,
Steinbock 572.
Steinbutt 510.
Steincanal 2ÜL
Stelleroideen 298,
Stelmatopoden 284.
Stemma 357.
Stenops 579.
Stcnostomuni 222.
Stentor 113,
Stephalia 201.
Stcphanoscyphus 206.
Stephoideen 160.
Sterlet 507.
Sterna Olli
Stichling 512,
Stichopus 308.
Stieglitz 548,
Stinkthier 028,
Stockbildung 135.
Stockfisch 510.
Störe 507.
Stoloprolifer 28L
ML
Stoiuatopoden 387.
Stomodaeum 85.
Storch 547.
Strandläufcr 54L
Strausse 544.
Strepsipteren 420.
Strick leiternervensystem 99.
Stridulantien 426.
Strigops 547.
Strix 54JL
Strobila 205, 243,
Strongylocentrotus 305.
Strongvlua 25H.
Strudelwürmer 227.
Struthio 044.
Stützlamelle 190.
Stvlaster 198.
Stylochus 228,
Stylommatophorcn 339.
Stvlonvchia 1 75.
Stylops 420,
Subungulaten 574, 575.
Suctonen 175.
Sus 571.
Swammerdam
Sycandra 186.
Svcon 18»).
Sylvia 54&
Symbiose 138.
Symbranchus 510.
Sympathische Färbung 37.
Svmphvlen 3iüL
Synapta 308,
Synascidien 279.
Syncorync !'.<*.
Syncytien 56, 141>.
Syngamus 250.
Syngnathus 511.
Syrinx 540.
Svrnium 549.
Syrphiden i^L
Tabanus 42H.
Tachina 4 29.
Tacnia 245.
Tagfalter 430,
Tagraubvögel 548.
Talpa 576.
Tanais 386.
Tannystomen 42s.
Tapirus 57 1 .
Tarantula 439.
Tardigradcn 442.
Tarsius 579.
Taschenkrebse 393,
Tastorgane KW).
Tatusia 567.
Tauben 545.
Tausendfüssler 397.
Taxodont 317.
Tectibranchien 335.
Tegeneria 440.
Teichmuscheln 324.
Teleostier 507.
Tellina 325,
TelyphomiH 435.
Register.
Tenebrio 421.
Tenthrodiniden 123.
Tercbella >W.
Tonibra 422,
Terobrantioii LLL
Torobratula :iÜL
Teredo 32."i.
Termiten -1 1*>.
Terricolen 'Mi7.
Tesselalen 3iiL
Testncclliden 33!».
Test icardinos 287.
Toslurlo .~>3 I.
Tethvodoen 27ti.
Tethys XLL
Tetrabranehiaten 'MS.
Tetractinellidon KL
Tetracorallien 21."».
Tetraxonicr IST.
Totnunoron 421.
Toirao :>»:>.
Tctrapneunioncs 431 1.
Tetrarhynchus 2 1 1.
Tetrastouiuin 24! >.
Tot t ix HÜ
Thalami »phorcn l'i<).
Thalassieolla UÜ1
Thalami tcn
Thaliaovn 2SLL
Thoeosomata 338.
Theilung 112,.
Therotunrpheii 7ül7>.
TherojM«lcn .~>3.">.
Thiergf i »gruphio 33^
Thorafn--traro 3stj.
Thrips HL
Thunfisch Z»J_L
Thylaeinus ■">(>.">.
Thymallus TAH
Thynnus .*) 1 1 ,
Thysanoptoron 4Ui.
Thysannz«»on 22'. ).
Thysanuivn 414.
Tiära Iii*.
Tiefseefnunu I4'>.
Tiger .")7S.
Tillodnnticn 7ü7).
Tinoa .'»Hl.
Tinea JIM
Tintenfische LLJJA
Tipula 42S.
Tooognnie 1 \'.\.
Todteukopf 4JÜL
Toniaria 274.
Toqnido 7i< K").
Tortrix IM
Toxodontion ">7.">.
Traohoatca liiiL
Traohoon 31M, U>7.
Tracheenkiemen )■ '< .
Tnichcenlungeu WA.
TraohyiufHiuM-ii 1 !)'.».
Trnchvneiuidcn !'.>!>.
Trag«! us .~>73.
Trapjx- HL
Trcmatodcn 221).
Trepang 308.
Trinxonier 1S7.
Triccratops r>3r>.
Trichechur* '»78.
Triehina 2.">7.
Trichocophalus 250.
Trichocystcn !<>'.).
Trichodtvtcf* 4H>.
Trichomonas lt>t>.
Trirhoplax ISO.
Trtehopteren Iii».
Triehotracholidcn 2")<i.
Triebtor 343.
Tricladen 22li
Tridacna 32.">.
Trigla
Trilnbitou m
Tri nif -ron 422.
Trionyx ~>34.
Triton
Tritoniadcn AA7>.
Trochilidon ."US.
Tntohophora 22 fi.
Trochus 33<i.
Troctes 4 Iii.
Troglodvtes .~)S0.
Tmmbidium 440.
Tnipidonolus .">: i I .
Truthubn ">4.Y
Trutta Uli
Tubin »lao 2'i<».
Tubifieidcn 2o7.
Tubitelae Mi
Tubularia l!»s.
Tubularion Ii».
Tid)i|M»nu'Cou 213.
Tukane ö 1 7 ,
Tunieaton 2.
Turbcllaricn
Turdidcn .Vis
Tylenchus
Tvinpodon
Tvmpanale < iehörorgane
Iis.
Typenthmrio Li.
Typhlops ,~>3I.
Tyranneien .Y4S,
Tyroglyphus 44 t.
Hebung VA.
Uforaa» 4 Iti.
Uhu fjjli
Ulmaris 20fi.
Unpaarhufer
Uugulaten ">'>!>■
L'nio
Unke
I'raimcliden 2>iO.
Urdartn s:{, 1 ;,
Urflügler ALL
Urinsecten II 1 .
Urinatores fi tii.
Unnund I2ii
l rnutella 2s2.
Uroecriden 428.
Urodelen äht.
I'n)gonital«yf»tem ÜiL
L'rsus r>77.
t'rtbioro 148.
Urwirbel 447.
Urzeugung 2^ III.
Vagabunden VAU.
Valvata 'A'Ail
Vanipyrus ")7G.
Vanessa 431.
Varanus 52t».
Variabilität 3iL
Varietät 2L
Vasa Malpighi Aift.
Vegetative Organe 82.
Velella 2UL
Veligerlarve 'A\A.
Velum 1LCL
Venen SIL
Vouum Ii2.">.
Vererbung 1 22.
Vennes 221 >.
Vennetiden 321.
Verinilinguien ">2<.).
Vertebraten 447.
Vertuinnus 33*>.
Verv< >1 Ik onimn u ngs ] >ri nei p
4A
Vesal ML
Vesparien 424.
Vos|>ertilio ")7<>.
Vibrwularien 284.
Vi<ilfrass ">7s
Viporidon ~>32.
Viseeralganglion 3_LL
Viseeralskelet 4.'>').
Vivipan- Thiere 131.
Vögel 7VA7t.
Vogelspinnen IM'.'.
Volvox HH>.
Vortex 22'.'.
Vortieella
Vultur .j4K
LLL
WalM-nkröto a
Walfische ')<>!>.
Walrat ÜÜIL
Widmss .*i78.
Walzenspiunen
Wannblütor Iii,
Wärniestarre ä2»
Wagner, Moritz 42
WaLlbeiinia 2KL
Wallaee 2li
Walzenspinnen Ü4
Wanzen 42ö.
Wasseratjseln .48h'.
\Vjisserfrösebe .">21 .
Wassergi'fässe 1Ü
Wasserjungfern 41f>.
Wasserlungon 3(M>.
Watvögel *>47.
Wobspinnen 437.
Wechsel warme Thiere Iii.
Weichthiere :{!<>-
Register.
599
Weisel i2L
Weisse Ameisen -1 1 .">.
Weissfische .r>10.
Weise LÜH
Wespen Iii.
Widder ÖLZ.
Wiederkäuer 571.
Wiesel 57H.
Wildente 54<>.
Wildgans 546.
Winiperinfusorieii Utf».
Windig 430.
Wintereier 37:?.
Wirbelthierc JJL
Wisent 5LL
Wolf 57S,
Wolff, Caspar Friedrich
Wotton L
Wrisbcrg 1_L
i Würmer Ü2J1
Wurzelfüssler 151.
Xenos 4^0.
I Xiphias 511.
Xiphoeurcu 37S.
!
| Zahnlücker 5()7.
Zander 51 1.
, Zebra 571.
Zecken ±Ü1
I Zelle 4L
Zellentheorie, Geschichte
derselben 4L
I Zellkern Ü2,
' Zeuglodontcn ~><>0.
Ziege 572.
1 Zitteraal 510,
i Zitterrochen 505.
Zitterwels 5_11L
Zoantharicn 213.
Zoarees 511.
j Zoea 305.
I Zonoplacentalicr 5o*7.
. Zoopnagen 5«j.").
[ Zoophyleu 1S1.
Zooxanthcllen 151».
Zuchtwald 35.
Zuckergast 514.
Zunge 32fl.
Zungenbeinbogen 45<i.
Zungenwürmer 441.
Zweiflügler 427.
Zwergmännchen 250, 370.
Zwischenkirfer 45(5.
Zwitterdrüse 1*5, 33JL
: Zygaena 504.
Zygobranchicr 33<>.
<
Fromroauncche BurhdruckrrH (Hrnnann Pohle) in Jena. — 133'.
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